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I.

Urkundliche Mittheilungen

über die

Beghinen= und Begharden=Häuser

zu Rostock,

von

Archivrath Dr. F. Wigger.


F ür das kirchliche Leben des Mittelalters war die Bildung von geistlichen Gesellschaften und Gemeinschaften aller Art viel zu wesentlich, als daß sich nicht auch in Meklenburg alsbald nach der Germanisirung und Christianisirung des Landes die verschiedenen Formen derselben gezeigt haben sollten. Noch bevor hier die Kirche ihre ausgebildete Organisation empfangen hatte, bemüheten sich wetteifernd die geistlichen und die weltlichen Herren, derselben eine Stütze in den Feldklöstern der Cistertienser=Mönche zu Althof und Dargun und der Prämonstratenser zu Broda zu geben; und wenngleich diese Stiftungen noch feindlichen, heidnischen Bestrebungen zum Opfer fielen, so erstanden sie doch bald wieder zu um so kräftigerem Gedeihen und förderten auch in nicht geistlicher Hinsicht die deutsche Cultur. Seit dem Jahre 1222 erhob sich in Tempzin ein Haus für die Antoniusbrüder, um dieselbe Zeit zu Dobbertin ein Kloster für Benedictiner=Mönche, die dann freilich bald einem Nonnen=Convent Platz machten. Schon gab es damals ein Feldkloster für Nonnen zu Neukloster, es folgten im Laufe des 13. Jahrhunderts die zu Eldena, Rühn, Rehna, Zarrentin, Ivenack und Wanzka, und die Büßerinnen von Neuröbel siedelten 1298 in ihr neues Kloster zu Alt=Malchow über. Desgleichen breiteten

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sich in den meklenburgischen Städten die Bettelorden überraschend schnell aus; die Franziskaner hatten zu Schwerin schon 1236, zu Rostock schon 1243, zu Parchim 1246 ein Kloster, 1251 fanden sie auch in Wismar Aufnahme; die Dominikaner siedelten sich schon 1256 am Steinthor in Rostock (zu St. Johann) an, sie ließen sich 1285 zu Röbel, 1293 zu Wismar nieder. In der Stadt Rostock ward 1270 sogar auch das Cistertienser=Nonnenkloster zum Heiligen Kreuz gestiftet, und 1323 legte Fürst Heinrich II. den Grund zum Clarissenkloster in Ribnitz. Während die Domherren zu Ratzeburg in einem klösterlichen Verbande nach der Prämonstratenser=Regel lebten, richteten sich die Schwerinschen nach der freieren Weise der Capitel an den meisten Kathedralkirchen, und zu Güstrow und zu Bützow wurden früh Collegiatkirchen gegründet. Und wenn diese Domstifter und die Feldklöster ihr Gut auch zunächst und zumeist der Freigebigkeit der Landesherren, hernach auch der Mildthätigkeit der Privatleute um der Seelenmessen willen verdankten, so Zeigt doch schon das Bestehen der Bettelmönch=Klöster, die von Vermächtnissen und milden Gaben entstanden und beständig unterstützt wurden, wie tiefe Wurzeln das Klosterwesen überall im Volke geschlagen hatte. Alles strebte nach geistlicher Gemeinschaft. Die Kranken, die Armen und die Wanderer fanden neben leiblicher auch geistliche Pflege theils in den Leprosenhäusern, die schon in frühester Zeit vor den Städten und an den Landstraßen gestiftet wurden und sich in hohem Maße der Mildtätigkeit der Gläubigen erfreueten, theils in den Heiligen=Geist=Hospitälern, welche seit der Mitte des 13. Jahrhunderts zu Wismar, Rostock, Parchim, Schwerin, Röbel u. s. w. von milder Hand gegründet wurden. Von den Kalandsbrüderschaften, zu welchen sowohl Geistliche als Laien zur Förderung ihres Gottesdienstes und zur Sicherung eines würdigen Begräbnisses und der für unentbehrlich gehaltenen Seelenmessen zusammentraten, finden sich schon im 13. Jahrhunderte Spuren; sie nehmen in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts einen großen Aufschwung. Ja selbst die Gewerke und Innungen stellen sich durch die Erwählung ihrer Schutzpatrone unter den Heiligen, durch die Gründung von Altären und Vikareien u. s. w. in gewissem Sinne als geistliche Brüderschaften hin.

Als der Höhepunkt der Frömmigkeit erschien dem Mittelalter immer das beschauliche Leben in den Klöstern; und unzählige Christen, welche an demselben nicht als Convents=

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Mitglieder Theil nehmen konnten, trachteten wenigstens danach, die Brüderschaft eines Klosters zu gewinnen und damit "aller guten Werke" desselben, vornehmlich auch der Seelenmessen theilhaftig zu werden, oder sie suchten einem solchen als Laienbrüder und Laienschwestern (Conversen) zu dienen oder sich als Kostgänger anzuschließen, und sich auf dem Klosterkirchhofe oder in der Klosterkirche eine Grabstätte zu verschaffen.

Wie sehr aber die Klöster auch bestrebt waren, von den ihnen zugewandten Gaben ihr Gut, und damit auch die Zahl ihrer Präbenden zu mehren, genügten sie doch nicht dem vielfach empfundenen Bedürfniß, eine Ruhestätte zu einem stillen, steter Andacht und geistlichen Uebungen gewidmeten Leben zu finden. Sicherlich mehr diesem Umstande und der oft nicht unbedeutenden Forderung der Klöster für die Aufnahme neuer Mitglieder, als der Abneigung gegen die Strenge der Ordensregeln und der klösterlichen Zucht oder dem Abscheu gegen die nicht zu leugnende Verweltlichung mancher Orden, verdankte das Institut der Beghinen seine Entstehung in den Niederlanden und seine Verbreitung bis in unsere Gegenden.

In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts traten zuerst in Belgien die Beghinen 1 ) hervor. Es waren Laienschwestern, die keiner bestimmten, allgemein gültigen Ordensregel nachlebten, doch durch eine bestimmte Kleidung sich als Mitglieder einer Schwesterschaft kennzeichneten und nach dem Vorbilde der Nonnen meistens sich zu einem Convent unter der Vorsteherschaft einer magistra in einem Hause zusammenthaten, um hier in aller Stille gemeinschaftlicher Andachten, Fasten und anderer geistlicher Uebungen zu pflegen und Werke der Barmherzigkeit zu üben, aber auf ihr Privatvermögen zu verzichten in der Regel nicht genöthigt wurden, auch jederzeit aus dem Convent austreten und sich verehelichen durften. Sie gingen vorzugsweise aus den unbemittelten Ständen hervor und lebten vielfach in Dürftigkeit von ihrer Hände Arbeit; eben dadurch aber wuchsen sie schnell in der Gunst des Volkes, sie wurden von demselben vielfach den Nonnen gleichgestellt und auch als solche oder einfach als "Schwestern" bezeichnet.


1) Ueber die Ableitungen dieses Wortes vgl. J. L. a Mosheim de beghardis et beguinabus (Lps. 1790), p. 5, Grimm, Wörterbuch, auch Gieseler, Kirchengeschichte II, 2, S. 364, und die verschiedenen Formen s. bei Diefenbach, s. v. begina; vgl. auch unsere Jahrb. IV A, 2.
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Uebrigens gewannen sie durch ihre ehrbare und sittsame Lebensweise auch in den höheren Classen und durch ihre Frömmigkeit und Kirchlichkeit bei der Geistlichkeit, selbst bei den Päpsten Innocenz IV. und Urban IV. großen Beifall 1 ), nachdem seit dem Ende des 12. Jahrhunderts die Beghinenhöfe sich nicht nur in Belgien, sondern auch über die Nachbarländer in kurzer Zeit verbreitet und die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten. Schon um die Mitte des 13. Jahrhunderts schätzte man die Zahl der Beghinen allein in der Stadt Köln auf tausend und mehr 2 ). Wie sich die Franziskaner in Deutschland ausbreiteten, begaben sich die Beghinen nicht selten gleichsam in deren Schutz und traten mit den Laienschwestern derselben, den Tertiarierinnen, vielfach in die allernächsten Berührungen, so daß sich die Unterschiede zwischen ihnen verwischten.

Nach dem Vorbilde der Beghinen bildeten sich dann, zunächst wiederum in den Niederlanden, im 13. Jahrhundert auch Convente von Männern, die im Volksmunde Begharden 3 ) hießen. Auch diese breiteten sich namentlich längs des Rheines aus; in Mecklenburg finden wir aber im 13. und in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts von ihnen noch keine Spur.

Die Beghinen werden dagegen in unsern Landen schon vor dem Ablaufe des 13. Jahrhunderts erwähnt, und zwar etwa gleichzeitig in Wismar und in Rostock.

In Wismar gab der Rathmann Radolf von Krukow 1283 "den gesammten Beghinen" (bagginis vniuersis), also einem Convent, "von dem Querhause hinter Johann v. Krukows Erbe mit dem anliegenden Hofe 5 Fach, und die Rathmänner gaben dazu ihre Zustimmung auf so lange, als es der Stadt zum Nutzen gereichen würde" 4 ). Dieses Haus hieß später der "Krukowen=Convent" und hat der jetzt noch so genannten "Beginenstraße" den Namen gegeben. Wahrscheinlich war dieser Convent aber nur gleichsam eine Colonie eines älteren. Wenigstens ist nur vier Jahre später von zwei Beghinenhäusern zu Wismar die Rede: ein Rathmann und dessen Ehefrau vermachten den Beghinen von den beiden Häusern (beginis de duabus domibus) 2 Mark, in welche sie sich theilen sollten. Vermuthlich war der ältere Convent der "bei den Minderbrüdern" (den Franziskanern)


1) Mosheim a. a. O. 141.
2) Matth. Paris ad a. 1250, vielleicht übertrieben. - Ueber die Convente zu Köln vgl. J. B. Haaß, Die Convente in Köln und die Beghinen, Köln 1860.
3) Ueber die Erklärung des Wortes Vgl. Grimm, Wörterbuch.
4) Mekl. Urk.=Buch III, Nr. 1660.
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(baggine apud fratres minores), und lehnten sich auch hier die Beghinen, wie an so vielen Orten, ursprünglich an den Franziskanerorden an. Bei dem Kloster der Minderbrüder wohnten "die blauen Schwestern"; 1290 ließ "die blaue Beghine Adelheid" (Alheydis blauia bagina) "durch ihren Vormund" (per tutorem) die Hälfte eines Hauses auf, und "die blauen Schwestern" (sorores blauie) Adelheid, Kunigund und Wendela verkauften ein bei der "Pflegerin der Minderbrüder" (procuratrix fratrum) belegenes Häuschen; dagegen erwarb Alheydis blauia bagina 1293 wiederum ein Häuschen, und 1299 kauften "die Beghinen bei den Minderbrüdern" von Dietrich Lewetzow ein Erbe, "belegen bei den Minderbrüdern neben dem Hofe der älteren Frau (Fürstin) von Meklenburg" (Anastasia), "mit den Almosen Heinrich Klumpsilvers". Eben darum wohl hieß dieses Haus später der "Klumpsilver=Convent" 1 ).

Wie der Rath zu Wismar dem Krukowen=Convent die geschenkte Wohnung nur mit der Bedingung zuschrieb: "so lange es der Stadt zum Nutzen gereiche", so bewies auch der Rath zu Rostock Anfangs den Beghinen gegenüber einige Bedenklichkeiten. Als 1279 Gerlach von Koesfeld, ein dortiger Bürger, "den Beghinen in Rostock" (begginis in R., die also dort schon wohnten, aber noch zerstreut) "30 Mark zum Ankauf eines Hauses, um darin zusammen zu leben", vermachte, genehmigte dies freilich der Rath, jedoch mit der Bedingung: "wenn sie sich die Gunst der Stadt erhalten könnten (si in fauore ciuitatis haberi poterunt); und als Johann Raven 1284 beim Johanniskloster ein Erbe verkaufte, machten die Kämmereiherren dem Käufer zur Bedingung, daß dasselbe "nicht an Brüder" (es sind wohl die Predigerbrüder zu St. Johann gemeint) "oder an Beghinen verkauft werden dürfe"; er mußte verwillküren, daß das Erbe, wenn jenes doch geschähe, der Stadt verfallen sein sollte 2 ).

Wie weit sich damals der "Stand" (Orden durfte man nicht sagen) der Beghinen in Rostock schon ausgebreitet hatte, ist nicht mehr zu ermitteln. Die Franziskaner ("Minderbrüder" zu St. Katharinen auf der Altstadt) verkauften 1285 der Laienschwester (conversa) Sophie eine Worth, welche sie bebauet hatte; und in der Grapengießerstraße (auf der Neustadt) bewohnten Laienschwestern (conversae) ein Haus 3 );


1) Mekl. Urk Buch III, Nr. 1908, 2073, milder Note, 2141, 2253 Bd. IV, Nr. 2544.
2) Daselbst Bd. II, Nr. 1479, Bd. III, Nr. 1722
3) Daselbst Nr. 1800, n.
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diese Conversen waren aber wahrscheinlich Tertiarierinnen des Franziskaner=Ordens. Dagegen mag es mit dem Vermächtniß Koesfelds zusammenhängen, daß die Beghine Christina von Anklam (bagina dicta Cristina de Anclem) ihr Haus in der Hartenstraße (nahe dem Franziskaner=Kloster) verkaufte; denn wahrscheinlich erwarben die Beghinen mit jenem Vermächtniß und andern Mitteln "ein Erbe auf dem Küterbruche neben dem Stadtgraben", welches 1299 als ehemaliger Besitz der Beghinen bezeichnet wird 1 ).

Dieses anscheinend sehr bescheidene und vermuthlich niedrig und ungesund gelegene Häuschen verließen die Beghinen ohne Zweifel schon wieder im Jahre 1293. Denn in diesem Jahre verkaufte nach Ausweis des Stadtbuches "Schwester Wibe allen zum Capitel gehörenden Schwestern ihr auf dem Berge" [der fortan der Beghinenberg hieß] 2 ) "belegenes Haus zum beständigen Besitz, mit der Bedingung, daß Schwester Wibe und ihre (leibliche) Schwester zu ihrem Gebrauche eine Kammer und einen Hofraum zum Bleichen ihres Garns behielten" 3 ).

Von dieser Schwester Wibe erfahren wir noch Weiteres durch eine Einzeichnung des Stadtbuches aus demselben Jahre. Hiernach verkaufte nämlich Hermann Leyst an Arnold von Grevesmühlen und an "Schwester Wibe," die Tochter Meister Jordans, und an die "Schwester Gertrud," Tochter Heinrichs von Schwan, das kleine an sein Haus stoßende Erbe mit dem Hofe, Stallgebäuden etc . Wo dieses lag, ob etwa auch auf dem Beghinenberge, wird leider nicht hinzugefügt; wir erfahren nur gelegentlich 1295, daß Wibe dem Kloster Dargun für die Vollendung eines "Werkes" (einer Orgel?), welches ihr Vater für dasselbe anfertigte, den vierten Theil ihres von Hermann Leyst erkauften Hauses im Werthe von 30 Mk. Pf. zum Pfande setzte 4 ).

Sicher wissen wir also nur, daß das "Capitel" der Beghinen seit 1293 auf dem Beghinenberge fest angesiedelt war; einen Garten hatten diese "Schwestern" (1319) vor der Stadt nach dem St. Georg zu 5 ). Auf dem Beghinen=


1) Mekl. Urk.=Buch Nr. 1800, n.
2) Daß nicht etwa die Straße "Am Berge" gemeint ist, sondern der spätere "Beghinenberg" zwischen der Steinstraße und der Vierglindenmühle, ergiebt sich aus einer Inscription im Stadtbuche von 1319 [Mekl. Urk.=Buch 3999, n.], wonach ein Haus verkauft ward "ante valuam inferiorem juxta quatuor rotas cum curia-cum porta iuxta domum quondam begginarum". Das Beghinenhaus war damals bereits verkauft, s. u.
3) Mekl. Urk.=Buch Nr. 2217.
4) Das. Nr. 2326.
5) Das. Nr. 3999, n.
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berge mögen sich auch ihre Verwandten angesiedelt haben. Wo freilich jener "Friedrich, Schwager (?) der Beghinen" (Fredericus gener baginarum), dem 1287 Gläubiger sein Haus entzogen, gewohnt haben mag, ist nicht zu ermitteln; aber "Konrad, der Sohn der Beghine" (Conradus filius baggine), wie er 1297, oder "Konrad, der Bagginen Schwager" (gener bagginarum), wie anscheinend derselbe 1299, oder "Conradus baggine", wie er 1304 genannt ward, wohnte "im Winkel gegenüber den Beghinen" 1 ).

Von der weiteren Ausbreitung der "Schwestern" in Meklenburg haben wir wenig Kunde. Doch hieß die jetzige "Pontanusstraße" zu Neubrandenburg nahe bei dem Franziskaner=Kloster bis vor Kurzem noch Beghinenstraße 2 ). Ferner werden gelegentlich schon 1326-29 "Nonnen" oder "Beghinen" oder "Schwestern" zu Gadebusch erwähnt 3 ); und in Parchim, wo sich, wie bemerkt, früh Franziskaner ein Kloster gegründet hatten, siedelten sich noch vor dem Ende des 13. Jahrhunderts "Nonnen" an. Als 1293 Wolder Grote Almosen aus den Einkünften des von ihm in der Georgenkirche zu Parchim gestifteten Altars verordnete, bestimmte er "den Nonnen" (moniales), "welche in der Neustadt in einem Hause vereinigt sind, Tuch zu Socken," "nämlich denen, welche von großer Bedürftigkeit betroffen sind", und dazu den Nonnen selbst 4 Schillinge "wegen der in dem Hause selbst" - wohl im Gegensatz zur Kirche - "anzustellenden Gedächtnißfeier für ihn und seine Ehefrau". Wir bezweifeln nicht, daß diese "Nonnen" Beghinen waren.

Gerade diese Fürbitten für die Verstorbenen haben gewiß nicht wenig dazu beigetragen, die Beghinen in der Gunst der Bevölkerung zu heben, namentlich in unsern Gegenden. An andern Orten aber fehlte es ihnen neben vielen Verehrern auch nicht an Gegnern. Anscheinend verhielten sich außer den Franziskanern, mit deren Richtung sie sich so vielfach berührten, die Orden ziemlich kühl gegen sie. Den Weltgeistlichen konnten sie kaum Anstoß erregen, da sie sich zum öffentlichen Gottesdienst hielten und von ihnen die Sacramente nahmen;


1) Mekl. Urk.=Buch Nr. 2217, n.
2) Das Kloster wird schon 1339 erwähnt (daselbst Nr. 5983), die platea beguinarum - intra muros 1346 (Nr. 6617).
3) Das. Nr. 4724, in der Wism. Kämmerei= Rechnung 1326-27: De festo sancti Johannis - dominabus de Godebutz I. mr. Hernach: de pascha - monialibus de Godebutz I. mr. Dagegen in der Wism. Kämmerei=Rechnung von 1327-28 (Nr. 4831): Bagginis de Godebutz vnam marcam; und in der Jahres=Rechnung von 1328-29 (Nr. 4922): sororibus de Godebutz vnam marcam reddituum.
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doch war die höhere Geistlichkeit schon den Franziskanern nicht gewogen, da diese sich nicht unter die Bischöfe stellen mochten und in die Thätigkeit der Weltgeistlichkeit eingriffen 1 ); über die frommen "Schwestern" als Convente aber bildeten die Bischöfe und ihre Archidiakonen keine allgemein anerkannte geistliche Obrigkeit.

Eben in dieser Freiheit, daß sie durch keine gemeinsame Regel, kein gemeinsames Band verknüpft waren, unter sich keinen Zusammenhang als den der gleichen Sitte und Lebensweise hatten und keinem höheren Vorstande gehorchten, lag aber für die Beghinen und die Begharden eine große Gefahr der Entartung. Schon auf dem Concil zu Lüttich 1287 2 ) ward beschlossen, daß alle Beghinen, welche des Vorrechts solcher sich erfreuen wollten, in einen Beghinenhof eintreten, andernfalls auch sich durch ihre Kleidung von den Conventen in den Beghinenhöfen unterscheiden sollten. Schlimmer war es für die Beghinen und Begharden, daß sie in den Rheinlanden nicht nur mit frommen, strengen Franziskanern, welche durch ihre Lehre von der absoluten Armuth dem begüterten Clerus sehr verhaßt waren, sondern andererseits auch mit Sekten von sehr bedenklichen Richtungen, namentlich mit den Brüdern und Schwestern des freien Geistes, zusammentrafen und vielfach den ärgsten Irrthümern der Letzteren zum Opfer fielen. Daher kam es, daß sich schon 1259 das Provincial=Concil zu Mainz gegen sie aussprach, daß auf den Concilien zu Köln 1306 und zu Trier 1310 Verbote gegen sie ergingen 3 ), ja "Beghard" allmählich eine Bezeichnung für einen Ketzer ward. Auf dem allgemeinen Concil zu Vienne im Jahre 1311 erließ der Papst Clemens V. mit Zustimmung des Concils zwei Bullen, die eine gegen die Beghinen allein, die andere gegen die Begharden und Beghinen gemeinschaftlich. In jener wird den Beghinen vorgeworfen, daß manche von ihnen, wie von Wahnsinn ergriffen, über die Dreieinigkeit und das Wesen Gottes disputirten und predigten und von den Glaubensartikeln und den kirchlichen Sacramenten anders lehrten als die katholische Kirche, dadurch aber unter einer gewissen Hülle der Frömmigkeit die Seelen Anderer in große Gefahren und Irrthümer stürzten; Papst und Concil verboten daher diesen "Stand" bei Strafe der Excommunication, die auch der Ordensgeistlichkeit, welche


1) S. Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1453; III, Nr. 1573; IV. A, Nr. 2552, 2567, 2569.
2) Mosheim a a. O. p. 132.
3) Gieseler II, 2. S. 308 flgd.
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das Beghinenwesen beförderte und schützte, also vornehmlich den Franziskanern, angedrohet ward 1 ). In der zweiten Bulle zählt Papst Clemens V. die vornehmsten Irrthümer der "abscheulichen Sekte böser Menschen, welche Begharden, und ungläubiger Frauen, welche insgemein Beghinen genannt werden, im Königreiche Deutschland," auf. Sie lehrten nach seiner Angabe, daß der Mensch schon in diesem Leben zu einer solchen Vollkommenheit zu gelangen vermöge, daß er nicht mehr sündigen und in der Gnade nicht mehr wachsen könne, und habe er diese Stufe erreicht, so dürfe er nicht mehr fasten und beten, weil dann die Sinnlichkeit dem Geiste vollkommen unterworfen sei, so daß dem Körper, was ihm gefiele, gestattet werden könne; die, welche in dem besagten Grade der Vollkommenheit stünden, seien keinem menschlichen Gehorsam, keinem kirchlichen Gebote unterworfen, weil da, wo der Geist des Herrn, Freiheit sei; mit dem höchsten Grade der Vollkommenheit könne der Mensch schon in diesem Leben die ewige Seligkeit erlangen; jedes intellectuelle Wesen sei in sich selig, die Seele bedürfe nicht erst des Lichtes der Herrlichkeit, welches sie zum Schauen und zum seligen Genusse Gottes erhebe; nur der unvollkommene Mensch übe sich noch in den einzelnen Tugenden, die vollendete Seele habe mit ihnen nichts mehr zu schaffen; der Kuß einer Frau sei eine Todsünde, der Beischlaf keine Sünde, weil nicht zu jenem, aber zu diesem die Natur hinneige u. s. w. Der Papst begnügt sich nicht damit diese Sekte mit ihren Irrthümern zu verdammen, sondern er entzieht ihr auch jeden Schutz und ermahnt die Bischöfe und Ketzermeister in Gegenden, wo solche Begharden und Beghinen wohnten, ihr Leben, ihren Verkehr, ihre Ansichten über die Glaubensartikel und die Sacramente fleißig zu untersuchen und sie, wenn sie nicht willig und reuig ihren Irrthümern entsagen, gebührend zu bestrafen 2 ).

Clemens V. bemerkt freilich am Schlusse der ersten Bulle, er wolle keineswegs damit verboten haben, daß fromme Frauen, möchten sie Enthaltsamkeit gelobt haben oder nicht, in ihren Herbergen ehrbar lebten, Bußübungen trieben und in Demuth, wie es ihnen Gott eingegeben, und in Tugenden dem Herrn dienten; und deren Zahl wird allerdings unter den Beghinen die bei weitem überwiegende gewesen sein. Aber es war doch durch die Bulle über die Ver=


1) Clementinarum lib. III, tit. XI, c. 1 (ed. Friedberg II, p. 1169).
2) Das. lib. V, tit. III. de haereticis, c. 3 (p. 1183).
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dammung dieses "Standes" der Anstoß zur Verdächtigung und zur Verfolgung dieser Frauen in Deutschland gegeben; und kaum hatte Papst Johann XXII. die Beschlüsse des Concils zu Vienne 1316 zur Nachachtung verkündigt, als auch schon die Verfolgungen begannen. Detmar berichtet zum Jahre 1316: "By der sulven tyd do hadde paves Johannes vorbannen de secten der bighart unde beghinen in Dudeschen landen, dat se mosten verlecghen (ablegen) dat cleyt des schines unde ghan in menen (gewöhnlichen) clederen also ander lude; wente (denn) vele arghes sculede (verbarg sich) mang en". Und desgleichen wird in der Magdeburger Schöffen=Chronik zum Jahre 1319 erzählt: "In dissem jare vorbannede men die beginen unde baggarde; des (darum) nemen orer (ihrer) vele knechte und man, de vor (zuvor) kuschheit hatten gelouet."

Ohne Zweifel hing es aber zumeist von den weltlichen Obrigkeiten ab, ob und wie weit sie geneigt waren die Inquisitoren zu unterstützen, und die Letzteren werden doch nur haben einschreiten können, wo die Beghinen sich zu ketzerischen Lehren bekannten und durch Lehre und Leben ein öffentliches Aergerniß gaben. Ob sich die vom Papste gerügten Ketzereien auch bis zu unsern meklenburgischen Beghinen=Couventen hin verbreiteten, und ob auch diese Untersuchungen und Verfolgungen zu erleiden gehabt haben, ist nicht mehr aufzuklären. Unsere Bischöfe waren sonst den Beghinen entschieden abhold. Denn auf dem Concil der Bremischen Kirchen=Provinz verkündigten am 4. Novbr. 1328 der Erzbischof Burchard von Bremen und seine drei Suffragan=Bischöfe Markward von Ratzeburg, Johann von Schwerin und Heinrich von Lübeck den Beschluß: "Da nicht nur die Kleidung der Beghinen, sondern auch ihre Conventikel unter bestimmten Strafen vom apostolischen Stuhl verworfen sind, so wollen wir, daß niemand sich unterstehe sie zu schützen und zu hegen (fovere), wenn nicht etwa der apostolische Stuhl ein Anderes hierüber zu verfügen oder auch zu verordnen für gut befinden sollte 1 ). -

In der That hat aber noch derselbe Papst Johann XXII. ein Anderes (durch die Bulle Ratio recta) verfügt: "Weil es," sagt er in dieser, "in vielen Gegenden der Welt gar viele Frauen giebt, welche gleicherweise gemeiniglich Beghinen genannt werden, manchmal gesondert im elterlichen oder im eigenen Hause, bisweilen aber in andern oder gemietheten


1) Mekl. Urk.=Buch X, Nr. 7314.
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gemeinschaftlichen Häusern beisammen wohnen, ein ehrbares Leben führen, die Kirchen bei Nacht besuchen, den Diöcesan=Bischöfen und Pfarrherrn ehrerbietigen Gehorsam leisten, sich auf keine Weise herausnehmen vorwitzig zu disputiren oder dreist zu predigen, sich und Andere nicht in die" (von Papst Clemens V.) "gerügten Irrthümer verstricken und sich keinen Tadel oder Verdacht zugezogen haben:" so sollen, damit solchen, die etwa dem Herrn beständige Keuschheit gelobt haben, keine Gelegenheit zum Falle gegeben werde, und sie nicht in Gefahren, Verluste und Aergernisse gerathen, diese nicht eingeschlossen sein in das Verbot Clemens V.; die kirchliche Obrigkeit soll sie schützen, ihnen etwa erlittene Einbußen wiederverschaffen. Uebrigens gewährt ihnen der Papst nur Duldung und empfiehlt sie der bischöflichen Aufsicht und vorkommenden Falles der geistlichen Bestrafung 1 ).

Um zu den meklenburgischen Beghinen zurückzukehren, so finden wir keine Spur davon, daß der Concilienbeschluß von 1311 auf die Beghinen in Wismar irgend welchen hemmenden Einfluß ausgeübt hätte. Zu den beiden oben erwähnten dortigen Conventen kam noch ein dritter, der Ploten=Convent 2 ), hinzu, und alle drei bestanden fort und erfreuten sich der Hochachtung und Mildthätigkeit der Mitbürger, für welche sie dagegen bei den Memorien der Wohlthäter in der Kirche oder in ihren Conventen Psalter beteten. Sie haben unangefochten ihr Dasein bis zur Kirchen=Reformation gefristet, und noch heute sind ihre Häuser bekannt und werden aus denselben noch Almosen gespendet.

Nicht so in Rostock. Es ist jedenfalls auffällig, daß gerade zu jener Zeit der Verfolgung, im August 1318, Hermann Belter und Bernd Witte, die "Vormünder der "Beghinen, die Schwester Adelheid von Rom und Christina von Anklam" (die uns schon oben S. 6 begegnete) "im Namen aller Schwestern, welche im Hause gewesen waren, der Frau Adelheid, Wasmods Wittwe, und ihrem Sohne Wasmod das ganze Erbe verkauften,


1) Extravag. commun. lib. III, tit. 9 (p. 1279).
2) Auch dieser hatte sein Haus bei dem Franciskaner=Kloster. Nach Dr. Crull's gefälliger Mittheilung ist der Klumpsilversche Convent identisch mit dem später sogenannten Schabbeltschen, in dem der vormaligen Franziskanerkirche gerade gegenüber belegenen Wittwenhause. Dieses Haus bezeichnet Bürgermeister Scheffel im Stadtbuche von 1077 als das "größere Beginenhaus", dagegen das andere, von jenem nur durch 4 Buden getrennte Haus als das "kleinere Beginenhaus oder Convent". Letzteres wird gegenwärtig "der blaue Convent" genannt, möglicherweise aber erst in neuerer Zeit von dem blauen Anstrich der Fenster und Thüren.
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welches und wie es den Beghinen gehört hatte" 1 ). Vielleicht geschah dieser Verkauf aus Furcht vor einer Verfolgung und Confiscation des Hauses. Ein Scheinhandel war derselbe übrigens nicht; wenigstens blieb dies vormalige Beghinenhaus bis 1339 im Besitz der Familie Wasmod und wurde dann von dieser an eine Nonne (sanctimonialis) Mechthild Buck veräußert 2 ).

Aufgehört haben aber damit die Beghinen in Rostock keineswegs, wie manche Nachrichten bezeugen. Z. B. 1325 verkaufte die "domina blawe Tale" (Adelheid) mit Genehmigung ihres Vormundes ihr Orterbe bei St. Katharinen an zwei Frauen und behielt sich für einen Rest des Kaufgeldes eine Kammer in dem Hause vor 3 ). Hier scheint sich jedoch kein Convent befunden zu haben.

Ferner: 1319 verkaufte Tiedemann v. Nore's Wittwe Adelheid und ihr Sohn Johann "der Beghine Mechthild von Vorneholte" ein neben Tiedemann Sure belegenes Erbe. Ob dieses ein neues Conventshaus geworden ist, vermögen wir nicht mit Sicherheit zu sagen. Gewiß ist aber, daß die Beghinen zu Rostock um 1370 zwei Conventshäuser besaßen. Das eine Erbe lag, wie sich hernach zeigen wird, vielleicht auf dem Beghinenberge; das zweite Erbe aber, ein Querhaus, lag zwischen den Buden des Andreas Lange und der Gertrud Bomgarden "gegenüber St. Johann". Der im letzteren wohnende Convent scheint sich hiernach in eine nähere Beziehung zu den Dominikanern gesetzt zu haben, deren Orden vornehmlich die Inquisition der Ketzer oblag.

Aber in Rostock haben die Beghinen doch wohl nie die Bedeutung erlangt wie in Wismar. Das mag zum Theil darin seinen Grund gehabt haben, daß die unverheiratheten Bürgertöchter Rostocks ziemlich leicht ein Unterkommen im Kloster zum Heil. Kreuz fanden 4 ), dieses darum bei den Bürgern sehr beliebt war und von denselben mit mancherlei Geschenken bedacht ward, während in Wismar ein entsprechendes Frauenkloster fehlte.

Verhängnißvoll wird den Beghinen in Rostock geworden sein, daß sich dort auch Begharden ansiedelten. Wann dies geschehen ist, vermögen wir nicht mehr zu ermitteln. Die erste Nachricht von ihrer Anwesenheit in der Stadt, und zwar eine


1) Mekl. Urk.=Buch VI, Nr. 3999.
2) Das. Bd. XI, Nr. 5991.
3) Das. Bd. VII, Nr. 4609.
4) 1353 ward im Kloster beschlossen, daß die Zahl der Nonnen in diesem Kloster nicht über 60 hinausgehen sollte!
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sehr üble, enthält, so viel dem Verfasser erinnerlich ist, das Rostocker Verfestungsbuch. Am 21. Januar 1353 ward zu Rostock nämlich "Nicolaus von Lübeck, ein Baggard", verfestet, weil er Thiedeke Oueltenbekker ermordet hatte und flüchtig geworden war. 1 ) Ueber ein Jahrzehnt vergeht dann, bis uns diese Secte wieder zu Gesichte kommt. Aber im Spätherbst 1368 (zwischen dem 22. November und dem 13. December) bezeugten Johann und Reimar Hoke (sonst unbekannte Persönlichkeiten) vor den Kämmereiherren, daß "alle Baggarden" dem Heinrich Grubenhagen Vollmacht ertheilt hätten, er könne ihr "Haus", "belegen auf dem Beghinenberge über der Mauer unter drei Schwibbögen", verkaufen; und so verkaufte es der Bevollmächtigte an Johann Pustekow und verhieß demselben die übliche Gewähr 2 ). Der Ausdruck Beghinenberg ist hier nicht in dem engeren Sinne genommen (denn die Straße, welche diesen Namen trägt, stößt nicht an die Stadtmauer), sondern im weiteren Sinne, in welchem dieser Name den ganzen Berg zwischen der Steinstraße und der Vierglindenbrücke umfaßt. Dies Haus, in welchem der Begharden=Convent ("alle Begharden") wohnte, lag auf dem Rammesberg an der Mauer; es waren nur drei kümmerliche, aneinander stoßende Buden.

Was die Begharden zu dem Verkaufe ihres Hauses in Rostock bewog, ist nicht hinzugefügt; wir erkennen ihr Motiv aber leicht. Denn eben damals war eine neue Verfolgung über sie und die Beghinen in Deutschland hereingebrochen. Die Ersteren hatten vielfach ihre längst von der Kirche verdammte Lehre von der völligen Armuth, die sie von der strengeren Classe der Franziskaner angenommen hatten, beibehalten, ihre mystisch=pantheistischen, der Kirchenlehre widerstreitenden Theorien nur noch weiter ausgebildete 3 ). Es erstand


1) Anno domini M ° CCC ° LIII. in die beate Agnetis virginis, proscriptus est Nicolaus de Lubeke, baggardus, pro eo, quod interfecit Tydekinum Oueltenbekker. Lib. proscr. Rozst. fol. 49 b.
2) Notandum, quod Johannes Hoke et Reymarus Hoke coram nobis protestbantur, quod omnes baggardi dederunt Hinrice Grubenhaghen potestatem, quod potuit vendere domum eorum sitam in monte bagghutarum supra murum sub tribus swichboghen; ita predictus Hartwicus (!) vendidit dictam domum, prout eorum fuerat, resignauit Johanni Pustecowe et sibi, Johanni, warandiam promittens. - Nach dem Rostocker Hausbuch 1367-87, fol. 23 b., eingetragen fer. 4. ante Katherine - Lucie.
3) Vgl. zu den früher bekannten Quellen auch noch das 1859 von Potthast herausgegebene Chronicon Henrici de Hervordia, p. 247 und 248.
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nun aber gegen sie ein eifriger Ketzerrichter in der Person des zu solchem Amte bestellten Predigerbruders Walther Kerlinger.

Walter entstammte einer angesehenen Familie in Erfurt und gehörte dem dortigen Dominikanerkloster an. Seinen Eifer für die Rechtgläubigkeit hatte er schon früher bewährt, indem er, schon damals "ein wroger des orden in der cristenheit van des pawes macht", den Augustiner Johann Clenkok ermunterte, im Sachsenspiegel die Artikel aufzusuchen, welche gegen die Kirchenlehre und das Kirchenrecht verstießen, und bewirkte, daß Papst Innocenz VI. 1356 den Kaiser Karl IV. aufforderte, die verdammten Artikel abzustellen 1 ).

In Erfurt gab es Gelegenheit genug, gegen Ketzer einzuschreiten; dort ist 1350 ein Beghard Constantius verbrannt, weil er auch nach achtwöchiger Haft dabei blieb, er sei Gottes Sohn, und die Doctoren seien Teufel, ihre Lehre Teufelei 2 ). Dort zu Erfurt begann auch 1368 die neue Verfolgung der Beghinen und Begharden. "In dem iare Cristi 1368, na twelften", so lesen wir in Detmars Chronik nach dem Bericht eines Augenzeugen, "do wart verbannen dat levent der bigharde unde der beghinen in Dudeschen landen van kettermesteren, de dar weren to ghesettet van dem pavese. Se weren so sere gewokert (gewuchert) in den landen unde vormeret, dat in der stad to Erphorde weren mer dan veerhundert. Do se dat levent mosten vorlaten bi des paves bann, de do wolden in der stad bliven, de mosten openbare bote (Buße) untfan mit sunderlichen tekenen, de se droghen an erem kleide". 200 blieben in der Stadt, die andern entfernten sich aus derselben und blieben im Banne; 2 wurden verbrannt. "De lude", setzt Detmar hinzu, "helden mer von en dan (als) van aller geistliken achte; des wart men wol war, do men se vorhorde." Auch Hermann Körner 3 ) weiß davon, giebt aber zu 1368 nur an, daß ein Beghard, und zwar wegen einer unzüchtigen Handlung, zu Erfurt verbrannt sei. Dagegen berichtet er zum Jahre 1369, daß der Ketzermeister Predigermönch Kerlinger zu Nordhausen über mehr denn 40 Personen beiderlei Geschlechts richtete, sieben unbußfertige verbrennen ließ, den andern Bußen auferlegte.

Damit erschöpfte sich jedoch Walthers Thätigkeit nicht. "Zur selben Zeit", fährt Körner fort, "wurde auf Vorschrift


1) Vgl. über ihn die Jahrb. der Erfurter Akademie, neue Folge II, S. 24, 26, 122-124.
2) Das. S. 131.
3) Eccard II, p. 1113.
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des Herrn Papstes Urban (V.) und unter Mitwirkung Kaiser Karls (IV.) die Sekte der Begharden und Beghinen und swestriones verfolgt und verdammt und stark bekämpft allenthalben in Deutschland, von denen zwei zu Erfurt, die bei ihrem Starrsinne beharrten, von dem vorbesagten Inquisitor Mag. Walther Kerlinger verbrannt wurden; andere, männliche und weibliche, aber thaten in großer Anzahl öffentlich Buße, indem sie der Sekte mit ihren Irrthümern abschwuren."

Als Walther sich dann im Sommer 1369 nach Italien zum Kaiser Karl IV. begab, bezeugte dieser ihm, seinem Caplan, seine Freude darüber, daß auf Grund der früher von Papst und Kaiser an Walther und drei andere Inquisitoren von demselben Orden ertheilten Pönalmandate zur Ausrottung jener Sekten der Begharden und Beghinen, welche eine längst von der Kirche verdammte ketzerische Armuth in schlechter Kleidung zur Schau trügen und nichts, weder für sich noch in Gemeinschaft, besitzen zu wollen und zu dürfen behaupteten, durch Walther in den Kirchenprovinzen Magdeburg und Bremen, in den Ländern Thüringen und Sachsen schon die gänzliche Vernichtung jener Sekten herbeigeführt sei. Der Kaiser erneuerte jetzt zu Lucca am 9. Juni (1369) diesem Inquisitor Deutschlands die seinen Vorgängern zuständig gewesenen Rechte und ihre Pflichten 1 ), und ertheilte ihm am 10. das (unter I. abgedruckte) Mandat, zur gänzlichen Ausrottung jener Sekten ("die eine so verruchte Armuth für den vollkommensten Stand in der Welt hielten und fortwährend behaupteten") alle Häuser und Conventikel der Begharden und Beghinen zu schließen, damit sie nicht noch mehr Seelen in Gefahr brächten. Da dem Inquisitionsamte in Deutschland keine Häuser, Gebäude oder Festen zu Gebote stünden, um darin die wegen Verdachts der Ketzerei in Untersuchung des Glaubens zu nehmenden Persönlichkeiten, noch auch die (verurtheilten) Ketzer auf Zeit oder auf immer in Haft zu halten: so verfügte der Kaiser, daß die Häuser und Conventikel, in denen solche Begharden gewohnt hatten oder noch wohnten, dem Ketzeramte zugewiesen werden sollten, damit dieses daraus zu dem genannten Zwecke Gefängnisse herstellte. Dagegen schrieb der Kaiser rücksichtlich der Häuser und Conventikel der Beghinen vor, daß sie


1) S. Böhmer=Huber, Regesten K. Karls IV., Nr. 4756, wo nur, ebenso wie in Nr. 4761, unrichtig Krelinger statt Kerlinger gedruckt ist.
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verkauft und, wie vor ihm durch Päpste und Kaiser verordnet sei, der Erlös in drei gleiche Theile getheilt, das eine Drittheil durch den Inquisitor und die zwei von ihm zuzuziehenden wohl beleumdeten, eifrigen Gläubigen, einen Geistlichen und einen Laien, zu Almosen für die Armen, zur Besserung von Herbergen für Reisende, zum Gottesdienst und für reuige und eingekerkerte arme Ketzer verwandt werden sollte. Das zweite Drittheil aber sollte dem an dem bezüglichen Orte durch päpstliche Vollmacht bestimmten Inquisitor oder seinem Stellvertreter oder seinem sichern Boten eingehändigt werden, weil das heilige Inquisitionsamt ohne Mühen und Kosten und Einnahmen nicht ausgeübt werden könne. Endlich das letzte Drittheil des durch den Verkauf erzielten Geldes bestimmte der Kaiser zur Besserung der Befestigung des bezüglichen Ortes und zur Ausbesserung der öffentlichen Straßen.

In einer dritten Urkunde vom 17. Juni ertheilte Kaiser Karl dem Inquisitionsrichter Walther Kerlinger dann noch für seine Unternehmung gegen die norddeutschen Begharden die Vollmacht, bei dem Mangel geeigneter Notare und Protocollführer solche in des Kaisers Namen zu ernennen und zu beeidigen 1 ). -

Nach seiner Rückkehr aus Italien finden wir Walther anwesend auf dem Provincial=Capitel, welches die Prioren seines Ordens in der Provinz Sachsen am 8. Septbr. 1369 zu Ruppin abhielten, und welchem auch aus dem Wismarschen Dominikanerkloster der Lector Arnold Wittenborch, aus dem Rostocker Kloster zu St. Johann der "socius" Johann Lypmann beiwohnte. Es mußte das Ansehen und die Macht des Ketzerrichters nicht wenig erhöhen, daß er in diewem Provincial=Capitel zum prior provincialis der Provinz Sachsen einstimmig erwählt ward 2 ).

Am 7. Decbr. 1369 ließ Walther zu Erfurt von dem am 10. Juni ihm ertheilten kaiserlichen Mandat eine oder mehrere notarielle Abschriften nehmen; eine solche ist dem Rath zu Rostock präsentirt und auf Befehl desselben 1371 - leider nicht ganz correct - in das Rostocker Stadtbuch eingetragen, aus dem wir es, weil uns kein anderer Abdruck dieses merkwürdigen Actenstückes bekannt ist, weiterhin (als Urkunde I.) mittheilen.


1) S. Böhmer=Huber, Nr. 4761.
2) Das leider sehr defecte Protocoll steht gedruckt: Jahrb. der Kgl. Akademie zu Erfurt, neue Folge II, S. 121-124.
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Daß die Beghinen=Convente zu Wismar auch bei dieser neuen Verfolgung unangefochten geblieben sind, ist oben schon erwähnt; vermuthlich waren dieselben der Ketzerei nicht verdächtig geworden. Wahrscheinlich wären die Beghinen in Rostock ebenfalls verschont geblieben, wenn es dort nicht auch Begharden gegeben hätte. Wie die Inquisition gegen diese Männer und Frauen zu Rostock im Einzelnen verlief, ob dort etwa Ketzer verbrannt sind, ob sich die Begharden und auch die Beghinen geflüchtet, ob sie ihre Irrthümer abgeschworen und ihren "Stand" verlassen und Buße auf sich genommen haben, - das alles wird uns nicht berichtet, wohl aber das letzte Resultat, daß nämlich der Rath zu Rostock ihre Häuser confiscirte und verkaufte.

Der Rath ließ nämlich am 28. Novbr. 1371 hinter der erwähnten Copie der kaiserlichen Mandats vom 10. Juni 1369 ins Stadtbuch eintragen 1 ):

"Zu merken, daß gewisse Erben oder Häuser, in denen vorlängst Begharden und Beghinen wohnten, deren Sekten durch einen kraft Gewalt des apostolischen Stuhls bestellten Inquisitor ketzerischer Verderbtheit aus besagter apostolischer und auch kaiserlicher Vollmacht gänzlich verboten und vernichtet worden, zufolge obbeschriebenen kaiserlichen Mandats durch den Rath zu Rostock confiscirt und verkauft, und die drei Theile des Kaufgeldes für dieselben schließlich zu Nutz und Noth in der Weise, welche in dem obgeschriebenen Briefe ausgedrückt steht, verwandt worden sind."

"Von den genannten Häusern verkauften die Herren Rathmänner dem Hopfenmesser Joh. Sasse 2 ) das zwischen Wilken Mölenknecht und dem Glaser Heinrich, gegenüber dem Volrad Vorenholt belegene Erbe, welches sie ihm zu seinem Gebrauch zu verwenden aufgelassen haben. Die Herren Lud. Nyendorp und Eberhard Beseler saßen am Tisch [der Kämmereiherren]."

"Desgleichen verkauften die Herren Rathmänner der Frau Margarete, Ehefrau Bruns von Calmar, das Querhauserbe zwischen den Buden des Drewes Lange und der Gese Bomgarden, gegenüber St. Johann belegen 3 ), und ließen es zu ihrer Verfügung auf."


1) S. unten Urkunde II.
2) Wahrscheinlich lag dies Haus auf dem Beghinenberge; wenigstens wird 1377 ein Sassesches Erbe daselbst erwähnt (hereditas - in monte bagghinarum apud Hinricum Sassen sita).
3) 1358 ward vor den Bürgermeistern bezeugt, "quod domina Greta Bernestorp, dum vixit, racionabiliter vendidit domine Wyben et Ghesen filie sue Bomgarden hereditatem suam in opposito hostii ecclesie sancti Johannis sitam et eam sibi, nt sua fuerat, resignauit".
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Erst ein Jahr später (zwischen dem 19. Novbr. und dem 17. Decbr. 1372) verfügte die Stadt Rostock auch über das Beghardenhaus: "Mit Zustimmung Pustekows verkaufte die Stadt und ließ für Claus Bergmann eintragen die drei Buden in den Schwibbögen auf dem Rammesberg. Wie dieselben der Stadt nach Kaiserrecht und nach dem Wortlaute des kaiserlichen Briefes, der oben in diesem Buche geschrieben steht, heimgefallen sind: so hat sie dieselben jenem aufgelassen und ihm Gewähr gelobt, und wie sie den Begharden gehörten." 1 )

Die Uebereinstimmung in der Beschreibung und die Zustimmung Pustekows beweisen, daß dies dieselbe Wohnung der Begharden war, welche diese (nach S. 13) 1368 an Pustekow verkauft hatten. Es war also der erste Verkauf nur ein Scheinhandel gewesen, oder die Stadt cassirte denselben nachträglich. Warum die Veräußerung dieses Hauses noch auf ein Jahr verschoben war, wird nicht angegeben. Wahrscheinlich aber hatte es, wenn doch einmal dem kaiserlichen Befehl strenge nachgelebt ward, bis dahin als Gefängniß für inquirirte Ketzer gedient.

Damit schließen des Referenten Nachrichten über die Begharden und Beghinen in Rostock. Ob ihre Sekte im Stillen weiter bestanden hat, steht dahin; im Stadtbuche werden bis zum Ende des 14. Jahrhunderts wenigstens keine Convente derselben wieder erwähnt, und ebenso wenig einzelne Personen als jenem "Stande" angehörig bezeichnet. Die Kirche legte den rechtgläubigen Begharden und Beghinen sonst kein Hinderniß in den Weg. Im Gegentheil nahm schon Papst Gregor XI. in zwei Bullen, vom 7. April 1374 und vom 2. Decbr. 1377, welche er an die deutschen und niederländischen Bischöfe richtete, "die Armen beiderlei Geschlechts", - er vermeidet die mit dem Beigeschmack der Ketzerei versetzten Bezeichnungen "Beghinen" und "Begharden" - "welche demüthig und ehrbar in Glaubensreinheit, in anständiger Kleidung und Tracht, in Armuth und Keuschheit lebten und die Kirchen mit Andacht besuchten", dem Papst "und der römischen Kirche und ihren Prälaten und Pfarrern ehrerbietigen Gehorsam bewiesen, sich auch in keine Irrthümer verstrickten", gegen die Inquisitoren in Schutz und befahl den Bischöfen, sie nicht um ihrer Kleidung willen von jemand belästigen zu lassen 2 ).



1) S. unten Urkunde III.
2) S. die Auszüge aus den von Mosheim S. 390 und 404 ganz mitgetheilten Bullen bei Gieseler II, 3, 221.
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Urkunden.


I.

1369. Juni 10. Lucca.
Karl IV., Römischer Kaiser, beauftragt den Ketzer=Inquisitor Predigermönch Mag. Walther Kerlinger mit der Aufhebung und Confiscation der Begharden= und Beghinenhäuser in Deutschland und verordnet, wie die aufkommenden Kaufgelder zu verwenden sind.

In nomine Domini, amen. Nouerint vniuersi presens publicum instrumentum visuri et audituri, quod anno natiuitatis Domini M°CCC°LXIX°, indictione septima, sanctissimi in Cristo patris ac domini nostri domini Vrbani diuina prouidencia pape quinti anno octano, in opido Erfordia, Maguntin. diocesis, in estfalo *) magno in conuentu fratrum predicatorum, hora VI a uel quasi, in mei notarii publici ac testium subscriptorum presencia constitutus personaliter, honorabilis et religiosus vir frater Waltherus Ke[r]lingher 1 ), ordinis fratrum predicatorum, sacre theologie professor, inquisitor heretice prauitatis in prouinciis Magdeburgensi, Bremensi et in aliis Alemannie partibus auctoritate apostolica specialiter deputatus, exhibuit et ostendit michi htteras illustrissimi et inuictissimi princinis et domini domini Karoli quarti, Romanorum imperatoris metuendissimi, regis Bohemie incliti, sigillo maiestatis imperialis impendenti in filis sericis ghilphis et nigris sigillatas, in cuius sigilli dorso de rubea cera fuit signum rotundum impressum, interius habens aquilam et circumscriptionem: "Juste iudicate filii hominum", sigilli vero magni circumscriptio erat talis: "Karolus quartus diuina fauente clemencia Romanorum imperator et Boemie rex"; in littera

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vero fuit insertum signum magnum quadrangulare oblonguin, et iuxta signum cum magnis litteris fuit scriptum: "Signum serenissimi principis et domini domini Karoli quarti, Romanorum imperatoris inuictissimi et gloriosissimi Boemie regis", vt prima facie apparebat, sanas et integras ac omni vicio et suspicione carentes. Quas litteras idem magister Waltherus inquisitor a me notario fecit redigi in publicam formam et per me publicari et super hoc me requisiuit. Quarum litterarum tenor de verbo ad verbum talis est:

In nomine sancte et indiuidue Trinitatis feliciter amen. Karolus quartus, diuina fauente clemencia Romanorum imperator semper augustus et Boemie rex, ad perpetuam rei memoriam. l're cunctis nostre mentis desiderabilibus tota mente optantes fidei incrementa, (et) eam malignorum et prauorum hereticorum, necnon fautorum, defensatorum et receptatorum insorum dolosis insidiis et fraudulentis fallaciis, quibus vineam domini Sahaoth nequiter sathagunt demoliri, eo aniniosius 2 ) aspiramus, quo in animarum stragem huiusmodi pestilentes perniciosins agere dinoscuntur. Quocirca dominus noster suinmus pontifex, dominus noster [Urbanus] papa quintus, honorabilibus et religiosis fratribus Walthero [K]erlingher 3 ) ordinis predicatorum, magistro in theologia, capellano nostro, commensali familiari nostro deuoto, et aliis tribus fratribus eiusdem ordinis officium inquisicionis heretice prauitatis in partibus Alamannie auctoritate sedis apostolice ad destruenda quorumlibet hereticorum iniqua molimina dudum recommisit, et specialiter ad destruendas et eliminandas sectas illorum herecticorum, qui begardi et beggine vocantur, que secte nimis dispendiose et periculose m caulis fidelium dinoscuntur et eo, quo [d] exterius maiorem paupertatem simulant, vouent seu profitentur, quod nichil habere velint neque debeant in proprio nec communi, quam eciam vestibus vilibus mentita sibi iniquitate exterius pretendunt, intus autem vt wipecule vineam domini Sabaoth sathagunt demoliri, cum tamen eedem dudum per ecclesiam dampnate dinoscantur et talis paupertas hereticalis sit iudicata. Quocirca dudum litteras cesaree maiestatis eidem magistro Walthero et aliis inquisitoribus cum certis penis super exstirpacione earundem sectarum, ad vniuersos [a] 4 ) nobis et sacro Romano imperio directas, maiestatem cesaream dedisse recolimus et efficacius emisisse, sic quod, opitulante

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domino deo ac domino nostro summo pontifice mandante no[bi]sque penis temporalibus exterminacionem dictarum sectarum mandant[ibu]s et seriosius precipient[ibu]s 5 ) dictique inquisitoris magistri Waltheri ministerio mediante, de certis partibus, vt lete audiuimus, videlicet de prouinciis Magdeburgensi et Bremensi, terris Turingie et Saxonie et Hassie et aliis certis partibus Alamannie predicte secte maledicte bechardorum et begginarum penitus sint destructe. Quod vbique terrarum fieri affectamus, super quo mandata nostre imperialis maiestatis dirigimus penis plena. Et ne domus et conuenticula, quas et que dicti bechardi et beggine, qu[i] 6 ) tam sacrilegam paupertatem, videlicet nichil habere in proprio uel communi, et hunc esse statum in mundo perfectissimum asserentes, credentes et per plures annos et tempora tenentes, fouere dinoscuntur et fouent continue, prout ad nostre serenitatis noticiam v[e]ridice est deductum, inhabitauerunt, amp[lius] diucius in periculum suarum animarum commorantes, et ne in futurum per quemlibet, quamlibet uel quoslibet, qui uel que bechardi uel beggine fuerunt, in processu temporis neglectis minimis prolabantur in maiora, vt, si duabus personis uel tribus huiusmodi simul commorantibus conuenticula redirent et fieret error posterior peior priore: hoc presenti statuto et edicto ex certa nostra sciencia, non ex errore, sed de principum nostrorum consilio deliberato statuimus, ordina[ui]mus 7 ) et sanximus, cum officium inquisicionis Alamannie nullam domum, domicilium, fortalicium [habeat] 8 ) pro custodia et captiuitate suspectorum de heresi et examinandorum in fide, necnon pro immurandis perpetuis temporibus uel ad tempus, vt iuris [est] 9 ), quibusdam hereticis, qui ad gremium ecclesie abiurata heresi redierint uel redierunt, propter quod multi heretici in animarum suarum et aliorum fidelium graue periculum permanent inpuncti et semen in alios emittunt venenosum: quare omnes domos et conuenticula, in quibus huiusmodi bechardi habitauerunt seu adhuc habitare dinoscuntur in aliquibus locis, officio inquisicionis pro vsu predicto ibidem carceribus firmis faciendis imperiali maiestate damus, applicamus libere et assignamus. Domos autem seu conuenticula begginarum, (seu) in quibus huiusmodi beggine pr[o]hibite commorabantur uel adhuc commorantur, vendi precipimus et precium taliter decreuimus instar Romanorum pontificum et diuorum imperatorum, predecessorum nostrorum, diuidendum, quod vna tercia

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pars huiusmodi precii, cum vt pluribus 10 ) tales domus et bona per qquosdam bonos homines simphces pia intencione comparate fuerint per modum elemosinarum, volumus, vt huiusmodi tercia pars precii per inquisitorem, adiunctis sibi duobus viris discretis clare fame, zelatoribus fidei, vno clerico et alio laico, qui deum habent 11 ) pro oculis, in pios vsus, videlicet in elemosinas pauperum, reformaciones xenodochiorum seu ad cultum diuinum, uel eisdem personis, si que sunt miserabiles et ab errore suo sunt conuerse, aut sustentacionem aliorum, qui heresim abiurauerunt, et immuratorum, si aliunde non habent, vnde sustentantur, conuertatur, super quo inquisitoris et aliorum consciencias oneramus; alia vero inquisitori illius loci auctoritate apostolica instituto seu suo vicario uel instituendo auctoritate predicta aut certo nuncio debet integraliter sine omni excusacione uel contradictione presentari in vsus, vtilitates et necessitates eius pro suo libito conuertenda, attendentes, quod sanctum ofticium inquisicionis absque laboribus et expensis ac sumptibus nequit excerceri, et ob hoc ipsis inquisitoribus in premissis volentes temporali subucnire, ne tam pium laborem propter necessariorum defectum oporteat intermitti. Residuam vero terciam partem predicti precii et valoris pro refectionibus murorum cinitatis uel opidi, castri uel ville ac reparacionibus viarum publicarum, vbi predicte domus existunt, applicamus, vtpote, qui rei publice occulte uel fraudulenter nocebant, per terciam partem domorum precii et rerum, quas suis vsibus applicabant, ymmo mendaciter sibi vendicabant, nunc procedentibus teniporibus deinde respublica augeatur. Ne autem circa bona, possessiones, domos seu conuenticula et res, quas in vsu habebant uel habent huiusmodi bechardi et beggine, fraus fieri possit, talis prouisionis in hoc duximus remedinm ordinandum, quod duo antiquiores magistri consulum, qui actu erunt uel sunt pro tempore, vna cum schulteto uel iudice ciuitatis, opidi, castri vel vihe, si sint, uel duo alii viri approbati clare fame, habentes deum pro oculis, in locis, vbi magistri consulum non sunt, uel alter eorum, quos inquisi[tor] 12 ) de consilio discretorum et fidei zelatorum nominabit illius loci, in quo huiusmodi domus, conuenticula uel res existunt, vna cum certo nuncio inquisitoris sub testimonio trium aliorum virorum fidedignorum de premissis domibus se intromittant auctoritate nostra imperiali. Hoc ipsis inponimus et mandamus gracie nostre et Romani im-

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perii sub obtentu, [u]t 13 ), quantocins poterunt, vendant huisumodi bona et tradant, distribu[a]nt 14 ) et assignent, modo quo superius per nos est ordinatum, et hoc continue infra vnum mensem, postquam nostri edicti et statuti presentis tenor ibidem fuerit intimatus. De domibus autem seu conuenticulis locorum, in quibus adhuc bechardi huiusmodi commorantur, post expulsionem seu a(m)mocionem insorum et ipsarum infra tres dies immediate sequentes eodem modo decernimus agendum et prosequendum, prout superius de aliis domibus, conuenticulis et rebus bechardorum et begginarum per nostram cesaream maiestatem est san[c]itum, diffinitum et preordinatum. Nulli ergo omnino hominum liceat hanc nostre constitucionis, edicti, diffinicionis et applicacionis paginam infringere seu ei quouis ausu temerario quomodolibet contraire. Si quis autem harum constitucionum et edicti diffinicionibus et applicacionibus quouis modo contrarium attemptare presumpserit, indignacionem nostram grauissimam et penam C marcarum auri purissimi tociens, quociens contrafactum fuerit, se nouerit irremissibiliter incursurum, quarum medietatem imperiali nostro fisco erario, reliquam vero partem ipsi inquisitori pro loc[i] vsibus decernimus applicari. Si vero, quod absit, aliquis uel aliqui coniunctim uel diuisim, cuinscunque condicionis, status uel preeminencie extiterint, ausu temerario predictis nostirs statutis, diffinicionibus, applicacionibus ac edicto contraven[i]r[e]nt 15 ), seu quouis modo ipsos inquisitores uel inquisitorem molestarent, impedirent seu turbarent seu eorum officium aut dicte constitucionis nostre execucionem directe uel indirecte, occulte uel manifeste, per se uel per alium seu per alios impedirent quouis modo: (talem seu tales) elapso trium mensium termino exnunc prout extunc et extunc prout exnunc preter penam predictam omnia bona ipsius uel ipsorum imperiali fisco applicamus ac ipsum et ipsos omnibus graciis, prinilegiis, libertatibus, immunitatibus, dignitatibus et honoribus cesarea maiestate priuamus et spoliamus ac priuatos denunciamus ipso facto.

Signum serenissimi principis et domini domini Karoli quarti, Romanorum imperatoris inuictissimi et gloriosissimi Boemie regis.

Testes huius rei sunt: reuerendissimus in Cristo pater dominus Gwydo Portuensis episcopus, sancte Romane ecclesie cardinalis, pro maiestate cesarea in partibus Ytalie locum tenens et generalis vicarius, venerabilis Johannes Olmu-

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censis, imperialis nostre aule cancellarius, Lampertus Spirensis, Wilhelmus Lucanus et Johannes [S] poletanus ecclesiarum episcopi; illustres Rupertus Lignicensis et Hinricus Luwanie duces, Johannes dictus Sobeslaus Morauie marchio, spectabiles Matheus de [Brebir] 16 ), Petrus de Wartbergh imperialis nostre curie magister, Bouslaus de Wilbartitz imperialis nostre curie marscalcus, Andreas de Duba imperialis nostre camere magister, Bernhardus et Jhoraslaus fratres burggrauii de Donyn, necnon quamplures alii nostri et sacri imperii nobiles et fideles. Sub imperialis nostre maiestatis sigillo, testimonio litterarum. Datum Luce, anno domini M°CCC° sexagesimo nono, indictione VlI a , IIII. idus (idus) Junii, regnorum nostrorum anno XXIII°, imperii vero XV°.

Acta sunt hec et facta [est] exhibicio litterarum die septima mensis Decembris, anno, loco, hora, indictione, pontificatu quibus supra, presentibus honorabilibus et religiosis viris Johanne de Tutilstede pridem priore Erphordensi, Egkardo de Wacksleybin, Johanne Tuconis et Frederico de Kongessee ordinis predicatorum, necnon Conrado de Rynkeleybin vicario ecclesie omnium sanctorum Erfordie, ac Theoderico de Gotha plebano in Marcwipethe, diocesis Maguntin, testibus ad premissa vocatis et rogatis.

Et ego Witegho de Eckerspergh clericus Maguntinensis diocesis, publicus imperiali auctoritate notarius, quia exhibicioni, presentacioni, requisicioni ac omnibus singulis aliis premissis, dum (vt) sic agerentur et fierent, vna cum prenotatis testibus presens interfui eaque sic fieri vidi et audiui, ideoque hoc presens publicum instrumentum aliis arduis negociis prepeditus per alium scribi ex mandatoet requisicione [jussi] 17 ) meque subscripsi, signo meo solito et consueto signaui rogatus et requisitus in testimonium omnium premissorum.

 

Nach dem Rostocker Hausbuch von 1307-87, fol. 62 und 63. Diese Abschrift giebt: 1) K elingher, 3) L erlingher, 5) nosque - mandantes - precipientes, 6) que, 7) ordinamus, 9) sed (statt est), [10) pluribus st. pluries?], 11) habentes, 12) inquisicione, 13) et (st. ut), 14) distribu e nt, 15) contrau e n e r i nt, 16) Ryberto; es fehlt: 2) eripere? 4) a, 8) habeat, 17) iussi. - *) estfalo st. estuario?


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II.

1371. Novbr. 28. Rostock.
Der Rath zu Rostock verkauft 2 Häuser, welche vormals von Beghinen bewohnt waren, nun aber auf Befehl Kaiser Karls IV. confiscirt sind.

Feria sexta proxima post Katherine. Notandum, quod quedam hereditates sine domus, in quibus dudum bechardi et beggine habitabant, quorum sect [e] 1 ) per inquisitorem heretic[e] prauitatis auctoritate sedis apostolice constitut[um] 2 ) dicta apostolica et eciam imperiali auctoritate penitus sunt prohibite et destructe, de mandato serenissimi principis Karoli quarti Romanorum imperatoris suprascripto 3 ) per consulatum Rozstoccensem prosequte sunt et vendite, et tres partes precii vendicionis ipsarum in vsus, vtilitates, necessitates et vias in litteris imperatoris antescriptis 3 ) expressatas (expressatas) finaliter sunt conuerse.

Domini consules de dictis domibus vendiderunt Johanni Sassen, humuli mensuratori, vnam hereditatem inter Willekinum Molenknecht et Hinricum vitrificem in opposito Volradi Vorenholte sitam, quam sibi ad disponend[u]m 4 ) suis vsibus resignauerunt. Domini Lud. Nygendorp et Euerhardus Bezeler tabule presidebant.

Item domini consules vendiderunt domine Margarete vxori Brunonis de Calmaria hereditatem transuersam inter bodas Andree Langhen et Ghesen Bomgarden in opposito sancti Johannis sitani, quam sibi ad disponendum suis vsibus resignauerunt.

 

Nach dem Rostocker Hausbuch 1367-87, fol. 64a. (1) sect a , 2) constitut o , 4) ad disponend a m.) 3) Bezieht sich auf unsere dort voraufgehende Urkunde I. - Die Eintragung: Domini consules - presidebant, ist später (nachdem das Grundstück auf einen neuen Besitzer umgeschrieben war) getilgt.

III.

1372. (Novbr. 19-Decbr. 17.) Rostock.
Der Rath zu Rostock verkauft an Nicolaus Bergmann die auf kaiserlichen Befehl eingezogenen 3 Buden auf dem Rammesberg, welche den Begharden gehört hatten.

Ciuitas vendidit et inscribere 1 ) ex consensu Pu o stekowen Nicolao Berchman tres bodas in arcubus in Ram-

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mesbergh sitas prout ciuitati iure imperiali et secundum quod littera imperialis sonat prius in libro hoc conscripta 2 ), sunt deuolute, eidem resignauit, warandiani promittens, et ut backardis pertinebant.

 

Nach dem Rostocker Hausbuch 1367-87, fol. 76 b. - Eingetragen Elisabeth (Novbr. 19) - fer. 6a. p. Lucie (Decbr. 17). - (1) Es fehlt fecit oder jussit.) - 2) Unsere Urk. I. - Die Eintragung ist später (nachdem das Grundstück auf einen neuen Besitzer umgeschrieben war) getilgt.

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II.

Der

Erbstreit um das Gut Patsow

im Jahre 1386,

ein Beitrag zur Kenntniß des Schwerinschen Rechts,

von

Archivrath Dr. F. Wigger.


D em Schwerinschen Stadtrechte sind in neuerer Zeit namentlich vom Consistorialrath Professor Dr. Böhlau eingehende Studien zugewandt worden, und hoffentlich ist damit ein Anstoß zu neuen geschichtlichen Forschungen über dieses und die andern meklenburgischen Stadtrechte gegeben. Dagegen ist dem Schwerinschen Landrechte, welches seit dem Ende des 13. Jahrhunderts hie und da in den meklenburgischen Urkunden erwähnt wird, seit Rudloff anscheinend wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Es ist auch meine Absicht nicht, diesen Gegenstand hier ausführlich und genügend zu erörtern; doch hoffe ich, daß die Actenstücke über einen Proceß, in welchem dieses Recht zu Tage tritt, den einheimischen Rechtshistorikern nicht unwillkommen sein werden. Ich gestatte mir, zum besseren Verständniß einige Bemerkungen vorauszuschicken, um so mehr, da die lehn= und privatrechtliche Entwicklung Meklenburgs nach der Germanisirung des Landes noch immer keine umfassende urkundliche Darstellung gefunden hat.

Kaiser Karl der Große hatte das Gebiet der nordelbischen Wenden durch den limes Saxoniae scharf von seinem Reiche abgegrenzt; erst Otto der Große setzte die Wendenlande nördlich der Elbe, Elde und Peene in ein rechtliches Verhältniß zum Deutschen Reiche, indem er die=

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selben dem Herzog von Sachsen als Markgrafschaft anwies 1 ), wie er sie in geistlicher Beziehung dem Bisthum Oldenburg unterstellte. Diese Auffassung ward dann trotz aller Abfälle und jeweiligen Siege der Wenden festgehalten 2 ) und wieder aufgenommen, als Herzog Heinrich der Löwe im 12. Jahrhundert mit starker und fester Hand daran ging, diese Lande zu erobern und die Wenden deutschem Wesen und dem Christenthum zuzuführen. Er bildete zu diesem Zwecke aus den Ländern (Burggebieten) Ratzeburg, Wittenburg und Gadebusch die deutsche Grafschaft Ratzeburg; die Lande um den Schweriner See verlieh er dem deutschen Grafen von Schwerin; das südliche Gebiet zwischen der Sude und der Elde legte er zur überelbischen Grafschaft Danneberg; aber die beiden Uebergänge über die Elbe, Lauenburg und Boizenburg mit den zugehörigen Territorien, dem Sadelband, dem alten Kern der Markgrafschaft, und dem Lande Boizenburg 3 ), behielt er selbst in seiner Hand.

Diese ganze Schöpfung erlitt nachher starke Erschütterungen, theils durch den Sturz Herzog Heinrichs, da sein Nachfolger sein Ansehen nicht zu wahren wußte, theils durch das Erlöschen der Grafen zu Ratzeburg und durch die vorübergehende Ausbreitung der dänischen Oberherrschaft bis an die Elbe und Elde. Die Grafen von Schwerin bemächtigten sich zunächst des Landes Boizenburg, dann des vormals Ratzeburgischen Gebietes Wittenburg, der Fürst von Meklenburg nahm das vormals Ratzeburgische Land Gadebusch; das Sadelband und das Land Ratzeburg blieben dem Herzog von Sachsen.

Aber die Vasallen im Lande Boizenburg blieben dessen ungeachtet in denselben Rechtsverhältnissen, unter denen sie bei der Einwanderung angesiedelt waren, die Wittenburgische Ritterschaft behielt Ratzeburgisches Recht 4 ) Die Grafen von Schwerin haben auch den Städten Boizenburg und Wittenburg nicht das Schwedische Stadtrecht gegeben, sondern ihnen das Lübische gelassen, nach dem sie wohl von Anfang an lebten. Wiewohl die meklenburgischen Fürsten die Herzoge von Sachsen (= Lauenburg) nicht als ihre Lehnherren aner=


1) Urkundlich wird Hermann Billung am 13. Aug 956 Hermannus marchio genannt. Wedekind, Noten III, S. 114.
2) S. M[eklenbg.] U[rkunden=]B[uch] I, Nr. 27, vom J. 1062, wonach die Burg Ratzeburg in der marchia des Herzogs Otto von Sachsen lag.
3) Ueber Boizenburg vergl. meine Gesch. der Familie v. Blücher I, S. 10.
4) Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1504, A. und B.
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kannten 1 ), und wieweit sie ihre Städte ausdrücklich von dem markgräflichen Obergericht (dem markding) des Herzogs von Sachsen(= Lauenburg) entbanden 2 ): erkannten sie doch diesen Herzog, den Rechtsnachfolger der Grafen im Lande Ratzeburg, und dessen Hofgericht als den Oberhof für das Ratzeburgische Landrecht im Lande Gadebusch an; noch im Jahre 1309 nahm das meklenburgische Hofgericht die Appellation eines Vasallen an das lauenburgische Hofgericht in seinem Streit mit dem Kloster Rehna in Betreff des Dorfes Benzin im Lande Gadebusch an und ertheilte ihm einen Dimissorialbrief dorthin 3 ).

Weiterhin ist in unserm Lande vom Ratzeburgischen Recht aber wohl kaum noch die Rede; desto mehr vom Schwerinschen Landrecht. Freilich hat aber noch niemand dargethan, worin sich das Ratzeburgische von dem Schwerinschen Land= und Lehnrecht unterschied. Wahrscheinlich waren bei der Gleichartigkeit der Verhältnisse, unter denen sich die beiden Grafschaften gleichsam als deutsche Colonien auf wendischem Gebiete der Sachsenmark neben einander entwickelten, die Unterschiede in den ländlichen Rechtsverhältnissen beider auch nicht bedeutend. Maßgebend wurden für beide Grafschaften ohne Zweifel die Rechtsinstitute in Westfalen und


1) Nie halben sie ihre Lande von den Herzogen zu Lehn genommen, obwohl der Herzog Erich sie 1325 [Mekl. Urk.=Buch 4653] seine Vasallen nennt. Der Herzog Rudolf von Sachsen=Wittenberg entsagte 1348 den Ansprüchen seines Hauses auf solche Lehnsherrlichkeit [das. 6860].
2) Vergl. meine Bemerkungen im Jahrb. XXVIII, S. 228 flgd., und den Artikel Marcthinc im Register zum Mekl. Urk.=Buch IV B., S. 452. - In einem Bericht der Stadt Stralsund vom J. 1547 (in Sachen Osten wider Strals.) Wird gesagt: "wenn jemand in den (Strals.) Stadtgütern gefrevelt oder Gewalt geübet, hat er allemahl auf den Stadt=Stall (als woselbst auf des Rahts Vergünstigung, auch die Landbegüterte das Schwerinsche Recht gehalten) des Rechts erwarten müssen" - -. "Hat er aber der Urthel halben sich sonst beschwert gefunden, hat ihm zu appelliren frei gestanden, und ist die Appellation gegangen erstlich an das Kerspel zur Pütte, von dannen an den Raht zu Strahlsund, von dannen an das Burg=Lehn zu Loitz, von dannen vor den Stapel oder das Buch zu Schwerin, und endlich von Schwerin an die Sieben Eichen, auch unter dem Fürsten von Mecklenburg (?) gelegen". (A. G. Schwartz, De serie processus et provocationum forensium - apud Stralsundenses -. Gryphisw. 1742, pag. II.) Siebeneichen hat schon Schwartz auf das Kirchdorf d. N. im Sadelband (schon 1230: in Sadelbandia - ad Septem Ouercus, Mekl. Urk.=Buch I, S. 317) gedeutet. Diese höchste Instanz in der ehemaligen Mark kann nur das herzoglich sächsische marcding sein, das also zu Siebeneichen gehalten ward. Es entspricht demnach der markgräflich brandenburgischen Kammer zu Tangermünde (s. Homeyer, Richtsteig Landrechts S. 514 flgd ).
3) Mekl. Urk.=Buch V, Nr. 3353.
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Niedersachsen, den Heimatländern der deutschen Vasallen in den nordelbischen Grafschaften; aber die neuen Verhältnisse erforderten doch erhebliche Modificationen, wie denn z. B. die Ministerialität der Vasallen und die Hörigkeit der Bauern nicht mit herübergenommen wurden.

Als nun Fürst Borwin I. von Meklenburg und seine Nachkommen ernstlich daran gingen ihre Lande zu germanisiren, lag es ihnen am nächsten, die deutschen Rechtsverhältnisse in der Form, wie sie sich in ihrer Nachbarschaft, in den beiden genannten Grafschaften, entwickelt hatten, auf ihre Lande zu übertragen, zumal manche Mitglieder der bereits in den Grafschaften mit Lehngütern angesessenen deutschen Familien nun Lehne im Meklenburgischen nachsuchten und empfingen. Da aber die Grafschaft Ratzeburg so früh erloschen war, dagegen die Grafschaft Schwerin in voller Blüthe stand, und von Boizenburg bis an die obere Warnow und bis an die Nordspitze des Schweriner Sees das Schwerinsche Landrecht in Uebung war, so ward dieses in allen ländlichen Verhältnissen, sowohl für das Mannrecht (d. h. die Rechte und Pflichten der Vasallen), als für das Privatrecht und den Proceß der meklenburgischen Lande das Vorbild, und man nannte in dankbarer Erinnerung an dieses Verhältniß das meklenburgische Land= und Lehnrecht geradezu das "Schwerinsche Recht."

Zu demselben Resultat ist, im Ganzen wenigstens, auch Rudloff (II, S. 424) schon gekommen; doch erläutern wir unsere Behauptung noch durch einige Beispiele! Im April 1300 1 ) verkauften die Fürsten Heinrich I. und sein Sohn Heinrich II. von Meklenburg dem Domcapitel zu Ratzeburg die Jurisdiction des Dorfes Klein=Pravsthagen bei Klüz "nach dem Rechte und den Einrichtungen des Schwerinschen Landes, welche sich bis auf 60 Schillinge erstreckt und nicht höher" (also die niedere Gerichtsbarkeit, nicht die an Hals und Hand), "wie wir ähnlich jetzt den Mannen unserer Lande Klüz und Dassow die Jurisdiction unter ihren Hebungen verkauft haben" ("juridictionem ville dicte Prouesteshagen in parrochia Cluze site secundum iura et statuta Zwerinensis terre, que currit ad sexaginta solidos et non ultra, prout similiter nunc vendidimus vasallis terrarum nostrarum videlicet Cluze et Dartzowe iuridictionem in suis redditibus"). Eben dieses ursprüngliche Maß der Vasallengerichtsbarkeit, welches frei=


1) Mekl. Urk.=Buch IV, Nr. 2610.
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lich hernach vielfach durch besondere Verleihung des höheren Gerichts erweitert ward, wird anderswo geradezu einfach als "manrecht" oder "manricht" bezeichnet.

In einem bedeutenden Gegensatze zu diesem anfänglich nur "Schwerinschen", dann allgemeinen meklenburgischen Landrechte standen die Stadtrechte. Das Schwerinsche Stadtrecht ward zunächst nur auf einen Theil der Städte im Lande Werle, auf Güstrow, Neu=Röbel, Penzlin, Malchow und Malchin, übertragen 1 ); in den Städten der Herrschaften Meklenburg und Rostock ward das Lübische Recht maßgebend; Parchim empfing ein eigenes Stadtrecht, das dann auch auf Sternberg und Plau überging. Gerade im Gegensatz zum Lübischen Stadtrecht wird nun das meklenburgische Landrecht öfters als "Schwerinsches Recht" bezeichnet. Z. B. verlieh die Landesherrschaft im J. 1279 2 ) der Stadt Wismar das dem Lehnmann und Ritter Konrad Preen abgekaufte Dorf Dargetzow zum Eigenthum und zu (Lübischem) Stadtrecht ("cum omni libertate, gracia et jure municipii, quod wikbelderech dicitur"); als nun aber 1297 3 ) zwei Wismarsche Bürger einen an die Feldmark Dargetzow anstoßenden Acker von der Feldmark des meklenburgischen Vasallen Heine v. Strahlendorf zu Erbpacht erwarben, ward bedungen: "Der Acker bleibt in Schwerinscher Jurisdiction, und Herr Heine behält diese" ("dictus enim ager manebit in iuridictione Zwerinensi, quam iuridictionem dominus Heyno obtinebit"). Im Jahre 1343 4 ) verwillkürte Heinrich Kindervater aus Robertstorf, nachdem er zu Wismar Bürger geworden war, vor dem Rathe daselbst, daß sein Aufenthalt innerhalb Lübischen Rechtes seinen Stiefkindern nicht nachtheilig werden sollte; vielmehr sollten sie dereinst von dem mütterlichen Nachlaß alles dasjenige haben, was sie unter Schwerinschem Rechte rechtlich beanspruchen könnten, gleich als wenn er und seine Frau und ihrer beider Güter nie unter Lübsches Recht gekommen wären ("quod in jure Zwerinensi de jure poterunt obtinere, equali condicione, ac si ipse et dicta vxor et bona eorum numquam in ius Lubicense peruenissent"). In demselben Sinne erklären sich auch die Ausdrücke in Urkunden vom J. 1335 5 ) über die von den v. Plessen an den Wismarschen Bürger Körneke


1) Ueber andere Städte vergl. Böhlau, Mekl. Landrecht I, S. 66. Feine Bemerkungen über die Wahl der Stadtrechte je nach dem Zwecke der Gründung ebendas. S. 34.
2) Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1505.
3) Mekl. Urk.=Buch VIII, Nr. 2445.
4) Mekl. Urk.=Buch IX, Nr. 6291,
5) Mekl. Urk.=Buch VIII, Nr. 5603 und 5604.
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verkauften Hebungen aus Pöl: "nenes leydes neten an "Lu o beschen rechte" (das in Wismar galt) "vnde an Zverynschen rechte" (dem auf Pöl geltenden meklenburgischen Landrechte).

Dieser Sprachgebrauch beschränkte sich aber keineswegs auf den westlichen Theil Meklenburgs, der in der Nähe der Grafschaft Schwerin lag. Fürst Heinrich II. von Meklenburg braucht den Ausdruck "Schwerinsches Recht" für das allgemeine meklenburgische Landrecht im J. 1326 in der Urkunde 1 ), wo er der Stadt Sülz, welche über Rostock das Lübische Recht erhalten hatte, das Dorf Redderstorf verkaufte und dasselbe aus dem Landrecht nahm und zu dem in der Stadt gültigen Lübischen Rechte legte ("eandem villam de jure Suerinensi recipientes et ad jus Lubicense, prout prefata ciuitas perfruitur intra in foro et circumquaque") 2 ).

Ja auch in Vorpommern finden wir zu derselben Zeit schon den Ausdruck "Schwerinsches" Recht für das Landrecht im Gegensatz zum Lübischen Stadtrecht 3 ). So verordnet Wartislav IV. 1319 bei Einsetzung eines außerordentlichen Gerichts wider die Straßenräuber an der Peene, daß diese nicht Schwerinschen Rechtes genießen, noch von jemand beschützt werden sollen ("iure Suerinensi non debent frui nec ab aliquo uolumus vt defendantur") 4 ); und 1321 bevollmächtigt derselbe Herzog den Greifswalder Rath, alle Landfriedensbrecher und ihre Hehler zwischen Peene und Swine gefangen zu nehmen und nach Lübischem und Schwerinschem Recht judicio vulgariter vem nuncupato zu richten 5 ). Den Bürgern der Stadt Treptow a. d. Rega gab Wartislav IV. 1321 das Privilegium, daß sie nicht evocirt werden dürften, weder nach Lübischem Recht, noch nach Mannrecht, noch nach Schwerinschem Recht 6 ).


1) Mekl. Urk.=Buch VI, Nr. 4763.
2) Dagegen hatte der Fürst Nicolaus von Rostock, als er 1298 derselben Stadt in gleicher Weise das Eigenthum des Dorfes Symen zu Lübischem Rechte verlieh, sich viel einfacher ausgedrückt: "proprietatem ville Symen cum omni iure nostro contulimus, vt iure Lubicensi in dicte ville terminis gaudeant etc." Mekl. Urk.=Buch IV, Nr. 2489.
3) Kosegarten, Pomm. u. Rüg. Geschichtsdenkmäler I, S. 275 flgd.
4) Stavenhagen, Gesch. v. Anklam S. 349.
5) Pyl, Gesch. des Klosters Eldena S. 639.
6) Sell II, S. 320.- In Pommern erhielt sich dieser Sprachgebrauch bis ins 16. Jahrh. S. Kosegarten a. a. O. S. 260, 276. - Einen Prozeß nach Schwerinschem Recht, in Sachen eines Demminschen Bürgers wider Tideke Troghe zur Deven, gehalten vor dem Kalandschen Stadtthore von Demmin im Jahre 1484, s. in der oben S. 29, Anm. 2 angezogenen Abhandlung von Schwartz, in derselben Anm. Nachrichten über das Schwerinsche Recht der Stadtgüter von Stralsund außerhalb der eigentlichen, zu Lübischem Rechte liegenden, Stadtfeldmark.
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Wir verstehen hiernach, wenn Herzog Albrecht II. von Meklenburg in seiner Privilegienbestätigung für die Stadt Rostock vom 26. März 1349 1 ) die Versicherung giebt, er dürfe "nie die Rathmänner oder die ganze Gemeinde oder einzelne Personen aus dem Rath oder aus der Bürgerschaft in ihren Gütern, Freiheiten, Privilegien, Briefen, Rechten und Gerichten, Lübischen oder Schwerinschen ("iuribus et iudiciis Lubicensibus aut Zwerinensibus"), innerhalb der Stadt oder außerhalb derselben irgendwo auf Dörfern, Aeckern oder Höfen, Ländereien und Besitzungen, oder in andern Sachen belästigen, beeinträchtigen oder hemmen." Denn wenn der Rath zu Rostock auch immer eifrig bemüht war, für die neuerworbenen Stadtgüter die Verleihung des Lübischen Rechtes zu erlangen, besaßen doch manche Privatpersonen aus dem Rath und der Bürgerschaft Landgüter, die, wenn auch zum erblichen Eigenthum erworben, darum doch nicht zum Lübischen Recht verliehen waren. sondern abgesehen von der Aufhebung des Lehnsnexus in ihren alten Verhältnissen, also auch unter dem Landrecht, dem "Schwerinschen Recht", verblieben.

Ein merkwürdiges Beispiel von einem solchen Landgute bietet Sanitz. König Erich von Dänemark, als damaliger oberster Lehnsherr im Lande Rostock, verlieh 1310 dem Rostocker Bürger Bernd Kopmann das Dorf Sanitz, und zwar, da die Bürger im Allgemeinen nicht lehnfähig waren, es auch nicht zu werden wünschten, mit allem Eigenthum, Recht und Gericht u. s. w. 2 ). Hernach aber kam dies Dorf wieder in den Besitz der ritterbürtigen Familie v. Wedel, und diese mußte, als ritterbürtig, selbstverständlich ihren Roßdienst und andere Lehnpflichten davon leisten. Als dann aber 1335 die Gebrüder v. Wedel Sanitz wieder an den Rostocker Rathmann Dietrich Horn verkauften, ließen sie es demselben "ohne allen Herrendienst" vor dem Landesherrn auf, und am 9. März 1337 bestätigte der nunmehr mündig gewordene Landesherr Albrecht II. diesen Verkauf, das Eigenthum, die Befreiung vom Fürstendienst, die hohe und niedere Gerichtsbarkeit, Beden u. s. w. 3 ). Aber zu Lübischem Rechte ward Sanitz nicht gelegt, sondern verblieb unter Schwerinschem (Land=) Recht. Als Horn bald hernach mit dem Kloster Doberan über den Besitz eines Torfmoors, welches zwischen Sanitz und dem Klostergute Freien=


1) Mekl. Urk.=Buch X, Nr. 6944.
2) Mekl. Urk.=Buch V, Nr. 3387.
3) Mekl. Urk.=Buch VIII, Nr. 5605, IX, Nr. 5748.
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holz lag, in Streit gerieth und vom Kloster bei dem Landesherrn (1338) verklagt ward, bestellte letzterer den Vasallen Johann Preen zum Richter in dieser Sache. Dieser hegte im Fürstenhofe (in der langen Straße) zu Rostock das Gericht; er nahm meklenburgische Mannen, die des Schwerinschen Rechtes hinlänglich kundig waren ("vasallorum dicti domini Magnopolensis satis in jure Zwerinensi peritorum"), zu seinen Beisitzern, "assessores", die als Schöffen fungirten ("inventum et responsum fuit per vasallos dicti domini Magnopolensis in jure Zwerinensi peritos habita deliberacione et informacione diligenti"), und die Schwerinsche Proceßordnung ward strenge beobachtet ("ordine judiciario Zwerinensi in omnibus fideliter obseruato"). Die Urkunde über den Verlauf und die Entscheidung dieses Processes (Mekl. Urk.=Buch IX, Nr. 5876) giebt uns ein sehr willkommenes Beispiel zur Veranschaulichung des damaligen Verfahrens vor dem meklenburgischen Hofgericht.

