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VI.

Das Wappenbild der von Levetzow.

Von
Dr. Crull in Wismar.
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B eim Siebmacher ist das Wappenbild der von Levetzow als ein Feuerwedel dargestellt 1 ) und vermuthlich auf Grund dieser Abbildung von M. J. Beehr als flabellum bezeichnet. 2 ) Auch von Meding nennt es einen Feuerwedel 3 ) und von Retberg führt neben den Pommerschen Weyher und von Obelitz, zu denen er noch die Bernevür und die Holsteinischen Stake hätte fügen können, die von Levetzow als solche auf, die einen Wedel im Schilde führten, sagt aber freilich an einer anderen Stelle, daß die von Levetzow und die Westfälischen Schele ein Gatter, und zwar ein Fallgatter, als Schildfigur hätten, welches manchmal oben mit drei Ringen versehen sei, eine Behauptung, die bezüglich der von Levetzow durchaus irrtümlich ist. 4 ) Als ein Fallgatter, ein gestürztes, bestehend aus queren und spitz auslaufenden aufrechten Stangen, Schienen oder Pfählen, mit einem Kolben, Fuß, oder wie man es nennen will, am Obertheile, also unten, versehen, bildete auch Masch die Schildfigur ab 5 ) und von Lehsten sagt, dieselbe sei ein Fallgatter von fünf in die Quere und fünf in die Länge gelegten Balken, welch letztere oben in Spitzen ausliefen, unten durch einen "breiten Fuß" zusammengehalten


1) Wappenbuch V, 154.
2) Rer. Mecleb. VIII, p. 1628.
3) Nachr. v. adl. Wapp. I, Nr. 472.
4) Gesch. d. Deutsch. Wappenbilder. 1888, S. 100. 52.
5) Mecklenb. Wappenbuch.
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würden. 1 ) In seinem Wörterbuch der heraldischen Terminologie nennt es von Querfurth ein Schutzgatter oder Fallgatter, oben mit fünf Spitzen versehen, unten auf einem Postament stehend. 2 ) Endlich giebt Hefner an: aufrecht gestellt ein rothes Fallgatter (alias Bratrost, noch wahrscheinlicher aber ein Feuerwedel . . .), und bildet eine rostähnliche Figur ab, die für von Lehstens "breiten Fuß" einen in einen Ring auslaufenden kurzen Stiel hat, während eine zweite Darstellung geradezu einen Feuerwedel zeigt. 3 ) Masch ist dem schon entgegengetreten und hat versichert, das von Levetzow'sche Wappenbild sei ein Fallgatter. 4 )

Schwerlich ist dies Wappenbild in neueren Zeiten, und vielleicht niemals, M. J. Beehr ausgenommen, von Jemandem innerhalb Landes für einen Feuerwedel oder gar Bratrost angesehen worden und vielmehr wohl allgemein als Fallgatter betrachtet, ohne freilich zu fragen, was an einem solchen von Lehstens "breiter Fuß" zu thun habe; daß derselbe das Gatter zusammenhalten solle, erscheint als bloße Verlegenheitsphrase und besagt durchaus gar nichts, da ein Gatter durch Niete oder Nägel zusammengehalten wird. Ein "Fuß" würde dazu gänzlich überflüssig sein und dem Gebrauche des Fallgatters hindernd in den Weg treten, denn ein solches, aus einem Gitter von Eisenstangen oder Pfählen bestehend, ist mittelst Ringe an Ketten oder Tauen aufgehängt, die über eine Walze laufen, so daß das Gatter, welches in einem Falze der Thorleibung auf= oder abwärts sich bewegt, je nach Umständen aufgezogen und niedergelassen werden kann. Wenn nun aber jener "Fuß" für ein Fallgatter ebenso hinderlich wie unnöthig ist, aber auf keinem von Levetzow'schen Siegel u. s. w. fehlt, so liegt die Schlußfolgerung nahe, daß die Schildfigur kein Fallgatter, sondern etwas Anderes sei.