In ähnlichen Rechtsverhältnissen wie Sanitz befand sich nun auch das eine Stunde östlich von Rostock belegene ansehnliche Dorf Pastow. So weit unsere Nachrichten zurückreichen, war dieses ursprünglich ein Lehn (vielleicht ein Rostocksches Burglehn) der Ritterfamilie Mörder, welche eines Wappens und wahrscheinlich auch eines Stammes mit den unzweifelhaft wendischen Familien Stoislav, Sisik und v. Gubkow war. Aber nach dem Tode des letzten Fürsten von Rostock (Nicolaus des Kindes, † 1314) zogen sich die Mörder ganz nach Vorpommern zurück, wo sie auch schon im 13. Jahrhunderte am Hofe und im Gefolge des Fürsten von Rügen erscheinen, und veräußerten ihren Besitz in der Herrschaft Rostock. Am 17. April 1318 beurkundeten die Ritter Gotan, Heinrich und Johann und der Knappe Barold, vier Gebrüder Mörder, daß sie an den Rostocker Bürger Arnd Kopmann ihr ganzes Dorf Pastow, wie es ihr Vater, der Ritter Heinrich Mörder, besessen hatte, verkauft hätten und zwar, da der Käufer ein Bürger war, nicht nur "mit allem Recht und Gericht", sondern auch "frei von jeglicher Art von Dienst", aber "zum homagium, was auf deutsch manrecht heißt, zum beständigen Besitz". Sie selbst wollen fortan die Einwohner von Pastow weder mit Ablager, noch mit Fuhren, noch mit andern Lasten beschweren. Sie und ihre Erben "und alle, welche in eben diesem Dorfe Pastow "Hebungen, leen genannt, besitzen" (es waren die Sisik) 1 ),


1) 1335 verkauften die Sisik alle ihre Güter (bona) zu Pastow an Kopmann (Mekl. Urk.=Buch Nr. 5606). - 9 Mk. Hebungen besaßen (  ...  )
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haben das Dorf vor dem König Erich von Dänemark aufgelassen, und dieser hat es Arnd Kopmann und seinen Erben verliehen und vergönnt zum beständigen Besitz nach Erbrecht 1 ). Vier Wochen später, am 14. Mai, beurkundete zu Vordingborg auch König Erich, daß er dem Rostocker Bürger Arnd Kopmann und seinen rechten Erben das Dorf Pastow zu Mannrecht (manreycht), mit allem Recht und Gericht, aber frei, ohne jeglichen Dienst, zum ewigen Besitz verliehen habe; und ähnliche Bestimmungen enthält auch die Urkunde des Fürsten Heinrich II. von Meklenburg (der damals Statthalter König Erichs im Lande Rostock war) vom 28. Januar 1320 über die erbliche Verleihung des von den Gebrüdern Mörder vor ihm aufgelassenen Dorfes Pastow an Arnd Kopmann 2 ).

Hiernach besaß also Kopmann das Dorf Pastow im Uebrigen zu Mannrecht, d. h. also zu demselben Rechte, wie die Mannen im Lande Rostock ihre Lehne, aber ohne die von diesen zu leistenden Lehndienste und zum erblichen Eigenthum. Von seinen städtischen Gütern unterschied sich dieses dadurch, daß es nicht zum Lübischen Stadtrecht lag, sondern eben zu Landrecht. Dieser Unterschied mußte sich in vielen Fällen, namentlich aber bei Erbfällen, geltend machen.

Arnd Kopmann erweiterte nun diesen ländlichen Besitz noch durch den Ankauf des Pastow benachbarten Dorfes Brodersdorf, wenn dieses nicht schon ursprünglich eine Pertinenz von Pastow gewesen ist. Die Urkunde über seine Erwerbung von Brodersdorf liegt nämlich nicht vor; jedenfalls war er aber im J. 1327 schon im Besitz desselben 3 ), und später wird oft Pastow allein genannt, wo Brodersdorf mitverstanden ist.

Nach dem Ableben des ersten Erwerbers von Pastow und Brodersdorf, des Bürgermeisters Arnd Kopmann, hielten seine zahlreichen Erben (er hatte aus 3 Ehen 3 Söhne und 5 Töchter hinterlassen) am 5. April 1336 4 ) eine Erbtheilung über seinen reichen Nachlaß, die um so weitschichtiger ward, als mehrere Kinder, namentlich auch die beiden ältesten Söhne Ludolf und Hermann, schon längst mit großem Gute ausgestattet waren. Pastow und Brodersdorf fielen bei der Erbtheilung dem dritten und jüngsten


(  ...  ) übrigens bis 1340 auch die Lise bei den Bauern in Pastow (das. Nr. 6030).
1) Mekl. Urk.=Buch VI, Nr. 3791.
2) Mekl. Urk.=Buch VI, Nr. 3972 und 4165.
3) Mekl. Urk.=Buch VII, Nr. 4865.
4) Mekl. Urk.=Buch VIII, Nr. 5656.
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Sohne Arnd zu; es ward aber ausgemacht, daß, wenn Arnd ohne echte (Leibes=) Erben verstürbe, Ludolf und Hermann "und ihre Erben zu gleichen Theilen alle Lehn= und Vasallengüter außerhalb der Stadt (omnia bona pheodalia foris ciuitatem et vasallica)," nämlich "die beiden Dörfer Pastow und Brodersdorf", empfangen sollten. Der Ausdruck "bona pheodalia et vasallica" ist, wie sich aus Obigem ergiebt, für diese beiden Dörfer ungenau; er soll nur bedeuten: die zu Mannrecht (ohne Lehn) liegenden Dörfer.

Diese letztere Bestimmung ist aber nicht eingehalten worden, wahrscheinlich weil Ludolf und Hermann lange vor Arnd starben; Ludolf anscheinend nicht lange nach 1340, und Hermann (gewaltsamen Todes) vor dem 19. Januar 1342 1 ). Wie ihre Leibeserben nach Arnds Tode abgefunden sind, wissen wir nicht; es liegt uns aber eine Urkunde vom 19. November 1351 vor, in welcher Herzog Albrecht dreien Schwestern und Erbinnen des weiland Rathsherrn Arnd Kopmann d. j., Mechthild, Gertrud und Vredeke, sowie ihren Erben beiderlei Geschlechts das reine Eigenthum und völlige Freiheit (meram proprietatem ac plenariam libertatem) von dem ganzen Dorfe Pastow verleihet und schenkt, auch förmlich auf jedes Heimfallsrecht (anval) Verzicht leistet 2 ).

Von diesen drei Schwestern war Mechthild dreimal verheirathet. Ihr erster Ehemann war (schon 1336) Michel Wilde, ihr zweiter Eddeler Witte. Als sie sich mit diesem verheirathete, setzte sie sich am 30. Juli 1344 mit ihren Kindern erster Ehe wegen des Nachlasses ihres ersten Gemahls auseinander 3 ). Aus ihrer zweiten Ehe entsprangen dann drei Kinder, Heinrich, Hermann und Johann Witte, von denen aber, da Johann jung starb, nur die beiden ersten für uns in Betracht kommen. Diese Kinder verloren ihren Vater früh. Schon 1351 ging Mechthild Kopmann ihre dritte Ehe ein mit Henneke (Johann) van der Kyritz; am 12. Octbr. d. J. fand sie jene 3 Witteschen Kinder ab, indem sie denselben die meisten Häuser des Vaters in Rostock abtrat, die Güter zu Häschendorf und zu Lüsewitz mit ihnen theilte und ihnen die Hälfte der Erbgüter, welche sie aus dem Nachlaß ihres Bruders Arnold Kopmann empfinge, also 1/6 von Pastow und Brodersdorf, zusagte 4 ).


1) Mekl. Urk.=Buch IX, Nr. 6030 und 6180.
2) S. unten Urkunde I.
3) Mekl. Urk.=Buch IX, Nr. 6437.
4) Lib. recogn. Roztoke. 1338-84, fol. 42 (eingetragen fer. 4 a. post Dyonisii, 12. Octbr. (  ...  )
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Wenn sich späterhin zeigen wird, daß Heinrich und Hermann Witte (1386) noch eine "Schwester" (suster) hatten, so kann diese, da sie bei der erwähnten Auseinandersetzung nicht genannt wird, keine rechte Schwester derselben, keine Tochter Eddeler Wittes gewesen sein, sondern nur eine Stiefschwester der beiden genannten Witteschen Söhne und ohne allen Zweifel eine Tochter aus der Ehe der Mechthild Kopmann mit Henneke (Johann) van der Kyritz. Diese Tochter ward die Frau des Rathmannes Engelbert Katzow, und ihre Ehe war beerbt; 1390 lebten (s.u.) zwei Söhne aus derselben, Heinrich und Henneke Katzow.

Die zweite Schwester Arnd Kopmanns des jüngern, Gertrud (Gese) Kopmann, war in erster Ehe (schon 1336) mit Gerd Kruse vermählt, in zweiter Ehe (schon 1345) mit Eberhard Vöge. Ob die erste Ehe beerbt gewesen ist, wissen wir nicht, es kommt auch nicht weiter in Betracht; aber aus der zweiten Ehe kennen wir zwei Kinder: Elisabeth Vöge, die 1360 als Ehefrau Berthold Witte's erscheint 1 ),


(  ...  ) 1351): Notandum, quod domina Mechtildis, relicta Eddeleri Witten, cum consilio et consensu Hennekini de Kyritze, nunc mariti sui et tutoris, ex vna, ac domini Hermanni Witten, Hinrici Raceborgh et Bernardi Witten ac Bertoldi Witten, tutorum Hinseken, Hermeken et Henneken, puerorum dicte Mechtildis et Eddeleri, parte ex altera, eosdem pueros suos a se separans, assignauit et inscribere fecit eisdem pro bonis suis hereditariis paternis. Primo dicti pueri equaliter optinere debebunt omnes et singulas bereditates, prout pater eorum Eddelerus ipsas in hac ciuitate habuit, [excepta hereditate lapidea angulari ante et retro apud theatrum sita (getilgt): item dimidietatem omnium bonorum in Hesekendorpe (Häschendorf) et dimidietatem omnium reddituum in Luseuitze (Lüsewitz) et integraliter omnem pecuniam, siue in societatibus aut debitis, vbicumque existat, exceptis debitis, in quibus dominus Magnopolensis ipsis tenetur obligatius, in quibus eadem domina Mechtildis ducentas marcas denariorum Rozstoccensium optinebit, in quibus si defectus aliquis fuerit, hunc dicta demina cum pueris suis pro rata quemlibet contingente supportabit. [Ceterum dicta domina Mechtildis optinebit primo hereditatem angularem lapideam ante et retro apud theatrum sitam (getilgt)] et dimidietatem bonorum omnium in Hesekendorp ac dimidium omnium in Luseuitze reddituum. Deinde, quicquid eis contingere poterit de bonis hereditariis domini Arnoldi Copman, huius dimidietatem prefata domina Mechtildis et alteram dimidietatem dicti pueri optinebunt. Et cum hiis dicti pueri sunt a matre sua totaliter diuisi et separati, et causa est inter eos cedata et terminata, presentibus (als Kämmereiherren) Hermanno Lysen et Hinrico Frisonis.
1) Witschopbok fol. 75a. (1360, August 12-28): Dominus Euerhardus Voghe cum censensu domine Ghertrudis vxoris sue fatebatur, se teneri obligatum Bertoldo Witten, genero suo, in CL marcis nomine dotis sue ex parte Elyzabet, filie dicti domini Euerhardi, et in C marcis no- (  ...  )
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und Arnd Vöge. Mit diesem setzte sich 1379 der Rathmann Eberhard Vöge wegen der mütterlichen Erbschaft auseinander, indem er ihm die Hälfte der von seiner Mutter Gertrud in die Ehe gebrachten Güter, u. a. auch die Hälfte von einem Drittel (also ein Sechstel) der Dörfer Pastow und Brodersdorf, abtrat 1 ).

Auch die dritte Schwester, Vredeke Kopmann, war mindestens zweimal, vielleicht dreimal verheirathet, zuerst (1336) wohl mit Claus van der Kyritz, her nach sicher (1340, 1347) mit Bernd Kröpelin; und aus dieser letzteren Ehe lebten 5 Kinder, als Vredeke 1353 die Ehe mit Heinrich Pelegrim einging. Bei der Auseinandersetzung mit jenen 5 Kindern über den väterlichen Nachlaß am 5. April 1353 trat sie denselben Güter und Hebungen in Rostock und Rövershagen, aber keinen Antheil an Pastow ab; vielmehr brachte Heinrich Pelegrim die Ansprüche jener seiner Stiefkinder auf einen Antheil an Arnd Kopmanns d. j. Nachlaß für 100 Mark Lübisch an sich 2 ). Vredeke lebte 1387 nicht mehr; aus der dritten Ehe hatte sie wahrscheinlich keine Kinder, wenigstens hinterließ Heinrich Pelegrim († vor 29. April 1388) keine Leibeserben, sondern ward von Seitenverwandten beerbt 3 ).

Eine Bestätigung und Erweiterung dieser aus Inscriptionen des Rostockschen Witschopboks entnommenen Nachrichten über die Erbschaftsverhältnisse der Kopmannschen Schwestern 4 ) giebt uns eine fernere Einzeichnung desselben Buches vom 9. April 1361 (fol. 48), worin "die (Raths=)


(  ...  ) mine debitorum sibi mutuatorum, pro quibus obligauit sibi viginti duarum marcarum redditus in omnibus bonis et redditibus suis ac pachtibus, precariis et iudiciis, que et quos et prout eos habet in viIIa Pastowe ac in aliis tribus bereditatibus - in platea Monachornm sitis - -.
1) Rost. Witschopbok 1338-84, fol. 145 b; Notandum, quod dominus Euerardus Voge et Arnoldus filius suus cum consensu suorum amicorum amicabiliter se composuerunt de discordia materne hereditatis et concordauerunt in hunc moaum: quod dictus Arnoldus habere debebit dimidietatem tercie partis ville Pastowe et dimidietatem tercie partis ville Broderdorp et integram dimidietatem ville Dummerstorp, quas trium dictarum villarum partes dictus dominus Euerardus cum matre dicti Arnoldi in dotem accepit etc.
2) Rost. Witschopbok 1338-84, fol. 48 b.: item Hinricus Pelegrime dabit dictis pueris (den 5 Kopmannschen) ex parte bonorum hereditariorum domini Arnoldi Copman iunioris C marcas Lubicenses.
3) Witschopbok 1388, fol. 14.
4) Die in Betracht kommenden Personen sind also folgende: (  ...  )
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Herren Eberhard Vöge und Heinrich Pelegrim, (als) Erben des Herrn Arnd Kopmann", und die "Vormünder der Kinder (puerorum) Eddeler Wittes, nämlich Heinrichs, Hermanns und Johanns, auch Erben des vorgenannten Herrn Arnd Kopmann", "dem Herrn Johann van der Kyritz, ihrem Miterben zum sechsten Theil ("eorum quoad sextam partem coheredi"), (ihre) fünf Sechstel ewiger Worthrenten von 120 Mk. Hebungen" aus Grundstücken zu Rostock und noch Korn= und Malzhebungen aus der Pfeffermühle (auf dem Rostocker Stadtgebiete) um 1850 Mark verkauften, aber so, daß sie, "nämlich Herr Eberhard Vöge sein Drittheil und Heinrich Pelegrim sein Drittheil und die Vormünder der Kinder Eddeler Wittes ein Sechstel", binnen drei Jahren zurückkaufen können". Man kann auch hieraus schließen, daß Mechthild Kopmann die Hälfte ihres von ihrem Bruder Arnd ererbten, in der Stadt und im Stadtgebiete, also innerhalb des Lübischen Rechtsgebietes belegenen, Güter ihren 3 Kindern aus der Ehe mit Eddeler Witte in Gemäßheit der oben (S. 36) erwähnten Auseinandersetzung vom J. 1351 überlassen, das andere Sechstel aber ihrem letzten Ehemann Johann van der Kyritz als Heirathsgut zugebracht hatte, und daß sie dieselben mit

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diesem, nachdem ihre Ehe beerbt war, nach Lübischem Rechte gemeinschaftlich besaß. Daraus folgt aber freilich nicht ohne Weiteres auch die Gütergemeinschaft in Betreff des zu Landrecht liegenden Dorfes Pastow, und eine Urkunde liegt darüber nicht vor. Daß aber Eberhard Vöge und seine Frau Gese ein Drittel von Pastow besaßen, wird in einer Inscription des Witschopboks von 1359 ausdrücklich bezeugt. Es verpfändeten nämlich "dominus Euerhardus Voghe et domina Ghesa, vxor sua, Herrn Johann van der Kyritz und seinen Erben um 150 Mk. Kornrenten in tota sua tercia parte ville Pastowe" 1 ).

Dagegen wird nicht angegeben, ob die drei Schwäger Kyritz, Vöge und Pelegrim die Bauergehöfte in Pastow völlig in drei Theile gesondert hatten, oder nur die gesammten Erträge unter sich zu gleichen Portionen theilten. Wohl aber erscheint 1365 der nunmehrige Bürgermeister Johann van der Kyritz als der Repräsentant der Gutsherrschaft in Pastow, und zwar in einem Processe, der strenge nach dem "Mannrecht und Schwerinschen Recht" (servatis omnibus ordinibus iuris vasallici et Zwerinensis) am 14. Juli 1365 entschieden ward.

Nämlich die Bauerschaft zu Pastow (omnes et singuli villani ville Pastowe) verklagte bei dem herzoglichen Hofgericht den Bürgermeister Johann van der Kyritz wegen gewisser Holzungen auf der Feldmark jenes Dorfes. Der herzogliche Hofrichter Heinrich Moltke auf Westenbrügge hegte das Gericht unter dem Maulbeerbaum auf dem Doberanschen Hofe zu Rostock, 2 Ritter waren seine Beisitzer, "dinglude" (Schöffen), diese und der Umstand (2 Vasallen und 2 Mitglieder des Rostocker Raths) haben den Spruch mitbesiegelt. Die Bauern von Pastow wiesen ihren Besitz der Holzungen nach durch einen offenen Brief des weiland Ritters Barold Mörder, desselben, der (oben S. 34) mit seinen drei Brüdern Pastow 1318 an Kopmann verkaufte, damals aber erst Knappe war, dieses Privilegium für die Bauern zu Pastow also erst nach dem Verkauf des Gutes ausgestellt haben kann! Das Hofgericht erklärte diese Urkunde denn auch für null und nichtig und sprach Herrn Johann van der Kyritz, seinen Erben und Nachfolgern die Holzungen "bomeshoch" und "bomesdep" zum freiesten Besitz und Nutz zu 2 ).


1) Witschopbok fol. 75 a.
2) Dieser Spruch ist schon gedruckt in Jahrb. XII, S. 319.
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Im Jahre 1386 waren Mechthild Kopmann und ihr dritter Ehemann, der mehrgenannte Bürgermeister Johann van der Kyritz, beide nicht mehr am Leben. Wie es scheint, war die Frau vor dem Manne verstorben; denn nur bei dieser Annahme werden einige spätere Bemerkungen in den Acten recht verständlich, und daß Johann van der Kyritz erst vor nicht langer Zeit mit Tode abgegangen war, mag man auch daraus entnehmen, daß sein Schwiegersohn, der Rathmann Engelbert Katzow, 1386 (nach dem 18. März) einer Nonne eine Leibrente zuschreiben ließ, welche jener "bei Lebzeiten" derselben geschenkt und zugewiesen hatte.

Nun entstand aber sofort ein Erbstreit unter Mechthilds Nachkommen über deren Antheil an Pastow. In den Acten heißt es nur "vmme dat gu°d to Pastowe vnde to Bröderdorpe"; man möchte also daraus schließen, daß es sich um ein Drittheil von Pastow und von der Pertinenz Brodersdorf gehandelt habe; aber in der weiter unten folgenden Urkunde vom 18. Mai 1390 1 ) wird ausdrücklich gesagt, der Gegenstand des Streites sei "de helfte der twyer dorpe to Pastow vnde Broderdorpe" gewesen. Mechthild van der Kyritz muß also zu ihrem Drittheil noch ein Sechstel der beiden Dörfer Pastow und Brodersdorf erworben haben, und zwar, da (wie sich hernach zeigen wird) die Familie Vöge ihr Drittheil noch 1400 besaß, Heinrich Pelegrims Antheil (1/6), auf welchen dieser, wie S. 38 bemerkt ist, das Anrecht von seinen Stiefkindern 1353 erworben hatte, den er aber um so eher an seine Schwägerin Mechthild veräußern mochte, da er selbst keine Kinder hatte.

Es fragte sich also 1386, wer in die Hälfte der Dörfer Pastow und Brodersdorf succediren sollte, ob die Kinder Engelbert Katzows aus seiner Ehe mit Mechthilds inzwischen verstorbener Tochter (aus der dritten Ehe mit Johann van der Kyritz), oder die beiden Söhne Heinrich und Hermann aus ihrer zweiten Ehe mit Eddeler Witte, oder ob beide Theile, die Söhne und die Tochterkinder.

Vor das Hofgericht bringen die beiden Parteien, der Rathmann Engelbert Katzow für seine Kinder, einerseits, und seine beiden Schwäger, der Rathmann Heinrich Witte und dessen Bruder Hermann, andererseits, ihre Sache nicht, sondern als Rostocker Bürger vielmehr vor die Obrigkeit, unter welcher sie lebten und auch van der Kyritz und seine Frau gelebt hatten, d. h. vor den Rath (am 10. Jan. 1386).


1) Siehe unten Urkunde III.
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Sie unterwerfen ihren Streit aber nicht dem städtischen Gericht, das nach Lübischem Rechte entschied, sondern sie erbitten (wie das Rathsfamilien zu Rostock bei Streitigkeiten unter sich gern zu thun pflegten) zwei Schiedsrichter aus dem Rath, und verwillküren bei hoher Strafe, mit deren Spruch nach Schwerinschem Rechte auf Grund der besiegelten Klageschrift Engelbert Katzows und der besiegelten Vernehmlassung seiner Gegner, sich begnügen zu wollen 1 ).

Der Wortlaut dieser beiden Schriftstücke ist leider nicht überliefert; doch erfahren wir so viel, daß die beiden Witte ihr Recht auf die Urkunden gründeten, durch welche ihre Mutter Mechthild Kopmann und deren beide Schwestern Gertrud und Vredeke Pastow (mit Brodersdorp) erworben hatten (also insbesondere auch auf Herzog Albrechts Verleihungsurkunde von 1351, Urkunde I.), daß dagegen Engelbert Katzow das Recht seiner Kinder auf das (Gut gar nicht von deren Großmutter, sondern von dem Großvater Johann van der Kyritz herleitete. Katzow muß also angenommen haben, daß Johann van der Kyritz das Drittheil des Gutes Pastow(=Brodersdorf) durch die Verheirathung mit Mechthild Kopmann (als Mitgift) zu eigen erworben habe.

Die beiden mit der Sache beauftragten Mitglieder des Rostocker Raths holen nun Rechtsbelehrungen ein, einerseits, wie natürlich, von meklenburgischen Vasallen des Königs Albrecht von Schweden (als Herzogs von Meklenburg), andererseits aber auch vom Rath der Stadt Schwerin, welchen sie veranlassen, das "rechtbok to Zwerin" nachzusehen. Dieses Rechtsbuch wird nicht näher bezeichnet; es war aber wahrscheinlich eine Handschrift des Sachsenspiegels 2 ). Auf


1) Siehe Urkunde II.
2) Da Schwerinsches Stadtrecht bei einer Entscheidung nach Schwerinschem (und meklenburgischem) Mannrecht und Landrecht nicht in Frage kommen konnte. so kann das "Rechtbok" auch kein Codex des Schwerinschen Stadtrechts gewesen sein (wie sich denn auch in den überlieferten Texten desselben keine einschlagende Bestimmung findet). Es wird wohl an eine Handschrift des Sachsenspiegels zu denken sein (von dem man in Rostock wohl kein Exemplar hatte, weil dort Lübisches Recht galt.) Vergl. z. B. die bekannte Stelle im Sachsenspiegel I, Art. 5, § 1: "Nimt de sone wif bi des vader live, de eme evenburdig is, unde wint sone bi ire, unde stirft he darna er sineme vadere umbedelet van dem erve; sine sone nemet dele in ires eldervader (d. h. Großvaters) erve gelike irme veddern in ires vader stat; alle nemet se aver enes mannes deil. Disses ne mach den dochterkinderen nicht geschin, dat se gelike dele nemen der dochter in des eldervader oder in der eldermuder (d. h. Großmutter) erve." (Vergl. über die Benutzung und Verbreitung des Sachsenspiegels in Meklenburg Böhlau, Meklenb. Landrecht I, S. 49, A. 6, 7.) (  ...  )
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Grund der eingeholten Belehrungen und nach dem Laute des Rechtsbuches fällen die beiden Schiedsrichter am 16. Mai den Spruch, daß, wenn die Gebrüder Witte sich durch besiegelte Briefe als die nächsten Blutsverwandten und Erben an Pastow (und Brodersdorf) ausweisen können, sie auf diese Dörfer ein näheres Anrecht haben, als daß es ihnen jemand abstreiten kann. - Beide Parteien nehmen den Spruch an.

Aber als nun der Rath zu Rostock die erwähnten und producirten Urkunden der Gebrüder Witte vor vielen Bürgern auf dem Rathhause verlesen läßt, erhebt Engelbert Katzow den Anspruch, daß seine Kinder zu dem Gute ebenso nahe seien als die Gegner. Doch einigen sich die Parteien dahin, daß der Rath auf Grund der genannten Urkunden die Entscheidung nach Schwerinschem Rechte treffen soll, und dieser übernimmt den Antrag mit der Vorbedingung, daß der von beiden Parteien angenommene Spruch vom 16. Mai bei Bestand bleiben soll.

Der Rath giebt nun am 11. September auf Grundlage der von den Gebrüdern Witte producirten Urkunden als ein "rechtes Schwerinsches Recht" zum Bescheid, daß die beiden Witte nach ihrem Verwandtschaftsgrade die nächsten Erben ihrer Mutter Mechthild und näher zu dem Gute sind als die Katzowschen Kinder; denn "Kind ist immer näher als Kindeskind". Weil Katzow sich nicht auf die Abstammung seiner Kinder als Enkel Mechthilds berufen, aber auch keine urkundliche Beweise dafür, daß deren Großvater Johann van der Kyritz Pastow (mit Brodersdorf) als Braut=


(  ...  ) - Aehnlich bemerkt Homeyer, Richtsteig Landrechts (S. 517) zu Cap. 50, §. 5: "So bidde jene dages wen tume anderen middage, unde des rechtbukes ut der kameren, oft ses bederven." - §. 7: "Des morgens so bringe jene dat ordel in. So bidde jene, dem it wedder is, ofte me das recht icht in dem buke bewisen scole: "Das Buch" - wird wohl ein Codex der sächsischen Rechtsbücher, vielleicht schon mit v. Buchs Glosse gewesen sein; eine besondere Zusammenstellung der Brandenburgischen Rechte, woran der Uebersetzer des C. 50 denkt, kennen wir wenigstens nicht. Die Benutzung aber des Buches ist eine doppelte. Einmal mögen die Urtheiler bei ihrer Berathung sich daraus belehren; sodann bildet es gewissermaßen eine Instanz zwischen (markgräflicher) Kammer und Reich. Die in der Kammer unterliegende Partei erhält noch Gelegenheit ohne förmliches Schelten ein besseres Urtheil zu erstreiten, indem sie sich auf die Quelle beruft, aus welcher die Urtheiler schöpften oder schöpfen sollten."- Hiernach wird auch "das Buch" in der Angabe der Stralsunder oben S. 29, Anm. 2 zu deuten sein. A. Böhlau, Zeitschrift für Rechtsgeschichte IX, S. 280, folgt einer etwas abweichenden Ansicht.
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schatz oder durch Kauf oder durch Auflassung von Seiten Mechthilds vor der Landesherrschaft erworben, vorgebracht hat, so wird sein Anspruch verworfen.

Damit hatten die Gebrüder Witte nun allerdings den Besitz des mütterlichen Antheils an Pastow und Brodersdorf erstritten; es blieben aber oder erhoben sich zwischen ihnen und ihrem Schwager Katzow noch Streitigkeiten um Geldansprüche des Letzteren. Diese wurden indessen durch Vermittelung beiderseitiger Verwandten am 13. Mai 1390 dadurch beigelegt, daß der Rathmann Heinrich Witte und sein Bruder Hermann dem Schwager die Zusicherung gaben, daß, wenn sie dereinst ohne echte Leibeserben verstürben, ihr im J. 1386 erstrittener Antheil an Pastow und Brodersdorf an niemand anders als an seine Söhne Heinrich und Henneke Katzow übergehen sollte 1 ).

Zwistigkeiten der Gebrüder Witte mit ihrem Vetter Arnd Vöge, der nicht nur das von seinem Vater ihm 1379 abgetretene Sechstel, sondern nunmehr auch das andere Sechstel von dem ererbten Antheil seiner Mutter Gertrud Kopmann an Pastow und Brodersdorf besaß, sind 1391 schiedsrichterlich geschlichtet 2 ). Wie? das erfahren wir leider nicht. Arnd starb aber hernach mit Hinterlassung einer Tochter, die wie ihre Mutter Elisabeth hieß. Die Wittwe und die Tochter und ihre Vormünder verkauften dann am 19. März 1400 das einst von Gertrud Kopmann ererbte Drittheil von Pastow und Brodersdorf an die Gebrüder Witte 3 ). Diese besaßen also nunmehr sicher 5/6 von diesen beiden Dörfern; ob auch schon das letzte Sechstel, geht aus den Stadtbüchern und Urkunden des 14. Jahrhunderts nicht hervor.



1) Siehe Urkunde III.
2) Siehe Urkunde IV.
3) Siehe Urkunde V.
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Urkunden.


I.

1351. Novbr. 19. Rostock.
Albrecht, Herzog von Meklenburg, verleiht drei Töchtern des weil. Bürgermeisters Arnold Kopmann zu Rostock Eigenthum, Gericht und Bede des Dorfes Pastow.

Nos Albertus dei gracia dux Magnopolensis, Stargardie et Rozstoch dominus, recognoscimus et constare volumus vniuersis presencia visuris vel audituris, quod dilectis nobis Mechtildi, Ghertrudi et Vredeken, filiabus olim domini Arnoldi Copman senioris, proconsulis in Rozstoch, ac sororibus iunioris domini Arnoldi Copman, quondam consulis ibidem bone memorie, ipsique in bonis hereditarie succedentibus, earumque legitimis heredibus vtriusque sexus, maribus videlicet et femellis, suis deposcentibus benemeritis dimisimus et donauimus ac presentibus dimittimus et donamus meram proprietatem ac plenariam libertatem super totam et integram villam Pastowe, cum omni iure et iudicio, supremo scilicet et infimo, iusticiis ac omnibus precariis, agris cultis et colendis, pratis, pascuis, paludibus, cespitibus, siluis, nemoribus, rubetis, aquis, aquarum decursibus earumque fructibus, piscacionibus, viis, inuiis, semitis ceterisque prouentibus, vtilitatibus, pertinenciis et emolimentis vniuersis, quocunque censeantur nomine, prout ipsa villa in suorum terminorum distinctiuis limitibus in longum, latum, altum et profundum abolim iacuit et adhuc iacet plenius comprehensa, libere et pacifice perpetuo possidendam, ita quod ipse et earum heredes, ut premittitur, prefatam villa m cum omnibus premissis condicionibus, nobis et nostris heredibus minime requisitis, vsibus ecclesiasticis aut secularibus pro sue voluntatis libitu apponere poterunt seu applicare. Renunctiamus nichilominus penitus et expresse omnibus iuribus, iudiciis, iusticiis, libertatibus ac proprietatibus, deuolucionibus sine successionibus, in wlgo anval dictis, que in pre-

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missis seu premissorum aliquo nos aut nostros heredes quomodolibet contingere potuerint nunc et in futuro. In quorum euidens testimonium sigillum nostrum presentibus duximius apponendum. Datum et actum Rozstoch, anno domini millesimo CCC° quinquagesimo primo, in die beate Elyzabeth vidue, presentibus nostris fidelibus Alberto Warborgh, Eghardo de Bybowe, Johanne Vmmereysen, militibus, Bertoldo Roden, cancellario, Marquardo de Stoue et Bernardo Alkun, famulis, ceterisque pluribus fidedignis.

 

Nach dem Originale im Rostocker Raths=Archive. An Fäden von grüner Seide hängt das im M. U.=B., Bd. X zu Nr. 6914 abgebildete große runde Siegel des Herzogs Albrecht.


II.

1386. Jan. 10. - Sept. 11. Rostock.
Der Rath zu Rostock entscheidet den Erbstreit um einen Antheil von Pastow und Brodersdorf zwischen dem Rathmann Engelbert Katzow wegen seiner Kinder und dessen Schwägern, dem Rathmann Heinrich Witte und dessen Bruder Hermann Witte, zu Gunsten der Letzteren.

Wy borgermestere vnde radmanne to Rozstok do e n wytlik allen luden, beyde den iegenwordigen vnde tokomenden, dat an den iaren vses heren dusent drehundert sosvndeachtentigesten, des negesten mydwekens na twelften [Jan. 10.] vor vs sint geweset de ehrbaren manne, alse her Engelbert Katzowe, radman to Rozstok, van syner kyndere weghene, vppe de enen side, vnde her Hinrik Witte, radman darsulues, vnde Herman Witte, syn broder, vppe de anderen side, vnde sint an beyden siden gebleuen in vser aller iegenwordicheyt enes rechten Zwerineschen rechtes bi hern Johanne van der Aa, vses rades borgermestere, vnde hern Gerde Grentzen, vseme mederadmanne, vmme de schelynge, de see vnderlangh hadden vmme dat gůd to Pastowe vnde to Brøderdorpe, by pyne vnde verlust hundert lødege mark süluers, we des nicht en he e lde vnde wedderspreke van beyden siden vorbenomet, wat en van den suluen twen vorbenomeden vor Zwerinesch recht geseght wørde, also se dat mit wolberadenen mode vnde mit vryen willen vor vs willekoret hebben vnde mit eren vründen wissent hebben in beyden

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siden. Vnde de suluen vorbenomeden twe, also her Johan van der Aa vnde her Gerd Grentze vmme bede willen der vorbenomeden, also hern Engelberts Katzowen van syner kyndere wegene vnde hern Hinrikes Witten vnde Hermans Witten van erer egene weghene, vnde vser aller bede willen annameden dat sülue recht en to seggende vnde se to vorschedende mit rechteme Zwerineschen rechte na lude hern Engelbertes Katzowen bescreuener vnde besegelder tosprake vnde clage vnde na lude bescreuenes vnde besegeldes antwordes hern Hinrikes Witten vnde Hermans Witten, synes broders, vnde hebben se in den süluen iaren vses heren dusent drehundert sosvndeachtentigestem, des mydwekens na deme sondage na paschen, also men sangh Jubilate [16. Mai], in vser aller iegenwordicheit vnde vele anderer erliker lude vorscheden vnde en e e n recht Zwerinesch recht geseght in desser wyse, also hiir na screuen steyt:

Also alse gi her Engelbert Katzow, radman to Rozstok, van iuwer kyndere weghene, vppe de enen side, vnde her Hinrik Witte vnde Herman Witte, iuwe broder, vppe de anderen side, bi vs, also Johanne van der Aa, borgermestere, vnde Gerde Grentzen, radmanne to Rozstok, enes Zwerineschen rechtes gebleuen sint vmme dat gud to Pastowe vnde to Broderdorpe, na vtwysinge iuwer, hern Engelbertes, besegelten anclage vnde na vtwysinge iuwes, Hinrikes Witte vnde Hermans Witte, besegeldes antwordes, so vorschede wy iw mit rechte na Zwerinescheme rechte na anwysinge wyser, erbaren manne, manne vses leuen gnedigen heren konynges to Zweden, vnde der wisen, vorsichtegen. manne, radmanne der stad to Zweryn, vnde na lude des rechtbokes to Zweryn, dat wy darvmme lesen leten, vnde seggen iw dit vor e e n Zwerinesch recht, alse wy vs des werlikest bevraget hebben vnde rechters nicht en weten; wil men vs des nicht vordregen, so wil wy darto do e n also vele, alse recht is na iuwer anclage, hern Engelbertes Katzowen van iuwer kyndere wegene, vnde na iuweme antworde, hern Hinrikes Witten vnde Hermans Witten: Mogen her Hinrik Witte vnde Herman Witte, syn broder, dat bewysen mit besegelden breuen, dat se des gudes to Pastowe vnde Broderdorpe de negesten eruen sint vnde dat negeste zybbe, vnde hebben des liggende orkünde, so sint see des gu o des to v Pastowe vnde to v Broderdorpe vorbenomet negher to beho e ldende, wen id en genich man af to entwynnende. To openbarer betugh-

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nisse desser dyngh hebbe wy vse yngezeghele drucket laten torugge vppe dessen bre e f. Ghesche e n is desse vorschedynge, alse vøre screuen is, na godes bord drutteynhundert ia e r in deme søsvndeachtentigesten iare, des negesten mydwekens na deme søndage na paschen, also men sangh Jubilate [16. Mai], vor den e e rbaren mannen borgermesteren vnde radmannen to Rozstok vnde vor vele erliken borgeren darsulues.

Vnde do de vorschedynge mit rechte, alse vore screuen is, gesche e n vnde gelesen was, do dankeden see deme rechte an beyden siden vnde en dar wol ane nøghede.

Vnde vmme dat, dat hern Hinrike Witten vnde Hermanne Witten, syneme brodere, de bewysinge des negesten sibbes vnde erues to deme vorbenomeden gude, alse Pastowe vnde Broderdorpe, todelet wa e t, so hebbe wy alle vorbenom' radmanne vnde vele mer erlike lude de openen besegelden breue, de erer moder Mechtilde, eren züsteren vnde eren eruen vppe dit vorbenomede gud tospréken, vor vs lesen laten. Vnde do de breue vor vs gelesen weren vnde de bewysinge vor vs gesche e n was, do düchte hern Engelberte Katzowen van syner kyndere weghene na lude der hewysinge, dat syne kyndere also na eruen scholden wesen des gudes vorbenomet alse her Hinrik Witte vnde Herman Witte, syn broder vorbenomet, vnde wolde en des nycht volgen, dat se dat negeste zybbe vnde de negesten eruen weren to deme vorbenomeden gude, vnde worden des twedrachtigh vor vs. Jodoch so hebben see vs in beyden siden gebéden, dat wy de twedraght van des zybbes vnde erues weghen wolden to vs nemen vnde see darvmme vorscheden mit Zwerinescheme rechte na vtwysinge der vorscreuenen breue, welk ére van dessen twen syden, also hern Engelbert Katzowen kyndere edder her Hinrik Witte vnde Herman, syn broder, dat negeste zybbe vnde de negeste erue sy des vorbenomeden gudes. Vnde wy sint des to rade worden vmme vormydinge merers schaden, vmme vrundschop vnde e e ndracht willen, dat wy dat recht hebben to vs geno v mmen dorch anstandynge erer beyder béde, alse hern Engelbertes van syner kyndere weghene vnde hern Hinrikes vnde Hermans van erer eghene weghene, vnde hebben de openen beseghelden breue vppe dat dicke benomede gud mer wen enes vor vs lesen laten vnde wol betrachtet de inhoidynge der vorbenomeden openen bezegelden breue, de vrowe Mechtilde, de her Hinrikes

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Witten vnde Hermans Witten moder was, vnde eren züsteren vnde eren eruen tospréken, wer hern Engelbertes Katzowen kyndere vnde her Hinrik Witte vnde Herman, syn broder, der Mechtilde vorbenomet negeste zibbe vnde eruen møchten wesen, vnde seggen dat tovoren, dat dat recht, dat her Johan van der Aa vnde Gherd Grentze hern Engelberte van syner kyndere weghene vnde hern Hinrike Witten vnde Hermanne Witten, syneme brodere, alrede geseght vnde delet hebben, scal mechtigh wesen vnde blyuen darvmme, dat see deme rechte in beyden syden dankeden vnde dar wol ane nøgede, also vøre gerøret is. Vnde seggen vordmer vor e e n recht Zwerinesch recht, dat her Hinrik Witte vnde Herman, syn broder, na lude der dicke benomeden breue, dede spreken vppe Pastowe vnde Brøderdorpe, dat negeste zybbe vnde de negesten eruen sint erer møder Mechtilde vnde negher den hern Engelbert Katzowen kyndere in deme vorbenomeden erue; wente kint negher is wen kyndes kynt. Vnde na deme dat syk her Engelbert Katzowe van syner kyndere weghene vppe nyne bewysinge to deme gude to Pastowe vnde Broderdorpe in syner bozegelden tosprake geworpen heft vnde allene dat gud vorbenomet van her Johannes weghene van der Kyritze, vnde nycht van syner kyndere moder weghene, anghesproken heft, vnde her Engelbert van syner kyndere weghene nyne bowysinge van her Johannes weghene van der Kirytze vorbenomet heft, vnde nyne bewysinge van hern Johannes weghene van der Kiritze vorbenomet, also vorwarynge mit bozegelden breuen brudscattes, kopes vnde vplatendes vor den heren, vorebracht heft, also he sik an syner besegelden tosprake vorrømet heft, vnde ok na deme, dat her Johan van der Kiritze vorbenomet in deme vorbenomeden gude alse brudscattes, kopes vnde vplatinge vor den heren vnvorwaret is, vnde her Engelbert Katzowe van syner kyndere moder weghene nicht anghesproken heft vnde van der kyndere moder weghene vppe nyne bewysinge geworpen vnde vorrømet heft, vnde de anderen, alse her Hinrik Witte vnde Herman Witte, opene bezegelde breue, de erer moder Mechtilde, eren zusteren vnde eren eruen tospréken, vorebracht vnde darmede bewyset hebben, dat se erer moder rechte eruen sint vnde dat negeste zybbe, vnde hebben des liggende orkunde: so segge wy dat vor e e n recht Zwerynesch recht na lude hern Engelbertes Katzowen van syner kyndere weghene bezegelder tosprake

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vnde na lude hern Hinrikes Witten vnd Hermans Witten besegeldes antwordes vnde na der bewysinge, de her Hinrik vnde Herman vor vs gebracht hebben, de wy ho e rd vnde seen hebben, dat her Hinrik Witte vnde Herman, broder vorbenomet, to deme gude Pastowe vnde Broderdorpe erer moder Mechtilde vorbenomet negeste eruen vnde dat negeste sybbe sint vnde neger eruen sint den her Katzowen kyndere in alleme erue, dar see erer moder Mechtilde vorbenomet mede beeruen magh; wente kynd io negher is wen kyndes kynd. Acta sunt hec anno domini M°CCC°LXXXVI°, feria tercia proxima post festum natiuitatis beate virginis Marie [11. Sept.], in consistorio nostro in theatro inferiori, presentibus omnibus et singulis proconsulibus et consulibus et multis conciuibus honestis, testibus prcmissorum etc.

 

Nach dem Rostocker Hausbuch 1367-87, Fol. 229-231. Eingetragen 1386, feria sexta, videlicet ipso die exaltacionis sancte crucis (Sept. 14). Im Original steht für ü ein durchstrichenes u , für é ein durchstrichenes e .


III.

1390. Mai 18. Rostock.
Heinrich Witte, Rathmann zu Rostock, und sein Bruder Hermann vermachen auf den Fall, daß sie kinderlos versterben, ihren Neffen Heinrich und Henneke Katzow ihre Hälfte der Dörfer Pastow und Brodersdorf.

Feria quarta infra octauas ascensionis domini. Witlik si, alse vse vrund lier Johan van der Aa, her Lodewicus Cruse, borgermeystere, van vnser wegen, also hern Hinrik Witten vnde Hermens, mynes broders, van der enen syde, vnde her Johan Horn, her Hinrik Coppelow, ratmanne, van hern Eng. Katzow vnde Hinrik vnde Hennekes, syner sones, wegen, van der anderen syden, hebben degedinget twischen vns vmme scult, schelynge vnde manynge, de wi vorbenomede vnderlangh hadden, dorch endracht vnde vrundliker achte willen, so ghunne wi vorbenomede her Hinrik vnde Hermen, dat na vnser beyder dode vnde nicht e e r, wer dat wi beyde vorstoruen, dat god vorbede, ane rechte, echtlike eruen van vseme lyue boren, dat Hinrik vnde Henneke. brodere genomet Katzow, hern Eng. sones, vnser zuster kindere, vnde anders nemand, mogen hebben vnde beholden alsodane gud, alse wi mit

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Zwerineschen rechte geworuen hebben, alse de helfte der twyer dorpe to Pastow vnde Broderdorpe, alse de vorschedinge vtwiset, de in der stad boke screuen is 1 ). Domini Gherardus Grentze loco domini Winoldi Baggelen et Hermannus Wilde aderant.

 

Nach dem Lib. recognit. Rost. 1384-1431, fol. 21 b.-22. - 1) Unsere Urkunde II.


IV.

1391. (April 7- Juli 5.) Rostock.
Heinrich Witte, Bürgermeister zu Rostock, und sein Bruder Hermann werden mit Arnold Vöge wegen ihrer Zwistigkeiten über Pastow und Brodersdorf durch Schiedsrichter verglichen.

Notandum est, quod domini Wernerus Axekow, Thidericus Sukow, milites, Lodevicus Cruse, proconsul, arbitri, arbitratores et amicabiles compositores electi per dominum Hinricum Witten proconsulem et Hermannum Witten fratrem suum, ex vna, et Arnoldum Vogen, parte ex altera, in causa inter ipsos hucusque habita et mota, finaliter pronunciauerunt et diffiniuerunt et super bonis villarum Pastow et Brodersdorp, prout plene in litteris eorundem impeticionem et responsionem et pronunciacionem dictorum arbitrorum continentibus et apud camerarios 1 ) repositis plenius continetur.

 

Nach dem Lib. recognit. Rost. 1384-1431, fol. 25 b, eingetragen zwischen fer. 6 a. p. Quasim. (April 7) und fer. 4 a. p. Petri et Pauli (Juli 5). - 1) camer. ist getilgt und dafür von gleichzeitiger Hand an den Rand geschrieben: d' H. Witten.


V.

1400. März (19.) Rostock.
Elisabeth, Arnold Vöges Wittwe, verkauft unter Zustimmung ihrer und ihrer Tochter Vormünder an den Bürgermeister Heinrich Witte und seinen Bruder den von ihrem Ehemann auf sie vererbten Antheil an Pastow und Brodersdorf.

Notandum est, quod coram camerariis dominis Gherardo Grentzen et Thiderico Holloger constituta domina

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Elyzabeth, relicta Arnoldi Vogen bone [memorie] 1 ), cum dominis Thiderico Wilden et Hinrico Katzow, consulibus, necnon Gherardo Crusen ac Hinrico Bergh, amicis propinquis Arnoldi Vogen tutoribusque Elyzabeth relicte Arnoldi antedicte et Elyzabeth filie sue, quam apud Arnoldum Vøgen peperit, ipsis datis et assignatis, coram proconsulibus ciuitatis libere et sponte consensientibus expresse dictis tutoribus vendidit ac dimisit dilectis suis auunculis domino Hinrico Witten proconsuli et Hermanno Witten fratri suo talia bona hereditaria, que ipsis sunt inheredata per mortem Arnoldi Vogen in duabus villis, videlicet Pastowe et Broderdorpe cum suis attinenciis, videlicet terciam partem secundum tenorem litterarum desuper confectarum, sibi in illis bonis omnino nichil reseruando, warandiam sibi cum dictis suis tutoribus promittents.

 

Nach dem Lib. recognit. Rost. 1384-1431, fol. 59-60, eingetragen 6 a. fer. p. Reminisc. (März 19) oder kurz vorher. - [1) memorie fehlt.]

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III.

Michael Kopmann's

Chronik St. Nicolai zu Wismar.

Von

Dr. F. Crull.


B etrachtet man die drei mächtigen Pfarrkirchen in Wismar und andererseits die heutigen Verhältnisse dieser Stadt, so erscheint die Meinung, welcher man daselbst öfters begegnet, daß nämlich jene kolossalen Bauwerke mit Beiträgen aus aller Herren Ländern zu Stande gebracht worden seien, so gar verwunderlich nicht. Keineswegs aber ist sie begründet. Denn wenn es schon an sich nicht glaublich ist, daß die Bürger der einen Stadt in solcher Weise denen der anderen sollten zu Hülfe gekommen sein zu einer Zeit, wo jede Stadt, jede Gemeinde darauf dachte und mit allen Kräften beflissen war, ihre Pfarrkirche immer größer, immer prächtiger zu gestalten, so ist auch nicht die geringste Spur derartiger Zuflüsse von außen her vorhanden, insbesondere, wo man sie denn doch am ersten zu erwarten berechtigt wäre, in den an Gottesgiften so reichen Lübischen und Rostocker Testamenten nicht, deren aus älterer Zeit eine ansehnliche Zahl sich erhalten hat. In Wahrheit sind jene Kirchen schlechterdings Werke einer in guter Nahrung sitzenden Bürgerschaft, welche Gottes Ehre, ihrer Seelen Heil und der Stadt Namen und Ruhm im Auge hatte und mit Beharrlichkeit durch Gaben von Geld, Silber und Gold, von liegenden Gründen und stehenden Erben, von Schiffen, von Fuhrwerk, von Bienenstöcken und Wachs, von Flachs, von Häuten, kurz von allem Denkbaren, je nachdem größerer oder minderer Wohlstand es ermöglichte, jene Unternehmungen zu Ende zu führen bestrebt war. Erforderte nun schon die Entgegennahme dieser Opfer eine gewisse Stelle, so machte die Verwaltung derselben erst recht eine solche nothwendig, da das Sammeln der Zuwendungen

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nicht wenige Jahre oder einige Decennien hindurch statthatte, sondern über Generationen fort, und man findet bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts deutlich erkennbar Personen, welchen jene Mühwaltung oblag 1 ). Bestimmt und ausdrücklich als solche bezeichnet, begegnet man ihnen in Wismar zuerst im Jahre 1291 2 ), und zwar als tutores ecclesie, Vormündern der Kirchen 3 ). Es sind das die späteren Vorsteher, welche aus Geschickten des Rathes und der Gemeinde bestanden. Sehr bald mußte sich aber ergeben, daß mittelst dieser durch ihre eigenen Geschäfte und Arbeiten gebundenen Personen eine genügende Beaufsichtigung der Materialien und der Arbeit nicht zu erreichen war, und stellte man deswegen für jede Kirche einen Mann an, einen Werkmeister, operarins, später misbräuchlich auch provisor genannt, welcher von einem dazu eingerichteten Hause aus, der domus operaria, Werkhaus, das Bauwesen überwachte, den Betrieb auf dem Ziegelhofe und die Bewirthschaftung der Kirchenäcker leitete, die Einkünfte erhob und die Löhnungen besorgte, und über dies alles und sonstige Obliegenheiten Rechnung zu führen und den Vorstehern abzulegen hatte. Eine Reihe Jahrgänge von Rechnungen aus den ersten vier Decennien des 16. Jahrhunderts, welche sich bei St. Jürgen erhalten haben, giebt einen ziemlich deutlichen Einblick in den Geschäftsbetrieb dieser Werkmeister, wenn damals an der Kirche selbst auch nicht mehr gebaut worden ist. Neben den gedachten Registern, wie man sie nannte, besitzen die Wismarschen Kirchen aus dem Mittelalter an Dokumenten wesentlich nur Rentenbriefe, St. Nicolai aber außer diesen noch einen Copiarius des 15. Jahrhunderts, in welchen gleichfalls solche eingetragen sind, das einzig erhaltene von zehn Büchern, welche laut einer fast verloschenen Notiz auf der Außenseite des hinteren Umschlageblattes jenes Codex 4 ) in der Mitte des 16. Jahrhunderts bei dieser Kirche vorhanden waren.

Der in grobes Pergament geheftete Copiarius enthält 46 Folioblätter Papier in drei Lagen, deren erster und letzter je ein, anscheinend unbeschrieben gebliebenes Blatt


1) Mekl. Urk.=Buch 882. Vergl. 1209.
2) Ebendas. 2098.
3) In Rostock werden sie schon zwanzig Jahre früher genannt, und zwar zur selbigen Zeit als jurati und als provisores. Ebendas. 1176. In Wismarschen Documenten kommen schlechthin jurati nicht vor, während vor und nach 1300 procuratores genannt werden, und seit dem vierten Decennium des 14. Jahrhunderts provisores oder vorstendere bleibende Bezeichnung ist.
4) Desse x Boke horen vp Svnte Nicolawes werkhuss.
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fehlt. Die einzelnen Rentenbriefe, von denen der älteste von 1415 datirt ist, der jüngste von 1494, sind mit Rubriken meist in rother Farbe, einige auch in blauer versehen, während die vier letzten, nach 1494 eingetragenen, schwarze haben. Neben ihnen stehen dann noch ein paar Urkunden in dem Buche abgeschrieben, welche jedoch nur zu dreien Bezug auf St. Nicolai=Gebäude haben, sonst aber den Klerus angehen. Außer diesen Urkunden und den Rentenbriefen findet man in der Mitte des Codex auf Blatt 18 und hinübergreifend auf das folgende Blatt, zwar nicht in strenger, chronologischer Folge, aber bis auf die letzten zusammenhängend niedergeschrieben, Nachrichten über den Bau der heutigen Kirche und deren Einrichtung, sowie von ein paar anderen Vorfällen, welche der Erinnerung aufzubewahren dem Schreiber angemessen erschien, und der letzteren Art auch an verschiedenen Stellen des Buches, wo ein leerer Platz sich darbot. Schreiber des Copiarius und Verfasser dieser Aufzeichnungen war Michael Kopmann, Vikar zu St. Nicolai. Bei oberflächlicher Betrachtung und Vergleichung beider, der Notizen und der Urkundenabschriften, könnte man freilich geneigt sein, zu bezweifeln, daß dieselben von einem und demselben Schreiber herrühren, da letztere mit stumpfer Feder, blasser Tinte und in mehr gezogener Schrift geschrieben sind, während jene eine gedrängte, höhere Schrift, schöne schwarze Tinte und eine spitze Feder zeigen, wenn nicht an mehreren Stellen ebenfalls in letzterer Weise geschrieben unter den Copien der Rentenbriefe zu lesen wäre, daß Michael Kopmann dieselben angefertigt habe 1 ). Daß aber die chronistischen Nachrichten gleichfalls von ihm herstammen, dürfte nach der Art und Weise, wie seiner in denselben gedacht wird, schwerlich Zweifeln begegnen, insofern dort die doch sonst sehr gleichgültige Thatsache berichtet wird, daß Herr Michel Kopmann am Sonntage Cantate oder den 20. Mai 1470 seine erste Messe gesungen habe. Michel Kopmann wird dann zwölf Jahre später, am 2. November 1482, als Testamentarius Johann Weitendorps, eines Vikars zu St. Nicolai, genannt und ist in demselben Jahre unter Bürgschaft der Vikare Hinrik Grimme und Bolte v. d. Lühe in den großen oder Herren=


1) Fol. 22 v.: Dit bock hort sunte Nicolawesse tor Wismer, dat heft ghescreuen her Michel Kopman, scriuer. - Fol. 32: Michael Kopman scripsit, quod protestor manu propria. - Fol. 38: Anno domini mcccclxxxiiii per me Michaelem Kopman, presbiterum. - Fol. 44: Michael Kopman scripsit anno xciiii . - Fol. 45: Michael Kopman scripsit manu propria.
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Kaland oder Kaland des Landes Bresen aufgenommen worden. In diesem war er von 1488 bis 1490 Procurator oder Schaffner, beim Klerus zu St. Nicolai 1493 und 1494, und lebte noch am 19. Juni 1509, wo er als Senior der Vikare seiner Kirche bezeichnet wird. Wann er seinen Dienst als Schreiber auf dem Werkhause angetreten und wie lange er solchen bekleidet hat, ließ sich nicht ermitteln; den Copiarius hat er nicht früher als 1484 und vor 1492 angefertigt, wie daraus hervorgeht, daß er (fol. 15) einen Rentenbrief auf 6 Mk. aus Hohen=Wischendorf von jenem Jahre eingetragen und durch eine besondere Nachricht, § 26, die Auslösung von Renten durch die Herzoge Magnus und Balthasar von 1492 angezeigt hat. Die letzte Thatsache, welche er aufgezeichnet hat, datirt vom Jahre 1504. (S. u. § 43.) Vielleicht hat er zur Entgeltnis für seine Mühewaltung als Schreiber Wohnung und Kost auf dem Werkhause gehabt, was die Sentenzen und die Noten aus der "natürlichen Magie" zu ergeben scheinen, welche er in müssigen Stunden hie und da auf den Rand und den Umschlag verzeichnet hat, da nicht anzunehmen ist, daß er, wie es doch sonst hätte sein müssen, das Buch im eigenen Hause andauernd unter Händen gehabt haben sollte; ohnehin deuten manche Sentenzen wohl an, daß seine Lage wie die der meisten Vikare keineswegs eine glänzende war 1 ). Einen weiteren Beweis, daß Kopmann sich anhaltend und bequem mit dem Codex beschäftigen konnte, geben endlich auch die Emendationen und Nachträge, welche er sowohl bei seinen chronistischen Aufzeichnungen wie bei den Rubriken der Urkundenabschriften oder diesen selbst, wo ihm eine Erläuterung nützlich schien, gemacht hat, und die nicht anders als in


1) Fol. 8: Melius est modico gaudere pacificus, quam litigiosys diuitiis habundare. - Fol. 13: Valet aurum, sed plus scientia, que auream dat coronam. - Fol. 14: Est diues, qui contentus est modico, et qui multa desiderat cupide, valde pauper. Interessanter sind die zauberkünstlerischen Marginalien. So steht fol. 9: Vt facias lumen perdurabilem (!), recipe magnam quantitatem vermium, que lucent de nocte, et pone in vrinali. - Fol. 21: Ad faciendum litteram uel imaginem, que non posset uideri nisi in nocte, recipe fel canis et lignum salicis putrefacte et vermiculum de nocte splendentem et album oui et distempera simul et postea fac imaginem in pariete, et non apparebit nisi in nocte. - Fol. 22: Testiculi lupi si ponantur uel sepeliantur in aliquo loco, omnes canes ibi congregabuntur et latrando meuebuntur ad rixam. - FoL 27: Arnoldus (von Villanova?): Pulmonem ouis da ebrioso ante comestionem et postea, quantumcumque biberit, non senciet ebrietatem. - Fol. 38: Fiat circulus de betonica, et immittatur serpens et non exeat hoc (!) circulum.
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freien Stunden, nicht während eigentlicher Besorgung seiner Schreibergeschäfte, entstanden sein können.

So dankbar man Michel Kopmann für seine Nachrichten sein muß, so ist doch zu bedauern, daß er mancher Umstände und Vorgänge nicht gedacht hat, die ihm wahrscheinlich doch bekannt geworden sind, wie er denn z. B. nichts von der Altartafel meldet und, wann der Thurm fertig geworden, aufzuzeichnen unterlassen hat. Auch wäre es erwünscht gewesen, wenn er sich in seinen Mittheilungen ein wenig klarer ausgedrückt hätte; doch war er in seiner Muttersprache, so viel das Schreiben in derselben anlangt, nicht allzu gewandt, obschon er sogar unternommen hat, Einiges in gebundener Rede abzufassen. Auch zum Theil wunderliche Wortformen trifft man bei ihm an. So schreibt er beide Male, wo er den Ausdruck gebraucht, merlik statt merklik und fünf Mal straff statt starf, was nur ein Mal vorkommt. Noch seltsamer ist das zweimalige vp des Meklenborges haue und seltsam sind auch die Formen murende und hengende statt mureden und hengeden, wozu affdeckenden gewissermaßen eine Zwitterform bildet. U. a.

Herr Michel Kopmann hat auch Nachfolger im Aufzeichnen von Nachrichten gefunden. Der erste derselben hat in der Schrift des Anfanges des 16. Jahrhunderts zwei Ereignisse, eins von 1508, das andere von 1509, hinzugefügt, und eine zweite Hand hat in kursivischer Schrift eine Notiz aus dem Jahre 1524 eingetragen. Die Urheber dieser Aufzeichnungen haben sich nicht genannt, und die Hände bieten keinen Anhalt zu Muthmaßungen über dieselben. Ein dritter Continuator, der auch sonst bekannte Nicolaus Sehasen, Schreiber zu St. Nicolai, beginnt seine Notizen mit dem Berichte über den Brand von St. Marien im Jahre 1539 und hat auch auf dem letzten Blatte einige niedergeschrieben; das jüngste Ereigniß, welches er meldet, ist vom Jahre 1555.

Wie bereits erwähnt, so giebt Kopmann an, daß er im Jahre 1470 seine erste Messe gesungen habe; aber es ist nicht klar, ob er unter dieser seine Primitien verstanden hat, oder ob er sagen wollte, er habe zur gedachten Zeit seine Vikarie angetreten. Letzteres erscheint glaublicher; denn wenn er damals erst zum Priester geweiht worden, also vermuthlich doch nicht älter als 25 Jahre gewesen wäre, so würde es auffallend sein, wenn er in einem Alter von nicht mehr als 64 Jahren bereits Senior der St. Nicolai=Geistlichkeit war. Unter diesen Umständen kann man nur durch Einschlagen

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eines Mittelweges annehmen, daß er 1470 etwa 30 Jahre alt war, so daß in diesem Falle seine persönlichen Erinnerungen, vorausgesetzt, daß er aus Wismar gebürtig gewesen ist, doch bis 1450 oder 1455 zurückreichen müßten. Mag dem nun sein, wie ihm wolle: jedenfalls sind die von Kopmann überlieferten Vorkommnisse, welche nach 1470 datiren, selbsterlebte, und für dasjenige, was vor diesem Jahre sich ereignete und von ihm aufgezeichnet worden ist, boten sich ihm als Schreiber theils die Dokumente, theils die glaubwürdigen Traditionen des Werkhauses als Quellen, so daß es nur wenig Angaben sind, welche Bedenken erregen oder die irrthümliche Angaben enthalten.

Unser § 1 ist Auszug einer Stadtbuchschrift und giebt zu keiner weiteren Bemerkung Anlaß, als daß der Ziegelhof St. Nicolai "vor dem Wasserthor" belegen war (Zeugebuch d. d. 1616, April 9); die Umkehrung der nächsten Umgebung der Stadt durch die Festungsbauten läßt eine nähere Nachweisung des Platzes nicht zu.

Irrthümlich ist die zweite Nachricht, § 2, in Betreff des Todestages Hinrik Körnekes, dessen Testament Kopmann auf fol. 2 und 3 eingetragen und an dessen Schluß er jenen notirt hat. Körneke kann nicht an dem angegebenen Tage gestorben sein, da das beregte Testament, welches noch im Originale vorhanden ist 1 ), erst 1336 errichtet wurde, nicht 1335, und jener noch am 29. November desselben Jahres nähere Bestimmungen in Betreff seiner letztwillig gemachten frommen Stiftungen erlassen hat 2 ). Schröder sagt 3 ), Körneke sei 1336 gestorben, ohne jedoch die Quelle zu nennen, woher er die Nachricht hatte; vermuthlich hat er es aus dem Datum des Testaments geschlossen.

Sehr viel belangreicher als dieser Irrthum Kopmanns ist eine Differenz zwischen ihm und einem bei Schröder erhaltenen Dokumente. Jener giebt nämlich an, § 2, daß der Neubau von St. Nicolai 1386 in Angriff genommen worden sei, während dieser zwei Urkunden hat abdrucken lassen 4 ), nach denen das schon früher der Fall gewesen wäre. Die eine derselben ist eine Vereinbarung zwischen den Vorstehern der Kirche und dem Maurermeister Hinrik v. Bremen bezüglich des Lohnes, um welchen er den von ihm begonnenen Chor von St. Nicolai zu Ende führen sollte, die Schröder in das


1) Mekl. Urk.=Buch 5714.
2) Ebendas. 5717.
3) P. M. S. 1183.
4) Ebendas. S. 1539 und S. 1548. Siehe Anhang A.
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Jahr 1381 gesetzt hat. Ob Schröder sich hierbei geirrt oder nicht, läßt sich nicht mehr controliren, da die betreffende Lage des Zeuge= oder kleinen Stadtbuches, dem dieselbe nach Form und Inhalt zweifellos entstammt, gegenwärtig nicht mehr existirt; aber es ist allerdings eher anzunehmen, daß Schröder in der Jahreszahl V vor I übersehen oder ausgelassen, als daß Kopmann das V hinzugesetzt habe. Nichtsdestoweniger wird des letzteren Datum falsch, und dasjenige Schröders richtig sein, da aus dem in einer gleichzeitigen Abschrift erhaltenen Testamente des Rathmannes Göslik Witte vom 4. December 1383 - nicht 1380, wie Schröder hat, -zu schließen ist, daß der Chorbau damals bereits im (Gange, in so weit gefördert war, daß schon an den Bau der Sakristei gedacht wurde. Latomus hat sich nach Kopmanns Angabe gerichtet 1 ), welche Schröder gleichfalls hat abdrucken lassen 2 ). Letzterer bemüht sich bei dieser Gelegenheit, jene Zeugebuchschrift und Kopmanns Nachricht in Einklang zu bringen; aber es ist nach dem Wortlaute der gedachten Inscription - chorus inceptus - entschieden nicht richtig, wenn er als möglich hinstellt, man habe von 1381 bis 1386 bloß die Vorbereitungen zum Baue getroffen und diesen 1386 wirklich begonnen, und eher seine zweite Alternative annehmlich, wenn auch in Beihalt des erwähnten Witteschen Testamentes wenig glaublich, daß nämlich der 1381 begonnene Bau in den Anfängen stecken geblieben sei, da in der That die Formziegel der Chorpfeiler einen anderen Stempel zeigen, als die des Umganges mit seinen Kapellen, jene eine stilisirte vierblätterige Rose, diese ein Buchen=Dreiblatt. Die Personen, welche Kopmann und Schröder nennen, geben keinen Anhalt; Hinrik v. Bremen kommt allein hier vor, und Heidenrik Lukow begegnet uns nur noch einmal, und zwar im Jahre 1395. Man wird nicht umhin können, Kopmann mindestens unklare Darstellung Schuld zu geben, 1381 aber als urkundlich gesichertes Datum für den Neubau anzusehen 3 ).


1) Westph. mon. IV, p. 315.
2) A. a. O. S. 1574.
3) Werner Lischow bestimmt 1371, November 11, daß aus seinem Nachlasse eine Kapelle inxta porticum zu St. Nicolai in parte australi zu einer von ihm gegründeten Vikarie erbaut werden solle, und Nicolaus Vorneholt stiftet 1380, Oktober 14, eine Vikarie in capella domini Johannis Vornholt (zuletzt 1349, Mekl. Urk.=Buch 7007) - sita in eadem ecclesia (S. Nic.) ad aquilonem. Diese beiden Kapellen müssen nach Obigem also an die alte Kirche angebaut gewesen sein. Dagegen war die jetzige Votsche Kapelle 1390 im Bau oder schon fertig, da der Rathmann Nicolaus Vot, welcher nach Aussage seines Sohnes vom 17. Juni (  ...  )
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Nach dem folgenden Paragraphen, § 4, scheint es, daß Goslik v. d. Kulen im Jahre 1406 als Werkmeister eingetreten ist. Aus einem Aktenstücke, welches Kopmann auf dem ersten Blatte unseres Codex abgeschrieben hat 1 ), geht hervor, daß er den Chor hat decken lassen und daß er während der Zeit der ersten Wismarschen Umwälzung, da Nicolaus Buk und Hermen Brüsewitz den Bürgermeisterstuhl inne hatten, also 1414 oder 1415 2 ), wegen unredlicher Verwaltung abgesetzt und verfolgt worden ist. Ob er nach Restitution des rechtmäßigen Regiments wieder angestellt worden, ist nicht bekannt.

War das begründet, was man Goslik v. d. Kulen vorwarf, und erwägt man die Verluste, welche die Bürgerschaft erstlich durch die Kämpfe für das Haus Meklenburg um die schwedische Krone, hernach durch die Kriege mit König Erich erlitt, und die inneren Zerwürfnisse und Umwälzungen im zweiten und dritten Decennium des 15. Jahrhunderts, so kann man sich nicht wundern, daß der Bau unserer Kirche ein Menschenalter und länger stille stand, und daß eine Weiterführung desselben erst im Jahre 1434 unter dem energischen Werkmeister Peter Stolp, einem vormaligen Grobschmiede, Platz gegriffen hat. Dazumal ist, nach § 5, die nördliche Abseite sammt den daranliegenden Kapellen, wie der Augenschein ergiebt, und vermuthlich auch die nördliche Halle erbaut worden, diese jedoch wohl zuletzt, da der Anschluß derselben in sehr ungefüger Weise ausgeführt ist; anderweitige Kunde über diesen Bau giebt es nicht, Peter Stolp wird hier zuerst genannt, doch begegnet er in Urkunden nicht vor 1436.

Kopmanns Nachricht vom Bau der südlichen Abseite und des Leichhauses im Jahre 1437 dagegen, § 6, wird


(  ...  ) 1443 dieselbe erbaute, in jenem Jahre testirte und 1393 starb. Ebenso muß die 1418, December 22, erwähnte capella navigatorum noch zur alten Kirche gehört haben, während unter der 1438, Juni 5, genannten Stalköperschen wieder die gegenwärtige zu verstehen ist. Man darf also so wenig wie bei einer Kirche auch bei Kapellen aus deren bloßer Erwähnung schließen, daß der vorhandene Bau gemeint sei; und es ist ebenso unstatthaft, was nur zu oft außer Acht gelassen wird, aus dem Umstande, daß in einem Testamente etwas allgemein ad edificium, ad structuram. thom buwete einer Kirche vermacht wird, zu schließen, man habe der Zeit an derselben gebaut; denn diese Vergebungen waren und blieben noch lange gewohnheitsmäßig, nachdem die Kirchen längst fertig waren, ihre heutige Gestalt erhalten hatten. Vgl. z. B. Schröder E. M. I, S. 58, 126, 204, 472, 502, 507, 533.
1) Siehe Anh. B.
2) Hans. Geschichtsquellen II, S. 53.
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durch eine Inschrift, welche sich auf einer Kalkstein=Platte am Fuße des südwestlichen Windelsteins findet 1 ), nicht allein bestätigt, sondern es meldet auch letztere noch genauer, daß man Ostern des gedachten Jahres mit dem Abbrechen der alten Abseite begonnen habe, daß das Fundament der jetzigen 22 Fuß tief gelegt, und daß man im Sommer mit dem Aufführen des Mauerwerks bis zur Thürhöhe gelangt sei. Den Maurermeister, Hermen Münster oder Hermen von Münster, wie er auf seinem Siegel heißt, nennt die Inschrift aber nicht. Doch ist Kopmanns Angabe, daß dieser den Bau ausgeführt, hernach Werkmeister zu St. Jürgen geworden sei und auch dort gebaut habe, ohne Zweifel richtig, da er in letzterer Eigenschaft vom März 1442 bis zum Februar 1449 urkundlich sich nachweisen läßt, und die Einzelheiten der unteren Partien des Transseptes zu St. Jürgen mit denen des Leichhauses zu St. Nicolai durchaus übereinstimmen. Wenn Kopmann aber weiter berichtet, jener habe St. Jürgen erst "aufgelegt", d. h. abgesteckt und fundamentirt, so ist das, auf das Ganze des Neubaues bezogen, anscheinend doch zu viel gesagt. Uebrigens wird ein Meister Hermen als Raths=Maurermeister auch 1438 genannt 2 ).

In Betreff des Ablebens des Bürgermeisters Nicolaus Witte, § 7, wissen wir durch die Rathsmatrikel 3 ), daß er nach dem 9. Mai 1437 gestorben ist.

Die Angabe, § 8, daß 1439 und, selbstverständlich, in den folgenden Jahren die St. Nicolai=Kirche fundamentirt und auf gemauert worden sei, klingt nach den früheren Mittheilungen, nach denen also 1381 der Chor bereits angefangen, derselbe zwischen 1406 und 1415 gedeckt, die nördliche Abseite 1434 und die südliche 1437 aufgeführt sind, etwas befremdlich; aber der Widerspruch wird so zu lösen sein, daß man unter Kopmanns "Kirche" nicht das ganze Gebäude, sondern nur den für die Laien bestimmten unteren Theil desselben im Gegensatze zum Chore versteht, was dadurch bestätigt zu werden scheint, daß die Formsteine der Chorpfeiler bis zu den Hallen mit je einer vierblätterigen Rose gestempelt sind, diejenigen der übrigen Pfeiler zum Thurm hin aber überall keinen Stempel haben 4 ). Den Todestag des ohne Zweifel mit Recht gerühmten Peter Stolp


1) Siehe Anhang C.
2) Inventurbuch fol. 1.
3) Hans. Geschichtsquellen II, S. 63.
4) Die Synekdoche: Kirche für Schiff gehört übrigens Kopmann nicht allein an. S. Nic. Geb. R. 1561 VIII s. Clawes Dancquarth de IIII lichte vp de luchter in der kercken vnde de III licht im koer vp den groten luchter auer winter tho setten.
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können wir nach seinem Grabsteine, welcher wohlerhalten ist und noch vor dreißig Jahren im Leichhause lag, genauer als den 12. Mai 1456 angeben 1 ).

Peter Stolp hat also die Vollendung des von ihm so redlich und kräftig geförderten Baues nicht erlebt. Erst drei Jahre später, am Sonntage vor Michaelis oder den 23. September 1459, ist nach Kopmanns Bericht, § 9, die Kirche, nämlich wiederum der für die Laienschaft bestimmte Theil, und sind in den Tagen darauf die sämmtlichen dort befindlichen Altäre und fünf Kapellen consecrirt worden 2 ). So nämlich, 1459, hat Kopmann am Rande verbessert, während er ursprünglich 1460 gesetzt hatte. Letzteres Jahr geben Latomus 3 ) und Schröder 4 ), welche zugleich die Feier nicht vom Sonntage vor Michaelis, sondern vom Tage Michaelis selbst datiren. In Latomus' Bericht und Schröders Citat geschieht auch nicht allein der von Kopmann am Rande nachgetragenen damaligen Vorsteher - denn als solche werden die genannten Personen doch wohl anzusehen sein - keine Erwähnung, sondern es ist auch der Schlußpassus bei beiden aus demjenigen Kopmanns und unseren zwei nächsten Paragraphen zusammengearbeitet, und bei Schröder noch ein Gerd Sasse insbesondere betreffender Zusatz beigefügt 5 ). Außerdem hat Schröder auch noch, zwar nicht den nächsten, aber doch den folgenden Paragraphen besonders 6 ). Dieser Gerd Sasse ist sonst als Vorsteher zu St. Nicolai so wenig wie die übrigen von Kopmann genannten Personen bekannt, geschweige denn als Werkmeister; wohl aber kommt er 1467 als Vorsteher der Marien=Zeiten zu St. Nicolai vor und war im November 1474 bereits verstorben. Die Differenz, welche nach dem Vorstehenden zwischen Kopmanns Angabe und den Ueberlieferungen von Latomus und Schröder besteht, und der Zusatz bei diesem sind nicht wenig auffallend, da letztere offensichtlich genug Kopmanns Nachrichten gekannt


1) In der Mitte des Steines ist der Schild der Schmiede angebracht und die Umschrift lautet aufgelöst: Anno domini mcccclvi │ feria iiii ante festum pentecostes obiit petrus stolp, prouisor huius ecclesie.│ Anno domini mccclv │ sequenti die pantheleonis obiit greteke vxor eius. orate pro eis. Der Stein ist jetzt wieder ins Leichhaus gelegt.
2) Die Consecration der zweiten Kapelle von Westen her auf der Südseite fand am 28. Februar desselben Jahres statt. Jahrb. III, S. 245 und Jahresber. III, S. 90.
3) A. a. O. p. 388.
4) A. a. O. S. 2135.
5) Der ziemlich dunkle Passus lautet: Gert Sasse, wanhafftig vp dem Spegelberge gegen de Schürstraten auer. de wart gebeden vnd gekaren, nicht dat he werckmeister was.
6) A. a. O. S. 2152.
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und benutzt haben, und dieselben scheinen nur dadurch zu erklären, daß man annimmt, jene Historiker hätten nicht das Original, unseren Copiarius nämlich, in Händen gehabt, sondern eine Abschrift, beziehentlich Ueberarbeitung desselben von nicht eben geschickter Hand, was um so glaublicher erscheint, als Schröder "ein altes kleines Wismarsches Manuscript" als seine Quelle nennt, eine Bezeichnung, welche er für ein ziemlich starkes Heft in Folio doch kaum gebraucht haben würde, und mehrere der durchaus nicht unwichtigen Urkunden unseres Copiarius in seinem betreffenden Sammelwerke fehlen. Die in unserem Paragraphen genannten Personen geben keinen Anhalt, um sich in Betreff des Datums für oder wider zu entscheiden, und ebenso wenig des Rathskellers Weinregister; denn wenn nach diesem auch um Michaelis 1460 dem Bischofe nach und nach 25 Stübchen Wein präsentirt worden sind, so erhielt dieser auch im Juni desselben Jahres 32 Stübchen (das Verzeichniß der Präsentweine vom März 1459 bis dahin 1460 fehlt leider). Wenn aber Latomus und Schröder eine Abschrift von zweifelhafter Güte und Zuverlässigkeit benutzten, und Kopmann seine ursprüngliche Angabe des Jahres, 1460, selbst in 1459 verbessert hat, auch wahrscheinlicher ist, daß der muthmaßliche Abschreiber den "Sonntag vor" Michaelis übersehen, als daß jener ihn hinzugefügt, so wird man nicht umhin können, dem Kopmannschen Datum den Vorzug zu geben. In Betreff des Werkmeisters Hinrik Platensleger mag noch bemerkt werden, daß derselbe als solcher bereits im December 1157 genannt wird, also wohl Peter Stolps unmittelbarer Nachfolger gewesen ist, und daß er noch im November 1462 als fungirend vorkommt, aber bald hernach gestorben oder abgetreten sein muß, da der auf ihn folgende Hans Köster 16 Jahre lang Werkmeister gewesen sein soll, und 1478 bereits ein anderer, Klaus Höppner, genannt wird. Der Pfarrherr Gerd Drivot läßt sich von 1443 bis 1472 nachweisen.

Den folgenden Paragraphen, § 10, anlangend, so könnte man die Form des Einganges zum Beweise für Kopmanns richtige Datirung der Consecration heranziehen, insofern man, falls diese 1460 und nicht 1459 stattgefunden hätte, erwarten sollte, daß er gesagt haben würde "In demselben Herbste" oder "In dem Herbste desselben Jahres", doch wird man bei der Ungewandtheit seiner Feder Abstand davon nehmen müssen. Die genannten beiden Glockengießer sind anderweitig nicht bekannt.

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Auch von den beiden Orgelbauern, § 11, wissen wir nicht Weiteres. Die durch sie hergestellten Orgeln existiren natürlich längst nicht mehr 1 ).

Das große, aber doch kaum ganz vergoldete Kreuz, welches nach § 14 im Jahre 1470 angebracht worden ist, ging sammt dem darunter befindlichen kleinen Altare und selbstverständlich dem Lettner 1703 gleichfalls zu Grunde 2 ). Letzterer scheint in allen drei Pfarrkirchen gleichmäßig gewesen zu sein und nur aus einem Rahmenwerke, dessen seitliche Abtheilungen in der oberen Hälfte mit einem Gitterwerke, unten mit Täfelung geschlossen waren, wie die Chorschranken, bestanden zu haben, während die mittlere Abtheilung durch den vor dem Lettner außerhalb des Chores stehenden Frühmessen= oder kleinen Altar mit seiner Tafel, zu dessen beiden Seiten je eine oberwärts gleichfalls vergitterte Thür in den Chor führte, verdeckt war. Die Altartafeln sind 1567 weggenommen und durch bewegliche eiserne Gitter ersetzt worden, die man in der Woche schloß, beim Gottesdienste aber öffnete; über dem Lettner war das Triumphkreuz angebracht. In St. Marien beseitigte man diese Einrichtung im Jahre 1756 vermuthlich dem neuen Altaraufbau zu Liebe und ordnete statt derselben eine niedrige hölzerne Brustwehr wie in St. Nicolai an, während man das Kreuz in das Seitenschiff verbannte; in St. Georg aber bestand dieselbe - der kleine Altar freilich auch nicht mehr - bis 1830, in welchem Jahre sie der Aufklärung zum Opfer fiel; die Reste sind aber noch sichtbar. Die Worte mit den apostelen vnde loueren sind dunkel. Standen etwa die Apostel unter dem Kreuze? Das ist nicht wahrscheinlich. Und was bedeutet louere? Vermuthlich wird louere, Laubwerk, Blattwerk zu verstehen sein 3 ).


1) Henning Kröger erbaute an Stelle der großen Orgel 1617│9 eine neue, von welcher der oberste Theil des Prospectes bis heute erhalten ist. Dann hat Hans Hantelmann von Lübek das durch das Einstürzen der Gewölbe beschädigte Werk erneuert, und dazu wird die Orgelempore gehören, während der Bau der unteren Empore mit einer Erweiterung und Reparatur des Werkes durch C. E. Engel im Jahre 1737 zusammenhängen dürfte. Die letzte Erneuerung des Werkes fand 1862 statt.
2) Siehe Anhang G.
3) Nemant - außer den Tischlern - schall - maken - gelymeth werck, altaretafelen, hanghende kronen, stoelte vnde wes dar to behoret, louer, blomen, pannelinghe, snyddewerk vnde masselrigen. Rolle der Tischler (sniddeker) zu Wismar von 1500. Ebenso heißt es in einem Danziger Kontrakte über eine große astronomische Uhr in St. Marien von 1464: "Des hat ein Rath auf sich genommen Molen, Schreiben, Blumen und Löfern machen zu laßen". Hirsch, St. Maria in Danzig I, S. 363.
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Die kleine Orgel, § 15, war also in der nördlichen Halle angebracht, gerade wie in St. Marien, während dieselbe in St. Jürgen im südliches Transsepte sich befand.

Da der Bürgermeister Olrik Malchow am 29. Juni 1480 starb, so ist die folgende Aufzeichnung, § 16, nicht etwa 1479, sondern nach jenem Tage gemacht worden.

Betreffend Heinrich Busacker, § 17, so läßt sich nicht sagen, wer er war und wann er starb. Vermuthlich wird sein Tod in die Mitte des 15. Jahrhunderts fallen, da nach seinem Grabsteine, auf dem sein Todestag nicht nachgetragen ist, seine Frau 1441 ihm voranging 1 ). Der ebendort genannte Herr Wilken ist der Vikar Wilken Wilkens, der nach seiner Grabschrift am 8. Februar 1480 verstorben ist 2 ).

Bezüglich der Consecration des Alt=Wismarschen Kirchhofes, § 18, sind in einem früheren Bande der Jahrbücher 3 ) bereits ausführliche Mittheilungen gemacht.

Die Hebung aus Niendorf auf Pöl, § 19, legirte Hinrik Körneke dem St. Nicolai=Gebäude 4 ).

Der als Geber des vergoldeten (!) Taufkessels, § 20, genannte Brand Hogevelt saß im Rathe zu Lübek von 1479 bis 1496 5 ); eine Familie dieses Namens in Wismar ist jedoch nicht bekannt. Auch dieser Taufkessel ist 1703 untergegangen.

Die freilich besonders ausführlichen Mittheilungen Kopmanns über den Thurmbau, § 21, ermangeln bedauerlich genügender Deutlichkeit. Man hat nach denselben im Frühlinge 1485 den alten Thurm, Dach und Mauerwerk, abgebrochen und im Sommer angefangen ihn wiederum aufzuführen; bis wie weit und von wo ab, erhellt nicht, anscheinend aber begriff der Neubau nur den eigentlichen Thurmkörper. Man hat 1485 "7 stellinge" und 1487 "8 stellinge" hoch gemauert; von 1486 sagt Kopmann nichts. Das Wort stellinge bedeutet steieringe oder Stellage, wie es heute heißt, und würden Kopmanns Worte also besagen, daß man dieselbe 1485 sechs Mal und 1487 sieben Mal höher gebracht habe. Das geschah nach Maßgabe der Rüst=


1) Anno domini mcccc │ - obiit helmych busacker . orate . │ Anno domini mcccc │ xliiij in die ascencionis domini obiit gheze vxor eius . orate.
2) Anno domini mccc clxxx iij feria ante diem valentini obiit wilken wilkini presbiter . orate pro eo . │ D │ E │ U │ S mise roatur nostri et benedicat nobis et illuminet vultum suum │ super nos et misereatur nostre anime. Die 4 Buchstaben des Wortes DEUS sind auf den 4 Ecken angebracht.
3) Jahrb. XLI, S. 119.
4) Mekl. Urk.=Buch 5714.
5) J. v. Melle, gr. Nachr. v. Lüb., 1787, S. 63.
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löcher im unteren Theile des Gebäudes bei jeder zwölften Schicht, so daß jede stelling eine Höhe von 16 Zoll Hamb. gehabt hätte, und 7 und 8 stellinge gleich 58 Fuß sein würden. Da nun aber der Thurmkörper oberhalb seiner Abseiten bei weitem höher ist, und beide Stockwerke sich völlig gleichen, also so gut wie zweifellos derselben Bauzeit angehören und von demselben Meister herrühren, so sind Kopmanns Angaben offenbar unvollständig 1 ).

Das im folgenden Paragraphen, § 22, beregte Haus in der Kröpelinen= oder Bademömen=, jetzt Bademutter=Straße ist das unter der Polizeinummer 16 an der Nordseite belegene, welches Jürgen Köppe 1496 zugeschrieben ist. Da dieser 1496 zu Rathe gewählt wurde, datirt also der Zusatz jedenfalls nach diesem Jahre.

Wenn Kopmann in § 23 berichtet, daß 1486 ein Seiger= oder Schlagglocken=Thurm erbaut worden ist, so ist anzunehmen, daß gleichzeitig auch das Uhrwerk eingerichtet wurde, dessen Scheibe - die Täfelung unterhalb derselben wird jünger sein - hinter dem Hochaltare noch vorhanden ist. Das würde denn auch erklären, weshalb er von Erbauung des Thurmes in der Kirche spricht. Die Punktationen mit Hinrik Never bezüglich des letzteren vom 2. Januar 1486 sind noch erhalten 2 ). In denselben ist von dem Vikar Johann Mund keine Rede, und da überhaupt sonst nirgend eine officielle Theilnahme von Geistlichen am Bauwesen wahrzunehmen ist, so wird man sich vorstellen müssen, daß dieser häufig genannte Priester etwa durch technischen Beirath um die Anlage sich verdient gemacht habe. Daß St. Jürgens Ziegelhof vor dem Lübischen Thore lag, ist auch anderweitig bezeugt. Da derselbe aber nach Kopmann neben einem alten Kirchhofe sich befand, so wird er dicht an der Stadt und Ausgangs links neben dem ehemaligen Thore zu suchen sein, indem man dort beim Baue der Kunststraße neben der Reiferbahn unzweideutige Spuren eines Begräbnißplatzes, und zwar ohne Zweifel des vom alten St. Jürgen 3 ), zu Tage förderte.

Die Versammlung in Wismar im August 1489, § 24, ist auch sonst bezeugt 4 ), vielleicht aber nicht die Theilnahme der vier Bischöfe an derselben.


1) Vergl. Anh. E.
2) Siehe Anh. D.
3) Siehe Mekl. Urk.=Buch IV, O.=R. unter Wismar.
4) Vergl. u. a. Krause im Rost. Schulprogramm von 1880.
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Die in der Nachricht von Peter Schippmanns Schenkung an St. Nicolai, § 25, erwähnte Urkunde hat sich in Abschrift in unserem Copiarius erhalten.

Der Todestag Herzog Heinrichs mit dem Bauche, § 26, war früher nicht bekannt. Dr. Lisch hat als solchen den 9. März ermittelt 1 ), so daß Kopmanns Datum nur als allgemeine Zeitangabe zu nehmen ist. Für die ausgezahlten Summen hatten der Ritter Hinrik v. Stralendorf 1437 die Bede aus Schmakentin und Bralstorf, der Herzog 1445 diejenige aus Lübow, Krassow und Redentin verpfändet.

Die drei Buden auf der Neustadt, welche nach Kopmann, § 27, 1493, Juli 10, St. Nicolai=Kirche zugeschrieben sind, werden die untersten auf der Westseite sein. Nach dem alten Stadtbuche datirt die Inscription aber von Bartholomäi oder dem 24. August, und stehen dort St. Nicolai vier Buden geschrieben.

Die Aufzeichnung über Wiperts v. Plessen zum Großenhof und dessen Familie Untergang, § 29, schließt sich an die Copie eines von ihm 1494 ausgestellten Rentenbriefes auf 6 Mk. aus Tressow.

Das von Hinrik Möleke geschenkte Haus, § 30, ist nicht mehr zu ermitteln; aber wahrscheinlich lag es an der Nordseite der frischen Grube nahe der kleinen Grützmacher= oder Königs=Straße, in der die Kirche an der Ostseite ehemals drei Buden besaß. (Geistl. Renten=R. f. 70.)

Die Stelle auf dem Kirchhofe, wo 1496 die Kapelle erbaut wurde, § 32, scheint Schröder ebenso wenig bekannt gewesen zu sein, wie die einer älteren Kapelle, die gemäß dem Testamente des Rathmanns Goslik Witte dort errichtet wurde 2 ), da er sich nicht weiter über dieselbe ausläßt. Auch gegenwärtig kann weder eine Auskunft über ihre Lage, noch über die Zeit ihres Unterganges gegeben werden.

Da Hans Mertens 1497 in Tempzin verstorben ist, § 33, und in jener Zeit dort bedeutend an Kirche und Kloster gebaut wurde 3 ), so darf man muthmaßen, daß er in seinem Berufe daselbst thätig war.

Der Thurm vor dem Pöler Thore, § 36, wird ausdrücklich als vor der Fallbrücke stehend bezeichnet, so daß also nicht etwa an das vor einigen Jahren rasirte innere Thor, welches erheblich älter war, gedacht werden darf. Auf


1) Jahrb. XIX, S. 360.
2) A. a. O. S. 1540
3) Jahrb. III, S. 155.
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dem Zeiller=Merianschen Plane von Wismar findet er sich nicht mehr.

Die Altargeräthe von 1499 und 1500, §§ 37 und 38, existiren ohne Zweifel längst nicht mehr, da die Stadt aus Anlaß des Krieges für Herzog Albrecht VII. um den dänischen Thron 1535 den größten Theil des Silbers der Kirchen und Klöster confiscirte, und der Rest gegen Ende des Jahrhunderts zu Gelde gemacht wurde.

Vielleicht hätte die folgende Aufzeichnung, § 39, nicht unter die chronistischen Nachrichten aufgenommen werden sollen, da sie gleich einem Protocolle auf einen - eingehefteten - Zettel geschrieben ist; doch ersieht man daraus, wie das Vermögen der Kirchen entstand, und gewinnt einen Einblick in die Wirthschaft auf den Werkhäusern, was freilich in dem Folgenden, § 40, noch mehr der Fall ist.

Der Tod des Herzogs Magnus, § 43, ist einen Tag zu früh angegeben, richtig dagegen derjenige der Herzogin Sophie. Nach Einrichtung des Chores der Kirche des Schwarzen Klosters zur Turnhalle (1880) sind die spärlichen Reste der Herzogin, und zwar mit mehr Achtung, als die Gebeine der dort begrabenen, zum großen Theile um die Stadt verdienten Männer erfahren haben, sammt der von Tile Bruit angefertigten metallenen Grabplatte nach St. Marien versetzt worden.

Die dann folgende Nachricht, § 44, welche von dem ersten Continuator herrührt, ist nicht recht deutlich. Schwer zu glauben ist, daß das Gebälk des Helmes durch den Sturm beschädigt worden sei, und daß man solches in vier Wochen habe repariren können; vielmehr wird man annehmen müssen, daß der Schaden nur in einer Abdeckung des Daches bestand. Das von Schröder oft angeführte Anonymi chronicon Wismariense manuscriptum berichtet freilich unter 1504: "Die Spitze von der Wismarschen St. Nicolai=Kirche ist in diesem Jahre heruntergenommen und neu wieder aufgemauret (!) und gebauet und ist in zweyen Jahren (!) fertig geworden, darnach gedecket mit Wagenschott und mit Kupffer von oben an in eilff Vaden. Der Baumeister hat geheissen Hans Kruse." Diese Nachricht stammt aber erst aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts 1 ) und steht so sehr in Widerspruch mit unserer gleichzeitigen


1) Jahrb. XLI, S. 134, Nr. 73.
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Aufzeichnung, daß dieser jedenfalls der Vorzug gegeben werden muß, welche vielleicht so zu verstehen ist, daß man sich mit föhrenen Schindeln geholfen hat. Im Jahre 1568 wurden nach der Rechnung 3685 Pfund Kupfer, welche 806 Mk. in Lübek kosteten, auf den Helm verdeckt.

Nicolaus Bade, § 45, wird feit 1505 St. Nicolai Pfarre innegehabt haben, da sein Vorgänger, M. Markwart Tanke, nach Schröder 1 ) am 28. September dieses Jahres verstorben ist.

Daß die nördliche Abseite des Thurmes (durch Sinken desselben) einmal erheblichen Schaden gelitten hat, § 46, wie eine zweite unbekannte Hand überlieferte, ist an dem Halbgiebel derselben noch deutlich genug wahrzunehmen. Ob dabei die Gewölbe auch wirklich eingestürzt sind, erhellt nicht. Wahrscheinlich kam es nicht so weit, und hat man solche vielmehr nur wegen bedrohlicher Erscheinungen an denselben ebenso wie auf der Südseite, wo der Giebel intakt geblieben ist, herausgenommen.

Ueber den Brand des Thurmes und der Kirche zu U. L. Frauen, welchen Nicolaus Sehasen berichtet, § 47, und wie Latomus 2 ) auf den 22./23. Juli setzt, giebt es noch eine zweite Ueberlieferung in einem Register des Hauses zum Heil. Geiste, welche denselben von der Nacht des Mittwochs auf den Donnerstag vor St. Jacobi datirt, also vom 23./24. Juli 3 ). Da die größere Ausführlichkeit und die ganze Fassung der letzteren Nachricht dafür spricht, daß dieselbe unter dem frischen Eindrucke des bedeutenden Ereignisses niedergeschrieben ist, so wird dem Datum dieser der Vorzug zu geben sein.


1) A. a. O. S. 2761.
2) A. a. O. p. 469.
3) Diese lautet: Anno domini mv e xxxix van deme midweken vp den donredach des nachtes vor sunte Jacob in der arne, den styckede dat wedder vnser leuen frowen torn an de spitze, vnde brende gans aff vp dat murewerck na (!), vnde alle klocken vorbrenden vnde breken twey. Dar tho brende dat ganze sperth van der kercken myt den beyden klenen torncken vnde myt dem seyger etc., vnde dyt brende an van xi des nachtes beth tho vi vp den morgen, vnde goth kere syn gnade to vns . Item . vnder desser . . . . . . . . . . warth de garuekamer vpgebroken van etliken luden, de golden redden helpen, wo woll dat it dar nicht van noden was . . . . . . . . . . . . . . . vnde nement vnde . . . . . (Pro e uenbock d. h. gheystes, fol 5). Die Nachricht nimmt zunächst neun Zeilen ein, dann folgten aber mit Item noch zehn Zeilen, die jedoch mit Tinte absichtlich so zugedeckt sind, daß sich nicht mehr, als vorsteht, entziffern läßt.
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Die erneuerte Einwölbung der Abseiten des Thurmes, § 48, bestätigt eine Inschrift am Gewölbe auf der Südseite 1 ).

Daß übrigens hier wie im folgenden § 49 Nicolaus Sehasen mit genannt wird, erklärt sich daraus, daß er selbst diese Nachrichten niedergeschrieben hat; anderenfalls würde von ihm keine Rede gewesen sein.

Der Todestag Herzog Albrechts, § 50, ist, übereinstimmend mit Kock und Samuel Fabricius, auf den 8. Januar gesetzt; doch wird der 7. Januar das richtige Datum sein 2 ).

Die Chorglocke, welche 1555 aufgehängt wurde, § 51 wurde bereits 1564 wieder fortgenommen 3 ). Uebrigens befanden sich vordem, gemäß der Abbildung bei Zeiller=Merian 4 ), zwei Dachreiter auf St. Nicolai, einer für die Chorglocke, der andere für den Seier oder die Zeitglocke.

Aus dem Vorstehenden ging hervor, daß Latomus Kopmanns Nachrichten von St. Nicolai gekannt hat, und nicht minder Schröder, welcher dieselben größtentheils in seinem Papistischen Mecklenburg hat abdrucken lassen, so jedoch, daß wir zu dem Schlusse kamen, daß letzterer und vermuthlich beide eine Abschrift, nicht aber unsern Copiarius, das Original, kannten. Aus diesem Grunde und da gerade jetzt aus äußerer Veranlassung St. Nicolai mit größerer Theilnahme in Wismar angesehen wird, auch eine Sammlung der Meklenburgischen Chroniken oder eine Fortsetzung von Dr. Wiggers Annalen so bald nicht in Aussicht steht, dürfte ein correcter Abdruck der Kopmannschen Aufzeichnungen wohl am Platze sein. Es wäre aber nicht wohlgethan gewesen, allein dasjenige, was sich auf die Kirche bezieht, zu reproduciren, da dies mit den übrigen, auf dem achtzehnten und neunzehnten Blatte befindlichen Nachrichten ein Ganzes bildet; und es wird bei der Armuth unseres Landes an Chroniken viel mehr angezeigt sein, nicht bloß das in dem Copiarius hie und da von Kopmann als denk=


1) S. Anh. F.
2) Jahrb. XXII, S. 190.
3) xxxj s. Peter Winckelman mit sinen mascoppen vnde Jochim Holsten mit sinem mascoppe de Chorklocken uth tho nhemende vnde de kleine vom groten thorne dar wedder henin tho hengende. S. Nic. Geb. R. fol. 29.
4) Topogr. Sax. inf. ad p. 237. Ebenso auf der ältesten Abbildung der Stadt aus der Zeit 1539-1550 im Germanischen Museum und der von 1595 bei Braun=Hogenberg, Civ. orb. terrar., Tom V.
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würdig Notirte hinzuzunehmen und einzufügen, sondern auch dasjenige, was seine Nachfolger überliefert haben, anzuschließen. Zwei anderweitige Nachrichten über den Sturz des Helms im Jahre 1703 sind aber mit den Inschriften und Urkunden zu den Anhängen gestellt. Jene, die Kopmannschen Aufzeichnungen und die seiner Continuatoren, sind der Zeitfolge nach geordnet und mit durchgehenden Paragraphenzahlen und dem aufgelösten Datum versehen, während die Folien des Copiarius, auf denen sie sich finden, am Schlusse in Klammern angegeben sind. Die Verbesserungen und Nachträge Kopmanns sind nicht, was immerhin besser aussehen mag, durch Noten unter dem Texte, sondern, weil es mir bequemer für den Gebrauch scheint, durch gesperrten Druck kenntlich gemacht, Verbesserungen offensichtlicher Schreibfehler aber unter dem Texte gerechtfertigt.


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§ 1. (1333, April 29.) Consules ciuitatis Wismarie dederunt anno domini m°ccc°xxx° tercio, post pascha, feria quinta ante diem sanctorum Philippi et Jacobi, sancto Nicolao pratum situm prope domum laterum ipsius sancti Nicolai pro hereditate cimiterio dicte ecclesie sancti Nicolai annexa iuxta recentem foueam, ita quod dictum pratum libere ac perpetuc sancto Nicolao pertinebit et econuerso dicta hereditas ciuitati pertinebit perpetue 1 ). Hec scripta reperiuntur eodem anno et die in libro ciuitatis. (A, v.)

§ 2. (1335, November 13.) Anno mccc°xxxv in die Brixcii obiit Hinricus Korneke. (3)

§ 3. (1386.) Anno domini m°ccc°lxxxvj iare des samers, den wart dat kore upghelecht vnde muret van mester Hinrik van Bremen. Demo hebben se ghegeuen achte mark lifghedinges vnde sin daghelikes Ion alle daghe dar tho, vnde den was werkmestere Heydenrick Lucow, de vrame man, dede uele gudes heft ghedaen by deme gadeshusz, als me wol vint. Dat em god gnade, (18, 1 )

§ 4. (1406.) Anno domini mccccvj . Dar na quam Goslick 2 ) van der Kulen. De heft dat werckhus ghebuwen laten nye vter grunt vnde let dat vorgulde cruce maken, dat de kerckhere in groten festdagen vmme den hoff drecht, dar vele hilghedometes ynne ys. (18, 2 )

§ 5. (1434, März 28.) Anno domini mcccc°xxxiiij des paschen done wart de afside ghemuret jegen der wedeme in der norder 3 ) siden. Prouisor meyster Peter Stolp. (18, 3 )

§ 6. (1437, März 31.) Anno domini mccccxxxvij des paschen wart de afside vnde lickhus ghemuret jegen der grouen. De murmester hete mester Hermen Munster vnde wart noch werckmestere to sunte Jurien vnde murede dar de kercken vnde lede 4 ) se ersten up etc. (18, 4 )


1) Or: perp. econuerso.
2) Uebergeschrieben: Gottschalk.
3) Or: noder.
4) Or: ledede.
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§ 7. (1437.) Anno domini m°cccc°xxxvij obiit dominus Nicolaus Witte, proconsul. (28)

§ 8. (1439 [1456].) Item. Dar na, do me schreff anno xxxix iare, done wart sunte Niclawes kercke upghelecht vnde ghemuret. Dit leth den de vrame man mester Peter Stolp, werkmestere, vnde plach wandaghes to wesende en rick groffsmyt. De heft groten flit vnde gud gedan bij sunte Niclawessz, dat wol merlik bowys ys, vnde straff dar na anno domini mcccc°lvj kort vor pinxsten vnde is bograuen myd siner erliken husfrouwen in dat lickhusz 1 ) vnde was bauen xx iar 2 ) prouisor. (18, 5 ).

§ 9. (1459, September 23.) Anno domini mcccc°lix dominica ante Michaelis, don wart de nige kercke ghewighet in de ere gades vnde der hilgen patronen also Nicolai, Blasii, Katherine et Michaelis van deme bisschoppe bisschop Johan Pren. Vnde wighede na deme sundaghe viff cappellen vnde al de altaria dar benedden. in der kercken. Don was kerchere her Gerd Dryuoet, de erlike, vrame man, vnde sin cappellan her Mauricius Kumpen, vnde de 3 ) koster, de liefe her Brun Brant vnde was bauen ix iare koster. Vnde done was werckmestere Hinrik Platensleger, vnde ok vorstendere mede was de erlike truwe, vrame man genomet Gert Sasse vnde Marquart Questin, Hinnk Noete, Hinrik Myddeldorp. De leten dar na weluen de kerken vnde de afsiden myd merer hulpe der vramen lude. Dat en 4 ) alle god gnedich sy. (18, 7 )

§ 10. (1460.) Anno domini mcccc°lx iare etc., done wart des heruestes gaten de grote klocke vp des Meklenborges haue manck deme wolke. Meyster Vincencius was sin name. Vnde he was van Rostke kamen 5 ). Vnde se was to voren gaten in kort Van meyster Vo e s, hadde se en ghebro e ck. Dit werck leth den Gert Sasse. God geue, dat sin Ion vorniere vnde wasse In deme hemelrike 6 ). Biddet god vor em arm vnde rike. De dit ghescreuen heft myd siner hand, God gheue, dat he vnde wy alle 7 ) werden bokant Van den veer hilgen patronen.


1) Or: lichkhusz.
2) Or: iar fehlt.
3) Or: de fehlt.
4) Or: em.
5) Verbessert für baren, wohl um des Reimes willen.
6) Or: helmelrike.
7) Or: allen.
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Ere vordenst vnde hillicheit si vns to lone. Amen. De klocke wart in souen iaren twie gaten, Dat dede deme gadeshusz neue bate. (18, 16 ) § 11. (1463.) Anno domini mcccc°lxiij , don wart dat grote nyge orgelwerck vullentoghen vnde rede maket, vnde de meyster hete her Andreas Hagelsten, prester, vnde was van Brunswick vnde was wol dree iare dar auer to makende myd sineme kumpane, genomet Tile, dede dar na straff vnde ys bograuen vnder den groten orgelen, vnde kregen bauen twe hundert gulden dar vore vnde vrye kost. Gert Sasse des en houetman. (18, 6 )

§ 12. (1164, Juli 25.) Anno domini m°cccclxiiij in die Jacobi obiit Hinricus Speck, proconsul. (20 v .)

§ 13. (1468 [1469? December 25].) Anno mcccclxviij iare 1 ), den gaff de woldedighe, erlike, vrame man Hermen Hate twe morgen ackers, dede belegen sint up deme Swantsehussche, deme gadeshuse vmme siner zele salicheit willen vnde siner husfrouwen Elizabeth vnde straff anno lxix Natiuitatis Cristi. De raet heft hir tinstgelt ynne. Jewelke morgen gift 2 ) vij s. vnde i witten. So gift Titke Wikes morgen dar by. (38)

§ 14. (1470, Mai 20.) Anno domini mcccdxx dominica Cantate, don wart dat nye vorguldede grote cruce gesettet bauen deme vromissen altare myd den apostelen vnde loueren. Dat stunt to hope bauen hundert vnde xxx m. Don was Hans Koster werckmestere vnde was bauen xvj iare werckmestere. Don suluest des sundaghes sanck her Michel Kopman van gades gnaden sine ersten missen, scriuer des gadeshuses. (18, 9 )

§ 15. (1478 [1480, Januar 6].) Anno domini mcccclxxviij , don wart dat lutke nige orgelwerck ghemaket, als me na der wedeme geit. Dat makede de sulueste meyster, her Andreas vorscreuen, vnde straff dar auer in groter armmot vnde straff anno Ixxx epiphanie domini vnde ys bograuen vnder den suluesten intken orgelen.


1) Or: iare des iares, don.
2) Or: giff.
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God gnade siner sele etc. Clawes Hoppener prouisor. (18, 8 )

§ 16. (1479.) Item . her Olrick Malchow, borgermestere, seliger dechtnisse, bokande vaken in der rekenschop in der jegenwardicheit der borghermesteren vnde beiden werkmesteren, also Hans Kostere vnde Clawes Hoppenere, dat he hadde ene sulueren schalen, de was em settet vor en pant, de horde deme gadeshus to. De stot eni x m. vnde is wol xv m. efto xvj wert, vnde bot se deme gadeshus wedder to losende anno mcccclxxix . (1)

§ 17. (1480.) Item. her Gert Losten, borgermestere, is gheandwerdet en sulueren gordele, dat Helmich Busacker gaff vmme gades willen deme gadeshus. Dat sette Hans Koster uth her Wilken 1 ) vor xviiij m. Des bekande he in sime lesten. De helfte des geldes scholde dat gadeshus to hulpe hebben to den lutken orgelen vnde de andere vij m. scholde dat gadeshus wedder losen dat gordel. Na her Wilkens dode deden de testamentarien her Gerde vorbenomet in sekerheit vnde in bewaringhe des gadeshus dat gordel, vnde is bauen 1 m. wert, also vrame prestere vnde gude lude ok wol weten. Anno lxxx . (1)

§ 18. (1481, November 11, [1504, März 7].) Anno domini mcccclxxxj Martini episcopi, done wart ghewiget de Oldewismersche kerchoff van bisschop Nicolaus Pentzen, bisschop to Zwerin, vnde des anderen iares wart ghekaren bisschop Conradus Loste in sine stede vnde makede dat stichte quit vnde vrig vnde losede al de houen vnde breue wedder, de dar sine vorvarde ute settet hadde. - Na bischop Loste wart ghekaren her Johan Tun anno domini m quingentesimo quarto feria 5. ante Gregorii. (4 v. )

§ 19. (1484.) Item . dat gadeshus sunte Niclawes heft nu myt alle buten in dorperen, in hu o uen vnde in eruen, vorsegelt vnde vorbreuet xxiiij c m. myn xj m. houestoles. Dar van schal kamen myt alle jarliker rente clxxix m., went wol uth kumpt. Anno lxxxiiij .


1) Or: Willen.
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In terra Pole, in villa Nygendorpe, habet ecclesia sancti Nicolai redditus vnius laste annoni (!), videlicet cum Michaeli (!) Kerstens ij tremodia siliginis, ij tremodia ordei, iiij tremodia auene. (38)

§ 20. (1484.) Anno domini mccccixxxiiij iare, don wart de nige vorguldede funte geuen van eneme ratmanne to Lubeke. Sin name ys her Brant Hogeuelt vnde was ghebaren tor Wismer vnde heft ok ghegeuen de besten roden fluwels korkappen, vnde frame lude, borghere, de leten dat schranck dar vmme maken vmme de funte. (18, 13 )

§ 21. (1485, März 13. 1487. [1499, December 13].) Anno domini mcccc°lxxxv iare des myduasten, don wart de olde klocktorne affghebraken vnde dat scherwerck vnde dat sperte des tornes vormyddels den tymmerluden, dede dar vor nemen 1 ) xxij m., vnde al enbauen den murluden xvj m., dat se affdeckenden dat dack vnde dat 2 ) scherwerck dale nemen beth uppe de olden muren. Vnde murende des samers wedder vij stellinge hoch vnde xij vote dicke. Don was dat steruent des jares. Dar na, do me schreff anno lxxxvij iare, don loten se muren wedder an des samers vnde muren den torn hoch viij stellinge hoch. Item disse murmestere is gheheten Hans Mertens, de dissen torne heft ghemuret myt sinen medehulperen, vnde was des rades murmestere. Vnde de dissen torne hebben affghebraken laten vnde muren laten, dat sinth disse erlike vrame lude gewesen, also her Vicke Sasse - anno xcix obiit in die Lucie - her Niclawes Burmestere, ratmannen, Jacob Questin, vnde Hermen Haghedorne. Item . done sulues leten se en nighe scherwerck maken up den nyghen torne, vnde in sunte Elizabettes daghe leten se de klocken hogher winden vnde henghende see in dat nye scherwerck des suluen iares. Dat en 3 ) alle god bolone Vnde de werdigen hilgen patronen Des gadeshusz. Hinrik Neuer ys he genant, De dit scherwerck heft ghemaket myd siner hand etc. Don wart wol vorbuwet in den twen sameren wol dree dusent mark an lonynghe des volkes, an veleme kalke, mennich dusent stens vnde grote anckere, de dar


1) Die Stelle lautete ursprünglich: dede dar vor deden xxij m. vnde al en bauen. Den murluden.
2) Or: fehlt.
3) Or: em.
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ynne bomuret worden, dat wol borekent wart van den vorstenderen. (18, 10 )

§ 22. (1485, Juni 9.) Anno domini mccccixxxv feria vj post Corporis Cristi, den nam Hans Scroder hundert mark in dat gadeshusz, dar vore iiij m. to rente alle iare. Dit deden uth her Tymme Hane, ratman, vnde Hermen Haghedorne, dar se up hebben enen vorsegelden breff van deme gadeshusz, vnde dat gadeshusz heft en half inre to voren 1 ) to to segghende. Disse hundert mark heft gheuen Helmich Busacker to kalen up den schapen in vnser kercken, vnde quam to der buwet des tornes. Item . disse rente boren se in der Kropelinsschen straten by Clawes 2 ) Bullenberch, dar heft dat gadeshus hundert mark ynne, quondam twe hundert mark, dat nu her Jurien Koppe heft, ratman. (12 v. )

§ 23. (1486) Anno domini mcccclxxxvj iare des winters, don wart de nige seygertorne ghebuwet in der kercken. Dat leten don de vramen, erliken 3 ) lude alse her Johan Munt, prester, her Johan Hoppenacke, borgermestere, her Vicke Sasse, her Hermen Stitent, ratmannen, vnde geuen deme tymmermanne Hinrik Neuer xlv m. Vnde buwede den torne rede vnde henghede den seyger dar yn. Vnde de seyger efte de klocke wart drye ghegaten, twye buten deme Lubeschen dore bij sunte Jurien tegelhaue, wandaghes en kerckhoff 4 ) gheweset, so me secht. To der drudden reyse wart se gaten up des Meklenborges haue, dar van de vorstendere grote sorghe hadden, dat se drye gaten wart. (18, 14 )

§ 24. (1489, August 29.) Anno domini mcccclxxxix in die dccollacionis sancti Johannis baptiste, done was tor Wismer koninckg Hans van Dennemarke vnde stack myd hertich Magnus up deme markede, vnde willen to samen aff, vnde steken noch wol soes par efte achte par Holsten hauelude vnde Meklenborgere. Done suluest was de koninck vnde mere heren vnde vele hauelude vmme der Rostker krich willen, vnde wart done nicht sleten. Vnde hertich Magnus van Meklenborch, de quiteredese alle


1) Or: to voren fehlt.
2) Or: Cla.
3) Or: erlike.
4) Or; kerffhoff.
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vth ulh den herberghen. Dar weren ok veer biscoppe de biscop van Zwerin Conradus Loste, de biscop van Hauelberge, sin naine Aluenslege 1 ), doctores, episcopus Raseburgensis Johannes Parkentin, episcopus Lubicensis Krummedick, ok de van Hamborch, van Luneborch, van Lubeke vnde vamme Sunde etc. (19, 2 )

§ 25. (1490.) Item heft das gadeshusz vj morgen ackers bolegen by der lantwere bij der Kritzouwer borch vnde bij her Hermen Monnekes ackere vnde bij Peter Lassen ackere. De heft v morgen vnde dat gadeshusz vj morgen, dar stan veftich mark inne tosamen. Disse vj morgen heft ghegeuen vmme siner sele salicheit willen Peter Schipman, dar en vorsegelt breff uppe is, den heft dat gadeshus. Anno xc. (38)

§ 26. (1492, Februar 6. [1477, März 16].) Anno domini mccccxcij in die Dorothee, done loseden 2 ) de hochbaren forsten vnde heren hertich Mangnus vnde Baltazar, hertich Hinrikes zons van Meklenborch, deme god gnade, veerhundert mark Lubesch, drehundert vthe Lubow, vthe Crassow vnde vte Redentin, vnde hundert 3 ) vte Smakentin. Dit borde Hans Scroder, werckmestere. To Tressow ys en hundert bolecht, hundert heft 4 ) he dan deme rade. Dar geuen se vor v m. to rente to twen tiden. Veftich heft he ok bolecht to Vrimenstorpe, vnde veftich heft he geuen her Vicke Sassen. So heft he noch hundert mark by sick in bowaringhe. Hertich Albert vnde hertich Johan weren ok sine sons vnde hadden dat lant to Wenden etc. Anno domini lxxvij , Letare, done starff hertich Hinrik van Meklenborch, ere vadere. (3 v .)

§ 27. (1493, Juli 10.) Anno domini mccccxciij in die septem fratrum, done wart ghescreuen deme gadeshusz in der stat bock de dree boden tome egendome vp der Nyenstad by her Bernt Pegel vnde bij den almissen. Disse iij boden sta e d deme gadeshuse hundert mark, de plegen to stände in deme gansen orde to vornen. (A. v .)


1) l.: Aluensleuen.
2) Or: losen de.
3) hundert fehlt.
4) heft heft.
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§ 28. (1491, August 15.) Anno domini mccccxciiij Assumpcionis Marie, don wart ghemaket vnde settet de nige stol vnder den grotcn orgelen achter der 1 ) schepestymmerlude altare. Dat hebben ghevordert alse Blasius Hane, consul, vnde Hinrik Houwer, Hans Rutinck vnde mer vrame, erlike lude, de dar tho geuen hebben. God wese ere Ion. Vnde koste xlvij m. (18, 15 )

§ 29. (1405, Juli 25.) Anno xcv Jacob i, obiit Wipert van Plesse cum vxore sua et pueris suis tempore pestilencie. (14)

§ 30. (1495, November 19.) Item Hinrik Moleke, de erlike, vrame man, de heft gheuen bij siner wolmach sin hus myd dren boden bolegen bij der grouen, dede straff anno mccccxcv in die Elizabeth vidue. Disset hus vnde boden sint ghescreuen in der stat bock deme gadeshusz. (1)

§ 31. (1495.) Anno xcv des heruestes, done let dat gadeshusz setten enen nyen so e t, dar de post stan 2 ) hadde, uppe 3 ) des gadeshusz egen kost vnde lonynghe van twen dorsneden blocken. (18, 18 )

§ 32. (1496.) Anno xcvj des samers, do let dat gadeshusz buwen de nyen cappellen vppe deme kerchaue by her Witten cappellen. Dar wart dat cruce ynne settet, dat plach in deme lickhuse to stande 4 ). (18, 17 )

§ 33. (1497, August 24.) Item . de murmester Hans Mertens obiit in Temptzin anno xcvij Bartholomei. (18, 17 )

§ 34. (1497, December 22.) Anno xcviij altera die Tome apostoli obiit Petrus Malchow, proconsul. (18 v. )

§ 35. (1498, Februar 8.) Anno xcviij feria v post Dorothee virginis obiit Hinrik Neuer. (18, 12 )


1) Or: des.
2) Or: stande.
3) Or: fehlt.
4) Or: stadende.
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§ 36. (1498.) Anno domini mccccxcviij des samers, done wart dat nighe dore ghemuret achte stellinge hoch vor deme Polre dore vor der velbrugghe. To langhen tiden thovoren was dat fundamente ghelecht in der erden. (19, 1 )

§ 37. (1499.) Anno domini mccccxcix , done gaff Hans Mestelin, borghere, in sime lesten enen nyghen vorgulden kelk deme gadeshuse, de woch xxxvij- loth. (1)

§ 38. (1500.) Anno domini quingentesimo, don wart ene nyge lutke sulueren monstrancien geuen 1 ) vul hilgedometes. Done suluest gaff her Kersten Wedeghe, prester, deme gadeshusz en dubbelt kopperen cruce, vorguldet. Dat stot em pandes vor xij m. Des suluen iares done wart hir in de kercken gheuen ene nige conserua, de wecht xliiij- loet suluers. De schaffede hir Gert Cladow. (1)

§ 39. (1500, Februar 6. [1501, März 5].) Anno domini m ccccc in die Dorothee gaff Hans Brant deme gadeshusz sunte Nicolawesse 2 ) en bedde, ij houetpole, ij grapen, i ketel, iiij tynnewerkes, ij kisten vnde i schap 3 ), bil, exsen, hameren, so eneme schepestymmermanne bohort hebbende, neueger, klofhamere vnde dorslaghe, vnde wes he heft, kort vnde klen, in siner boden. Dit is gheschen in der jeghenwardicheit Hans Scroders, prouisoris, Detmer Sasse, her Michel Kopmans. Anno domini mv c primo, feria vj ta ante Reminiscere obiit Hans Brant. Dit vorscreuen heft Lutke Negendancke entfangen. (37)

§ 40. (1500, Juli 14.) Anno domini mv c altera die Margarete virginis, done dede Hans Scroder rekenschop den borgermesteren, alse her Gert Losten, her Johan Hoppenacken vnde her Brant Smyt, vnde done suluest wart entfangen Lutke Neghendancke vor enen vorstendere, vnde dat nascreuen entfengk he done van des gadeshuses wegene. Item . hundert rede mark, de plegen to stände tovoren in Hans Esschen husz in


1) Or: geuen myt.
2) Or: Nicolawesse in dat erste gaff he.
3) Or: schaep.
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der boddeker straten. De heft Hans Scroder nicht wedder bolecht. Ve illi. Noch xxvj m. vij s. Noch xiiij sulueren 1 ) lepele. Item twe sulueren schalen vnde twe sulueren neppeken. Item . dat sulueren 1 ) gordele, dat Helmich Busackere deme gadeshuse geuen hadde, dat heft he nicht entfangen, dat ys by her Gert Losten etc. Item enen dusync 2 ) myd ix klocken vnde myd viij loueren. Item enen daggen myd suluere bolecht myd euer sulueren keden. Jtem xxj loth brandes suluers myd ener bressen vnde enen braken lepele. Item enen remen myd suluere boslagen, vnde twe pater noster myt eneme vorgulden boghe. Item ene nu o th myd suluere bolecht. Item twe lutke schappe 3 ). Des gadeshuses ingeseghel. Item xxvij stucke kannen, luttick vnde grot, vnde ene grote missinges kanne. Item xxviij tynnen 4 ) vate aueral, luttick vnde grot. Item twe iareboke, dar dat lifghedinck ynne steit. Item xxxvij grapen, luttick vnde grot. Item enen mosere myd enem stotere. Item enen kouoet vnde ene grote saghe. Item xj missinges ketele vnde bratspete, enen bratschapen. Item ix hantbecken vnde dree hantfate. Item dree blaseketele vnde tynnen 4 ) vlassche. Item twe grote ketele vnde driuote. Item vj tynnen tallore, vcer apen stope, vj salsereken vnde dree pu o te. Item twe bedde, iij houetpole vnde twe arge deken 5 ) vnde iij knechtebedde. Item dree grote kakegrapen vnde benclaken vnde ene kopperen 6 ) luchte vnde enen 7 ) missinges luchtere myd iiij luchterpipen. Item dree vurschapen vnde ij vurschapen, dar me de spise up settet, vnde krose vnde glese, missinges decken. Item veer kisten, iij laden vnde dre schappe vnde j grote lichtforme. Item viff side speckes vnde ij tunnen kovlessches in deme wymen. Item veer laste kalkes in deme kalkhuse vnde j quarter brandes stenes up deme tegelhaue. Item veer munde kalkes vngebrant vnde j schute holtes vor ix m. up deme tegelhaue vnde dar bauen nicht mere. Vnde iiij koege, j ossen, vj gose. Hans Scroder heft dat gadeshusz vnde den tegelhoff sere to achtere brocht, vnde he heft o k houetstoles uppe bort bauen dusent mark, dar men iiij- c ys wedder bolecht, vnde were beter vor sine zele, dat he nummer were bij dat gadeshusz


1) Or: suluere.
1) Or: suluere.
2) dusynt ganz deutlich statt dusync.
3) Or: schaeppe.
4) Or: tynne.
4) Or: tynne.
5) Or: argedeken.
6) Or: kopper.
7) Or: ene.
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ghekamen, wente he heft o k vele uppe boret van vramen luden, gelt, kannen, gropen, ketele, kledere, rocke 1 ), hoyken, beyde 2 ), laken, kussen, bedde, deken etc., alse vrame lude in eren husen hath hehhen, dar he nene rekenschop äff dan heft, vnde sine vterkaren leuen vnechte n dochteren, de hebbens wol genoten etc.

Item . dit nascreuen heft Hans Scroder noch entfangen van testamentes wegen van Rosen Cillien wegene seliger dechtnisse. In dat erste dat drudde part van eneme sulueren schouwere vnde dat drudde part van eneme sulueren gordele. Noch dat drudde part van eneme krallensnore vnde ene gulden lannen vnde v guldene boghe vnde iiij sulueren lepele, noch x par schruuen vnde en parlestrick. Dit ys nicht to rekenschop kamen vnde noch vele mer etc. He wert des wol vinden 3 ). Item disse vorscreuen andere beyden parte kregen de anderen beyden gadeshuse, ock so vele, van Rosen Cillien wegene. (33)

§ 41. (1500, November 5.) Anno domini m quingentesimo feria 5. post animarum obiit dominus Johannes Hoppenacke, proconsul. In sine stede quam Hermen Malchow. (13 v. )

§ 42. (1500, November 19.) Anno domini m quingentesimo in die Elizabeth, don was tor Wismer hertich Hinrik van Brunswick vnde stack up deme markede myd hertich Hinrik van Meklenborg, hertich Magnus sone. De bohelt den prys. Vnde steken noch wol viff pare hauelude myd scharpen blancken tughe etc. (19, 3 )

§ 43. (1503, November 19 [1504, April 26].) Anno domini quingentesimo tercio in die Elizabeth obiit hertich Magnus van Meklenborch vnde regerede in sinen dagen also en grot, merlick vorste vnde here. Des anderen iares, do me schreff na gades bort quingentesimo quarto, altera die Marci, obiit Sophia, vxor eius, vnde ere vadere was van Pameren en here vnde van Stettin etc., vnde ere wart en nyghe graff ghemuret to den swarten broderen vor deme hoghen altare tor Wismer. Dar wart ere licham inne lecht. God gnade ere sele 4 ). (3 v .)


1) Or: rotke.
2) Durchaus deutlich. Vielleicht verschrieben für bedde und bei der Correctur übersehen.
3) Or: vindende.
4) Or: lese.
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§ 44. (1508, November 13.) Anno domini millesimo quingentesinio octauo, don wegede eyn grot storm vt den nortwesten des mandages na Martini, amme dage Brixij, vnde wegede af van deme nigen torne eyn grot part, welker wort weder buwet des suluen wynters vor Lucie myt vuren holte. (19, 4 )

§ 45. (1509, October 14.) Anno domini quingentesimo nono, Calixti, do starff her Nicolaus Bade, kerckher tho sunte Niclawesz. De gaff vj m in olden suluergelde vnde vj- lot to sunte Blasius belde. Cuius anima requiescat in pace. (19, 5 )

§ 46. (1524, März 31.) Anno domini millesimo quingentesimo vigesimo 4to, don vyl dale de affsyde van dem thorne in der norder syde 4to die Lune post pascatis. (19, 6 )

§ 47. (1539, Juli 22.) Anno 1539 vpp Marya Magdalene, done brande aff, angesticket dorch gades wedder, vnser leuen frouwenn torne bet in de grunt, vtgenamen dat muerwerck. Ock brende aff dat gantze spe e rte vpper kercken vnnde dat nige grote orgelwerck vnder deme torne, vnnde was so grot eyn vuer, dat sick eyn iderman nich konde nochsam vorwundernn. (19, 7 )

§ 48. (1544, 1545.) Anno domini 1544 et 45 sint wedder geslaten worden de welfte vnnde bagen beneuen ofte vnder deme torn in der norder vnde suder syde dorch de vorstender dominus Jurgen Swartekop, burgermeister dominus Gotke Kroen, radtman, Hinrik Exen, borger, Nicolaus Zehasen, scriuer. (19, 9 )

§ 49. (1546, November 4.) Anno domini 1546, done wart dat nige szeygerwerck gesettet, vnnd was des donnerdages na alle gades hilligen. De meyster was vann Lunenborch. Syn name was meyster Casparus. Item . dat seyerwerck stunt lxxxiij m. v s. De vorstender weren dominus Jurgen Swartekop, burgermeister, dominus Gotke Kron, radtman, Hinrick Exen, borger, Clawes Szehasenn, scriuer. Actum vt supra. (19, 3 )

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§ 50. (1547, Januar 8.) Anno domini 1547 Sabbato post trium regum obiit Albertus, dux Magnopolensis). 1 ) (46, 1 )

§ 51. (1549, Juni 29, 1555, Mai 29.) Anno 1549 vpp Peter vnde Pawel wart gegaten de nige choerklocke, vnnde de olde 2 ) woch j schippunt vnde xix- lispunt. De quam to stucken. Item . desse nige choerklocke wecht ij- schippunt vnde xij markpunt vnde wart vpgehangen midtwekens vor pinxtenn anno 55. (46, 3 )

§52. (1552, Februar 6.) Anno 1552 in die Dorotee virginis obiit Hinricus, dux Magnopolensis. (46, 2 )

 


Anhang A.

Prouisores sancti Nicolai, videlicet domini Johannes Darghetzowe, Johannes de Clene et Heydenricus de Lu[c]ow, concordauerunt cum magistro Hinrico de Bremen, eorum murario, in hunc modum, quod dicti prouisores dare debeant eidem vitra suum dachlo(h)n singulis annis redditus temporales octo marcarum Lubicensium denariorum. Pro hiis redditibus dictus magister Hinricus chorum sancti Nicolai per eum inceptum ad finem consummare debet et complere.

Schröder P. M. S. 1548. Das dort vorgestellte Jahr, 1381, ist nach Schröders Gepflogenheit zugesetzt; Lubow Druckfehler statt Lucow.


Anhang B.

Weten schole gij, erbaren heren borghermestere vnde yuwe rad, alze wij hebben vornamen de schrift vnde articule, de juwer erbarcheit ys gheantwerdet van Godschalkes wegen van der Kulen, de vns anclaget vnde ansprecket in zineme breue yn jwer yeghenwardicheit vnde schrift vns auer vnbewislike vnde vnreddelke zake, vnde wij hapen des to gode vnde tho jwer erbaricheit, dat he de sake nicht schal vullenbringen, de hee an zinen breff heft geschreuen.


1) Or: Manopolensis.
2) Or: d. o. fehlt.
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Dat erste, dat hee vns auerscrift van der vnderwindinghe des gadeshus vnde siner tobehoringe, dat is witlik vnde openbare deme rade, de do was, vnde deme kerspele to sunte Nyclawese, wodanewys dat wij dar to worden beswaret van deme rade, de do sat vte deme kerspele to sunte Nyclawese, vnde van deme kerspele, vnde ys en wol witlik, dat wij dar vor boden gelt vnde gud, dat me vns des hadde vordregen, vnde wij mosten dat den bij der stad wonynghe.

Dat andere artikel dar antwerde wij aldus to, alze van der walt wegen, dar hee vns ok vnrechte ane bescryft wij ein to nemende zine cledere: der walt hadde wij nicht vnde hebben der ok noch nicht em, alze hee scrift, efte eneme anderen myd wolt efte myd vnrechte dat sinte vor to holdende, zunder na rade des rades, alze vorscreuen is.

To deme drudden articule antwerde wij aldus: dar he vmme quam yn der heren slote, dat is bekand vnde openbar den beiden borghermesteren to der tid, her Nyclawes Buke vnde her Hermen Bruzevitzen 1 ), vnde schude vmme der rekenscop willen des gadeshus, vnde is noch nicht geschen, dar vele vordretes vnde vngemakes ys af gheschen.

To deme veerden artikele dar antwerde wij aldus to: alse he scrift van veler ynkopinghe des gadeshus, dar kone wij nyne warheit ane vinden edder vorvaren. Des ackers kone wij ok nicht utvragen, den hee scryft, vnde i[s] ok nicht. Item . alze he scrift van deme kure, dat he heft decken laten, dar mot dat gadeshus vor geuen alle yar her Marquard Spete, Spetes zone, x m. geldes lifghedinges. Item . alze he scrift, dat he vele buwet heft, dar heft de tymmerman en hus vore to lifgedinge, dat mochte deme gadeshus hundert mark gelden. Dar to, weret, dal zin wyff storue, zo schal he up dat werkhus eten gan zine leuedaghe. Item . hir bouen zo ys juwer erbarcheit wol witlik, yn wodanen vnvorwinliken groten scaden dat gadeshus ys gekomen bij siner tid, vnde heft dat gadeshus vt zineme louen brocht, des noch mennych arm mynsche schaden heft hudene an desseme dage. Vnde wij heben betalt bewysliker schult, dede Godschalk schuldich was van des gadeshus wegen, dat wij armen lude betalt hebben zodder der tid, dat


1) Or: Bruzevitten.
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hee van deme werkhus quam, bouen vj- hundert mark, ane dat dat gadeshus noch hir bouen schuldich is van siner weghen vnde bouen alle rente des gadeshus. Hir bouen hebbe wij yngelozet iiij kelke der besten vnde ij sulueren schalen vnde dat grote vorspan to der roden kappen. Dyt gud moste wij losen vor l m. van Hans Lunenborghe, vnde is noch wol hundert marke wert; anders hadde dat gadeshus des ghemisset, wente he hadde em dat ghezettet to eneme vorstanden pande, vnde wij missen noch j kelkes van deme werkhus vnde v zulueren lepele vnde dar to ene zuluerne schale, des wij myt alle nycht en weten, wer dat ghebleuen is. Item heft hee dat gadeshus vornedderget, dar dat gadeshus hadde yn eruen dusent mark vnde veerhundert mark, de he heft vte den eruen upghebort, dat wol bewislik is. Do hee dat gelt vte den eruen nam, dat schude yn den twen yaren vor ziner afschedinge des werkhuses, vnde eneme yewelken bedderuen manne bord dat to, de des belouet wert gadeshus to vorstande, dat he van rechtes weghene mut meren dat gud der hilgen kerken, dar hee to schicket wert, vnde wij konen. dat nicht voresschen, wor de dusent mark vnde de veer hundert mark zint wedder anghelecht, efte yn acker edder yn eruen, alze dat recht is. Item brochte hee twe clocken wech, de yn deme kelre stunden, do he dat olde werkhus breken let, de he vorkofte den vorstenderen van Proseken, de dar worden toslagen up deme kerkhoue to zunte Yurien, do zee ere clokke dar leten geten, de Heydenrik, deme god gnedich zij, mennich leff iar ghewart hadde. Item worden dar vtebrand dree ouene stenes vnde calkes, vnde vns konde dat nicht to wetende werden, wor dat gelt dar van bleeff, dar vns zere ane mysduchte.

Item . alse he schrifft van gelde, dat hee up dat werkhus heft ghebrocht, dar kone wij nyne schrift aff vynden yn des gadeshus buken. Item, leuen heren, alze hee heft gescreuen yn zineme breue, dat jw dat wol schal witlik wesen, dar möge gij juwe buk vmme lesen laten.

Item . alse he scrift van der buwinghe des werkhuses, dat hee dar heft ghemaket vj m. geldes meer dar to, wen dar was, des ys nicht, wente dat olde werkhus, dat hadde en hus an deme orde, dat plach to geldende xl m. Item . dat tymmerholt, dat was wol ij c m. werd, dat Heydenrik kofte to deme gadeshuse. Dat heft he vnnutliken wecn ghebracht vnde vorkofte dat den

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swarten monneken. Item verkofte hee deme kannenghetere ix lyespunt an kannen, de bedderue lude hadden ghegeuen deme gadeshus. Item . so hebbe wij vte koft bij vnser tid twe vnde veertich mark rente.

Item scrift hee, dat ein wart gheantwerdet veerhundert mark rente, do he to deme werkhus quam. Do hee afftoch, do leed hee deme gadeshuse wol zouenhundert mark rente meer vtegheuende, wen dat gadeshus heft.

Hir vmme zo vynt dat juwe erbarcheit wol, eft hee dat gadeshus wol vorstan heft edder nicht.

Nach der Abschrift Michel Kopmanns im Cop. S. Nic. fol. 1. Am Ende derselben steht in feinerer Schrift Anno domini m°cccc° quinto dergestalt, daß man annehmen muß, dies Datum solle das der Verantwortung sein. Dann wäre es aber entschieden falsch; denn nicht allein, daß Goslik v. d. Kulen ersi 1406 Werkmeister geworden sein soll, so gehörten auch Nicolaus Buk und Hermen Brüsewitz dem revolutionären Rathe an, welcher erst 1410 ans Ruder kam und 1416 wieder beseitigt wurde. Insbesondere ist bekannt, daß die genannten beiden 1414 und 1415 als Bürgermeister auftreten. Somit kann auch nicht vor quinto ein decimo ausgelassen sein, und datirt das Actenstück viel mehr nach dem 1. Juli 1416, wo der rechtmäßige Rath wieder eingesetzt wurde. Da mag Goslik sich freilich alsbald an diesen klagend gewendet haben. - Vgl. Hans. Geschichtsq. II., S. 50 f.


Anhang C.

Minuskelinschrift

Minuskelinschrift auf einer Platte von Gothländischem Stein am Fuße des nordwestlichen Wendelsteins.


Anhang D.

In gades namen . amen . Int iar mcccclxxxvj des anderen daghes na nygen iar quemen auer en her Vicke Sasse Hermen Stitent, Hans Schroder vnde Johanny (!)

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Hoppenacke myt Hinrik Neuer alse vmme enen torne to buwende to deme seier in der wise, dat Hinrik vorbenomet mit den sinen, de he dar to nympt, schole bearbeiden vnde buuen alle, dat bil vnde bar esket, vnde den torne aller dinge rede, vnde de klocken to hogende, nychtes buten to beschedende, vnde schal setten den man offte holt, dar de hamer der geslagen wert. Hir vor hebbe wi Hinrike lauet vnde secht to geuende xlv mark vnde xij schilling to gades gelde vnde j- last bers, ij tunne kouentes vnde j tunne kovieskes vnde j verendel botteren vnde j punt mels vnde ij side spekkes. Wen sik dat arbeit streket, dat wi em hulpe scholen don, so scholen vnse lude myt siner kost ofte ber nicht to donde hebben, der gelik he ofte sine lude myt vser kost ofte ber to donde hebben.

Her Job an Hoppenacke scripsit manu
propria.                    

Auf einem Quartblatte Papier im Wismarschen Rathsarchive.


Anhang E.

Inschriften in der Glockenstube zu St. Nicolai 1 ).

1) Auf der östlichen Wand der westlichen Fensterblende an der Nordfeite drei Steine neben einander.

Inschrift

Inschrift


1) Ich verdanke die Collation einer vor vierzig Jahren genommenen Abschrift dieser Inseriptionen dem Herrn stud. ph. Friedrich Techen.
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Die Inschriften sind in die Ziegel vor dem Brennen in Cursivschrift eingeritzt und ebenso die Einfassungslinien. Auf den unbeschriebenen Flächen sieht man auf jeder jetzt nur einen rohen Knoten, vielleicht Reste muthwillig weggehauener Köpfe oder Blumen. Der dritte Stein hat keine Schrift.

2) Auf der nördlichen Wand der nördlichen Fensterblende an der Westseite.

A. Oben drei Steine; die beiden seitlichen eingeritzt, der mittlere mit erhabener Minuskelschrift.

Inschrift

Inschrift

Inschrift

B. Tiefer unten vier Ziegel mit erhabener Minuskel, von denen der 1. und 2. glasirt sind.

Inschrift

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3) Auf der südlichen Wand derselben Blende.

A. Oben drei Steine mit eingeritzter Schrift, wie die unter 1 und 2, A.

Inschrift

Inschrift

Der dritte Stein hat keine Schrift.

B. Tiefer unten ein glasirter Stein mit erhabener Minuskelschrift.

Inschrift

4) Auf der inneren südlichen Wand des südwestlichen Pfeilers in erhabener Minuskel auf zwei glasirten Steinen.

Inschrift

5) Auf der inneren Wand des südlichen Mittelpfeilers auf vier Steinen in erhabener Minuskel bis auf das letzte Wort, welches eingeritzt ist.

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Inschrift

6) Auf der östlichen Wand der östlichen Fensterblende auf der Südseite.

Inschrift


Anhang F.

Inschrift

Inschrift am Gewölbe der südlichen Thurmabseite.


Anhang G.

Anno 1703 am Sonnabend vor dom. II Adventus entstand alhier in Wißmar ein greülicher vnd bey Menschen, so damals lebten, Andencken niemahls gewesener Sturmwind. Derselbige tobete so hart, daß es das Ansehen hatte, als würde er alhir viele Gebäude abdecken vnd ruiniren. Absonderlich ward dadurch der St. Nicolai Kirchen ein unbeschreiblich großer Schade zugefüget, indem derselbe jetztgedachter Kirchen schöne vnd hohe Spitze oder Thurm, welcher bisanhero der Kirchen große Zierde und der Seefahrenden pharus gewesen, nach vollendeter Vesper aus seinem Sitze hub, mit aller Gewalt auffs gantze Gewölbe der Kirchen niederstürtzete, wodurch nicht allein das schöne Gewölbe, sondern auch der Glocken=Thurm mit denen Glocken, die Kantzel,

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der Taufstein, das kleine Altar mit dem Crucifixe, ja fast alle Stühle vnd nicht wenige Leichen=Steine gäntzlich und jämmerlich ruiniret, anbey etliche damahls beichtende Persohnen, wovon einige das h. Werck schon verrichtet vnd nach empfangener Absolution und hertzlicher Dancksagung zu Gott in seinem Tempel begriffen waren, andere hergegen (waren) vielleicht noch in h. Bus=Andacht vnd Willens in den h. Beichtstuhl zu treten, erschlagen vnd also unter den Steinen begraben wurden. Da war leider Knall vnd Fall zugleich, vnd lag alles im Augenblicke zermalmet in einem Hauffen. Und eben damahls, als der Herr so gewaltig an den Knauff des gleich jetzt erwehnten hohen Thurms schlug, daß nicht nur die Pfosten vnd Pfeiler dieser lieben Kirchen bebeten, sondern daß das ganze Kirchen=Gebäude zu einem Steinhauffen gemacht ward, saß ich, J. D. Breithor, annoch daselbst im Beichtstuhl des verstorbenen Diacoin, s. Herrn Pilgrims, vnd hörete Beichte. Alß der schreckliche Knall vnd Fall des Thurmes, mithin des gantzen Gewölbes geschach, hatte noch ungefehr 8 Confitenten; die drungen alle zu mir in den Beichtstuhl, fielen in demselben zum Theil nieder vnd steckten ihre Köpfte unter den kleinen Bäncken, so im Beichtstuhl zu finden, schrien kläglich zu Gott um Hülffe vnd Rettung. Ich stand vnd that ebendaßelbe, wie woll mehr mit dem Hertzen, als mit dem Munde, vnd befahl dem treüen Schöpffer meine Seele vnd derer, die bey mir waren, denn wir sahen den Tod für Augen vnd hatten uns unseres Lebens schon erwogen, gestalt da alles auff einmahl mit sehr großem Gepraßel vnd Knall zu vnd vor uns hernieder fiel, ward durch den erregten gewaltig dicken Staub eine Finsterniß über den gantzen Tempel, daß es schiene, alß wenn wir insgesamt unter den Steinen begraben. Alleine da sich derselbe allmählig verlohr, sahe ich mit obgedachten Beicht=Kindern Wunder. Augenscheinlich und gar zu klar sahen wir, daß der Herr bey uns in der Angst gestanden, daß dieser gütigste Erbarmer vnd Liebhaber des Lebens damahls für uns arme fürüber gegangen vnd im Fürübergehen zu uns gnädigst gesprochen hätte: ihr solt leben! Und wie er sprach, so geschachs, wie er geboht, so stunds da. Den wir wurden insgesamt erlöset aus des Todes Rachen vnd haben hohe Ursache lebenslang danckbarlich zu rühmen: gelobet sey der Herr täglich! Gott leget uns eine Last auff, aber er hilfft uns auch! sela! Wir haben einen Gott, der da hilfft, vnd den Herrn Herrn, der vom Tode errettet.

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Aufzeichnung des J. D. Breithor, Pastors zum H. Geiste, im Predigerbuch zum H. Geist, p. 81.


Anhang H.

1703, 8. Decembris war ein sehr großer Sturm=Wind. Der schlug die hohe St. Nicolai Spitze samt den Glocken und kleinen Thurm und Gewölb herunter umb 3 Uhr. Ein Rathsherr mit Nahmen Schütz, der war auf dem Thurm mit dem Thurmdecker und seinem Jungen geblieben. Weil sie auf die Mauer gesprungen, sind sie ohne schaden geblieben. Haben die ganze Nacht auf dem Thurm bleiben müßen; weil die Treppen und Boden weg waren, wurden sie andern Tages, Sontags des andern Advents mit einem Stuhl heruntergelaßen. 1 Frau, 1 Dienstmädchen, 1 Zimmerman und die Glockenläuters sind zu Tode gekommen.

Manuscript der Bibliothek d. R. u. L. M. 247 C.

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IV.

Die Decoration

des Innern der Kirche St. Nicolai

zu Wismar.

Von

Dr. F. Crull.


A m Sonnabend vor dem zweiten Advents=Sonntage, am 8. December, 1703 stürzte ein unerhört heftiger Sturm Nachmittags 3 Uhr den hohen Helm des St. Nicolai=Thurms zu Wismar um, welcher derartig niederschlug, daß nicht allein der westliche und der östliche Schildgiebel des Thurmes selbst, sondern auch Dach und Gewölbe des Schiffes (von welchem letzteren nur die fünf innersten Kappen des Chorschluß=Gewölbes erhalten blieben), die Kanzel, das messingene Taufbecken, der kleine oder Frühmessen=Altar vor dem Chore sammt dem großen Crucifixe darüber, fast sämmtliche Stühle, sowie die Glocken zu Grunde gingen. Bei der miserabeln Lage, in welcher die Stadt als schwedische Enklave und durch das Festungswesen derzeit sich befand, dauerte es mehrere Jahre, bis die Schäden nothdürftig ersetzt werden konnten. Das geschah selbstverständlich im Geschmacke der damaligen Zeit, dem es denn auch nicht zu sehr widerstrebte, daß man nicht etwa das Gewölbe wieder herstellte, sondern statt desselben eine Bretterdecke anordnete. Im Jahre 1774 ist dann noch der alte Hochaltar abgebrochen und aus dem Vermächtnisse des russischen und holstein=gottorpschen Ober=Kammerherrn Friedrich Wilhelm von Berckholtz 1 ) ein neuer errichtet worden; im Uebrigen ist die Kirche, wie es scheint, wesentlich


1) Bülau, geh. Gesch. I., S. 5.
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so geblieben, wie die Reparatur von 1703 f. sie hergestellt hatte, bis in die dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts, wo man anfing viel gutgemeinte, aber übelangebrachte und =gerathene Verschönerungen zu machen. Vor nicht ganz zwanzig Jahren aber, bei größerer Einsicht in den Organismus der alten Bauwerke und gewachsenem Verständnisse für dieselben, gewahrte die Verwaltung, wie die Strebebogen oder, wie man jetzt in Wismar sagt, Rebogen 1 ) in einem mißlichen Zustande sich befanden, und daß namentlich deren Ansätze am Hochschiffe sich in bedenklicher Weise gelockert Ratten. Die Mauern des letzteren hingen nach Innen über, und es war klar, daß bei dem fortgesetzten schieben der Strebebogen dieser bedrohliche Mißstand sich noch steigern werde, und ebenso, daß nur die Wiederherstellung des Gewölbes den Erfolg anderweitiger Reparaturen bedinge. somit beauftragte der Kirchenvorstand den Baumeister Ruge zu Schwerin mit der Einwölbung des Schiffes, welche von diesem 1867 ausgeführt worden ist.

Die Entdeckungen, welche Krüger und Dr. Lisch bei Gelegenheit der Restauration der Kirche zu Alt=Röbel bezüglich der Haltung des Inneren machten, und die anderweitigen Beobachtungen des Letzteren in derselben Hinsicht haben als im höchsten Grade wahrscheinlich ergeben und weitere Funde zur Gewißheit erhoben, daß im Allgemeinen das Innere unserer Backstein=Kirchen, was die umschließenden Theile anlangt, von Hause aus weder weiß noch sonstwie getüncht war, sondern als Rohbau ohne allen Ueberzug sich dargestellt hat, während alle deckenden Theile geputzt waren 2 ), und es ist weiter ermittelt worden, daß man um rund 1600 begonnen hat Wände und Gewölbe im jeweiligen Stile zu decoriren, und daß nicht lange nach 1700 das Verwandeln unserer Kirchen in Marmortempel vermittelst des Tüncherquastes seinen Anfang nahm. Der bis zur Mitte gegenwärtigen Säculums unangefochtenen Alleinherrschaft des letzteren in unserem Lande machte jene Krüger=Lischsche Entdeckung ein Ende. Man erinnerte sich an Doberan, dessen Münster kein Lebender getüncht gekannt hat, und begann bei den Erneuerungen und Restaurationen der Kirchen mit mehr oder minder Treue, mit größerem oder geringerem Muthe, und je nachdem die vorhandenen Mittel es erlaubten, die


1) In den Kirchenrechnungen des 16. Jahrh. werden sie schlechthin "Bogen" genannt.
2) S. Jahrb. XVI, S. 280. (Berliner) Zeitschrift für Bauwesen 1852 u. f.
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ursprüngliche Decoration des Innern wieder ins Leben zu rufen. So hat man sich auch in Wismar entschlossen, die Gelegenheit, welche die kostspieligen Gerüste zur Einwölbung von St. Nicolai boten, zu benutzen, um die Tünche von den Wänden thunlichst zu entfernen und das gefugte Mauerwerk wiederum, so weit es möglich, zur Erscheinung zu bringen. Auch diese Arbeit sowie die damit verbundenen decorativen Malereien hat Ruge geleitet, dieselben aber nur auf das Hochschiff bis zum Arkadensimse einschließlich ausdehnen können; der untere Theil des Schiffes, die Abseiten mit dem Umgange, die Kapellen und die beiden Hallen behielten ihren weißen Ueberzug. In diesem Zustande blieb die Kirche bis zum Jahre 1880, wo man eine Erneuerung des rümpelhaften Gestühls unternehmen mußte, deren Vorbedingung die Weiterführung und Beendigung jener angefangenen Arbeit war, welche nunmehr unter Leitung des Baumeisters Brunswig zu Wismar von dem Maler Michaelsen ausgeführt ist.

Zunächst mußte die Tünche entfernt werden, was nicht anders als durch Schaben mittelst der Schrape, wie das Geräth bei den Handwerkern heißt, sich ausführen ließ; doch wurden die Mauerleute scharf darauf hingewiesen, mit der Arbeit einzuhalten und zu melden, so bald sie auf geputzte Flächen stießen, oder Spuren von Farbe sich zeigten.

Nach Entfernung der Tünche ergab sich nun Folgendes.

1) Die Pfeiler waren in Rohbau. Fußgesims und zum Theil das Kämpfergesims zeigten sich aus glasirten Ziegeln hergestellt, und mit solchen schloß auch die Profilirung der schrägen Seiten der Pfeiler ab. Unterhalb des Kämpfergesimses war ein geputzter Fries, unterwärts von einem glasirten Stabe begränzt, angeordnet, und auf demselben fanden sich nach dem Schiffe zu abwechselnd Wappenschilde und "Kreuzsteine", von vier Kugeln begleitet, in Roth gemalt, an der Seite nach den Abseiten aber nur letztere angebracht.

Die Kreuzstein=Verzierung, wie sie nach einem vulgären Ausdrucke bezeichnet werden mag, hat die Gestalt der Fig. 1 auf Tafel I.

Ein einziger Pfeiler war bemalt, der zweite an der Südseite vom Thurm her, und zwar unten auf der südwestlichen Schrägen, profilirten Seite. Die Malerei war ohne Putzgrund unmittelbar auf dem Mauerwerke ausgeführt und nahm bei einer Höhe von 14 Fuß Hamb. die ganze Breite der schrägen Seite ein. Sie stellte auf weißem Grunde unter

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Tafel I

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Tafel I

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rothen mit Nasen versehenen Bogen vier Paar Figuren dar, männliche und mit Kronen bedeckt, wie es schien. In der Mitte lief ein Band von rothen und weißen Spitzen hinauf, und ebensolche Bänder schlossen die Malerei seitlich ein. Die Erhaltung war so übel, daß es unmöglich war, die Bedeutung der Figuren zu erkennen, geschweige die Malerei zu restauriren.

2) Das Mauerwerk über und neben den Arkadenbogen (die Spandrillen) war ohne Malerei oder sonstige Decoration.

3) Die Leibungen der Arkadenbogen waren geputzt, aber nicht bemalt.

4) Die dem Schiffe zugewendete Wand des Thurmes, dessen Erdgeschoß mit jenem durch eine 68 Fuß hohe Bogenöffnung so in Verbindung steht, daß neben derselben auf jeder Seite 8 Fuß breit und über ihr 60 Fuß hoch glattes Mauerwerk übrig bleibt, ist bei den Arbeiten von 1867 vom Bogenscheitel oder dem Arkadengesimse an aufwärts als Rohbau bemalt und mit drei Blenden decorirt worden. Wie die Mauerleute dabei verfahren sind, ob sie die Tünche bis auf den Stein abgekratzt oder ob sie sich mit Entfernung der obersten schicht begnügt und dann die rothe, bez. gelbe Farbe und die Blendenmalerei aufgetragen haben, ist gegenwärtig nicht mehr zu ermitteln. Sind sie aber so gründlich vorgegangen, wie es 1862 bei der Erneuerung der Orgel bezüglich des unteren Theiles dieser Wand geschehen ist, so ist allerdings jetzt auch oberwärts von der ursprünglichen Decoration nichts mehr vorhanden; doch ermöglichen Beobachtungen, zur Zeit der gedachten Orgelreparatur gemacht, eine ziemlich genaue Nachricht von derselben zu geben.

Das Mauerwerk war mit einem feingeschlemmten dünnen Kalkauftrage überzogen, der außerordentlich fest auf den Steinen haftete. Auf diesem Grunde waren durch hellgrüne Querbänder mehrere Abtheilungen übereinander gebildet, und befand sich das oberste Band in der Höhe der Gewölbe=Kragsteine, welche 19 Fuß unterhalb des Scheitels der Schildmauer liegen. Diese erste Abtheilung blieb 1862 unaufgedeckt. Das dritte Querband verlief gerade unter einer in der Thurmwand angebrachten Luke, während das zweite in der Mitte zwischen dem ersten und dritten angeordnet war. Das zweite und dritte Band und vermuthlich auch das erste hatten eine Breite von 26 Zollen, das vierte aber, welches, unterhalb des Scheidbogensimses und oberhalb des Pfeiler=

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simses sich befindend, von dem Thurm und Schiff verbindenden Bogen so durchschnitten wurde, daß dasselbe jederseits eine Länge von 10, bez. 8 Fuß hatte, war 34 Zoll breit. Auf die oberen Bänder war Laub=Rankenwerk mit schwarzen Konturen gemalt, das unterste aber, die beiden Halbbänder, in gleicher Weise mit Schrift decorirt. In jeder der so gebildeten Abtheilungen, von der obersten unaufgedeckten abgesehen, waren durch Säulen und Rundbogen fünf Compartimente neben einander gebildet. Die Färbung der etwa 1 Fuß breiten Pfeiler oder Säulen war blaßroth, die der Konturen braunroth. Die Säulen hatten eine mit Knollen besetzte Basis, gingen aber ohne Kapital in die bis hart unter das darüber weglaufende Querband reichenden Bogen über. In die Zwickel zwischen diese waren Dreiblatt=Verzierungen gemalt. Die auswendigen Schenkel der äußeren Bogen waren nicht durch Säulen unterstützt, sondern stießen unmittelbar an die Langhauswand, beziehentlich den dort aufsteigenden, grün gefärbten Dienst. Unmittelbar über den Bändern, ebenso breit wie diese, war der Raum zwischen den Säulen schwarz gefärbt und auf diesen Boden je eine Figur von Ueber=Lebensgröße gestellt. Diese Figuren hatten abwechselnd graue und hellgrüne Nimben, die Fleischtheile, welche durch leichte Strichelung etwas modellirt waren, hellbräunliche Konturen, und die Gewänder waren in Grau, Gelb, Hellgrün und Braunroth ausgeführt. In der zweiten Abtheilung war nur die mittelste Figur bloßgelegt, und ließ sich diese vermittelst ihres Attributes sicher als St. Andreas erkennen. Ebenso sicher stellten die Figuren in der dritten Abtheilung St. Thomas mit der Lanze, St. Jakob d. j. mit dem Wollbogen, St. Philipp mit dem Kreuzstabe und St. Bartholomäus mit dem Messer dar, während die fünfte Figur allerdings nicht zu bestimmen war. In der untersten, der vierten Abtheilung, waren die beiden äußeren vermöge des einschneidenden Bogens nur Dreiviertel=Figuren, die drei mittleren aber Halb=Figuren, welche noch dazu durch die Thürmchen der Orgel nahezu verdeckt waren. Von den beiden äußeren Figuren hielt die auf der rechten Seite ein Schwert, die auf der linken anscheinend ein Buch. Daß mithin wesentlich die zwölf Apostel hier zur Darstellung gekommen waren, kann nicht zweifelhaft sein, und kaum weniger sicher ist es, daß die oberste Abtheilung das Bild Christi als Weltenrichter enthielt, und neben dem h. Andreas rechts St. Petrus und St. Paulus und links St. Jakob d. ä. und Johannes d. E. dargestellt gewesen sind.

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Auf dem Bande unter der letzten Abtheilung las man auf der rechten Seite in schlanker gothischer Minuskel völlig klar: na . godes , was die ganze Länge einnahm. Demnach war links das Wort bort zu erwarten und die Jahreszahl, und zwar diese entweder in arabischen Ziffern oder bloß in den Zehnern, was beides gleich auffallend sein würde, da die Malerei jedenfalls der Mitte des 15. Jahrhunderts angehörte und die Jahreszahl sich entweder auf die Consecration der Kirche, 1459, die Vollendung des großen Orgelwerks, 1463, oder aber die Ausführung der Malerei bezogen haben muß, die zwischen die gedachten beiden Jahre fallen möchte; zur vollständigen Ausführung einer dieser Zahlen in Buchstaben gothischer Minuskel würde neben dem nothwendigen Worte bort kein Platz gewesen sein. Was aber auf dieser zweiten Hälfte gestanden, muß unentschieden bleiben: der Maurer hatte mit Hingebung Alles bereits gründlich gereinigt, als das Vorhandensein von Malereien bekannt wurde.

Von der Höhe des Pfeilersimses ab war auf jeder Seite der Bogenöffnung ein Eselsrücken=Bogen mit durchbrochenen Nasen und mit Krabben und Kreuzblume versehen, in Hellgrün mit schwarzen Konturen gemalt, und über diesem bis zum untersten Bande reichend in Roth und Hellroth eine Galerie von fünf Bogen mit Nasen. Die Malerei unterhalb des linken Bogens war, als die Nachricht von diesen Malereien sich verbreitete, bereits vernichtet, unter dem rechten Bogen aber sah man die Reste einer überlebensgroßen sitzenden Figur, einer stehenden mit langem Haar und eines Kindes, welches jener von dieser gereicht wurde, so daß man annehmen darf, es sei eine Darstellung der h. Anna mit der Gottesmutter gewesen, St. Anna selbdritt. Tafel II giebt eine Vorstellung von der Anordnung.

5) Die Außenwände der Abseiten und der sich an den Umgang schließenden, mit drei Seiten des Sechsecks ausspringenden Kapellen zeigten den Rohbau. An einigen wenigen Stellen, wo Altäre gestanden hatten, fanden sich einige Quadratfuß große Flächen geputzt, auf denen Spuren von Malerei sichtbar waren; doch war nicht allein diese nur noch in einzelnen Farbenresten bemerkbar, sondern auch der Putzgrund bloß lose auf der Wand haftend.

Die Weihkreuze fanden sich allenthalben gut erhalten. Dieselben sind bis auf zwei in der nördlichen Abseite schwarz in einem grünen Kreise auf Weiß und durch Cirkelschläge formirt.

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6) Unterhalb der aus unglasirten Ziegeln hergestellten Fensterbänke 1 ) der Kapellen des Umganges ist ein Fries von zwei Reihen liegender glasirter Dreipässe angeordnet, welcher ziemlich künstlich zusammengesetzt ist. Der Grund des Frieses war nicht geputzt.

7) Von den geputzten Blenden unterhalb des ebengedachten Frieses waren nur zwei bemalt. Die Blende nächst der Sakristei zeigte ein mit Grau, Grün, Schwarz und Roth hergestelltes Blumen=Streumuster und auf der Leibung rothe Ranken, während in der Böttcher=Kapelle, der ersten südwärts neben der mittelsten, die Leibung mit einer rothen schablonirten Blumenranke verziert, und auf die Fläche der Nische, ganz verloren, St. Bartholomäus, vermuthlich Patron des Amtes, gemalt war.

8) Die Kapitäle der Dienste in den Abseiten sind aus grauem Kalkguß modellirt und nicht bemalt. Nur die drei untersten beiderseits in der nördlichen Abseite sind einfach polygonal gehalten. Ob deren Flächen ehemals mit Blattkonturen verziert waren, wie es die gleichförmig gestalteten Kapitäle in der ehemaligen Schwarzen=Kloster=Kirche waren, ließ sich nicht feststellen.

9) Wie die dem Schiffe zugekehrte Wand des Thurmes überkalkt und bemalt war, so fanden sich auch die südliche und die nördliche Wand desselben in gleicher Weise behandelt. Nach Befreiung derselben von Tünche zeigte es sich, daß zwei Weinstöcke, den zwei anstoßenden Gewölben der Abseite entsprechend, mit eingeschalteten Medaillons mit Halbfiguren die Bemalung der südlichen Wand bildeten, von denen der linke, größere die Wurzel Jesse darstellte und mit einer Muttergottes in ganzer Figur abschloß, während der rechte anscheinend die Geschlechtsfolge von Adam bis zu Christus repräsentirte, welcher letztere als Crucifixus zu oberst angebracht war. Die den Halbfiguren beigegebenen Spruchbänder ließen folgende Namen erkennen:


1) Wie überall bei uns in den Backsteinbauten des Mittelalters, wo man nicht Hausteinblöcke genommen, ist die Abschrägung nicht etwa aus gewöhnlichen, mit den Köpfen abwärts gelegten Ziegeln hergestellt, sondern aus eigens dazu gebrannten Formziegeln glepestene von glepe d. i. schräge, schief) die entweder an einer Kopfseite oder an einer Laufseite abgeschrägt sind. so daß sie wie gewöhnliche Ziegel in wagerechten Schichten vermauert werden konnten. Wie viel vorzüglicher dies ist, sowohl in Hinsicht auf Festigkeit, als für das Auge, läßt sich leicht einsehen.
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Namen aus den Spruchbändern

Die Erhaltung der Malerei war je höher hinauf, desto besser, der untere Theil aber durch die Feuchtigkeit des Mauerwerkes so zerstört, daß in der Wurzel Jesse außer diesem selbst gemäß dem 1. Kapitel Matthäus' neun Personen fehlten, denen in dem ersten Baume außer dem Stammvater Adam, von dem jedenfalls der Baum entsprossen sein wird 1 ), sechs Medaillons entsprechen würden. Freilich wäre diese Zahl nicht genügend die Geschlechtsfolge von Adam an, wie dieselbe Gen. 5 und 11 überliefert ist, völlig zur Anschauung zu bringen; aber der Umstand, daß dieselbe in dem Erhaltenen auch nicht vollständig ist, läßt vermuthen, daß jene sechs Medaillons gleichfalls nur bekanntere Personen darstellten.

10) Auf der nördlichen Thurmwand kam St. Christopher zum Vorschein, 36 Fuß hoch, angethan mit einem grünen kurzen Gewande und grauem Mantel, das ebenfalls grün gekleidete Jesuskind durch das mit zwei Fischen und einem Krebse belebte - graue - Wasser tragend; von rechts her leuchtete der Eremit der Wanderung. Neben St. Christopher, links, unter dem äußeren Gewölbe fand sich ein Ecce=homo von gleicher Größe wie jener in einer grünen Umrahmung, welche beiderseits sieben Oeffnungen zeigte. Aus jeder derselben schaute eine Halbfigur, welche mit einer Lanze Christi Leib berührte. Neben der zweiten und fünften Figur rechts stand noch eine andere. Die erste - weibliche - Figur rechts hält eine Zither, die dritte ein Würfelbrett, die vierte


1) D. J. M. Kratz, d. Deckengemälde d. St. Michaelis=Kirche zu Hildesheim. Berlin, 1856.
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einen Becher, die sechste eine Partisane, die beiden obersten links Stäbe, die dritte eine Kugel, die übrigen unkenntliche Gegenstände. Sollen diese Figuren etwa die sieben Todsünden darstellen, an die doch wohl zunächst gedacht werden muß 1 ), so ist die Charakteristik jedenfalls eine solche, die nicht eben allzusehr in die Augen springt.

Der Grund hinter beiden Darstellungen, St. Christophers und des Ecce=homo, die bis zu einer Höhe von 24 Fuß über dem Boden herabreichten, war mit blaugrauen Sternen bestreut.

Die vorstehend beschriebenen Malereien waren aber nicht die alleinigen auf dieser Wand: es fanden sich auch Reste eines Todtentanzes auf derselben, dessen Existenz in der Kirche durch die Erinnerung alter Männer allerdings überliefert war; vermuthlich ist derselbe zur Reformationsfeier im Jahre 1817, welche in den Wismarschen Kirchen überall große Verwüstungen und speciell ein allgemeines Uebertünchen veranlaßt zu haben scheint, gleichfalls übergeweißt worden. Dieser Todtentanz zerfiel in zwei Friese von je 6 Fuß 3 Zoll Breite, von denen der untere bis 15 Fuß vom Boden herabreichte und anscheinend neben den Gestalten des Todes einen Papst, einen Kardinal, einen Bischof und einen Doctor erkennen ließ, außerdem aber anscheinend noch vier Personen enthalten haben mochte, während im oberen nur die zweite Figur als Kaiserin und die fünfte als Ritter mit Sicherheit sich bestimmen ließen. Diese obere Reihe war über die Unterschenkel der beiden Kolossalgestalten dieser Wand hinweg gemalt; es gehörte also dieser Todtentanz nicht der ursprünglichen Ausstattung der Kirche, vielmehr anscheinend dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts an. Aus diesem Grunde und bei der schlechten Erhaltung der jüngeren Malerei, bei der an eine Restauration nicht zu denken war - man hätte zum allergrößten Theile etwas völlig Neues schaffen müssen -, entschied man sich dafür die obere Reihe gänzlich aufzugeben und, da dieselbe nicht störend wirkt, die untere Reihe in dem Zustande zu lassen, in welchem sie zu Tage trat 2 ).


1) Ipse autem vulneratus est propter iniquitates nostras, attritus est propter scelera nostra. Jes. 53.
2) Die in der Jubelschrift für den Geh. Archivrath Dr. Lisch, Nachricht von einem Todtentanze in Wismar, S. 1, erwähnten Verse auf einen Todtentanz zu St. Nicolai scheinen auf den oben besprochenen auch nicht zu passen. Bei dieser Gelegenheit mag ein Schnitzer in jener Schrift berichtigt werden: S. 7, Z. 15 muß es heißen: Ratsherrn statt Bürgermeisters.
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11) Die Rippen der Abseitengewölbe waren derartig abwechselnd grün und roth gefärbt, daß immer eine grüne Rippe mit einer rothen sich kreuzte, und die Gurte halb roth und halb grün, so daß zwei grüne Rippen die rothe Hälfte, zwei rothe die grüne einschlossen, wie das Schema Fig. 2 auf Tafel I ausweist.

Hart und unmittelbar neben das Grün und das Roth war ein 2 Zoll breiter Streifen Schwarz gezogen.

12) Die Ankerbalken der Abseiten waren getüncht und darauf in Zickzack laufende Bänder, deren Breite der Stärke des Holzes entsprach, mit Gelb, Grau und Roth in der Weise gemalt, daß die Bänder der Ansicht nach wechselsweise auf dem einen Balken rechtshin, auf dem nächsten linkshin u. s. w. liefen, und daß auf jedem die Streifen mit der folgenden Farbe begannen. Abgewickelt war die Anordnung diese 1 ):

Anordnung der Bänder

1) Es dürfte vorherrschende Meinung sein, daß diese hölzernen Anker - man trifft statt deren auch eiserne - nur provisorisch angebracht worden seien, und daß es Absicht gewesen, dieselben wieder zu entfernen, wenn das Mauerwerk seine völlige Festigkeit erlangt haben würde. Diese Meinung hat in neueren Zeiten, wo man die Kunst des Mittelalters anfing zu würdigen, hie und da veranlaßt, dieselben als eine die Wirkung der Höhenbewegung und der Wölbung beeinträchtigende Anordnung zu entfernen. Erwägt man aber, daß die Balken theils durch Gliederung, theils durch systematische Bemalung ornamentirt sind, daß sich eine Entfernung derselben bis in den Anfang dieses Jahrhunderts schwerlich irgendwo wird nachweisen lassen, daß die Anker derartig befestigt sind, daß sie ohne die größten Schwierigkeiten entweder überhaupt oder zum Theil nicht zu beseitigen sind, daß zu dieser Betonung der Kämpferlinie die in den Kapellen auf den Schildwänden gezogenen Linien eine Parallele bieten, daß die Sorge für die Sicherheit der Bauwerke zu Anordnungen geführt hat, die bedeutend mehr auffällig und doch zweifellos als bleibende getroffen sind, z. B. das Herüberführen des Daches über die Winkel der Kapellen des Umgangs, wie zu Rostock und Doberan, oder dessen Unterstützung durch Stichbogen, wie zu Schwerin und Wismar, so erscheint die obengedachte Annahme hinfällig, und die Entfernung der Balken vorzüglich auf einem Boden wie dem Wismarschen, der aus Thon besteht, wo man eine fortgesetzte, wenn auch denkbarst unmerkliche Bewegung anerkennen muß, auf das Aeußerste bedenklich. Man hat daher bei unserer Restauration auch keinen Augenblick die Frage gestellt, ob die Ankerbalten zu belassen oder zu entfernen seien, und sicher ist, daß dieselben gegenwärtig nur dem Auge des Vorurtheils beschwerlich fallen.
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13) Die an beiden Seiten der Kirche angeordneten, von vier Kreuzgewölben überspannten Hallen, welche, beiläufig bemerkt, hier wie bei St. Marien vielfach den Irrthum veranlaßt haben, als wären diese Kirchen Kreuzkirchen, und von welchen die südliche, ehemals die noch nicht genügend sicher erklärte, übrigens auch anderer Orten vorkommende Bezeichnung dat likhus führte, während in der nördlichen die kleine Orgel angebracht war, waren nicht als Rohbau belassen, sondern mit jener Tünche von feingeschlemmtem, stark haftendem Kalk durchweg überzogen, von welchem schon oben die Rede war. Malerei fand sich auf den Wänden nicht, und nur eine Nische in der südlichen Halle war mit Rankenwerk in Roth mit Grün und Schwarz decorirt. Wohl aber zeigten sich die in der Mitte stehenden Pfeiler von oben bis unten mit Ornamentmalerei versehen.

Diese Pfeiler sind einfach achteckig und mit Rundstab=Bündeln auf den Ecken besetzt. Letztere waren bei beiden braunroth gestrichen, während der Fuß ungefärbt geblieben, und das Gesims desselben aus glasirten Ziegeln gebildet war. Die Flächen zwischen den Bündeln aber waren auf jedem Pfeiler verschieden bemalt. Auf dem südlichen Pfeiler zog sich auf getünchtem Grunde um einen gelben Stab eine Blattranke hinauf, auf der einen Fläche oben roth und unten grün, auf der nächsten oben grün und unten roth u. s. w.; die Flächen des nördlichen Pfeilers aber waren mit Zickzackbändern, deren Spitzen in einen birnförmigen Knopf ausgingen, derartig bemalt, daß im Wechsel auf vier Flächen weiß = grün = weiß = schwarze Spitzen aufwärts liefen, auf den vier anderen schwarz = weiß = grau = weiße abwärts, wie nachstehend:

Pfeilerbemalung

14) Die Gewölbe der Hallen waren folgendermaßen decorirt. Eine grüne Rippe mit rother Hohlkehle kreuzte sich mit einer rothen Rippe mit grüner Hohlkehle, während der dazwischen befindliche Gurt den beiden ihn einschließenden

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Rippen entgegengesetzt bemalt war. Eine rothe Linie, die mit kohlblatt=ähnlichen Krabben mit Ränkchen wechselnd besetzt war, begleitete die Rippen. Vom Schlußsteine streckte sich je ein Stengel mit Blättern und ebenso solche von den Scheiteln der Schildbogen auf die Kappen, halb roth, halb grün, so nämlich, daß die grüne Hälfte der ersteren und die rothe Hälfte der letzteren gegen eine grüne Rippe gerichtet war; umgekehrt bei den rothen Rippen. S. Tafel I, Fig. 3.

Ganz verloren fand sich auf einer Kappe in der nördlichen Halle die Figur St. Jakobs d. ä., und auf der Leibung des Gurtbogens in der südlichen Halle eine Hausmarke, welche aber bestimmt nicht die des Hermen Münster ist, der die Halle erbaut hat.

15) Die Kapellen an den beiden Längsseiten der Kirche waren durchaus getüncht, und zwar nicht bloß die Wände, sondern auch die Bogen, mittelst welcher sie mit den Abseiten communiciren, bis auf den Boden hinunter, die Dienste und, was sich in den Hallen nicht sicher stellen ließ, sogar die Gewandungen und das Pfostenwerk der Fenster.

In sämmtlichen Kapellen fand sich auf den beiden seitlichen Wänden eine rothbraune Linie von der Breite einer Schicht von dem äußeren Dienstkragstein zum inneren gezogen.

Die Gewölbe sämmtlicher Kapellen waren gleichmäßig ebenso decorirt wie die der Hallen, nur einfacher.

Außerdem fanden sich in einzelnen Kapellen noch besondere Malereien, während solche in anderen nicht vorhanden waren.

Die Kapelle über der Sakristei sowie die beiden anstoßenden an der Nordseite waren gleichmäßig behandelt, indem auf die Leibung des Bogens, durch welchen sie mit der Abseite communiciren, über dem Kämpferpunkte beiderseits je eine Halbfigur mit einem Spruchbande, prophetenähnlich, und über dieser je eine ganze Figur unter einem Baldachine gemalt war, nämlich in dem Bogen über der Sakristei St. Michael und St. Katharina, beide Patrone der Kirche, in der nächsten Kapelle, der des minderen Kalands, früher der Stalköper, Maria und Christus, und in der dritten, St. Katharinen, ein benedicirender Bischof ohne Attribut und St. Barbara.

Die beiden nächsten Kapellen auf der Nordseite, westlich der Halle, diejenigen der Spek und der Vorneholt, hatten keinerlei Malerei, in der dritten aber, der des Leineweber=Amtes, war auf der östlichen Wand in der Höhe eines

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Altarschreins eine Art Teppich mit Ranken in Roth, Grün und Schwarz gemalt, in dem ein Kreuz und beiderseits die Umrisse zweier Figuren ausgespart waren. Vermuthlich ist auf dem Altarschreine ein Crucifix mit Maria und Johannes angebracht gewesen, welche in die Umrisse gepaßt haben.

In der obersten Kapelle auf der Südseite, derjenigen der Loste, fand sich links vom Eingange auf der Leibung des Verbindungsbogens eine geputzte Fläche, 30 1/2 Zoll breit und 8 Fuß 5 Zoll hoch, auf welche acht Scenen aus der Leidensgeschichte auf blauen Grund gemalt waren, gegenüber eine kleinere mit St. Christopher auf rothem Grunde. Außerdem war auf der östlichen Wand auf die Tünche ganz verloren ein thronender Christus in rothbraunen Konturen gemalt, die Hände erhoben, die Füße auf ein Buch mit sieben Siegeln gesetzt, aus dem Munde Lilie und Schwert gehend.

Die zweite Kapelle, die der Vot, enthielt auf der östlichen Schildmauer hoch oben eine Darstellung der Verkündigung und gegenüber auf der östlichen Wand die der Krönung Mariens, beide von einer Umrahmung von Bandornament eingeschlossen. Unten auf der Leibung des Verbindungsbogens war auf einer 69 Zoll hohen Fläche unter einer Bogenverzierung eine weibliche gekrönte Heilige gemalt, die sich zu einem Knaben mit Heiligenschein, welcher ihr ein Gefäß darbietet, herabneigt, vielleicht die heil. Dorothea, welche im Kerker von Engeln gespeist wurde; die Legenden auf den beiden Spruchbändern waren erloschen.

Die dann folgende Kapelle, die der Kaufleute (Schonenfahrer), enthielt ganz oben auf der östlichen Wand eine Darstellung der heiligen Dreifaltigkeit, indem Gott Vater, über dem eine Taube schwebt, den Gekreuzigten vor sich hält, während auf die Leibungen des Verbindungsbogens über dem Kämpferpunkte jederseits ein Schiff, und oberhalb dessen links St. Marcus und darüber St. Olaf, rechts St. Gertrud und darüber St. Nicolaus, durch Beischriften kenntlich gemacht, gemalt waren.

In den drei unteren Kapellen der Südseite, denen der Gärber, der Segler oder Schiffer 1 ) und der Marien=Zeiten,


1) In dieser Kapelle hat sich ein Schmuck erhalten, der äußerst selten geworden ist, nämlich eine mit Blattornament besteckte, runde hölzerne Scheibe unter dem Schlußsteine des Gewölbes, welche mittelst eines eisernen Zapfens, der durch den durchbohrten Schlußstein geht, und eines (  ...  )
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fand sich außer der Bemalung der Gewölbe und den Weihkreuzen ebenso wenig Malerei, wie auf denen der Nordseite gegenüber.


Es vernothwendigt sich hier noch einige Worte über die Restaurirung der in Vorstehendem geschilderten Decoration des Innern von St. Nicolai hinzuzufügen.

Man ging bei derselben von dem Principe aus, daß die vorzunehmenden Arbeiten, so weit es irgend möglich, solchergestalt auszuführen seien, daß die als ursprünglich zu erkennende Decoration, welche die Entfernung der Tünche zu Tage bringen würde, völlig wieder ins Leben trete, ohne etwas fortzulassen, was sich als restaurabel erweise, ohne hinzuzuthun, was nicht angeordnet, ohne Verbesserungen, ohne Verschönerungen. Wie es jedermann ungeheuerlich finden würde, wenn ein Maler den Kopf einer Madonna Memlings oder Dürers, falls er fehlte, durch eine Copie der Sixtinischen ersetzen, oder wenn ein Musikmeister in eine Oper Webers eine Wagnersche Composition einlegen wollte u. s. w., so kann es doch auch nicht in der ersten aller bildenden Künste, der Baukunst, statthaft sein, bei der Restauration eines monumentalen Werkes außer Augen zu setzen, was der Zeit seiner Entstehung, der Eigenart des Landes, der Individualität des Meisters angehört. Wollte man sich für ein gegentheiliges Vorgehen darauf berufen, daß doch auch unsere Vorfahren nicht allein gothische Fassaden mit Barock=Portalen und mittelalterliche Thürme mit Zwiebel=Spitzen versehen hätten, sondern daß auch das Mittelalter selbst sich nichts daraus gemacht die heterogensten Formen zusammenzubringen, dem Güstrower Dom einen gothischen Chor angefügt und im Schweriner den pommerschen Fenster=


(  ...  ) Splints unter dem Gewölbe befestigt ist. Die Blattverzierung umher ist auf dieser Scheibe, auf der ein Schiff dargestellt ist, übrigens nicht die ursprüngliche, welche aus sechs, wahrscheinlich gleich gestalteten Blättern bestand, wie man deutlich erkennt. Sechs Blätter hatten auch die aus dem 14. Jahrhundert stammenden Scheiben in der abgebrochenen Kirche des Schwarzen Klosters, von denen zwei noch erhalten sind, drei andere hinter dem Chore von St. Marien angebracht, jedoch ohne Blätter. Die Blätter waren vergoldet, die Sculptur der Scheiben vergoldet auf farbigem Grunde. Die Scheiben hatten im Durchmesser 28 Zoll; die Blätter sind jedes 34 Zoll lang und an der breitesten Stelle 35 Zoll breit. Man wird annehmen können, daß, wo in unseren Kirchen durchbohrte Schlußsteine an den Gewölben sich finden, ursprünglich auch solche Scheiben vorhanden gewesen sind.
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schluß zugelassen habe: so ist darauf zu erwidern, daß, was jener Zeit erlaubt war, doch für die Gegenwart nicht ferner statthaft ist, welche, während sie eines einheitlichen Stiles entbehrt, das vor den verflossenen Jahrhunderten voraus hat, daß sie nicht allein die verschiedenen Stilarten, welche die Vorzeit entwickelte, sondern auch die zeitlichen, lokalen, ja die individuellen Nuancen derselben begreift und mehr und mehr verstehen lernst. Und wenn dem auch nicht so wäre, so scheint es doch auch eine Forderung zu sein, welche bei der höheren Gesittung, auf welche unsere Zeit Anspruch macht, in keiner Weise unbillig ist, wenn man verlangt, daß der Baumeister von heute die monumentalen Werke von Berufsgenossen, Männern, welche, ohne freilich die wissenschaftliche und umfassende Bildung unserer Architekten zu besitzen, doch in künstlerischer Hinsicht nicht hinter ihnen zurückstanden, nicht behandeln dürfe, als ob es gelte, die Einrichtungen eines Wirtschaftsgebäudes zu verbessern, oder die Ausstattung eines alltäglichen Wohnhauses ansprechender zu gestalten. Endlich dürfte auch darauf hinzuweisen sein, welchem einstimmigen Verdikte bereits Verschönerungen und Verbesserungen, wie man wähnte, erliegen, welche funfzig, vierzig, dreißig und weniger Jahre zurückdatiren, und deren Urheber ebenso in gutem Glauben handelten und ebenso sehr den Stil zu beherrschen vermeinten, wie diejenigen, welche heute die alten Meister meistern zu dürfen glauben. Kurz Logik, Wissenschaft, Pietät und gemeine Klugheit verbieten bei der Restauration eines alten monumentalen Bauwerkes das Einführen von, sei es der Zeit, sei es der Herkunft nach fremden Formen und Anordnungen; und da die farbige Ausstattung etwas Wesentliches ist, so wird auch dasjenige, was von solcher sich vorfindet, was man zur Zeit, als der Bau entstand, in dieser Hinsicht für angemessen hielt, nicht mehr, nicht weniger, nichts Anderes, wieder vor Augen zu führen sein, wenn die Arbeiten den Namen einer Restauration verdienen sollen.