Um zu klarer Erkenntniß des Thatbestandes zu gelangen, ist es geboten, die Siegel aus guter Zeit zu fragen, aus jener Zeit, wo Schild und Helm noch im öffentlichen Leben in Wirklichkeit sich zeigten, nicht bloß gemalt, geschnitzt, gegraben, gestickt wurden, wo die Heraldik noch etwas Lebendiges war. Bis zum Jahre 1385 sind zwölf verschiedene Siegel der von Levetzow bekannt geworden und davon drei im M. U.=B. abgebildet,


1) D. Adel Mecklenburgs.
2) S. 137, Fig. 240.
3) Meklenburgischer Adel.
4) Arch. f. Landeskunde 1858.
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nämlich das älteste, das des Ritters Günther von 1313 zu Nr. 3654, das Günthers von Willershagen von 1329 zu Nr. 5014 und dasjenige Arnds (Helm=Siegel) von 1356 zu Nr. 8202, während nur verzeichnet und beschrieben sind die Siegel zu Nr. 6821, 9325, 9939 A, 9998, 10183 und 10459. Hätte man diese sämmtlich vor Augen, so dürfte die Feststellung der Schildfigur leichter und zuverlässiger sein, da aber jenes nicht thunlich, so müssen die abgebildeten Siegel genügen, und das dürften sie auch in der That.

1. Siegel

1. Siegel von 1313; auf einem massiven Sockel, dessen Breite ungefähr der halben Breite der ganzen Structur gleich ist und dessen Höhe fast drei Viertel seiner Breite mißt, ist ein Ständer aufgerichtet, der im ersten und zweiten Drittel seiner Höhe von Querstücken gekreuzt wird, deren oberes beiderseits weiter hinaustritt als das untere. Auf letzterem stehen jederseits von dem stumpf endigenden Ständer drei Stangen, Latten oder dgl., welche, in gleicher Höhe mit dem Ständer, spitz auszulaufen scheinen.

2. Siegel
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2. Siegel von 1329: aus rechtwinkligen Stützen gebildeter Fuß, von ziemlich denselben Verhältnissen wie am ersten Siegel, trägt einen kurzen Ständer, auf dem sieben Latten oder Stangen auf einem Querstücke stehen, welche, spitz auslaufend, in zwei Drittel ihrer Höhe durch ein Querstück verbunden sind, welches jedoch nicht wie beim ersten Siegel vorsteht.

3. Siegel

3. Siegel von 1356; auf einem getreppten Sockel ein kurzer Ständer, der ein Querstück trägt, auf welchem fünf Pfähle gleicher Stärke mit jenem stehen. Gleich stark ist auch das die Pfähle dicht unter deren Ende zusammenhaltende Riegelband.

Ohne Voreingenommenheit wird Niemand diese Wappenbilder für Fallgatter ansehen können. Dieser Ueberzeugung war auch Dr. Lisch, welcher, durch jene Siegel bewogen, nach einer anderen Deutung der Schildfigur aussah und solche für einen Kerzenrechen erklärte, dem er zur Erläuterung, wie es scheint, noch "Siebenarmiger Leuchter" in Parenthese hinzusetzte. Lisch gab diese Ansicht zuerst kund in der Anmerkung zu M. U.=B. Nr. 3654 und begründete dieselbe in einem kurzen Aufsatze im Jahrbuche von 1871 näher, in welchem er sich auf den Artikel herse s. f. râtelier bei Viollet=le=Duc 1 ) bezieht. Die Bezeichnung als Kerzenrechen ist dann im M. U.=B. beibehalten, während der Zusatz fünfarmiger Leuchter nur noch zu Nr. 10183 wiederkehrt. Ich selbst habe in meiner heraldischen Arbeit im Jahrbuche von 1887 auf Lisch's Autorität hin als die von Levetzow'sche Schildfigur einen Kerzenrechen angegeben, eine Bezeichnung, welche


1) Mobilier fran[c caron]ais, 2 éd. I, p. 121.
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mir einleuchtete, von der ich aber inzwischen zurückgekommen bin und zwar auf Grund nachstehender Erwägungen.