Wenn nun aber trotz alledem gegen das eben ausgesprochene Princip bei der besagten Restauration verschiedentlich verstoßen ist, so ist das geschehen, theils weil der Thatbestand nicht rechtzeitig erkannt wurde, theils weil veränderte Umstände Abweichungen forderten. Um künftighin daraus entstehenden Irrthümern vorzubeugen, ist es erforderlich, diese Abweichungen ausdrücklich anzugeben.

1) Die Färbung des Mauerwerkes ist nicht genau die ursprüngliche, welche namentlich im Chore ein tieferes Roth

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zeigte. Da aber das Hochschiff einen lichteren Ton und zum Theil sogar okergelbe Färbung erhalten hatte, und jenes dunklere Roth sich auch nicht durch die ganze Kirche fand, so mußte eine Farbe gewählt werden, welche die vorhandenen Gegensätze möglichst ausglich.

2) Von den Wappen war nur der geringste Theil noch kenntlich, und die Mehrzahl mußte durch solche, die dem fünfzehnten Jahrhunderte angehören, vielfach mit willkürlicher Färbung, ersetzt werden.

3) Von den Blenden unter den Fenstern der Kapellen des Umganges waren nur die beiden oben angeführten geputzt und bemalt. Da aber nur noch vor einer, der Böttcher=Kapelle, die ursprünglichen Schranken erhalten sind und diese Kapellen nach dem Verluste dieser, ihrer Altäre, Sedilien, Leuchter u. s. w., alle Individualität verloren haben und vielmehr als integrirende Theile des Umganges erscheinen, so fand man es angemessen, alle Blenden gleichmäßig zu putzen und zu bemalen.

4) Das Abkratzen der ersten Gewölbe der Abseiten geschah mit solchem Eifer, daß die Färbung der Rippen und Gurte und die schwarze Linie neben denselben erst später constatirt werden konnten. Man hatte also jene wie gefugt hergestellt und statt dieser knollenförmige rothe Krabben angebracht, da die Rippen ohne alle Begleitung unleidlich schienen. Als man nun hinter den wahren Thatbestand kam, ließen sich die Krabben nicht gut und ohne erhebliche Kosten wieder entfernen und mußten daher statt der schwarzen Linie leider ganz durchgeführt werden.

5) Während die Seiten=Kapellen ursprünglich durchaus getüncht waren, sah man sich genöthigt, nachdem der Hälfte derselben die Schranken und allen die Altäre, das Gestühl und besonders die farbigen Fenster 1 ) fehlten, wegen des her=


1) Vermuthlich haben alle Kapellen, auch die des Umganges, farbige Fenster gehabt. Vor gut dreißig Jahren waren solche noch bis auf die untersten Tafeln vollständig erhalten in der Votschen Kapelle auf der Südseite und der gegenüberliegenden Katharinen=Kapelle, und in dem Fenster über der nordöstlichen Thüre befanden sich noch mindestens zwei wohlerhaltene Tafeln, von denen die eine die Flucht nach Aegypten, die andere das Abendmahl weiß in Blau unter einem Bogen darstellte. In jenen Fenstern waren, wie sichere Spuren ergaben, zu unterst einzelne Heilige dargestellt gewesen, die eine Höhe von drei Tafeln gehabt haben mußten, und über denen sich hohe Baldachine, gelbe auf rothem Grunde in der Votschen, weiße auf blauem in der Katharinen=Kapelle erhoben; (  ...  )
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vortretenden schreienden Gegensatzes gegen Schiff und Abseiten wenigstens die Außenwände und die Dienste im Rohbau erscheinen zu lassen; dasselbe geschah aus eben diesem Grunde in den Hallen, wäre aber freilich besser nicht geschehen.

Vignette

(  ...  ) ein Teppichmuster nahm den obersten Theil ein. Ende der vierziger Jahre fing man an, die Fenster neu zu verglasen, wozu natürlich das durchsichtigste Glas genommen wurde, um die Kirche so "hell und freundlich" zu machen wie möglich. Etwa 1848 kamen die Fenster in der Votschen Kapelle an die Reihe. Die gemalten Tafeln wurden herausgebrochen, das Blei wurde angegeben, und das Glas auf dem Kirchhofe vergraben. Ende der fünfziger Jahre ging es an die Fenster der Katharinen=Kapelle. Hier wurde zwar aufgepaßt und erlangt, daß die gemalten Tafeln in Kisten verpackt und für bessere Zeiten zurückgestellt wurden, doch hat auch das ihren Verlust nicht verhindern können, da sie 1865 unter der Hand um den Werth des Bleies von einem Privatmanne acquirirt wurden, der sie in seinem Hause getheilt wieder anbringen ließ.
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V.

Dr. theol.

Hinrich Boger oder Hinricus Flexor,

der Begleiter Herzogs Erich nach Italien

1502 - 1504.

Vom

Gymnasialdirector Dr. K. F. H. Krause.


H inrich Boger 1 ) war geboren zu Höxter 2 ) oder, wie er auch sagt, an dem Ufer der Weser 3 ), gewissermaßen als Angehöriger des H. Vitus, d. h. im Gebiete von Corvey, daher auch dem H. Modoaldus von Helmwardeshusen zugethan, den er einmal hinfort zu feiern verspricht 4 ). Wann er geboren sei, ist ungewiß; 1503 beim Wiedersehen seines Freundes Hinrich Vischer in Bologna nennt er sich und ihn ergraut 5 ). Da er nicht früh von Hause wegen beschränkter Mittel des Vaters gekommen, aber schon sicher im Jahre 1471 in Erfurt 6 ), jedenfalls 1475 schon in Rom war 7 ), so muß er spätestens in den letzten vierziger Jahren des 15. Jahrhunderts geboren sein. Fast alles, was über ihn bisher zu finden ist, stammt aus der 1505 fertiggestellten, 1506 in Rostock mit Barkhausenschen Lettern 8 ) gedruckten Sammlung oder Auswahl seiner lateinischen Gedichte: Etherologium, von dem nur 2 Exemplare, in Wolfenbüttel und in der Bibliothek des Vereins


1) Vergl. Lisch, Jahrb. 6, S. 195 f.; 9, S. 482 (zu 4, 86. 89. 130); 12, 210. 381-383. 499 ff.; 22, 233. Allg. deutsche Biographie 3, 39 und die Correcturen dazu 3, 794.
2) Rostocker Univ.=Matr. 1501, Sommer. Etherol. fol. 83 b., 108 b.
3) Eth. fol. 38 b.
4) Eth. fol. 69 b.
5) Etherol. fol. 133 b.
6) Vor dem Brande von 1472. Ether. fol. 115. S. unten 112, Anm. 7.
7) Fol. 114.
8) Jahrb. 9, 481.
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für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde in Schwerin, bekannt sind.

Sein Vater, Martin Boger, war über 40 Jahre verheirathet, seine Mutter, vermuthlich eine geborne Wend, überlebte ihn 20 Jahre 1 ); als auch sie starb, war Hinrich 30 Jahre alt, hat also den Vater früh verloren. Aus der Ehe waren 6 Söhne und 6 Töchter entsprossen; die näheren Data sind unbekannt. Sein Oheim, vermuthlich der Bruder seiner Mutter, war der Hildesheimer Probst Eggardus Wend, Wenteius, den er celebratissimus dominus N. prepositus Hildensemius, im Text aber Wenteius nennt 2 ). Sein Tod, also seine Beerbung, scheint erst Boger die Mittel zum Studium und zum Reisen gegeben zu haben:

"Ipse lares proprios hoc forte superstite nunquam Exissem 3 )."

Vermuthlich schreibt sich von diesem Oheim seine ausgebreitete Bekanntschaft in Hildesheim her bis zum Bischof hinauf. Ein anderer Verwandter, Hinricus Wenteus, auch Versor übersetzt, besaß die Mitra; auf dessen insignitio in theologia, die Promotion zum Dr. theol., verfaßte Boger ein Gratulationsgedicht. Vermuthlich ist es nicht der seit 1523 in Hamburg vorkommende Dominikaner Dr. theol. Hinricus Went oder Guenth 4 ).

So mit Mitteln ausgerüstet, scheint er sich vielfach umgetrieben zu haben, nirgends lange geblieben zu sein. Er selbst erzählt im Gedicht über den Tod seiner Eltern, er habe viele Universitäten besuchen können und sei öfter in Rom gewesen 5 ); leider ist die Jahreszahl dieses Stückes nicht zu bestimmen. Da er beim H. Quirinus zu Neuß am Rhein 6 ) war, so wird er auch in Köln gewesen sein; als seine eigentliche Lehrerin aber nennt er immer Erfurt. Hier war er als Henricus Boeuger de Hoxaria im Sommer 1471 7 ) immatrikulirt, scheint aber vor dem großen Brande vom 19. Juni 1472 8 ) die Stadt schon verlassen zu haben. Bei einer späteren Anwesenheit 1485 ist er dort


1) Eth. fol. 116.
2) Eth. fol. 119 b.
3) Ibid. Er starb also vor Ostern 1471. S. unten
4) Eth. fol. 191, vergl. 56 b. Lappenb. Hamb. Chron. 574 f.
5) Auctoris familiae Leatbalogus im Eth. fol. 116
6) Eth. fol. 38 b.
7) Erfurter Matrikel (Geschichtsquellen der Prov. Sachsen VIII), S. 343, Sp. 1, 38. Er zahlte die volle Gebühr.
8) Eth. fol. 115 "cometa viso". Ein Gedicht des Heinrich Strecker von Mellerstadt auf dasselbe Ereigniß ließ Wattenbach abdrucken im Anz. z. K. deutscher Vorzeit 1879 Nr. 5.
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Magister geworden 1 ). In der Zwischenzeit war er als einfacher baccalarius in Rom 1475 2 ), vorher vielleicht in Braunschweig, wo er später viele Beziehungen hatte. Von 1472, namentlich aber von 1475 3 ) an beginnen seine poetischen Ansprachen und Empfehlungen seiner selbst an einflußreiche Persönlichkeiten, Grabschriften und Denkverse zum Memoriren der Jahreszahlen zeitgenössischer Ereignisse, aus denen seine Beziehungen zu erkennen sind. Bei seiner ersten Fahrt nach Italien war er in Bologna mit zwei ihm schon von Erfurt her bekannten Männern und Studiengenossen zusammen: Hartwig von Bülow und Hermann Langebeck. Da er an den letzteren als Hamburger Bürgermeister ein Gedicht zur Aufmunterung gegen tumultuirende Massen richtet, was nur 1483 geschehen sein kann, so ist dadurch das Jahr 1475 für die gemeinsame Anwesenheit in Italien bestimmt 4 ). Hartwig von Bülow starb als Doctor und Domherr zu Hamburg, Lübeck, Schwerin und Hildesheim 1490, am 11. Januar 5 ). Mit ihm kam Boger zum ersten Male nach dem Norden, an die Ostsee, also zwischen 1475 und 1485; denn nachdem er gesagt, wie jenen Rhein, Elbe, Donau und der ganze Occident anstaunten, was doch nur eine Andeutung der Reisen ist, spricht er von ihrer Bekanntschaft:

Notus in primis mihi per Turingos,
Inde precelsas Latii per urbes,
Balticas demum penitus per oras
En here, salve 6 ).

Von dieser Zeit an finden wir auch mannigfache Beziehungen zu Lübeck, die später noch enger geknüpft werden 7 ). Von 1481 an sucht er sich dem neugewählten Hildesheimer Bischofe, der zugleich Administrator von Verden blieb, Barthold von Landsberg 8 ), angenehm zu machen 9 ), und be=


1) Nach der Erfurter Artisten=Matr. Ich verdanke die Notiz des Herrn Professor Weißenborn der Güte des Herrn Archivraths Jacobs in Wernigerode.
2) Eth. fol. 114. Ueber die baccalarii vergl. Hefele, Concilsgeschichte 7, 28.
3) Eth. fol. 114 ff.
4) Die auf Hamburger bezüglichen Bogerschen Gedichte habe ich meistens angeführt: Mitth. des Vereins für Hamb. Gesch. 2 (1879), S. 51 f. und 76 f. Lappenb. Hamb. Chron. 350 ff.
5) Jahrb. 10, 195. 370; 21, 182.
6) Eth. fol. 83 b. Er empfiehlt sich dem v. Bülow mit den stammbuchartigen Versen: Quod Festus Paulo, Cirus Esdre, Phoebus Enee, │ Flexori Hinrico, si vacet, esse potes.
7) Namentlich zur Familie Westphal Eth. fol. 93. 94 b., 111. Auch zur Familie Rode: fol. 70 und a II (Domherr und Stadtschreiber M. Joh. Rode).
8) Allg. D. Biogr. 2, 523.
9) D S. 8. - Sogar 3 Epitaphia für ihn selber legte er ihm zur Auswahl im Voraus vor. Eth. fol. 111, cf. fol. 91 und 91 b.
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kommt dadurch dann auch Beziehung zu Lüneburg, wo er später seinen besten Gönner Nicolaus Schomaker fand 1 ). Lüneburg hatte ihm ein geistliches Lehn versprochen, das er aber nicht erhielt. In dieser Zeit scheint er sich an den Erzbischof von Lund gewandt zu haben, seltsamer Weise pseudonym als Johannes Husanus 2 ); er mochte seiner Sache nicht sicher sein. Bald nach seiner Erfurter Promotion knüpft er Beziehungen mit Rostock an, wohin ihn wohl Hoffnungen zogen, die sich an die erwartete Gründung des Domes knüpften. Wir finden wenigstens eine Grabschrift für den Dr. theol. Hinricus Schone 3 ), den er "Saxo" und "rectoratu decies quam rite potitus" nennt; im Winter 1485 bis 1486 bekleidete dieser das Rectorat zum zehnten Male 4 ). 1492 muß Boger wieder in Rom gewesen sein, denn er verfaßte ein Gedicht auf aus Rom abreisende Prälaten 5 ), einen Hildesheimer und zwei Lübecker; diese sind der mehrfach von ihm angedichtete Franciskaner und Hildesheimer Decan Dietrich (Theodoricus) Arndes, aus Hamburg gebürtig, Wilhelm Westphal und Heinrich Bockholt, von denen der Domherr Wilhelm Westphal die Resignation des Bischofs Thomas (Grote) 6 ) dem Papste 14 92 überbrachte, während Dietrich Arndes in demselben Jahre Bischof von Lübek wurde. Letzterer war schon als Hildesheimer und Braunschweiger Decan oft besungen; einmal hatte Boger dafür eine Gratification, eine "strena", vielleicht ein Vicariat, bekommen 7 ). Wahrscheinlich verfaßte er damals nach der Wahl Papst Alexanders VI. die Elegie: contra impudentes emulos In persona Alexandri VI 8 ). In demselben Jahre noch wird er nach Rostock gekommen sein, denn wir finden seine Begrüßung des neuhergestellten Domcapitels 9 ). Nach der Erzielung des Friedens wurde der Gottesdienst 1491 am 24. Mai zwar in den zwei nicht befleckten Kirchen St. Petri und St. Nicolai wieder eröffnet 10 ), die erneuete Wei=


1) S. z. B. Eth. Schluß und fol. 171. Die auf den Verdener Sprengel, also auch Lüneburg, und auf Bremen bezüglichen Gedichte theilte ich im Auszug mit: Archiv des Stader V. f. Gesch. und Alterth. 7, S. 141 f.
2) Eth. fol. 70 b. 72. Es ist der Erzbischof Johannes, dessen Zeit ich augenblicklich nicht verificiren kann.
3) Eth. fol. 111 b.
4) Rectorenliste in Ungn. Amoen.
5) Eth. fol. 160; vergl. Anhang 5.
6) Bischof von Lübek 1489, resign. 1492, † 25. Aug. 1501 Potthast. Die anderen Personalien nach einer briefl. Mitth. des verstorbenen Prof. Mantels.
7) Fol. 84 bis fol. 87, fol. 56 b. 160.
8) Eth. fol. 217 vergl. fol. 192.
9) Auf die Wiedereinrichtung bezieht sich fol. 38, da Tegeler genannt ist.
10) Van der Rostocker Veide: Rost. Osterprogr. 1880, S. 23.
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hung der zwei andern und die volle Wiederherstellung des Domcapitels scheint aber erst 1492 erfolgt zu sein, obschon wenigstens die Stelle des im Tumult 1487 eingekerkerten und bald verstorbenen ersten Decans zu St. Jacobi Hinrik Pentzin 1 ) schon 1491 wieder mit dem herzoglichen Kanzler Johannes Tegheler aus Waltershausen besetzt war 2 ). Hier trat Boger alsbald in der Sternberger Judensache auf, verfaßte das später vielgenannte Gedicht: "Super benedicti Sacramenti Irreverentis tractationis per prophanos iudeos in Sternebergio querelosa historia" mit dem klingenden Anfang:

Convolat in montem stelle maledictus apella 3 ), dessen niederdeutsche metrische Uebersetzung hinter dem Codex des Ernst von Kirchberg im großherzoglichen Hauptarchiv zu Schwerin eingetragen und öfter gedruckt ist 4 ). Als er für die Verbrennung des Priesters Peter Dene am 13. März 1493 zu Rostock, der den Juden die Hostie geliefert hatte, eine Rede an das Volk von Rostock verfaßte 5 ), nennt er sich seltsamer Weise noch "achademie Erfordensis alumpnus", im Gedichte magister. Vielleicht kam er damals schon mit Herzog Erich in Berührung, der als Knabe im Winter 1493/94 intitulirt ist 6 ).

Dr. theol. kann er also erst später geworden sein, vielleicht nachdem er 1494 noch einmal in Rom war 7 ). In Italien schrieb er damals ein Gedicht an den "doctissimus modernorum M. Jo. Picus comes de Mirandula". Daß er dann wieder in Erfurt war, wo die Pest Studenten und Lehrer vertrieb, erhellt aus seinem Condolationsgedicht 8 ) und aus seiner Angabe, daß Doctor Johannes Institor oder Institoris (Krämer), ein Jurist 9 ), damals Erfurt verließ, während dieser 1492 erst zum Mag. promovirte 10 ). Vielleicht war es damals, daß er aus Erfurt nach Wernigerode ging, wo ein M. Wedego N., baccal. theol., "in collegio" lehrte 11 ); vermuthlich neben M. Jacobus Questenberg, aus Wernigerode selbst gebürtig, den er seinen berühmten


1) Rost. Osterprogr. 1880, S. 1.
2) Jahrb. 39, 63. Ehrenhalber in die Univ.=Matrikel inscribirt: 28. Mai 1491.
3) Ether. fol. 26 b. bis fol. 27 b., wo die Jahreszahl angedeutet: quorum perlidentia facinus est plexum cum recordio anni.
4) Vergl. Jahrb. 4, 86. 89. 130; 6, 195; 9, 482; 12, 210; 22, 233; 45, 34.
5) Jahrb. 6, 195; 12, 499. Vergl. auch Eth. fol. 115.
6) Matrikel; Krabbe, S. 287.
7) Ether. fol. 117 b.
8) Eth. fol. 87 b. Ein Akrostichon, fol. 169.
9) Fol. 169. Es zogen fort Lic. jur. Lambertus Vulpes und Dr. jur. Johannes Institor.
10) Ebenfalls Mitth. Weißenborns durch Jacobs.
11) Fol. 55 b.
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Schüler nennt 1 ). Im Gedicht an ihn heißt Pomponius Falco jenem befreundet und mit ihm lebend, während Theodoricus (wohl Block) dem Boger bleibe. Jacob Questenberg wurde in Erfurt 1482 nach Michaelis immatriculirt; Archivrath Dr. E. Jacobs in Wernigerode verweist seinetwegen auf Chr. Fr. Keßlins Schriftst. und Künstler der Grafsch. Wernigerode S. 267.

Ungefähr um diese Zeit muß Boger Hamburger Domherr geworden sein, denn 1499 ist er als Dr. theol. dort schon ziemlich hoch in der Reihe. Sein Gedicht an Dr. Albert Crantz, den Decan, erklärt sich daraus. 1501 präsentirte ihn dort auch die Wittwe des 1490 gestorbenen Proconsul Nicolaus de Sworen (Juratus) zu zwei Vicarien in St. Katharinen, wofür er ihr später ein Epitaphium widmete 2 ).

1499 schienen die vielgepflegten Beziehungen zu Braunschweig ihren Lohn tragen zu sollen. Schon 1478 hatte Boger ein Epitaphium auf den ersten Bürgermeister Konrad Scheppenstede 3 ) und auf M. Christianus Roder, aus Hamburg gebürtig 4 ), 1481 ein Gedicht auf die Beseitigung des bekannten Gral mit seinem Glücksspiel durch Herzog Wilhelm 5 ), und auf den Streit der Stadt mit dem Herzoge 1492 wenigstens ein Jahresdistichon gemacht 6 ). Einst sei die Stadt der Schule Freund gewesen, dichtet er nun, jetzt sei die Lehre verfallen 7 ). Aber nun solle ein Gymnasium errichtet werden. Sein berühmter Lehrer Tilemannus Zierenberg 8 ) werde Archiregent, Boger "Gymnasrecturus" 9 ). Er reiste daher selber hin 10 ), wahrscheinlich in der Mitte des Sommers, und verfaßte hier das Epitaphium des M. Johannes Havekhorst, der am 8. Juni als Pastor zu St. Martini starb, nachdem er über 40 Jahre das Amt besessen hatte 11 ). Eine Klage, daß die Deutschen den H. Martin nicht mehr ehren wollen, ist vielleicht bei dieser Gelegenheit als Empfehlung seiner eigenen Person gedichtet 12 ); auch die Erbauung einer neuen prächtigen Orgel in Braunschweig 1499 durch den Hessen Hinrich Cranz aus Gudensberg wird gleichzeitig gepriesen 13 ). Trotzdem war Boger noch in demselben Jahre in Rostock: Herzog Erich war Ostern 1499 zum Rector


1) Eth. fol. 56.
2) Staphorst, Hamb. Kirchengesch. 1, 4, 163. 164. Ibid. 1, 1. Verzeichn. Nr. 305 und S. 1 und 10. Vergl. oben S. 113, 4.
3) Fol. 111.
4) Fol. 110 b. 111.
5) Fol. 117.
6) Fol. 115.
7) Fol. 93.
8) Tilemannus de monte ornato Eth. fol. 113 b.
9) Fol. 64 b.
10) Eth. fol. 48 b.
11) Fol. 112.
12) Fol. 192.
13) Fol. 28. Vergl. Allg. D. Biogr. 4, 560. 5, 795.
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der Universität postulirt; die nächsten 7 Jahre wurden der Glanzpunkt im Leben des Gelehrten, wie aus allen seinen Worten hervorgeht.

Doch ehe wir diese Periode besprechen, wollen wir uns den Mann etwas näher ansehen. Er war Geistlicher, Doctor der Theologie; in damaliger Weise gelehrt und hat, wie schon dadurch bedingt, einen Anflug vom herrschenden Humanismus; er citirt in seinen Gedichten Aristoteles 1 ), "Plutarcus" (als Lehrer des Trajan) 2 ), Plato, Tacitus, Horaz, Ovid, Livius, Plinius, Lucanus, Valerius Maximus, Statius, Ennius, Martial, auch sind Vergil und Terenz, ja in einem etwas lasciven Gedicht eine Anspielung auf Columellas Angabe, daß der Hahn die Hennen gegen die Schlangen schütze, zu erkennen 3 ). Einer seiner Lehrer war Tilemann Zierenberg, ohne Frage in Erfurt; einen anderen benennt er a Campana 4 ), worunter ein deutscher Name (Klockmann) verborgen stecken kann. Daß er wirklich auch Griechisch konnte oder lernte, scheint aus einem Gedichte "Ad praeceptorem Graecum Julianum nomine" 5 ) hervorzugehen. Um die gelehrten Streitigkeiten der italienischen Humanisten über klassische oder untergeschobene Schriften hat er sich wenigstens gelegentlich gekümmert. So nimmt er noch in seinen letzten Jahren Partei für die Echtheit des dem Ovid fälschlich beigelegten Liber de Vetula 6 ) freilich ohne jegliche Spur von Kritik, indem er eines Leo Meinung beipflichtet: Ovid sei der Dichter, aber die Sibylle habe ihm christliche Ahnungen eingegeben! Im Versbau ist er gewandt, aber auch dreist und unverfroren. Trotzdem er sich zu den Humanisten zählt, sich ebenbürtig neben Rudolf Agricola 7 ), Busche 8 ) und Philippus Beroaldus 9 ) stellt, läßt er Quantität Quantität sein, wie es ihm gerade paßt. Seine Wendungen wiederholen sich oft, und was für ein Latein schreibt


1) Aber als Arestotiles.
2) Eth. fol. 136; wo auch Possidonius als Lehrer des Pompejus.
3) Fol. 193 b. Abgedruckt in Mitth. des V. für Hamb Gesch. 2, 78, wo Z. 17 objectum (Angriff) zu lesen ist.
4) a 11.
5) Fol. 72.
6) De auctore libri, quem de Vetula inscribunt, opinio. Eth. fol. 126 b.
7) Fol. 114. Er lernte ihn in Italien kennen, also wohl 1475, da Agricola, † 28. Oct. 1485, von dort 1480 zurückkehrte. Allg. D. Biogr. 1, 151 ff. Boger sagt von dem berühmten Manne, er sei gelehrt im Latein, Griechischen und Hebräischen; "pro minimo duxit barbara verba loqui".
8) Fol. 106 ff. Er schrieb ihm 1503 von Bologna aus (eis Emilium Rhenum degens): Quis te, Clamoride, si nescis inclite Buschi, - Nunc, Hermanne, canat, Disticon adde, scies: - En Patriam Hoxarius, tiro Turingus et arctos - Advena. Te Hinricus diligo Bogerius.
9) Fol. 95 b. ff. S. unten S. 127 ff.
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er! Das aus der Inschrift an der Marienkirche zu Rostock von 1398 bekannte dustria, für industria, braucht er schlankweg 1 ), solor für consolor 2 ), pos für compos 3 ), pres, predis = dives, anscheinend auch für Aeltester oder Vorsteher 4 ), und dergleichen in Menge. Boger war unfraglich ein fleißiger Mann, nur im Fleiße zeigt sich ihm das menschliche Wesen: "fit asellus homo piger". schrieb er einmal 5 ). So scheint er bei der Ungetheiltheit der damaligen Wissenschaft auch Mediciner gewesen zu sein, wie alle Doctores medicinae Rostocks in jener Zeit zugleich Theologen waren; wenigstens überreichte er der Herzogin Sophia ein Diätarium 6 ). "Anbrennen" ließ er auch nicht, Doctorschmäuse sind ja noch heute Sitte, und damals gehörten sie zur offiziellen Feier der Universitäten; wir finden bei ihm mehrere, auch seinen eignen. Im Poeten=Latein hießen dergleichen lustige Gelage damals Aula doctoratus 7 ) oder Aula doctoralis, auch einfach Aula (so für den Dr. Busse von Alvensleben 8 ), der in Bologna promovirte). Ein Begrüßungsgedicht dazu hieß Epithalamium, als wenn es eine Heirath wäre; so des Boger Gratulation zur juristischen Doctor=Promotion des Johannes Blankenfeld 9 ) aus Berlin, Sohns des dortigen Bürgermeisters Thomas, in Bologna. Das ist der spätere Bischof von Reval, Riga und Dorpat 10 ). Auch für hohe Geistlichkeit etwas bedenkliche Scherze laufen dabei mit unter, wenn z. B. in Hamburg beim Gastmahl eines "Hahnekop" (caput Gallinum) oder "Hahn" (Gallus) angedeutet wird, wie er seine "Hennen" anlockt:

"Creditas grano refovet reperto,
Hasque fecundat, gravidas tuetur" 11 ).

Man fand nicht viel darin, wenn die Prälaten sich für den Cölibat in einer oder der andern Weise schadlos hielten. Auch Boger hatte einen Sohn Martinchen, Martinellus, der 1494 starb und dem drei Trauerlieder gewidmet sind 12 ). In Italien sandte die Venus andere Folgen; was ein Fieber in Bologna 13 ) zu bedeuten hatte, wissen wir nicht; aber das


1) E. 1.
2) Fol. 169.
3) Fol. 216.
4) Fol. 87. 176. 84 b.
5) Fol. 126.
6) Fol. 59.
7) Fol. 122. Auch "Aedes" (Prosepopeia edium) fol. 84, was an unser "zu Wohnen kommen" erinnert.
8) Fol. 75.
9) Fol. 108 b.
10) Reval 1514-1524; Dorpat 1518-1527; Riga 1524-1527, † 9. September 1527 in Spanien (Potthast); irrig wird in Riga 1525 auch Markgraf Wilhelm von Brandenburg genannt; Mittheil. aus dem Geb. der Geschichte von Liv=, Est= und Kurland 12, S. 504. Vergl. jetzt 13, 61 ff. (Böthführ).
11) Fol 194 a. Mitth. des V. für Hamb. Gesch. 1. c.
12) Fol. 115.
13) Fol. 38 b.
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Gefressenwerden von der Franca lues 1 ), das er von sich und seinen Freunden unbefangen erzählt, ist deutlich und verständlich. Es scheint auf einer seiner ersten Romfahrten gewesen zu sein, dann also vor 1492; leider ist es nicht genau zu constatiren. Sicher wußte er also, weshalb er "grünen Romreisenden" 2 ) die Warnung zurief:

Sed si fraternum monitum non despicis, audi:
    F fuge sex, taxum ceu fugit über apis:
Femin a, fiamma, fames, cum flamine frigora, fructus
    Sunt, que romipetis sepe minantur onus.

Boger giebt an, daß er eine Historia Sancte Anne geschrieben habe, die er vor dem Drucke dem Bischofe Barthold von Hildesheim zur Cenfur vorlegte 3 ), anscheinend auch eine Schrift de sancta cruce 4 ) und de trinitate 5 ).

1499 kam der vielgewanderte Herr nach Rostock. Ob er schon früher das herzogliche Haus kennen gelernt hatte und von diesem begünstigt war, ist nicht absolut zu behaupten, aber wahrscheinlich schon durch sein Auftreten in der Sternberger Sache (s. oben Seite 115). Vermuthlich war er, obwohl noch nicht Mitglied der Universität, zum Unterricht des jungen Herzogs Erich empfohlen. Daß er der Herzogin Sophia ein Diätarium überreichte, ist schon bemerkt. Mit Herzog Balthasar, der ihm einmal seinen Besuch ankündigte 6 ), kann er bei dessen Wahl zum Administrator in Hildesheim 1471 schon bekannt geworden sein. Er stand mit ihm vertraut, denn er richtet an ihn, "illustrem dominum et principem", ein carmen familiare 7 ). Vielleicht empfahl auch der oft von ihm genannte Caspar Hoyer 8 ) seinen Freund Boger beim Fürstenhofe. Daß dieser den Herzog Erich in Rostock unterrichtete, noch ehe er Selber Mitglied der Universität wurde, erscheint ziemlich deutlich 9 ); Erich hatte seit 1493 die Vorcursus beendet und wurde 1499 zum Sommer=Rector gewählt, für den Winter 1499-1500 ihm darauf das Amt verlängert 10 ), dann folgte der Mediciner Albertus Winkel 11 ), ein Erfurter Doctor. Gleich im Beginn dieser


1) Franca Lue esi. fol. 116. 117.
2) Fol. 150 b. Romipetae novelli.
3) Ether. fol. 208 b.
4) Fol. 91.
5) Fol. 179.
6) Eth. fol. 70. Er erbittet sich dazu vom Herzoge Balthasar Wildfleisch, um es ihm selbst vorsetzen zu können.
7) Fol. 81. 82.
8) S. Anhang 1.
9) Etherol. 137 b.
10) Rost. Univ.=Matr. Ungn. Amoen. Krabbe 287 f.
11) Eth. fol. 55 b. richtet Voger an Erich die Worte: Albertus jubilo te recreet Angulus anglo. Eine Salutatio an ihn als Rector: Fol. 62 b. (Durch Druckf. 66 b). Blanck, meklenburgische Aerzte 6.
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Zeit muß der 2. Decan zu St. Jacobi Johannes Tegeler gestorben sein, dem Boger ein Epitaphium widmete 1 ); ihm folgte Johann v. Greben 2 ). 1501 starb der Canonicus zu Güstrow und Kanzler des Herzogs Magnus Antonius Gronewald 3 ), dessen Pfründe der H. Cäcilie von den Fürsten nun ihrem Dichter verliehen wurde. Aus den folgenden Jahren sei hier noch vorweggenommen, daß die Herzoge am 23. Mai 1501 aus der Pfarre Belitz eine neue Präbende am Dome zu St. Jacobi gründeten 4 ) und diese Boger verliehen, welcher sie mit der Cäcilien=Präbende zu Güstrow sofort an Johann v. Greben gegen das Decanat und Rectorat zu St. Jacobi vertauschte 5 ) Vielleicht gehört dieser Zeit seines Eintritts in das Stift sein Epitaph auf den erschlagenen ersten Präpositus Thomas Rode (Rhodis) an 6 ) auch wurde er nun ehrenhalber in die Matrikel der Universität aufgenommen als "Egregius vir Dom. Mag. Hinricus Boger, sacrae paginae dr., de Hoxaria, per universitatem et rectorem honoratus 7 ). Seine Wohnung hatte er auf dem Hofe der Karthäuser von Marienehe in der Breiten Straße gefunden; 1500 beklagt er den Tod seines dortigen contubernalis 8 ). Fast scheint es, als habe er auch als fürstlicher Kanzler nach Gronewalds Tode fungirt. An Herzog Magnus als "seinen Herrn" richtete er 3 Gedichte ohne weitere Bedeutung 9 ), an dessen Tochter Sophia "filia Magnopoli, connuba Saxonie" [ 10 ) eins zu ihrer Vermählung mit Herzog Johann (dem spätern Kurfürsten) von Sachsen, am 1. März 1500; und bei dieser Gelegenheit wird der "Pane-


1) Eth. fol. 120.
2) Lisch Jahrb. 4, 250; vor dem 4. Juli 1499. Das. 12, 499 f.
3) Jahrb. 10, 191; 10, 500 (nicht im Register, 23, 181, Wie das Register citirt, kommt er nicht vor), Eth. 119 b. Er stammte aus Nürnberg und wurde als Kanzler Ehren halber immatrikulirt im Winter 1496/97.
4) Es ist das 13. Canonicat; ursprünglich waren 8 gegründet, 1492 noch 4 von der Universität. Jahrb. 45, S. 52, v. 365. Die 4 oberen waren: Propstei (St. Marien), Decanat (St. Jacobi), Cantorat (St. Petri), Scholasterei (St. Nicolai) und 4 für Collegiaten der Universität. S. Krabbe Univ. Rost 211.
5) Jahrb. 12, 379-384, wo S. 381 Z. 10 v. u. Jacobikirche statt Petrik. zu lesen ist. Die Decane folgten also so: 1) Henricus Bentzin (Pentzin) 1487, 2) Johannes Tegeler 1491-1499, 3) Johann v. Greben 1499-1501, 20/26. Juni, 4) Hinrich Boger, 20/26. Juni 1501-1506, 5) Barthold Moller nach weisbar von 1508-1530. Wenn Krabbe anscheinend p. 237 Schone als Decan nennt, so liegt das nur im Ausdruck; die Notiz gehört zu Barthold Moller. Der zweite Präpositus war Reiner Holloger; Jahrb. 4, 252.
6) Eth. 154
7) Matrikel, Sommer=Rectorat 1501.
8) Ether. 118.
9) Fol. 112.
10) Fol. 113. Auffallend ist, daß zur Vermählung des fürstlichen Fräuleins Anna mit Wilhelm von Hessen im Ether. kein Gedicht steht.
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giricus" auf den "Primas Germanie" 1 ) entstanden sein, d. h. auf den Erzbischof von Magdeburg (1476-1513), Herzog Ernst von Sachsen, den Schwager der Sophia. In demselben Jahre verfaßte er das klingende Gedicht von der Dithmarscher Schlacht:

"Perculso gravitate rei vox faucibus heret" 2 )

nebst einem später zu drei Memorialversreihen erweiterten Cronodisticon zu deren Jahresbezeichnung 3 ). Außer dem Interesse der meklenburgischen Theilnahme an jenem Heerzuge hatte er auch Verbindungen nach Dithmarschen hin; wenigstens finden wir eine Gratulation schon zur Zeit des Papstes Innocenz VIII. (1484-1492) an den Dr. Hinricus Meyer Theomarcius 4 ).

Wenden wir uns jetzt zu Bogers Verherrlichung Herzog Erichs. Zunächst finden wir eine "Illustris principis d. ducis Erici Magnopolensis primum litteris iniciati commonefactio 5 ), also eine mahnende Begrüßung bei Beziehung der Universität 1493; das Latein ist nicht schön, doch zum Theil klingend:

Tu Rostochini rosa prestans cerneris orti 6 ),
Rostochium mater, tu filius, ipsaque serva,
Tu dominus.

Die Alma mater wird marienartig besungen; fast mahnt der Ausdruck an Wolfram'sche Mystik, ohne im geringsten damit zu thun zu haben.

Vivat Magnopolis, cui vita deo populoque
    Resplendet placida semper amena face.
Vivat Magnopolis, cui perpes fama coruscat,
    Sub tetra mende non latitura nota.
Vivat Magnopolis, cui dos septena polari
    Servatur solio, concine fautor evax.

Im vorletzten Verse ist die deutliche Anspielung auf die Rostocker Sieben. Vielleicht gehört in diese Zeit oder in Erichs Rectorat die Aufführung von Terenz Hecyra durch Studenten in Rostock unter Leitung eines mir unbekannten Hildebrand, für deren Besuch Boger sich begeistert 7 ).

Es folgt eine Empfehlung seiner selbst an den Fürsten und die Universität 8 ), ein Epigramma ethicum exhortatorium; ein Tetrasticon memoriale Insuasivum omnium,


1) Fol. 80.
2) Eth. fol. 34 ff. Vergl. Lisch Jahrb. 9, 484. S. Anhang 2.
3) Schon bei dem größeren Gedicht fol. 34 ff., wiederholt fol. 115.
4) Fol. 84.
5) Eth. fol. 135 b.-138.
6) = horti.
7) Fol. 193 Der Erzbischof von Riga Michael (1484-1509) war ein Hildebrand. S. Anhang 1, Anm. 2.
8) Fol. 138.
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alles an denselben; ebenso eine Salutaciuncula an ihn als Rector 1 ).

Die tiefste Tiefe der devotesten Verehrung wird aber erst später beim Aufenthalte in Italien erreicht. Dorthin reiste Herzog Erich, nachdem er im Sommer 1502 noch ein drittes Rectorat bekleidet hatte. Boger war in seinem Gefolge und sein eigentlicher Mentor, er hatte den fürstlichen Herrn mit seiner italienischen Routine zu unterstützen und ihn dort bei den wissenschaftlichen und humanistischen hochstehenden Männern durch seinen Namen und seine Dichtkunst einzuführen. Vor der Abreise besang er noch "als Theologe" zwei alte Erfurter als mit ihm in Rostock: den Juristen Andreas Becker ("Pistor") und den Mediciner Theodericus Block (Truncus) 2 ); der letztere war zugleich ein früherer Hildesheimer Genosse, der in Rostock alsbald ebenfalls ein Canonicat erhielt. Im Herbst schon wurde Venedig erreicht 3 ); welchen Weg man dorthin genommen habe, steht nicht fest. Vielleicht gehört hierher das Gedicht auf die Burg Hanstein 4 ) an der Werra, da Boger den herzoglichen Ritt von 1500 zur hessischen Hochzeit 5 )nicht mitgemacht zu haben scheint. Ebenso wenig ist sicher, ob die Beziehungen zu Fritzlar 6 ) und Augsburg 7 ) hierher gehören. Von den Reisebegleitern des Fürsten kann aus den Gedichten Weniges geschlossen werden. Sicher scheint zu ihnen gehört zu haben der als "familiaris principis" bezeichnete d. Johannes Catte (Katte) nach dem Verse des an ihn gerichteten Gedichtes 8 ):

Casus Italice nunc bene disce plage.

Es ist der 2. Domscholaster und Pfarrherr zu St. Nicolai in Rostock und zu Warnemünde, der um 1542 starb 9 ).


1) Fol. 142, 143. Fol. 55 b.
2) Etherol. fol. 54. Ueber Theod. Block s. Anhang 3. Er wurde am 15. Mai 1502 in die Matrikel als Docent aufgenommen und fehlt bei Krabbe. Ueber Andreas Becker aus Magdeburg, der schon 1499 inscribirt wurde, vergl. Krabbe Univ. Rost. 246 f.; er fehlt im Register. Rector war er nach der Matrikel: Sommer 1501.
3) Eth. fol. 115.
4) Fol. 133 b.
5) S. S. 120, 10. Vergl. Jahrb. 29, 21 f.
6) Ad dominum Joh. Hund, canonicum Vrislariensem. Eth. 65 b.
7) Ad magniticum d. prepositum Augustensem Mathiam Langium. Eth. fol. 98.
8) Eth. fol. 72 b.
9) Lisch Jahrb. 5, 146. Der erste Domscholaster war Laurenz Stoltenborch, schon 1474 Secretär (scriba) Herzog Heinrichs IV. (Lisch Jahrb. 9, 276), zum Scholaster ernannt 1487 (Van der Rostocker Veide. Rost. Schulprogr. 1880, S. 1), noch als erster Scholaster bezeichnet 1491 Eth. fol. 38, 1503 zugleich Ostensor des h. Bluts zu Sternberg Lisch Jahrb. 12, 220). Auf Katte folgte 1542 als dritter und letzter Scholaster der herzogliche Secretär (auch später Universitätsbuchdrucker) Simon Leupold.
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Eine weitere Andeutung über den Reisezug, den Boger als den seinigen beschreibt, ergeben die Verse 1 ):

"Bubalus insignis, tauri quoque testa griphesque, -
Inde trabes aliquid bicolores."

Das ist das Wappen Herzog Erichs, dem aber der Stargarder Arm fehlt. Dazu nennt er "Maximiliane comes", was vielleicht "Begleiter" zu übersetzen wäre, und Richardus Ungula Grifonis (Greifenklau, Klawe?), beides Deutsche, ferner einen Savoyer Claudius (oder Claude Savoye?), endlich Hinricus, "Frisie qui bimaris jam velut lector ovas". Ich vermag sie mit meinen Hülfsmitteln nicht näher zu bezeichnen; Hinrich Boger selbst ist unter dem letzteren nicht zu verstehen, denn er nennt sich durch sein Siegelzeichen:

et mea stella triformis.

Es kommt ein Gedicht auf einen Detlev von Rantzau (Ransow) vor, der auf der Rückreise von Italien starb 2 ); der scheint aber nicht zu Erichs Begleitung zu gehören. Vielleicht könnte Heinrich Brömse, der spätere kaiserliche Rath, des Lübeker Bürgermeisters Nicolaus Bruder, der sich des Herzogs Erich Commilito zu Rostock und Bologna nannte 3 ) , unter dem Frisiae lector in spe verstanden sein.

Der Zug ging zunächst zum kaiserlichen Hofe, der Herzog empfahl persönlich seinen Lehrer und Begleiter Boger zur Lorbeerkrone; zwei Gedichte richtete dieser selbst an den Kaiser 4 ), und Maximilian versprach ihm den Dichterkranz zu geben, worauf eine Dank=Panegyris folgte 5 ). Wo die Vorstellung beim Kaiser geschah, wird nicht angedeutet; aber als poeta laureatus zog Boger nun nach Italien und machte seiner Würde in unzähligen Versen Ehre. Aus späteren Gedichten 6 ) ersehen wir, daß Ferrara besucht wurde, in Bologna studirt 7 ), dann Rom gesehen, endlich scheint ein längerer Aufenthalt im Porretanischen Bade angedeutet werden zu sollen. Die ganze Reisezeit wird durch die Angabe bestimmt:

"Jam ferme aufuimus septem quartalibus anni 8 )."


1) Eth. fol. 32 b.
2) Eth. 117 b.
3) Lisch Jahrb. 8, 195.
4) Eth. fol. 76-77 b. Daß Boger der Mentor Erichs war, ergiebt sich aus dem Gedichte an Busche von Bologna aus, wo Eth. fol. 108 a. die Verses: Agor nunc Italo axe bene │ Inque ducem Ericum papantis munere fuactus etc.
5) Fol. 77 b. f.
6) Fol. 33 b.: "Gestorum in Italia ab illustri principe et domino domino Erico duce Magnopolensi brachilogus". Fol. 213 b.
7) "Der Herzog lernt, Boger dichtet". Fol. 213 b.
8) Daselbst 213 a.
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Da man 1502 nach Erichs Sommerrectorat in Venedig war, so geschah die Rückkehr um Johannis 1504. Es bestätigt dieses die Angabe, daß der Herzog auswärts und unterwegs die drei Todesnachrichten der Schwester, des Vaters und der Mutter erhielt 1 ); denn die Herzogin Sophia von Sachsen starb im Kindbett am 12. Juli 1503, nachdem sie am 30. Juni den späteren Kurfürsten Johann Friedrich geboren hatte; Herzog Magnus verschied am 20. Nov. 1503, und seine Gemahlin, die Herzogin Sophia 2 ), am 26. April 1504.

Als Reise= und Aufenthaltszeichen aus Italien finden wir im Etherologium ein Gedicht an den Poeta Jo. Baptista Mantuanus 3 ), bemerkenswerth wegen einer genealogischen Notiz, die ich freilich nicht zu deuten weiß:

Indole conispicuus Dux Magnopolensis Ericus,
Consobrinus heri, vir memorande, tui,

und als dieser herus ist bezeichnet: "Marchio", "cui Mantua paret". Ein Gedicht folgt an Richardus dominus Mutinensis, tunc datarius 4 ), an Dominus Tiresius de Fuscarariis 5 ); Antiquissime domus Alderuandorum ex Alemannis propagate congrutalacio 6 ); Triplicis boni pulcrum discrimen, ad dom. Ludoicum de Mirandula und Super domina Dyamanta 7 ). An Antonio Galeazzo v. Bentivoglio, "archidiaconus et cancellis prothonotarius" zu Bologna, ist ein "panegiricon" gerichtet: "bene de volendo" wird der Name abgeleitet, er selber angeredet: "O Mari Antoni Galeati amande", und mit "cui stat insigne bicolore serra" wird das Wappen bezeichnet; der Dichter sagt von sich bescheiden: Dicor Hinricus, mediocris arvo │ Magnopolensi 8 )". Eine "reconciliacio auctoris cum reverendo domino Tiburtino auditore (dem Antonius, Sohn des Antonius 9 ) läßt die betreffende Sache nicht klar erscheinen. In Bologna setzte Herzog Erich als Koch (ob seines Hofes oder der deutschen Nation, ist nicht klar) einen künftigen Arzt ein, "Franciscus Bestia" 10 ), der vermuthlich einen deutschen Namen führte, ebenso den Unterkoch, der bezeichnet wird als "nate ligonelli Conradi", "Landesbergia Proles". Gesagt wird von diesem ferner: "quod


1) Das.
2) Boger hielt ihr das "Elogium" "in oracione funebri". Ether. fol. 157.
3) Etherol. fol. 109.
4) Fol. 60.
5) Fol. 65.
6) Fol. 66.
7) Fol. 73 b. Fol. 74 b.
8) Fol. 99.
9) Fol. 83.
10) Fol. 73.
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scarcellatus jus Jacobus habet". Er hieß also Jacob, war aus Landsberg gebürtig, und des Vaters Name war Conrad Karsting (? oder Hacking?). In Ferrara hatte es den Herren nicht gefallen 1 ); in Rom scheinen sie noch zu Alexanders VI. Zeiten gewesenen sein, der Anspielungen sind wenige 2 ). Die bedeutendste Erinnerung an Italien aber ist die in Bologna an den berühmten Philippus Beroaldus gerichtete "Amplissima domus Magnopolitane magnificatio 3 )", welche am Schlusse folgen mag. Von unterwegs finden wir noch ein Lob der Aqua Porretana 4 ), endlich nach der Heimkehr eine Art Bericht an Barthold Moller, der während seiner Abwesenheit Bogers Stellvertreter im Rostocker Decanat gewesen war 5 ), wie er später sein Nachfolger wurde 6 ).

In dieser Zeit wurde auch ein Epitaph für den Collegiaten zu St. Jacobi M. Arnold Boddensen verfaßt. Auf Veranlassung, vielleicht auch mit Beihülfe (sollicitudine) seines Freundes, des Verdener Domdecans und Lüner Probstes Nicolaus Schomaker 7 ) aus der Lüneburger Salzjunkerfamilie, redigirte Boger dann 1505 eine ausgewählte Sammlung seiner Gedichte, welche 1506 in Rostock in der Officin Hermann Barkhusens 8 ) als Etherologium (oder in den Schlußworten: Heterologium) gedruckt erschien 9 ). Damals war Boger noch Decan und Professor der Theologie zu Rostock, obwohl Krabbe ihn nicht kennt. Als seine Freunde lieferten Widmungsgedichte für das Werk: Caspar


1) Fol. 213 b.
2) Fol. 216 b. Dahin gehört wohl auch das Gedicht: "cum Nova Sapientia Rome erigeretur pubis ad studium provocatio". Vergl. 217.
3) Fol. 95 b. f.
4) Fol. 33.
5) Fol. 213 b.
6) Fol. 120. Boddensen oder Bodensen war als Winterrector 1502-1503 der Nachfolger Herzog Erichs; er ist im ganzen fünfmal zu der Würde gelangt. In seinem ersten Rectorate mußte die Universität 1487 wegen der Domfehde nach Lübek weichen; er war Mag. art. und öfter Artisten=Decan. Vergl. Krabbe, Univ. Rostock, 203 f., 237 und 244 (im Register fehlt er).
7) Die auf ihn bezüglichen Gedichte vergl. im Archiv des Stader Vereins für Gesch. und Alterth. 7.
8) Lisch Jahrb. 9, S. 481.
9) Titel und Schluß abgedruckt das. 9, S. 480 f. Die Blattbezeichnung ist in den Jahrb. 9, 480 nicht ganz genau; das Buch ist in octavo, es sind vorn 2 Bogen a. und b. ohne Seitenzählung, S. 1 von a. enthält den Titel, S. 2 die 2 ersten Widmungsepigramme, S. 3 die 2 folgenden. Dann folgt das Register ("Directorium") etc . Das Werk selbst beginnt mit Bogen A. S. 1 mit einem Epigramm des Dichters an Nicolaus Schomaker. Bogen A. bis D. haben nicht immer Folienbezeichnungen; sie sind regelmäßig erst in Bogen E. und laufen nun, von fol. 25 beginnend und falsch zählend, bis fol. 229, auf dessen Vorderseite der Druckschluß steht. Statt fol. 62 ist verdruckt 66 und auf fol. 179 folgt unmittelbar 190, ohne daß etwas ausgelassen ist. Jahrb. 22, 233 ist angegeben "232 Bl. in gr. 8°".
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Hoyer (S. Anhang 1), der Theolog Barthold Moller, der Lübecker Canonicus und Rathsschreiber Johannes Rode (s. o. S. 113, 7) und M. Tilemannus Heverlingk 1 ).

1508 ist Barthold Moller im Besitz der Dechanei zu St. Jacobi, innerhalb der Jahre 1506-1508 ist also Boger verstorben. Vermuthlich hat er in diesem Zeitraume noch, nach der Herausgabe des Etherologium, das Lobgedicht auf die Herzoge:

"Ordior acta ducum"

verfaßt, dessen niederdeutsche Uebersetzung als "Van des Domes stichtinge to Rostock" mit den zwei anderen Bogerschen Liedern aus dem Etherologium: "Van der Mishandelinghe des werden Sacramentes tom Sterneberg" und "Van der wunderwysen lesten slachtinge in deme lande to Dethm'.", durch eine Einleitung wie eine Garbe (ruess = eine Rüsche) zusammengebunden, der berühmten Handschrift des Ernst von Kirchberg angehängt ist 2 ). Das lateinische Original, gewiß als Flugblatt gedruckt, scheint verloren; aber nachdem die Uebersetzung jetzt in der verdienstlichen Ausgabe des Dr. E. Saß im Jahrb. 45, S. 39 ff. vorliegt, ist die Poesie Bogers, wenn man sich in diese eingelesen hat, kaum zu verkennen. Auch der Schluß mit der Jahreszahl sieht ihm ähnlich 3 ).

Boger, der ein Niedersachse war, hätte wohl solche Uebersetzung liefern können; aber schon die niederdeutsche Einleitung (Jahrb. 45, S. 38) verbietet daran zu denken. Wer sie geliefert, ist positiv nicht zu erweisen; an Barkhusen könnte man denken, auf Tilemann Heverling scheint ein Göttinger Ausdruck zu weisen; nur sollte man aufhören diese "kleinen Reimchroniken" mit des Marschalk Thurius Namen zu belegen, der vom Niederdeutschen nicht einen Schatten von Verständniß hatte.



1) S. Anhang 4.
2) Jahrb. 4, 89; 6, 195; 9, 482 f.
3) Die Domfehde falle in 1490, 2 Jahre vor, 2 Jahre nach, zusammen 5 Jahre = 1488-1492.
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Amplissima domus Magnopolitane Magnificatio 1 ).

Ad dominum Philippen Beroaldum.

  1. Rivulus Eridano si quis se conferat alto
Alpibus auf collis Hercinieve rubus,
Quis non miretur? Me demiretur oportet,
Si conferre parem, docte Philippe, tibi.
  5. Absit . id est aliud, tenuis mea musa licenter
Cur nunc fecundam tentet adire tuam.
Est locus hastigeri cis menia celsa Quirini,
Indigenis Jani qui modo bucca sonat,
Templa, domus, fluvii, fastigia, prata, ruine,
10. Unde queunt sensu mente capique palam,
Unde juvat factos domitores pendier orbis
Nuper aratores pastiferosque boum 2 ),
Unde libros legimus indignos tempore edaci,
Est quibus arcta stili libera sive via.
15. Hinc cruce confixus, sella situs inde celebri
Monstratur patule claviger ethereus.
Contuitus claram septem sub collibus urbem,
Hic sedi spacii post onerosa mei.
Dum sedeo 3 ) bifrons deus inquit: Visne viator
20. Et meritum et laudem ferre tibi atque tuis?
Est comes ecce vie splendescens indole, felix
Sorte, remirandus celitus imbre dato,
Visne jubar tantum se pandens usque latere,
Quod sit et unde micet, qua radiosque ferat?
25. Dulcibus hunc patrie laribus quam primo profectum
Fama est conspicua promicuisse domo 4 )
Altior inspectum laudat Germania 5 ). Visunt
Certatim Italici, totaque Roma stupet,
Nescio quid magni promittit linea vultus,
30. Claros natales hec docet effigies.
Ungarns, Hispanus, Macedo, Scita, Celtiber, Anglus
Scire virum querit, Turcus, Apella, meus 6 ).
Quoque magis pateat mirari, opus indice non est,
Ortus enim vatum Felsina culta nitet,
35. Unius eximiam rem tantum profer in aurem,
Thema prius tu des, is modo scema dabit.
Dixit, et in tenues cedens evanuit auras,
Liquit et incepti spem satis egregii.

1) Eth. fol. 95 b.
2) Fol. 96.
3) Druck: se deo.
4) Druck: do mo.
5) Druck: German ia mit Querstrich
6) So im Druck.
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Circinus est quadrans multumque sonabilis incus,
40. Tortile item prelum, Mi Beroalde, tibi.
Hine delibutam tibi seorsum deligo venam,
Qui preceptoris digma magistri habes.
Cum teneas lingue primatum nempe latine,
Convenit Emiliam te vocitare tubam.
45. Hos Jani monitus quantum insinuaro relator,
Ipse poeta valens inprime, pinge, cane.
Quem donis igitur splendentem cernis in horas
Stare in flaminiis discipulando scolis 1 ),
Bassior arctoum misit contrata 2 ) virorum 50. Natum a Balteo non procul ecce sinu.
Considet Eoam dux Stettinensis ad oram,
Cui mox confinis terra Polon a jacet,
Marchia Pregnicie frons Brandenburgia spectat
Ex austro nostram contiguata plagam,
55. Saxonie occiduum conterminat angulus, huncque
Extremum Holtsaticus porro ducatus adit.
A Dacis boreas nos per mare cominus afflat,
Quadrifidum patrie colligis unde situm.
Tanquam euangelicis sint delubra cornibus usa.
60. Ipsa dyocesibus quattuor usque patent.
Planiciem mediam disterminat Odera et Albis,
Hic domus illius plurima sceptra tenet.
Inclita magnanimi gestant insignia testes
Hac radice sati. Cuncta sciantur ita:
65. Bina triumphalem presentet testa coronam,
Suparus 3 )in dextra stato grifoque volet,
Sit clipeus bicolor, sit circulus, annulus assit,
Bubalus et bos dent hic capitale decus,
Unde aiunt patres Romane stipite natos,
70.  In cujus ramis consona signa micant.
Sit secus; opto magis, quam nunquam exule Troia
Sospite vel Roma quis neget esse viros.
Nonne celebrandum facinus quit ubique videri,
Cui restet bravinm nobilitatis honos?
75. Frons Taciti, Livii pes, totus Plinius absens
Hic male Teutonicas occoluere manus.
Causa, fides, probitas, series, constantia, finis,
In nostratum armis forte placeret ibi.
Non tamen hec secura nota est virtutis, avorum

1) Fol. 96 b.
2) Bassior contrata - niedere Gegend, Niederdeutschland.
3) Suparus, slav. zubr, der Wisent.
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  80. Fascibus inniti; propria vita beat.
Postera ni natrum soboles imitamina servet,
Ut nitor haud prodest, sic neque fetor obest.
Attamen ingenui bonitas presumitur ortus,
Hoc habet illustris sedulo calcar eques.
  85. Digressus redeam; radiant nova, prisca quiescant.
Ampla 1 ) vigent domino jura paterna meo:
Nunc dux, nunc princeps, comes et baro nomine reque
Ex atavis longo stemmate rite nitet.
Docmata Magnopolis, Stergardia, Sclavia,
Sueris,
  90. Albida 2 ), Zelesis 3 ) Rostochiumque ferunt.
Oppida, pagellos, arces, castella vel urbes
Quis numeret, lucos, predia, stagna, greges,
Quorum Magnus uti dominatur Baltazar? Estque
Hic pater, is patruus: clara propago subit.
  95. Hi duo germani binas duxere sorores,
Hec nunquam, illa fuit terque quaterque 4 ) parens.
He quoque germane Pomerani sunt ducis ambe,
Cujus digna manus sidera lande ferit
Turcis confligens cum palma, limina postquam
100. Sacre sepulture viderat ipse Hiesu 5 ).
Magno nata prior celebs tibi, Criste, dicata est,
Suntque due nupte, nubere quarta parat.
Hanc dux Saxonius, Hasso lantgravius illam
Duxit, ac istius nubilitate strepunt.
105. Predicat hunc generum vox electoria sceptri,
Illum vix equat grandis arena Tagi.
Virtus, forma, genus, etas, facundia, census
Nubilis heroum corda movere potest.
Certa sata est genio tota sub stirpe venustas,
110. Atque proci certent, vir tamen unus erit.
Fata trium fratrum tali mirabere passu:
Hic gerit arma, studet ille, sed iste salit.
Majorem natu Romani curia regni
Virtute et sumptu cernit, amicat, habet.
115. Gestibus et gestis aulares provocat omnes,
Est stupor externis, mel sibi, aroma suis, Tantus ut in sese spectantum vertat ocellos,
Si dubites, faciet splendida fama fidem.

1) Fol. 97.
2) Wittenburg?
3) Sic! Etwa zelosis, Wissenseifer, also Wismer [Wisse - mehr]? Zuzutrauen ist den damaligen Humanisten das.
4) = siebenmal.
5) Bugislaw X.
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Junior ad sponsam vix puber quippe tenellam
120. Jam preludit amans, post fruiturus ea;
Quam sibi despondit dux Phebipolensis 1 ), alumnus
Brunsvicii generis, nobilitate vetus,
In 2 quo 3 ) summa stetit rerum tot secula, cujus
Annales nostri facta stupenda canunt.
125. Is vero medins resonis nunc causa Camenis
Librat, neuter adhuc, sacra vel arma petat,
Interea pulcris animum redimire notellis
Nititur, unde homini pollida vita venit.
Terras, regna, situs, mores, linguagia, sectas
130. Visere si tentet, nemo stupere velit.
Queque trahat reliquos, illum trahit ista voluptas.
Multa gerebat avus quam bene, plura pater;
Iste secuturus vestigia plurima spondet,
Cum Magnus genitor sitque Sophia parens.
135. Sic per digna libro libeat compendia passim
Persone atque domus singula puncta legi.
Auspicis arcta dei complevi jussa, Vir ample,
Restat ad arbitrium cetera cura tuum.
Post ubi plebs cupidas circum te porrigit aures,
140. Dicere scis, cujas hic meus extet herus,
Tu decor Italie, Latie tu gloria lingue,
Interpres Graii tu scius eloquii,
Phebi delicium, ritus indago vetusti,
Mercurii specimen, Palladiumque decus!
145. Te juvenis celebrat studiose vena caterve,
Auditu docilis, non tamen ore procax;
Te, quibus humani studii stat vividus ardor,
Observant, recolunt carminibusque beant.
Nostra ergo rauci taceat te Musa, canoris
150. Quem tot proclamant, quique tuapte pates,
Sunt Muse lusus, est declamatio vita
Et tibi sunt rari crebra dieta libri,
Quo duce ceperunt lentere Cupidinis arcus,
Confrigere faces, tela ferire minus.
155. Non id do vitio, permittis, eatenus ausint,
Qua natura probat, cetera monstra vetas.
Quod tandein cinerum meruerunt funera: vivus
Nomen habes, abilis querere lucidius,
In te conjiciunt oculos, correcta docendi

1) Lüneburg. Die Thatsache ist mir unbekannt.
2) Fol. 97 b.
3) sc. genere, dem Welfenhause.
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160. Grammata 1 ) mirantur, teque loquente silent.
Ordo, modus, species, numerus, mensura, talentum
Per te paginulis traditur arte novis;
Scribere conanti quicquam (neu devius erret)
Tu perpendiculum, regula, clavus ades.
165. Id si preterii, mea non est, sed nota Jani
Cogentis vatem plectra ciere rudem.
Dux tamen illustris Magnipolitanus Ericus
Hec sinit Hinricum pangere Bogerium.
Vivere post mortem satagis plerosque canendo,
170. Heroi invideas id metuamne meo?
Hinc tibi commendor, dum Juppiter eque fovebit 2 ),
Dum pia Cesar aget, dum premet atra Charon.
Has tibi primicias Jano, Beroalde, jubente
Bogerius libat; postera sponte dabit,
175. Si tirocinium vatum duce cepero sub te.
Critica Zoilici respuo tela labri.

Sapphica benivolentie captatio ejusdem.

Musa, perdocti foribus Philippi
Culta cum non sis, propera modeste!
Si vacet, te da socias legendam

Inter amatas.

 5. Nuncia multam domini salutem
Non satis dicti ducis hie Erici,
Quem situs misit boree sat uber

Magnopolisque!

Edito clarens nequit urbs recondi;
10. Indoles suadet, meritumque poscit,
Cantet Hinricus . Cecinit, nec amplo

Percitus oestro.


1) Fol. 98.
2) So der Druck (statt f a vebit?)
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Anhang 1.

Caspar Hoyer, der Freund Bogers.

Seit der Zeit seines Rostocker Aufenthaltes richtete Boger eine größere Anzahl Gedichte an einen Caspar Hoyer 1 ), dessen nähere Beziehungen zum Fürstenhause gelegentlich angedeutet werden. Die letzteren ließen sich leicht verstehen, wenn er ein Verwandter des Magister Hoyer ist, welcher Domherr zu Schwerin und Güstrow war und innerhalb der Jahre 1486-1490 eine Gesandtschaft nach Rom für den Erzbischof von Riga Michael (Hildebrand, 1484-1509) übernahm 2 ). Caspar Hoyer wurde in Rostock Mitglied der Universität; vermuthlich ist er der 1478 in die Matrikel aufgenommene Jasperus Hoyer de Lubeke, der später legum doctor genannt wird, auch der Jasper Hogher, welchen Schröder 3 ) 1496 als Vikar in Wismar nennt, und der auch urkundlich 4 ) so heißt (worauf bei der damaligen Leichtfertigkeit im Sprechen und Schreiben von Eigennamen 5 ) nicht viel Gewicht zu legen ist). In Wismar wird Caspar als Magister und Leiter der Jugend 6 ) von Boger bezeichnet; daß er als Dichter bekannt sei, wird öfter gesagt, leider alles ohne Angabe der Zeit. Boger suchte seine Freundschaft:

Non magni facias, si te prior ecce salutem,
    Etas hunc animum, non tumor ipse parit,
Indolis electe, Musarum fönte rigate,
    Quem fovet in gremio Philosophia suo,
Cui 7 ) digitos aurum, cathedre toga corpus honestat,
    Et fuscedo caput, trinus honoris apex,
Cujus remigio docilis gavisa juventus
    Pollet: Wismarie docte magister, ave!

Dies war das erste Gedicht an ihn; es könnte um 1492, aber auch später geschrieben sein, Hoyer war damals jung. Das remiginm juventutis weist auf ein geistliches


1) Etherol. fol. 61. 61 b. (Ad eundem in negotio tunc solicitature [der Aufmunterung ?] egenti). 129b (Quattuor cancellarium carmen. Akrostichon: Illico Casparem jubet hic Hinricus avere). 131. (Quinta cancellaris eidem consignatio, aus Bologna, etwa 1503? "Ex urbe optanti Benevolea cani"). 159. 159 b. 219 b.
2) Lisch Jahrb. 16, 67 f. und 268.
3) Papist. Meckl. S. 2583.
4) Im Rathsarchiv zu Wismar, nach freundlicher Mitth. des Herrn Dr. Crull.
5) Vergl. die Rostocker Namen bei Hadus, Camene (Allg. D. Biogr. 11, 307) und Hutten (Opera, ed. Boecking I, p. 10 ff.; III, p. 41 ff.).
6) Ether. fol. 61.
7) M.: qui.
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oder Lehr=Amt. Er war aber Jurist und lebte auch, trotz der Jugendlehre zu Wismar, in Rostock neben einem Johannes, "qui Moysi indulget" 1 ). Boger betont ihm gegenüber seine Theologie: Vinea me Sabaoth servet, te cura senatus 2 ), 1503 correspondirt er mit ihm poetisch aus Bologna. 1506 im Sommer war Hoyer Rector der Universität und heißt Dr. legum; dann wird er in langer Zeit nicht genannt. Aufschluß giebt die Vorstellung der Universität an den herzoglichen Kanzler Caspar von Schönaich vom 24. April 1530 3 ), welche den Doctor Hoyer mit unter den Professoren und Collegiaten nennt, die wegen Verschlechterung der Einkünfte von der Universität fortgezogen seien. Nach der Randbemerkung neben seinem Namen in der Matrikel 4 ) (wenn er der Jasper Hoyer ist) wurde er Syndicus zu Stralsund. Er muß aber eine Dompfründen=Expectanz gehabt und auch sein Lehramt wieder aufgenommen haben denn 1557 taucht er in Rostock plötzlich wieder auf als Dr. "Caspar Heyer", Probst und Archidiacon, Lehrer des kanonischen Rechts, ein alter Mann, der schon 1506 Rector der Universität gewesen war 5 ). Auch am 9. Mai 1858 lebte er noch 6 ), zwischen diesem Datum und 1565 ist er gestorben. War er Propst in Rostock, so ist er zugleich Pfarrherr von St. Marien gewesen, der letzte katholische, jedenfalls also vor Techens. Die Familie Hoyer kommt in Lübek und in Hamburg schon im 14. Jahrh. vor.


Anhang 2.

Der älteste Druck des Gedichts auf die Dithmarschen=Schlacht von1500.

Das lateinische Original des niederdeutschen Gedichtes "van der wunderwysen lesten slachtinge in deme lande to Dethm'." hinter der Kirchbergschen Chronik ist von Schönemann und Lisch in Bogers Etherologium aufgefunden. (Jahrb. 6, 480; 9, 484). Die Elegie: Perculso gravitate rei vox faucibus heret steht im Etherologium fol. 34 bis 35; unten auf 35 b. folgt: Triplex desuper Cronographia per literas numeri usualis (!), davon steht ein Distichon noch auf fol. 35 b., zwei andere fol. 36. Ich habe diese mit der deutschen Uebertragung, die ich Tileman Hever=


1) Eth. 159.
2) Fol. 159 b.
3) Lisch Jahrb. 10, 194.
4) S. auch Krabbe S. 244 (nicht im Register).
5) Lisch Jahrb. 16, 24-26 (nicht im Reg.).
6) Das. S. 54.
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lingh zuschreiben möchte, jetzt in der Zeitschrift für Schleswig=Holstein=Lauenburgische Geschichte Bd. XI herausgegeben, dort auch auf die ältesten Fassungen des lateinischen Originals hingewiesen und dargethan, daß auch das erste der Dithmarschen=Lieder bei Neocorus aus der Bogerschen Elegie seinen Ursprung genommen hat. Auch davon ist der älteste Druck in Rostock erschienen und in einem Bruchstück auf der Universitäts=Bibliothek erhalten. Für das von der Universität ausstrahlende geistige Leben in jener Zeit sind diese Nachweise ebenso bedeutend, wie für die Entstehungsweise der genannten Lieder.

Auf Bogers Beziehungen zu einem Dr. Hinricus Meyer Theomarcius (Ether. fol. 84) ist oben aufmerksam gemacht. Ich möchte ihn für den Hamburger Domherrn von 1499 halten (Staphorst 1, 4, S. 163, 164), welcher der Domcantor von 1520 sein könnte (Ib. 1, 1 S. 684).

Der Schluß des Gedichtes mit der Jahreszahl steht im Original der Elegie (Jahrb. 45, 37), und daher wird auch im Gedichte von der Rostocker Fehde der ähnliche Abschluß dem lateinischen Original angehören.


Anhang 3.

Dietrich Block (Truncus), der Freund Bogers.

Block war aus Hildesheim gebürtig, hatte in Erfurt studirt und war dort Doctor geworden, wurde dann als Mitglied der Artisten=Facultät in Rostock immatriculirt am 24. Mai 1502 und war Docent der Medizin. Aus Bogers Aeußerungen scheint hervorzugehen, daß er auch dichtete. Da ein Theod. Block aus Hildesheim einen Fasciculus poematum herausgegeben und darin einige Gedichte des Jacob Questenberg aufgenommen haben soll 1 ), der Letztere aber als Erfurter und Wernigeroder Freund Bogers in diesen Kreis gehörte, so ist dieser Verfasser oder Herausgeber des Fasciculus unfraglich der oben genannte. Bogers Freundschaft verschaffte ihm wohl eins der fünf Collegiaten=Canonicate zu St. Jacobi in Rostock; zugleich war er Rector einer


1) Nach gütiger Mitth. des Herrn Archivraths Dr. Ed. Jacobs in Wernigerode kommt die Angabe vor in Chr Fr. Kesslins Schriftst. und Künstler der Grafsch. Wernigerode (Magdeburg 1836), S. 267. Questenberg ist oben S. 115 zum Jahre 1494 genannt; in Wernigeroder Kalandsrechnungen vom Banne Utzleben fand Jacobs 1511 12 eine comestio Questenberges, vermuthlich ein Erinnerungsmahl. In der Erfurter Matrikel steht er 1482, S. 394, Sp. 1, 36.
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Pfarrkirche in Wismar und Besitzer je einer Vikarie zu Hildesheim und Halberstadt. 1507 schon war er in Wittenberg als Arzt und Professor immatriculirt, wurde Augustiner=Prior und zum Mitrector cooptirt, dann 1508 Rector der Universität 1 ). Das Halberstädter Vikariat weist auf eine Verwandtschaft mit zwei älteren Theodorici Block, welche im Halberst. Urkundenbuch Bd. II erscheinen. Der eine kommt vom 11. März 1473 bis 25. September 1492 als custosthesaurarins zu St. Marien in Halberstadt vor, 1492 hatte er versprochen 2 Commenden in der St. Peters=Capelle des Bischofshofes zu stiften; er starb 1497 vor dem 29. Mai als Decan desselben Capitels. Er schreibt niederdeutsch am 19. Jan. 1484 ""Ek Theodericus" etc.; diese Pronominalform ist Hildesheimisch. Vergl. Halberst. Urk.=Buch II, Nr. 1044, 1066, 1079 Anm., 1104, 1106, 1117, 1164 Anm., 1171 und 1213; auch Ilsenburger Urk.=Buch 395.- Für einen gleichnamigen zweiten halte ich, trotz Urk. 1171 Anm., den Decan zu St. Pauli in Halberstadt von 1456 bis 1467. (Ibid. Reg. S. 531.) Im Text der päpstlichen Bulle, Urk. Nr. 1017 vom 7. März 1464, worin er decanus eccl. S. Pauli Halberst. heißt, ist aber die Jahreszahl nicht als Schreibfehler in 1465 zu bessern, wie die Anm. will, sondern ist nach der Marien=Rechnung richtig, in welcher der 25. März als Neujahr gilt. Noch 1523 kommt in Halberstadt ein Testamentarius eines Dietrich Block vor; ob des jüngsten?


Anhang 4.

Bogers Freund Tileman Heverling.

Ueber diesen für die Rostocker Universität bedeutenden, aber von Hermann von dem Bussche und Ulrich von Hutten, nachher von Hamelmann verschrieenen, aus Göttingen stammenden Gelehrten vergl. Krabbe, Univ. Rostock 261 ff, und Allg. D. Biogr. 12, 344, wo ich ihn auch unter der Namens=Uebersetzung Levanius nachgewiesen habe. Hutten übersetzte ihn höhnend Philopompus, "der sich Überhebende"; Bussche scheint auch absichtlich die damalige Schreibart u - v benutzt zu haben, um einen Heuerling, Miethling, Lohnarbeiter anzudeuten. Allerdings hatte sich Heverling Eingriffe in sein


1) Blanck, Mekl. Aerzte - Ueber die Halberstädter Dignitarien sind jetzt zu vergleichen: Gesch.=Quellen der Provinz Sachsen Bd. 13, Urk.=Buch der Collegiatstifter etc . zu Halberstadt von Dr. Gustav Schmidt.
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Lehrgebiet von den Wandergelehrten nicht gefallen lassen wollen. Alle Gehässigkeiten steifen sich nur auf 2 Dinge: daß H. jenes Uebergreifen nicht dulden wollte, was man zu Neid und Habgier verdrehte, und daß er die römischen Dichter, namentlich Juvenal, nicht lateinisch, sondern niederdeutsch interpretirte, was der lateinisch conversirende Bussche, ein geborner plattdeutscher Westfale, als "sordes barbariemque discere" zu benennen sich nicht entblödete. Heverling ist von 1501 bis 1511 in Rostock nachzuweisen als Regens der Bursa zum Rothen Löwen. Da wir noch immer die niederdeutschen Uebersetzer und Bearbeiter jener Zeit nicht genügend kennen, namentlich auch von dem deutschen Umdichter der drei oben genannten Bogerschen Poeme nichts wissen, so ist seines Freundes Heverling niederdeutsches Dociren vielleicht eine Spur, die weiterführen könnte. Aus den in diesen Gedichten durchlaufenden pron. seck, sek, eck, ek (auch Jahrb. 45, S. 44, Z. 154 und S. 45, Z. 179), namentlich aber aus einem verrätherischen gik für ju oder juw, habe ich auf göttingisch=calenbergische Herkunft des Verfassers geschlossen, der die auffälligsten Formen seines Dialektes zu meiden suchte. Das wäre damit Heverling. S. Zeitschrift für Schlesw.=Holst.=Lauenb. Gesch. XI, S. 7.


Anhang 5.

Alphabetisches Verzeichniß der von Boger besungenen, im Text nicht besprochenen Gelehrten.

Aquilaris , Henricus, praepositus Halberstadensis ad S. Paulum. Ihm ist eine Grabschrift gewidmet, Etherol. 120 b.

Aveneus , vielleicht Habermann? Eth. 190.

Bockholt , Hinrich, Propst zu Lübek bis 1523, dann Bischof. Er ist schon oben zum Jahre 1492 genannt, wo er sich in Rom aufhielt; eine Umschreibung seines Namens (misticatio) bringt Eth. 60 b., auch 160 ist er erwähnt.

de Bramstede , Luderus, Propst in Zeven, zugleich Propst (Archidiacon) in Rustringen und in Verden, † vor 22. Mai 1499. Ihm ist eine Grabschrift gewidmet, in der 2 Brüder als Propst und Abt erwähnt werden; es sind Dr. Otto B., Probst in Hadeln und Wursten seit 1496, † 21. December 1518, und Johannes Bramstedt, Abt zu St. Marien in Stade 1475-1503. Eth. 120. Vergl. Archiv, des Stader V. für Gesch. etc . 7, 144.

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de Broytzem , Tilo, † 1484 an der Pest:

Credula cum vigilem plebs per jejunia lucem Servaret Jacobo peste feraque lue.

Seine Frau Remburga, eine geborene Hudessem (Hudessemia neptis), starb 1498, virginis ante diem mox orientis, wohl am 7. December. Erst nach ihrem Tode verfaßte Boger das Epitaph, Eth. 113. Einen Johannes de Hudsem finde ich 1335 zu Wismar bei Lisch, Jahrb. 29, 105.

Cliczing , Albert, Propst zu Hamburg. Ether. 58. Er gehört dem Märkischen Adelsgeschlechte an, als Stammburg wird "Dregueia predia" in der Priegnitz genannt, seine Mutter ist eine Molndorp. Sein Wappen bezeichnen die Worte: Pilea dehinc satrapum fulvis insignibus alta subcandente situ, d. h. Fürstenkappen, was freilich in Bezug auf die Farbe nicht genau ist. Vergl. Mitth. des Hamb. Vereins l. c.

Fistulator , Dominus Gotscalcus (Piper?) Adeleuessensis, also aus Adelepsen bei Göttingen, erhielt eine Grabschrift. Eth. 117 b.

Gandershemius , Jo., wird deo dicatus, Priester oder Klosterbruder, genannt, † 1482. Eth. 120.

Gebhardi , die mir unbekannte Gebhardorum familia kommt Eth. D. 1 und ein Gherardus ebenso fol. 170 vor.

Grawerock , Nicolaus, Propst zu Lübek seit 1482, früher zu Kloster Lüne, ist in den Versen fol. 95 von Mantels erkannt:

. . . . Lune genitum sub urbe -
Blasius collegam fatetur │ Prepositumque.

Der Heilige Blasius, welcher fol. 84 b. Braunschweig bezeichnete, ist hier der Patron des Lübeker Domes.

de Hildensem , Richardus, hat ein Gedicht de pace geschrieben und gab einmal drei Erfurtern etwas zum Besten, Hinricus und Konrad aus Osnabrück und Hinricus aus Braunschweig, Eth. 217 b.

Jans , Bertoldus, wird expertissimus curtisanus genannt, d. h. wohl bewandert mit den Schlichen am päpstlichen Hofe, zugleich aber bezeichnet das Wort einen der geistlichen Angestellten der Curie. Sein Epitaphium steht fol. 117 b.

Institor , (Kramer, Krämer), Hermann, Fol. 157 b.

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Lone , Dr. N., wenn nicht (auch im Directorium) verdruckt für Loue, dann wäre es der bekannte Rostocker Professor, auch Louwe, Löwe, Leo genannt. Ein Gedicht an ihn steht fol. 55.

Marquardi , eine Göttinger Familie. Der frühe Tod des Johann M. wird fol. 117 besungen, ein Trostgedicht an den Franziskaner (Franciscitam) Hinrich M. steht fol. 144.

Mauritii , Dr. Thomas, ein Jurist, erhielt eine Anrede fol. 62 (66).

Michaelis , M. Nicolaus; ein Gedicht auf seinen Tod steht fol. 120 b.

Osthusen , Henning, aus Erfurt gebürtig, war Protonotar und Rector zu St Marien in Lübek. Sein Name ist fol. 95 umschrieben: "a domo gestans Oriente testem".

Panicus , Petrus, Rector St. Columbani, etwa in Erfurt? Der Name scheint aus Herse, Heese oder Heesemann latinisirt. Fol. 60 b.

v. Retberghe , Graf, aus der Westfälischen Familie v. Retberg oder v. Ritberg. Boger hat eine Klage über seine Gefangennahme (1484) verfaßt, auch einen Jahresvers. Fol. 161b. und 114 b.

Roer : Das fol. 119 b. stehende Epitaphium ist als "Domini Doctoris Roer Cruciferi" überschrieben. Die Anspielung "nomen canne" beweist, daß das e im Namen nur dehnen, und Ròr gesprochen werden soll. Da er Doctor heißt, wird Crucifer wohl den Komthur zu Wildenbruch und Nemerow bezeichnen, der im Jahre 1490 nach Lisch Jahrb. 1, 17 und 9, 73 vorkommt. Er ist dann aber nicht kurz vor 1529, sondern vor 1505 gestorben.

Saxo : Illustris Baro de Saxo (von und zum Stein?), tunc ambasiator, hat ein Gedicht fol. 84 erhalten.

Schomaker , Mag. Johannes S. Luneburgensis, in jure licenciatus; an ihn ist ein Gedicht fol. 113 b. gerichtet, mit der Namensumschreibung "Calcificum specimen deliciumque domus". Der Verdener Decan Nicolaus Schomaker ist der überaus reiche, oben S. 114 genannte Gönner Bogers, dessen Vater Hartwich († 1476) Lüneburger Proconsul war. Die ganze Familie wird in dem großen Gedichte fol. 171 ff. besungen. Des Nicolaus Bruder Hartwich hatte das Schloß Blekede vom Rath zu Lüneburg inne; die Fehden mit dem Lauenburger Raubadel von dieser Burg aus in den Jahren 1475 bis 1477 verbanden ihn mit Herzog Magnus von

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Meklenburg, der ihn in sein engstes Vertrauen zog und seinen Sohn, Herzog Heinrich, von ihm aus der Taufe heben ließ. Dieser jüngere Hartwich starb 1504. Vergl. Archiv des Stader V. f. Gesch. etc . 7, 143 f.

Dr. Jo. Seburgh , fol. 218; Poeta Seraphinus, fol. 113; M. Nicolaus Solckow, fol. 63 und Hinricus Suring aus Braunschweig, fol. 72: über diese vier fehlt mir weitere Kenntniß.

Tancken , Dr. Marquardus (Pfarrherr zu St. Nicolai in Wismar, † 28. Sept. 1505, s. Schröder P. M. 2761). Als sein Wappen wird fol. 133 angegeben: Bärenklau, Kiste (desipit arca tenax), die andere Hälfte eine halbe Burg.

Vischer , Hinricus, wird als poeta laureatus begrüßt fol. 133 und 152.

Wedege . Den Tod des dominus Johann W. aus Bremen beklagt Boger fol. 117. Er wurde erschlagen, als er auszog, Schulden zu bezahlen. Er könnte ein Bremer Rathsherr sein. Vergl. Archiv des Stader V. l. c.

Westphal . Ueber Wilhelm Westphahl, den Lübeker Domdecan, ist schon oben S. 114 berichtet; vergl. fol. 93 b., 160 und 178. Auf den Lübischen Bürgermeister Johann Westphal und seine Frau verfaßte Boger ein Epitaphium, vergl. fol. 111; nach Mantels starb ersterer 1474 am 4. December, letztere 1466.

Wunstorp , Hinrich, Dr. med., † 1479 am 31. Juli, erhielt ein Epitaphium fol. 111 b. Einen Hinricus Wunstorp, provisor fraternitatis S. Johannis ad fabricam in Hamburg, finde ich bei Staphorst, Hamb. Kirchengesch. 1, 1, 225.

Ohne Eigennamen kommen noch vor: (fol. 119) ein 1490 am Hofe des Königs (in curia regis) plötzlich verstorbener Botschafter (ambasiator), und ein Magister Wilkinus N. (fol. 133), der aus Braunschweig stammte und dreimal Rom sah. Als sein Wappen wird angegeben: ein goldener Schild, in der Mitte 3 Balken, ein schwarzer Löwe.


Anhang 6.

Andere Dichtungsstoffe, welche oben nicht genannt wurden.

1) Das heilige Blut zu Schwerin, B5 (fol. 11 a. 12); vergl. Lisch Jahrb. 9, 484. 2) Das Eimbecker Blutbad vom 12. Mai 1479, fol. 36 und 114 b. Es ist nur Wortgeklingel.

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3) Die wunderherrliche Erbauung der Burg zu Halle (sumptuosa et perstupenda arcis Hallensis erectio), fol. 38. 4) S. Modoaldi relatio. Fol. 68 f. Der Stammbaum des Heiligen wird von Arnulf herabgeführt. 5) Auf das 1294 gestiftete Kloster Blankenburg in der Grafschaft Oldenburg. Fol. 26. Es wird darin speciell der angeblich im Stedingerkriege erschlagene Mönch Heinrich gefeiert. 6) Auf den 1373 am 24. Juni auf dem Chor unschuldig erschlagenen Capellan Johannes Rose. Fol. 114. Ich vermag weder über die That selbst noch über den Ort Angaben zu machen. 7) Jahresdisticha. Fol. 114 b. bis fol. 116. Soweit diese nicht schon oben im Texte oder in den Anhängen genannt wurden, sind es folgende: a. Die große Sonnenfinsterniß von 1478, prima die post Pantaleon. b. Die Niederlage von Holzminden 1475 (Succubitio Holtminnensis). c. 1480 "Felicis injanuatio cepit convivium Fabiani visi sunt hermodactili". Ich weiß nichts damit zu machen. Hermodactili sind sonst die squillae, auch zitelosen, tidelosen genannten Pflanzen und Drogen, d. 1499 auf die Niederwerfung (Stratio) von Nymwegen durch den Herzog von Cleve. e. Auf die Belagerung von Rhodus 1480 (verdruckt 1580). f. Auf die Belagerung (coangustatio) von Neuß 1475. g. Die Eroberung des Königreichs Granada (Granata) durch den König von Spanien 1488.

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VI.

Der Leibarzt Dietrich Ulsenius.

(zu Jahrb. XXXIX, S. 53 ff.)

Vom

Gymnasialdirector Dr. K. E. H. Krause.


U eber die Vorgeschichte des Dietrich Ulsenius läßt sich aus dem Sammelbande des bekannten Humanisten und Arztes Dr. Hartmann Schedel in Nürnberg einige Kenntniß erlangen, den Dr. Anton Ruland aus der königl. Hof= und Staatsbibliothek zu München im "Serapeum" 1855, Nr. 11 ff. beschrieb.

Die Abschriften, welche Ulsenius betreffen, folgen auf Schedel'sche Eintragungen von 1496 und 1498 und vor einer von 1500; jene werden also auch, da sie älter sein müssen, als Schedel schrieb, in die Zeit der neunziger Jahre des 15. Jahrhunderts gehören. Der gelehrte Sammler copirte aber die folgenden Gedichte (vergl. Serapeum l. c. S. 170 f.):

A. Hegius ad librum T. Ulsenii medici et poetae,
Th. Ulsenius A. Hegio Daventriano Ginasiarchae,
Ad. P. Bonomum T. Ulsenius,
Ad T. Ulsenium P. Bonomus,

ferner eine Zuschrift an Georg Truchseß von Waldburg:

"Georgio Truchsess, Religioso Patri et Fratri",

der eine poetische Erklärung seines Wappens gewünscht hatte. Ulsenius giebt diese in 3 Distichen und erklärt den Namen Truchseß von "Drucths, Essen", als Dapifer, während Archimagiros, Archidapifer oder Architruchsess der Pfalzgraf am Rhein sei. Das nicht datirte Schreiben unterzeichnet er: Th. Ulsenius tuus.

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"Erratum ni semper eas, mi chare Georgi,
Theutonibus dru o chses est Latiis dapifer."

Im Serapeum ist der ganze Brief abgedruckt.

Ob die gleich darnach von Schedel abgeschriebenen Stücke: "Querela Reginae Franciae viduae" und "Ad Lectorem" auch dem Ulsenius zuzuschreiben seien, bleibt fraglich; dann folgt aber:

"Theodorici Ulsenii inscriptio libro de pacientia facta", und nach einer "Spielerei auf einige Medicamente" erwähnt Ruland noch (ich weiß nicht, ob es dazu gehören solle):

"Brodium Hartmanni simulat scienciam Theodorici blandore" etc.

Aus dem letzteren, nicht ganz verständlichen Satze erhellt wenigstens die Freundschaft zwischen Schedel und Ulsenius; den Georg Truchseß, dessen Titulatur rel. pater et frater auf einen Abt oder Ordensprovincial zu weisen scheint, kann ich nicht genauer bestimmen. Die gegenseitige Ansingung mit Hegius, dem berühmten Rector der Deventer'schen Schule, könnte andeuten, daß Ulsenius den Unterricht dieses Mannes genossen habe. Da Schedel vieles Gedruckte abschrieb, können die oben angeführten Gedichte aus den mir nicht zugänglichen, von Blanck, Mekl. Aerzte S. 4, erwähnten Elegiae et epigrammata stammen. Nach dem Sprachgebrauch jener Zeit ist der "Liber de pacientia" nicht von Ulsenius, sondern er hatte nur eine vorzudruckende empfehlende poetische Epistel dazu verfaßt. Peter Bonomus aus Triest war kaiserlicher Protonotar und poeta laureatus, der Epistolae und Epigrammata herausgegeben. Vergl. Jöcher. Es fällt auf, daß Boger, der doch der fürstlichen Familie, namentlich Herzog Erich, so nahe stand und fast alle berühmten Rostocker und Norddeutschen mit lateinischen Gedichten beglückte, namentlich auch Lübeker, mit dem berühmten Arzte und Poeten Ulsenius nicht in Verbindung getreten zu sein scheint, obwohl dieser schon ein Jahr vor Bogers Tode von dem meklenburgischen Hofe und speziell dem kranken Herzoge Erich herangezogen war. Das Epitaphium auf den 1503 1 ) verstorbenen Herzog Magnus wird erst nach Bogers Abscheiden von Ulsenius verfaßt sein, da die Anspielung darin auf die Judenver=


1) Nach den Genealogien, auch im Staatskalender, am 20. November. Marsch. Thur. (Jahrb 39, 57) nennt aber X kal. December = 22. November. - Vergl. oben S. 08 und 82.
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brennung zu Sternberg sich direct auf das diese That verherrlichende Boger'sche Gedicht zu beziehen scheint.

Auf zwei Versen dieses Epitaphs, das freilich ein Arzt verfaßte, aber nicht der behandelnde, auch nicht einer, der den Kranken sah, beruht die im Jahrb. 39, S. 50 ausgesprochene Ansicht, daß Herzog Magnus am orientalischen Aussatz, der lepra, gestorben sei. Es sind die Verse:

"Nam dum saeva lues toto grassatur in orbe
Lichnica, crustosis ulcera stigmatibus."

S. 52 desselben Bandes (unten) wird dieser Aussatz auch vermuthungsweise als Herzog Erichs Krankheit genannt.

Die Lues lichinica etc. wird durch "räudiger Aussatz" und "ansteckende Räudigkeit" wiedergegeben; was die ohnehin völlig unsichere Diagnose jener Zeit darunter verstand, ist aber durchaus nicht sicher. Daß damals, im Anfange des 16. Jahrhunderts, die lepra als saeva lues über den Erdkreis, oder nur Europa, gelaufen sei, davon ist meines Wissens nirgends die Rede. 1495 giebt Hartmann Schedel an: "dum pestis apud austriam, bohemiam, bajoariam fimbrias suas extendit" (Serapeum l. c. 162), und Wilibald Pirkheimer schrieb im October 1494 "a Ticino": "cum quotidie totam ferme Germaniam pestilenti lue infectam esse audio" 1 ) (Serap. l. c. S. 163). Diese Pest oder "lues" von damals, während deren Wüthen in Süddeutschland Schedel und Ulsenius in Nürnberg Waren, vermag ich aber nachzuweisen. Am Main wurde in derselben Zeit geschrieben, wie ich im Jahrb. des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 4, S. 95 (vergl. 5, 190) mittheilte:

Planta surrexit mortis, quam medici sie vocabant,
Nomen ejus Poccas . . . . .
At vulgus vulgo vocavit malefranzosa,
Nomen indens ei regis a Franciae terra.

Im Wolfgangk Hamer'schen Holzschnitt des Heiligen Minus, der gegen diese Seuche schützen sollte, sind die Anbetenden deutlich Pockenkranke, und die Unterschrift nennt ebenfalls "mala frantzosa" "die grausamlich Kranckheit der blattern".

Auch in den Halberstädter Bruchstücken des 15. Jahrhunderts in demselben Jahrb. f. niederd. Sprachf. 3, 64


1) Von einer Pest unter den Franzosen in Italien schreibt er nichts.
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und 65 wird die Krankheit genannt (angeblich nach einer in Frankreich gefundenen Schrift von 204 p. Chr.): "mala francosa" und "de bleddern Sti Job." - "de is seker vor den bladdern genant Jobs bleddern edder mala frantzosa" - "hef up disse plage der bladderen, mala franzosa genant, unde lat mik armen sunderinnen nich beflecket werden".

Ich denke mir, es sei klar: die Pest der neunziger Jahre war eine bösartige Pockenseuche, welche über Europa sich ausbreitete; sie wird 1496 die Franzosen in Neapel decimirt haben, nicht die Syphilis; und sie, wähnte man, sei aus der neuen Welt gekommen, d. h. doch nur: durch die Spanier verbreitet! So sagte Sebastian Franck (aber ad a. 1491), so die Hamburger Chronik bei Lappenberg, S. 414, welche a. 1498 das erste Auftreten "der grusamen plage", "de men de Franzosen nomet", angiebt. Damals muß sie sich also in Norddeutschland verbreitet haben.

Auf sie wird vermuthlich auch die "lichnica lues" und die Geschwüre (Pusteln?) des Herzogs Magnus zu deuten sein; er starb an der damals im Norden noch unbekannten Seuche der Pocken. Daß 1503 eine Lepra=Pest über Deutschland gelaufen sei, darüber verlautet nichts; auch ist jetzt bekannt, daß die Lepra nicht ansteckt, also pestartig nicht weiterlaufen kann, wohl aber hartnäckig vererbt und daher in Deutschland und Mittel=Europa durch Isolirung in den Leprosen=Häusern und Colonien zum fast völligen Aussterben gebracht ist. Es ist daher auch schwerlich die Lepra, von der Gustav Adolf von Schweden noch 1620 sagte, daß "die böse ansteckende Krankheit, der Aussatz, auf der Seeseite, meist in Finnland" 1 ), überhandnehme, obwohl wir wissen, daß jene in Norwegen, vielleicht auch in Finnland, noch forterbt; denn gerade 1620, 1621 und 1622 raffte eben eine "Pest" in Süd=Schweden und Finnland eine Menge Menschen weg und war überaus ansteckend, so daß, als sie 1622 nach Stockholm kam, dort in diesem und dem nächsten Jahre 20000 Leute gestorben sein sollen. Auch 1625, 1629 und 1630 wüthete sie dort 2 ).

Daß die Krankheit des Herzogs Magnus bösartige, rasch hinraffende Pocken waren, geht wohl deutlich daraus


1) Geijer=Leffler Gesch. Schwedens 2, 80
2) Ebenda 2, 50 und 82. 1629 verlief sich auch die Universität von Upsala. In Deutschland wird während des dreißigjährigen Krieges einmal die "Pest der rothen Ruhr" genannt.
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hervor, daß die Ulsen'sche Grabschrift ein rasches Ende mitten in größeren Plänen, nicht ein langes Siechthum angiebt.

Gerade diese ausdrückliche Nachricht von dem schnellen Tode verbietet auch unbedingt an die heute übliche Bedeutung des damaligen Seuchennamens franca lues oder mala francosa zu denken; noch Luther bedient sich seiner in ruhiger Rede neben Pestilenz und Fieber als gleichwerthig mit "Blattern", den schwarzen Pocken 1 ). Man kannte ja freilich, wie historische Beispiele, selbst das des Kaisers Karl V., lehren, auch die andere Krankheit und verwechselte häufig beide; erst Paracelsus 2 ) scheint sie streng unterschieden zu haben. Die Spur der Verwirrung ist indessen noch im Simplicissimus zu finden, und im Italienischen kreuzten sich ebenso im vorigen Jahrhundert die beiderseitigen Namen, wahrscheinlich auch heute noch.

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1) Grimm, deutsches Wb. 4 (Weigand), 62 f.
2) Allg. d. Biogr. 12, 675 ff. v. v. Hohenheim. Vergl. übrigens auch die bekannte Schrift Ulrichs v. Hutten. Neuerdings besprach L. Conrady den Gegenstand im Anz. f. d. Kunde d. deutschen Vorzeit 28, Nr. 11.
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VII.

Das Bisthum Schwerin

in der evangelischen Zeit.

Vom

Archivar Dr. Fr. Schildt.

I. Theil.


E s ist bekannt, daß die beiden meklenburgischen Bisthümer Schwerin und Ratzeburg, nachdem die Reformation in unserm Lande eingeführt war, noch etwa hundert Jahre lang als selbständige geistliche Stifte fortbestanden, die nur insoweit ihren Charakter veränderten, als es die Annahme der lutherischen Confession bedingte.

In mancher Hinsicht sind die evangelischen Bisthümer eine eigenthümliche Erscheinung, und das genaue Studium ihrer Geschichte ist deshalb von nicht geringem Interesse. Daß trotzdem die Bearbeitung der Geschichte des lutherischen Stifts Schwerin bisher nicht unternommen ist, hat einfach darin seinen Grund, daß die Specialarbeiten, die in der neueren Zeit in nicht geringer Zahl erschienen, doch so bald nicht alle interessanten Abschnitte der Geschichte unseres engeren Vaterlandes behandeln konnten.

Die vorliegende Arbeit soll nun den Anfang machen zu einer Behandlung der Schweriner Stiftsgeschichte in ihrer letzten Periode, in der evangelischen Zeit. Diese Periode mag der Kürze wegen als die Zeit der Administration bezeichnet werden; es rechtfertigt sich diese Bezeichnung deshalb, weil während jener Zeit die Herrscher des Stiftes gewöhnlich nicht, wie ihre katholischen Vorgänger, Bischöfe, sondern in der Regel Administratoren genannt wurden.

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Tafel III
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Nach der Absicht des Verfassers wird die Abhandlung über das evangelische Stift in drei Abschnitten:

1) die Beschreibung,
2) die innere Geschichte,
3) die äußere Geschichte

in größerer Ausführlichkeit bringen. In dem diesjährigen Band unserer Jahrbücher erscheint zunächst der erste Abschnitt.

I. Die Beschreibung des Stiftes.

Das für die Beschreibung benutzte Quellenmaterial befindet sich bis auf ganz geringe Ausnahmen im hiesigen großherzoglichen Geheimen= und Haupt=Archiv; einige im hiesigen großherzoglichen Amte befindliche Acten über Hilgendorf und Wickendorf sind dem Verfasser vom Herrn Amtsmitarbeiter Krefft freundlichst zur Benutzung gestellt worden, und Herr Districts=Ingenieur Darjes zu Bützow machte bereitwillig einige Mittheilungen über die Aemter Bützow und Rühn. Hauptsächlich dienten als Quellen: 1) "Landbuch und Beschreibung des Schwerinschen Stiftshauses und Amtes Bützow" vom Jahr 1581 1 ), angeführt unter der einfachen Bezeichnung "Landbuch", und 2) "Description des ganzen Stifts Bützow, wie es anno . 1631 und anno . 1632 befunden", angeführt als "Description". Die übrigen Quellen sind, so weit es nöthig und thunlich schien, am gehörigen Ort genauer angegeben.

Das Stift Schwerin zerfiel in Hinsicht des Besitzstandes in die Theile:

A. Stiftsstädte,
B. Stiftsämter,
C. Capitelsdörfer,
D. Güter und Dörfer der Stiftsritterschaft,
E. Kloster Rühn 2 ).

A. Stiftsstädte.

Was die Beschreibung der Stiftsstädte betrifft, so ist die größtmöglichste Ausführlichkeit nicht erstrebt, es soll nur ein ungefähres Bild derselben gegeben werden. Eine vollständige Darstellung wird auch nur in einer Bearbeitung der ganzen Geschichte der Städte möglich sein


1) Vergl. Jahrb. 4 B., S. 20.
2) In dieser Reihenfolge sind die einzelnen Theile behandelt.
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1) Die Stiftshauptstadt Bützow.

Die Stadt Bützow ist durch die natürliche Beschaffenheit des Ortes auf einen verhältnißmäßig kleinen Raum beschränkt. Nur nach Norden zu ist eine Erweiterung leichter ausführbar, da man dort festen Boden findet, während nach allen anderen Richtungen hin Wasser und Wiesen die Stadt umgeben. Aber auch nach Norden engte man sich sehr früh ein, indem man dort durch Mauer, Graben und Wall eine feste, zum Theil noch jetzt erhaltene Grenze zog. Die Beschränktheit des Raumes ließ größere Veränderungen, auch selbst innerhalb der Stadt, nicht leicht zu, und in der That sind die Veränderungen des Stadtplans während der letzten Jahrhunderte nicht erheblich. Im hiesigen Archiv wird ein "Grundriß von der Stadt Bützow wie selbige im Jahre 1688 sich befunden", aufbewahrt, und dieser Grundriß sieht einem jetzigen Plan, abgesehen von den Bauten vor den Thoren, recht ähnlich 1 ). Aber auch in der nächsten Zeit vor 1688 sind sicher nicht bedeutende Umwandlungen in Betreff der Straßenzüge und der Lage der Hauptgebäude geschehen, so daß man sich nach der Darstellung des genannten Grundrisses zugleich ungefähr ein Bild von dem Stadtplan machen kann, wie derselbe mehrere Jahrzehnte früher beschaffen war. Deshalb ist unter Tafel III. eine Copie des Grundrisses in verkleinertem Maßstabe dieser Beschreibung beigegeben.

a. Die Stadt im engeren Sinne.

Da die nächste Umgebung der Stadt, wie schon bemerkt, größten Theils aus Wiesen und Sumpf bestand, auf dem Grundriß mit "Morast" bezeichnet, so fühlte man schon in sehr früher Zeit das Bedürfniß, die in die Stadt führenden Wege durch Steindämme fest und trocken zu legen. Jedenfalls waren zur Zeit der Administration die Rostocker, Wolkener und Rühner Landstraßen in der Nähe Bützows gedämmt. Außerhalb der Mauer hatte man Gräben, welche die Warnow speiste, zur Befestigung um die Stadt gezogen, und wo es anging, war zu demselben Zweck außerhalb des Grabens noch ein "Damm" (Wall) aufgeworfen.

Die Stadtthore waren dieselben wie heute: 1) das Rostocker Thor im Nordosten, 2) das Wolkener Thor im Südosten und 3) das Rühner oder Walker Thor im Westen. Die Namen der Straßen sind auf dem Grundriß leider


1) Einen Plan von der Stadt Bützow in der Jetztzeit theilte Herr Oberlehrer Dr. Hölscher zu Bützow dem Verfasser freundlichst mit.
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nicht angegeben, und in den älteren Acten hat der Verfasser nur die Faule Gasse und die Jöden=Straße verzeichnet gefunden. Sicher aber sind die noch erhaltenen Benennungen: Pfaffenstraße, Wollweber= und Wallstraße schon vor der Reformation entstanden.

Ungefähr mitten in der Stadt lag die der heil. Elisabeth geweihte Kirche 1 ), welche bischöflichen Patronats war. Nördlich von derselben bezeichnet der Grundriß einen Ort als den Kirchhof, südlich ein Gebäude als die Schule. Zur Kirche gehörten nach dem Visitationsprotocoll von 1544 zwei Bützowsche Kapellen: St. Jürgen 2 ) und St. Gertrud. St. Jürgen begegnet uns in den späteren Acten nicht mehr; die Gertruden=Kapelle auf dem Gertruden=Kirchhof, dicht vor dem Rühner Thor gelegen, kommt zuletzt 1619 vor, in welchem Jahr sie auf Befehl Herzog Ulrichs, da sie doch "dermaßen zerfallen, daß sie schwerlich wieder erbaut werden" könnte, abgebrochen und die Steine zum Wiederaufbau ihrer Kirchhofsmauer verwandt wurden.

Das Rathhaus war auf dem freien Platz östlich von der Kirche erbaut und grenzte nach Süden zu unmittelbar an den Markt.

Das städtische Armenhaus, "von Alters her der heil. Geist genannt", lag an der Stadtmauer in der Nähe des Rostocker Thors. 1690 war es mit 26 1/2 Morgen Acker dotirt.

Ueber die Bevölkerungszahl der Stadt giebt zunächst ein Steuerregister vom Jahre 1577 Aufschluß; nach demselben lebten in Bützow 350 Bewohner, die verpflichtet waren, eine Haussteuer zu zahlen. Ein anderes Steuerregister vom Jahre 1602 theilt die Stadt in vier Stadtviertel und giebt die Zahl der in den einzelnen Vierteln vorhandenen Häuser in folgender Weise an:

1. Viertel mit 69 Häusern, von welchem 11 "wüst"
2. " " 43 " " " 1 "
3. " " 131 " " " 17 "
4. " " 93 " " " 16 "

Summe

336 Häuser, von welchen 45 wüst 3 ).

1) Ueber die Gründung der Kirche wird berichtet im Jahrb. 8, S. 5 und 6; eine kurze Beschreibung derselben steht im Jahrb. 3 B., S. 162 ff. und Jahrb. 24, S. 313 ff, wo noch andere Abhandlungen über diese Kirche nachgewiesen sind; zur Geschichte der Kirche bringt Jahrb. 15, S. 315 einen kleinen Aufsatz. Ueber die Kirchenglocken s. Jahrb. 20, S. 357.
2) Vergl. Jahrb. 8, S. 5.
3) Daß so viele Häuser "wüst" waren, d. h. leer standen, war eine Folge der "Pest", welche (  ...  )
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Nach der Description von 1632 standen im

1. Quartier 29 Häuser, 34 Buden
2. " 19 " 22 "
3. " 45 " 64 "
4. " 32 " 43 "

Summe

125 Häuser, 163 Buden

Es waren also im Ganzen 288 zu Wohnungen für Menschen eingerichtete Gebäude vorhanden, welche indessen von nur 184 Familien bewohnt wurden. Darnach hatte die Stadt, welche 1577 sicher über 1500 Einwohner zählte, 1632 deren höchstens 1000.

Das Stadtregiment war in dem ebengenannten Jahre in den Händen zweier Bürgermeister (consules) und sieben Senatoren, und auf Grund mehrerer Acten darf man behaupten, daß vor und noch lange nach 1600 eine ziemlich gleiche Vertheilung desselben stattfand. Da jedenfalls die zu Senatoren erwählten Bürger zu den angesehensten in der Stadt gehörten, so scheint es von einigem Interesse zu sein, die aus dem Jahre 1632 überlieferten Rathmänner mit Angabe ihres Gewerbes namentlich aufzuführen. Es waren: 1) Apotheker Peter Strauß, 2) Barbier Henning Troye, 3) Goldschmied Wilhelm Ebers, 4) Brauer Claus Tack, 5) Hake (Krämer) Hans Gips, 6) Brauer Martin Witt.

Ueber die Jurisdiction berichtet das Landbuch von 1581: "Die Stadt ist dem Bischof unterworfen also, daß derselbe daran hat der obersten Gerichte zwei Theile; die niedrigsten Gerichte werden von der Stadt angemaßet, und wiewohl der Rath die auch zwischen Mühlen und Thoren haben will, ist doch der Bischof solches nicht geständig, allein was sie innerhalb ihres Thores können vertheidigen."

An das bischöfliche Haus mußte die Stadt nach dem Landbuch jährlich 58 M. 8 s. zahlen, und "wenn die Landbeden gehen, giebt die Stadt zu einfachen Landbeden jährlich 250 M."

Das Stadtfeld enthielt 1632 (nach der Description) 30 Morgen Acker und "geringe" Wiesen, welche zum Rathhaus gehörten, und 151 1/2 Morgen Acker, welcher im Besitz


(  ...  ) im Jahre 1581 u. a. O. auch in Bützow furchtbare Verheerungen anrichtete. Die Anzahl der Familien wird, nach der Zahl der bewohnten Häuser gerechnet, zu Anfang des 17. Jahrhunderts kaum 300 betragen haben, die Bevölkerungszahl mußte also, die Familie durchschnittlich auf 5 Personen veranschlagt, um etwa 300 geringer sein, als die vom Jahre 1577 (Vgl. Jahrb. 9, S. 208, Anmerk. 1.)
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von drei Quartieren der Stadt war. Bei einem Quartier dem dritten in der obigen Reihenfolge, ist eine zugehörige Ackerfläche nicht angegeben.

An Waldungen besaß die Stadt: "Die Rämel" in der Moker (der größte Theil der Moker gehörte zum Amt Bützow) und eine "geringe Holzung, Viere genannt". Vorzugsweise müssen in diesen Holzungen Eichen und Buchen gestanden haben, da man in denselben bei guter Mast jährlich 100 Schweine "feist machte".

Ueber die Fischereigerechtigkeit der Stadt äußert sich die Description folgendermaßen: "Ein Stück von einem See vor der Stadt gelegen, worauf ein Rath drei Wadenzüge sich zu erfreuen hat." Gemeint ist selbstverständlich der Große (Bützower) See, von welchem der nördliche Theil der Stadt gehörte. Vergl. unten Amt Bützow.

Während des 30 jährigen Krieges war der Wald und der Antheil am See tief (mit 2200 Rthlr.) verschuldet.

Hier mag noch erwähnt werden, daß auf dem Stadtfelde zwischen Bützow und Parkow, in der Nähe des Bützower Sees, im 14. Jahrhundert ein Dorf Namens Zernin untergegangen (gelegt?) ist 1 ).

b. Das Schloß= und Amtsgebiet.

Im Westen der Stadt, südlich vom Rühner Thor und nördlich von dem kleinen Burgsee, lag das bischöfliche Schloß oder die bischöfliche Burg 2 ), zur Zeit der Administration gewöhnlich das fürstliche Haus genannt. Der Grundriß der Stadt von 1688 zeigt um einen runden Hofplatz mehrere, ihrer Größe nach sehr ungleiche Gebäude, ohne dieselben zu benennen. Die aus früherer Zeit erhaltenen Acten benennen zwar einzelne Gebäude, lassen uns aber darüber im Unklaren, in welcher Reihenfolge sich dieselben auf den im Grundriß angegebenen Raum vertheilten. Indessen läßt sich nach dem Grundriß und einer Zeichnung aus dem Jahre 1734, verfertigt von Gabriel Friedrich Leverentz aus Rostock, das im


1) Nach dem Urk.=Buch V, Nr. 2789 kaufte die Stadt 1302 das Dorf "(villam) Cernyn, sitam inter ciuitatem ipsam et villam Perkowe", nach dem Urk.=Buch VI, Nr. 3935 war das Dorf bereits 1317 untergegangen: "ortum humuli, situm in terminis agrorum quondam ville Cernyn juxta stagnum majus nostrum". In dem Ortsregister zum Urk.=Buch Bd. IV B. ist dies untergegangene Dorf fälschlich mit dem noch vorhandenen Kirchdorf Zernin identificirt. Vergl. Jahrb. 8, S. 4, Anm. 2.
2) Ueber die Erbauung der Burg bald nach 1203 vergl. Jahrb. 9, S. 403.
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Westen gelegene große Gebäude als das Hauptgebäude, das Schloß, sicher bestimmen. Rechts vom Schloß lag das Thorhaus und der Runde oder Blaue Thurm, dann folgte ein Haus, darauf der "vierkantige" 1 ) Thurm und dann bis an die linke Seite des Schlosses noch einige Gebäude. Im Schloß war eine Kirche, im Thorhause die Jäger= und Fischerwohnung; der viereckige Thurm diente als Gefängniß. Wo die den Capitularen gehörende Ravensburg zu suchen sei, ist bisher nicht ermittelt. Aus Acten des 17. Jahrhunderts erfahren wir, daß im Garten, der mit einer Mauer umgeben war, das Lusthaus und an demselben die Badestube lag.

In der Stadt selbst gab es mehrere Häuser, welche nicht zu Stadtrecht lagen, sondern zum bischöflichen Amte gehörten. Die Description nennt die Plätze, auf welchen diese Häuser standen, die Freiheit; es ist das dieselbe Art der Bezeichnung, wie wir noch heute die zum Domanium gehörigen Häuser und Plätze in den Städten Amtsfreiheit nennen. Die bedeutendsten Gebäude auf der Freiheit waren die Propstei und die Höfe der Stiftsritter und Capitularen. Außer diesen Höfen kennt die Description 12 Gebäude, Häuser und Buden, in welchen fürstliche Diener und auch einige Handwerker wohnten.

Ebenfalls auf Amtsgebiet, in unmittelbarer Nähe der Stadt, lagen die vier Bützower Mühlen.

Die Kornmühle vor dem Wolkener Thor war von allen Mühlen des Stifts die bedeutendste; sie allein mahlte mit vier Gängen. Den jährlichen Ertrag dieser Mühle aus der Metze berechnet das Landbuch zu 9 Drpt. Weizen, 79 Drpt. Roggen und 70 1/2 Drpt. Malz; nach der Description war derselbe nur halb so groß.

Die andere Kornmühle, vor dem Rühner Thor gelegen, mahlte mit zwei Gängen und trug nach dem Landbuch jährlich etwa 80 Drpt. Korn und Malz ein.

Nach einem Iventarium von 1634 mußten die Müller in Bützow, ebenso wie der Wariner Müller, jährlich einige Schweine für das Amt fett machen.

Von der gleichfalls beim Rühner Thor, nahe beim Großen See gelegenen Walkmühle berichtet das Landbuch:


1) Der Viereckige Thurm wurde vom Bischof Nicolaus I. (1444 bis 1457) erbaut. (Jahrb. III B., S. 169.)
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"Die Mühle wird vom Hause gebaut und alle Schlete (Stein= und Eisenschmiß) gehalten. Den Walkmüller unterhalten die Klein= und Grobmacher (Tuchmacher), und geben die Kleinmacher 7 1/2 fl., die Grobmacher 7 1/2 fl, ist 15 fl. Pacht."

Im 16. Jahrhundert gab es bei Bützow eine Sägemühle, die für jeden laufenden Fuß Bretter 1 Pf. Sägegeld einbrachte; im 17. Jahrhundert kommt diese Mühle nicht mehr vor, anstatt derselben war aber, wiederum vor dem Rühner Thor, "nächst der Walkmühle" eine Papiermühle erbaut (wahrscheinlich 1585), welche 1634 eine Pacht von 100 fl. zahlte.

Endlich ist hierher zu rechnen, als nicht unter der Verwaltung des Magistrats stehend, das fürstliche Armenhaus vor dem Rostocker Thore. Dasselbe wurde von der Herzogin Elisabeth gestiftet und 1567 von deren Gemahl, Herzog Ulrich, bestätigt. Der Herzog gab dem Armenhaus die Aecker, Wiesen und Gärten des ebenfalls vor dem Rostocker Thore gelegenen Klosters Bethlehem und Bauerdienste aus Passin und Baumgarten. Nach der Description besaß diese Stiftung 50 Morgen (á 4 Scheffel Aussaat) Acker, drei Wiesen und ein Capital von 5393 fl., das in Posten von 10-100 fl. zu 5 oder 6% Zinsen verliehen war 1 ).

2) Die Stiftsstadt Warin.

Die Stadt Warin, noch heute zu den kleinsten Städten unseres Landes zählend, war im 16. und 17. Jahrhundert nicht größer als ein jetziges gewöhnliches Dorf; daher wurde derselben in der Regel auch nur die Bezeichnung Städtlein, oder gar Flecken beigelegt.

a. Die Stadt im engeren Sinne.

Die Kirche 2 ) und Pfarre waren bischöflichen Patronats, beide waren mit Grundbesitz dotirt; die Pfarre besaß auf dem Stadtfelde 4 Hufen und in dem Dorfe Pennewitt eine Kossatenstelle.

1577 wurde von 45 Häusern der Hausgulden und von 46 Familien der "Hundertste" von "freien" Gütern gezahlt. Rechnet man nun noch einige Familien, die wegen Armuth von der Contribution befreit werden mußten, hinzu,


1) In der Kriegszeit wurden die Zinsen schlecht gezahlt, 1632 hatte das Armenhaus 828 fl. 23 s. an rückständigen Zinsen zu fordern.
2) Vergl. Jahrb. 3 B., S. 154.
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so erhält man für die Stadt in jener Zeit eine Bevölkerung von etwa 50 Familien oder 250 Personen. Von Dienstboten (Knechten und Mägden) zahlten in dem genannten Jahre nur 16 Contribution. Die Zahl der Häuser vermehrte sich in der nächsten Zeit nicht; im Gegentheil ist aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts eine, wenn auch nur geringe, Abnahme nachzuweisen. Wahrscheinlich hatte auch hier, wie in dem nahen Bützow (s. S. 149, A. 3) im Jahre 1581 die Pest manche Opfer gefordert. 1602 zahlte man z. B. nur noch von 41 Häusern den Hausgulden, und 1632 waren außer dem "etwas baufälligen und wüsten" Rathhause im Ganzen nur 38 Häuser und 6 Buden vorhanden, in welchen, wie 1577, wieder 46 Familien wohnten. Laut des der Stadt am 13. Februar 1563 vom Administrator, Herzog Ulrich, ertheilten Privilegs waren die als volle Häuser angesehenen Wohnungen der Bürger Giebelhäuser, die man von den kleineren, den Buden, welche nur die halbe Steuer zahlten, streng unterschied. Für einen Keller wurde jährlich ein Ortsgulden entrichtet. Bei dem Eindringen der fremden Kriegsvölker litt die Stadt zunächst nicht so viel, wie das benachbarte Bützow. Von den 38 Häusern waren 1632 doch nur 7 verwüstet, von den 6 Buden keine einzige. Das größte Unglück aber, welches die Stadt traf, war die furchtbare Feuersbrunst, welche zu Anfang des Jahres 1636 die meisten Häuser einäscherte und den größten Theil der Vorräthe, auch derjenigen, die die umwohnenden Bauern der größeren Sicherheit wegen in die Stadt gebracht hatten, vernichtete. Herzog Adolf Friedrich begab sich am 25. April selbst an Ort und Stelle, um seinen unglücklichen Unterthanen mit Rath und That beizustehen. Die Landesabgaben wurden den Abgebrannten für die nächste Zeit erlassen, und der Herzog bat auch den schwedischen Commandanten in Wismar, dieselben von der Kriegscontribution und der Schanzarbeit zu befreien, leider zum Theil vergeblich. Da nun außer diesem Unglück später noch oft Kriegsdurchzüge die Stadt hart mitnahmen, so ist es nicht zu verwundern, daß dieselbe bis zum westphälischen Frieden ihren früheren, immerhin bescheidenen Wohlstand nicht wieder erreichte. Im Jahre 1656 wohnten neben dem Bürgermeister, den 3 Rathsherren und dem Stadtschreiber 32 Bürger und 10 Einlieger, im Ganzen 47 Familien in Warin, also etwa ebenso viele Menschen wie 100 Jahre früher.

An der Spitze der Bürgerschaft standen 1 oder 2 Bürgermeister und 2 oder 3 Rathsherren. Zu Ende des

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16. Jahrhunderts wird als Bürgermeister Hermann Kunne 1 ) genannt; 1632 waren der Schuster Hans Reuter und Daniel Piel oder Pfeil Bürgermeister, letzterer, 1642 eine Zeit lang suspendirt, wenigstens noch bis 1658. Piel, der durch sein ganzes Auftreten eine höhere Bildung verräth, stammte wohl, ebenso wie Reuter und Kunne, aus der Stadt selbst, da mehrere Bürger ihres Namens schon im 16. Jahrhundert dort wohnten.

Die Jurisdiction übte der bischöfliche Vogt aus, und "im Gericht hatte die Stadt nur eine Stelle", während "die Obrigkeit zwei" besaß. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts war der Amtsküchenmeister zugleich Vogt.

Die Abgaben der Stadt an das bischöfliche Amt bestanden in 13 fl. Orbör, 14 Drpt. 8 Scheffel Pachtroggen und der zehnten Garbe von Roggen und Gerste.

Die Hauptbeschäftigung der Bewohner war der Ackerbau. Ueber den Betrieb desselben sind leider nur Nachrichten aus einer Zeit vorhanden, wo der 30 jährige Krieg schon seinen zerstörenden Einfluß geltend gemacht hatte; dieselben geben daher nur annähernd ein Bild von den normalen Verhältnissen. Die Description von 1632 berichtet nämlich, daß man die 22 Hufen des Stadtfeldes mit 26 Pferden und 18 Ochsen bestellte und neben diesem Zugvieh 69 Haupt Rindvieh, 80 Schweine und 15 Schafe besaß. Vorrath an Korn war selbst 1632 nach dem Mißwachs des vorigen Jahres "nothdürftig" (d. h. eben genügend) vorhanden.

Die Waldcultur war nicht ganz vernachlässigt, wenigstens hatte man so viel "harte Hölzung", daß im Herbst jeder Baumann, sowie der Pastor einige Schweine in die Mast schicken konnte.

Fischerei hatte die Stadt gar nicht, da die zahlreichen Gewässer in der Nähe zum Stiftsamt gehörten.

Das Handwerk wurde 1632 von je einem Bäcker, Brauer, Tischler und Schwertfeger, 2 Böttchern, je 3 Schneidern und Schmieden und 4 Schustern ausgeübt. Von Kaufleuten, die sicher nicht ganz fehlten, ist nicht die Rede.

b. Das Schloß= und Amtsgebiet.

Im Süden der Stadt und in unmittelbarer Nähe derselben lag am Nordufer des Glammsees, an der Stelle des jetzigen großherzoglichen Amtes, das bischöfliche oder fürstliche


1) Nach Acten, betreffend Accise der Stadt Warin.
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Schloß, das Stiftshaus 1 ) mit seinen Nebengebäuden. Der durch Gräben und Wälle befestigte Schloßhof hatte wahrscheinlich die Form eines Quadrates; der Eingang zu demselben lag im Norden, nach der Stadt zu. Im Süden des Hofes stand ein großes viereckiges Gebäude mit starken Mauern, das auf einem Unterbau drei Stockwerk enthielt, also auch eine beträchtliche Höhe hatte. Die dicken Mauern und die Schießscharten im oberen Theil des Gebäudes charakterisiren dasselbe hinlänglich als die eigentliche Veste Warin, die Benennungen der einzelnen Gemächer aber, als der lange Saal im unteren Stock, der Bischof (die bischöfliche Schlafkammer) und der Bischofssaal im oberen Stock, beweisen genügend, daß hier der Bischof wohnte, wenn er sich zu Warin aufhielt.

Vor dieser Veste, d. h. an der Nordseite derselben, stand das Hauptgebäude, das Stiftsamtshaus. Nach einem Inventar von 1634 war dasselbe "umher in starkem Mauerwerk zugebaut, das obere Dach aber allenthalben übel verfallen und sehr böse, die Losamenter an Stuben und Kammern mit nothdürftigen Tischen, Bettstellen und Bänken ziemlich versehen". Die vorzüglichsten Gemächer waren: die gewölbte Hofstube (der Hofsaal) im untern Stock, zu welchem eine steinerne Wendeltreppe führte, die Herrenstube mit einer Schlafkammer daneben, die Küche, das lange Gewölbe (die frühere Hauskapelle?), in welchem im 17. Jahrhundert die Fischereigeräthe 2 ) aufbewahrt wurden, und der Keller.

Rechts neben dem Stiftshaus lagen zunächst das Backhaus und die "alte" Küche, in welcher 1634 gebraut wurde, und weiter nach dem Thore zu der Pferdestall des Stiftshauptmanns von 6 Gebinden und 6 Räumen, "mit Krippen und Röpen wohl versehen".

Auf der linken Seite des Hofes, nahe dem Thore, also dem zuletzt genannten Gebäude gegenüber, stand ein anderer "langer Pferdestall" von 19 Gebinden und 16 Räumen, "an Gebäude wie auch Krippen und Röpen fertig".

Das Kornhaus, dessen Lage nicht angegeben ist, wird zwischen dem Schloß und der langen Scheune, dem Backhaus gegenüber, zu suchen sein.


1) Vergl. Jahrbuch 2 B., S 86; 3 B, S. 114, 166-169; 4 B., S. 87-91; 8 A, S 224, 253.
2) 1634 waren vorhanden: 1 große Wade, "die mit etwa 60 fl. noch könnte ausgebessert werden, alsdann sie noch wohl einen Winter gehen könnte", 1 gute Strohwade, 1 Füllnetz, 3 Jagenetze, 1 Staknetz, 1 altes Brachsennetz, 2 Eisäxte, 2 Eisbaken und 4 Kähne.
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Das Thorhaus am Eingange zum Schloßhofe enthielt (1634) einiges Rüstzeug und 15 lederne (Feuer=) Eimer.

Das oben angeführte Inventar vergißt den Gefängnißthurm, der aber aus anderen Acten bekannt ist. Derselbe, ein viereckiges Gebäude von 120 Fuß Höhe, stand an der nordöstlichen Ecke des Schloßhofes. In ihm büßten neben den verurtheilten Amtsunterthanen auch die unter der Jurisdiction des Domkapitels stehenden Bewohner des Stifts für ihre Vergehen.

Der Bauhof, östlich vom Bischofshaus gelegen, enthielt das Bauhaus, 2 Scheunen, von welchen eine die große genannt wurde, den langen und den großen Stall und den "bekleideten" (d. h. überbauten) Brunnen, "oben mit einer großen Rolle, eisernen Kette und 2 Eimern daran".

Der Viehstand des Bauhofes enthielt 1634, wo er wahrscheinlich ein ziemlich normaler war, 22 Rinder, 65 Schweine, 60 Gänse und "vier Stiege" Hühner.

Die Aussaat konnte betragen: 40 Drpt. Roggen 1 ), 16 Drpt. Gerste, 2 oder 3 Drpt. Erbsen und je 1 Last Buchweizen und Hafer.

Die Schäferei, wieder östlich vom Bauhof gelegen, war sehr bedeutend, da auf derselben meistens 1000 und mehr Schafe gehalten wurden. Daher war auch eine größere Zahl von Gebäuden errichtet, und diese, bestehend in Wohnhaus, Backhaus, Käsehaus, 1 Kuhstall und 2 Schafställen, mußten das Aussehen eines Hofes haben.

Westlich vom Bischofshof, an dem Bach, der den Großen See mit dem Glammsee verbindet, lag, wie es noch heute der Fall ist, die Amtskornmühle mit zwei Gängen, in welcher alle Amtsunterthanen zu mahlen verpflichtet waren. Der Mühlenpächter gab nach einer Berechnung vom Jahre 1634 jährlich an das Amt 34 - 36 Drpt. Korn und vier fette Schweine. Einiges Mühleninventar wurde ihm von der Obrigkeit gehalten, aber für Stein= und Eisenschliß mußte er selbst sorgen.

Innerhalb der Stadt besaß das Amt einige Plätze an der später wenigstens so genannten Fischerstraße, auf welchen nach der Description 3 Buden standen. Das Bürgerverzeichniß der genannten Description führt zum Schluß, mit anderer Tinte geschrieben, drei Namen auf, die jedenfalls die Namen


1) Es waren 1634 aber nur 30 Drpt. gesäet, "wegen Mangels der 3 Dörfer, so Adam Heinrich Pentze weg hat". Vergl. Kloster Rühn, Hermannshagen.
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der Bewohner dieses Amtsgebietes sind, da unter ihnen der Amtsfischer Prehn steht. Ist diese Annahme richtig, dann wohnte auch einer der Rathsherren der Stadt, der Schwertfeger Bruhn, auf dem Amtsgebiet 1 ).

3) Der bischöfliche Antheil der Stadt Schwerin.

Zum Bisthum gehörte von der Stadt Schwerin der nördliche Theil. Nach einem Vergleich zwischen dem Bischof und dem Grafen von Schwerin vom 6. December 1284 2 ) lief die Grenze, durch die heutigen Namen bezeichnet, etwa von der Mündung der Engen Straße in die Kaiser=Wilhelm=Straße über den Markt nach dem Hôtel de Paris 3 ). Da aber der Bischof den Grafen in demselben Jahr mit dem Stadttheil, welcher von dieser Grenzlinie aus sich bis in die Schmiedestraße erstreckte, sofort in dem Vergleich belehnte, so ist derselbe für die vorliegende Beschreibung nicht von Interesse und wird auch nach den vielen Stiftsacten zur Zeit der Administration nicht als bischöflicher Besitz betrachtet.

Das bischöfliche Gebiet von Schwerin bestand aus zwei local von einander geschiedenen Theilen, deren erster sich um den Dom gruppirte, und deren zweiter sich vom Schelfthore, etwa an der jetzigen nördlichen Königs= und Friedrichsstraßen=Ecke gelegen, bis jenseits der Nicolaikirche und bis zum Hintenhof ausdehnte. Der kleinere südliche Theil, das Domgebiet, war fast ganz im Besitz des Domcapitels.

Auf dessen "Grund und Boden" stand zunächst das Hauptgebäude, die Domkirche 4 ) mit dem Kreuzgange, der zur Domschule hergerichtet war. Der Keller unter dem Kreuzgange, der Papenkeller genannt, wurde mit einem dem Capitel gehörigen Hause, "dem Düstern Loch" (s. weiter unten), vermiethet. Um den Dom herum lag der Kirchhof, auf welchem für den Bau desselben das Kalthaus errichtet war und außerdem zwei Buden standen, die zu Wohnungen dienten.


1) Seit 1881 ist dies Amtsgebiet der Stadt incorporirt.
2) S. Urk.=Buch III, Nr. 1766.
3) Ausführlicher behandelten die Grenze des Stifts in der Stadt Schwerin: Wigger im Jahrb. 28, S. 200 ff. und F. W. Lisch im Jahrb. 42, S. 80 u. a. O.
4) Die Verschiedenen kleineren Aufsätze über den Dom und dessen nächste Umgebung sind nachgewiesen im Ortsregister zu den 30 ersten Jahrbüchern unter Schwerin, Dom; ferner stehen Abhandlungen Jahrb. 36, S. 147-203; 40, S. 169 bis 174; 42, S. 157-160. Ueber die Bauten des Administrators Herzog Ulrich vergl. die Fortsetzung von Hederichs "Verzeichniß der Bischöfe zu Schwerin" in Gerdes' Sammlung 6, S. 488
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Die Wohnungen der Capitularen, die Domherrenhöfe, lagen größtentheils an der Nordseite der Schmiedestraße. In einem sehr sorgfältig ausgearbeiteten "Inventarium" vom Jahre 1649 werden sie der Reihe nach in folgender Weise aufgezählt.

Die erste Curie, zunächst dem Thor am Westende der Schmiedestraße gelegen, war ein zweistöckiges, von Süden nach Norden gerichtetes Giebelhaus von Fachwerk, mit Ziegelsteinen ausgemauert und mit Zungensteinen gedeckt. Das ganze Gebäude enthielt nur zwei Stuben, aber mehrere Kammern, deren eine zum Viehstall benutzt wurde. 1649 war es für 18 Rthlr. vermiethet.

Die zweite Curie, neben der ersten stadtwärts gelegen, war die Propstei. Vor derselben befand sich ein Garten. Das Haus selbst war 1649 so verfallen, "daß es schwerlich wieder reparirt werden" konnte, daher hatte man es auch für nur 4 Rthlr. (an einen Böttcher) vermiethet.

Auf die Propstei folgte der Dekanshof, auf welchen ein altes Thor mit einem kleinen Thorhause führte. Das Wohnhaus, zu beiden Seiten von Kohl= und Baumgärten umgeben, sah ebenso elend aus, wie die Propstei. Der Kamin in der Küche, um nur ein Beispiel von der dürftigen Beschaffenheit des Gebäudes zu geben, war von Holz und Lehm hergestellt, und von ihm führte eine Art Schornstein nur bis auf den Hausboden, nicht durch das Dach in's Freie. Aus der früheren Badestube des Dekans hatte man eine Wohnstube gemacht und es auf diese Weise ermöglicht, daß vier Miether (ein "kleiner" Weber, 2 Tagelöhner und ein vierter, nach seinem Stande nicht bezeichneter) das Haus für eine Jahresrente von 17 Rthlr. zugleich bewohnen konnten.

Die dann folgende vierte Curie diente 1649 zur Wohnung des Conrectors an der Domschule. Neben dem Hause stand ein Stall; auf den Hof führte ein zweiflügeliges Thor.

Das zweistöckige Haus der fünften Curie umgab ein Obstgarten. Auf dem Hof befand sich ein mit Steinen ausgemauerter Brunnen.

Demnächst folgte das "Düstere Loch oder der Papenkeller", ein theilweise zweistöckiges Gebäude mit Strohdach, das früher eine Weinschenke war, deren Lager sich im Keller des Kreuzganges befand. Von diesem Keller, dem eigentlichen "Düstern Loch", wurde der Name auch auf das Haus übertragen. 1649 war dasselbe an einen Schuster für 2 Rthlr. und "den Altarwein" vermiethet. Daß der

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Miether den Wein zum Altar lieferte, war wohl in der Zeit Gebrauch geworden, als derselbe noch die Weinstube hielt, und später der Gebrauch beibehalten worden 1 ).

Auf die sechste Curie, den Hof des Seniors, ging man durch ein halb mit Ziegeln, halb mit Stroh gedecktes Thorhaus. Auch hier stand ein von Steinen ausgemauerter Brunnen. Das zweistöckige Haus lag in einem Kohl= und Obstgarten, der von einem Zaun umgeben war. Eine Eigenthümlichkeit dieses Hauses war der große Hausboden, hofwärts mit zwei großen Thüren "zum Hinaufwinden". Miether der Curie war 1849 der Dr. Klatt.

Endlich folgte das Wohnhaus des Capitelssyndicus, des Dr. J. Wedemann. Auch dies Haus war früher eine Curie, die das Capitel aber im Jahr 1567 mit Einwilligung des Administrators Ulrich an Joachim von Halberstadt auf Klein=Brütz für 200 fl. verkaufte. Ein Enkel des Joachim, Joachim Lütke von Halberstadt, verkaufte das Grundstück 1625 wieder für 2000 M. lüb. an Dr. Wedemann, der es auf seinen Sohn, den Kanzler Hans Heinrich Wedemann vererbte. Des Kanzlers Wittwe besaß dasselbe noch im Jahre 1687. Die Lage des Wedemannschen Hauses ist genau bekannt, auch der Kaufcontract von 1567 bezeichnet dasselbe als "an der Ecke bei der Stadtmauer vor der Schelfe", d. h. an der Stelle des jetzigen Hôtel de Paris gelegen.

Unser Inventarium geht nach der Beschreibung der obigen sieben Höfe unmittelbar zum Bauhof auf der Schelfe über; es ist daher nicht zu bezweifeln, daß in dem genannten Jahre nicht mehr Curien vorhanden waren. Unterstützt wird diese Annahme durch ein freilich minder sorgfältig verfaßtes Inventarium aus dem Jahre 1632, da auch dort, das Haus des Syndicus eingeschlossen, sieben Höfe verzeichnet sind.

Die Domherrenhöfe erstreckten sich also vom westlichen Ende der Schmiedestraße bis zum heutigen Hôtel de Paris, d. h. in einer fast graden, von Westen nach Osten gerichteten Linie südwärts vom Dom. Nach dem heutigen Plan der Stadt würde der schmale Raum zwischen Markt und Dom die Anlage von größeren Gehöften, wie es die Domherrenhöfe waren, allerdings nicht gestatten, aber die gegenwärtige Ausdehnung des Marktes nach dem Dom zu datirt auch erst aus der Zeit nach dem großen Brande der Stadt im Jahre 1651.


1) Der Schuster hielt nach einer Bemerkung des obengenannten Inventars keine Weinstube.
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Vor demselben ging die Häuserfronte an der Nordseite des Marktes bis an die jetzige Marktpumpe, sie war also eine gerade Fortsetzung der Nordseite von der Schmiedestraße, und der Markt trat so weit vom Dom zurück, daß der Raum zwischen beiden durchaus kein beschränkter war.

Die fünfte Curie, welche nach einer Bemerkung im Inventarium von 1649 an der Seite "nach dem Kreuzgange zu untüchtige Sohlen" hatte, und der Pfaffenkeller lagen jedenfalls in nächster Nähe des Domes; es ist somit auch die Vertheilung der Curien auf den angegebenen Raum hinlänglich bezeichnet, indem westlich von der fünften Curie vier, östlich vom Pfaffenkeller zwei Höfe liegen mußten, was den gegebenen Raumverhältnissen durchaus angemessen erscheint.

1632 standen neben und zwischen den Domherrenhöfen, auf dem Grund und Boden des Capitels erbaut, aber im Privatbesitz befindlich, sieben Häuser und Buden; im Ganzen war also das Gebiet des Capitels in der Nähe des Domes, den Pfaffenkeller und die beiden Buden auf dem Kirchhof eingeschlossen, auf 17 bebaute und bewohnte Grundstücke vertheilt.

Westlich vom Dom, an der Stelle des jetzigen Posthofes, lag früher der Bischofshof. Das alte Bischofshaus wurde 1590 abgebrochen und für dasselbe im nächsten Jahr ein neues erbaut 1 ). Da dies neue Gebäude öfters unbewohnt stand 2 ), so verfiel es bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Nach einem Inventarium aus dem Jahre 1640 wurde der Hof von einem Zaun umgeben, durch welchen an der Ostseite, vom Dome her, das zerbrochene Thor führte. Auf dem Hofe standen außer dem Wohnhaus die Küche, der Reitstall und wahrscheinlich ein freistehendes Saalhaus (palas) 3 ). Das Wohnhaus hatte, abgesehen von seiner Größe, vor den Domherrenhöfen nichts voraus. Ueber dem Keller erhoben sich zwei Stockwerk und der große Hausboden. Selbst die Außenwände waren von Fachwerk und die einzelnen Fächer oder "Tafeln" theils mit Ziegeln ausgemauert, theils "geklemt", die Frontseite z. B. war unten gemauert, oben mit Lehm ausgeworfen. Mehrere Tafeln waren 1640 herausgefallen, auf der Nordseite allein von


1) Fromm, Chronik von Schwerin, S. 84; Jahrb. 15, S. 322 ff. Hederich, Bischöfe zu Schwerin, S. 489.
2) 1632 erhielt der herzogliche Archivar und Lehnssecretär Simon Gabriel zur Nedden den Bischofshof zur Wohnung, später wohnte Daniel v. Plessen auf Hoikendorf in demselben.
3) Vergl. Lisch, Jahrb. 15, S. 321.
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84 Tafeln 28, dazu war dies "Gelind auf dem Ende nach der Mauer (die Nordwestecke) etwas übergewichen". Diesem elenden Zustande suchte der Herzog Adolph Friedrich dadurch abzuhelfen, daß er 1641 dem Schelfvogt befahl, für die Wiederherstellung des Bischofshofes Sorge zu tragen.

Auf der Schelfe 1 ) befaß das Capitel die Nicolaikirche, (vor 1550 zwei, später) einen Bauhof, einen Ziegelhof und ein paar Häuser und Buden.

Die Nicolaikirche wird in den Acten aus der Zeit der Administration des Stifts wiederholt ein sehr baufälliges Gebäude genannt 2 ). Nach der Description von 1632 war "diese Kirche an Fenstern, innerem und äußerem Gebäude ganz baufällig und sehr dachlos". Die für die Instandhaltung des Gotteshauses bestimmten Hebungen gingen im 30jährigen Krieg gewiß nicht hinreichend ein; vor dem westfälischen Frieden war daher an eine größere Reparatur nicht wohl zu denken, und nach demselben war das bloße Ausbessern kaum noch rathsam. Im Anfang des vorigen Jahrhunderts baute Herzog Friedrich Wilhelm die Nicolaikirche neu auf 3 ).

Für die Instandhaltung der Kirchen war vom Capitel u. a. auch ein Theil der Erträge von den beiden Bauhöfen auf der Schelfe bestimmt. Von diesen Höfen, die in den Acten aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts als der Große und der Kleine Bauhof bezeichnet werden, wurde aber um oder bald nach 1550 einer gelegt. Das Landbuch vom Jahre 1581 berichtet hierüber: "Ein Bauhof, der Große Bauhof genannt, ist getheilt unter ihnen (!), und haben drei Prediger darauf ihre Gärten."

Der noch in späterer Zeit erhaltene Bauhof lag am heutigen Schelfmarkt südwestlich von der Nicolaikirche. Im 16. Jahrhundert war der Hof mit einem Hakelzaun umgeben, durch welchen "vorne und hinten" (im Osten und Westen?) ein Thor führte. Die Gebäude, zwischen dem Baumgarten und Hofplatz, bestanden aus Wohnhaus, Kornscheune, zwei Viehställen und Backhaus. Auf dem Hofplatze befand sich ein mit Steinen ausgemauerter Brunnen.

So lange zwei Bauhöfe bestanden, gehörte zu jedem eine Ackerfläche von etwa 30 Morgen, nach Aufhebung des


1) Ein Grundriß der Schelfstadt vom Jahre 1705, also aus einer Zeit, wo die vom Herzog Friedrich Wilhelm entrirten durchgreifenden Veränderungen noch nicht begonnen hatten, ist unter Tafel IV dieser Beschreibung beigegeben.
2) Vergl. Hederich, S. 448.
3) Ueber die Glocken der alten Kirche s. Jahrb. 3 B, S. 192.
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Tafel IV

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einen wird der übriggebliebene vergrößert worden, sein. Der Acker lag auf dem Schelffelde nordöstlich von der Stadt.

Bis zum Jahre 1600 gehörte der Bauhof den Capitularen gemeinschaftlich, von da ab wurde derselbe durch das "Statut des General=Capitels=Convents" dem Quartus in ordine zugetheilt. Von 1621-1627 war er von dem derzeitigen Besitzer, dem Domherrn Joachim Wopersnow, für 180, resp. 210 M. an Gerhard Kempe verpachtet. Als Wallenstein einrückte, nahm er den Bauhof für sich in Beschlag und verpachtete ihn für 100 Rthlr. jährlich. Seitdem hat das Capitel ihn nicht wieder erhalten.

Eine Schäferei und dienstpflichtige Bauerdörfer gab es bei dem Schelfbauhof nicht.

Von anderen Besitzungen des Capitels auf der Schelfe werden im Landbuche aufgeführt: "ein Haus hinter der Kirche, ein Haus mit zwei Buden, zum Dom gehörig, und ein Haus mit zwei Buden in der Steinstraße."

Die Acten aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts sprechen von einem Ziegelhof des Capitels auf der Schelfe, zu welchem 1/2 Morgen Acker gehörte, und berichten dabei, daß der Baumeister den Ziegelacker gebrauchte, wenn kein Ziegler vorhanden. Wahrscheinlich wurde seit der Reformation kein Ziegler mehr angestellt.

Endlich stand im Besitze des Capitels die in einiger Entfernung vor dem Schmiedethore, bei dem jetzigen Wismarschen Thore gelegene Wassermühle, die Bischofsmühle genannt. Dieselbe mahlte nur mit einem Gange und trug nach der Description "das Jahr durch die Bank 11 Drpt. Metzenkorn ein". Zu der Mühle gehörte "ein Kohlgarten, so viel Acker, daß 12 Scheffel Hartkorn zur Haushaltung gesäet werden" konnten, und eine Wiese zu zwei Fudern Heu. Der Inhaber des Capitelshofes Groß=Medewege erhielt die Erträge aus der Mühle.

Alle übrigen Gebäude der Schelfe standen auf des Bischofs Grund und Boden und unter der Jurisdiction des bischöflichen Schelfvogtes. Sie vertheilten sich auf drei Straßen:

1) die Steinstraße, der nördliche Theil der jetzigen Königsstraße (von der Fischerstraße an), enthielt 1581 24 Wohnungen;

2) die Papenstraße, noch jetzt vorhanden, zählte 19 Wohnungen;

3) die Fischerstraße, jetzt Fischer= und Münzstraße, enthielt 58 Wohnungen.

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Alle drei Straßen zusammen konnten also 101 Familien beherbergen. Nach der Description von 1632 waren auf der Schelfe, außer den Besitzungen des Capitels, 28 Häuser und 79 Buden.

Die Bevölkerung dürfte sich demnach um 1600 auf etwa 500 Seelen belaufen haben. Rechnet man hierzu die Bevölkerung auf dem Gebiete des Capitels, die vielleicht 100 Personen betrug, so erhält man in dem bischöflichen Antheil der Stadt Schwerin als wahrscheinliche Bevölkerungszahl 600.

Die Schelfbewohner hatten gemeinschaftlich mit dem Inhaber des Schelfbauhofes die Weidegerechtigkeit auf dem Schelffelde des Capitels.

Nördlich vom Schelffelde auf dem Werder lag der große Eichen= und Buchenwald, "das Werderholz", das Eigenthum des Bischofs war. In demselben konnten nach dem Landbuche bei guter Mast 800 Schweine "fett gemacht werden". Die Description theilt aber mit, "daß solch Holz fast die Hälfte abgehauen und der höchste Schade darinnen geschehen".

B. Stiftsämter.

Diejenigen Dörfer des Stifts, deren Besitzer der Bischof selbst war, und die in seinem Namen die bischöflichen Beamten verwalteten, bildeten die Stiftsämter.

Auf dem Amtsgebiete errichtete man nach Bedürfniß oder nach Gutdünken eine Anzahl Meier= oder Viehhöfe und ließ diese direct für die bischöfliche Rechnung bewirthschaften. Zu dem Zwecke bestellte man für jeden Meierhof einen Hofmeister, der die Leitung der Wirthschaft unter Oberaufsicht des Stiftsamtes hatte. Ein ausführlicheres Beispiel einer solchen Hofwirthschaft ist bei der Beschreibung des Hofes Gallentin (s. die Seedörfer) gegeben. Kurz vor dem westfälischen Frieden begann man jedoch damit, die Meierhöfe zu verpachten.

Die in der Regel neben dem Meierhofe gehaltene Schäferei stand mit ersterem nur in einem losen Zusammenhang. Der Schafmeister hatte, wieder unter Oberaufsicht des Amtes, in ziemlich selbstständiger Weise die Leitung derselben; er mußte sich nur insofern nach den Anordnungen des Hofmeisters richten, als er nach dessen Feldwirthschaftsplan seine Weideplätze zugewiesen erhielt und von demselben einzelne Naturallieferungen als sein Deputat in Empfang nahm.

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In den um die Meierhöfe herumliegenden Dörfern waren Bauerstellen von den verschiedensten Größen errichtet. Die größten hatten eine Ackerfläche von 3 und ausnahmsweise 4 Hufen (die Hufe enthielt etwa 10,000 []R. Acker und Wiesen), die am häufigsten vertretenen Stellen jedoch nur 1 oder 2 Hufen und die kleinsten, die Kossatenstellen, oft nur einen Garten, bisweilen Acker von einer halben Hufe.

Alle Bauern erhielten ihre Stellen mit ausreichenden Gebäuden und dem nöthigsten Inventar vom Bischof zu Lehn und waren dafür verpflichtet, auf dem nächsten Meierhofe, oder wo es sonst verlangt wurde, Hofdienste allerlei Art zu thun und daneben verschiedene Abgaben in Naturalien und Geld dem bischöflichen Amte zu entrichten. Den Inhabern der größeren Stellen, den Bauleuten, wurden Hand= und Spanndienste auferlegt, die Kossaten thaten nur Hand= und Botendienste.

Die Erträge aus den Waldungen, nach damaliger Bezeichnung in harten Holzungen (Eichen= und Buchenwäldern) und weichen Holzungen (vorzugsweise Buschholz, Ellern und Birken) bestehend, flossen ebenfalls zunächst in die Amtskasse, da es eine besondere Forstverwaltung noch nicht gab. Holzvögte als Forstschutzbeamte waren vorhanden.

Auch die Gewässer: Seen, Teiche und Flüsse, wurden vom Amte direct ausgenutzt und nicht verpachtet. Zum Betrieb der Fischerei hielt man sich Fischerknechte, denen man alle Fischereigeräthe lieferte. Das an dem Ufer geworbene Rohr wird jedenfalls zur Erhaltung der Dächer von den Amtsgebäuden mit verwandt worden sein.

Die Zahl der Stiftsämter im Bisthum Schwerin war natürlich nicht groß, es gab deren nur zwei: das Amt Bützow und das Amt Warin. Die am Schweriner See gelegenen sogenannten Seedörfer und die pommerschen Dörfer, welche in ähnlichem Verhältniß wie die Dörfer der Stiftsämter Eigenthum des Bischofs waren, bildeten zur Zeit der Administration nicht besondere Amtsbezirke, sondern wurden von den beiden genannten Aemtern mit verwaltet.

1) Das Stiftsamt Bützow.

a. Allgemeines.

Wegen seines Sitzes in der Haupt= und Residenzstadt des Bisthums erhielt das Stiftsamt Bützow eine hervorragende Bedeutung. Denn zunächst lag der größte Theil

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der bischöflichen Dörfer um diese Hauptstadt herum, und daher hatte dies Amt naturgemäß eine größere Ausdehnung als das andere Stiftsamt (Warin); dann aber erhielten auch die Beamten, weil die Regierung mit ihnen leichter in Verbindung treten konnte, Befugnisse, die sich weit über das Amtsgebiet hinaus erstreckten. So wurden nicht nur viele Jahre hindurch die Seedörfer (s. diese) und die pommerschen Stiftsdörfer von hier aus verwaltet, sondern auch die mannigfaltigen Einkünfte, die der Bischof aus fremden Orten bezog, von diesem Amte berechnet.

Die zum Amtsgebiete gehörigen Grundstücke in Bützow sind in der Beschreibung dieser Stadt aufgeführt worden und können deshalb hier übergangen werden.

Im Bützower Amte, vorzugsweise auf der rechten Seite der Warnow, gab es nicht unbedeutende Waldungen 1 ). Ueber den südlichen Theil dehnten sich drei mit einander zusammenhängende Eichen= und Buchenwälder aus, welche man mit den Namen Boitinsche Heide, Dreezer und Schallocker Holz bezeichnete. Diese Wälder waren von so beträchtlicher Größe, daß bei voller Mast 1400 Schweine darin konnten geweidet werden. Die Lage derselben ergiebt sich aus ihren Benennungen, die aus Ortsnamen gebildet sind, mit großer Sicherheit; denn das Dorf Boitin ist noch vorhanden, und von den beiden jetzt untergegangenen Dörfern Dreez und Schallock lag ersteres auf der Feldmark des jetzigen Gutes Dreez oder Peetscherhof 2 ), letzteres auf der des jetzigen Erbpachthofes Schlockow 3 ). Eine zweite Waldung, die Moker, theils mit Eichen und Buchen, theils mit Weichholz bestanden, erstreckte sich von der Zibühler Scheide bis an die Nebel. Nur die kleinere Hälfte derselben gehörte der Stadt Bützow, die größere, 200 Schweine mästend, war Eigenthum des Bischofs. An die Moker stieß wiederum das auf der rechten Seite der Nebel gelegene Zepeliner Holz, ein Eichen= und Buchenwald, der 400 Schweine mästen konnte, und endlich lag noch rechts der Warnow, in der Nähe der Stadt Bützow, der Eichenwald die Darnow 4 ). Mast für 100 Schweine.


1) Landbuch von 1581.
2) S. Stiftsritterschaft: Zibühl.
3) S. Warnow.
4) Da nach dem Landbuche der "Faule See", ein kleiner Teich nordöstlich von Bützow, in der Nähe der Oettelinschen Grenze, in der Darnow lag, so mußte sich letztere nordwärts bis in die Nähe der Oettelinschen Feldmark erstrecken. Vergl. Jahrb. 18, S. 230. Ueber ein Denkmal in der Darnow s. Jahrb. 27, S. 196 und 197.
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Links von der Warnow werden im Landbuche wenige harte Holzungen genannt. Bei Schlemmin lag das Bischofs= und Schlemminer Holz, aus Eichen und Buchen bestehend, in welchen 150 Schweine geweidet werden konnten. Das Bischofsholz ist auf der v. Schmettauschen Karte nördlich von Schlemmin verzeichnet, das Schlemminer wird deshalb westlich vom gleichnamigen Dorf auf der hohen Burg zu suchen sein. Außer einem größeren Eichenwald (Mast für 200 Schweine) bei Zarfzow, in der Nähe von Neubukow, gab es dann nur noch auf dem Neuendorfer Felde zwei kleine Eichenkoppeln: die Sorung 1 ) "hinter dem Walle", also in der Nähe des Bützower Stadtfeldes, nach Parkow zu, und die "Schlehufen" und endlich einen kleinen Eichenkamp auf dem Horster Felde.

Weiche Holzungen, vor allem Birken und Ellern, befanden sich in der Regel auf den Feldern der einzelnen Dörfer so viel, als für den Bedarf an Brennholz nöthig war. Die größeren Holzungen dieser Art sind im Landbuch besonders verzeichnet und nach der Anzahl der möglichen "Haue" (Abholzungen) bemessen.

1) In der Moker: 10 Haue.
2) In der Darnow: 8 Haue.
3) Auf der Boitinschen Heide: 18 Haue
4) Bei "der Bahlen": 1 Hau.
5) Zwischen Horst und Bahlen: 2 Haue.
6) Zwischen Niendorf und Trepzow: 1 Hau.
7) Zu Zarfzow: 2 Haue. 8) "Lengst Drezer Felt Kannenbrok 2 ), Kalenbergk": 1 Hau.

An Wild bargen diese Wälder Wildschweine, Rehe, Hasen, Wölfe und Füchse; Hirsche werden nicht genannt. Die Jagd beschränkte sich scheinbar ausschließlich, sicher vorzugsweise auf Schweine und Hasen.

Die Ertragsfähigkeit der Gewässer, welche natürlich von der Größe derselben und von der Reichhaltigkeit an Fischen abhängig war, berechnete man nach der Zahl der Wadenzüge, welche man jährlich in denselben für möglich hielt. Das Landbuch giebt diese Zahl an, wie nachstehend verzeichnet ist.


1) Diese Sorung, nach heutiger Aussprache Sühring, ist jetzt, ein Torfmoor bei Parkow. ( Jahrb. 29, S. 131.)
2) Der Kannenbruch lag nach einer Notiz des Landbuches über die Boitinschen Hofwiesen auf dem Tarnower Felde, nach obiger Angabe also an der Dreezer Scheide. Der Kalenberg findet sich noch heute auf der Dreezer Feldmark.
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1) Der Parumer See. "Darauf haben die Bülowen zu Zibühl, wenn die große Wade gezogen wird, den fünften Fisch, [ferner] den Schmaltow mit Körben und Netzen, ohne Strohwade, [welche] gegen den 5. Fisch verglichen [ist]. Die Bülowen haben auch die Rohrung (Rohrwerbung). Hält 13 Wadenzüge." - In dem See fing man Brachsen, Hechte, Barsche, Plötze, "Stulbarsche" und Aale.

2) Der Große Jetzer (d. i. Mühlengeezer) See. 4 Wadenzüge.

3) Der Kleine Jetzer See. 3 W. "In diesen beiden Jetzer Seen haben die Bülowen zu Prüzen das Schmaltow mit Strohwaden und Körben und einen Wadenzug auf dem Zatanende auf dem Lütken See."

4) Der Boitinsche See. 3 W. "Giebt Karpfen, Krebse, Gründlinge und sonst allerlei Fische."

5) Der Mewersee 1 ). 1 W. "Giebt Brachsen und sonst allerlei Fische."

6) Der Große Dreezer See "hält 0 Wadenzüge, wird nur mit Körben und Netzen gefischt; giebt allerlei; ist bisher Hauptmannsgerechtigkeit gewesen."

7) Der Kleine Dreezer See. 0 W. "Den hat der Pastor zum Boitin gegen den Schmaltow im Mewersee."

8) Der Nemersee 2 ). 1 W. "Die Prehne haben darauf den Schmaltow, giebt allerlei Fische ohne Brachsen."

9) Der Kleine Peetscher See. 1 W.

10) Der Kahle See in der Moker. "Fischet nur mit Körben."

11) Der Oettelinsche See. 2 W. "Ist ein guter See, giebt allerlei Fische."

12) Die Schlouisch 3 ). 1 W. Die beiden letzten Seen "werden aus der Warnow gespeist."

13) Der kleine Faule See "ist in der Darnow, hält einen kleinen Zug."

14) Der Neuenkirchener See. 4 W. "Soll sein halb Fürstenthums und halb Stifts. Die Moltken und


1) Man erwartet, nach der hier gebrauchten Reihenfolge, den südlich von Warnow gelegenen See, indessen wird dieser früher wahrscheinlich nicht Mewersee, sondern Schallockersee genannt sein (vergl. Katelbogen, Anmerkung).
2) Das Nemersfeld war ein Theil der Zerniner Feldmark, an der Warnower Grenze gelegen. Der Nemersee ist also der westlich von Zernin gelegene Teich.
3) Nach der v. Schmettauschen Karte liegt von Bützow aus nordöstlich zunächst der Faule See, dann folgt in derselben Richtung der Schwarze und endlich der Oettelinsche See. Nach der im Landbuch angegebenen Reihenfolge muß die Schlouisch mit dem Schmettauschen Schwarzen See identisch sein.
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Haus (Amt) Schwaan brauchen ihn zugleich; mit allerlei Fischerei."

15) Der "Große (Bützower) See um den Wall". "Des Hauses Seite", d. i. der südliche Theil, "hält 10 Züge, des Raths 4 Züge. Giebt allerlei Fische.

16) Der Lange See, südöstlich von Bützow. 3 W. "Giebt allerlei Fischer

17) Der "Rume=See" 1 ). 1 W. "Gute Brachsen und allerlei Fische."

18) Der Burgsee im Süden der bischöflichen Burg. 1 W. "Giebt allerlei gemeine Fische und Alant."

Von dem Warnowflusse gehörte zum Amte "die Hälfte auf der Wolker oder Darnower Seite von der Lussewitz (Grenze bei Warnow) hinunter bis an das Oettelinsche. Feld". Hier fing man "Welse, Brachsen, Karpfen, Fahren, Neunaugen und allerlei gemeine Fische". Zum Fang der Aale waren Zerrane (Aalkisten) 2 ) angelegt, und zwar je einer bei der Walkmühle und bei der Kornmühle vor dem Rühner Thor und zwei bei der Kornmühle vor dem Wolkener Thor. Der Aalfang mit Körben wurde 1549 dem Stiftshauptmann Jürgen Wackerbarth verliehen 3 ).

b. Die Meierhöfe.

Zum Hause (Amte) Bützow gehörten drei Viehhöfe, wie das Landbuch sich ausdrückt, oder Meierhöfe, wie die Description sie nennt.

1) Der Ziegelhof. - Ungefähr 60 Ruthen südlich vom Schloß, östlich von der Bützow=Rühner Landstraße, lag der Ziegelhof 4 ), später gewöhnlich Bauhof genannt. Die auf dem Grundriß der Stadt Bützow verzeichneten 4 Gebäude dieses Meierhofes waren nach der Description: das Wohnhaus, die Scheune, 1632 zur Hälfte baufällig, und 2 Viehställe, 1632 abgebrannt.

Die Größe des in drei Schlägen bewirthschafteten Hoffeldes wird im Landbuche zu 55 Drömpt 9 Scheffeln Aussaat berechnet. Von dem bestellten Lande trug eine Hälfte Wintersaat, Roggen und Weizen (1581 nur 3 Drpt. 4 Scheffel), die


1) Wahrscheinlich ist der Rume=See der zwischen dem Langen und dem Rühner See gelegene Teich.
2) Vergl. Jahrb. 17, S. 85 und 89.
3) Vergl. Stiftsritterschaft: Katelbogen, Anmerkung.
4) Bis Anfang des 16. Jahrhunderts, nachweislich noch 1521, war auf diesem Meierhof eine Ziegelscheune; daher der Name Ziegelhof. Der Ziegler wohnte auf dem Burghof in Bützow.
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andere Sommersaat, Gerste, Hafer, Erbsen und Buchweizen. Dazu kam eine Wiesenfläche von 58 Fudern Heu.

Der Viehstand durfte nach der Abschätzung des Landbuches 60 Rinder, 200 Schweine und 60 Gänse enthalten; wie viel Vieh in der That vorhanden war, ist nicht angegeben. 1632 hatte der Krieg fast alles Vieh geraubt, es waren nur 2 Kühe und 6 Schweine übrig geblieben. Um die Rinderheerde wieder möglichst vollzählig zu machen, zog man in den nächsten Jahren vorzugsweise Kälber auf, und zwei Jahre später, 1634, trieb man 33 Haupt Rindvieh, nämlich 8 Kühe und 25 Starken und Kälber, auf die Weide. Auch das übrige Vieh war bis fast auf die Hälfte des Normalstandes wieder ergänzt.

Dienstpflichtige Dörfer waren: Passin, Parkow, Bahlen, Neuendorf, Schlemmin, Penzin und Jürgenshagen, später (1654) auch die Schulzen zu Horst und zu Steinhagen. Das sehr weit abgelegene Dorf Jürgenshagen zahlte indessen schon 1581 für den Hofdienst ein Dienstgeld.

2) Wolken. - Von den Gebäuden des Meierhofes Wolken wird in der Description berichtet, daß sie sich in ziemlich gutem Stande befanden. Ebenfalls wird dort von der Scheune gesprochen; wie viel Gebäude außer dieser vorhanden waren, ist nicht angegeben.

Die Feldmark war etwas kleiner als die des Ziegelhofes, und enthielt nach dem Landbuche nur 40 Drpt. Aussaat; die Wiesenfläche war aber eine sehr große, es konnten 460 Fuder Heu geworben werden. Dieser Reichthum an Heu durfte übrigens in Wolken selbst nicht verbraucht werden, denn auch der bischöfliche Stall in Bützow und die "Höfe" erhielten nach Bedarf davon geliefert. Ein Theil des Wolkener Feldes war in kleinen Parcellen von 3-15 Morgen an die Bauern in Zepelin verpachtet.

Entsprechend der großen Wiesenfläche war die Kuhheerde eine bedeutende. Das Landbuch meint, daß in Wolken 200 Kühe könnten gehalten werden; 1632 und die folgenden Jahre war aber noch nicht die Hälfte vorhanden. 1581 hielt man gar keine Schweine, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts dagegen 60-100 Stück und darüber. Gänse= und Hühnerzucht wurde hier, wie überall, mit Vorliebe gepflegt, ja sogar große ausländische Hühner, "Kalkunsche oder Indische" (Puter) genannt, hatte man sich neben den kleineren inländischen zu verschaffen gesucht.

Dienstpflichtig war nur das Dorf Zepelin.

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3) Der Hof Boitin mit der Schäferei. - Der Hof Boitin, westlich vom Boitinschen See gelegen, enthielt 1634 an Gebäuden: das Wohnhaus, das "neue" Haus (ein kleines Haus mit einer Stube und einer Kammer, wohl zur Wohnung des dortigen Holzvogtes bestimmt), die Scheune, den langen "Stall" (von 12 Gebinden), das Schweinehaus und das kleine Käsehaus (von 2 Gebinden).

Das Feld, zu etwa 40 Drpt. Aussaat berechnet, wurde in 3 Schlägen bestellt. 1581 waren 2 Drpt. Weizen gesäet, in den vorliegenden Acten aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird von Weizenbau nicht berichtet. Die Wiesen, im Ganzen gegen 100 Fuder Heu liefernd, waren nach dem Landbuche größtentheils, z. B. die Kannenbruchwiese, von den Tarnower Bauern gegen Brenn= und Zaunholz eingetauscht.

Der Viehstand war im 16. Jahrhundert kleiner, als in der ersten Hälfte des 17.; selbst im 30jährigen Krieg ist er im Wachsen. Während man 1581 nur 60 Kühe hielt, waren 1637 109 (darunter nur 42 milchende) vorhanden; die Zahl der Schweine vermehrte sich in derselben Zeit von 70 auf 134, die der Gänse von 60 auf 99. Die Hühner, Kalkunsche wie inländische, waren 1637 "von den räuberischen Reutern, so häufig auf diesem Hof einquartiert, verzehrt und mit weggenommen". Für gewöhnlich wurden sonst etwa 60 Stück gehalten.

Den Hofdienst verrichteten die Dörfer Boitin, Tarnow, Warnow und Zernin.

Die Boitinsche Schäferei lag ungefähr 10 Minuten östlich vom Dorfe auf der anderen Seite des Sees an der Landstraße von Dobbertin nach Bützow. Ein Wohnhaus, eine Scheune, ein Schafstall und ein Käsehaus (nur 3 Gebinde) waren alle dort befindlichen Gebäude. Die Anzahl der Schafe betrug etwa 1000 Stück.

c. Die Bauerdörfer.

1) Zarfzow. (Jetzt Hausgut im A. Bukow. 6 Hufen) 1 ). - Das Landbuch berichtet über Zarfzow: "Daselbst sind 2 Meierhöfe, mit 2 Hofmeiern besetzt, und 2 Kossaten; gehören


1) Die Hufenzahl ist hier, wie bei den folgenden Dörfern, nach der Description angegeben. Die Kossatenstellen sind nicht einbegriffen.
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mit aller Herrlichkeit und Gerechtigkeit dem Bischofe zum Hause Bützow". Die hier Meierhöfe genannten Gehöfte sind in der That mehr als große Bauerstellen, da zu jedem derselben 19 Drpt. Acker gehörten, die man mit 18 Pferden bestellte. Jeder Hofmeier zahlte eine Pacht von 30 M. jährlich. Hofdienste wurden nicht gefordert; doch war den Stellen die Verpflichtung auferlegt, das Zehntkorn aus Bukow nach Bützow zu fahren und den Bützower Beamten, wenn dieselben in Zarfzow waren, "Ausrichtung zu thun". In der Description (1632) werden diese Stellen nicht Höfe, sondern Bauergehöfte genannt, deren Ackerfläche zu 3 Hufen veranschlagt wird.

Außerdem gab es in Zarfzow 2 Kossaten, welche "allerlei Kossatendienst bei der Collectur zu Bukow thaten, Briefe trugen und Holz fällten".

2) Jürgenshagen. (18 Hufen.) - Das Dorf Jürgenshagen, früher Jordanshagen genannt, mit einer zur Pfarre in Neuenkirchen gehörigen Kapelle, war früher im Besitz des Schweriner Capitels, nur einige Kornpächte kamen seit alter Zeit dem Bischof zu. "Solches aber hat der Administrator Herzog Ulrich zu Meklenburg ausgewechselt, und hat dagegen das Capitel Alles an dem Dorfe abgestanden und s. f. G. eingeräumt, wie dessen auch Verträge aufgerichtet, und gehöret nun das ganze Dorf mit höchsten (und) siedesten Gerichten, Auf= und Ablaß und allen Diensten, Herrlichkeiten und Gerechtigkeiten zum Hause Bützow, ausgenommen etliche Hebungen, zur Oeconomie zu Schwerin verordnet." (Landbuch von 1581.) Nach den Schweriner Kirchen=Acten übernahm nämlich der Herzog Ulrich als Administrator des Stifts 1565 die Besoldung der Kirchen= und Schuldiener des Domes an Stelle des Capitels und erhielt deshalb von letzterem das Capitelsdorf Jürgenshagen und eine Präbende aus der Saline zu Lüneburg von 50 Gulden. Die über diesen Vertrag ausgefertigte Urkunde datirt indessen erst vom 21. Februar 1568.

In dem Dorfe wohnten 1581 19 Bauleute auf Stellen von durchschnittlich einer Hufe Acker und 7 Kossaten; 1632 hingegen 18 Bauleute, 7 Kossaten und 1 Schmied in einem eigenen Hause.

Nur einige Bauern lieferten nach dem Landbuche Korn (Roggen, Gerste und Hafer) nach Bützow, aber der Oeconomie der Schweriner Domkirche waren alle verpflichtet. 1632 betrug die Hebung der Domöconomie 47 fl. 3 Pf.

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3) Penzin. (14 Hufen.) - Die Kapelle in Penzin, ein Filial von der Kirche in Neuenkirchen, war wie die Mutterkirche bischöflichen Patronats 1 ).

Das Dorf gehörte nach dem Landbuche mit Gericht, Auf= und Ablaß und allen Diensten dem Bischof; "doch werden von den Moltken daran angefochten 3 Bauleute und 3 Kossaten, von welchen doch itzige Leute nicht gedenken, daß Moltken daran gehabt". Die Feldmark von etwa 14 Hufen war unter 11 Bauleute und 3 Kossaten vertheilt.

Die Abgaben der Dorfschaft bestanden in einer Geldpacht von 22 M. 10 s. 9 Pf., einer Königsbede von 24 M., einer Kornlieferung von etwa 70 Drpt., in 12 Zehntschweinen, 10 Rauchhühnern (der Schulze war davon befreit) und 12 Topp Zehntflachs. Hühner und Eier mußten auf Verlangen bei Anwesenheit "der Herren" in Bützow geliefert, und außerdem "Ausrichtung zum Schweinsablager" und (vom Schulzen) zur Hasenjagd gethan werden.

4) Passin. (14 Hufen.) - Das Dorf Passin mit einer zur Kirche in Bützow gehörigen Kapelle, bischöflichen Patronats, war Eigenthum des Bischofs, "seit es von den Moltken vollends eingezogen" (Landbuch). Nur einige Hebungen kamen dem Capitel aus einer Bauerstelle zu.

Bewohnt wurde Passin von 10 Bauleuten, 6 Kossaten und (1632) 1 Einlieger, der Schneider war.

Die Gelbabgabe, Pacht und Bede, bestand in 131 M. 10 s. 6 Pf.; an Roggen, Gerste und Hafer wurden zusammen 9 Drpt. geliefert. Ebenfalls war die Dorfschaft zur "Jagdausrichtung" und zu Lieferungen von Eiern und Hühnern, "wenn die Herren zu Bützow, und angesagt wird", verpflichtet.

5) Bahlen. - Das jetzt untergegangene Dorf Bahlen stammt sicher schon aus der wendischen Zeit her, da es einen auch sonst häufigen Ortsnamen hat, der zweifelsohne slavischen Ursprungs ist. Ueber die Lage des Dorfes berichten die Acten, betreffend Landvermessung im Amte Bützow vom Jahre 1704: "Das Dorf Bahlen, eine gute Viertelmeile von Bützow belegen, hat bisher 2 Viertelhufner zu Einwohnern gehabt. Der Acker liegt in Worthen und hin und


1) Nach einem Berichte des Pastors Plitt zu Neuenkirchen vom Jahre 1762 War "die Capelle zu Penzin ungefähr vor eines Menschen Alter zerfallen". Der Wüste Kirchhofsplatz, so lange von der Dorfschaft als Ruheplatz des Mittags für ihr Vieh benutzt, wurde in dem genannten Jahre dem Schulmeister zur Vergrößerung seines Gartens gegeben, neben welchem er lag.
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wieder zwischen dem Passiner Acker." Auf der v. Hoinkhusen'schen Karte (Amt Bützow 1713) liegt das Dorf auf gleichem Breitengrade mit Horst, links am Wege von Bützow nach Passin, die Dorfstätte gehört also jetzt zur Horster Feldmark.

Das Landbuch sagt: "Bahlen ist von den Moltken gekommen und hat die Gelegenheit mit dem, als mit Passin, ohne daß der Bischof an Passin sonsten auch von Alters gegehabt." Es wohnten hier früher 3 Kossaten, von denen 2, ebenso wie einige Passiner Bauern, Ackerstücke vom Barelslande (!) in Pacht hatten. Die ganze Abgabe des Dorfes bestand 1581 in 5 M. 12 s. Geldpacht und 3 s. Bede.

Alle drei Kossaten kommen in den Bützower Amtsacten 1663 zuletzt vor, sicher waren 1696 nur noch zwei vorhanden 1 ).

6) Horst. - Der Hof zu Horst, nach dem Landbuche ein Meierhof von 8 1/2 Drpt. Aussaat und wie gewöhnlich in 3 Schlägen bewirthschaftet, gehörte "mit aller Gerechtigkeit zum Hause Bützow". 1581 wurde dem Pächter, der jährlich 15 M. Pacht zahlte und außerdem weitere Fuhr=


1) Nach einer Beschreibung des Amtes Bützow von 1701/2 wohnten in Bahlen 2 Kossaten, und war daselbst eine Stelle wüst. Der Kossat und Schulze Hans Wiede hatte 6 Scheffel Roggen und 10 Scheffel Sommerkorn gesäet, seine Hufe war also eine recht kleine. Doch standen auf seiner Hofstelle verhältnißmäßig viele Gebäude: Wohnhaus, Scheune, Schauer und "Beikathen" Er hielt 2 Pferde, 2 Ochsen, 2 Kühe, 2 Kälber, 8 Schweine. Die Geldabgabe für diese Schulzenstelle war gering (3 fl. 7 s. 3 Pf. jährlich); aber der Hofdienst, welcher auf dem Bauhof geleistet werden mußte, war nicht unbeträchtlich. Der andere Kossat (Bruhn) hatte eine etwa gleich große Stelle mit gleichen Leistungen. Im ganzen Dorfe gab es nur 4 Heerdstellen. Die Feldmark wurde begrenzt von Passin, Kambs, Bützow und der Horster Schulzenstelle. Bei der Vermessung 1704 wurden die Kossatenstellen durch die Bahlener wüste Hufe und einzelne Passiner Ackerstücke vergrößert und so aus den Kossaten Halbhufner gemacht. Weide hatte und behielt das Dorf mit Passin gemeinschaftlich.
Ganz genau ist nicht ermittelt, wie lange das Dorf existirte; aber der Zeitraum, in welchem es nachweislich untergegangen ist, ist gerade nicht groß. Zuletzt kommt es in den Bützower Pachtgeld=Registern von Trinitatis 1743/44 vor; die folgenden Jahrgänge dieser Register fehlen leider, und andere Acten, die Aufschluß, geben, sind auch nicht da. 1758 aber gab es im Bützower Amt kein Dorf Bahlen mehr; sonst würden die Kriegsschäden=Berechnungen, welche alle übrigen Amtsdörfer der Reihe nach mehrfach aufzählen, auch Bahlen genannt haben. So viel steht also fest, daß das Dorf zwischen 1744 und 1758 untergegangen ist; wahrscheinlich ist die ganze Feldmark an Horst gekommen.. Nach Passin sind, wie man vermuthen könnte, die Bauern nicht verlegt. Noch heute heißt die Landstraße in der Gegend des untergegangenen Dorfes der Bahler Damm, und eine dortige Brücke die Bahlsche Brücke.
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dienste, z. B. nach Rostock, Wismar, Güstrow u. s. w. zu leisten hatte, ebenso wie den Amtsbauern Brenn= und Zaunholz frei geliefert. Horst war also schon im 16. Jahrhundert in ähnlicher Weise, wie zu Ende des 30jährigen Krieges mehrere Amtshöfe, förmlich verpachtet.

Im 17. Jahrhundert wohnte neben dem Hofpächter zu Horst ein Bauer oder Schulze, wie er meistens bezeichnet wurde, der sich in den Bützower Amtsregistern, so weit sie reichen (bis 1744), findet. Der Baueracker lag nach dem Dorfe Bahlen zu.

7) Parkow. (9 Hufen.) - "Das Dorf gehört jetzo zum Hause Bützow mit höchsten und siedesten Gerichten, Diensten, Auf= und Ablaß und aller Herrlichkeit und Gerechtigkeit,. wird aber von den Moltken neben ändern gerichtlich befochten, gleich den Passinschen, Penzinschen, auch Bahlen" (Landbuch).

Die Dorfschaft, aus 7 Bauleuten und 7 Kossaten bestehend, zahlte ans Amt 42 M. 1 s. Geldpacht, 6 s. für 6 Topp Zehntflachs, 9 M. Königsbede und lieferte 14 Rauch=Hühner. Außerdem bestand die Verpflichtung Hühner und Eier zu liefern, "wann die Herren im Amte" waren, und zum Schweinsablager nach Tarnow und Schlemmin "ihr Gebührniß zu bringen".

8) Neuendorf , (19 1/2 Hufen.) - Das Dorf Neuendorf, früher immer Niendorf genannt, gehörte nach dem Landbuche dem Bischofe mit allen Rechten. Es wohnten dort 1581 12 Bauleute und 1 Kossat, 1632 13 Bauleute, deren Stellen sehr verschiedener Größe waren, von 1/4 bis 2 Hufen.

Die Hebungen aus Niendorf bestanden in 26 M. 0 s. 11 Pf. Geldpacht, 9 M. 8 s. Königsbede, 7 M. 6 s. 9 Pf. Grasgeld, 11 Rauchhühnern, 214 Pachthühnern und in den Zehntlämmern. Auch waren die Bauern verpflichtet, Hasen= und Schweinsablager zu geben und für die "Herren" in Bützow Hühner und Eier zu liefern.

9) Trepzow , s. ritterschaftliche Güter und Dörfer.

10) Schlemmin. (19 1/2 Hufen.) - Die Kapelle in Schlemmin, bischöflichen Patronats, ein Filial der Kirche in Moisall (s. dieses), verfiel während des 30jährigen Krieges so vollständig, daß es nicht mehr möglich war, den Gottesdienst zu den "Vierzeiten" wie früher darin zu halten. 1653 versuchte man durch eine Sammlung Geld zur Reparatur zu gewinnen, doch flossen die Gaben nicht reichlich, und der Bau unterblieb.

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Obwohl das Landbuch zuerst behauptet, daß das Dorf dem Bischof ganz und gar gehöre, so giebt es doch darauf bei der Specification der Hofstellen an, daß deren drei neben dem Amte Bützow auch dem Kloster Rühn, und andere drei auch Jürgen Wackerbarth 1 ) pflichtig seien.

In dem Dorfe wohnten 12 Bauleute und 3 Kossaten, deren Stellen 1/4 bis 2 Hufen Acker enthielten.

Außer 34 M. Pacht und Königsbede mußte etwas mehr als 17 Drpt. Korn und 14 Rauchhühner ans Amt geliefert werden. Die Verpflichtungen in Bezug auf Jagdablager und Lieferungen von Hühnern und Eiern waren denen der vorhin beschriebenen Dörfer gleich.

11) Warnow. (33 Hufen.) - Die Kirche in Warnow war Anfangs, sicher bis 1558, ein Filial von Zernin, später, nachweislich vor 1593, wurde die Pfarre von Zernin nach Warnow verlegt; jetzt ist wieder Zernin Mutterkirche und Warnow Filial.