Die zwischen Lettner und Altar aufgestellten großen Leuchter mit mehreren Armen, z. B. mit dreien wie zu Halberstadt, mit fünfen wie zu Perleberg und Werben, mit sieben wie in Mölln und Kolberg, 1 ) bestehen aus einem stärkeren Ständer, von dem beiderseits in gleicher Flucht und bis zu gleicher Höhe mit jenem die Arme abgehen, die sich bei den älteren concentrisch emporschwingen, bei den jüngeren S horizontal förmige Gestaltung mit Verlängerung des lichttragenden Schenkels haben. Sämmtlich bestehen sie aus Bronze oder Messing, sind Gußwerke, und weder in der einschlägigen Literatur verlautet etwas von mehrarmigen Leuchtern aus Holz oder aus Eisen, noch sind solche irgendwo aufgefunden worden. Das von Levetzow'sche Wappenbild ist aber nach Maßgabe besonders des ältesten, dann aber auch aller folgenden Siegel auf keinen Fall ein Gußwerk, sondern offenbar eine Holzstructur, nicht einmal Eisenarbeit, und es wird mit Sicherheit behauptet werden dürfen, daß dieselbe keinen siebenarmigen Leuchter vorstelle, um so weniger, als außer einem Siegel - zu Nr. 9998 -, welches sechs Pfosten hat, sämmtliche Siegel des 14. Jahrhunderts von 1348 (Nr. 6821) an nur fünf Pfosten zeigen, und als die bekannten Siegel des 15. Jahrhunderts bis auf eines von 1493, das sieben Pfosten hat, ebenfalls nur fünf Pfosten aufweisen.

Wie ist es aber nun mit dem " Kerzenrechen"? Ein Kerzenrechen, hercia, rastrum, pergula, ist eine Vorrichtung, mehrere Kerzen beliebiger Zahl neben einander zu tragen, sei es 1. daß eine Balkune oder eine Planke, die auf Knaggen an der Wand ruht, die Lichtschalen aufnimmt, sei es 2. daß jene auf festen freistehenden Stützen ruhen, sei es 3. daß eine Tragevorrichtung quer über dem Chore u. s. w. angebracht ist, sei es endlich 4. daß ein Querstück, auf ein oder zwei beweglichen Stützen ruhend, eine Mehrzahl einzelner Kerzenträger vertritt, wie sie um die Katafalke gestellt werden. Von der Vorrichtung 1. hat sich nur ein Beispiel in der Frauen=Kirche zu Nürnberg erhalten, jedoch modificirt, insofern leuchtertragende Engel die Stelle von Lichtschalen vertreten, von der 2. giebt eine Abbildung bei


1) Auch S. Nicolaus in Wismar hatte vielleicht einen siebenarmigen Leuchter: 1 m. den bruggeren, de wedder tho bruggeden im chore, dar de socuenboem stunth. Reg. S. N. 1567.
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Viollet=le=Duc, die er einem alten Drucke entnahm, eine Kunde, von der 3. aber existirt noch ein Beispiel in der Collegiatkirche zu Xanten und die Nachricht von einem solchen in der Kathedrale zu Bourges, 1 ) aber von der 4. Vorrichtung giebt es weder eine Abbildung, noch sind Exemplare von dergleichen bekannt. Wenn das nun gleich der Fall ist, so darf man doch als sicher annehmen, daß das Querstück zur Aufnahme der Leuchterschalen die Hauptsache bei den Kerzenrechen ist, nicht die Unterstützung, und daß das Querstück, weil es die Kerzen trägt, der oberste Theil der Vorrichtung sein muß. Ganz verschieden davon stellt sich das von Levetzow'sche Wappenbild dar, denn bei diesem ragen die Stäbe oder Pfosten, welche das Querstück doch tragen sollten, mehr oder minder über dasselbe hinaus, so daß auf selbigem kein Platz zur Anbringung von Kerzenträgern oder Lichtschalen ist. Endlich ist von solchen auf keinem der Siegel eine Spur zu sehen, wie es sein müßte, wenn ein Kerzenrechen, dessen Characteristicum sie doch sind, nicht das Gestell, gemeint wäre.