Das Dorf gehörte mit allen Rechten zum Amte Bützow. In demselben wohnten im 16. und 17. Jahrhundert 16 bis 17 Bauern und Kossaten, die nach dem Landbuche für ihre Warnower und Schallocker Hufen (s. weiter unten) zusammen einige neunzig M. Pacht, 15 1/2 Zehntschweine, 15 1/2 Topp Flachs, 16 Rauch=, 16 Drift= und 39 Pachthühner ans Amt lieferten. Landbede gaben sie nicht und hatten es auch vor 1581 nicht gethan. Wenn die Beamten im Dorfe waren, hatte der Schulze allein für die "Ausrichtung" zu sorgen. Die Verpflichtungen in Betreff des Jagdablagers u. s w. waren, wie in den vorhin genannten Dörfern, allen Bauern auferlegt.

Während Warnow in der ersten Hälfte des 30jährigen Krieges, wie die Bützower Amtsdörfer überhaupt, verhältnißmäßig wenig litt (bis 1632 waren doch nur 2 Stellen wüst geworden), verlor es in der letzten Hälfte viele seiner Bewohner. Die Schulzenstelle, 8 Bauer= und 2 Kossatenstellen wurden ihrer Bewohner beraubt, und da man sie, jedenfalls aus Mangel an Menschen, nicht wieder besetzen konnte, legte man die Hufen 1643 zusammen und errichtete den Hof Warnow, welcher 1646-1653 an Jürgen Dickß für jährlich 500 fl. verpachtet wurde 2 ). In den ersten Jahren standen auf dem Hofe nur ein Wohnhaus und eine Scheune. Da Anfangs


1) In Folge des Tausches im Jahre 1563, s. ritterschaftliche Güter und Dörfer, Trepzow.
2) Bützower Amtsbeschreibung von 1654.
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auch die Schäferei fehlte, so nahm man, wider allen damaligen Gebrauch, die Schafe auf den Hof.

Dienstbar wurde das Dorf Warnow.

Ein Theil der Feldmark, welche die Warnower Bauern bestellten, wird in den Acten mit dem Namen Schallocker oder Scharlunker Hufen bezeichnet. Nach dem Landbuche und den Türkensteuer=Registern hatten die Warnower 17 von diesen (kleinen) Hufen in Gebrauch, während drei nach Lübzin verlegt waren.

Die Schallocker wüste Feldmark muß man also zwischen Warnow und Lübzin suchen, da, wo jetzt der Hof Schlokow liegt. Das an dieser Stelle untergegangene Dorf begegnet uns in den Acten zuletzt 1517, in welchem Jahre der Dompropst (als Administrator des Stiftes) und das Capitel zu Schwerin Hartig Parums 1 ) Güter: Parum, Tarnow, Boitin, "Sceddelocke" (Scadeloke), Zernin und Katelbogen dem Stiftsmanne Karsten Preen verliehen. Dies Parumsche Dorf Scadeloke, das also 1517 noch existirte, ist in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts bereits verschwunden. In einer Bützower Amtsbeschreibung von 1702 wird über den Hof Warnow berichtet: "Der Grenzen halber ist kein Streit, es wird aber vom Gut Lübzin sich das Warnower Feld zur Schafhütung mit angemaßet, aus diesem Fundament, weil in dem jetzigen Warnowschen großen Holze vor Alters ein Dorf gelegen, Schlock genannt, worin das Gut Lübzin einige Stätten (Hofstellen) mit gehabt haben soll; die Grenze wäre dann zugewachsen mit Holz." Dieses Holz ist der oben S. 166 erwähnte Schallocker Wald, der nach dem Untergange des Dorfes auf der Feldmark aufwuchs und schon 1581 reiche Mast trug, also sicher aus der Zeit vor 1540 stammte. Mithin fällt die Zeit des Unterganges vom Dorfe Schallock zwischen 1517 und 1540 2 ).


1) Hartig Parum starb ohne männliche Erben, und mit ihm erlosch sein Geschlecht, das seit dem 13. Jahrhundert zu dem meklenburgischen Adel zählte, im Mannesstamme.
2) Im vorigen Jahrhundert entstand auf dieser Feldmark ein neues Dorf, dem man den etwas veränderten, alten Namen wiedergab, das ist der jetzige Hof Schlokow. Die im Archive befindlichen Bützower Amtsacten kennen dies neue Dorf nicht, sicher existirte es auch 1751 noch nicht, da die Acten über Kirchenintraden von diesem Jahre alle übrigen jetzigen Ortschaften der Warnow=Zerniner Gemeinde aufzählen, aber nicht Schlokow nennen. Daß aber Schlokow von Anfang an zu jener Gemeinde gehörte, geht ohne Zweifel daraus hervor, daß es zuerst eine Pertinenz des Hofes Warnow war. Die Acten über den 7jährigen Krieg erzählen nämlich, daß aus dem Dorfe Zernin im Jahre 1758 "4 nach dem Meierhofe Schlokow, zum Pacht= (  ...  )
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12) Zernin. (16 Hufen.) - Die Kirche in Zernin war noch 1558 eine Mutterkirche, zu welcher eine Kapelle in Peetsch gehörte, doch bald darauf wurde sie zu einem Filial von Warnow gemacht. 1593 war die Wedem (der Pfarrhof) bereits verwüstet, und die leere Stätte für 9 s. verpachtet. Der Kirche gehörte ein Katen in Zernin, die Schneiderei genannt, für welchen (1593) 2 fl. Miethe gezahlt wurden.

Nach dem Landbuche "gehört dies Dorf dem Bischofe mit höchsten und siedesten Gerichten, - doch halten die Bülowen und Preene, auch Moltzane Leute darinnen, darüber sich die Junker der Gerichte anmaßen und die Dienste daran haben". Was die "Moltzane Leute" betrifft, so waren diese 4 Bauern 1563 gegen Bauern in Trepzow eingetauscht (vergl. ritterschaftliche Güter und Dörfer, Trepzow); der Familie Preen gehörten 4 Bauerstellen, der Krug und die Schmiede, den v. Bülow 1 "Mann" (Bauer). Bischöflich waren, die 4 im Jahre 1563 eingetauschten Unterthanen mitgerechnet, 9 Bauern und 4 Kossaten. 1632 zählte man 3 wüste bischöfliche Bauerstellen, doch wurden 1654 wieder 9 Bauer= und 5 Kossatenstellen bebaut und bewohnt.

Die bischöflichen Hebungen des ganzen Dorfes bestanden in 29 M. 10 s. Pacht, 15 s. Königsbede, 13 Rauch= und 36 Pachthühnern. Jagdablager und Ausrichtungen wie in den vorhin beschriebenen Dörfern.

13) Boitin. - Die Pfarre und Kirche 1 ) in Boitin waren zur Zeit der Administration bischöflichen Patronates. Eine Pfarrhufe wurde vom Prediger bewirthschaftet, zwei Pfarrbauern gaben demselben Pacht.

"Das Dorf gehört dem Bischofe zum Amte Bützow mit höchsten und siedesten Gerichten, Auf= und Ablaß und allen Diensten, und obwohl etliche Bauleute da gewesen und ziemlich Acker gehabt, ist doch der Acker zum (neu an=) gelegten Hofe eingezogen." (Landbuch.) Seit Errichtung des Hofes Boitin wohnten also nur Kossaten im bischöflichen Antheil des Dorfes; die 3 Maltzanschen Bauern mit 4 Hufen, welche 1563 gegen Bauern in Trepzow (s. dieses) eingetauscht wurden,


(  ...  ) hofe Warnow gehörig, dienende Bauern" 2 Mal zum Korntransport Fuhrwerk stellten. Hiermit ist nun nicht bloß bewiesen, daß Schlokow als Nebenhof von Warnow zuerst erstand, sondern auch, daß es vor 1758 erbaut sein muß. In Mitberücksichtigung der obigen Darlegung kann also behauptet werden, daß die Gründung in die Zeit von 1751-1757 fällt.
1) Eine Beschreibung der Kirche findet sich Jahrb. 27, S. 204, 205.
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mußten ebenfalls so viel Acker an den "neuen" Hof abgeben, daß sie nur noch Kossaten blieben. Der Schulze war zugleich Krüger; der Schmied, auf einer ganz kleinen Kossatenstelle wohnend, 1581 ein Unterthan derer v. Preen zu Lübzin. Im Ganzen wohnten hier 16 Kossaten; die Stellen von dreien waren 1632 verwüstet.

Das Amt erhielt aus dem Dorfe eine Pacht von 22 M. 2 s. und 13 Rauchhühner. Landbede wurde nicht erhoben. "Richten kein Ablager aus, geben Hühner und Eier, wenn die Herren zu Bützow sind." (Landbuch.)

14) Tarnow. (32 Hufen.) - Die Pfarrkirche 1 ) in Tarnow, bischöflichen Patronats, besaß als Filial eine Kapelle in Prüzen und früher, aber nicht mehr 1593, auch eine Kapelle in Mühlengeez. Zur Pfarre gehörte ein Bauer und ein Kossat.

Die volle Gerichtsbarkeit kam zwar über das ganze große Bauerdorf dem Bischofe zu, doch hatten nach dem Landbuche "die Preene darin 5 und die Bülowen auch 5" Unterthanen. An bischöflichen Unterthanen wohnten 1581 in Tarnow 21 Bauleute und 10 Kossaten (ein Schmied), 1632 nur 20 Bauleute und 6 Kossaten, "zwei Bauern hatten die kaiserlichen Soldaten ganz ruinirt."

Aus dem Dorfe bezog der Bischof (1581) 117 M. 9 s. Pacht und Bede, 30 1/2 Zehntschweine, 30 1/2 Topp Flachs und 165 Rauch= und Pachthühner. Ausrichtung zum Jagdablager und für die Amtleute wurde gefordert.

15) Zepelin. (23 1/2 Hufen.) - Die Kapelle in Zepelin gehörte, wie noch jetzt, zur Kirche in Bützow und war, wie diese, bischöfliches Lehn.

Die Jurisdiction kam dem Bischofe über das ganze Dorf zu, doch gehörten im 16. Jahrhundert einige Bauerdienste Jürgen Wackerbarth und der Familie Preen zu Lübzin, letzterer noch im Jahre 1654. Die Anzahl der bischöflichen Bauern war 12-13; ihre Stellen enthielten 1/2-2 Hufen. Zur Schulzenstelle war nur eine Hufe gelegt. Kossaten gab es in Zepelin 6. 2 Bauerstellen hatte man zu einem Lehn "ad studia boni alicujus ingenii" gemacht; die Verleihung desselben geschah durch den Propst des Schweriner Domcapitels.

Die Hebungen des Amtes betrugen 1581, außer einer Königsbede von 39 M., 81 Drpt. 8 Schffl. Pachtkorn


1) Ueber die Kirche in Tarnow handelt Jahrb. 21 A., S. 275; 27, S. 212; 29, S. 209.
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(Roggen, Gerste und Hafer), 17 Zehntschweine, 16 1/2 Topp Flachs, 71 Rauch= und Pachthühner und das Zehntlamm. Ausrichtung zum Jagdablager wurde nicht gefordert, wohl aber mußten die Bauern auf Verlangen Hühner und Eier liefern, "wenn die Herren zu Bützow" waren.

Ueber die Vermiethung eines Theils von der Wolkener Feldmark an die Zepeliner Bauern ist bereits bei Wolken berichtet worden.

16) Steinhagen , Antheil. - In dem Stiftsdorf Steinhagen, das seinem Haupttheil nach ritterschaftlich war, besaß der Bischof nach dem Landbuche eine Bauerstelle von 2 Hufen "mit allen Gerichten, Diensten, Herrlichkeit und Gerechtigkeit". Aber der Entwurf zu einer Beschreibung des Amtes Bützow vom Jahre 1654 bekennt: "Ob die Jurisdiction J. F. G. ganz oder halb gehört, kann man nicht gründlich Wissenschaft haben." Die Hebungen aus dieser Stelle, im 17. Jahrhundert und später immer Schulzenstelle genannt, bestanden 1581 in 3 M. Bede, 6 Drpt. Kornpacht, 1 Zehntlamm, 1 Rauchhuhn und 1 Topp Flachs.

Um 1650 erzählte der "alte" Schulze zu Steinhagen 1 ), daß diese seine Stelle einstmals gegen 3 Stellen in Moisall umgetauscht wäre 2 ).

2) Das Stiftsamt Warin.

a. Allgemeines.

Im Norden von dem "Städtlein" und im Süden von dem Glammsee begrenzt, lag der Amtssitz, der Bauhof und die Schäferei zu Warin, und ganz nahe dabei, nach Westen, an dem Mühlenbach, welcher den Wariner See mit dem Glammsee verbindet, die Amtsmühle (s. die Stadt Warin). An derselben Stelle findet man noch heute das großherzogliche Amt und Amtsgericht und die zum Domanium gehörige Erbpachtmühle. Andere Meierhöfe und Mühlen waren früher nicht vorhanden.

Die Waldungen dieses Amtes sind, da das "Landbuch" dasselbe nicht beschreibt, nicht in der Vollständigkeit anzugeben, wie beim Amte Bützow. Die Description be=


1) Bützower Amtsbeschreibung.
2) 1754 wurde das Schulzengehöft dem Gutsbesitzer Krüger auf Katelbogen und Steinhagen verkauft; doch gilt die Ackerfläche desselben noch jetzt für einen Bestandtheil des Domanialamtes Bützow und wird im Staatskalender mit "Steinhagen, Antheil" bezeichnet.
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richtet, daß in der Holzung "bei vollkommener Mast" ungefähr 800 Schweine konnten "feist gemacht" werden. Hierbei ist der Wald bei Drispeth und Gallentin, welche wie alle Seedörfer eine Zeit lang zu Warin gehörten (s. die Seedörfer) mitgerechnet, und diese mästeten allein gegen 100 Schweine. In das Glambeker Holz trieb man 1624 1 ) 332 Schweine, in das Mankmooser 228, in das Radebeker auf dem Fidemer Felde (s. Fidem) 109, ins Werderholz bei Schwerin 44, ins Drispether 59, ins Gallentiner 17, zusammen 789 Schweine. Außerdem gaben die Pennewitter Bauern für das Buchholz auf ihrer Feldmark an der Neumühler Grenze 14 fl., und der Landreuter und Fischer zu Warin für die "Barenburgh" 3 fl. Mastgeld; sie werden auch ebenso viele Schweine in die Mast geschickt haben, als sie Gulden bezahlten, da die übrigen nachweislich für das Schwein einen Gulden erlegten. Ferner geht aus den Amtsacten hervor, daß auf dem Labenzer Felde, wohl auf dem westlichen Schlage "dem Eekenrade", viele Eichen standen, und daß es ein Mankmooser Eichenholz bei der "Futterstede" gab. Weichholz war nach der Description so viel vorhanden, als man zur Feuerung gebrauchte.

An Seen sind namentlich in der Description aufgeführt:

1) der Große (Wariner) See;
2) der Glammsee;
3) der Gruvemaker (Rüben=) See 2 );
4) der Weiße See. Derselbe liegt westlich vom Labenzer See zwischen drei Söllern, von denen die beiden nördlichen Barschseen und der südliche Fauler See heißen 3 );
5) der Glambeker See;
6) der Faule See;
7) und 8) der Große und der Kleine Barschsee;
9) die Barschkuhle;
10) der Poggenpfuhl.

Die Lage der beiden letzten Teiche ist wohl schwerlich nachzuweisen; jedenfalls waren sie recht unbedeutend, was


1) Wariner Amtsacten.
2) Auf der v. Hoinkhusen'schen Karte aus dem Anfange des vorigen Jahrhunderts wird der jetzige Rübensee "Grofensee" genannte nach der Kirchenvisitation von 1593 hat der Wariner Pfarrer eine Wiese beim "gröbenacker".
3) Vgl. Karte von v. Schmettau und Generalstabskarte.
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schon aus den Bezeichnungen Kuhle und Pfuhl erhellt. Nach der Description waren die sieben zuletzt genannten Gewässer nur einmal im Jahre mit der Wade zu befischen.

b. Die Amtsdörfer.

Das eigentliche Amt Warin hatte nur eine geringe Ausdehnung; es umfaßte außer dem Bauhof und der Mühle nur die 6 Dörfer Büschow, Nisbill, Pennewitt, Mankmoos, Klein=Labenz und Wendorf. Aber vor der Zeit der Administration, sicher schon 1523, waren demselben auch Dörfer des Amtes Bützow zugelegt, die wenigstens bis 1632 von Warin aus verwaltet wurden. Die Description führt nämlich unterm 2. Februar 1632, wie die 4 Seedörfer Wickendorf, Lübstorf, Drispeth und Kleinen (s. diese), so auch Glambek, Göllin und Qualitz noch als Wariner Amtsdörfer auf. Dagegen stehen die drei letzten Dörfer in den "Restantenlisten" des Amtes Bützow aus den Jahren 1641-1648, folglich sind sie in der Zeit von 1632-1640 nach Bützow verlegt worden.

1) Büschow . (15 3/4 Hufen.) 1 ) - Büschow war früher ein ritterschaftliches, zum Amte Meklenburg gehöriges Bauerdorf 2 ). Im Jahre 1506 aber verkaufte es der damalige Besitzer Kurd Bevernest an den Bischof Johannes von Schwerin, und die Herzoge von Meklenburg traten nun auch ihre Hoheitsrechte in diesem Dorfe dem Bischofe ab 3 ). Schon seit Anfang des 14. Jahrhunderts wohnten hier 7 Bauern, später, sicher seit 1523, 6 Bauleute und 3 Kossaten. Als im 30jährigen Kriege die "Kaiserlichen" einrückten, wurde auch dies Dorf zum Theil verwüstet; 1629 waren nur noch 3 Bauerstellen und 1 Kossatenstelle einigermaßen erhalten. Die wüsten Stellen wurden übrigens sehr bald fast alle wieder besetzt; wahrscheinlich suchten die vertriebenen Bauern, als die Zeiten friedlicher wurden, ihre Gehöfte wieder auf.


1) Die Hufenzahl ist auch hier, wie im Amte Bützow, nach der Description angegeben.
2) Daher konnte dies Dorf auch nicht in den päpstlichen Bestätigungsurkunden des Stifts von 1185 und 1189 (Urk.= Buch I., Nr. 141 und 149) neben den Dörfern des zum Bisthum gelegten Amtes Warin genannt werden. Daß aus dem bischöflichen Dorfe Dargemesle später Büschow und Pennewitt geworden, wie in Raabe's Vaterlandskunde, Abriß der meklenburgischen Geschichte, S. 727, wohl nach der Parenthese bei Lisch, Meklenburgische Urkunden III, S. 14, angenommen wird, ist deshalb nicht möglich; außerdem spricht auch die Lage der beiden Feldmarken, die durch einen größeren See und durch die Feldmark Klein=Warin, Amts Neukloster, getrennt sind, durchaus gegen diese Annahme.
3) Urkunden des Archivs. Jahrb. 23, S. 53.
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1641 wohnten in Büschow 6 Vollbauern, und diese Zahl blieb bis in die neueste Zeit (1829).

Die Leistungen des Dorfes an das Amt bestanden 1632 in einer Geldpacht von 46 fl. 6 Pf. und in 2 fl. Holz= und Oelgeld. Das Pachtkorn, welches von anderen Dörfern zu liefern, war für Büschow also schon früh zu Geld gerechnet.

2) Nisbill . (16 1/4 Hufen.) - Im Bauerdorf Nisbill wohnten im 16. Jahrhundert (1577) 5 Bauern und 1 Kossat, später, im Anfange des 17. Jahrhunderts, 6 Bauern und 1 Kossat. Die Hebungen des Amtes von diesen Bauern bestanden in fast 23 Drpt. Pachtkorn, 8 fl. für den Zehnten von Schweinen, Hühnern und Flachs und in 5 fl. Kuhgeld. 1629 war eine Bauerstelle, die größte von 4 Hufen, wüst. Im Verhältniß zu anderen Ortschaften hatte sonst Nisbill bis dahin wenig im Kriege gelitten: Vieh war noch nothdürftig vorhanden, die Wintersaat einigermaßen hinreichend bestellt, und ein geringer Vorrath zur Sommersaat aufbewahrt. Aber einige Jahre darauf traf das Kriegsunglück dies Dorf furchtbar hart. 1639 waren alle Häuser bis auf eines eingeäschert, und die Bewohner bis auf den Kossaten alle verschwunden. Da es in der nächsten Zeit sicher unmöglich war, das Dorf wieder mit Bauern zu besetzen, so wurde hier in den Jahren 1639-1646 ein Hof aufgebaut, den der Herzog Adolph Friedrich an den Küchenmeister Kurd Schwaß zu Warin verpachtete und 1647 an Hartwig Wackerbarth auf Katelbogen für eine Schuld von 8000 fl. verpfändete. Kurd Schwaß behielt indessen die Pachtung auch unter dem Pfandinhaber. Wahrscheinlich wurde seit der Errichtung dieses Hofes das benachbarte Bauerdorf Büschow nach Nisbill dienstpflichtig; aus der späteren Zeit ist diese Dienstpflicht nachzuweisen.

3) Pennewitt . (20 1/2 Hufen.) - Von der großen Zahl von 18 Bauern und Kossaten, welche in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (1523) 1 ) in Pennewitt wohnten, waren in der zweiten Hälfte nach den Steuerregistern des Stifts nicht mehr als 10 übrig geblieben. 1624 und 1632 wohnten hier 6 Bauleute und 9 Kossaten, welche zum Amte, und 1 Kossat, welcher zur Wariner Pfarre gehörte. Bis 1639 waren 11 Hofstellen völlig abgebrannt und verwüstet, nur drei ganz erhalten; 4 Familien hatten ihren Untergang gefunden. Der Schulze des Dorfes war 1639 ein Kossat.


1) Wariner Amtsrechnungen.
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Alle Abgaben des Dorfes waren 1632 zu Geld gerechnet und betrugen 37 fl. 23 s.

4) Mankmoos . (25 Hufen.) - In alter Zeit und noch im Jahre 1544 war in Mankmoos eine Kapelle, ein Filial der Wariner Pfarrkirche. Da dieselbe in den späteren Visitations= und Kirchenacten nicht mehr vorkommt, so kann man sicher behaupten, daß sie bald nach 1544 zu Grunde gegangen ist.

1523 wohnten in dem Dorfe 19 Bauern und Kossaten, später, nachweislich seit 1577, 15 Bauleute und 4 Kossaten. Letztere Zahl blieb bis zur Mitte des 30jährigen Krieges. 1639 gab es zwar 13 Bauer= und 4 Kossatenstellen in Mankmoos, aber von denselben waren 8 Hofstellen durch Brand und Raub verwüstet, und 6 Familien waren verschwunden.

Die Hebungen des Amtes bestanden 1632 in einer Geldpacht von 48 fl., in Flachs= und Kuhgeld (5 fl.).

5) Klein=Labenz . (6 Hufen.) - Diese kleine Feldmark war im 16. und zu Anfang des 17. Jahrhunderts unter 3 Vollbauern vertheilt. 1639 wohnte auf einer Stelle der Schulze, auf den beiden andern kinderlose Wittwen, doch wurde von diesen Stellen wenigstens eine später noch wieder besetzt 1 ).

Die Bauern zahlten jährlich 12 fl. 12 s. Geldpacht und lieferten 4 Drpt. 6 Schffl. Pachthafer.

6) Wendorf 2 ). (5 (?) Hufen.) - Die Wendorfer Feldmark war jedenfalls die kleinste des Amtes. Die Steuerregister von 1577 zählen bloß 4 Hufen, die Description von 1632 4 1/4 Hufen, ohne eine verwüstete mitzurechnen. Wahrscheinlich hatte diese wüste Stelle aber auch wie die meisten andern 1/2 Hufe Landes, und es mußten also im Ganzen etwa 5 Hufen vorhanden sein. Bewohnt war das Dorf im 16. Jahrhundert und später bis zur Zeit, wo die kaiserlichen Kriegsvölker in Meklenburg einrückten, von 7 Halbhüfnern und 1 Kossaten. Aber schon im Jahre 1629 waren alle Hofstellen verwüstet, ein Bauer war nach amtlichem Berichte "Hungers gestorben", andere lagen an der Pest krank darnieder. 1639 fanden sich nur noch drei bebaute und be=


1) In den Jahren 1738 und 1739 verlegte man die beiden letzten Labenzer Bauern nach Mankmoos und errichtete auf deren Hufen einen Hof, den man durch angrenzende Ackerstücke und Wiesen noch vergrößerte.
2) Wendorf wurde in neuerer Zeit zum Amte Bützow verlegt.
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wohnte Hofstellen. Der Schulze, auch hier ein Kossat, hatte das Leben gerettet, aber nicht sein Wohnhaus.

Die Pacht der Bauern wurde 1632 theils in Geld, theils in Korn entrichtet, der Zehnte war zu Geld berechnet.

7) Qualitz . (26 1/2 Hufen.) - Die Kirche und Pfarre in Qualitz waren bischöfliches Lehn. Dotirt war die Pfarre mit 2 Hufen in Qualitz, die der Prediger selbst bewirthschaftete. Eine Scheune fehlte, daher mußte das Getreide im Wohnhaus aufbewahrt werden. Bei der Kirchenvisitation 1620 klagte der Prediger, daß er selbst dreschen und andere harte Arbeit verrichten müßte, da die dienstpflichtigen Bauern fehlten. Die Kirche besaß früher eine Hufe in Gralow, dieselbe wurde aber im 16. Jahrhundert an Jürgen Wackerbarth verkauft.

Schon 1523 zahlten 18 Bauern aus Qualitz Pacht an's Amt Warin, und deren Zahl veränderte sich kaum bis zum 30jährigen Kriege. Krieg und Pest räumten dann aber auch in dieser Dorfschaft furchtbar auf. Gleich beim ersten Einrücken der Kaiserlichen wurde Qualitz fast völlig ausgeplündert und verwüstet. Nachdem das Dorf zum Amte Bützow gelegt war, wurden die Bauern zum Hofdienste auf der Meierei Hermannshagen herangezogen.

Die Pacht der Dorfschaft bestand 1632 in 52 fl. und 4 1/2 Drpt. Korn; ein Bauer gab eine Hopfenpacht von 18 Scheffeln; außerdem wurden jährlich 2 fl. 17 s. Flachsgeld gegeben.

8) Göllin . (11 1/4 Hufen.) - Göllin, im 16. Jahrhundert noch Goldine genannt, hatte bis zum 30jährigen Krieg 10 Bauerstellen. Im Kriege wurden die meisten verwüstet, und 1654 wohnten in diesem Dorfe nur 3 Bauleute und 1 Kossat. (Vergl. Glambek.)

Das Amt Warin bezog aus Göllin eine Geldhebung von 43 fl. 22 s., 24 Drpt. Pachthafer und Flachs= und Kuhgeld.

9) Glambek . (12 1/4 Hufen.) - Von den 7 Bauerhufen und der einen Kossatenstelle, die wenigstens seit Anfang des 16. Jahrhunderts in Glambek bewohnt wurden, gingen im 30jährigen Kriege die meisten ein. Schon 1629 waren 6 Hofstellen verwüstet.

Die Hebungen des Amtes Warin bestanden in 4 fl. Bede, 24 fl. Pacht, 20 s. Flachsgeld und 5 fl. Kuhgeld.

Die im Kriege verwüsteten Hufen verpachtete man an den Pächter Efflandt unter der Bedingung, daß derselbe sich dort mit eignen Mitteln einen Hof aufbaute. 1650

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begann Efflandt den Bau damit, daß er sich zunächst eine Wohnstube herrichtete und dann an diese Stube anbaute, bis er sich 1651 ein nothdürftiges Wohnhaus zusammengezimmert hatte. 1654 standen auf dem neuen Glambeker Hofe neben dem Wohnhause auch eine Scheune mit einer Abseite, die zum Schafstall (für 300 Schafe) diente, und im Dorfe Glambek das neuerrichtete Schäferhaus. Für die Besorgung des Baues wurde Efflandt bis 1654 die Pacht erlassen, und erst von diesem Jahre ab zahlte er jährlich 400 Gulden. Zum Hoffelde nahm man außer den wüsten Hufen noch drei von den bewohnten, so daß jetzt nur ein Bauer im Dorfe blieb, und außerdem legte man 4 Göllinsche Stellen zu demselben; im Ganzen wurden also 11 Bauerstellen durch den Hof absorbirt. Dienstpflichtig wurden der Glambeker Bauer und die Gölliner 3 Bauern und 1 Kossat. Letzterem mußte Efflandt erst die Hofstelle aufbauen 1 ).

10) Die wüste Feldmark Fidem 2 ). -Während der hier beschriebenen Zeit war die jetzige kleine, am südlichen Ufer des Weißen Sees gelegene Ortschaft Weißenkrug noch nicht vorhanden. In alter Zeit lag in der Gegend das Dorf Fidem, das freilich 1523 schon untergegangen war. Die Wariner Amtsrechnungen von diesem Jahre berichten nämlich, daß das Dorf Penzin 15 Dpt. Roggen "vor dat Vydemer Velth" an das Amt lieferte. Die Description von 1632 enthält (S. 150) eine wohl gleich nach 1700 geschriebene Einzeichnung über dies Dorf, die wir ihrer Wichtigkeit wegen hier vollständig wiedergeben: "Fimen oder Füdem. Ist eine wüste Feldmarckt, dahero sie nicht anhero gesetzet, und weil es nur sandt, ist selbige Feldmarckt in meinem Hufenregister nur zu 3 Hufen gesetzet; ich finde des Dorffes nirgends einige erwehnungen, als vornen pag. 130; unter denen Deputat-persohnen des Ambts Wahrin finde ich so (!) Nr. 2, das dem Pastori zu Sültze 3 ) jährlich wegen des Fydemer feldes entrichtet werde 12 Schff. roggen 4 ), dahero zu schließen, daß 12 Hüfener in alten Zeiten darinnen gewohnet". Ein herzogliches Rescript an den Küchenmeister zu Warin d. d. Schwerin, 2. Decbr. 1656 enthält folgenden


1) 1717 wohnten neben dem Hofe Glambek 2 Kossaten und 1 Büdner. Die Beschreibung des Amtes Bützow von 1767 kennt noch einen Hof und ein Bauerdorf Glambek.
2) Für die folgende Darstellung sind einige hier im Archiv befindliche Aufzeichnungen von Dr. Beyer und Dr. Wigger mitbenutzt.
3) Es ist Sülten bei Brüel gemeint.
4) Die Angabe ist richtig.
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Passus: . . . "alß wir berichtet worden, daß der pastor zu Sülte wegen des wüsten Dorfes Fin, so zwischen Pentzin und Wahrin gelegen, ein Drombt Korn zuvor empfangen, solcher Acker aber nacher Wahrin genommen worden, Dich hierumb ferner erkundigen". 1 )

Jedenfalls gehörte seit Anfang des 17. Jahrhunderts wenigstens ein Theil des Fidemer Feldes zum Amte Sternberg. Die Acten dieses Amtes erwähnen desselben mehrfach. Die Amtsrechnungen berichten, daß 1607 8 Drpt. Hafer "auffs Vitmer Feldt hinwieder geseyet worden", und nach der Amtsbeschreibung von 1624 sollten die Schulzen zu Penzin und Kobrow "das Landt vffen Vitmer und Petzker Felde behalten und dafür jährlich die einsath entrichten". Der Amtmann Efflandt zu Pastin (früher Amtssitz) schrieb 1717: "Es ist ein Ort, so Vittmer Feld genannt wird, und zu Ew. Hochfürstl. Durchl. Amte Sternberg ohnstreitig gehöret, auch die Dehmer (Dehmener) davor dem Ambte gerecht werden müssen".

Im Sültener Visitations=Protocoll von 1653 wird der Ort ebenfalls Fin genannt. In den Kirchenacten, betreffend Pfarrbesetzung zu Sülten, vom Jahre 1713 bemerken die Sternberger Prediger in Hinsicht des verwüsteten Dorfes Fidem, daß es "nach dem Bericht" zum Penziner Kirchspiel gehörte, und daß von dem Felde desselben durch das Amt Warin jährlich 1 Drpt. Roggen an den Pastor (zu Sülten) gegeben werde. Sie bitten "auch dem Krüger, der einige wenige Jahre her auf der Dorfstätte des vormaligen Dorfes Fidem wohnet", zu befehlen, daß er sich zur Sültener Kirche halte.

An dies untergegangene Dorf erinnern das Femmen=Moor und der Femmen=Ort, welche nach der v. Schmettauschen Karte zwischen Kl.=Labenz und Weißenkrug liegen.

Nach der Sage ging in alter Zeit ein Damm von Gr.=Labenz nach dem Dorfe Fidem durch den Labenzer See.

Auf der wüsten Feldmark entstand jedenfalls nach und nach der Radebeker Wald, welcher nach der Radebek, die, von dem nördlichen Theil des Labenzer Sees ausgehend, durch den Wald fließt und sich östlich von Brüel mit dem Brüeler Mühlenbach vereinigt, sicher seinen Namen erhielt. Jetzt bildet dieser Wald das Weißenkruger Forstrevier.

Bis zur Vermessung der Labenzer Feldmark 1706 weideten die beiden Labenzer Bauern ihr Vieh auf dem "Fiehmer"


1) Eccl. Sülten s. v. Mißkorn.
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Felde, nunmehr wurde es ihnen aber vom Amtmann Müller zu Warin verboten 1 ).

3) Die Seedörfer.

Mit dem Namen Seedörfer bezeichnete man diejenigen Dörfer des Stiftes, welche außer den Kapitelsdörfern an den Ufern des Schweriner Sees lagen: Wickendorf, Lübstorf, Drispeth, Kleinen und Gallentin. Da letztgenanntes Dorf indessen zur Zeit der Administration, mit Ausnahme von nur einigen Jahren, im Besitz von Adelsfamilien war, so wurde es deshalb meistens zur Stiftsritterschaft gezählt, und dann wurden nur die vier übrigen Dörfer Seedörfer genannt.

Einen eigenen Amtsbezirk bildeten diese wenigen Dörfer nicht. Im 16. Jahrhundert wurde die Verwaltung über dieselben vom Amte Bützow ausgeübt, und der Schelfvogt zu Schwerin mit einzelnen amtlichen Geschäften beauftragt. Letzterer pflegte die Abgaben in Empfang zu nehmen und sie dann nach Bützow abzuliefern. So sind z. B. in den Contributionsacten des Stiftes von 1579-1587 die Abgaben der (4) Seedörfer "als zur Schelfe belegen" vom Schelfvogte mit berechnet. Instructionsmäßig sollten jedoch die Beamten zu Bützow die Abgaben sammeln und dabei von den Unterthanen "Ausrichtung" erhalten. Nachweislich wurde zwar noch 1629 von diesen Dörfern, außer Gallentin, mit der Schelfe und der Insel Lieps Pacht und Bede an's Amt Bützow gezahlt, doch trifft man auch seit 1621 in den Wariner Amtsrechnungen (Unterthanen=Hülfe, Pachtregister) die 5 Seedörfer, und bis 1632 gehörten dieselben, wieder mit Ausnahme Gallentins, sicher zum Amte Warin, da die Description von diesem Jahre sie ausdrücklich als Wariner Amtsdörfer aufführt. Lange blieben sie nicht bei diesem Amte; denn die Rechnungsbücher des Amtes Bützow ent=


1) Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts, jedenfalls kurz vor 1713, baute sich auf der wüsten Feldmark wieder der erste Bewohner an, der wegen der Lage seines Hauses an der Sternberg=Wariner Landstraße eine Krugwirthschaft hielt. Dieser am Weißen See gelegene. Vielleicht auch weiß angetünchte Krug gab dem jetzigen Orte Weißentrug den Namen. Nach den Acten der combinirten Kirchen von Laase und Penzin 1714 sq. will es scheinen, als ob man dies Kruggehöft Anfangs noch Fidem nannte. Der dortige Pastor Stavenhagen bittet den Herzog, er möchte befehlen, daß der bisher an die Sternberger Prediger vom Fidemer Felde gelieferte Roggen ihm ersetzt würde, da "von undenklichen Jahren" das Dorf Fidem zur Penziner Gemeinde gehört habe und die Bewohner dieses Dorfes sich auch jetzt wieder zur Penziner Kirche hielten.
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halten eine Restantenliste der Amtsunterthanen aus den Jahren 1641-1649, in welcher auch die 5 Seedörfer, also Gallentin mitgerechnet, verzeichnet sind. Nun heißt es zwar noch im Bützower Amtsregister von Johannis 1651/52, daß die 4 Seedörfer vor vielen Jahren nach Warin gelegt und die Abgaben derselben von da aus eingeholt worden, und ebenso in dem Schweriner Amtsbuche von 1655, zu welcher Zeit diese Dörfer, außer Drispeth, schon zum Amte Schwerin gehörten, daß sie früher dem Amte Warin untergeben waren; aber immerhin stehen sie in den Bützower Amtslisten, während die übrigen Dörfer des Wariner Amts nie darin vorkommen, und also auch nicht anzunehmen ist, daß das Amt Bützow zu Zeiten die Einnahmen aus beiden Stiftsämtern berechnete.

In allen Dörfern, außer Gallentin, hatten die Herzoge von Meklenburg das Ablager zu beanspruchen.

1) Wickendorf . (9 Hufen.) - Das Landbuch berichtet über Wickendorf: "Daran hat der Bischof zu Schwerin höchste und siedeste Gerichte, Auf= und Ablaß, (mit) allen Diensten, sammt aller Herrlichkeit und Gerechtigkeit, zum Hause Bützow; geben aber den Fürsten gen Schwerin zu Hasenablager."

Die Feldmark umfaßte 9 Hufen, welche unter 6 Bauleute vertheilt waren, die dafür zusammen 51 Mk. 10 s. 8 Pf. Pacht und Königsbede zahlten und außerdem 18 Drpt. 8 Schff. Pachthafer und 5 Zehntlämmer (der Schulze war von dieser Abgabe befreit) lieferten. Landbede gaben sie dem Bischofe, "wie sie angeschlagen werden". Das Ablager für die Herzoge von Meklenburg hatte früher in einer Abgabe von Naturalien bestanden: Fischen, Butter, Eiern, Heringen, Weißbrot, "Zipollen", Essig und Bier, und in je 1 s. Kochgeld und "Zapfelgeld"; 1581 war schon Alles zu Geld gerechnet: zu 6 Mk. 12 s. Bei der Pachthebung der Amtleute gab der Schulze ein Faß "treug" (trockenes) Fleisch 1 ), jeder Bauer ein Huhn und 1 Schff. Hafer.

Als eine Seltenheit ist hier zu erwähnen, daß die Bauern in Wickendorf schon im 16. Jahrhundert einige (3-6) Scheffel Weizen säeten. Sie verstanden überhaupt früh, ihren Boden tüchtig auszunutzen, denn sie besäeten verhältnißmäßig sehr viel Acker; die Hufe war 1581 mit mehr als


1) Dreug fleisch ist getrocknetes Fleisch; Gegensatz: grones fleisch, vgl. das heutige grüne Heringe, grüne Aale.
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60 Schff. besäet, während man anderswo, z. B. schon in dem nahen Lübstorf, auf derselben Fläche nicht viel über 40 Schff. bestellt hatte. Dafür mangelte ihnen allerdings auch das zum Brennen nötige "Weichholz", welches sich in anderen Dörfern auf dem Felde hinreichend zu finden pflegte.

Die Zahl der Bauerstellen veränderte sich nicht, bis die fremden Kriegsvölker auch hier ihre Verwüstungen anrichteten; 1632 gab es nur noch 3, 1652 bloß 2 bewohnte Bauerstellen.

1654 wurde Wickendorf officiell zum Amte Schwerin gelegt, aber sicher schon seit 1639 von Schwerin aus verwaltet 1 ).

2) Lübstorf . (18 Hufen.) - Nach dem Handbuch "gehört das Dorf zum Stift und Hause Bützow gleich Wickendorf, geben aber beiden Fürsten gen Schwerin zum Hasenablager". Die Größe der Feldmark betrug 18 Hufen, welche 1581 von 9 Bauleuten bebaut wurden. Der Schulze hatte 3 Hufen, die übrigen Bauern 2 oder 1 1/2.

Die Abgaben des Dorfs bestanden in 60 Mk. Pacht, 36 Mk. Königsbede, 36 Drpt. Hafer und 8 Zehntlämmern; der Schulze gab kein Zehntlamm. Außerdem hatten die Bauern für das Hasenablager 16 Mk. zu zahlen und den "Amtleuten" bei der Pachthebung Ausrichtung zu thun.

Die Zahl der Bauerstellen veränderte sich bis zum 30jährigen Kriege nicht, 1632 waren zwei Stellen wüst. Diese wüsten Stellen zog der dänische Commissar Daniel Troje, welcher seit 1630 im Besitze des Hofes Gallentin war, für sich ein und nahm dazu den Lübstorfer Bauern die Ochsen und Kühe weg, Pferde besaßen sie damals nicht mehr. 1652 wurde Lübstorf von 7 Bauern und 2 Tagelöhnern bewohnt. Das Amtsbuch des Amtes Schwerin, zu welchem dies Dorf seit 1653 gehörte, zählt 1655 zwar 9 Bauerstellen, giebt aber nicht an, wie viele davon unbesetzt waren.

3) Drispeth . (13 1/2 Hufen.) - "Dies Dorf gehört," nach dem Berichte des Landbuches, "zum Bisthum Schwerin und zum Hause Bützow mit höchsten, siedesten Gerichten, Auf= und Ablaß, allen Diensten, Herrlichkeiten und Gerechtigkeiten; allein richten Ablager beiden Fürsten aus." Auf 13 1/2 Hufen wohnten 7 Bauleute und 1 Kossat.


1) Karlshöhe, auf Baueracker von Wickendorf aufgebaut, 1847 um ein Stück Landes von der Kirchstücker Feldmark, das die Eisenbahn abschnitt, vergrößert, erhielt 1848 als Erbzinsgehöft seinen eigenen Namen. Mittheilung des Herrn Amtsmitarbeiters Krefft zu Schwerin.
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Die Abgaben betrugen 19 Mk. 11 s. Bede, 32 Mk. 4 s. 9 Pf. Pacht und 6 Zehntlämmer. Der Schulze gab kein Zehntlamm. Das Hasenablager war 1581 nicht zu Geld gerechnet, aber 1655 wurden dafür 4 fl. 6 s. 6 Pf. gezahlt. Bei der "Pachborung thun sie den Amtleuten eine Nacht Ausrichtung".

1632 waren eine Bauerstelle und die Kossatenstelle wüst, 20 Jahre später waren alle Bauerstellen wieder besetzt, die Kossatenstelle nicht. Daniel Troje erlaubte sich auch hier Uebergriffe, indem er den Bauern 8 Ochsen und 3 Kühe wegnahm. Das letzte Pferd im Dorfe scheint für ihn nicht begehrenswerth gewesen zu sein.

Bei diesem Dorfe war nach der Description eine Waldung, in welcher 80 Schweine "feist" gemacht werden konnten. Seit 1639 gehörte Drispeth zum Amte Meklenburg.

4) Kleinen . (14 Hufen.) - "Dies Dorf gehört dem Bischofe gen Bützow mit höchstem und siedestem (Gericht), Auf= und Ablaß, mit allen Diensten, Herrlichkeiten und Gerechtigkeiten, allein richten Ablager beiden Herren, den Landesfürsten, aus." (Landbuch.) Die 14 Hufen bebauten 6 Bauleute und 1 Kossat. Die größte Stelle von 3 Hufen hatte nicht der Schulze, sondern ein anderer Bauer, der nicht Pacht an den Bischof, sondern an das Capitel zahlte.

Die Abgaben an den Bischof bestanden in 20 Mk. Bede, 27 Mk. Pacht, 20 Drpt. Hafer und 4 Zehntlämmern.

Obgleich von den 6 Bauerstellen 1632 noch 5 bewohnt wurden, so hatte doch das Kriegsunglück Kleinen sehr hart getroffen, indem im Herbste 1631 an Saatkorn so wenig übrig geblieben war, daß man im ganzen Dorf nur 4 Schff. Roggen säen konnte. Daniel Troje hatte aus Kleinen 4 Ochsen geraubt. 1652 wohnten in Kleinen, das seit 1639 zum Amte Schwerin gehörte, nur 3 Bauern, 1 Kuhhirt und 1 Weber.

5) Gallentin . - In Gallentin war früher eine Kirche 1 ) und Pfarre bischöflichen Patronats, zu welcher außer dem Hofe und Dorf daselbst jedenfalls bis 1593 nur das Dorf Wendisch=Rambow gehörte. 1621 gehörte Wendisch=Rambow nicht mehr zu dieser Gemeinde, dafür waren aber die Stiftsdörfer Lübstorf, Drispeth und Kleinen derselben zugelegt. Die Kirche, dem St. Johannes zu Ehren erbaut, hatte in dem letztgenannten Jahre noch einen


1) Vergl. Jahrb. 3 B, S. 189.
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Thurm mit 2 Glocken, war aber sehr baufällig; 1624 wurde sie zwar nothdürftig reparirt, doch scheint sie in den letzten Jahren des 30jährigen Krieges zusammengefallen zu sein. Letzter Prediger war wahrscheinlich der 1631 wegen "notoria delicta" suspendirte Johannes Will, aus Eisleben gebürtig. Während der Suspendirung des Pastors Will wurden die eingepfarrten Dörfer an ihre "früheren Gemeinden" vertheilt, Lübstorf kam zur Gemeinde Kirchstük, in Gallentin und Drispeth verrichtete der Pastor zu Meteln die Seelsorge, und in Kleinen der Pastor zu Hohen=Viecheln. In den Visitations=Acten des Stiftes Schwerin von 1642 und 1651 wird der Kirche nicht mehr Erwähnung gethan, und jedenfalls war das Dorf Gallentin im Jahre 1705 in Meteln eingepfarrt.

Gallentin war schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts im Besitze der beiden adeligen Familien Halberstadt und Reventlow; in Folge dessen steuerte es mit der Ritterschaft des Stifts, und die Besitzer waren wegen dieses Dorfes auch zum Roßdienst verpflichtet. Die Familie Reventlow hatte selbst ihren Wohnsitz in Gallentin. Ein Mitbesitzer dieses Dorfes, Arnd Reventlow, floh 1569 wegen eines im Boizenburger Amte verübten Todschlages aus dem Lande, und der Administrator Ulrich verlieh den nun heimgefallenen Antheil an den nächsten Agnaten Christoph Reventlow auf Potendorf. Später war der Reventlow'sche Antheil im Besitze des Casper v. Kalden (nachweislich 1595 bis 1599).

Das Landbuch enthält folgende Notizen über Gallentin: "Das Dorf gehört zum Stift Schwerin, darin ohne Mittel gelegen, und hat der Bischof daran das höchste Gericht; und das niedrigste, doch wie die Leute sagen, nicht höher als auf 15 s. Brüche, Auf= und Ablaß sammt allen Diensten gehört den Halberstadten und Reventlowen. Das Kirchlehn maßet sich der Bischof an, und Christoph Reventlow ist es nicht geständig, der maßet sich's zu."

Früher wohnten in dem Dorfe 18 kleine Bauern, von denen jeder der beiden Eigenthümer neun besaß. Christoph Reventlow hatte aber vor 1581 6 Bauerstellen ausgehoben und daraus einen Hof gemacht. Für alle Hufen, auch für die gelegten, wurde eine geringe Bede von zusammen 9 Mk. 1 s. 7 Pf. an den Bischof gezahlt. Eine Kirchenhufe war ebenfalls mit zum Hofe gelegt. Einer der Halberstadt'schen Bauern war Schmied.

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1600 bot Lüdke Halberstadt zu Gottesgabe seinen Antheil an Gallentin dem Schweriner Domcapitel für 6300 fl. zu Kauf an, sicher zerschlug sich aber der Handel wegen der übergroßen Forderung. Im Jahre 1612 war das ganze Dorf im Besitze des Bischofs, wann und für welchen Preis es erworben wurde, ist indessen nicht nachzuweisen. Von den Bauerstellen waren damals noch 6 übrig, alle anderen waren zum Hof gelegt. Neu errichtet war eine Windmühle.

Bischof Ulrich ließ den Hof von dem Küchenmeister zu Warin verwalten. Die Rechnungsablage desselben für das Jahr Trinitatis 1612/13 giebt so viele interessante Aufschlüsse über die Art der Gutsbewirthschaftung damaliger Zeit, daß wir Einiges daraus glauben mittheilen zu dürfen. Der Küchenmeister führte genau Rechnung über alle, auch die kleinsten Einnahmen und Ausgaben und bezahlte auch den Handwerkern ihre Rechnungen. Die Leitung auf dem Hofe und Felde hatte der Hofmeister, welcher auch für die Verpflegung des Dienstpersonals sorgte. Dieser notirte sich alle Erträge des Gutes und alle Lieferungen an das Gesinde auf dem Kerbstocke, natürlich weil er des Schreibens unkundig war. Ihm zur Seite stand die Baumutter oder Baumöhme, die die Stelle der heutigen Wirtschafterin einnahm. Viele Dienstboten waren nicht nöthig, da die Feldwirthschaft von den dienstpflichtigen Bauern bestellt wurde; ein Kuhhirt, ein Schweinehirt mit einem Jungen, zwei Dienstmägde und eine "Gänsehirtsche", das ist das ganze Personal. Der Häker, Vorhäker, hatte seine eigene Wirthschaft.

Als Besoldung bekam der Hofmeister ganze 12 Gulden; aber er erhielt außerdem 8 fl. 12 s. für Kleidung und Korn für sein Pferd und hatte sammt seiner Familie auf dem Hofe freie Verpflegung.

Der Schäfer, auf einem eigenen Gehöfte, der Schäferei, wohnend, war dem Hofmeister nicht untergeordnet, er legte ebenso wie jener dem Küchenmeister mit seinem Kerbstocke Rechnung ab. Seine Einnahme bestand in einem Antheil 1 ) an der Schafheerde und in vielen Naturalien; dagegen hielt er auf seine Kosten einen Schäferknecht. Die Erträge des Gutes betrugen brutto für das Wirthschaftsjahr 1612/13 1652 fl. 7 s. 6 1/2 Pf., davon konnten an die Kammer 1504 fl. 14 s. abgeliefert werden. Die Wirthschaftskosten beliefen sich außer den verbrauchten Erträgen des Gutes


1) Der Antheil der Schäfer an der Schafheerde war in damaliger Zeit ein feststehender; er betrug immer 1/5.
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und einigen Lieferungen vom Amte Warin, in Rotschar (Stockfisch), Hering, Salz, Bier und Hopfen bestehend, auf nicht völlig 150 fl. An Korn wurden gedroschen 6 Drpt. 8 Schff. Weizen, 96 Drpt. Roggen, 136 Drpt. 11 Schff. Gerste, 19 Drpt. 5 Schff. Hafer und 8 Drpt. 5 Schff. Erbsen. Nach Verhältniß der Saat im Herbst 1612 und Frühling 1613, die wohl der vorjährigen ziemlich gleich kam, war etwa das 5. oder 6. Korn geerntet worden. Verkauft wurde das für die Wirthschaft nicht nöthige Getreide in Wismar, der Scheffel Weizen zu 28 s., Roggen zu 22 s. und Gerste zu 18 s. Außer dem Korn verkaufte man wenig, denn trotz der großen Rindviehheerde von 88 Haupt konnte man nur 2 3/4 Tonnen Butter nach Warin an's Amt liefern; die von ca. 700 Schafen geschorenen 80 Stein Wolle blieben unverkauft, die paar Schafkäse und die Felle von dem crepirten Vieh 1 ), welche man zu Geld machte, lieferten keine großen Summen, und die Erträge aus der Schweine=, Gänse= und Hühnerzucht gingen in der Wirthschaft wieder auf.

Gallentin blieb in unmittelbarem Besitze des Bischofs, bis Wallenstein im Jahre 1629 den Kammer=Präsidenten Hans Heinrich von der Lühe mit diesem Gute belehnte. 1630 wurde es unter Vermittelung des Königs Christian von Dänemark vom Administrator Ulrich zugleich mit Zibühl an den dänischen Kommissar Daniel Troje verkauft und 1635 vom König von Dänemark an Ulrich Christian Güldenslow verschenkt. Von letzterem erstand es Herzog Adolf Friedrich erst 1652 um den Preis von 6000 Gulden wieder. Man legte nun den Hof, Bauern gab es dort nicht mehr, zum Amte Schwerin und machte die Dörfer Lübstorf und Kleinen und zwei Bauern in Hohen=Viecheln für denselben dienstpflichtig.

Von der Insel Lieps, welche jetzig zu Gallentin gehört, erfahren wir aus früherer Zeit wenig. 1566 wurden für dieselbe 4 fl. gesteuert, das ist so viel, wie für zwei Hufen Baueracker. 1629 wurde die Insel zur fürstlichen Füllenkoppel benutzt 2 ).

4) Pommersche Stiftsdörfer.

Zum Bisthum Schwerin gehörten bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts einige Dörfer in Vorpommern.


1) Es war in früherer Zeit wegen der schlechten Pflege des Viehes etwas ganz Gewöhnliches, daß eine Anzahl von demselben jährlich crepirte. Die abgezogenen Häute dieser Thiere nannte man allgemein Sterbefelle.
2) Nach Acten des Amtes Bützow, betreffend Pächte und Bede im Geheimen und Hauptarchiv.
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Clandrian (Protoc., fol. 113 b.) kannte "Des Rhatts zu Dymyn Vidimus oder Transumpt eines briefes Bischoff Johannis zu Zwerin, darin er hern Hinrich, Ludeke Moltzane, rittern, hern Berndess Sohne, vnd hern Vlrichen Moltzane, seinem bruder, vff dass er (der Bischof) das hauss, Stadt vnd Landt zu Butzow wider an das Stichte bringe vnd lose, setzet sein gudt im lande vnd in der Probstey Tribbesees, nämlich dise dorffer: Exen, Biscoppesdorp, Spikerstorp, Kurgure vnd das dorff zu Wose, Zipken, Bischoppesdorpe vppe de Bore vnd 4 hufen zu Vorkenbeke vnd zu Rauenhorst 1 hufe etc., item den gantzen zehenden in demselben lande, vor zehen tausent Mk. Sundischer pfenninge, die er ihm wegen der Stadt vnd landen zu Butzow schuldig gewesen etc. Datum des Bischoffs brietfes 1328. Datum Transumpti 1372, Sabbatho Paschae". 1 )

Nach der Reformation besaß das Stift die 4 Hufen in Forkenbek und die 1 Hufe in Ravenhorst jedenfalls nicht mehr, da derer nie mehr Erwähnung in den Stiftsacten gethan wird; dafür hatte es aber eine Windmühle vor Velgast und zwei Buden in Stralsund erworben. Die 5 Dörfer Eixen, Bisdorf, Spikersdorf, Kurgur und Wosen, alle nördlich von Tribsees gelegen, bildeten laut eines "Extracts über die Briefe und Siegel des Stifts" vom Jahre 1591, betreffend pommersche Güter, früher eine Vogtei, deren Sitz in Bisdorf war 2 ). Später wurden diese Dörfer von dem Amte Bützow aus verwaltet, und nur ein Gerichtsvogt in Eixen gehalten. Kurgur war gegen Ende des 16. Jahrhunderts eine wüste Feldmark, das Dorf also untergegangen. Die Lage dieses Dorfes, welche nach dem meklenburgischen Urkundenbuch, Bd. VII, Nr. 4882 unbekannt ist, wird in dem Concept des Verkaufsbriefes über die 4 übrigen in der Nähe gelegenen pommerschen Dörfer d. d. Güstrow, 20. September 1591, ziemlich genau angegeben, indem es da heißt: "nebst einer Veldmark Kurur, so rühr 3 ) - so ist


1) Urk.=Buch VII, Nr. 4882; Lisch, Maltzan. Urk. I, S. 433.
2) "Zu Bischofsthorf ist vor Zeiten eine Feste gelegen, dahero diese Güter Advocatia, Ambt oder Vogtei Bischoffsthorf genennet." Daher stellten die Bischöfe im 13. Jahrhundert mehrfach Urkunden unter dem Datum Bisdorf aus (cf. Urk.=Buch, Register s. v. Bisdorf).
3) Rühr in der Bedeutung nahe ist längst veraltet. In dem Teutsch=Lateinischen Lexicon von Johann Leonhard Frisch (Berlin 1741), das auch veraltete Ausdrücke (  ...  )
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es deutlich geschrieben - kann nach dem Zusammenhang nichts anderes als nahe bedeuten.

Die Vogtei Bisdorf wurde 1589 zum Zwecke des Verkaufs an den Herzog Bogislaus von Pommern=Stettin auf Befehl des Administrators von Henneke Lützow, Landrentmeister Jochim Schönermark und Daniel Clandrian taxirt 1 ). Aus dem von den Taxatoren erstatteten Berichte geht hervor, daß die Herzoge von Pommern einige Kornfuhren von Tribsees bis Wolgast, 50 Mk. Sundisch für das Ablager und 8 Dpt. Hafer, in Wolgast zu liefern, aus der Vogtei beanspruchen konnten, im Uebrigen dieselbe aber völlig zum Bisthum Schwerin gehörte. Nach dem erwähnten Berichte mag hier eine kurze Beschreibung der Vogteidörfer folgen.

1) Eixen . - Eixen, im Mittelpunkt der Vogtei gelegen, hatte eine Pfarrkirche 2 ), die ein Lehn des Bischofs von Schwerin war. Zu der Kirchengemeinde Eixen gehörten die vier bischöflichen Dörfer und drei andere, herzoglich pommersche.

Auf der Feldmark des Dorfes, das von 8 Bauleuten und 8 Kossaten bewohnt wurde, lag ein großer Wald, der bei guter Mast 1000 Schweine "feist machte", und ein See zu 7 Wadenzügen.

2) Bisdorf . - In dem früheren Hauptdorfe der Vogtei Bisdorf wohnten 6 Bauleute und 2 Kossaten. Auf der Feldmark lagen drei "kleine Seen".

3) Spikersdorf . - Einwohner des Dorfes waren 4 Bauleute und 1 Kossat.

4) Wosen . - In Wosen wohnten 6 Bauleute und 1 Kossat.

Der Bischof bezog aus der Vogtei jährlich 90 fl. 3/4 s. Geldpacht, 6 Drpt. 3/4 Schff. Roggen, 12 Drpt. 4 1/2 Schff. Hafer, 23 Zehntlämmer und 5 "Zehntimmen". Von 2 "Leuten, den Behren gehörig", wurden dem Bischofe als Ackerpacht 8 s. gegeben.


(  ...  ) bringt, wird das Adverb rührs zunächst durch die deutschen Wörter daran, nahe daran erklärt. Da im Schwedischen die Grenze rör heißt, so ist sicher dieser Ausdruck desselben Stammes. Man bezeichnete also auch in Norddeutschland, wie noch jetzt in Schweden, die Grenze durch den Begriff der Annäherung, Berührung, und nicht bloß durch den von entgegengesetzter Anschauung ausgehenden Begriff der Trennung, "Scheide".
1) Der Dompropst Otto Wackerbarth, welcher auch diesen Auftrag erhalten hatte, entschuldigte sich mit Krankheit.
2) Jahrb. 24, S. 321.
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Um den Werth dieser jährlichen Hebungen zu bestimmen, rechnete man den Scheffel Roggen zu 10 s., Hafer zu 4 s., das Zehntlamm zu 12 s., den Bienenstock zu 1 fl. und bekam so die Summe von 161 fl. 14 s. 3 Pf., und diese Summe, zu 1 1/2 % capitalisirt, ergab den Kaufwerth von 10,772 fl. 22 s. Die Holzungen und Seen wurden zu 5000 fl. veranschlagt, die Pacht der Behr'schen Bauern sollte einen Kaufwerth von 6 fl. 16 s. haben. Im Ganzen stellte sich also der Preis auf 15,779 fl. 14 s.; man rundete übrigens diese Summe ab und forderte und erhielt 17,000 fl. (à 24 s.). Der Kaufbrief ist ausgestellt zu Güstrow, 20. September 1591. Nach demselben erhielt der Herzog von Pommern die Vogtei, welche dem Bischof von Schwerin "an eigenthümlichem Grund und Boden, mit höchsten und niedrigsten Gerichten, Diensten, Pächten, Bede und Unbede, Auf= und Ablassung, nichts ausgenommen, zuständig, mit Vorwissen und Beliebung des Domcapitels eigenthümlich und erblich". 1 ) Am 4. October 1591 bestätigte der Administrator, Herzog Ulrich von Mekl.=Güstrow, den Empfang der Kaufsumme.

Die übrigen pommerschen Besitzungen des Bischofes wurden schon im Jahre 1569 an Wedige von der Osten auf Batevitz in Pommern "mit aller Freiheit und Gerechtigkeit, höchsten und niedrigsten Gerichten an Hals und Hand, mit allen Pächten, Zehntlämmern und Rauchhühnern erblich" mit Zustimmung des Capitels verkauft. Wedige von der Osten zahlte für das Dorf Bisdorf 2 ), nordwestlich von Stralsund bei Gr.=Mohrdorf gelegen, für die Windmühle vor Velgast, nordwestlich von Franzburg, die eine jährliche Pacht von 12 Mk. abwarf, und für die beiden Buden in Stralsund, die jährlich 9 Mk. einbrachten, die Summe von 4000 Gulden Lübisch und für das Dorf Zipke, südöstlich von Barth, 2333 fl. 8 s. Lübisch, also im Ganzen 6333 fl. 8 s. Lübisch. Unterm 15. Februar 1570 wurde Claus von Oldenburg zu Gremmelin vom Administrator beauftragt, den Wedige von der Osten in diese Güter einzuweisen.

C. Capitelsdörfer.

Der für die standesmäßige Erhaltung der Capitularen bestimmte Grundbesitz bestand außer den Häusern in Schwerin,


1) Vergl. Hederich, Bischöfe zu Schwerin, S. 489.
2) Vergl. Jahrb. 24, S. 216 und 217.
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wo der Sitz des Capitels war, in einer nicht geringen Anzahl von Dörfern, von denen die meisten in unmittelbarer Nähe von Schwerin lagen. Auf der Schelfe selbst besaß das Capitel einen Bauhof, der sammt der dem Capitel gehörigen Bischofsmühle bei der Schelfstadt beschrieben ist.

Das Capitel durfte auf seinen Dörfern mit großer Freiheit schalten; es hatte dort die volle Gerichtsbarkeit und fast alle Einkünfte. Die Jagd, welche die Capitularen 1593 auf ihren Gütern beanspruchten, wurde ihnen vom Bischofe nicht bewilligt, da sie "als Geistliche derselben nicht fähig" wären. Zu den Reichssteuern mußten sie mit an die Stiftskasse zahlen, und veräußern durften sie ihren Besitz nicht ohne Zustimmung des Bischofes. Die Herzoge von Meklenburg hatten in den meisten Capitelsdörfern einige Rechte, wie bei der Beschreibung der einzelnen gezeigt werden wird.

In der evangelischen Zeit des Bisthums ist die Zahl der Capitelsgüter beständig im Abnehmen begriffen. Die Listen über die Stiftstürkensteuer vom Jahre 1566 zählen, abgesehen von dem Bauhofe auf der Schelfe und der Bischofsmühle vor Schwerin, 16 Dörfer auf, die dem Capitel zum größten Theil mit fast allen Einkünften gehörten. 1610 klagten die Domherren, daß Fremde mehrentheils die Güter hinweg hätten, der Numerus wäre von 12 auf 6 minuirt, und diese übriggebliebenen 6 Güter wären so gering, daß kaum zwei von ihnen standesgemäß davon leben könnten; ihnen wäre kaum umbra capituli geblieben. Den Rest der Güter, welchen sie noch bis in den 30jährigen Krieg retteten, raubten ihnen dann die fremden Machthaber, und als diese das Land wieder den rechtmäßigen Fürsten überlassen mußten, hatte es keinen Sinn mehr, dem auf den Aussterbeetat gesetzten Capitel noch die Landgüter zurückzugeben. Es wurde nun dafür eine Entschädigung in baarem Gelde gezahlt.

Uebrigens war die Klage der Capitularen über den Verlust ihrer Güter bis zum 30jährigen Kriege ganz unberechtigt, da sie selbst die Veräußerung verschuldet halten; und trösten durften sie sich noch damit, daß mit der Abnahme ihres Besitzes und Einkommens auch die Abnahme der Zahl der Capitularen ziemlich gleichen Schritt hielt.

Die Hebungen der Domherren aus solchen Dörfern, welche nicht zum Stift Schwerin gehörten, und die Einnahme an Zinsen von ausstehenden Capitalien dürfen hier, als nicht zu unserer Betrachtung gehörig, übergangen werden.

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Von allen Capitelsgütern war das wichtigste

1) Groß=Medewege . (Jetzt D.=A. Schwerin.) - Nach der Schweriner Amtsbeschreibung von 1550 gehörten dem Capitel in Medewege die Dienste, das höchste und niedrigste Gericht an Hand und Hals, Auf= und Ablaß; der Herzog von Meklenburg bezog dagegen aus dem Bauerdorfe 3 1/3 Drpt. Bedehafer, 3 Schneidelschweine und 5 Pachthühner, welche Abgabe die 4 Bauern an das Amt Schwerin lieferten. Die Bauerstellen waren damals groß, denn sie umfaßten zusammen 10 Hufen Landes. 1569 klagten die Bauern dem Herzog Johann Albrecht, daß das Capitel ihren Acker bis auf je eine Hufe verringern wollte; sie baten den Herzog, ihnen ihren Hufenstand zu schützen, da sie sonst demselben die schuldige Abgabe von 4 Scheffeln Hafer, 3 Schneidelschweinen, 5 Hühnern und je 4 Schilling an den Landreiter (für das Abholen) nicht würden leisten können. Der Herzog verwandte sich für sie beim Bischofe Ulrich, ob mit Erfolg, ist nicht bekannt. Jedenfalls wurden die Stellen später nicht nur verkleinert, sondern sogar ganz gelegt. 1631 gab es in Medewege nur noch eine besetzte und eine wüste Kossatenstelle, 1655 waren keine Bauern mehr vorhanden.

Wichtiger als das kleine Bauerdorf war der Hof Gr.=Medewege, zu welchem als Pertinenzen die Bischofsmühle vor Schwerin und die dienstpflichtigen Bauerdörfer Medewege, Lankow, Dalberg, Hilgendorf und Hundorf gehörten.

Als man diesen Hof im Jahre 1578 dem Dompropste Otto Wackerbarth pachtweise auf 12 Jahre überließ, wurde derselbe genau inventarisirt. Wackerbarth übernahm die Pachtung mit der Aussaat von 49 Drpt. Korn (Winter= und Sommersaat), mit allen Einkünften und mit allem Inventar: Gebäude, Vieh, Wirthschafts= und Hausgeräthen. Das Vieh, welches man vielfach nach Stiegen (à 20 Stück) zählte, bestand aus 79 Haupt Rindvieh (darunter 17 "Sochkelber"), 89 Schweinen, 33 Gänsen, 40 Hühnern und 273 Schafen. Unter dem Hausgeräth findet sich als etwas Besonderes ein Messingleuchter "mit zwei Röhren", und "eine beschlagene Schenkscheibe oder Schap" mit 2 Thüren und Schlüsseln. Auch überlieferte man das eiserne "Gesenknuß oder Hilden mit etzlichen, aber nicht allen zugehorigen Schlossen". Für den Hof mit Inventar, mit den dienstpflichtigen Dörfern und der in Afterpacht stehenden Bischofsmühle zahlte Wackerbarth jährlich 900 Mk. Der Medeweger See gehörte nicht dem Capitel, sondern dem Bischof; es war

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aber der Schmalzug, das Fischen mit der kleinen Wade, auf demselben an das Capitel verpachtet, und diese Pacht übernahm nun auch Wackerbarth. Noch 1599, nach dem Tode Otto Wackerbarths, wohnte dessen Wittwe auf der Pachtung, ohne daß ein neuer Vertrag mit dem Capitel geschlossen war. Nun aber einigte man sich dahin, daß die Wittwe des Propstes noch ein Jahr die Pachtung behalten und dafür 1100 Mk. zahlen sollte.

Im Jahre 1600 wurde durch das "Statut des General=Capitels=Convents" bestimmt, daß Medewege immer dem praeposito pro tempore gegen einen gewissen Canon überlassen sein sollte, und seitdem hatte der jedesmalige Propst dies Gut in Pacht, bis es im 30jährigen Kriege in fremde Hände kam.

Der Rindviehstand hatte sich seit 1578 bedeutend vermehrt; man zählte 1600, als der neue Propst Joachim Bassewitz die Pachtung übernahm, bei der Inventarisirung 145 Haupt (darunter nur 20 Milchkühe); das übrige Vieh war ungefähr in derselben Anzahl vorhanden wie früher 1 ). Die Aussaat bestand in 48 Drömpt 3 Scheffeln Winter= und Sommersaat.

1612 überließ das Capitel dem Propst Dietrich von Winterfeldt Medewege c. pert. für eine jährliche Pacht von 1050 Mk. auf Lebenszeit. Nach dem Tode Winterfeldt's wurde das Statut von 1600 revidirt, und "damit der Propst nicht, wie bisher, den besten Nutzen und allen Vortheil habe und die übrigen capitulares seniores nachsehen müßten", wurde die vom neuen Propst zu zahlende Pacht auf 1000 Mk. festgesetzt, und derselbe außerdem verpflichtet, die Seeheuer für den Medeweger See an den Bischof selbst zu zahlen und die kleinen Reparaturen auf eigene Kosten machen zu lassen.

Alle diese wohlüberlegten Beschlüsse wurden aber nichtig, als Wallenstein 1628 in Meklenburg einrückte. Derselbe nahm unter vielen anderen Gütern auch Medewege für sich in Anspruch und verpachtete den Hof c. pert. von Walpurgis 1629 ab auf drei Jahre für ein erst im dritten Jahre zu zahlendes Pachtgeld von 500 Mk. an den Küchenmeister zu Schwerin Caspar Eßlinger. Es ist in diesem Pachtcontracte ausdrücklich bemerkt, daß der Hof "wegen des Kriegswesens fast gantz ruiniret, alß das weder Viehe, Saatkorn, noch


1) Die Hühner konnte man nicht zählen, denn sie waren "verschuchtert" gewesen.
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sonsten an Haußgerähte nichtes darauf vorhanden, die Zimmer auch sehr zerstöret und bawfällig" gewesen, sonst könnte man auch schon aus der geringen Pachtsumme auf den traurigen Zustand des Gutes schließen.

Wie bald Eßlinger die im Kriege völlig ruinirte Wirthschaft wieder herstellte, erfahren wir aus der Inventarisirung, welche Herzog Adolf Friedrich 1631 vornehmen ließ, um von Medewege für seinen zum Coadjutor gewählten Sohn, Herzog Christian, Besitz zu ergreifen. Der Hof war den damaligen Bedürfnissen entsprechend wieder aufgebaut. Ein Thorhaus diente auf einer Seite zur Wohnung des Pächters, auf der anderen Seite zum Pferdestall; ein Bauhaus, das Wohnhaus für das Gesinde mit der "Volksstube", enthielt zugleich die Kuhställe mit, und für die übrigen Bedürfnisse war ein Stall, eine Scheune und ein "Käsehäuslein" errichtet, ja sogar ein Taubenhaus war auf einem Wagenrad erbaut. Auch Vieh war einigermaßen genügend vorhanden. Zwar konnte Eßlinger es nur bis auf 70 Kühe bringen; aber da ihm diese Zahl nicht genügte, so hielt er sich neben denselben noch 25 Ziegen. Auch die Schäferei war völlig eingerichtet; sie bestand aus Wohnhaus, Schafstall (589 Schafe) und Backofen ohne Schauer. Dieser Backofen diente sicher dem Hof und der Schäferei gemeinschaftlich, denn in der Description, die etwa aus derselben Zeit (1632) stammt, wird das "Backhaus" mit zum Hof gerechnet. Der Acker wurde in 4 Schlägen bewirthschaftet, ca. 60 Drpt. Korn waren ausgesäet.

Aber Herzog Adolf Friedrich erhielt Medewege zunächst noch nicht. Im Sommer 1631 rückten die Schweden in Meklenburg ein und besetzten auch die Güter des Stifts Schwerin. Medewege wurde dem schwedischen Vice=Admiral Erich Ryning geschenkt, der es aber schon vom Feldlager bei Fürth aus, 1. September 1631, wieder an Caspar Eßlinger auf drei Jahre verpachtete. Bei Eßlinger's Abzug, wahrscheinlich 1. Mai 1635, wurde der Hof "verdechtiglich" eingeäschert. Ryning bot nun dem Herzoge Adolf Friedrich Medewege für 8000 Rthlr. zu Kauf an, aber der Herzog hoffte, daß er das Gut mit der Zeit billiger bekommen müßte, und kaufte nicht, obwohl das Capitel, natürlich aus eigenem Interesse, ihn sehr dringend darum bat. Die Verhandlungen um den Ankauf dauerten indessen noch wenigstens bis 1643 fort. Ryning beanspruchte übrigens "als zu Medewege gehörig" auch die Curie des Propstes in Schwerin (in der That war das Verhältniß etwa umgekehrt), aber Vollrath

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v. Plessen behauptete sie doch als canonicus jure successionis.

Der westfälische Friede änderte diese Zustände dauernd. Am 27. Februar 1649 befahl Adolf Friedrich dem Pensionär Gottschalk Kleinow zu Moidentin und dem Rentmeister Friedrich Thesandt, die Güter Medewege, Rampe und Warkstorf zu inventarisiren, da er entschlossen wäre, dieselben "vermöge des Friedensschlusses in Besitz zu nehmen". Medewege wurde nun zum Domanial=Amte Schwerin gelegt.

2) Lankow . (J. D.=A. Schwerin.) - Nach dem Schweriner Amtsbuche von 1550 gehörte Lankow "dem Capitel mit aller Hoheit und Gerichtsgewalt, Diensten und Pächten; dem Herzoge von Meklenburg aber auch Pachthafer, welcher an's Amt Schwerin zu liefern war. Es wohnten auf 18 Hufen 8 Bauleute und 1 Kossat. Dem entsprechend zahlten auch die Lankower Bauern im 16. Jahrhundert, wo eine Hufe mit 2 fl. besteuert war, 36 fl. 15 s. Türkensteuer. Die Description giebt 8 Bauerstellen an, von denen eine wüst war; dagegen geht aus anderen Stiftsacten hervor, daß 1631 dort 9 Bauleute und Kossaten dem Hofe Medewege dienstpflichtig waren. Der Lankower See gehörte, wie das Dorf, dem Capitel und pflegte dem Pächter von Medewege besonders verheuert zu werden. Der Dekan und Senior bekamen von dieser Heuer 1614 für ihren Antheil jeder 12 Mk.

Nicht unerwähnt darf hier bleiben, daß der Magistrat von Schwerin einen Antheil an Lankow hatte; nach den Stadtacten des Archivs gehörte noch Ende des vorigen Jahrhunderts ein Wald hinter (d. h. westlich von) dem Lankower See an Schwerin.

3) Dalberg . (J. D.=A. Schwerin) - Dalberg gehörte dem Capitel mit Gericht und Diensten; aber der Herzog von Meklenburg bezog nicht geringe Einnahmen aus diesem Dorfe, da jährlich 20 fl. Königsbede, 6 Schneidelschweine, 4 Drpt. Bedehafer und 1 s. 6 Pf. Münzpfennige an das Amt Schwerin geliefert werden mußten, und außerdem noch dem Herzoge das Ablager zukam. Das Capitel hatte eine Hebung von 35 fl. 22 s. Geldpacht und 7 Rauchhühnern. Es wohnten in Dalberg auf 15 Hufen 7 Bauleute. Die Anzahl der Bauerstellen blieb bis 1655 dieselbe, aber in diesem Jahre wohnte neben den Bauern auch schon ein Büdner im Dorfe.

Um 1580 verhandelte das Capitel mit dem Herzoge von Meklenburg wegen des Austausches der Dörfer Dalberg und Kl.=Medewege; es kam aber der Tausch, der dem Capitel

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wegen der Lage der beiden Dörfer erwünscht sein mußte, nicht zu Stande.

4) Hundorf . (J. D.=A. Schwerin.) - Nach der Aufzeichnung im Schweriner Amtsbuche gehörte Hundorf dem Capitel mit höchstem und niedrigstem Gericht, Diensten und Geldpacht; aber auch das Amt Schwerin beanspruchte "vermöge des alten Landbuchs Dienst und Broke". Doch wollte das Capitel dem Amte diese Rechte nicht einräumen, nur im Falle der Noth gestattete es die Dienste. Die Hebung des Amtes bestand in 3 1/3 Drpt. Pachthafer und 4 Schneidelschweinen, und der Herzog hatte ein Hasenablager zu fordern.

Auf der Feldmark von 13 Hufen waren 4, zuweilen 5 Bauerstellen errichtet. 1 ) Für die Dienstpflicht zahlte man 1631 Geld an Medewege.

5) Hilgendorf . - Das Dorf Hilgendorf, in der ältesten Zeit, aber auch noch 1550, Kloteke genannt, ist im 18. Jahrhundert untergegangen. Die Feldmark lag zwischen den Dörfern Medewege, Kirchstük und Wickendorf, das Dorf selbst an der Straße von Wickendorf nach Schwerin, 1/2 Meile von letzterer Stadt entfernt 2 ).

In dem kleinen Dorfe wohnten auf fast 4 Hufen 3 Bauern (früher bis zu Anfang des 16. Jahrhunderts noch 4), die dem Capitel pflichtig und außerdem dem Amte Schwerin 15 Schff. Hafer und 5 s. (darnach ursprünglich wohl 5 Bauern) jährlich zu liefern schuldig waren 3 ).


1) Auf dem südlichen Theil der Hundorfer Feldmark wurde 1838 ein Hof errichtet, welcher aus zwei Hundorfer und einer Wickendorfer Bauerhufe und zwei Parcelen Schulländereien besteht. Diesem Hofe wurde am 17. November 1838 der Name Seehof offiziell beigelegt. Nach den auf dem großherzoglichen Amte Schwerin befindlichen Acten, mitgetheilt vom Herrn Amtsmitarbeiter Krefft.
2) Die Weltzin'sche Hofstelle in Hilgendorf lag unten am See; die Haveann'sche, die zuletzt erhaltene, nicht weit davon am Wege von Schwerin nach Wickendorf. Nach Acten des großherzoglichen Amtes Schwerin, betreffend Vermessung.
3) 1655 war das Feld von zwei Bauerstellen noch besäet, aber nur die Schulzenstelle mit Gebäuden versehen, eine Stelle war ganz wüst. Die wüste Hufe legte man zu Medewege, und noch in den Vermessungsacten dieses Gutes Von 1708 heißt es: "Noch besitzet der Verwalter eine wüste Hufe, welche nach dem Dorfe Hilgendorf gehöret." 1706 (Amtsacten) brannte von den beiden noch übrigen Hilgendorfer Hofstellen das Schulzengehöft ab, und der Schulze wurde nach Dalberg versetzt, das Gehöft nicht wieder aufgebaut. Seitdem wohnte in Hilgendorf nur noch ein Bauer und ebenso 1751 (Beichtkinder = Specification). Der Staatskalender von 1777 führt das Dorf noch auf. Die folgenden Jahrgänge desselben geben die einzelnen Dörfer nicht an; dies geschieht erst wieder 1785, in welchem Jahre Hilgendorf nicht mehr existirte. Die Feldmark des untergegangenen Dorfes gehörte nun bis auf einzelne Theile, die wahrscheinlich zu Wickendorf und Kirchstük gelegt wurden, zu Groß=Medewege.
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6) Rampe . (J. Hausgut, A. Schwerin.) - Vom Dorfe Rampe wurden 1566 18 fl. Türkensteuer gezahlt, das ist, da die Hufe 2 fl. steuerte, der Beitrag für 9 Hufen Landes. Die Zahl der Bauern ist aus jener Zeit nicht überliefert. Nach dem bei Medewege erwähnten Statut des Capitels von 1600 erhielt der decanus pro tempere Rampe mit den dienstpflichtigen Dörfern Zittow und Brahlstorf gegen eine jährliche Pacht. Rampe war aber nicht für einen Wohnsitz des Dekans geeignet; daher sollte der Vogt, welcher dort wohnte, bis zur "Einrichtung dem Dekan verwandt sein". Es wurde nun den Bauern in Rampe befohlen, in 14 Tagen ihre Hufen zu räumen, damit aus denselben ein Hof gemacht werden könnte; und von den Zittower und Brahlstorfer Bauern wurde verlangt, daß sie den neuen Hof "pflügen, misten und begaten" sollten. Sämmtliche Capitelsbauern der drei Dörfer beschwerten sich aber deshalb beim Herzoge von Meklenburg, indem sie vorstellig machten, daß sie nach den vom Capitel geplanten Neuerungen ihre Verpflichtungen gegen die herzoglichen Aemter Schwerin und Crivitz nicht erfüllen könnten. Die Differenzen, welche deshalb zwischen dem Capitel und den genannten Aemtern entstanden, wurden 1604 dadurch beendet, daß das Capitel als Entschädigung für die Ansprüche des Herzogs 1926 fl. 17 s. gab. Der Dekan kam auf diese Weise in den vollen, ungestörten Besitz der Pachtung. Die Bauerstellen in Rampe gingen übrigens nicht vollständig ein, wenn sie auch sehr verkleinert wurden; 1631 existirten wenigstens noch 4 Kossaten daselbst, 1655 nur noch 2 mit zusammen 1/2 Hufe Acker.

Die Pachtsumme für Rampe c. pert. wurde im "Original=Statut" des Capitels von 1618 zu 800 Mk. jährlich festgesetzt 1 ). Dafür erwarb der Dekan auch zugleich das Recht, Schweine in die nicht unbedeutende Mast der Brahlstorfer Waldung zu treiben 2 ) und auf den beiden Seen bei Brahlstorf zu fischen.

Die Description liefert eine genauere Beschreibung des Hofes Rampe. Die Gebäude des Bauhofes bestanden darnach früher aus Wohnhaus und (ausnahms=


1) 1614 zahlte der Verwalter Lorenz Kempe für Rampe 900 Mk. Pacht an das Capitel (Description).
2) Am 14. September 1616 wurden für diese Mast 210 große und 39 kleine Schweine "eingebrannt"; von dem Ertrage der Mastung, der zu 442 fl. 13. s. berechnet wurde, erhielt das Capitel vom Dekan die Hälfte + 6 Mk.
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weise) zwei Scheunen, die letzteren waren indessen von den Dänen niedergebrannt. Der Acker konnte mit 33 Drpt. Winter= und Sommerkorn und zwei Tonnen Lein 1 ) besäet werden, es war aber 1631 nicht hinreichend Saatkorn vorhanden gewesen. Man pflegte auch auf dem Hofe selbst 4 Pferde für die Ackerbestellung zu halten, wohl weil die Bauerdienste nicht ausreichten, doch hatte der Krieg damals (1631) schon alles Vieh bis auf 12 Kühe geraubt.

Die Schäferei hatte wenig im Kriege gelitten; die Gebäude, Wohnhaus und Scheune, waren unversehrt, und es waren auch noch gegen 500 Schafe vorhanden, von denen dem Schäfer, wie gewöhnlich, ein Fünftel gehörte. Die Windmühle lieferte als Ertrag nur jährlich 4 Drpt. Mattkorn, gerade so viel, als man dem Müller zu seiner Erhaltung geben mußte.

1632 wurde der Hof Rampe von den Schweden an Caspar Eßlinger (s. Medewege) verpachtet, welcher ihn jedoch anscheinend noch in demselben Jahre an den Küchenmeister Thesandt abtrat. Auch Thesandt behielt ihn nicht lange, denn schon 1634 verschenkte ihn der Herzog Adolph Friedrich an den Obersten Wilhelm v. Salzburg 1 ). Ganz stimmt diese Angabe, die Eßlinger machte, mit den Aussagen der Domherren in ihren Beschwerden über die Entziehung der Capitelsgüter nicht, da aus letzteren hervorgeht, daß seit 1631 die Schweden sich fortwährend in dem Besitze Rampes behaupteten; auch verhandelte Adolf Friedrich noch in den 40er Jahren mit den Schweden, um Medewege, Rampe und Warkstorf zu kaufen. Sicher nahm der Herzog Rampe nach dem westfälischen Frieden in Besitz und legte es zum Amte Schwerin.

7) Zittow . (J. D.=A. Schwerin.) - In Zittow, früher Sitkow genannt, war die Kirche 3 ) und Pfarre seit der Reformation herzoglichen (nicht bischöflichen) Patronats 4 ),


1) Lein pflegte man damals auf den freien Plätzen im Dorfe auf und neben der Dorfstraße zu säen. Noch heute kann man in dem ratzeburgischen Dorfe Gr.=Rünz, dessen Feldmark bis jetzt nicht "verkoppelt" ist, neben der Straße im Dorfe große unbebaute Strecken sehen, die jedenfalls früher auch Flachsacker waren.
1) Angaben Eßlinger's in einem Supplicat vom 31. März 1634 wider Salzburg wegen einer Forderung von 500 Mk. Lüb., die ihm noch aus dem Inventar in Rampe zukämen.
3) Jahrb. 21 A., S. 282.
4) Ursprünglich gehörte das Patronat zu Zittow den Grafen von Schwerin, dann dem Erzbisthum Riga, seit 1520 dem Kloster Tempzin und seit der Säcularisation dieses Klosters den Herzogen von Meklenburg. Vergl. Jahrb. 14 A., S. 65.
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aber Adolf Friedrich vertauschte 1625 dies Kirchlehn gegen das in Laase an den von der Lühe auf Wandrum, welcher es wiederum 1628 an Henning Halberstadt auf Cambs verkaufte. Seitdem ist das Patronat bei Cambs geblieben. Filiale zu Zittow waren bis nach dem westfälischen Frieden in Langen=Brütz, Brahlstorf, Zaschendorf und Cambs.

Das Dorf Zittow gehörte nach dem Schweriner Amtsbuche von 1550 dem "Capitel und Pentzen"; über 6 Bauerstellen hatte der Herzog von Meklenburg das niedrigste Gericht, und aus diesen bezog er eine jährliche Hebung von 5 fl. 12 s. 8 Pf. Daß diese Hebung übrigens 1604 vom Capitel angekauft wurde, ist schon bei Rampe gesagt worden. Die Description von 1631 führt 3 Bauleute und 3 Kossaten als Capitels=Unterthanen auf. 1655 wohnten hier an Unterthanen des Amts Schwerin 5 Bauleute, 2 Halbpfleger, 4 Kossaten, 1 Büdner, welche früher zum Capitel gehört hatten, 2 Bauleute, 1 Kossat, welche nach Steinfeld, und 1 Kossat, welcher nach Cambs gehörte.

8) Brahlstorf . (J. R. A. Schwerin.) - In Brahlstorf war früher eine Kirche, Filial von der Pfarrkirche in Zittow. Im 30jährigen Kriege war diese Kirche (wie auch die übrigen Filialkirchen von Zittow) so sehr verfallen, daß nach den Visitations=Acten von 1653 kein Gottesdienst darin gehalten werden konnte. Doch besserte man auf Befehl des Herzogs, der Patron der Kirche war, bis 1682 wiederholt an dem alten Gebäude. Noch 1697 kommt diese Kirche vor.

Nach dem Schweriner Amtsbuche von 1550 gehörte das Dorf Brahlstorf dem Capitel mit aller Gerichtsgewalt, mit Pächten und mit Diensten; das herzogliche Amt Crivitz bezog aus demselben jährlich 3 1/2 Drpt. Bedehafer und Königsbede, welche Hebungen 1604 vom Capitel angekauft wurden (s. Rampe). Zum Gute Cambs gehörte das Recht, auf des Dekans See zu Brahlstorf mit der kleinen Wade zu fischen, aber Henning Halberstadt auf Cambs erlaubte es sich auch, mit der Strohwade den See abzuziehen, und wollte ferner nicht leiden, daß das Capitel sich zwei Fischer (zwei Bauern in Zittow waren es) auf dem Zittower (Cambser) See hielt. Das Capitel beklagte sich deshalb über die Verletzung seines "Rechts von der Fundation her" beim Bischofe.

Die Description von 1631 zählt 8 Bauleute und 1 Kossaten als Unterthanen des Capitels auf; nach dem Schweriner Amtsbuche von 1655 gehörten dem Herzoge "laut

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Friedensschlusses" 5 Bauleute 3 Halbpfleger, 3 Kossaten und 1 Büdner.

9) Bandenitz . (J. D.=A. Hagenow.) - Auch Bandenitz war wie alle bisher aufgezählten Capitelsdörfer dem meklenburgischen Herzoge pflichtig, da die Bauern dieses Dorfes (1550 waren es 9 Bauleute und 2 Kossaten) demselben jährlich 2 1/3 Drpt. Bedehafer und 8 Schneidelschweine an's Amt Schwerin liefern mußten. Der Schulze und die Kossaten gaben kein Schneidelschwein, sie zahlten aber an den Landreiter, welcher die Hebung in Empfang nahm, jeder 4 s. Auch ein Ablager kam dem Herzoge in Bandenitz zu. Das Capitel hatte das Gericht und empfing Pacht= und Rauchhühner von den Bauern.

Nach dem "Capitels= Statut" von 1600 wurde Bandenitz dem seniori pro tempore zugetheilt, und es sollte auch dies Dorf wie Rampe zum Hofe "eingerichtet" werden; bis das aber geschehen, sollte der verwaltende Vogt dem Senior "verwandt" sein. Der damalige Senior, Magnus Hübner, verzichtete jedoch, und in seine Rechte trat nun der Domherr (quartus in ordine) Nicolaus von der Lühe.

Die geplante Erbauung eines Hofes blieb übrigens nach, vielleicht aus dem Grunde, weil man, wenn die Bandenitzer Bauerstellen zum Hoffelde gelegt worden wären, für den Hof keine Dienstbauern gehabt hätte, ohne welche man damals einmal nicht recht zu wirthschaften verstand. Man fand aber ein anderes Mittel, den Besitz dieses Dorfes auszunutzen; man ließ die Bauern außer der Geldpacht von 16 Mk. 2 s. anstatt der Hofdienste jährlich 75 Mk. Dienstgeld zahlen. 1619 verpachtete das Capitel dem Schweriner Domherrn Wiprecht Rabe zu Möllenbek die Bauerdienste für 100 fl. jährlich. Jeder Bauer wurde von jetzt an zweimal wöchentlich zu Spanndiensten, jeder Kossat ebenso oft zu Handdiensten verpflichtet.