Wenn nun überall keine Rede davon sein kann, die fragliche Figur als Feuerwedel oder als Bratrost anzusprechen, und ich dargethan zu haben glaube, daß sie ebensowenig ein Fallgatter oder einen Kerzenrechen darstellen könne, so fragt es sich, für was sonst man sie dann anzusehen habe. Allerdings scheint es nach dem Grafendiplom für Christian Rave auf Stük von 1734, 2 ) daß das Fallgatter die letzten beiden Jahrhunderte Familien=Tradition gewesen ist, 3 ) doch ist mir nicht bekannt, ob sie etwa noch weiter zurückreichen möchte. Keinesfalls bestand sie schon in der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts, wie das an einem Stuhl in der Kirche zu Basse befindliche von Levetzow'sche Wappen 4 ) beweist, da hier die Figur sich in Nichts von den=


1) Bei Viollet=le=Duc a. a. O. Ob eine Einrichtung im Museum zu Gent, Reusens, archéol. chret. II, 428, hierher gehört, sei dahingestellt.
2) v. Meding a. a. O. I, S. 454.
3) Der oben angenommenen Familientradition scheint entgegen zu stehen, daß das v. Levetzow'sche Wappenbild in das preußische Grafendipom für v. Blücher=Finken als "Feuerwedel" aufgenommen ist, aber nach der Schilderung des Mannes und seiner Standeserhöhung bei Wigger, G. v. Blücher II. 2, S. 88 ff. möchte ich den Feuerwedel auf Siebmacher oder M. G. Beehr zurückführen.
4) Schlie, Kunst= u. Gesch.=Denkm. I, S. 500 (2. Aufl. S. 517).
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jenigen der alten Siegel unterscheidet und namentlich der Fuß eine bei weitem bedeutendere Größe hat, als auf den Fallgatter

Schildfigur

Siegeln. Gänzlich zu verwerfen ist aber die Tradition nicht, denn wenn sie auch durch die nähere Bezeichnung "Fallgatter" irrt, so trifft sie doch meines Erachtens das Richtige, indem sie die Figur als "Gatter" bezeichnet, kurz, ich sehe in derselben eben ein "Gatter", welches entweder um seine Mitte beweglich - von Retberg nennt solche "Drillgatter" - Fuhrwerken und Vieh einen Weg versperrt, oder unbeweglich auch Menschen von solchem abhält; das älteste Siegel spricht mehr für jene Art, die übrigen für die andere. Ein folches Gatter, begleitet von

Schildfigur

zwei Rosen, ist auch die Schildfigur der von Hasbergen 1 ), während eine ähnliche Vorrichtung, ein Heck, von denen von Haxthausen im Schilde geführt wird.


1) Schlie a. a. O. III, S. 149; auch in v. Meyenn, Pentz II, 322.
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Ein solches Drillgatter oder Drehthor, allerdings den größeren Verhältnissen nach in etwas anderer, festerer Konstruktion, zeigt eine Abbildung von 1493 in Hartmann Schedels Weltchronik, wo bei der Darstellung von Sagatz dieses Drehthor den Abschluß einer Brückenbefestigung durch Wehrzäune bildet.

Abbildung von 1493 in Hartmann Schedels Weltchronik

Ich bin dem Geh. Archivrath Grotefend für den Hinweis auf dieses Beispiel zu Dank verbunden.

Es ist das einzige bekannte Bild einer solchen Vorrichtung aus dem Mittelalter und wohl geeignet, die Richtigkeit der Bezeichnung "Drillgatter" für das von Levetzowsche Wappen zu erhärten.

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