Lange währte aber auch dieser Pachtcontract nicht, denn 1622 (1. August) verkaufte das Capitel das Dorf mit Bewilligung des Administrators an Matthias v. Bülow auf Pokrent für 8350 Mk. Lüb.

10) Wendisch=Rambow . (J. D.=A. Meklenburg.) - Das Dorf Wendisch=Rambow gehörte dem Capitel 1 ) mit höchstem und niedrigstem Gericht, mit Auf= und Ablaß, mit aller Herrlichkeit und Gerechtigkeit und mit allen Diensten,


1) Im Jahre 1415 kaufte das Capitel den "Hof" zu Wendisch=Rambow von Heinrich Reventlow für 100 Mk. Lüb. Jahrb. 23 A., S. 71.
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doch mußten aus demselben an den Herzog von Meklenburg 4 Schneidelschweine und an den herzoglichen Landreiter 12 s. gegeben werden. Die 5 Bauern und 2 Kossaten waren außerdem dem Herzoge zu einem Hasenablager verpflichtet, wofür sie aber Geld (2 Mk. 4 s.) zahlten, und mußten den herzoglichen Jägern die Hasennetze einmal im Jahre mit 2 Wagen fahren. In ältester Zeit brauchten sie diesen Fuhrdienst nur auf dem Rambower Felde zu leisten, später 1 ) schickte man ihre Wagen bis über Schwerin hinaus und, "dahin sie noetigk". 1571 vertauschte das Capitel dies Dorf gegen die dem Herzog von Meklenburg gebührenden Dienste und Hebungen in Rubow und Dämelow.

11) Warkstorf . (J. der Stadt Wismar gehörig.) - Warkstorf, im Kirchspiel Goldebee gelegen, war schon seit 1326 zum Theil ein Propsteilehn des Bisthums Schwerin 2 ). Zu Anfang des 16. Jahrhunderts (1513) besaßen neben dem Schweriner Propst auch die v. Stralendorff auf Goldebee Rechte in Warkstorf, und diese Stralendorff'schen Rechte dauerten wenigstens bis 1579. Am 12. Juli 1599 verkaufte das Capitel seinem Propst und fürstlichen Rath Joachim Bassewitz, auf Lewetzow erbgesessen, dies Dorf erblich für 3200 Mk. unter der Bedingung, daß es auch ferner Stiftslehn bliebe 3 ). Weil aber die Kaufsumme nicht gezahlt wurde, so forderte das Capitel am 8. Februar 1609 von Bassewitz, entweder zu zahlen, oder den Besitz zu räumen. Ueber diesen Verhandlungen starb der Propst, dem man auch schon mit Absetzung gedroht hatte, 1610 (Februar oder März), und seine Wittwe mußte nun das Dorf wieder an das Capitel zurückgeben. Nach dem "Original=Statut" des Capitels von 1618 wurde es dem Senior auf Lebenszeit für jährlich 350 Mk. verpachtet. Im 30jährigen Kriege bemächtigte sich zuerst Wallenstein, dann die Schweden dieses Dorfes, und nach dem Friedensschlusse (1649) nahm es der Herzog Adolf Friedrich in Besitz, welcher es zum Amte Meklenburg legte und sofort an den Küchenmeister Michael Kramer zu Neukloster für 150, resp. 200 Rthlr. auf 4 Jahre verpachtete. Erich Thureson, der es 1636 von Oxenstiern als Geschenk erhalten hatte, versuchte vergeblich, es von Adolf Friedrich zu kaufen. Obgleich somit über diesen


1) Lehnacten von Rubow und Dämelow 1571.
2) Nach Clandrian Protoc. Urk.=Buch VII, Nr. 4747. 1324 wurden die ersten Hebungen in Warkstorf vom Kloster Cismar in Holstein an das Schweriner Capitel verkauft (Urk.=Buch VII, Nr. 4537).
3) v. Bassewitz wollte Warkstorf als dienstpflichtiges Dorf für sein Gut Lewetzow gebrauchen.
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Besitz längst endgültig entschieden war, verlangten die Bassewitzischen Erben noch bis 1652 vom Capitel die Restitution des Dorfes 1 ).

12), 13) und 14) - Noch bis nach der Reformation des Stifts gehörten dem Capitel die Bauerdörfer Moitin , Questin (D.=A. Bukow) und Gagzow (D.=A. Redentin), aber schon 1569 wurden dieselben an den Herzog Johann Albrecht für 4500 fl. verkauft.

Die Anrechte des Capitels an Rubow, Dämelow u. Schependorf s. Stiftsritterschaft, an Jürgenshagen s. Stiftsamt Bützow.

D. Ritterschaftliche Güter und Dörfer.

Innerhalb der Grenzen des Landes, über welches der Bischof die Landeshoheit besaß, lagen mehrere Dörfer, welche Eigenthum von Adelsfamilien, der Stiftsritterschaft, waren. Ein Pachtregister des Stifts aus der Zeit von 1563-1566 enthält folgendes Verzeichniß des Stiftsadels:

"Die Bulowen zu Zibul. \   " Unther 
Die Bulowen zu Prutzen.  │      deme
Jürgen Wackerbarth zum Nienhagen.   >   Stiffte
Pawel Vierege zu Trechow.  │  wan=
Die Prene zu Lubbetzin. /     hafftich."
Die Finicken zum Gnemer vom Dorffe Gischow.
Achim Stralendorff vom Dorffe Gischow.
Die Viereggen zu Wokrente vom Dorffe zur Vitzen.
Die vonn der Luee zu Buschemollen von den gudern Vogelsanck. 
Die Ertzenn von den guetern zu Rauensbergk.
Die Restorffe zum Boltze vonn einer Veltmarcken.
Die Halberstade zu Camptze vnd Reuentlow von den gudern zum Gallentin.
Die Schoneichen von deme borgklene zu Warin.
Die Rore zum Nienhause vonn den borgkleens=gudern.
Die Vlotouwen zum Sture von den borgkleens=gudern.
Die Tune von den gudern Emekenhagenn.
Die Edelleute in Pomern, zum Stiffte gehorend:
\  haben ihren Leen
Jost Bere  │  nyhe gefordert,
Buggenhagen,   >  viel weiniger
Jorckenn  │   empfangen."
/

1) 1756 vertauschte der Herzog Christian Ludwig Warkstorf und Hinter=Wendorf gegen die Dörfer Pepelow und Bantow und gegen eine Geldsumme von 3000 Rthlrn. an die Stadt Wismar.
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Die hier nicht benannte Feldmark der "Restorffe zum Boltze" ist das Tieplitzer Feld, das Burglehn der "Vlotouwen" die wüste Feldmark Bisdorf, wie sich aus der folgenden Beschreibung ergeben wird. Das Gut Emekenhagen gehörte nicht unbestritten zum Stifte. Im 16. Jahrhundert wurden die Besitzer desselben zwar zu Stiftstagen berufen, und sie erschienen auch auf denselben; als aber der Administrator Herzog Ulrich im Jahre 1604 die Söhne des verstorbenen Claus v. Thun aufforderte, wegen des ererbten Gutes zu Bützow den Lehneid zu leisten, folgten diese dem Befehle nicht. Ihr Vormund Joachim von Oldenburg wandte sich vielmehr an den Herzog Karl von Meklenburg und bat denselben um Rath, "was er thun sollte, damit die jungen Thune Herzog Karl's Lehnleutte vngefährlich sein und bleiben möchten". Herzog Ulrich wünschte, nach seiner Aeußerung dem Capitel gegenüber, diese streitige Frage durch eine Commission entscheiden zu lassen. Jedenfalls war es laut der "gravamina" der Domherren von 1610 dabei geblieben. Die v. Thun zu Emekenhagen werden seitdem nicht mehr zur Stiftsritterschaft gezählt.

Mit den nicht genannten "borgleensguder der Rore" wird deren Antheil an Lübzin 1 ) c. pert. gemeint sein.

In einzelnen Dörfern hatte der Adel nur Antheile, die in einer oder mehreren Bauerhufen, oder auch nur in gewissen Renten und Diensten bestanden, im übrigen aber unter das bischöfliche Amt gehörten. Solche Dörfer sind nicht hier, sondern bei dem Stiftsamt, zu welchem sie ihrem Hauptbestandtheil nach gehörten, aufgeführt.

Aus den überlieferten Acten läßt sich der Bestand der Stiftsrittergüter nicht ohne. Mühe feststellen, da dieselben nicht immer vollständig sind und ihnen außerdem oft der klare, bestimmte Ausdruck mangelt. Das oben citirte Pachtregister des Stifts (1563-66) zählt als ritterschaftliche Stiftsdörfer auf:

1) Zibühl mit Hufen
2) Prüzen " 7 "  │  Besitzer die
3) Boldebuck " 17 "  │  v. Bülow
4) Parum " 20 "   >  zu Zibühl
5) Gülzow " 6 "  │      und
6) Mühlengeez " 10 " /       Prüzen
7) Lübzin " 8 " Besitzer v. Preen

1) Steuerregister von 1577.
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8 ) Nienhagen (Katelbogen), \   Zusammen 35
9) Gralow,   >  Hufen. Besitzer
10) Moisall,  │  Jürgen Wacker=
11) Steinhagen (halb),  /       barth.
12) Langen =Trechow, \   Zusammen 40
13) Kurzen =Trechow,   >  Hufen. Besitzer
14) Trepzow,  │    Paul
15) Steinhagen (halb), /       Vieregge.
16) Gischow  mit 12 Hufen,   Bes. Fineke u. Stralendorff.
17) Viezen       "  24    "     ,   Bes. die Vieregge.
18) Gallentin    "    8    "     ,   Bes. Halberstadt und Reventlow.

"Die andern Edelleute haben keine Dorffern, sondern borglene, daruon ist keine Wissenschaft."

Vergleicht man mit diesem Verzeichniß das oben S. 209 gegebene des Stiftsadels, so sieht man sofort, daß das Güterverzeichniß nicht vollständig sein kann, da in dem Verzeichniß des Stiftsadels wenigstens 4 Stiftsgüter, nämlich Vogelsang, Ravensberg, Tieplitz und Bisdorf, theils genannt, theils wenigstens angedeutet sind, die hier nicht vorkommen.

Am besten findet man sich noch in den ziemlich zahlreich erhaltenen Registern über die Türkensteuer zurecht. Diese dem Reich zum Zwecke der Vertheidigung zu leistende Abgabe konnte natürlich nur von der Landesherrschaft eingefordert werden, und daher müssen wenigstens die in den Stiftssteuerregistern aufgeführten Ritter Lehnsleute der Bischöfe sein. Aber damit ist noch nicht gesagt, daß ein Ritter mit dem Gute, das bei seinem Namen als sein Wohnsitz im Register angegeben wird, auch dem Stifte "verwandt" war. Eine gar nicht genannte, weil als bekannt vorausgesetzte Stiftshufe konnte die Veranlassung werden, daß man den zeitweiligen Besitzer derselben, der auf einem nicht zum Stifte gehörigen Gute saß, mit diesem Gute in der Liste aufführte und dahinter die Steuerquote zeichnete, die er für jene Stiftshufe zahlte. Im 17. Jahrhundert werden indessen diese Listen etwas genauer und vollständiger. Aus diesen Steuerlisten und einigen anderen, zum Theil späteren Acten ergiebt sich nun mit Sicherheit, daß außer dem oben genannten Dorfe Gallentin, welches besser zu den Schweriner Seedörfern gezählt wird, die weiter unten folgenden 26 ritterschaftlichen Güter zum Stifte gehörten.

Die Einrichtung eines Gutes früherer Zeit ist derjenigen in unserer Zeit nicht gleich. Neben dem oft noch getheilten

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Rittersitz, zu welchem nur einige Stücke der Feldmark von ein paar Last Aussaat gelegt waren, wohnten, meistens in einem besonderen Dorfe, die Gutsunterthanen, die glebae adscripti. Diese Unterthanen waren nicht, wie jetzt die Bewohner der Gutskathen, Tagelöhner, sondern Bauern. Ihnen war eine Hofstelle, in der Regel mit Wohnhaus und Scheune bebaut, sammt dem nöthigsten Inventar, sowie ein Theil des Gutsackers zur Bewirthschaftung übergeben; dafür waren sie dem Besitzer des Gutes mit Pacht und Diensten "verwandt", d. h. verpflichtet, ebenso wie die Bauern im Domanium dem Landesherrn verpflichtet waren. Die Pacht bestand in einer geringen Geldabgabe und in allerlei Naturalien; die Dienste, in Hand= und Spanndienste zerfallend, erstreckten sich auf alle möglichen Arbeiten, welche bei der Bewirthschaftung des Gutes nöthig waren. Auch die im Domanium häufig vorkommenden Kossatenstellen finden sich, wenn auch nicht in so großer Anzahl wie dort, im Ritterschaftlichen, und hier wie dort leisteten die Inhaber dieser kleinsten ländlichen Wirthschaften für den Kathen, "die Kote", und die kleine Ackerfläche neben der sehr geringen Pachtzahlung Hand= und Botendienste.

Die ritterschaftlichen Stiftsgüter lagen zum größten Theil an den Grenzen des Stiftsamts Bützow, nur einzelne wenige zerstreut in den Herzogthümern Meklenburg. Wir beginnen mit den am weitesten nach Norden gelegenen Dörfern.

1) Ravensberg . (Jetzt großherzogliches Hausgut. A. Bukow). - Während der Administration und noch später nach dem westfälischen Frieden (sicher bis 1732) besaßen das Dorf Ravensberg, in welchem auf 4 Hufen Landes 4 Bauerstellen errichtet waren, die Familien v. Oertzen auf Gerdshagen und v. d. Lühe, die wegen dieses Besitzes dem Stifte zum Roßdienste verpflichtet waren.

2) Vogelsang . (Jetzt R. A. Bukow.) - Vogelsang war bis 1607 im Besitz der Familie v. d. Lühe, später gehörte es der Familie Warnstädt 1 ), die es für 13,500 fl. gekauft hatte. 1629 wurde Jürgen Warnstädt der Muthschein für dies Gut von Wallenstein ausgestellt.

1) Besitzer von Vogelsang waren: Hans v. d. Lühe (bis 1587), Kurd v. d. Lühe (1587-1604), Wilhelm Warnstädt (1607-1629), Jürgen Warnstädt (von 1629 ab).
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Neben dem Hofe war eine Schäferei errichtet; Hans v. d. Lühe hielt sich aber wider den derzeitigen Gebrauch auf derselben keinen selbständigen Schäfer; denn er schrieb in seiner Steuerdeclaration pro 1577: "den Scheper ich hebb, ist ein Kostknecht", womit er darthun wollte, daß er für einen selbständigen Schäfer nicht zu steuern brauche.

Ebenfalls gab es hier seit der Zeit Herzog Johann Albrechts I. eine Windmühle. Bauern kommen nach 1550 nicht mehr vor.

3) Groß=Gischow . (J. R. A Meklenburg.) - Zwischen der Nordgrenze der Aemter Bützow und Rühn einerseits und dem früheren Capitelsdorf Jürgenshagen, das seit 1565 zum Amte Bützow gehörte, andererseits lagen drei ritterschaftliche Dörfer des Stifts: Gischow, Viezen und Reinstorf. Das Landbuch sagt von Gischow: "Der Gischower Bach soll Fürstenthum und Bisthum scheiden, und soll der Hof jenseits des Baches im Fürstenthum, das Dorf im Bisthum belegen sein." Der Hof (Kl.=Gischow) war damals im Pfandbesitz des Bischofs, das Dorf (Gr.=Gischow) gehörte also mit seinen 12 Hufen, auf welchen in früherer Zeit eine Schäferei und 10 Bauerstellen errichtet waren, zum Stift Schwerin.

Die Besitzer von Gischow waren wenigstens bis 1577 die Familien Fineke und Stralendorff. Gischow blieb bis nach 1648 eine Pertinenz von Gnemern und die Vieregge zu Gnemern, welche auch den Fineke'schen Antheil an Gischow erwarben, steuerten deshalb stets mit der Stiftsritterschaft für 12 Hufen und 1/2 Roßdienst. 1656 war auf einem Antheil von Gischow ein Wohnsitz für die Familie Vieregge errichtet, ein anderer Antheil war noch Pertinenz von Gnemern.

4) Viezen . (J. R. A. Meklenburg.) - Viezen war in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein Bauerdorf mit einer Schäferei im Besitz der Familie Vieregge zu Wokrent. Es wohnten hier 1577 auf 24 Hufen 10 Bauleute und 3 Kossaten; 1581 waren von den Bauerstellen schon 5, von den Kossatenstellen eine "wüst", d. h. nicht mehr besetzt. Die ansehnliche Größe der Bauerstellen von durchschnittlich über 2 Hufen, wie man sie sonst in der Ritterschaft nicht leicht trifft, findet ihre Erklärung in dem Bericht des Landbuchs, daß zu demselben die Feldmark des unter gegangenen Dorfes Clevena von 8 Hufen gelegt worden war.

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Clevena , urkundlich schon vor 1280 zum Bisthum gehörig, lag eine kleine Viertelmeile südwestlich von Reinstorf. Auf der v. Schmettau'schen Karte findet sich noch die Bezeichnung "Dorfstädte" an der Stelle des untergegangenen Ortes 1 ).

In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird Viezen einen Hof erhalten haben, sicher galt 1642 Reinstorf als Pertinenz desselben.

5) Reinstorf . (J. R. A. Meklenburg.) - Reinstorf, ursprünglich ein Bauerdorf, in welchem 1569 8 Bauern (1 Schmied), 1577 nur noch 6 Bauern wohnten, war im 16. und 17. Jahrhundert mit Viezen im Besitz der Familie Vieregge. Zunächst waren beide Dörfer Pertinenzen von Wokrent, später, als Viezen ein Rittersitz wurde, machte man Reinstorf zu einem dienstpflichtigen Dorf dieses neuen Hofes.

6) Moisall . (J. R. A. Meklenburg.) - Moisall war seit vielen Jahrhunderten ein Kirchdorf, die Kirche in der ältesten Zeit indessen ein Filial von Schlemmin. Aber schon 1264 2 ) wurde das Verhältniß ein umgekehrtes, da in diesem Jahre der Bischof Hermann die Pfarre von Schlemmin nach Moisall verlegte. Im 16. Jahrhundert heißt das Schlemminer Gotteshaus nur noch Kapelle. Das Kirchenlehn (Patronat) in Moisall war ursprünglich bischöflich, doch 1569 verlieh der Administrator Ulrich es seinem Rath und Stiftshauptmann Jürgen Wackerbarth und dessen "ewigen" Erben, weil derselbe dem neuen Armenhause in Bützow 200 Mk. verehrt und sich auch sonst um das Stift verdient gemacht hatte. 1651 besaß das Patronat Casper Vieregge, der es von einem Erben Jürgen Wackerbarth's gekauft hatte.

Das Stiftslehn und Gut Moisall wurde 1551 von Jacob Barold an Achim Passow zu Zidderich für 2400 fl. verkauft, und von Passow's Erben kam es 1563 durch Kauf (2000 fl.) an Jürgen Wackerbarth. Im Besitz der Familie Wackerbarth blieb es, allerdings nicht ohne Unterbrechung, bis zum westfälischen Frieden. Von 1636-1644 war es nämlich in den Händen des Vicke Barner, der es käuflich


1) Clevena ist das im Jahrbuch 7 B, S. 58 und 59 auf der Feldmark Viezen gesuchte untergegangene Dorf. - Die Familie Clevenow, welche sicher den Namen nach diesem Dorfe führte, kommt noch in den Acten des 17. Jahrhunderts vor. Sie war damals in dem Besitze von Karcheez und Mühlengeez.
2) Urk.=Buch II, Nr. 1017 Eine Beschreibung der Moisaller Kirche s. Jahrb. 27 S. 208 ff.
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erworben hatte. Da derselbe aber nicht die angelobte Kaufsumme zahlte, so fiel es wieder an den früheren Besitzer Hartwig Wackerbarth zurück, der es um 1618 an den Oberstlieutenant Gotthard Vogelsang verkaufte.

Drei Bauern in Moisall gehörten seit alter Zeit dem Bischofe; da aber dieser Besitz für denselben nicht recht zu verwerthen war, weil er die Bauern zum Hofdienst nach seinen entfernt liegenden Höfen nicht gut heranziehen konnte, so vertauschte er 1564 die Moisaller Bauern gegen eine einzige Bauerstelle in Steinhagen.

Die jetzige Pertinenz von Moisall: Moorhagen, existirte in der hier geschilderten Zeit noch nicht.

7) Katelbogen . (J. R. A. Meklenburg.) - Durch das Ableben des Balthasar Holstein (1549) wurde das Stiftslehn Katelbogen erledigt und vom Bischofe Herzog Magnus dem Stiftshauptmann Jürgen Wackerbarth (und dessen Erben) wegen seiner Verdienste um das Stift wieder verliehen 1 ). Nach dem Tode Jürgens erhielt das Gut dessen Sohn Hardenack (1587), darauf der Sohn Hardenack's Jürgen II. und endlich Jürgen's II. Sohn Hardenack II., der es noch bis nach dem westfälischen Frieden besaß. Jürgen II. Wackerbarth war 1631 genöthigt, das Gut mit dem Krug und den 4 Kossaten, sowie die Pertinenzen: den Meierhof Gralow mit 3 Bauern, 7 Bauern und 3 Kossaten in Steinhagen, 5 Bauern und 3 Kossaten in Sagstorf (welches indessen nicht zum Bisthum Schwerin gehörte) und 2 Bauern und 1 Kossaten in Langen=Trechow für 20,000 fl. an den Rostocker Bürger Johann Lohrmann zu verpfänden (wiederkäuflich zu verkaufen). Lohrmann erhielt mit dem Gut das Jagdrecht auf "Hoch= und Niederwild, auch auf Federwildwerk, und die Fischerei auf Teichen, Söllen und Seen der Feldmark und auf der Warnow".

8) Gralow . (J. R. A. Meklenburg) - Das zum Gute Katelbogen gehörige dienstpflichtige Bauerdorf Gralow zählte im Jahre 1577 8 Bauleute und 2 Kossaten.


1) Zugleich mit Katelbogen erhielt Wackerbarth vom Herzog den "Schallocker" See auf der wüsten Feldmark Schallock mit dem Wadenzuge und dem Schmalzuge geschenkt. Wahrscheinlich entstand später, als man sich das Anrecht der Wackerbarth's an den Schallocker (jetzt Schlokwer) See nicht mehr erklären konnte, die von Lisch, Jahrb. 11 A., S. 493 mitgetheilte Sage, daß es gegen ein Anrecht an den Rühner See eingetauscht sei. Von den Bewohnern von Steinhagen wird dies Recht zu fischen ausgeübt sein, weil die Familie Wackerbarth einen Antheil in Steinhagen besaß.
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Nach dem Landbuche hatte das Amt Bützow aus diesem Dorfe nur die Bede zu fordern, die von den noch übrigen 6 Bauern und 2 Kossaten in der Höhe von 7 Mk. jährlich bezahlt wurde. Aus den eingegangenen Bauerstellen wurde ein Meierhof errichtet, an welchen später noch mehr Baueracker fiel. 1651 gab es nur noch 3 Bauern daselbst 1 ).

9) Kurzen=Trechow . (J. R. A. Meklenburg) - Die beiden Trechow wurden früher, urkundlich seit dem 13. Jahrhundert 2 ) und noch während des 30jährigen Krieges, durch die Bezeichnung Wendisch (später Kurzen) und Deutsch (Langen)=Trechow unterschieden. Wendisch=Trechow war der Rittersitz, Deutsch=Trechow das dienstpflichtige Bauerndorf.

Während der Administration des Stiftes waren diese Dörfer Eigenthum der Familie Maltzan auf Grubenhagen welche sie übrigens mehrfach in diesen 100 Jahren verpfändete: an Passow, an Paul Viereck, an Jürgen Wackerbarth 3 ) und zuletzt 1641 an die verwittwete Abel v. Plessen, geb. v. Oertzen, zu Heukendorf für 7400 fl. verhypothecirte. 1647 brach der Concurs über diese Maltzan'sche Besitzung aus, und die beiden Trechow wurden nun von den Creditoren an die damals noch unmündigen Söhne des weiland Balthasar Plüskow cedirt.

Neben dem Hof Wendisch=Trechow bestand ein Bauerdorf, welches 1569 6 Bauleute und 9 Kossaten bewohnten. Das Landbuch berichtet über dies Gut: "Daran hat das Amt Bützow die höchsten Gerichte und dann die Bede", welche 1581 5 Bauern und 9 Kossaten mit 12 Mk. 12 s. und der Pfandinhaber Jürgen Wackerbarth (für eine nicht besetzte Bauerstelle) mit 2 Mk. 4 s., zusammen mit 15 Mk. erlegen mußten.

10) Langen=Trechow . (J. R. A. Meklenburg.) - Vergl. Katelbogen und Kurzen=Trechow

Die Kapelle in Langen=Trechow, ein Filial der Kirche in Bützow, war früher wie die Mutterkirche bischöflichen Patronats, erst 1685 wurde das Patronat über diese Kapelle dem Landmarschall Hans Albrecht v. Plüskow, dem Besitzer der beiden Trechow, verliehen.


1) Noch jetzt sind in Gralow 2 Bauern.
2) Urk.=Buch III., Nr. 1915.
3) J. Wackerbarth besaß um das Jahr 1580 den ganzen Complex ritterschaftlicher Stiftsgüter, welche vom Amte Bützow und dem Kloster Rühn eingeschlossen wurden.
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Von den Bewohnern des Dorfes gehörten 2 Bauleute und 1 Kossat zu Katelbogen, die übrigen 12 Bauleute waren nach Kurzen=Trechow dienstpflichtig.

Nach dem Landbuche hatte der Bischof das höchste Gericht in diesem Dorfe und von den Maltzan'schen Bauern eine Königsbede von jährlich 26 Mk. 10 s.

11) Trepzow . (Jetzt nicht mehr vorhanden.) - Das Bauerdorf Trepzow, 1/4 Meile südlich von Kurzen=Trechow gelegen, kommt urkundlich zuerst 1363 vor, wo es von den v. Bülow an den Knappen Gottschalk Crompto für 290 Mk. Lüb. verkauft wurde. 1368 wurde es von den Gebrüdern Jorke an den Bischof Friedrich von Schwerin abgetreten, und seitdem wird es fast 200 Jahre lang zum Stiftsamt Bützow gehört haben.

Der Bischof besaß in dem Dorfe nach dem Landbuche das höchste und niedrigste Gericht, Auf= und Ablaß, Dienste und alle Herrlichkeit und Gerechtigkeit. 1563 wurde es gegen 8 Pflugdienste und Hufen in Boitin und Zernin an den damaligen Pfandinhaber der Maltzan'schen Güter Trechow, an Paul Vieregge, vertauscht. Später, als Jürgen Wackerbarth Trechow als Pfand übernommen hatte, ging auch Trepzow mit in dessen Besitz über. Der "Permutations=Contract" von 1563 sollte nun zwar nur bis 1582 gültig sein, weil dann die Familie Maltzan wieder in den Besitz ihres Eigenthums treten konnte; aber Dietrich Maltzan, welcher in diesem Jahre mit Wendisch=Trechow c. pert belehnt wurde, machte den Tausch nicht rückgängig, sondern schloß sogar 1612 mit dem Bischof Herzog Ulrich II. einen neuen Vergleich ab, nach welchem dieser Tausch für immer gültig sein sollte. So wurde Trepzow ein ritterschaftliches Dorf und eine Pertinenz von Wendisch=Trechow.

In diesem Dorfe wohnten 1577 laut des Steuerregisters 7 Bauleute und 2 (1581: 3) Kossaten, der Besitz war also dem von 8 Bauern in Boitin und Zernin etwa gleich. 1 )

12) Steinhagen . (J. R. A. Meklenburg.) - Das ritterschaftliche Bauerdorf Steinhagen wurde 1569 von 7 Bauleuten und 1 Kossaten, die Wackerbarth'sche, und 2 Bauern und 2 Kossaten, die Vieregge'sche Unterthanen


1) 1795 wurde die letzte Bauerstelle in Trepzow gelegt; das ganze Dorf, zuletzt von Gutstagelöhnern bewohnt, existirte noch bis 1842 oder 1843. Der Staatskalender von 1844 kennt es nicht mehr.
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waren, bewohnt, und außerdem gehörten noch demselben Vieregge (Paul) drei wüste Hufen. 1577 wohnten hier 8 Bauleute und 1 Kossat als Unterthanen des Jürgen Wackerbarth zu Moisall, Katelbogen und Trechow. Einer dieser ritterschaftlichen Bauern wurde 1564 (vgl. Moisall und Stiftamt Bützow) ein bischöflicher Unterthan. Von 4 bewohnten und 3 wüsten Hufen der Maltzan von Trechow, die ebenso wie die beiden Trechow an Wackerbarth verpfändet waren, erhielt der Bischof 1581 (Landbuch) 14 Mk. 8 s. Bede.

Sehr früh scheint hier ein Meierhof angelegt zu sein, wahrscheinlich 1582, nachdem Joachim Maltzan seine verpfändeten Güter wieder eingelöst hatte. Im Jahre 1583 zahlte derselbe für 17 Drpt. Aussaat Acker (für die Meierei) und für 2 Bauern in Steinhagen Türkensteuer. In den Lehnacten wird 1635 Steinhagen ausdrücklich als Hof bezeichnet 1 ), welcher damals mit dem Bauerdorf Trepzow von Hinrich Maltzan zu Trechow an Hinrich Hagen, genannt Geist, zu Prüzen für 6000 fl. verpfändet wurde. Hagen war 1642 schon gestorben; aber seine Wittwe behielt dies Pfand, bis der Concurs über die Maltzan'schen Güter ausbrach und in Folge dessen 1650 auch Steinhagen in den Besitz der Söhne des weil. Balthasar Plüskow kam. Uebrigens hatte Hartwich Wackerbarth zu Katelbogen noch im Jahre 1651 Unterthanen in diesem Dorfe.

Ein zweiter größerer Complex ritterschaftlicher Güter des Stifts lag, wenigstens zur Hälfte vom Stiftamte Bützow begrenzt, zwischen den Städten Bützow und Güstrow. Jetzt nehmen diesen Flächenraum die Ortschaften Zibühl, Peetsch, Peetscherhof, Langensee, Gülzow, Wilhelminenhof, Boldebuck und Parum ein. Peetsch war früher ein Rühn'sches Klostergut, und Peetscherhof, Langensee und Wilhelminenhof entstanden erst in neuerer Zeit. Peetscherhof hat in neuester Zeit wieder den alten Namen Dreez erhalten. Für unsere Betrachtung bleiben also nur Zibühl, Gülzow, Boldebuck und Parum übrig, welche 4 Güter während der Zeit der Administration im Besitze der Familie v. Bülow waren.

13) Zibühl . (J. R. A. Crivitz.) - Im Visitationsprotocoll der Kirche zu Tarnow von 1593 heißt es: "Nach alten gravaminibus soll früher in Zibühl eine Kapelle gewesen sein." Die späteren Acten berichten über diese Kapelle nicht mehr, aber noch 1593 gab es eine Kapellenwiese in Zibühl.


1) Ebenso 1645 als Meierhof.
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In dem Bauerdorf wohnten nach dem Landbuche 5 Bauleute, während 5 Hofstellen schon gelegt waren. 1593 gab es in Zibühl auch eine Mühle.

Auf dem Gute saßen im 16. Jahrhundert zwei Mitglieder der Familie v. Bülow. 1590 verpfändete Joachim v. Bülow seinen Antheil in Zibühl, und 1594 Hinrich v. Bülow den seinigen in Zibühl und Parum. 1622 verkaufte Jürgen Magnus v. Bülow sein Gut und Dorf Zibühl c. pert. an den Bischof Ulrich für 44,500 fl. erblich 1 ). Nach des Bischofs Tode wurde für Zibühl eine königlich dänische Administration eingesetzt. Vor Wallenstein wichen natürlich die Dänen aus diesen Besitzungen; aber schon 1630 ließ König Christian IV. durch seinen Commissar Daniel Troje Restitution der Güter Zibühl und Gallentin nachsuchen, die er auch auf Anordnung Wallenstein's dem Lübeker Frieden gemäß, d. d. Gitschin, 13. Februar 1631, erhielt. Der bisherige Inhaber Zibühls, Oberhofmeister Graf v. Lichtenstein, sollte entschädigt werden. Beide Güter kamen nun in den Besitz Daniel Troje's, welcher sie bis 1635 behielt, wo sie König Christian von Dänemark an Ulrich Christian Güldenlow verschenkte. Nun war aber Zibühl auch von der Krone Schweden dem Obersten Helmuth Wrangel geschenkt worden, und Wrangel hatte noch bis 1641 Forderungen aus rückständigen Pächten an Zibühl. Güldenlow erhielt 1652, nachdem er dem Herzog Adolph Friedrich das Gut Gallentin käuflich überlassen hatte, einen Allodialbrief über Zibühl.

Nach dem Landbuch hatte der Bischof aus Zibühl keine Hebungen; ob er dort das Halsgericht besaß, war zweifelhaft.

südlich von diesem Rittergut lag eine wüste Feldmark, auf welcher früher das Dorf Dreez 2 ) gestanden hatte. Dies wüste Feld, zum Stiftsamt Bützow gehörig, war den Zibühlschen Bauern "aus Gnaden", wie das Landbuch sagt, zur Weide gegeben, doch durften weder die v. Bülow noch deren Bauern "einigen Stock oder Baum" auf dem Felde abhauen. Für diese Weide wurden 16 Mk. 8 s. Pacht an's Amt Bützow gezahlt. Nach den Steueracten gab es noch 1585 und 1587 eine Dreezer Schäferei.


1) Vergl. Jahrb. 23, S. 35 ff.
2) Hier ist später der Peetscherhof erbaut, der 1877 wieder den alten Namen Dreez erhielt. Doch wurde dieser alte Name bald wieder durch den neuen verdrängt, der auch jetzt offiziell gebraucht wird. (Vgl. Staatskalender.)
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14) Gülzow . (J. R. A. Crivitz.) - So lange die v. Bülow auf Zibuhl saßen, war Gülzow eine Pertinenz dieses Gutes. Nach den Steuerregistern von 1569 zahlte Hinrich v. Bülow für 4 Bauern und 4 Kossaten, Jürgen v. Bülow für 4 Bauern und 3 Kossaten in Gülzow. Das Landbuch schreibt das höchste Gericht und die Bede dem Bischofe zu, alles Uebrige gehöre den v. Bülow in Zibühl. Die Bede wurde von 6 Bülow'schen und 1 Pfarrbauern (der der Pfarre zu Parum gehörte) mit 7 Mk. 5 s. an das Amt Bützow gezahlt.

Im 17. Jahrhundert gehörte Gülzow den v. Bülow auf Karcheez und Prüzen. 1628, nach dem Tode des Dietrich v. Bülow auf Karcheez, Gülzow, Prüzen und Kritzow, wurde dessen Antheil an Gülzow von den Vormündern der Kinder des verstorbenen Besitzers inventarisirt. Das vom Notar Cuper verfaßte Inventarium giebt von der Einrichtung eines Rittergutes zur Zeit des 30jährigen Krieges folgendes Bild:

a. Das Wohnhaus, von Fachwerk, theils gemauert, theils geklehmt, war ein einstöckiges Gebäude mit einem Ziegeldach. Durch die Hausthür kam man auf die Diele, von welcher links 3 Kammern, rechts eine große und eine kleine Stube mit Kachelöfen und eine kleine Kammer lagen. Ferner enthielt das Haus Küche, Speisekammer, Molkenkammer, Schreiberkammer und eine "düstere" Kammer. Die große Stube war mit Ziegeln ausgelegt, die übrigen Gemächer hatten wohl nur Lehmdielen. Fensterscheiben waren, wo es anging, angebracht gewesen, aber die meisten Scheiben waren herausgefallen. Die Stube wurde durch 24 Fensterscheiben erleuchtet. Die Thüren hatten meistens eiserne Hespen und Klinken, theilweise nur hölzerne Klinken. Zum Hausboden führte eine "Stiege von Eichenholz".

b. Im" Neuen Gebäude" befanden sich die Voigtskammer und 2 Schweineställe.

c. Der Baustall, ein kleines quadratförmiges Gebäude, diente zum Stall für Baupferde.

d. Der sehr lange und schmale Kuhstall mit offenem Giebel hatte drei Eingangsthüren. Auch ein Stall für Pferde befand sich in demselben.

e. Die erst 1625 gebaute, sehr lange und schmale Scheune von Fachwerk war unten geklehmt, oben gezäunt oder mit Stroh zugestopft.

f. Das Backhaus war 1628 ein ganz neues Gebäude.

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Den Hof umgab ein "Hakelzaun". Das gut erhaltene Hofthor war ohne alles Eisen befestigt.

Die Schäferei, sicher seit 1585 in Gülzow vorhanden, enthielt:

a. den Schäferkaten mit einer Stube, in welcher ein Kachelofen stand, und einer Kammer,

b. die lange und schmale Scheune, neben welcher eine Schäferhütte stand.

Die Windmühle mahlte mit (2) Steinen, von denen der untere 1/2 Elle, der obere eine ganze Elle dick war.

Zu diesem Antheil gehörten aus dem Dorfe Gülzow 2 Bauern und 3 Kossaten. Alle hatten eine vollständige Hofwehr empfangen, und ihre Stellen enthielten bis auf die eines abgebrannten Kossaten ausreichende Gebäude.

Der Antheil der Erben Dietrich v. Bülow's wurde nach 1628 dem Landrath Hinrich Lewetzow auf Mistorf für 9580 fl. verhypothecirt, und diese Hypothek 1628 von Wallenstein und später 1634 von Herzog Adolph Friedrich bestätigt.

1635 war der andere Antheil von Gülzow schon "etzliche" Jahre im Pfandbesitz des Güstrower Bürgers Adam Haltermann. 1643 empfing Fritz Ihlenfeld zu Ihlenfeld das ganze Gut Gülzow von den Gebrüdern Haltermann und dem Landrath Lewetzow als Pfand.

15) Parum . (J. R. A. Crivitz.) - In Parum war die Pfarre und Kirche bischöflichen Patronats.

Der Staatskalender führt Parum unter den Rittergütern des ehemaligen Stiftes Schwerin nicht auf, obwohl dies Dorf nachweislich seit den ältesten Zeiten ein Stiftslehn gewesen ist.

Bis Anfang des 16. Jahrhunderts wohnte hier die Familie Parum. Der Letzte dieses Geschlechtes, Hartwig Parum, verkaufte den Hof Parum mit 1 Hufe, 2 Kathen und einer wüsten Worth an Hinrich v. Bülow auf Zibühl für 234 Mk. Stralsundisch, und 1517 verlieh der Dompropst Reimar Hane, der für den noch unmündigen, zum Bischofe postulirten Herzog Magnus von Meklenburg Administrator des Stiftes war, Hartwig Parum's Lehngüter Parum, Tarnow, Boitin, Scadeloke 1 ), Zernin und Katelbogen dem Stiftsmann Karsten Preen. Doch bald darauf besaß die Familie v. Bülow das Dorf Parum.


1) S. Schallocker Feldmark unter dem Dorfe Warnow im Amte Bützow.
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Nach dem Landbuche gehörte das Kirchlehn, das höchste Gericht und die Bede von 14 Mk. 10 s. zum Hause Bützow (dem Bischofe), "das übrige den Bülowen zu Zibühl".

Es wohnten dort 14 Bauern und Kossaten. Ein Rittersitz war Parum seit 1517 nicht 1 ).

16) Boldebuck . (J. R. A. Schwerin.) - Im Jahre 1569 besaß Jürgen v. Bülow zu Prüzen 4 Bauern und 2 Kossaten, und Hans v. Bülow's Wittwe zu Karcheez 4 Bauern und 1 Kossaten in Boldebuck. Nach dem Landbuche gehörte (1581) das Dorf den v. Bülow zu Karcheez und Prüzen, aber das höchste Gericht und die Bede von 16 1/2 Hufen (9 Mk. 4 s. 6 Pf.) kam dem Bischofe zu. Bauern und Kossaten waren 1581 nur noch 8 vorhanden. 4 Hufen waren schon seit 1577 von Chim v. Bülow zu Karcheez gelegt.

Die Lehnacten über Boldebuck beginnen erst 1630; damals verpfändete Gerd v. Cölln zu Prüzen und Grabow den Meierhof und die Schäferei Boldebuck, welche er zuvor von Melchior Moltke reluirt hatte, für 7000 fl. an den Bürger und Seidenkrämer Adam Haltermann zu Güstrow auf 18 Jahre; die Zinsen von 420 fl. wurden als Pacht angerechnet.

17) Prüzen . (J. R. A. Schwaan.) - Seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts stand in Prüzen eine Kapelle, die von Joachim v. Bülow's Wittwe, geb. Anna Cramon, erbaut wurde; 1620 stellte dieselbe einen Revers aus, daß sie für die Verrichtung des Kirchendienstes in dieser Kapelle, die sie wegen des weiten Kirchweges nach Tarnow mit Erlaubniß des Administrators Ulrich II. habe bauen lassen, den Pastor in Tarnow besolden wolle. Darnach scheint sie kurz vorher den Bau vollendet zu haben. Am 26. August 1621 wurde die Kapelle der "Sancta Justitia" inaugurirt.

Das Gut Prüzen, zum Theil zum Herzogthum Güstrow gehörig, hatte zwei adelige Höfe, die Anfangs beide im Besitz der Familie v. Bülow waren. Einer dieser Höfe ging den v. Bülow verloren, als 1620 der Administrator Ulrich II. denselben für sich einziehen ließ, weil die derzeitige Besitzerin Anna Cramon, Wittwe des weil. Joachim v. Bülow auf Karcheez und Prüzen, die wegen Zauberei ange=


1) 1794 und 1795 wurden mehrere Bauerstellen in Parum gelegt und auf dem Bauerfelde der Hof Wilhelminenhof angelegt (Lehnacten). Nach dem Staatskalender ist Wilhelminenhof 1772 schon der meklenburgischen Ritterschaft incorporirt.
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klagt war, auf eine Citation nach Bützow zum Verhör nicht erschien. Der Hof kam nun an Gerd v. Cölln, der ihn aber 1625 an Melchior Moltke verpfändete und verpachtete. Im Dorfe wohnten 8 Kossaten.

18) Mühlengeez . (J. R A. Schwerin.) - In Mühlengeez stand früher eine zur Tarnower Pfarre gehörige Kapelle, welche 1593 (Visitations=Protocoll) indessen schon verfallen war. Noch 1620 geschieht derselben bei der Tarnower Kirchenvisitation Erwähnung, aber nur als eines der Vergangenheit angehörigen Gebäudes.

Das Dorf gehörte als Pertinenz von Prüzen und Karcheez der Familie v. Bülow. Nach dem Landbuch hatte der Bischof an demselben das höchste Gericht und die Bede von 10 Bauerhufen, welche zusammen 11 Mk. 4 s. betrug. Nach den Steuerregistern der 60er Jahre des 16. Jahrhunderts wohnten hier 5 Bauleute und 2 Kossaten auf dem Prüzener und 4 Bauleute und 5 Kossaten auf dem Karcheezer Antheil. Der letztere Antheil kam im 17. Jahrhundert mit dem Hauptgut Karcheez an die Familie Clevenow in Güstrow (vgl. Viezen), die Description führt daher schon Lorenz Clevenow unter dem Stiftsadel auf 1 ).

19) Tieplitz . (J. R. A. Sternberg.) - Tieplitz, eine Pertinenz von Bolz bei Sternberg, war 1567 wahrscheinlich nicht bewohnt, da der Besitzer Kurd Restorff nur für die Feldmark steuerte. 10 Jahre später war hier wenigstens eine Schäferei und 1595 nach den Steueracten ein Hof 2 ), für welchen Restorff die Steuer an's Stift zahlte und den Roßdienst nach Güstrow leistete. 1602 verpfändeten die Vormünder der Kinder des verstorbenen Degener Restorff Bolz mit dem Meierhof Tieplitz an die Königin von Dänemark, und 1605 verkaufte Christoph Restorff Bolz und Tieplitz für 30,000 fl. an Berthold Parkentin. In der Familie Parkentin war Tieplitz noch im 18. Jahrhundert.

20) Lübzin 3 ). (J. R. A. Schwerin.) - Lübzin gehörte im Jahre 1568 der Familie Preen, und zwar theilten sich drei Mitglieder dieser Familie in das Dorf, in welchem 7 Bauern und 7 Kossaten wohnten. Das Landbuch erwähnt


1) 1690 verkaufte der Rathsverwandte Lorenz Clevenow zu Güstrow sein Gut Karcheez c. pert. in Mühlengeez und Boldebuck an den Baron Wendhausen.
2) Der Hof wurde nicht von dem Besitzer bewohnt, sondern von einem Hofmeister bewirthschaftet.
3) Anfangs gehörte nur das halbe Dorf Lübzin zum Stift, 1261 wurde aber bei einer Grenzregulirung auch die übrige Hälfte demselben geschenkt. (Urk.=Buch II, Nr. 921; Jahrb. 11, S. 248.)
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dasselbe nicht. 1631 kam ein Antheil in Folge eines Concurses an Ulrich Maltzan. Dieser neue Besitzer verkaufte 1641 den Predigern und Schuldienern zu Schwerin für 1000 Mk. Lüb. eine jährliche Hebung von 60 Mk. aus seinem Antheil. Wahrscheinlich war Lübzin im 30jährigen Kriege so verwüstet, und die beiden Besitzer Ulrich Maltzan und Hartwig Preen in Folge dessen in ihren Vermögensverhältnissen so sehr geschwächt worden, daß sie ohne Hoffnung, auf ihrem Gute jemals wieder emporkommen zu können, ihre "beiden Rittersitze" daselbst verließen und sich nicht weiter um das Gut kümmerten. Da auf diese Weise die auf dem Gute ruhenden Verpflichtungen nicht erfüllt, vor allem das fürstliche Armenhaus zu Bützow und die Kirche in Boitin wegen ihrer Forderungen nicht befriedigt werden konnten, so wurde Lübzin 1614 auf Befehl des Herzogs Adolf Friedrich vom Amte Bützow "in Possession und Administration" genommen, nachdem die Eigenthümer 6 Wochen vorher vergeblich durch eine Verwarnung von den Kanzeln zur Wiederkehr aufgefordert waren. 1650 wurden die beiden Hauptgläubiger Dietrich Stralendorff zu Goldebee in den Preen'schen und Franz Jochim Spörcke in den Maltzan'schen Antheil des Gutes immittirt.

21) Grünenhagen . (J. R. A. Schwerin.) - Ueber Grünenhagen berichten die Archivacten ausnahmsweise wenig. Aus den Lehnsacten wird zwar bekannt, daß es 1532 ein Bauerdorf war und zu Zibühl gehörte, aber weiter erfährt man aus denselben bis zum westfälischen Frieden nichts. Jedenfalls wird es aber bis dahin immer als Pertinenz zu Zibühl gehört haben, denn noch 1654 verpachtete es Güldenlow zugleich mit Zibühl an Eggert Braun. Nach den Steuerregistern von 1577 wohnten hier 5 Bauern; die späteren Register nennen es nur ab und zu als Pertinenz von Zibühl.

22) Schependorf . (J. R. A. Meklenburg.) - Der Name Schependorf 1 ) läßt darauf schließen, daß dieser Ort aus einer Schäferei entstanden ist, die wohl gleich Anfangs, wie später urkundlich erwiesen, zu Eikhof gehörte. Als dann das Hauptgut aus dem Besitz des Bischofs in den des Herzogs von Meklenburg kam 2 ), blieb die Pertinenz trotzdem


1) Schependorf wird urkundlich zuerst 1339 genannt. In diesem Jahre verpfändete der Knappe Otto v. Zernin (Johann v. Zernin erbaute 1318 das Schloß Eikhof) das Dorf (villam) welches er 1344 an den Knappen Hinrich v. Bülow verkaufte (s. Urk. de iisd. ann.).
2) Vgl. Wigger, Jahrb. 28, p. 208.
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bischöflich. Die Archivacten erwähnen dies Dorf selten, doch ist die Zugehörigkeit zum Stift dadurch erwiesen, daß 1569, 1617 und 1620 von den Schependorfer Bauern Steuer zum Stift gezahlt wurde, daß ferner Hans v. Bülow 1 ) zu Schependorf 1622 unter dem Stiftsadel aufgeführt wurde, und daß endlich derselbe 1626 auf Verfügung des Stifts wegen seines Besitzes in Schependorf und Zernin 3 dänische Soldaten als Einquartirung erhielt.

1636 cedirte Lüder Joachim Lützow zu Eikhof seine Anrechte an Schependorf (Bauerdienste, Jagd u. s. w.) an Hans v. Bülow zu Groß=Raden, der dieselben schon seit Jahren beanspruchte, gegen das Kirchlehn zu Eikelberg und gegen eine Baarzahlung von 1400 fl. Doch sollten die Schependorfer Bauern nach wie vor zu Eikhof mahlen. Die Description führt Hans v. Bülow schon unter dem Stiftsadel auf, ohne das Gut zu nennen, durch dessen Besitz er Stiftslehnsmann geworden. Es liegt daher die Vermuthung nahe, daß er wegen des Besitzes in Schependorf zur Stiftsritterschaft gezählt wurde; von Lützow zu Eikhof wird nicht unter derselben aufgeführt. Wahrscheinlich in den letzten Jahren des 30jährigen Krieges wird dann Schependorf verwüstet worden sein, denn 1662 weideten die Wendorfer Bauern ihr Vieh auf diesem "wüsten" Felde. 1680 verpfändete Helmuth v. Sperling Schependorf, "im Fürstenthum Bützow gelegen, so vor vielen Jahren mit Bauern besetzet gewesen, nachgehends aber injuria temporum wüste und successive zu einer Meierei gemacht worden", an den bisherigen Pächter Jacob Meves für 3000 fl. (à 24 s. Lüb.) auf 10 Jahre.

23) Laase , Antheil. (J. R. A. Meklenburg.) - Die Kirche und Pfarre in Laase waren nicht bischöflichen Patronats. Um das Kirchenlehn stritten sich 1653 die Besitzer von Rothenmoor und Eikhof; jetzt gehört dasselbe zum Gut Laase. Eingepfarrt waren Laase, Schependorf und Rothenmoor.

1577 steuerte Laase, "zum Eikhof gehörig", für einen Bauer mit der Stiftsritterschaft. Nach dem Landbuche gehörte Laase "zum Eikhof und Katelbogen, und geben zum Hause Bützow" 2 Eikhöfer und 1 Katelbogener Bauer zusammen 10 Mk. 8 s. Pacht, und nach den Bützower Amtsregistern steuerten in den Jahren 1641 - 1714 immer 3


1) Ueber den Besitz der v. Bülow in Schependorf vergl. Jahrb. 10 A, S. 226 und 319.
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Bauern aus Laase an's Amt Bützow. Diese Pacht wird "fremde Pacht" genannt und mit Pacht aus Zibühl und anderen Stiftsrittergütern zusammen berechnet. 1614 mahnte der bischöfliche Beamte Carl Hoye die Gebrüder Lützow zu Eikhof wegen der dem Herzog Ulrich gebührenden Pacht 1 ) von 2 wüsten Bauerstellen, welche die v. Lützow damals in Besitz hatten, und in demselben Jahre forderte auch die Oeconomie in Bützow von 2 Bauern, die Lützow'sche Unterthanen waren, Hebungen.

24) Rubow . (J. R. A. Meklenburg.) - Seit der Reformation hatte die Kirche und Pfarre in Rubow keine eigenen Prediger mehr; den Gottesdienst, versahen dort die umwohnenden Pfarrer, zuerst der Retgendorfer, dann der Jesendorfer und seit Ende des 16. Jahrhunderts der Pfarrer in Hohen=Viecheln. Die Kirche war um die Mitte des vorigen Jahrhunderts noch vorhanden, aber nicht mehr gegen Ende desselben.

Während der Sedisvacanz im Bisthume Schwerin übergab der König und Herzog Albrecht von Meklenburg 1385 das Dorf Rubow an das Capitel 2 ); aber dasselbe kam nicht in den vollen, ungestörten Besitz, denn aus den Lehnacten geht hervor, daß 1524 Kurd und Sievert Sperling zu Rubow die Ansprüche des Capitels auf die Wassermühle und auf einige Hebungen aus diesem Dorf nicht gelten lassen wollten. Auch den meklenburgischen Herzogen kamen aus diesem Dorfe und dem angrenzenden Dämelow später noch Bauerdienste und Hebungen zu, die das Capitel erst im Jahre 1571 dadurch an sich brachte, daß es dem Herzog dafür das Capitelsdorf Wendisch=Rambow gab. Doch lange erfreute sich das Capitel dieses Besitzes nicht; denn schon im nächsten Jahre 1572 wußte der Dekan Joachim Wopersnow zu Keetz dasselbe zu bereden, daß es ihm Rubow und Dämelow für 4500 fl. erblich verkaufte. Wopersnow zahlte zugleich seinem Schwager Jasper Sperling für dessen Anrechte an Rubow und Flessenow 4500 fl. Reservirt hatte das Capitel sich, wie es scheint, einen See und 2 Hufen in Rubow. Wopersnow zahlte nun nicht sogleich die Kaufsumme an's Capitel, und deshalb


1) Nach den Lehnacten von Laase.
2) Schon 1217 schenkten Graf Gunzel von Schwerin und sein Bruder Heinrich dem Schweriner Domcapitel die Dörfer Rubow und Medewege. (S. Urk.=Buch I, Nr. 235; Jahrb. 13, S. 105.) Rubow wurde dem Capitel indessen vom Grafen Nicolaus zu Anfang des 14. Jahrhunderts wieder entrissen. (S. Urk.=Buch VII, Nr. 4657 und 4658.)
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mußte 1581 wieder ein neuer Vergleich wegen der rückständigen 2500 fl. gemacht werden.

Bei dieser Gelegenheit wurde bestimmt, daß die beiden Güter Rubow und Dämelow der Stiftsjurisdiction nach wie vor unterworfen sein, d. h. zur Stiftsritterschaft gehören sollten. Doch waren hiermit die Differenzen nicht gehoben; denn noch 1607 behauptete das Capitel, zwar ohne mit der Behauptung durchzudringen, daß es den Verkauf rückgängig machen könnte.

Nach den v. Wopersnow besaß dies Gut im 17. Jahrhundert und später die Familie Sperling.

25) Dämelow . (J. R. A. Meklenburg.) - Schon 1248 1 ) bekam die Schweriner Kirche vermittelst eines Vergleichs mit dem Kloster Neukloster aus dem Dorfe Dämelow eine jährliche Hebung von 50 Drpt. Korn, welches auf den Kornboden zu Hohen=Viecheln geliefert werden mußte. Ueber die Erwerbungen der herzoglichen Dienste und Hebungen und über die Veräußerung dieses Dorfes an den Decan Wopersnow ist schon bei Rubow berichtet worden. Wopersnow's Nachkommen besaßen Dämelow noch nach der Incorporation des Stifts.

In dem Dorfe wohnten 1571: 6 Bauern und 2 Kossaten.

26) Bisdorf . (J. D. A. Wredenhagen.) - Bisdorf, früher Bischofsdorf, war im 16. und 17. Jahrhundert nach den Steuerregistern eine wüste Feldmark im Besitz der Familie Flotow 2 ) zu Stuer, welche für dieselbe dem Stift zum Roßdienst verpflichtet war. Noch 1465 war hier ein Dorf; denn in diesem Jahre belehnte der Bischof Werner von Schwerin den Drewes Flotow mit dem Burglehn und Dorfe "Bißthorpestorpe, alse borglehn recht ist". Aber 1650 klagen die v. Flotow dem Herzog Adolf Friedrich, daß sie zu viel wegen Bisdorf zum Stift steuern sollten, dort möchte "weit über Menschen=Gedenken" ein Dorf gestanden haben, jetzt wäre es nur eine wüste Feldmark; den Wald hätte der Sturm 1648 zur Hälfte umgeworfen, was auch die herzogliche Commission, welche die Feldmark 1648 inspicirte, bezeugte. 3 )

Wahrscheinlich war mit dem Bisdorfer Feld der dem Bisthum gehörige Antheil in dem nahen Lenz vereinigt. Letzterer Ort wird in den Acten dieser Zeit gar nicht genannt.


1) S. Urk.=Buch I, Nr. 609.
2) Vergl. Lisch im Jahrb. 3, S. 148; ferner Jahrb. 5, S. 219, 220.
3) Noch 1740 war diese Feldmark wüst. (Lehnacten.)
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E. Kloster Rühn.

a. Allgemeines.

An Material zur Beschreibung des Klosters Rühn 1 ) fehlt es im hiesigen Archive durchaus nicht. Aus dem Jahr 1579 ist ein sehr sauber ausgestattetes Landbuch des Klosteramts "als ein Fundament aller Rühn'schen Pächte und Hebungen" vorhanden, und nachdem dann eine ganze Reihe Beschreibungen aus der nächsten Zeit gefolgt sind, bringt das Jahr 1654 eine recht ausführliche "Beschreibung des Klosteramts Rühn, aller desselben Einkünfte, Hebung und Zubehörung nebst aller Herrlichkeit und Gerechtigkeit". Da das Landbuch von 1579 nicht lange nach dem Anfang, die Beschreibung von 1654 gleich nach dem Ende der hier geschilderten Zeit abgefaßt sind, so können beide ein hinlängliches Bild von dem Zustande des Klosters zur Zeit der Administration geben; sie sind daher hauptsächlich der folgenden Beschreibung zu Grunde gelegt.

Der Sitz des Klosters Rühn war in dem gleichnamigen Dorfe, das eine gute halbe Meile südwestlich von der Stadt Bützow liegt. Der kleinere Theil des Klostergebietes dehnte sich um den Klostersitz aus, der größere lag 1-2 Meilen nordwestlich davon in einem Halbkreis um das Rittergut Moisall herum. In dem Dorfe Granzin bei Lübz beanspruchte das Kloster nach dem Landbuch zwar zum Theil die Jurisdiction, doch gestand das Amt Lübz ihm die selbe nicht zu. Sicher besaß es dort freilich bedeutende Hebungen; doch deshalb kann das Dorf noch nicht als eigentliches Klosterdorf angesehen werden, und es wird darum hier, wie viele andere, aus denen das Kloster Einkünfte bezog, übergangen.

Die geistliche Gewalt des Klosters erstreckte sich über fünf Pfarrkirchen, indem dasselbe das Kirchenlehn in Rühn, Bernitt, Baumgarten, Granzin und Frauenmark (bei Crivitz) besaß.

Die Waldungen im Kloster waren nicht gerade bedeutend, aber sie reichten für den Bedarf aus. Harte Holzung war hauptsächlich in der Nähe von Rühn vorhanden; die alten Beschreibungen nennen den Rühner Wald und die "Bödelshörn", später Büttelshörn, bei Rühn an der


1) Ueber die Stiftung des Klosters Rühn vergleiche man Jahrb. 8, S. 6 ff.
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Warnow gelegen, in welchen beiden zusammen bei guter Mast 800-1000 Schweine geweidet werden konnten. Außerdem standen an mehreren Stellen auf den Dorffeldern von Jabelitz, Hermannshagen, Baumgarten, Peetsch und Bernitt kleinere Eichen= und Buchen=Wälder, die wenigstens so bedeutend warend, daß man die Mast zu Zeiten an die Dorfbewohner verpachten konnte. Auf dem Baumgarten'schen Felde sind drei kleine Wälder namentlich aufgeführt: 1) der Eichen= und Buchen=Wald im nordwestlichen Theil, die Steinhorst genannt, 2) die Eichen hinter den Büttelshörn, das "Hindenbehren=Vier", und 3) die Eichen am Warnowufer, das "Schnüefichen=Vier" genannt.

An weichen Holzungen fanden sich 1579 nur ein Hau im Warnkenhäger Bruch und ein zweiter, das Frauenholz, auf dem Peetscher Felde. Natürlich stand auch auf anderen Feldmarken hier und da Weichholz: Birken und Ellern; im 30jährigen Kriege wuchs auf den wüsten Hufen überall viel Buschholz auf. An diesen Holzungen hatte das Kloster, nach Aussage des Landbuchs, nothdürftig, d. h. hinreichend Feuerung und Zaunholz und konnte sogar zu Zeiten noch davon verkaufen.

Die Jagd stand dem Kloster nicht zu, sondern dieselbe wurde vom Amte Bützow ausgeübt. Die Klosterbauern mußten den Bützower Jägern im Klosteramte "Ausrichtung" thun, die hier sehr bedeutend war. So mußte z. B. Bernitt als Ablager zur großen Jagd geben: 216 Brote, 3 Drpt. Hafer, 36 Hühner, 18 Pfund Butter, 36 Stücke Rindfleisch, 180 oder 216 Lichte, 2 Tonnen Bier, 1 Schaf und 6 Pfund Rotschar (getrockneten Stockfisch).

An Seen gehörten "ohne Mittel" zum Kloster:

1) der große Rühn'sche See hinter dem Kloster, 6 Faden tief, zu 9 Wadenzügen veranschlagt;

2) der Lange See, 6 Faden tief, 2 W.; 1 )

3) und 4) die beiden Zemekowen auf der Feldmark des Dorfes Rühn 2 ), 4 Faden tief, 2 W.;


1) Nach der v. Schmettau'schen Karte ging die Grenze des Klosteramts mitten durch den südlichsten der beiden östlich von Rühn gelegenen Langen Seen (vergl. Stiftsamt Bützow), und es konnte daher nur die Hälfte dieses Sees zu Rühn gehören. Auch der nördliche Theil des Rühner Sees lag nach v. Schmettau im Amte Bützow.
2) In einem Inventar vom Jahre 1702 werden die beiden "Sehmkowen" "Kuhlen" genannt, jetzt heißen sie die Große und die Kleine Zehmkuhl.
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5) das Salzbruch 1 ), 9 Faden tief, 2 W.;

6) der Peetscher See, 3 Faden tief, 8 W.

1632 (Description) war der Rühn'sche See für 4 fl. an den Krüger in Rühn, der Tessiner See für 18 s. an den Schulzen in Kl.=Sien, und der Peetscher See für 36 s. an den Schulzen und einen Bauer in Peetsch verpachtet.

Außerdem nennt das Landbuch 3 und die Beschreibung von 1654 6 Teiche, in welchen Fische lebten. Jedenfalls wurden einige Teiche künstlich zur Fischzucht hergestellt, wie aus einer Bemerkung in der Beschreibung von 1654 hervorgeht. Nach derselben hatten nämlich die Schweden und die Kaiserlichen in den Jahren 1638 und 1639 drei Teiche "abgegraben und ruinirt", dieselben wurden aber 1650 "wiederhergestellt und wieder mit Karpfen besetzt."

Der Warnowfluß als die Südgrenze des Klosters gehörte (natürlich nur auf der linken Seite, - vergl. Stiftsamt Bützow, S. 169) von der Eikhöfer bis zur Bützower Scheide sammt dem Flüßchen "Zernineken" zu Rühn.

Das Recht zu fischen theilte Rühn mit Neukloster auf dem Tessiner See, durch welchen die beiderseitige Grenze ging, und mit Dobbertin auf dem Holzendorfer See 2 ), und zwar in der Weise, daß jeder der Theilhaber ein Jahr um's andere das Recht ausübte.

Das Amt Bützow hatte in den Klosterdörfern Bernitt, Moltenow, Klein=Sien, Bischofshagen, Jabelitz und Peetsch das höchste Gericht, die Bede und Rauchhühner, einige Dienste und das Ablager (s. S. 229); dem Kloster verblieb in denselben nur das niedrigste Gericht und die übrigen Dienste. Die 9 Peetscher Bauern mußten jährlich (zu Pfingsten ?) "ein Fuder Maien vom Dreezer Felde zum Hause Bützow zur Lauben" fahren. In Baumgarten besaß das Amt Warin früher das höchste Gericht und die Bede, aber der Administrator Herzog Ulrich I. verlieh im Jahre 1580 in Folge der Fürbitte seiner Gemahlin Elisabeth dem Kloster alle Rechte und Einkünfte in diesem Dorfe. Warnkenhagen gehörte mit höchstem Gericht, von dem das Kloster nur den 3. Pfennig erhielt, und Burgdienst (4 Tage zu Fuß) zum Amte Bukow. In Granzin beanspruchte das Kloster, wie schon erwähnt ist, das niedrigste Gericht, Auf= und Ablaß


1) Eine Karte vom Kloster Rühn aus der Zeit um 1700 bezeichnet den im Dorfe Rühn gelegenen Teich mit "Sultpohl"; sicher ist mit dem obigen Salzbruch derselbe Teich gemeint, der auch noch heute Sülzpfuhl heißt.
2) Den halben Holzendorfer See kaufte das Kloster 1354 von den Vettern von Cramon für 40 Mk. Lüb.
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und Erbschichtungen, im Uebrigen gehörte das Dorf zum Amte Lübz. Vollständig zu eigen halte das Kloster also zunächst nur Rühn selbst und das dicht dabei gelegene Dorf Pustohl, und seit 1580 Baumgarten.

Die Dörfer im nördlichen Theil des Klostergebietes thaten im 16. Jahrhundert keinen Hofdienst, da in der Nähe kein klösterlicher Meierhof war; sie zahlten dafür ein Dienstgeld, das für Bernitt 50 fl. betrug. Später wurde Bernitt trotz der Entfernung zum Hofdienst auf dem Bauhof verpflichtet; die übrigen Dörfer dienten in Hermannshagen und Bischofshagen.

b. Die Klosterdörfer.

1) Rühn . - Wie alle drei Kirchen in dem Klostergebiet, war natürlich auch die Kirche in Rühn 1 ) klösterlichen Patronats. Kirchendiener waren der Prediger, der Organist, welcher zugleich Schulmeister war, der Küster und der Bälgentreter.

Die Wohnungen der Klosterfrauen und =Jungfrauen befanden sich im Kreuzgang der Kirche und einigen anderen Gebäuden in deren unmittelbarer Nähe. 1642 waren im Ganzen 10 Wohnungen besetzt. Vom Kreuzgang aus nach der Propstei zu lag die Schule, in welcher "adelige und andere Kinder" unterrichtet wurden. Zum Propsteihofe, der später das fürstliche Amtshaus genannt wurde, führten ein Flügelthor und eine Nebenpforte. In dem Hauptgebäude befand sich u. A. die Hofstube mit einer Schlafkammer und ein Saal 2 ) Die Küchenmeisterei enthielt das Schreibstübchen 3 ) und die Wohnung des Küchenmeisters, welche, wie früher überhaupt die Beamtenwohnungen, mit dem nöthigsten Mobiliar überliefert wurde. Andere Gebäude auf dem Hofe waren das Gärtnerhaus, der Pferdestall, nahe am Thor gelegen, "der Kornboden mit dem Reithaus", das Backhaus und das "Brunnenhäuslein".

Südlich vom Kloster, aber ganz nahe dabei, waren einige Häuser erbaut, in welchen Handwerker zur Miethe


1) Vergl. Jahrb. 3 B., S. 159 ff. und 21, S. 284, 285.
2) Die Beschreibung von 1654 berichtet: "Auf dem Seierboden steht ein altes Uhrwerk, wovon die Soldaten etliche Räder weggenommen, das Glöcklein aber ist noch vorhanden." Uhren waren damals äußerst selten.
3) Die Schreibstube enthielt als Mobiliar einen Tisch "mit einem Contor", 1 Brettschemel, 1 Bank und 1 Repositorium. Vor den 24 Fensterscheiben War ein eisernes Gitter angebracht. Dieses Zimmer diente also sicher als Amts= und Gerichtsstube.
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wohnten. Man pflegte diese die Rühn'schen Vorwohner zu nennen.

1) Der Krug mit einer Ackerfläche von gegen 2 Drpt. Aussaat.

2) Das Schusterhaus mit Acker von 6 Schffl. Aussaat.

3) Die Schmiede mit 1 Drpt. Aussaat.

Der Acker dieser drei Stellen lag nach der Pustohler Scheide zu bei dem Langen See und dem Klosterteich am Wege nach Bützow. Die Kühe der Vorwohner gingen wie die der übrigen Klosterinsassen und der Pustohler Kossaten mit auf die Hofweide zu Rühn.

4) und 5) Zu dem Schneiderhaus und dem "Häuschen, die Greberei" genannt, lag kein Acker.

Die Kornmühle mit einem Gelinde (Gang), welche früher das Korn zu eigner Nothdurft mahlte, lag 1579 schon "gar nieder und wüste" und wurde bis zum westfälischen Frieden nicht wieder aufgebaut. Die Klosterbewohner und die Beamten des Klosters mahlten in Bützow "accise= und mattenfrei", die Klosterunterthanen mußten dort Accise und die Metze entrichten.

Außerdem war an dem Bach, der aus dem Rühn'schen See in die Warnow fließt, dicht am See schon im 16. Jahrhundert eine Pulvermühle errichtet 1 ), die man vermiethete. 1631 war sie noch gangfertig, doch wurde sie später "in der Kriegsunruhe gänzlich ruinirt". Uebrigens eignete sich der Bach nach der Beschreibung von 1654 nicht recht zum Mühlenbetriebe, da er oft nicht hinreichend Wasser hatte, und dann der Müller das Mühlrad mit den Füßen umtreten mußte. Der "geringe Serrahn" bei der Pulvermühle war 1654 ebenso wie die Mühle zerfallen.

Der Viehhof (1579) oder Bauhof Rühn, westlich vom Kloster gelegen, wurde noch nach dem westfälischen Frieden vom Klosteramt berechnet, war also nicht verpachtet. Es wurde hier, ebenso wie auf anderen Amtsbauhöfen, ein Hofmeister und einiges Gesinde gehalten, und der Acker von den dienstpflichtigen Dörfern: Bernitt, Baumgarten, Peetsch, Pustohl und bis 1634 auch Jabelitz, bestellt. Die Beschreibung von 1654 meint: "obschon die Bernitter etwas weit abgelegen, so können doch dieselben vom Hofe nicht entrathen, noch in Dienstgeld gesetzt werden".


1) Nach v. Lützow III, S. 94 wurden die Pulvermühlen zu Rühn und Rehna vom Herzog Ulrich angelegt. S. Jahrb. I, S. 46, Anmerk.
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Die Baulichkeiten waren die gewöhnlich vorkommenden; nur mag hier bemerkt werden, daß man im Backhause größere Vorrichtungen zum Bierbrauen gemacht und auch einen großen Hopfengarten, der in guten Jahren 12 Drpt. Hopfen lieferte, angelegt hatte.

Der Acker von 60-70 Drpt. jährlicher Aussaat lag 1579 in 4 Schlägen, später im 17. Jahrhundert in 3 Schlägen, "meistens im Holz", wie die Amtsbeschreibung von 1654 sagt. An Wiesenheu wurden etwa 100 Fuder geworben, der größte Theil desselben jedoch an die Schäferei abgeliefert.

Nach dem Landbuche konnte man auf dem Viehhof 24 Pferde halten. Da nicht anzunehmen ist, daß man die Pferde, die dort etwa gehalten wurden, zur Wirthschaft brauchte, so wird es wahrscheinlich, daß hier schon im 16. Jahrhundert ein Gestüt gehalten wurde. Zu Bischof Ulrichs II. Zeit war nach der Amtsbeschreibung von 1654 ein Gestüt in den Bödelshörn. Die für dasselbe hergerichteten Anlagen, als Dämme und Schlagbäume, wurden während des Krieges zerstört.

Kühe wurden auf dem Rühner Bauhof nur wenige, etwa 70 Haupt, gehalten, da man die Weide mit den Kossaten in Pustohl und den Bewohnern und Vorwohnern des Klosters theilen mußte. Schweine und Gänse waren meistens gegen 100 Stück und Hühner mehr als 100 vorhanden. Die Bienen wollten "sich wegen des Wassers und umliegenden Morastes gar nicht arten", der "Immenhof" enthielt 1654 nur wenige Stöcke.

Auf der Schäferei konnten gegen 600 Schafe gehalten werden, und 1631 waren auch 586 vorhanden. Nach dem Kriege besaß man nur die Hälfte. Damit aber die Weide besser ausgenutzt würde, hatte man dem Schafmeister gestattet, 100 Stück "Butenvieh" auf eigne Rechnung zu halten, wofür derselbe die Hälfte der Lämmer und der Wolle und eine "Molkenpacht" von 4 s. für das milchende Schaf gab.

2) Pustohl . - Das nahe bei Rühn gelegene Dorf Pustohl war das kleinste des Amtes und zugleich das einzige, welches vom Anfang der Administration an dem Kloster völlig als Eigenthum gehörte, 1 ) In dem Dorfe wohnten 13 Kossaten, von denen einige nur einen Hopfengarten, andere Acker bis zu 1 Drpt. Aussaat bebauten. Im 30jährigen Kriege wurden 6 Stellen verwüstet, die 1654 noch nicht wieder besetzt waren.


1) S. oben S. 231.
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Die Abgaben des Dorfes bestanden in einer Geldpacht von 3 fl. 6 s. und in 410 Pachthühnern.

3) Peetsch . (Jetzt R. A. Crivitz. 20 Hufen.) 1 ) - In dem früheren Klosterdorf, dem heutigen Rittergut Peetsch 2 ), im Süden des Peetscher Sees und allein von allen Klosterdörfern rechts von der Warnow gelegen, wohnten 10 Bauleute mit je 2 Hufen und 3 Kossaten. 1631 war eine Bauerstelle wüst, nach dem westfälischen Frieden zählte man 8 Vollhüfner, 1 Halbpfleger und 2 Kossaten.

Außer den Leistungen an das Amt Bützow (s. S. 230) und einer Abgabe von 5 Drpt. "Dingelhafer" an's Amt Güstrow mußte jeder Baumann 3 fl. Pacht, 1 s. 6 Pf. Ziegelgeld, 1 Zehntlamm und 1 Rauchhuhn (der Schulze gab kein Zehntlamm und kein Rauchhuhn), jeder Kossat 1 s. 6 Pf. Ziegelgeld, 1 Zehntlamm und 8 Pachthühner nach Rühn liefern.

4) Baumgarten . (16 3/4 Hufen.) - Klösterlich waren in Baumgarten die Kirche, welche im Dorfe 2 Kossatenstellen, und die Pfarre, welche 2 Bauer= und 1 Kossatenstelle besaß. Ein Bauer gehörte der Kirche in Bützow. Das Amt Warin hatte früher in Baumgarten das höchste Gericht, Burgdienst, jährlich 1 Kornfuhr nach Wismar und Bede und 3 Bauerhufen ganz besessen. Der Bischof Herzog Ulrich I. schenkte aber 1580 auf die Fürbitte seiner Gemahlin Elisabeth die Rechte dieses Amtes an das Kloster.

Von den klösterlichen 16 Bauerstellen mit je 3/4 bis 2 Hufen und 7 Kossatenstellen mit je 1/4 Hufe waren 1631 schon 7 verwüstet, nach dem Kriege wohnten im ganzen Dorfe 8 Bauleute, 1 Bützower Oeconomiebauer und 2 Kirchenkossaten. Die Pfarrhufen, auf welchen keine Bauern mehr wohnten, wurden vom Pastor selbst bestellt. Der Schulze des Dorfes war im 16. und 17. Jahrhundert ein Kossat, ebenso der Krüger.

Ein Theil der Bödelhörn an der Warnow (s. S. 228) gehörte als Wiesenfläche zu Baumgarten.

Jeder Klosterbauer gab nach Rühn 1 Zehntlamm, 1 Rauchhuhn, 1 Topp Flachs und eine Pacht von 1-4 fl.; jeder Kossat 12 s. bis 1 fl. 6 s. Pacht 3 ) und (außer dem Schulzen) 1 Zehntlamm.


1) Nach der Angabe in der Description. Vergl. S. 171.
2) Peetsch wurde um das Jahr 1770 (1763 - 1776) ritterschaftlich.
3) Ein Bauer gab 1579 für die Geldpacht 5 Drpt. Korn, ein anderer 15 s. und 3 Drpt. Korn, ein Kossat 2 Drpt. Roggen, Gerste und Hafer. Es muß deshalb, da die entsprechende Geldsumme eine so geringe ist, die Kornpacht schon sehr früh bei den übrigen zu Geld gerechnet sein.
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5) Bernitt . (30 3/4 Hufen.) - Die Kirche 1 ) und Pfarre in Bernitt waren klösterlichen Patronats. Zur Pfarre gehörten 1/2 Hufe, "hinter der Wedem gelegen", die der Pastor selbst bewirthschaftete, und 2 Pfarrbauern mit zusammen 1 1/2 Hufen Acker. Zur Küsterei gehörte nicht besonderer Acker, aber der Küster hatte in jeder Trift in "Ober= und Niederhagen (s. w. u.), auf der Freiheit gelegen, 2 Scheffel Einsaat zu genießen".

Das große Dorf Bernitt zerfiel schon in ältester Zeit in 2 Theile, welche man Bernitt und Hagen oder "im Hagen", später Bernitt und Oberhagen, auch wohl Niederhagen und Oberhagen nannte. 2 ) Es wurde bis zum 30jährigen Kriege von 21 klösterlichen Bauleuten (darunter der Schulze und der Krüger) und 13 klösterlichen Kossaten (1 Schmied), nach dem Kriege nur noch von 15 Bauleuten und 5 Kossaten bewohnt. Die Größe der Bauerstellen betrug 3/4 bis 2 Hufen.

Die Abgaben nach Rühn bestanden 1579 noch in einer Kornpacht, etwa 4 Drpt. für 1 Hufe. 1654 war diese Pacht theilweise in Geld umgewandelt, wobei man 1 Drpt Roggen 4 fl., 1 Drpt. Gerste 3 fl. rechnete, Hafer wurde noch 1654 ausschließlich in natura geliefert. Außerdem gab jeder, der Schulze wegen der Schulzenschaft ausgenommen, 3 Pf. Schmalzehnt, 1 Zehntlamm, 1 Zehntgans, 1 Rauchhuhn und 2 Topp Flachs.

6) Bischofshagen . (7 1/4 Hufen.) - Bischofshagen war früher ein Bauerdorf mit 6 Bauleuten, die je 3/4 bis 1 1/2 Hufen besaßen, und 3 Kossaten. Da die kaiserlichen Truppen einige Stellen verwüstet hatten, faßte man den Entschluß, hier einen zweiten Meierhof des Klosters anzulegen. Zu dem Zwecke mußte sich der Hofmeister Arend Bützow 1632 auf das wüste Schulzengericht, d. h. in die leere Schulzenstelle, begeben und von da aus die unbesetzten Hufen von Bischofshagen und Kl.=Sien durch die übrig gebliebenen Bauern, die in der Nähe wohnten, bestellen lassen. 1634 begann man mit dem Aufbau des Hofes auf dem Schulzengehöft. Zu Ende des Krieges waren die Gebäude:


1) Eine Beschreibung dieser Kirche steht im Jahrb. 22, S. 314-317. Vergl. Jahrb. 24, S. 344; 25, S. 232.
2) Die Interpunction im Jahrb. 8, S. 7 und im Urk.=Buch I, Nr. 420: Brunit, mit dem Hagen Altona (abgedruckt nach Clandrian, Protoc. fol. 229 a), ist daher falsch; es muß heißen, wie auch eine vom Notar Reppenhagen 1634 beglaubigte Abschrift in "des Closters Rüne Brieffe vnd Sigel Extract vnd Registratur. Anno 1603." richtig lautet: Brunit mit dem Hagen, Altona etc.
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das Bauhaus, die Scheune, das Schweinehaus, das Backhaus, das Kellerhaus und der Hühnerstall. 1 ) Bützow blieb auf dem Hofe bis 1654 als Hofmeister und nahm denselben dann für 725 fl. in Pacht.

Zum Hofacker nahm man die wüsten Bauerstellen in Bischofshagen und Kl.=Sien; man erhielt auf diese Weise eine Ackerfläche, die, in drei Schläge getheilt, 1654 mit 22 Drpt. Korn besäet war und jährlich einen Ertrag an Wiesenheu von 60 Fudern lieferte. Dienstpflichtig wurden die Dörfer Bischofshagen, Moltenow, Kl.=Sien und Warnkenhagen.

Man glaubte auf diesem Hofe 70 Rinder, 85 Schweine, 42 Gäns und 100 Hühner halten zu können, doch brachte man die Anzahl der Kühe 1654 erst bis auf 35 Haupt. Für die Schweine fand sich hinlänglich Mast in den Laubwäldern auf dem Bischofshäger und Jabelitzer Felde.

Brennholz war reichlich vorhanden, da "die Kriegszeit über auf den wüsten Hufen weiche Holzung an Birken und Ellern häufig aufgewachsen war, so daß dieselbe zu Faden geschlagen und wohl genutzt werden konnte".

Die Schäferei, "ungefähr einen Musketenschuß weit vom Hofe", enthielt 1654 ein Wohnhaus, einen Schafstall, ein Backhaus, ein Wagenschauer mit zwei Pferdeställen und ein Käsehaus. In dem genannten Jahre hatte das Kloster hier schon gegen 400 Schafe und der Schafmeister außerdem, unter denselben Bedingungen wie der Schäfer zu Rühn, 100 Stück "Butenvieh".

In dem Bauerdorf blieben nach 1634 nur 2 Bauleute mit je 1 Hufe übrig. Die Pacht, früher ganz in Korn geliefert, ward 1654 zum Theil zu Geld gerechnet.

7) Jabelitz . (7 1/4 Hufen.) - In Jabelitz wohnten in alter Zeit 4 Bauleute und 3 Kossaten; im 30 jährigen Krieg gingen aber drei Stellen ein, und es wurde die Feldmark, so weit sie nicht unterdessen mit Buschholz bewachsen war, unter die 4 übrig gebliebenen etwa gleichmäßig vertheilt.

Die Hofdienste, welche die Bauern seit 1634 in Bischofshagen leisteten, wurden 1649 nach Hermannshagen verlegt. Die Pacht, früher in Korn geliefert, wurde 1654 zum Theil zu Geld gerechnet. Jeder Bauer (außer dem


1) Der Garten wurde erst 1653 mit jungen Obstbäumen bepflanzt ("bepathet"); ein Hopfengarten war nicht angelegt, doch wurde auf den wüsten Bauerhöfen "etwas Hopfen nach Nothdurft" gebaut.
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Schulzen) gab neben der Pacht das Zehntlamm, die Zehntgans, das Rauchhuhn und 1 Topp Flachs.

8) Klein=Sien . (9 3/4 Hufen.) - Von den 6 Bauern und 5 Kossaten, die früher in Kl.=Sien wohnten, waren nach dem Kriege nur noch 4 Bauleute und 1 Kossat übrig. Die verwüsteten Hufen wurden dem 1634 errichteten Hofe Bischofshagen beigelegt.

Außer den gewöhnlichen Abgaben (Zehntlamm, Zehntgans, Rauchhuhn, Flachs und Pacht, früher bloß Korn, 1654 zum Theil Geld) gaben die Bauern dieses Dorfes nach Rühn den Schmalzehnten (1 1/2-3 Pf.) und jeder 16 s. Mönchheuer von dem "Mönchlande". 1 )

Weiche Holzung, Birken und Ellern, war 1654 so viel auf dem Felde vorhanden, daß die Bauern neben ihrem Feuerungsbedarf das Holz zu Kohlen verbrannten und diese verkauften.

9) Moltenow . (15 Hufen) - Im 16. Jahrhundert wohnten in Moltenow 16 Bauleute und 1 Kossat, dessen Stelle aber schon 1579 eingegangen war. Von den 16 Bauerstellen mit 1/2-1 Hufe Acker wurden im Kriege 9, darunter die Krugstelle, verwüstet.

Die Hebungen des Klosters aus Moltenow waren denen aus Kl.=Sien ziemlich gleich; 2 Bauern zahlten auch hier Mönchheuer. 1 )

Das Landbuch berichtet, daß die Bauern dieses Dorfes schon im 16. Jahrhundert so sehr "in's Retardat" gekommen waren, daß ihnen die Kornpacht um 1570 auf eine Reihe von Jahren erlassen werden mußte und dafür die 10. Garbe genommen wurde. Es war allerdings die Kornpacht recht hoch, 3-6 Drpt. von einer Hufe Acker. Der Zehnte wurde in derselben Weise wie aus Bernitt gefordert.

10) Warnkenhagen . (6 Hufen.) - Warnkenhagen gehörte mit dem höchsten Gericht zum Hause (Amte) Bukow, und mußte jährlich 4 Tage Burgdienste zu Fuß in Bukow thun. Nach und nach hatten aber die dortigen Beamten, besonders der Amtmann v. Preen, wider die Verträge, wie das Landbuch sagt, allerlei Dienste von den Bauern verlangt und diese sogar durch Abpfändung erzwungen. Bewohner des Dorfes waren 6 Bauleute (1 Schulze und


1) Das Mönchfeld wird zwischen den drei Dörfern Kl.=Sien, Moltenow und Warnkenhagen, wo jetzt die Feldmark von Ulrikenhof liegt, zu suchen sein, da Bauern aus diesen drei Dörfern Acker von demselben in Pacht hatten.
1) Das Mönchfeld wird zwischen den drei Dörfern Kl.=Sien, Moltenow und Warnkenhagen, wo jetzt die Feldmark von Ulrikenhof liegt, zu suchen sein, da Bauern aus diesen drei Dörfern Acker von demselben in Pacht hatten.
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Krüger zugleich) mit je 1/2 Hufe und 11 Kossaten. 1654 waren nur 4 Bauleute und 5 Kossaten vorhanden.

Nach Bukow hatten die Kossaten jeder 8 s. 4 Pf. "Nabede", jeder Bauer Nabede (1-2 Mk.) und Königsbede zu zahlen. Bis zur Errichtung der Meierei Bischofshagen thaten die Bauern keine Hofdienste, sondern zahlten dafür 1 Mk. Dienstgeld nach Rühn. Der Schulze hatte von dem Mönchlande (s. Kl.=Sien S. 237) in Pacht und zahlte dafür jährlich 12 s. Die übrigen Hebungen des Klosters waren denen aus Jabelitz ähnlich, nur wurde kein Zehntlamm und keine Zehntgans gegeben.

11) Hermannshagen . - Hermannshagen war früher ein im Herzogthum Meklenburg belegenes Rittergut, im Besitze der Familie v. Preen. 1596 verkaufte Vollrath v. Preen dies Gut "mit dem darin= und beiliegenden Rittersitz, Meierhof, [Wasser=] Mühle, Schäferei, Höfen und Hufen mit höchstem und siedestem Gericht" für 15,000 fl. erblich an Herzog Ulrich "als Administratoren des Stifts Schwerin", unter der Bedingung, daß das Gut unter der Lehnshoheit des Herzogs von Meklenburg bliebe.

Im Bauerdorfe "im Hagen" 1 ) wohnten damals 5 Bauleute (ein Schmied) und 8 Kossaten, 1632 bloß 5 Kossaten.

Ueber die spätern Schicksale des Guts gab der Schäfer Adam Pleße zu Bischofshagen 1655, als wegen des Besitzes ein Prozeß entstanden war, zu Rühn zu Protocoll: "Es hätte sein (Pleße's) sel. Vater nicht allein Vollrath Preen, welcher den Hof Hermannshagen verkauft, sondern auch J. F. G. Herzog Ulrich zu Meklenburg hochseligen Andenkens, wie auch J. F. G. Herzog Ulrich zu Schleswig=Holstein etc . als Administratoren des Stifts Schwerin, christmilder Gedächtniß, für einen Schäfer gedient und wäre von der Zeit an, als hochgedacht J. F. G. Herzog Ulrich zu Meklenburg gedachten Hof erkauft, derselbe alle Mal nach Rühn berechnet und die Abnutzung dahin geliefert, bis endlich der Hof vom Herzog von Friedland etwa ao. 1628 oder 1629 Heinrich Husano 2 ) geschenkt, und wäre Referent damalen Schäfer daselbst gewesen. Bemeldeter Husanus hätte beim Hofe eine gute Anzahl von allerhand Vieh empfangen,


1) Dies Bauerdorf, schon im 16 Jahrb. durch den besonderen Namen "im Hagen" vom Hofe Hermannshagen unterschieden, wurde später sicher im 18. Jahrb., gewöhnlich Käterhagen genannt, welchen Namen es noch heute trägt. (Acten, betreffend Landvermessung vom Jahre 1705.) Da Käter gleichbedeutend mit Kossat ist, so ist die Entstehung dieses Namens leicht erklärlich.
2) Vergl. über Heinrich Husan Jahrb. 8A., S. 158 und 159.
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dasselbe hätten hernach seine 3 Söhne unter sich getheilt und wären davon 2 Theile nach Tessin getrieben; der jüngste Sohn aber, weil er sich zu Hermannshagen aufgehalten, in Meinung, den Hof als sein Erbtheil zu besitzen, hätte seinen Antheil Vieh bei sich behalten. Als er aber inne geworden, daß die königl. schwedische Armee auf teutschem Boden angelangt, hätte er sein Vieh auch wegtreiben lassen, alles, was er fortbringen können, mit sich genommen und den Hof quittirt. 1 ) Referent hätte sich darauf auch mit seinem Vieh von dannen gemacht und sich wieder in des Klosters Dienste begeben. Nach der Zeit hätte das Kloster Rühn den Hof wieder bekommen; wie es damit zugegangen, davon könnte er nicht eigentlich Nachrichtung geben, weil er das Mal mit des Klosters Schafvieh zu Lütten=Tessin sich aufgehalten. Nicht lange aber hernach wäre mehrgedachter Hof Adam Heinrich Pentzen von der Krone Schweden geschenkt, und als er demselben angewiesen, wäre Ulrich Pentze, ingleichen auch die sel. Domina da gewesen, und hätte gedachter Ulrich Pentze an ihn begehrt, er sollte zu seinem Vetter auf den Hof Hermannshagen vor einen Schäfer sich begeben. Die sel. Domina aber hätte geantwortet: Er solle sich hierin wohl bedenken; wäre er dem Kloster so lange bedient gewesen, so sollte er nun auch treu verbleiben. Es müßte endlich der Hof dem Kloster wieder werden; würde dann solches geschehen, und er hätte sich in die angetragenen Dienste eingelassen, sollte die Nacht nicht so dunkel und der Winter nicht so kalt sein, sondern er sollte zur Stunde abgeschafft werden. Hierauf hätte er sich auf des Klosters Seite erklärt, wäre auch bis auf diese Stunde in dessen Diensten geblieben. Adam Heinrich Pentze hätte den Hof etliche Jahre innen gehabt, wie und welcher Gestalt er denselben E. F. G. 2 ) Herrn Vaters Gnaden abgetreten, davon wäre ihm nichts wissend."

Den Bericht Pleße's setzte der Pächter Arnd Bützow zu Bischofshagen also fort: "Er hätte wohl gehört, daß Husanus den Hof Hermannshagen eine Weile eingehabt, als aber derselbe besagten Hof wieder verlassen, wäre itzgedachter Hof durch einen schwedischen Commissarium Namens


1) Nach den Klosteracten, betreffend Inventaria, war Hermannshagen 1632 "fast ruinirt, weder Vieh, noch ander Hausgeräth das geringste vorhanden, weil solcher Hof von einem Knecht, so Husanus bei sich gehabt, ganz bestohlen worden.
2) Der Herzogin Sophie Agnes von Meklenburg, Tochter Adolf Friedrichs, Regentin des Klosters Rühn welche direct angeredet wird.
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Vincentius Macho ao. 1632 um Fastnacht der sel. Domina und Jürgen Wackerbarth, als damaligem Provisor des Klosters, wie auch Christoph Gröningen, Küchenmeister, wieder angewiesen, und wäre er (Bützow) alsofort darauf für einen Hofmeister auf selbigem Hof bestellt worden. Es wäre aber nicht lange hernach, etwa um die Erntezeit, abermal eine Aenderung vorgegangen, indem oft gedachter Hof von der Krone Schweden an Adam Heinrich Pentzen verschenkt worden, und obschon dessen Gevollmächtigter Ulrich Pentze bei der Anweisung bei ihm (Bützow) angehalten, er sollte in seines Vetters Diensten auf dem Hofe verbleiben, so hatte er doch, weil er einmal in des Klosters Dienste sich eingelassen. sonderlich weil ihm von der sel. Domina, wann er beständig verbleiben würde, große Promissen geschehen, dabei verbleiben wollen, und hätte sich von Hermannshagen nach Bischofshagen auf geschehene Verordnung auf das selbiger Zeit wüste Schulzengericht begeben und durch die nach Bischofshagen gehörigen Unterthanen die wüsten Hufen daselbst begaten lassen, bis endlich obgedachter Adam Heinrich Pentze den Hof Hermannshagen an E. F. G. Herrn Vaters Gnaden verhandelt. Da hätte man vom Kloster Rühn aus Ursachen, daß den Unterthanen, so vorhin vom Kloster nach Hermannshagen gelegt, nach Rühn zu dienen zu weit fallen würde und zu Bischofshagen unterschiedene wüste Hufen wären, den Hof Bischofshagen auf der Schulzenstätte daselbst nebst der Schäferei neu erbaut, und wäre er von ao. 1632 bis ao. 1654 daselbst Hofmeister gewesen."

Vorstehende Angaben sind nach den Archivacten, soweit dieselben Mittheilungen über diese Vorgänge machen, vollständig richtig. Zur Ergänzung mag noch angeführt werden, daß Bischof Ulrich II. sich vom Herzog Karl von Meklenburg 1603, als er die Administration des Stifts antrat, mit Hermannshagen, das im Uebrigen zum Kloster Rühn gelegt war, belehnen ließ. Gustav Adolf von Schweden schenkte das Gut d. d. Feldlager bei Fürth, September 1632, "seinem Oberstlieutenant und seines Frauenzimmers Hofmeister" Adam Heinrich Pentz mit den dienstpflichtigen Dörfern Jürgenshagen, Göllin, Glambek und Qualitz, welche Dörfer derselbe sammt dem Gute unterm 28. April 1634 an Herzog Adolf Friedrich gegen das Gut Setzin bei Wittenburg und gegen 15,000 fl. baar Geld übergab. Adam Edler v. Husanus, der es 2 Jahre lang besessen, forderte es 1636 "als sein Eigenthum" von Adam Heinrich Pentz auf Warlitz zurück. Pentz berichtete das Begehren Hu=

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sans dem Herzog Adolf Friedrich, welcher "dem v. Husanus keine andere Resolution gegeben, als daß er (der Herzog) das Gut Hermannshagen cum pertinentiis titulo oneroso an sich gebracht, und nach der Zeit ihm dasselbe durch den Pragischen Frieden ohne das zugefallen." Husanus beruhigte sich allerdings bei dieser Antwort nicht, sondern versuchte noch Jahre lang den verlorenen Besitz wieder zu gewinnen. Der westfälische Friede machte jedoch auch diesem Streit ein Ende.

1655 vermachte Herzog Adolf Friedrich Hermannshagen mit den dienstpflichtigen Dörfern Qualitz und Schlemmin wiederum dem Kloster Rühn unter der Bedingung, "daß hinfüro und so lange ein fürstliches Fräulein des Hauses Meklenburg Regentin des Klosters Rühn sein wird, solcher Hof dem Kloster incorporirt sein und bleiben, gleich andern Klostergütern gehalten und bester Gelegenheit nach genützet werden und der Jurisdiction desselben unterworfen sein soll."

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VIII.

Die Gemeinde Vellahn

zu Anfang des 18. Jahrhunderts.

Vom

Archivar Dr. Fr. Schildt


I n amtlicher Beschäftigung habe ich mehrfach Nachforschungen über einzelne Mitglieder der Gemeinde Vellahn, welche zu Anfang des vorigen Jahrhunderts lebten, angestellt und dabei manche Notizen gefunden, welche über den Zustand der Gemeinde und das Leben der Gemeindemitglieder reichen Aufschluß gaben. In der Hoffnung, daß Manches von dem, was die Acten überliefern, auch für einen größern Leserkreis von Interesse sein möchte, habe ich versucht, zusammenhängend darzustellen, was sich hier und da einzeln fand.

Die Gemeinde Vellahn 1 ) war früher räumlich größer als jetzt; erst 1870 wurde die neue Gemeinde Melkhof, außer dem Kirchdorf noch Jesow und Langenheide umfassend, von ihr abgezweigt. Neben der Mutterkirche in Vellahn bestanden zu Anfang des 18. Jahrhunderts längst die Filialkirche in Marsow und die Kapelle in Banzin. Seelsorger waren in der Zeit der Pastor Jonas Rentz (1697-1707) und der Pastor Dolch (1708-1735).


1) Man vergleiche den Aufsatz von Lisch: "Die Kirche und Pfarre zu Vellahn." Jahrb. 41, S. 177 ff.
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Die elf eingepfarrten Dörfer waren für jene Zeit, 50 Jahre nach dem 30jährigen Kriege, recht gut bevölkert, und das Handwerk befand sich in ihnen im frischen Aufblühen.

1) Das Kirchdorf Vellahn , früher ritterschaftlich 1 ), wie alle übrigen Dörfer der Gemeinde, seit 1403 aber völlig herzoglich, besaß einen kleinen Hof, auf dem sich die herrschaftliche Schäferei unter dem "Schäfer=Verwalter" Hans Dittmann befand. Auf dem Hofe wohnten 1703 nur 10 confirmirte Personen; im Dorfe Vellahn aber 11 Hüfner oder Hauswirthe, 4 Kossaten und mehrere Handwerker und andere Einwohner. 1710 wurden nach den Acten über die Feldvermessung schon 13 Bauer= und 5 Kossatenstellen bebaut, und doch gab es dort noch 4 wüste Hauswirths= und 4 wüste Kossatenstellen. In Folge der Feldvermessung wurden eingerichtet und auch besetzt: 1 Dreiviertelhufe (die Schulzenstelle), 17 Halbhufen, 5 Viertelhufen und 4 Kossatenstellen. Das Handwerk war durch 3 Schneider, 2 Schuster, 1 Rademacher und 1 Böttcher (der 1703 im Prediger=Wittwenhause wohnte) vertreten. An Arbeit scheint es den Handwerkern nicht gefehlt zu haben, denn die meisten hielten sich einen Gesellen und einen Lehrjungen zugleich; der Schneider Brockmöller hatte neben einem Schneidergesellen sogar noch einen Tischlergesellen, der freilich sein Sohn war. Nur "Meister" Rahtke hatte wohl wenig Arbeit; er ging in die Häuser Anderer und besserte dort die Kleider aus. Der Schuster Langheim war nicht Unterthan des herzoglichen Amtes, denn er bewohnte eine nach Gresse gehörige Büdnerei, auf dem jetzigen Antheil des ritterschaftlichen Amtes Boizenburg in Vellahn. Langheim zeichnete sich durch seine vornehme Verwandtschaft vor den übrigen Dorfbewohnern aus. Es hielt sich öfter bei ihm der meklenburgische Lieutenant, spätere Hauptmann Langheim auf, auch mit der Frau, und letztere beide sind in Vellahn gestorben. Bis 1706 hatte Vellahn auch einen Dorfbarbier, der zugleich Krüger war, und 1710 siedelte sich dort sogar ein Kaufmann (der Viertelhüfner Jürgens) an. Ein Krüger genügte aber schon damals den Vellahnern lange nicht, daher hatte neben dem Barbier noch ein anderer Einwohner eine Krugwirthschaft, und auch der herzogliche Zollpächter "Monsieur" Milatz schenkte


1) Die Behauptung von Lisch (Jahrb. 41, S. 182), daß Vellahn "immer landesherrliches Eigenthum" war, ist eine irrige.
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Bier 1 ). Wie damals gewöhnlich in den Bauerdörfern, wohnte hier für die Dorfherden ein Kuhhirt und ein Schweinhirt, doch kein Schäfer wie anderswo.

Zu Vellahn gehörte damals wie noch jetzt ein Ausbau: die Stoltenau, wo neben einem Kossaten ein Schmied und ein Müller (Meister Barkholt von der Brokmühle) 2 ) wohnten.

Im Ganzen waren 1703 in Vellahn mit der Stoltenau und der Brokmühle 31 Haushaltungen, 33 Familien und 137 Beichtkinder, also etwa 200 Seelen 3 ) (1880: 684 Seelen). Ein solcher Ort mußte in einer Gegend, wo Städte nicht nahe liegen, eine große Bedeutung haben, und daher hatte er auch das Recht, jährlich drei Jahrmärkte abhalten zu dürfen.

2) Kloddram , im Besitze des Majors v. Bülow. Auf dem Hofe wohnte der Pächter "Herr" Wichmann, dessen Wirthschaft nur klein war, da er nur 2 Knechte und 2 Mägde im Dienst hatte; seine Feldwirthschaft mußten freilich die Bauern zum größten Theil besorgen. Im Dorfe wohnten 5 Hüfner, 9 Kossaten, 1 Schneider, der zugleich Krüger war, 1 Ziegler, 1 Schmiedegesell, 1 Tischler (seit 1713), 1 Vogt, 2 Tagelöhner und die 3 üblichen Dorfhirten.

Auf dem Kloddramer Felde befand sich eine Glashütte, die in ihrem Betriebe nicht unbedeutend erscheint. Der Besitzer derselben war ein "Kaufmann" Müller, welcher sicher in guten Verhältnissen lebte, da er sich eine zahlreiche Dienerschaft hielt und seine Kinder von einem studirten Hauslehrer unterrichten ließ. Die Hütte beschäftigte 1703 13 Gesellen,


1) Peter Milatz aus Vellahn, "welcher sich etzliche Jahr in dem Kriegswesen gebrauchen lassen", erhielt 1652 die Erlaubniß, an der Stelle des 7 Jahre vorher abgebrannten Zoll= und Krughauses Oevelgonne auf eigene Kosten sich anzubauen, und zugleich die Berechtigung, den Zoll einzunehmen, Bier und Branntwein zu schenken und "Hakwaaren" zu verkaufen, "wie vormals gewesen".
2) Diese Mühle heißt jetzt die Bruchmühle; sie liegt südlich von der Stoltenau, nicht weit von dem Schnittpunkt des Weges von Jesow nach Dammereez und der Brahlstorfer Chaussee. Sie ist seit 1680, wo sich (am 8. November) "Hanß Barcholt" mit "Cathrina Meyers", der Tochter des am 20. August desselben Jahres begrabenen Müllers Meyer verheirathete und in Folge dessen die Mühle übernahm, im Besitze der Familie Barckholtz.
3) Das Beichtkinder=Verzeichniß von 1703 führt 129 Beichtkinder auf, zählt aber den Pastor und den Küster mit ihrem Hausstand nicht mit. Man darf diese beiden Familien wohl zu 8 erwachsenen Personen veranschlagen. Die Zahl der nicht confirmirten pflegt fast halb so groß zu sein wie die der confirmirten Bewohner.
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von denen 9 verheirathet waren, und 2 Lehrjungen; 1708 wohnte auf der Glashütte auch ein "Schuldiener" (Schullehrer).

3) Jesow . Auf dem Hofe (Besitzer 1701 Lieutenant Reibitz) wohnte der "Hofmeister" mit 4 erwachsenen Personen, im Dorfe 3 kleine Hüfner, 13 Kossaten, 1 Krüger, 1 Kuhhirt und bis 1703 auch 1 Zimmermann.

4) Melkhof . Der "adelige" Hof wurde bewohnt von der Frau Oberstin v. Pentz, welche in ihrem Dienst 1 Schreiber, 1 Kutscher, 1 Bauknecht, 2 Jungen und 5 Mägde hatte; das Dorf hatte 7 Hüfner, 6 Kossaten und 9 andere Einwohner: 1 Müller, 1 Schmied, 1 Schützen (Jäger), 1 Maurer, 1 Vogt, 4 Hirten (1 Hofkuhhirten und 1 Dorfkuhhirten).

5) Langenheide . Hier befand sich ein kleiner Meierhof, auf welchem der Kuhhirt wohnte. Die 6 Bauern und 2 Kossaten hielten sich einen Kuhhirten und einen Schweinehirten, aber keinen Schäfer. Die Beichtkinder=Specification von 1703 führt hier auch einen Holländer (Holländerei=Pächter) auf, in den anderen Dörfern der Gemeinde nicht, obgleich auch anderswo, wie sich nachweisen läßt, schon damals Holländer wohnten.

6) Garlitz . Ein adeliger Hof oder eine Meierei war hier nicht angelegt; im Dorfe wohnten 6 Bauern, 2 Kossaten und 1 Schullehrer (sicher 1712).

7) Düssin . Hier wohnte die Frau Hauptmann v. Pentz mit 3 Töchtern und Dienerschaft: 1 Schreiber, 1 Jungen zum Aufwarten, 2 Kleinmädchen, 1 Köchin, 1 Hausmagd, 2 Baumädchen und 1 Baujungen. Bauern waren 6, Kossaten 7 vorhanden, und von anderen Bewohnern finden sich 1703: 1 Krüger, 1 Leinweber (mit 1 Gesellen), 1 Tischler, 1 Schütze, 1 Gärtner und 4 Hirten; später zog auch 1 Schmied, 1 Rademacher und 1 Schneider zu.

8) Brahlstorf . Auf dem Hofe wohnte der Besitzer Oberst v. Oertzen mit Frau und Töchtern und zahlreicher Dienerschaft; im Dorfe 10 Hüfner, 7 Kossaten und 12 andere Einwohner. Hier befanden sich zwei Mühlen; die eine, die "Boltenmühle", nach einem früheren, 1698 verstorbenen Müller Bolt benannt, war eine freie Erbmühle und im Besitze des Hüfners und Müllers Lübcke, die andere, die Junker= oder Hofmühle genannt, wurde von dem Besitzer des Gutes verpachtet. Die "Junkermüller" wechselten daher

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häufiger. Ein Krüger und die gewöhnlichen Handwerker waren vorhanden, der Rademacher war einer der Hüfner.

9) Dammereez . Der kleine Hof wurde von einem "Verwalter" bewohnt; in dem großen Bauerdorfe wohnten 12 Hüfner, 11 Kossaten, 1 Krüger (1711), 1 Tischler, 1 Leinweber und 2 Hirten. Die im 17. Jahrhundert oft genannte "Nachtgahlen"= Mühle scheint um 1700 schon eingegangen zu sein.

10) Banzin . Der Hof war einem "Verwalter" übergeben, der nur wenig Dienstboten hielt; das Dorf bewohnten 8 Hüfner, 7 Kossaten und 4 andere Einwohner (kein Handwerker und kein Krüger genannt).

11) Marsow . Der Hof und ein Theil des Dorfes gehörten dem Obersten v. Zülen, von den 11 Bauern einige dem Baron v. Lützow, 1 der Kirche, 2 der Pfarre zu Vellahn; Kossaten wohnten hier 3, von Handwerkern 1 Leinweber und 2 Zimmerleute und außerdem 3 Hirten.

Nach Ausweis des alten Vellahner Kirchenbuchs waren in allen Dörfern außer Jesow, Langenheide und Marsow schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts Ortsschulen errichtet, in Kloddram sogar 2 (eine auf der Glashütte). Da die Specification der Beichtkinder von 1703 den Pastor und die Schullehrer nicht mit aufzählt, so können wir zu der Summe der dort angegebenen Beichtkinder (758) für den Hausstand des Pastors und der 9 Schullehrer etwa 32 hinzuzählen und kommen darnach auf die Zahl 790. Die ganze Seelenzahl für die Gemeinde Vellahn, die (nicht confirmirten) Kinder eingerechnet, dürfte mithin 1703 etwa 1100 betragen haben. Die Volkszählung von 1880 ergab für dieselben Ortschaften, d. h. für die Kirchspiele Vellahn und Melkhof, 2689 Seelen.

Das stabilste Element in der Gemeinde sind natürlich die Bauern; die Namen der Verwalter, Schulmeister, Handwerker und Schäfer wechseln öfter, auch haben die meisten nicht die in der Gemeinde gewöhnlichen Familiennamen; am sichersten ist aber der Zuzug aus der Ferne von den Glashüttengesellen aus ihren fremden Namen zu schließen. Die Dienstboten, welche sich die Bauern halten, sind meistens ihre eignen Kinder; zum Theil sind dieselben verheirathet.

Die Ehen werden meistens innerhalb der Gemeinde, doch nicht grade häufig innerhalb desselben Dorfes geschlossen.

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Aus den Taufregistern läßt sich nach der Wahl der Taufzeugen einigermaßen ersehen, wie die einzelnen Stände sich ihren Verkehr suchten, und welche Rangverhältnisse sich gebildet hatten oder bildeten.

1) Die niedrigste Klasse sind die Bauern, Handwerker, Schulmeister und Dienstboten, etwas erheben sich über diese schon die Schäfermeister; 2) dann stehen eine bedeutende Stufe höher die Schreiber, Verwalter, der Zollpächter und der Kaufmann Müller; dieselben werden meistens Monsieur, auch wohl gar Herr genannt. Darauf kommt 3) der Pastor, "Ehren=Pastor", und hoch über allen stehen 4) die adeligen Mitglieder der Gemeinde, die "wohlgebornen" oder "hochwohlgebornen Herren und Frauen". Die Taufzeugen der letztgenannten sind immer Adelige; der Pastor wählt sich zum Theil auch diese Klasse, oder er sucht sich Pathen aus den Familien seiner Amtsbrüder oder aus seinen Verwandten. In der hier mit 2 bezeichneten Klasse verschafft man sich immer möglichst standesmäßige Taufzeugen, oft aus fernen Gegenden. In dem niedrigsten Stande bildet sich sehr deutlich eine Gesellschaft heraus, die etwas höher hinaus will. Sie bleibt meistens unter sich oder sieht zu, daß sie mit Vornehmeren zusammenkommt. Zu diesen Leuten zählen einige Bauern, z. B. der Schulze Brockmöller zu Vellahn, einige Handwerker, vorzüglich Müller und Schmiede, und auch der eine oder der andere der Schulmeister, vor allem der Küster Gering zu Vellahn. Sie nehmen gern den Herrn Verwalter oder doch wenigstens den Monsieur Schreiber zum Gevatter, auch wohl den Kaufmann Müller und den Zollpächter. Aber die Verwaltersfrau Lucie Wichmann ist als Gevatterin am meisten begehrt, daher denn die vielen Lucien (im Volksmunde Ciek genannt) in der Vellahner Gemeinde. Natürlich bat der Kutscher oder der Vogt seinen Herrn, weil er dabei seinen Vortheil im Auge hatte, und ebenso ist die Gevatterschaft des Kaufmanns Müller bei allen Kindern der Hüttengesellen zu erklären. Wie aber wohl der Vogt von Düssin seine Tochter rief, die nach der Frau v. Pentz Gertrud Eleonore hieß? Angenehm berührt die Beobachtung, daß unter den Handwerkern gleicher Profession der Brodneid die Freundschaft nicht beeinträchtigte; man findet grade bei ihnen viele Beweise freundschaftlichen Zusammenhaltens.

Für die letzte Zeit des 17. Jahrhunderts kann man es nachweisen, daß der Hang zu Gelagen und Schwelgereien in der Vellahner Gemeinde ebenso groß war wie anderswo,

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für den Anfang des 18. Jahrhunderts fehlen wenigstens die Beweise; möglich, daß die "Polizei=Ordnungen" hier eine heilsame Wirkung geübt hatten. Aber die vielen Krüge mußten für Trinklustige eine große Verführung sein. Ein Fall von unsolidem Wirthshausleben liegt uns vor. Der Pastor Dolch klagte 1710 dem Herzog, daß die beiden Krüger Abel und Schultze zu Vellahn am Sonntag oft unmittelbar vor und nach der Predigt das Haus voller Gäste hätten, die dann so viel Bier tränken, daß sie in aufgeregtem Zustande lauten Lärm machten und die Ruhe des Feiertags störten. Er nennt dann als passionirte "Säufer" die beiden "lediglosen" Männer Mahncke und Brockmöller, die oft vom Sonntag=Mittag bis Montag=Mittag im Kruge tobten, und den Knecht Schwenke, der im Kruge sein "Futterhemd" vom Leibe verspielt hätte. Der Pastor schlägt als Züchtigung dieser Ausschreitungen "die Karre" in Dömitz und den Militärdienst vor.

Das kirchliche Leben in dieser Zeit erscheint fast musterhaft. In der Kirche zu Vellahn wurde alle Sonntage gepredigt, zu Marsow alle 2-4 Wochen, in der Kapelle zu Banzin hingegen nur an den Aposteltagen. Die Kirche war immer voll Andächtiger, auch die Marsower und Banziner gingen, wenn in ihren Dörfern nicht Gottesdienst war, alle Sonntage in die Vellahner Kirche. Daher reichte auch das schon etwas schadhafte Gestühl zu Sitzplätzen bei weitem nicht aus, obgleich im Jahre 1700 acht neue Stühle für die Glashütter gebaut waren. Die Gemeinde stand immer in großen Schaaren in den Gängen und um den Altar herum, so daß die Adeligen nach Aussage des Pastors Dolch nicht mehr zum Abendmahle gehen wollten, weil sie beim Durchdrängen durch die Umstehenden in ihrer Andacht gestört würden. Dolch bat daher den Herzog, daß der Adel in der Woche oder sonst am Sonntag nach dem Gottesdienst (also nicht publice) communiciren dürfe, damit die "personae honestiores bei dem nothwendigen Herumdrängen und Aufsehen unter den gemeinen Leuten nicht aus ihrer heiligen Andacht kämen". Seine Bitte wurde ihm 1708 gewährt. Zum heiligen Abendmahl ging man zweimal im Jahr, und außerdem die Brautleute kurz vor dem Eingehen der Ehe.

Wann die Kinder getauft wurden, ist speziell aus dieser Gemeinde für unsere Zeit nicht bekannt; es wird aber sicher ebenso wie anderswo am 3. Tage nach der Geburt geschehen sein. Wie sehr man darauf hielt, die Kinder möglichst früh

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zur Taufe zu bringen, ersieht man daraus, daß der Bauer Kaast aus Garlitz im December 1708, da man wegen des schlechten Wetters nicht nach Vellahn kommen konnte, sein Kind in dem näher gelegenen Lübtheen taufen ließ. Taufzeugen waren für jedes Kind in allen Fällen drei; jeder Täufling erhielt nur einen oder höchstens zwei Vornamen. Uneheliche Kinder wurden verhältnißmäßig wenige geboren, in der Regel sind es nur 1, 2 oder 3 von 40-70 Kindern im Jahr. Der Pastor Rantz nennt sie unechte Kinder, aber sein Nachfolger Dolch hat für dieselben schärfere Ausdrücke. Die Eltern eines unehelichen Kindes mußten öffentlich Kirchenbuße thun, wenn sie wieder zum Abendmahl zugelassen werden wollten. Diese Buße bestand in dem Sitzen auf der Sünderbank in der Kirche während des Gottesdienstes. Nach den vielen Bittgesuchen um Erlaß der Buße kann man annehmen, daß dieselbe große Furcht einflößte. Nach der "Neuen Erläuternden Kirchenordnung" war eine Begnadigung durch den Herzog "in simplici stupro" allerdings möglich, aber der Herzog Friedrich Wilhelm begnadigte selten, "weil die Kirchenbuße Niemandem zur Verkleinerung seiner Ehre gereichet, sondern zur Aussöhnung mit der durch des Büßenden Begangenschaft geärgerten Gemeinde abzielet". Aus der Zeit des Herzogs Karl Leopold liegen uns zwei Fälle von Begnadigungen vor. 1722 erlangte der Erbmüller Lübcke gegen Zahlung von 4 Rthlrn. für seine gefallene Tochter Ann Trien Erlaß der Kirchenbuße. Die Eltern baten die Sühne durch Geld leisten zu dürfen, "weil sie Leute wären, die in Aemtern und Gilden ständen, und weil die Kirchenbuße ihrer Tochter bei deren künftiger Verheirathung Schaden thun möchte, auch sie ohnehin genug Elend erduldet". 1726 bat v. Bülow auf Kloddram, daß die bei ihm dienende Amme ohne vorherige Kirchenbuße zum Abendmahl gehen dürfe, "weil die Aufregung (beim Sitzen auf der Sünderbank) seinem Kinde bei dessen Zärtlichkeit schaden möchte". Schuster Langheim's Tochter suchten die Eltern vergeblich durch die Behauptung zu befreien, daß dieselbe gewaltsam zu Fall gebracht sei.

Die vorliegenden Gesuche um Dispensation vom Verbot der Ehe wegen zu naher Verwandtschaft wurden alle abschläglich beschieden.

Ein abscheuliches Verbrechen ereignete sich leider im Jahre 1708. Es wurde in der Nacht vom 1. zum 2. November der Gotteskasten in der Kirche aufgebrochen und das

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Klingbeutelgeld, das seit Ostern gegeben war, weggenommen. Die Diebe, von denen nicht erwiesen ist, daß sie zur Vellahner Gemeinde gehörten, waren in's Fenster gestiegen.

Zum Schlusse möge hier noch eine Notiz aus dem Kirchenbuche gegeben werden, die eine Heldenthat berichtet.

"1718, 3. Maji, Liesch Dorthie Schliesch, des Müllers zu Brahlstorf Jochim Meyer's Stieftochter (begraben), welche leider, da sie ihre Schwester, welche sich gebadet, aus der Wassernoth erretten wollen, elendiglich ertrunken." Die verunglückte Schwester wurde gerettet.

Wenn die obige Schilderung eine Vorstellung von dem Zustande der Gemeinde Vellahn kurz nach 1700 möglich macht, so giebt sie zugleich ein Bild der damaligen Zustände unsers Vaterlandes überhaupt: die meisten hier gegebenen Verhältnisse kehren überall wieder.

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IX.

Ueber

das Treffen bei Walsmühlen

am 5./6. März 1719.

vom

Generalmajor z. D. Köhler


D as Treffen bei Walsmühlen 1 ) bietet ein erhebliches kriegsgeschichtliches Interesse, theils, weil hier der später als preußischer Feldmarschall so berühmt gewordene Graf v. Schwerin, erst 34 Jahre alt, als meklenburgischer Generalmajor commandirte; theils aber auch darum, weil dieser sowohl, als der ihm gegenüberstehende hannoversche Generallieutenant v. Bülow sich gegen den Beginn des Treffens verwahrten, schließlich aber beide ihrer Reiterei den Sieg zuerkannt wissen wollten. Es wird daher gerechtfertigt erscheinen, das im Uebrigen nicht sehr erhebliche, aber unter eigenthümlichen Verhältnissen gelieferte Treffen einer eingehenderen Darstellung zu würdigen.

In Meklenburg=Schwerin regierte seit 1713 der Herzog Carl Leopold, seit 1716 vermählt mit einer Nichte Peters des Großen von Rußland. Diese verwandtschaftliche Beziehung sollte eine lebhaftere Betheiligung des Herzogs am nordischen Kriege herbeiführen; er hoffte Wismar wieder zu gewinnen. Damit hing die Ueberlassung zweier russischer Infanterie=Regimenter in seinen Sold zusammen; es waren die Reg. Tilly, incl. 2 Grenadier=Compagnien 1461, und Valinsky, 8 Comp., 1190 Gefreite und Gemeine stark. Außerdem unterhielt der Herzog eine starke eigene Truppen=


1) Quellen: Die Acten des Großherzoglichen Geheimen und Hauptarchivs zu Schwerin. - Generallieutenant a. D. v. Sichart: Geschichte der königl. hannoverschen Armee, Band II, Hannover 1870.
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macht. Er lag dauernd im heftigsten Streit mit seiner Ritterschaft und der Stadt Rostock und benutzte sein Militär einstweilen zu Executionen gegen seine Widersacher. Diese verworrenen Verhältnisse spitzten sich dahin zu, daß Kaiser Karl VI. Reichsexecution verfügte und Hannover und Braunschweig beauftragte, ein sogenanntes "Commissions=Truppen=Corps" nach Meklenburg zu schicken, um das Land zu besetzen und Ruhe und Ordnung herzustellen. Nach hannoverschen Quellen bestand dieses vom Generallieutenant v. Bülow geführte Corps aus 12 Infanterie=Regimentern (das Bataillon ca. 600), 6 Reiter=Regimentern (à 2 Escadrons mit 200) 2 Dragoner=Regimentern (à 4 Escadrons mit 400 M.) und einem zahlreichen Stabe; es zählte zusammen etwa 10,000 Combattanten und führte (nach anderer Quelle) 32 Geschütze außer den Regiments=Stücken mit sich. Es überschritt in den Tagen vom 25. Februar bis zum 3. März 1719 die mit Eis gehende Elbe bei Zollenspieker, Artlenburg, Boizenburg, und rückte von letztgenannter Stadt gegen Hagenow, sowie von Büchen über Greven und von Möllen über Zarrentin gegen Wittenburg vor, mit der Absicht: die sich dort sammelnden meklenburg=schwerinschen Truppen einzuschließen. Am Abend des 5. März hatte das Regiment de Lueur die Défiléen über die Sude bei Walsmühlen mit 3, bei der Rothenmühle mit 1 und Hagenow mit 1 Compagnie besetzt. Das Dragoner=Regiment Wendt stand in und bei Parum zwischen Wittenburg und Walsmühlen; General v. Bülow hatte sein Hauptquartier in Gammelin, zwischen Wittenburg und der Rothenmühle, die Reiter=Regimenter St. Laurent und Schlütter lagen in und bei Gammelin, die übrigen Truppen wegen schwieriger Verpflegung in weitläufigen Cantonnements nördlich, westlich und südlich von Wittenburg.

Der Reichs=Execution trat Herzog Carl Leopold Anfangs sehr energisch entgegen und traf von Rostock aus alle Vorkehrungen zur Zurückweisung derselben. Zunächst wurde schon Mitte Februar das Leib=Regiment zu Pferde: Oberstlieutenant v. Waldow (5 Compagnien à 80 Reiter) nach Gadebusch geschickt, um die Grenze zu überwachen. Der Generalmajor v. Schwerin hatte sich ebendahin zu verfügen, mit der Weisung, "nicht zu dulden, daß die herzoglichen Truppen verdrängt würden, sondern Gewalt mit Gewalt zu vertreiben". An seine Befehle wurden, zur Concentrirung bei Wittenburg, überwiesen: die beiden russischen Regimenter (über Crivitz und Hagenow im Anmarsche), das Regiment

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v. Kahlden (5 Comp. à 140 M.), das mit 3 Comp. als Besatzung in Schwerin stand, aber am 23. Febr. 2 Comp. nach Dömitz détachirt hatte; weiter von Rostock her das Bataillon v. Zülow (4 Compagnien à 120 M.), die Feldartillerie unter Oberst Vick (von nicht bekannter Geschützzahl), das Dragoner=Regiment Lilliestreng von 5 Compagnien mit ca. 400 M., welches erst durch requirirte Pferde voll beritten gemacht ward; dann von der "Landmilice", die unter dem 17. Februar Ordre erhielt ihre Mannschaften einzuziehen, das Regiment Buggenhagen in Dömitz (6 Compagnien mit ca. 700 M.) und das Regiment Kolhas (von gleicher Stärke) in Bützow, welches aber nicht oder verspätet zum Ausmarsche gelangt zu sein scheint. Es waren zusammen an Cavallerie etwa 800, an Infanterie etwa 4000 M. im Felde, mit wenig Feldartillerie; auch dürfte nur die russische Infanterie Regimentsstücke bei sich gehabt haben. Alle diese Truppen wurden bis zum 5. März in und bei Wittenburg vereint. Der Generalmajor v. Schwerin war bereits am 19. Februar in Gadebusch eingetroffen. Von hier aus leitete er den Anmarsch, traf Anstalten wegen der Vertheidigung von Dömitz, organisirte ein so gutes Kundschaftswesen und verwendete dazu das Leib=Regiment so sachgemäß - freilich unter großer Anstrengung desselben, weshalb es in der Affaire bei Walsmühlen nur noch mit ca. 250 Säbeln auftrat -, daß er dem Herzog fast täglich über Stärke, Märsche und Absichten des Generallieutenants v. Bülow rapportiren konnte; seine Meldungen erwiesen sich später als durchaus zutreffend und gelangten, ungeachtet der 16 Meilen Entfernung (bei damaliger Wegebeschaffenheit im Februar und März), in Folge eines Relaisdienstes durch Feldjäger immer innerhalb 24 Stunden nach Rostock. Ein Vorstoß gegen Boizenburg vermittelst eines Nachtmarsches gelang jedoch nicht. Generalmajor v. Schwerin traf am 1. März früh mit dem Leib=Regiment bei dem Kirchdorf Zahrenstorf ein; er fand aber die Stadt bereits von 2 Regimentern und Artillerie besetzt, die zuführenden Brücken abgebrochen, und da die Infanterie (Tilly und Buggenhagen) nur Goldenbow erreichte, so ging er auf Wittenburg um so mehr zurück, als ihm eine Ordre des Herzogs vom 27. Februar mit der Bestimmung zuging, vorsichtig zu verfahren, nicht zuerst anzugreifen und die Truppen zusammenzuhalten. Doch hielt ihn dies nicht ab, den Herzog um die Erlaubniß zur Offensive zu bitten, weil er hoffe, die Hannoveraner einzeln zu schlagen; noch besser wäre es, wenn der Herzog selbst

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kommen und die bei Rostock stehenden Regimenter (Flohr und Krapff, jedes 10 Compagnien mit 1400 M. Solletat, und v. Vietinghoff=Dragoner, 5 Compagnien, ca. 400 M.) mitbringen wollte. Dem Generallieutenant v. Bülow ließ er sogar sagen, daß er angreifen würde, wenn dessen Truppen weiter vorrückten; aber dies brachte ihm nur eine abweisende Antwort ein, und er wagte dies auch nicht zu thun, als sich ihm dazu am 4. März bei Waschow, eine kleine Meile westlich von Wittenburg, eine günstige Gelegenheit bot. Als noch am selben Tage Abends bestimmte Befehle des Herzogs vom 3. und 4. (derselbe hatte inzwischen von General v. Bülow eine kaiserliche Resolution empfangen) den Generalmajor erreichten, bei weiterem Vorrücken der Commissions=Truppen auf Rostock zurückzugehen und sich nicht abschneiden zu lassen; und als dann am 5. Recognoscirungen den Weitermarsch "der Gäste oder fremden Truppen" in gefährlichster Richtung unzweifelhaft machten: da verließ v. Schwerin am Nachmittage Wittenburg und Umgegend auf der Straße über Walsmühlen nach Schwerin. Im Zurückgehen passirten seine Truppen die Stellung des hannoverschen Dragoner=Regiments Wendt, ohne daß ein ernster Conflict entstanden wäre. Als v. Schwerin jedoch gegen Mitternacht an der Spitze des Regiments Tilly vor dem Défilé von Walsmühlen erschien, war die Brücke über die Sude nicht nur abgebrochen, sondern es wurde auch der gegen die Stellung des Nächstcommandirenden als Geißel erbetene freie Durchzug "ungestüm" abgeschlagen. Während der Verhandlungen erfolgte dann sogar eine Salve aus dem zur größeren Hälfte auf dem linken Ufer des Flüßchens liegenden, zur Vertheidigung eingerichteten Dorfe, so daß 5 Russen fielen. Der Kampf wurde hierauf allgemein; das Regiment Tilly verwendete seine Artillerie, warf Handgranaten und setzte über das kleine, noch mit Eis bedeckte Flüßchen an mehreren Stellen, so daß der selbst verwundete Oberst de Lueur nach tapferer Gegenwehr und großem Verluste (11 Offiziere, 106 Mann waren todt und verwundet, auch die Fahne ging verloren) das Dorf räumen mußte und vermuthlich auf die Rothemühle zurückeilte. Von hannoverscher Seite wird dagegen behauptet, daß aus dem Dorfe nicht geschossen worden, vielmehr der umfassende Angriff sofort erfolgt sei, nachdem Oberst de Lueur die Passage wiederholt verweigert hatte. Jedenfalls hatte General v. Schwerin alle Ursache, den Paß für seine Truppen und die unter dem Schutze des Dragoner=Regiments Lilliestreng folgende große Bagage= und

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Proviant=Colonne frei zu bekommen. Nach beendetem 1= bis 2 stündigem Nachtgefechte wurde die Brücke hergestellt und zunächst von der übrigen meklenburgischen Infanterie und dann vom Leib=Regiment benutzt. Noch war letzteres im Defiliren begriffen, als seine Queue von dem hannoverschen Regiment Wendt, welches herbeigeeilt war und die Train=Colonne durchbrochen hatte, angefallen wurde, und mit ihm durch das Dorf jagte. Es gelang jedoch dem Generalmajor v. Schwerin durch einen persönlich geführten Gegenangriff, unterstützt von Infanteriefeuer, die feindlichen Dragoner noch auf dem durch die Niederung führenden Damm aufzuhalten und über die Brücke zurückzutreiben, so daß nun auch die meklenburgische Bagage folgen konnte, worauf er die Brücke neuerdings abbrechen ließ. Gegen Anbruch des Morgens war dies geschehen, das Dorf und das sehr durchschnittene Terrain an der Sude besetzt, die übrigen meklenburgischen Truppen auf einer südwestlich bei Walsmühlen gelegenen Plaine gesammelt; die Train=Colonne marschirte ohne Aufenthalt nach Schwerin zu.

Inzwischen hatte Generallieutenant v. Bülow in Gammelin Kenntniß von dem bei Walsmühlen vorgefallenen erhalten. Er concentrirte unverweilt die 3 Regimenter Wendt, St. Laurent und Schlütter (8 Escadrons), ging über die Sude (wohl bei Rothemühle), um das Regiment de Lueur aufzunehmen, und ließ anreiten, als ihm bei Hellwerden die Meldung zuging, daß Meklenburger und Russen auf der Plaine südwestlich von Walsmühlen stünden. Andererseits befahl General v. Schwerin, vom Vorgehen der hannoverschen Cavallerie durch vorgesandte Patrouillen benachrichtigt, die Truppen zum Gefecht aufzustellen; Lilliestreng=Dragoner als Avantgarde vor der Front, als rechter Flügel diente das besetzte Walsmühlen mit seinen Hecken u. s. w., in's Centrum rückte die russische Infanterie mit 4 Regimentsstücken (und wahrscheinlich 3 meklenburgischen Feldkanonen), auf den linken Flügel das Leib=Regiment. Noch war aber der Aufmarsch nicht völlig beendet, als das letztgenannte Regiment attaquirt wurde; dieses hielt sich jedoch so gut, daß die Hannoveraner zurückweichen mußten und eine zweite Attaque nicht unternahmen. Dem entgegen wollen dieselben erst angegriffen haben, nachdem sich die feindliche Reiterei rechts gezogen, um ihre Infanterie und Artillerie freizumachen, und nachdem sie von dieser beschossen worden wären; dann aber hätten sie jene völlig in die Flucht geschlagen und wären erst hierauf außerhalb Geschützwirkung zurück=

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gegangen. Die Wahrheit dürfte sein, daß die hannoversche Cavallerie während ihres Vorgehens zur Attaque vom Artillerie= und Infanteriefeuer zu leiden hatte, ein lebhaftes Handgemenge stattfand, dem sich das eben erst mit requirirten Pferden beritten gemachte Regiment Lilliestreng sehr bald und eilig entzog, während das Leib=Regiment um so tapferer focht (es waren alle seine 3 Stabsoffiziere verwundet), und daß das Zurückweichen der Hannoveraner nicht eben freiwillig erfolgte, da sie 2 verwundete Stabsoffiziere in den Händen ihrer Gegner ließen. Es scheint übrigens, als sei auch bei Walsmühlen selbst gefochten worden, obschon kein Bericht dessen erwähnt; denn in den Verlustlisten der Hannoveraner kommen das Dragoner=Regiment Bülow (es stand am 4. bei Waschow) und das Infanterie=Regiment Belling, auf Seite der Meklenburger aber das Bataillon Zülow vor.

Nach dem Gefechte blieb General v. Schwerin noch 2 Stunden stehen und marschierte dann ungestört nach Schwerin ab, wo er gegen Mittag einrückte und sofort an den inzwischen nach Potsdam gegangenen Herzog berichtete. Andererseits sammelte General v. Bülow noch am 6. März das Gros seiner Truppen in und bei Wittenburg, und setzte sich von da erst am 10. gegen Schwerin in Marsch, welches die meklenburgischen Truppen mit Hinterlassung einer schwachen Besatzung geräumt hatten, um sich befehlsmäßig auf Rostock zurückzuziehen.

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X.

Die neuesten prähistorischen Funde

in Mecklenburg.

(1881. 1882.)

Von

Dr. Robert Beltz.


A. Bronzezeit.

I. Kegelgräber von Friedrichsruhe.

D ie Feldmark des Dorfes Friedrichsruhe (des alten Gömetow) zwischen Crivitz und Parchim bildet einen Theil eines natürlichen Plateaus, welches von allen Seiten von sumpfigen Niederungen umgeben ist. Diese frühere Insel ist außerordentlich reich an Resten der prähistorischen Zeit und seit Jahren eine Fundgrube von Alterthümern unserer ältesten Kulturen. So ist die älteste Steinzeit vertreten durch drei gewaltige Hünengräber ("Riesenbetten") im Osten, von denen leider nur noch das eine seine ursprüngliche Form, die eines sanft gewölbten Hügels von etwa 54 m Länge, 8 m Breite und 1 1/2 m Höhe, einigermaßen bewahrt hat. Die anderen sind zerstört, ohne daß genauere Nachrichten über gefundene Alterthümer erhalten wären (Lisch, Jahrb. XXIV, S. 260). Die jüngste prähistorische Periode, die wendische (jüngere Eisen=) Zeit, hat am westlichen Rande des Plateaus einen Burgwall hinterlassen, den Pastor Willebrand zu Kladow (jetzt zu Zapel) im Jahre 1853 entdeckt und beschrieben hat (Jahrb. XVIII, S. 273). Derselbe war, wie alle Burgwälle dieser Art, im Sumpfe aufgeschichtet und durch einen 373 Schritt langen Damm mit dem Fest=

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lande verbunden. An den zum Theil abgegrabenen Wänden spült der Regen zahllose Thierknochen und Scherben los, welche letztere von Gefäßen herrühren, die aus Thon, mit Sand und Granitgrus geknetet, das charakteristische Ornament der Wendenzeit, Wellenlinien, in meist flüchtiger Zeichnung darbieten. Es sind Anzeichen vorhanden, daß auch ein wendischer Begräbnißplatz in der Nähe gewesen ist; doch muß dies einer genaueren Untersuchung vorbehalten bleiben.

Hauptsächlich aber waren es Kegelgräber, die schon früh die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Schon im vorigen Jahrhundert sind hier Ausgrabungen gemacht worden, und unsere Sammlung hat aus der alten Ludwigsluster eine Reihe von Bronzen und goldenen Ringen übernommen, die der edlen alten Bronzezeit angehören und die von dem Großherzog Friedrich Franz I. und dem Hauptmann Zinck den dortigen Gräbern entnommen sind (Frider.-Francisc., Text S. 50). Im Laufe der Zeit haben dann die alten Hügel mehr und mehr ihre charakteristische Form verloren. Während sich früher mannigfache Sagen im Munde des Volkes an die mit uralten Steinkreisen umgebenen und mit Dorngestrüpp bewachsenen Male knüpften, begann die intensivere Bodenkultur sie in ihren Bereich zu ziehen; die Steinkreise wurden entfernt, die Wände der Hügel beackert, niedriger und niedriger wurde ihre Gestalt, bis sie nur als leise Erhöhungen über dem Boden hervorragten und allmählich auch die Erinnerung entschwand. Bei der Landvermessung wurden sogar einige Gräber als "Sandgruben" ausgeschlagen. Wohl schalt der Landmann auf die Steine, die ihm die Feldarbeit störten, und wenn er sie entfernt hatte, zerwühlte der Pflug die Stätten, die vor Tausenden von Jahren die Pietät geweiht hatte; aber die Spangen und Diademe, die zum Vorschein kamen, warf er gedankenlos fort oder bewahrte sie doch nicht auf, in dem Aberglauben, daß kein Segen auf diesen fremdartigen unterirdischen Gebilden ruhe. - Es ist das Verdienst eines Mannes, wenn der Zerstörung Einhalt gethan wurde und wenn wir jetzt den Acker von Friedrichsruhe zum Ausplaudern seiner tausendjährigen Geheimnisse genöthigt haben. Der Lehrer von Friedrichsruhe, Herr H. Wildhagen, begann auf Alterthümer zu achten, die sich hier und da in den Händen der Leute erhalten hatten, und sah mit Schrecken, wie viel schon unrettbar verloren und wie viel einem, nahen Untergange geweiht sei. Vor allen schien ein hervorragender Hügel bemerkenswerth, dessen Abtragung vom Besitzer be=

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gonnen war. Wildhagen veranlaßte den Verfasser zu einer Aufnahme des Thatbestandes an Ort und Stelle, in Folge dessen ich mich an Se. Königliche Hoheit den Großherzog wandte mit der Bitte, die Mittel zu der Untersuchung der gefährdeten Gräber zu bewilligen und Herrn Wildhagen zu ermächtigen, daß er für Aufnahme und Bergung der gefundenen Sachen Sorge trage. In huldvoller Bereitwilligkeit ist Se. Königliche Hoheit auf diese Bitte eingegangen und hat den Friedrichsruher Ausgrabungen sein anhaltendes und reges Interesse bis zum heutigen Tage zugewandt, auch selbst in Begleitung der Allerhöchsten Familie am 14. Mai 1881 dieselben mit seiner Gegenwart beehrt. Herr Wildhagen ist seit Beginn der Arbeiten (Weihnachten 1880) nicht müde geworden, die Gegend zu untersuchen; und der treuen Aufmerksamkeit des selbstlosen Mannes verdanken wir neben der Aufnahme sämmtlicher hervorragender Gräber die Entdeckung einer ganzen Reihe ungeahnter Grabstätten, nicht nur aus der Bronzezeit, sondern auch zweier der Eisenzeit angehörigen, zweier Urnenfelder zwischen den Kegelgräbern von Friedrichsruhe und Raduhn. Der Verfasser hat von Schwerin aus die Directiven zur Aufnahme gegeben und ist selbst wiederholt zu der Aufnahme der hervorragendsten Gräber wie zur Recognoscirung neuer Fundstätten in Friedrichsruhe gegenwärtig gewesen.

In der Lage der Kegelgräber zu einander ist leider ein System nicht mehr zu entdecken, da gewiß schon viele zerstört sind. Sie liegen auf ebenem Boden auf der Feldmark von Friedrichsruhe, rechts von der Chaussee von Crivitz nach Parchim zerstreut, ziehen sich dann aber durch ein Tannengehölz auch noch auf die Feldmark von Raduhn hinüber, so daß die Entfernung des östlichsten vom westlichsten etwa 1 Stunde betragen mag. Näher an einander liegend und bisher allein untersucht sind die auf zwei Erbpachthufen und dem Büdneracker in der Nähe des Schulhauses von Friedrichsruhe gelegenen Gräber. Aeußerlich hervorragend war nur der eine Hügel, mit dessen Beschreibung wir beginnen.

1) Der "Kannensberg".

(Grundriß auf der 1. Tafel [Taf. V].)

Bei Beginn der Ausgrabung betrug die Höhe dieses Hügels etwa 4 1/2 m, doch erinnern sich ältere Bewohner des Dorfes, daß er bedeutend höher gewesen sei. Früher mit Buschwerk bestanden, ist er seit einer Reihe von Jahren der

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Ackerkultur unterworfen und hat so seine ursprüngliche Form verloren. Der Durchmesser betrug etwa 26 m, der Umfang etwa 80 m. Um den Hügel lief ein Steinring, der bei der Bearbeitung des Bodens zum Theil verschüttet, zum Theil entfernt ist. Bei den Bewohnern des Dorfes herrschte, wie in ähnlicher Weise bei den meisten hervorragenden alten Denkmalen, der Glaube, daß in dem Hügel eine goldene Kanne verborgen sei, ein Glaube, der auch in unseren Arbeitern lebendig war und ihren Eifer erhöhte. Ausgrabungen sind aber früher nicht vorgenommen, und die ersten Alterthümerfunde sind zwischen den Steinen des umgebenden Ringes (der sog. "Mauer") gemacht worden. Die Wachsamkeit und unermüdliche Sorgfalt des Herrn Wildhagen hat deren Erwerb für die Vereinssammlung herbeigeführt (s. Jahrb. XLIV, S. 81, XLV, S. 267). Es sind folgende Gegenstände:

1) die Nadel einer Heftel. Die Spitze ist verletzt, da die Nadel als Nagel von einem Bauern benutzt war. Wie gewöhnlich sind am oberen Ende 2 Querstangen mit vertiefter Horizontallinie, von der kleine schräge Linien nach den Enden auslaufen. Die Form ist die gewöhnliche, wie wir sie u. a. in den alten Kegelgräbern von Alt=Sammit, Brahlsdorf, Leussow, Vorbeck finden und wie sie mehrmals, z. B. Jahrb. XXX, S. 146, abgebildet ist. Die Patina ist dunkel, geht aber nicht tief.

2) das Ende einer Lanzenspitze, 5 1/2 cm lang. Die Patina ist hellgrün und glänzend.

3) ein vollgegossener Armring, oval, von 5 1/2, resp. 6 1/2 cm Durchmesser; die Verzierungen, bestehend aus schrägen und geraden Linien, sind durch die braungrüne Patina nur schwer erkennbar. Auch diese Form ist häufig abgebildet. Friderico-Francisceum XXII, 4.

Ueber den Verlauf der Ausgrabungen selbst, die am 7. Januar 1881 begannen und nach mehrfachen Unterbrechungen am 6. April beendet sind, hat Herr Wildhagen in den "Mecklenburgischen Landesnachrichten" 1881, No. 109, Bericht erstattet. Ich begnüge mich, im Folgenden die Resultate zusammenzufassen.

A.

Als Hauptgrab erscheint das in jenem Berichte als No. 2 bezeichnete; einmal, weil es ziemlich die Mitte des Hügels einnimmt, sodann, weil hier neben einem unverbrannt beigesetzten Körper ein Schwert lag, eine Er=

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scheinung, die sich in den analogen Gräbern von Dabel, Ruchow, Schwan wiederholt. Wir sehen darin, wie Lisch bei der Besprechung des Grabes von Dabel (Jahrb. XXII, S. 285), die Leiche des Helden, zu dessen Ehren der Hügel errichtet wurde. Von außen erschien das Grab als ovaler Steinkegel, der in der Mitte eingesunken war; der Durchmesser betrug in westöstlicher Richtung 7 m, in nordsüdlicher 3 m. Auf dem Urboden lag eine Steinschicht, auf dieser die Alterthümer neben vergehenden Resten von Knochen und Holz. Letztere scheinen nach ihrer Verbreitung durch das ganze Grab weniger von einem Todtenbaume herzustammen, als von Querhölzern, die den Grabraum nach oben abschlossen, und nach deren Verwesung der Steinkegel zusammensank. Das Grab war durch größere Steine auf dem Steinpflaster in drei Abtheilungen geschieden.

I. In einer südlichen Grabkammer fanden sich Reste von unverbrannten Gebeinen, neben denselben ein Schwert und drei steinerne Pfeilspitzen. Der Leichnam ist nach Osten schauend gelegt worden. Die gefundenen Alterthümer sind:

1) ein Schwert, in 4 Stücken. Die Bruchenden sind frisch, die Oxydation geht tief, wie bei sämmtlichen Alterthümern des Kannensberges. Das Schwert ist 65 cm lang, hat eine ausgeschnittene Griffzunge, starken, flachgewölbten Mittelrücken, Rillen an den Seiten; die Griffzunge hat 4 Löcher, ebenso befinden sich 4 Löcher halbmondförmig am Ansatz der Schneide, in denen die Nieten erhalten sind. Auch ist der hölzerne Griff mit einem Ueberzuge von Leder noch erkennbar. Beim Herausnehmen des Schwertes zeigte sich, daß dasselbe in einer hölzernen Scheide gesteckt hatte, deren eine (untere) Seite erhalten ist. Eigenthümlich und für uns durchaus neu ist, daß dieselbe mit grobem Wollenzeuge gefuttert war, welches vollständig erhalten ist (s. unsere 2. [VI.] Tafel, No. 6). Wir haben gleiche Schwerter aus den Kegelgräbern von Slate, Ruchow, Pölitz, Wohld und Kummer (abgeb. Fr.-Fr. XV, 3). - Dazu gehörig ist ein vierseitiges Ortband mit 1 cm breiter Oeffnung.

2) 3 feingearbeitete Pfeilspitzen von Feuerstein, so geschäftet, daß nur die Spitzen frei blieben, also genau die Erscheinung, wie in Dabel (s. Abbildung und Erörterung Jahrb. XXII, 282), Pölitz (Jahrb. XXXIV, 217) und Slate (Jahrb. XXXIII, 133).

3) eine kleine bronzene Pfeilspitze mit Resten des Schaftes.

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II. In der mittleren Kammer lag neben grün imprägnirten Holztheilen, die auf mehr (vergangene) Bronze weisen:

1) ein kleines Messer, 10 1/2 cm lang, mit stark ausgerosteter Scheide. Der Griff läuft in einen Pferdekopf aus. Es ist dies das vierte so verzierte Messer, welches in Meklenburg gefunden wird; die andern gehören den Kegelgräbern von Sparow (abgeb. Fr.-Fr. T. XVIII, 2) und Dabel und einem Moorfunde von Crivitz (s. Jahrb. XL, 149) an. Im märkischen Museum zu Berlin befindet sich neben mehreren Exemplaren (z. B. aus Schönwerder, Kreis Prenzlau) eine Gußform für diese Messer mit Pferdeköpfen aus Nieder=Landin (Kreis Angermünde), die beweist, daß sie heimisches Fabrikat sind. Sie gehören zu den im Norden häufiger auftretenden Gegenständen und sind in den einschlägigen Werken der schwedischen und dänischen Forscher vielfach abgebildet; im Stralsunder Museum sah ich eines vom Rugard auf Rügen, in der Rosenbergischen Sammlung zu Nürnberg eines aus Pommern. Unser Messer steckte in einem knöchernen Futteral.

2) die Reste von drei kleinen Fibeln von 7 cm Länge; die Grundform ist gleich der oben erwähnten. Die eine lag in einem Futteral von Holz.

3) ein Doppelknopf von 2 1/2 cm Durchmesser; die Zeichnung ist durch die starke Oxydirung zerstört;

4) zwei Stücke eines schmalen Armringes. Diese Alterthümer lagen ohne erkennbare Ordnung in der Grabkammer. Im Osten standen zwischen den Steinen, die den äußeren Mantel des Grabes bildeten, so daß ihre Zugehörigkeit zu dieser oder zur nächsten Kammer nicht zu bestimmen ist, zwei mit Asche und Knochentheilen gefüllte Urnen. Die eine ist 11 1/2 cm hoch und hat einen oberen Durchmesser von 15 cm, einen unteren von 6 cm, die größte Bauchweite (in etwa 2/3 der Höhe) beträgt 49 1/2 cm. Der Rand ist hoch, scharf ansetzend und nach außen sich umbiegend.

Die andere ist schalenförmig, hat 21 1/2 cm oberen Durchmesser, 11 3/4 cm Höhe und 71 cm größte Bauchweite, der Rand ist kurz und nach innen gebogen. Sie ist mit eingedrückten Querstreifen verziert. Beide haben eine glänzend schwarze Oberfläche und sind aus feingeschlemmtem Thone gearbeitet. Sie gleichen völlig den sonst in Kegelgräbern gefundenen Gefäßen (z. B. Peccatel, Dabel, Ruchow).

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III. In der nördlichen Kammer fand sich ein starker gewundener Halsring mit überfassenden Haken in sieben Stücken (der Bruch nicht ursprünglich) von 16 cm Durchmesser, daneben Reste eines kleineren von gleicher Arbeit. Beide lagen am westlichen Ende der Kammer.

Beide Grabkammern (II und III) scheinen Frauen anzugehören; bei der mittleren erhellt dies aus den Funden unmittelbar, bei der nördlichen weniger evident. Den Ring ohne Weiteres als ausschließlich weiblichen Schmuck in Anspruch zu nehmen geht nicht wohlan, wenn man bedenkt, daß ein ganz gleicher, z. B. in Alt=Sammit, neben dem Schwerte gefunden ist. Daß er aber mit Vorliebe weiblichem Grabschmuck beigelegt ist, zeigen u. a. die etwa gleichalterigen Funde von Grabow, Ruchow, Spornitz, Wiek, Zierzow. Bemerkenswerth ist, daß sich in beiden Grabkammern keine Spuren von Knochen zeigten. Es scheint also nur der Mann beerdigt, die Frauen verbrannt, trotzdem aber ihnen eine Grabkammer errichtet zu sein. Auf Analogien ist schon oben hingewiesen worden.

B.

Eng an das vorige Grab sich anschließend erstreckte sich in etwa gleichen Dimensionen das nächste nach Süden hin. Es war hier die Stelle, wo der "Kannensberg" angegraben und bereits Steine entfernt waren, so daß sich die ursprüngliche Gestalt leider nicht mit Evidenz bestimmen läßt. Die Steinsetzung hatte eine Höhe von 8-10 Fuß über dem Urboden und war in der Mitte eingesunken. Es fehlen hier Kriterien, nach denen man mehrere Grabkammern unterscheiden könnte. Auf dem Urboden lag eine Steinschicht, auf dieser Asche und einzelne Knochen. Wir haben also hier Leichenbrand anzunehmen. Beim Abtragen des zusammengesunkenen Steinkegels fand sich zwischen den Steinen:

1) ein Schwert in zwei Stücken, die Spitze nach Norden gerichtet, 36 cm lang, also zu den kleineren gehörig, mit erhabenem Mittelrücken. Eine Griffzunge ist nicht vorhanden, dagegen der Knopf erhalten. Derselbe ist rautenartig, leicht erhaben, mit vertieften Spiralen verziert (s. Montelius, sur les poignées des épées en bronce, Fig. 22). Erhalten ist ein Rest von der hölzernen Scheide.

2) ein goldener gewundener Armring von 6 cm Durchmesser, mit überfassenden Haken, aber ohne die bei diesen Ringen (vergl. die Funde aus den Kegelgräbern von Bekentin, Cremmin, Parchim, Peccatel und dem unten beschriebenen

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"Glockenberge") sonst gewöhnlichen Spiralwindungen am Ende;

3) ein goldener Fingerring von 2 cm Durchmesser in der Art unserer Fingerringe, in der Mitte eine Horizontallinie mit kleinen, unregelmäßigen, nach den Enden auslaufenden Querstrichen. Im Verhältniß zu den Spiralringen sind diese Ringe selten, wir haben sie außer zwei anderen unten zu erwähnenden aus Friedrichsruhe nur aus Cremmin und Ruchow. Besonders interessant ist der Ruchower, der aus zwei geriefelten Golddrahtfäden zusammengehämmert ist. Dieses giebt einen interessanten Einblick in die Entwickelung der Goldringe: erst Golddraht, dann dieser zusammengehämmert (Ruchow), dann die Entstehung wenigstens durch eine Horizontallinie und Querstriche angedeutet (unser Friedrichsruher Ring), dann Vervielfältigung und freiere Benutzung des Strichornaments (Cremmin) bis zur Emancipirung von der alten Ornamentirung (zwei fernere Friedrichsruher Ringe, siehe die Abbildung Tafel VI (2), No. 9).

4) Scherben einer dickwandigen, rothen Urne, die mit Granitgrus durchknetet ist, darin Asche und Knochen.

C.

Während die beschriebenen Gräber die Mitte des Hügels einnahmen, lagen die nun folgenden, im Allgemeinen sich gleichenden an seinem nördlichen, resp. südlichen Ende. Wir besprechen das letztere zuerst, da es mit dem vorhergehenden Zusammenhang hatte. Es liefen nämlich von diesem mauerartig gesetzte Steine aus, die es von zwei Seiten fast bis zum Rande des Hügels einfaßten. Wie das erste Grab, bestand auch dieses aus einem Steinhügel mit ovaler Grundform, der zusammengestürzt war. Der Boden war mit Asche durchsetzt, Knochen wurden nicht gefunden, nur einige Zähne, die beweisen, daß der Todte hier verbrannt ist. Neben einander am südlichen Ende auf einem Steinpflaster und von den herabgestürzten Steinen bedeckt, lagen nun zwei Gruppen von Gegenständen weiblichen Schmuckes, davon getrennt nordöstlich ein paar Handbergen und eine kleine Henkelurne. Da bei den Schmuckgegenständen sich Holzreste zeigten, so will es fast scheinen, als wäre der oder den Bestatteten ihr Schmuck in Holzkästchen mitgegeben. Andererseits freilich scheinen einige Gegenstände dem Brande ausgesetzt gewesen zu sein: sie sind zersplittert und zeigen eine blasige Oberfläche, auch ist der Kern von dem Oxyd unberührt und zeigt eine röthliche Färbung. Beides schließt sich ja nicht aus.

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Der Leichnam wird mit Ringen etc . geschmückt verbrannt und ihm sodann seine Kostbarkeiten an Gold und Perlen unverletzt beigegeben sein.

Um mit der westlichen der beiden Fundstätten (I) anzufangen, so lagen daselbst eng neben einander:

1) ein "Diadem", ziemlich ganz erhalten und an den Enden beschädigt, von der Form wie Frid.-Franc. XXII, 2. Die Ornamente bestehen aus zwei Spiralreihen, die durch zwei bandartige, mit Querstrichen verzierte Erhöhungen getrennt sind; gleiche Bandreihen befinden sind am oberen und unteren Ende. Ganz gleiche Diademe sind unter ähnlichen Umständen in Alt=Sammit, Grabow und dem früher eröffneten Grabe von Friedrichsruhe gefunden worden, wie überhaupt bei uns diese "Diademe" ausschließlich als weiblicher Schmuck gedient zu haben scheinen.

2) zwei große Halsringe von 19 1/2 cm Durchmesser, geöffnet und mit glatten Enden, verziert mit Querstreifen, die durch kleine Parallellinien verbunden sind. Diese Ornamentirung ist selten, da unsere Ringe fast durchgehend gewunden oder mit vertieften Riefeln versehen sind.

3) ein kleinerer gewundener Ring von 15 cm Durchmesser, mit überfassenden Haken;

4) vier Enden gewundenen Golddrahts von verschiedener Stärke und Höhe (die Enden des Fadens sind zusammengehämmert);

5) dreizehn kleine Glasperlen, einfarbig, vom dunkelsten bis zum hellsten Blau, z. Th. grünlich schimmernd (in Folge der Bronze?) (abgebildet Tafel VI (2), No. 5);

6) acht "überfangene, gebänderte" 1 ) Perlen länglicher Form, z. Th. ausgebaucht, mit vielfach verschlungenen Linien aus weißem Thon auf dunkler Grundfläche (abgebildet No. 4);

7) Bernsteinperlen, sowohl kugelige mit breiten, platten Seiten, die größten von 2 cm, die kleinsten von 1/2 cm Durchmesser, 101 an der Zahl - als auch längliche, von oben durchbohrte, die schönste sechsseitig, sonst meist rund, 3 - 3/4 cm hoch, 13 an der Zahl (abgebildet Tafel VI (2), No. 2 und 3).

Die letzten Funde sind besonders eigenartig. Perlen haben in unseren Kegelgräbern stets zu den Seltenheiten gehört und treten erst in den Urnenfeldern der Eisenzeit in Menge auf. Blaue Perlen sind in den Kegelgräbern von


1) Ueber Terminologie und Herstellung vergleiche: Tischler, Ostpreußische Grabfelder I, S. 240.
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Sparow, Lehsen und Peccatel (bei Penzlin), Bernsteinperlen in dem früher aufgenommenen Friedrichsruher, einem Parchimer und dem bekannten Peccatelschen Grabe gefunden. Ganz neu und mir auch aus Analogien anderer Länder nicht bekannt ist das Auftreten von mehrfarbigen Perlen in Gräbern der Bronzezeit. Wir stehen hier vor einem dunklen Punkte, dessen Aufhellung es uns vielleicht einst ermöglichen wird, eine chronologisch sichere Bestimmung unsers Grabes zu gewinnen.

Den aufzählten Gegenständen gleichen die an der zweiten Stelle (II) in kleiner Entfernung gefundenen:

1) ein "Diadem", dessen Enden abgebrochen sind (Tafel VI (2), No. 1). Es ist verziert mit drei Paaren von erhöhten Parallellinien mit Querstrichen. Die zwei dazwischen liegenden glatten Bänder sind mit kleinen Punkten und Dreiecken geschmückt, eine Ornamentirung, wie sie auch an dem Diadem von Pisede sich findet, welches mit ähnlichen Ringen, Handbergen etc ., wie das unsere, dem Bestatteten beigegeben war (s. Jahrb. XXI, 236).

2) eine Nadel in zwei Stücken, 35 cm lang. Der Kopf ist klein, rund, etwas vertieft, darunter laufen bis 7 cm die Nadel hinab fünf große Knoten um dieselbe.

3) eine Nadel in drei Stücken, 18 cm lang. Der Knopf ist kugelig, die Nadel verdickt sich in eigenthümlicher Weise nach der Mitte hin und ist im oberen Theile mit Parallelstrichen verziert. Aehnlich ist die Fr.-Fr. XXIV, 7 abgebildete Nadel unbekannten Fundortes.

4) 11 Reste von Halsringen (von 3 Exemplaren?), gearbeitet wie der oben erwähnte, aber kleiner;

5) vier starke gegossene Handringe, auf einer Seite offen, aber fest anschließend, 6 1/2 cm Durchmesser, wie Fr.-Fr. XXII, 3 (aus Wittenmoor, der alten Bronzezeit angehörig);

6) ein Handring aus starkem Blech, verziert mit Zickzacklinien, 7 1/2 cm Durchmesser, wie Fr.-Fr. XXI, 3;

7) 5 Reste eines starken Fingerringes mit gleichen Ornamenten;

8) zwei Spiralplatten von einem Fingerring oder einer Fibel. Sie sind stark beschädigt und wohl dem Brande ausgesetzt gewesen. Bei ihnen wurden die oben erwähnten Zähne gefunden. Diese sind sehr zart und lassen auf eine junge weibliche Person schließen.

9) ein dolchartiges Instrument nach beiden Seiten spitz zugehend, stark vergangen, 17 cm lang. Auf dem einen

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Ende ist es vertieft und hat 3 1/2 cm von der Spitze ein Nietloch, in dem eine Niete steckt, die wohl zur Befestigung eines hölzernen Griffes gedient hat.

10) ein Stück Golddraht;

11) 73 platte, 8 cylindrische Bernsteinperlen;

12) 5 blaue (z. Th. grünliche, 2 überfangene) Perlen wie oben.

Nordöstlich von diesen Gesammtfunden stand vereinzelt (III) eine kleine, leere Henkelurne, von 36 cm Bauchweite, 9 cm Höhe, 7 cm unterem, 11 cm oberem Durchmesser von der gewöhnlichen Arbeit der Urnen aus den Bronzegräbern.

Nicht weit davon (IV) fanden sich eingepackt in Holz, Leder und Wollenzeug:

1) ein paar Handbergen der gewöhnlichen Form, sehr zerbrochen;

2) zwei Armringe gleich den soeben unter II, 5 erwähnten. Ob wir hierin Reste einer zweiten Bestattung zu sehen haben, oder welchen Zusammenhang sonst diese Funde mit den eben erwähnten haben, ließ sich bei dem Zustande des Grabes nicht ermitteln.

D.

Wie erwähnt, stimmte das 4. Grab mit dem soeben beschriebenen im Allgemeinen überein. Es lag nahe dem nördlichen Rande des Hügels, nicht weit von dem Hauptgrabe entfernt, aber nicht mit ihm verbunden. Wesentlich unterscheidet es sich von diesem dadurch, daß wir in demselben einen begrabenen Leichnam fanden, dessen Haupt im Westen lag und zu dessen Füßen eine Urne stand. Große Stücke des Todtenbaumes sind erhalten. Der Körper selbst war in Wollenzeug gehüllt, von dem ebenfalls Reste bewahrt sind. Deutlich wurde die Lage des Körpers durch die Beigaben bezeichnet, die wir nach ihrer Lage von Westen nach Osten aufzählen:

1) drei gewundene Ringe von 15 cm Durchmesser, zerbrochen, aber vollständig. Als dieselben in Schwerin von den umgebenden Erd= und Holztheilen gelöst wurden, gelang es der geschickten Hand Fräulein Buchheim's, klar zu legen, daß unter diesen Ringen Wollenzeug saß, während in der Erdmasse sich eine Anzahl feiner Zähne fanden. Es erhellt also, daß der Leichnam, wahrscheinlich ein weiblicher, mit einem wollenen Gewande bekleidet war, daß dieses auch den Hals, resp. die Schultern bedeckte, und erst darüber die Ringe angelegt waren.

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2) eine sehr schöne Fibel, leider sehr zerbrochen, 20 1/2 cm lang, die Spiralplatten von 3 cm Durchmesser; der Bügel, 14 cm und in der Mitte 2 cm breit, ist mit Horizontalstrichen, von denen kleine Querstriche auslaufen, verziert, ganz wie der obenerwähnte Goldring; die Nadel hat zwei Querbalken. In des Schweden Hans Hildebrand klassischem Werke über Fibeln (Bidrag til spännets historia) ist diese Form als der zweite Typus der nordischen Gruppe bezeichnet (Figur 3, doch fehlen dort die Querbalken).

3) eine große Anzahl zerbrochener Fingerringe aus Bronze von einfacher Form, in denen zum Theil noch der Knochen steckte, dabei einige kleine Spiralplatten, wohl Reste von Ringen aus gewundenem Draht mit Spiralplatten, wie unsere Großherzogliche Sammlung mehrere enthält und einer Fr.-Fr. XXIII, 16 abgebildet ist (aus Ludwigslust);

4) in der Nähe ein Handring, wie Fr.-Fr. XV, 6, aber reicher verziert, weniger stark als die oben unter 5 erwähnten;

5) 2 kleinere Handringe mit breiterer Oeffnung, mit ungewöhnlich tief einschneidenden Linien verziert;

6) 2 Handbergen der bekannten Form von kleinen Dimensionen. Eigenthümlich ist, daß sowohl die 2 Handringe als die Handbergen am Fußende lagen, also kaum am Körper selbst befestigt gewesen sind. Am östlichen Rande stand eine Urne, die von den Steinen zerdrückt war und deren Form nicht mehr erkennbar ist.

In der Nähe dieses vierten Grabes fanden sich nun im Erdmantel des Kegels einige Steinsetzungen, die Alterthümer bargen.

I. Direct nördlich vom Grabe stand, zwischen Steinen eingepackt, nahe dem Urboden eine Urne von ziemlich bedeutenden Dimensionen, 28 cm Durchmesser an der Oeffnung, 34 cm Bauchweite, 30 cm Höhe. Sie war stark und roh gearbeitet, die Oberfläche schwarz und blasig; die Wände waren gerade. Leider war sie schon zerbrochen und konnte nicht zusammengesetzt werden. In ihr befanden sich dicht zusammengepackt Asche, Knochen und Bronzen. Die Knochen sind außerordentlich zart, die Zähne die einer jungen Person. Die Bronze ist stark zerbrannt, daher nur theilweise die alte Form erkennbar. Wir unterscheiden:

1) ein Blech, vielleicht von einem Gefäße;
2) ein Paar Handbergen;
3) zwei starke Handringe;
4) einen gewundenen Halsring;

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5) zwei Fingerringe von je vier Windungen;
6) Nadel und Bügel einer Fibel.

Neben dieser Urne lag eine kleinere von einfacher, hübscher Form, der Bauch ist kugelig, der Rand scharf ansetzend, etwas nach außen gebogen; sie ist von gleichmäßig rother Farbe und durch schwache Eindrücke auf der Außenseite verziert. Höhe: 13 1/2 cm, oberer Durchmesser 17 1/2, unterer 9 cm, größte Bauchweite (2/3 der Höhe) 59 cm. In dieser Urne befand sich Sand und eine andere Urne, die der in Perdöhl, ebenfalls in einer größeren liegend, gefundenen und Jahrb. XI, S. 362 abgebildeten gleicht. Sie ist weniger gut gearbeitet als die eben erwähnte, hat zwei kleine Henkel und einen hohen, geraden Hals. Höhe 9 3/4 cm, oberer Durchmesser 8, unterer 6 cm, größte Bauchweite (in der Mitte) 31 cm.

II. Zwei Meter von dieser Steinsetzung entfernt stand nach Westen zu eine zweite, etwa 1 Meter über dem Urboden, bestehend aus einem kleinen Steinkegel, in dem eine Urne stand. Sie war schon zerdrückt, wich wesentlich von den anderen ab, indem der Thon viel feiner geschlemmt war und die Oberfläche schwarz glänzte. Asche wurde nicht gefunden.

III. Südwestlich von dem vierten Grabe stand, ebenfalls in Steine eingepackt, eine große Urne mit starker Wand, die zerfiel, ohne daß man ihre Dimensionen bestimmen konnte. Auch sie war völlig angefüllt mit Knochenresten und zerbrannten Bronzegeräthen, außerdem aber mit Scherben von (mindestens vier) Urnen. Letztere sind absichtlich zerbrochen hineingelegt. Es ist gelungen, eine zusammenzusetzen, die viel Interesse darbietet. Sie ist kugelig, hat einen Henkelansatz, eine hellrothe Farbe und ist aus mit Granitgrus durchknetetem Thon ungewöhnlich stark gebrannt. Die Ornamente bestehen aus eingeritzten Perpendiculärstrichen, die sich von dem ähnlichen Ornamente der Urnen aus der Steinzeit durch ihre Unregelmäßigkeit unterscheiden. Höhe etwa 11 cm, untere Weite 7 1/2 cm, größte Bauchweite (in der Mitte) etwa 35 cm. (Reste einer ähnlichen Urne enthält das Kegelgrab von Ruchow.) Obenauf lag ein kleiner gehenkelter Napf von 4 1/2 cm Hohe, 8 1/2 cm oberem Durchmesser, innen schwärzlich; in ihm befand sich ein Stück Bronze (von einem Fingerringe) und etwas Asche. Die Bronzegeräthe, besser erkennbar als die in der unter I erwähnten Urne, waren:

1) ein "Diadem" mit erhabenen Parallelstreifen, eine Form, die häufig ist und nach Lisch (s. Jahrb. XXI, S. 237)

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einer älteren Zeit angehört als die mit Spiralen verzierten. Wir haben demnach drei verschiedene Diademe im "Kannensberg" gefunden.
2) ein paar Handbergen;
3) ein Armring;
4) zwei kleine gewundene Ringe;
5) Reste von (zwei?) gewundenen Halsringen;
6) ein Knopf aus dünnem Blech mit Oese;
7) ein Stück Bronzeblech.

Fassen wir das Gesagte zusammen, so haben wir im "Kannensberg" neben einander von Süden nach Norden vier Gräber, bestehend aus Steinkegeln, auf dem Urboden aufgeschichtet. An diese schließen sich im Norden an Steinsetzungen mit Urnen, die mit zerbrannten Beigaben und Knochen gefüllt sind. Durch einen Erdmantel sind alle zu einem großen Grabe vereinigt. Die Zahl der Bestatteten genau anzugeben ist unmöglich, die geringste Anzahl ist 10, unter denen mit Wahrscheinlichkeit 2 männliche, 8 weibliche sich befinden. Begraben sind mindestens zwei, verbrannt sicher vier, aber auch bei den anderen vier ist die Wahrscheinlichkeit für die Verbrennung größer. Die Beigaben betreffend, ist die Zahl der Waffen sehr gering, gegenüber den Schmuckgegenständen. Außer der Lanzenspitze am äußeren Rande sind nur zwei Schwerter, drei steinerne und eine bronzene Pfeilspitze gefunden, Celte fehlen gänzlich. Dem entgegen ist die Zahl der Diademe, Handbergen, Nadeln, Ringe, Perlen außerordentlich groß. Alle Gegenstände Zeigen den bekannten ernsten und edlen Charakter der reinen Bronzezeit. Vergleichen wir die Typen mit den uns anderweitig bekannten, so zeigen sich zunächst die Armringe in seltener Vollständigkeit. Sämmtliche auf Tafel 22 des Fr.-Fr. abgebildeten Typen sind vertreten mit Ausnahme von 12 und 13, Formen, die der jüngeren Bronzezeit angehören. Wir haben sie vom vollgegossenen Ringe bis zum Bronzeblech, ihre Ornamente, von den tiefen einfachen bis zu den leichten complicirten Linien, können also wohl annehmen, daß die Typen der Armringe zu der Zeit, der unser Grab angehört, ihre Entwickelung vollendet haben, oder anders ausgedrückt, daß dasselbe der letzten Zeit der Periode angehört, in der diese Art Armringe überhaupt erscheinen. Wir setzen dasselbe demnach in die letzte Zeit der älteren Bronzeperiode. Ebenso sind die verschiedenen Typen der Diademe vertreten, und auch die Halsringe zeigen eine große

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Mannigfaltigkeit. Eine relativ junge Zeit wird auch gekennzeichnet durch das häufige Auftreten von Glas und Perlen, die direkt auf eine Kulturperiode hinweisen, welche der reinen Bronzezeit folgt. Zum Beweise dagegen dafür, daß unser Grab in der That der älteren Bronzezeit angehört, mag auf vier Momente hingewiesen werden, die ihre Erläuterung bei Besprechung eines anderen Friedrichsruher Grabhügels finden werden: 1) auf den Umstand, daß wir beerdigte Leichen haben, 2) auf die Form der Fibel, 3) auf das Auftreten steinerner Pfeilspitzen, 4) auf das Fehlen der für die jüngere Bronzezeit bei uns typischen Formen, als der tutuli, der Pincetten, der sogenannten "Scheermesser", Ringe mit Stollen etc .

Noch sind alle unsere Zeitbestimmungen der Bronzezeit durchaus relative. Noch ist es nicht gelungen, den festen Punkt zu finden, an dem die bisher zeitlose nordische Kultur der südeuropäischen, die im Glanze der Geschichte darliegt, die Hand reicht. Wann es geschah, daß das Bronzevolk des zwischen den Sümpfen der Elde und Warnow hervorragenden Plateaus über seine Helden diesen Grabhügel wölbte, wir wissen es nicht. Noch liegt der Reiz des ungelösten Räthsels über der bronzenen Heroenzeit unseres Landes.

2) Der "Glockenberg".

Nicht durch seine Gestalt, aber durch seinen Inhalt reiht sich an den "Kannensberg" ein zweites Kegelgrab, welches im Volksmunde früher der "Glockenberg" hieß, nach dem Glauben, daß, wenn man sein Ohr an den Hügel lege, man eine Glocke darin erklingen höre. Es lag etwa 600 Schritt vom "Kannensberg" direkt östlich. Bei Beginn der Ausgrabungen hatte es noch eine Höhe von 1 1/2 m; der Umfang betrug ca. 70 m, am äußeren Rande lief der übliche Steinkranz hin. Die Ausgrabung erfolgte am 2. bis 4. Mai 1881, konnte aber, da ein Theil damals noch besäet war, erst am 10. und 11. März 1882 beendet werden. In dem Bericht des Herrn Wildhagen ("Meckl. Landesnachrichten" 1881, No. 156) ist dieses Grab als No. 3 bezeichnet. Der Hügel zerfiel in 5 Gräber. Da wir nicht ein einzelnes als Hauptgrab bezeichnen können, beginnen wir mit dem südlichsten.

A.

Die interessantesten Funde lieferte das südlichste Grab, welches unmittelbar am Rande des Hügels begann. Dasselbe

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bildete einen Kegel auf ovaler Grundfläche, der in der Mitte zusammengesunken war. Die Wände waren 1 Meter hoch und aus großen Steinen aufgeschichtet. Eigenthümlich waren zwei Ausläufer, die sich von diesem Grabkegel nach Nordwesten und Nordosten hinzogen, rechteckige Steinsetzungen von etwa 1 Meter Länge, 1/2 Meter Breite und geringer Höhe.

Im Grabe war eine Leiche beerdigt, nach Osten schauend. An Beigaben fanden sich:

1) ein Schwert, auf der Brust liegend, wie in Grab C. Es ist in 5 Stücke zerbrochen, ist 58 cm lang und an der breitesten Stelle 3 1/2 cm breit. Die Klinge ist stark, mit erhabenem Grat, der auf beiden Seiten von 2 feinen Parallellinien begleitet wird. Der 8cm lange Griff ist von großer Schönheit. Er hat den in Montelius oben (S. 263) angeführter Abhandlung unter Figur 7 beschriebenen Typus und ist auf unserer VI. (2.) Tafel unter No. 7 abgebildet. Die schwarze Emaileinlage ist nur theilweise erhalten. Diese Schwerter, die gekennzeichnet werden durch den aus Parallelplatten mit Einlage bestehenden Griff und das halbmondförmige Griffende, bezeichnen den Höhepunkt in der originalen Entwickelung des nordischen Bronzeschwertes und sind daher an das Ende der älteren Bronzezeit zu stellen. Wir haben in unseren Schweriner Sammlungen an Schwertern mit halbmondförmigem Griffende, aber nicht durchbrochenem Griff (ältere Form), eines aus Alt=Sammit, eines unbekannten Fundorts, und ein unten zu erwähnendes aus Friedrichsruhe, dem unseren gleichend solche aus den Kegelgräbern von Dabel, Peccatel und Schwan, ohne nähere Fundnotiz völlig gleiche aus Sternberg und Bockup. Zu dem Schwerte gehört ein vierseitiges Ortband; die Scheide, aus Holz mit Leder bekleidet, ist theilweise erhalten.

2) Neben dem Griff des Schwertes lag eine Nadel von 15 1/2 cm Länge mit eckigem Knopf;

3) unter dem Schwerte lag ein starker Doppelknopf von 4 cm Durchmesser, der offenbar den Gürtel zusammengehalten hatte. Die obere Seite war mit 8 zu einem Stern zusammenlaufenden Einschnitten verziert, die untere glatt. Ein Knopf von ähnlicher Größe und Form ist nur noch in dem schon mehrmals zur Vergleichung herbeigezogenen Grabe von Slate (s. Jahrb. XXXIII, S. 131, mit Abbildung) gefunden worden;

4) in der Nähe ein kleiner (zerbrochener) Doppelknopf, wohl zum Zusammenhalten des Gewandes;

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5) in der Gegend der rechten Hand zwei Fingerringe von Bronze (abgebildet Taf. VI (2), No. 8), an Gestalt völlig gleich den unten beim Grabe C beschriebenen; die Verzierung ist in einfacherer Weise durch vertiefte Horizontallinien hergestellt.

6) in der Gegend der linken Hand ein goldener Armring von vortrefflicher Arbeit. Er ist aus hellem Golde und hat am Ende feine Spiralwindungen, wie der Frid-Franc. XXII, 2 abgebildete aus Bekentin. Aehnliche Ringe sind noch in Parchim und im Hügel bei Peccatel (Jahrb. IX, 376 mit Abbildung) gefunden, im letzteren mit den gleichen Beigaben; siehe auch unten bei Grab D. Das häufige Auftreten von Gold in unseren Friedrichsruher Gräbern giebt einen neuen Beleg zu der Beobachtung von Lisch, daß das südwestliche Meklenburg die meisten und reichsten Goldfunde aufzuweisen hat.

7) Zu Füßen stand ein bronzenes Gefäß, eine der seltensten Erscheinungen in unseren Kegelgräbern. Leider ist dasselbe durch einen Stein zerdrückt und konnte nur theilweise zusammengesetzt werden. Das Gefäß ist aus dünnem Bronzeblech getrieben, hat eine obere Weite von 14 cm Durchmesser und eine Höhe von 8 cm. Die Form siehe auf Taf. VI (2) unter Fig. 10. Der Henkel ist mit 4 starken Nieten befestigt und mit feinen Strichen an den Enden und 10 erhabenen Punkten verziert. Es ist das dritte Mal, daß ein kleineres Bronzegefäß in einem meklenburgischen Grabe gefunden wird. Wir haben ein ähnliches in Ruchow (Frid.-Franc. S. 45, Jahrb. V, S. 33). Form und Arbeit sind gleich, nur ist der Henkel auf dem Ruchower mit einer starken Niete angesetzt. Etwas abweichend ist das von Weisin (Jahrb. V, S. 383); dasselbe ist wesentlich kleiner und aus dünnerem Blech, der Rand ist gerippt. Daneben wurde ein zweites gefunden, dessen Rand durch einen Draht zusammengehalten wurde, wie es bei den unten zu erwähnenden Granziner Kesseleimern der Fall ist. Diese Technik, wie auch die eisernen Geräthe, die in jenem Grabe gefunden sind, weisen dieses Gefäß einer jüngeren Zeit zu. Von besonderem Interesse aber ist ein Vergleich mit dem berühmten Kesselwagen von Peccatel. Wir haben an ihm dieselben eingeschlagenen Ornamente, dieselbe Rundung des Bauches, überhaupt in größeren Dimensionen dieselbe Form, so daß wir nicht anstehen, beide einer Zeit zuzuschreiben, zumal auch andere Geräthe der betreffenden Gräber (Schwert und Goldring) sich genau entsprechen. Aehnliche Näpfe sind in südlichen

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Kulturgebieten vielfach gefunden (s. u. a. Lindenschmit: Alterthümer uns. heidn. Vorzeit II, Heft 3, Taf. V, Fig. 3 aus Mainz, und Verhandlungen der Berliner Anthropol. Gesellsch. 1881, Taf. 3 Fig. 1 aus Rohow bei Ratibor mit der eingehenden Besprechung von A. Voß). Können wir sie also nicht als nordische Erzeugnisse in Anspruch nehmen, so tragen wir doch Bedenken, sie ohne Weiteres mit den gebuckelten Näpfen zusammenzustellen, die in Mooren häufig gefunden werden und von denen wir unten bei Gelegenheit der Granziner Kesseleimer zu sprechen haben. Der Inhalt dieses Gefäßes bestand aus Sand und Asche.

8) Daneben stand eine thönerne Urne von der üblichen Form, ebenfalls mit Sand und Asche gefüllt.

Von den beiden erwähnten Ausläufern war der östliche leer, der westliche enthielt:

1) eine kleine Fibel von seltener Gestalt. Ihre Nadel hat nämlich nicht wie gewöhnlich am Ende Querbalken, sondern eine kleine massive Platte, wie die Fr.-Fr. XI, 6 und 7 abgebildeten unbekannten Fundorts. Eine ähnliche ist noch in einem Kegelgrabe von Krakow gefunden (Jahrb. XII, 416).

2) eine kleine ungehenkelte Urne.

B.

Nördlich von diesem ovalen Grabe lag ein ähnliches von runder Gestalt, welches in der Weise wie die Hügel der Kegelgräber von einem mauerartigen Steinringe eingefaßt war. Auf dem Steinpflaster haben drei Leichen neben einander gelegen, nach Osten schauend. Alle sind vergangen, nur einige Zähne sind erhalten. Die Beigaben sind nicht bedeutend und meist vergangen:

1) bei der östlichen Reste eines massiven bronzenen Fingerringes und einer kleinen Spiralwindung;

2) bei der mittleren ein stark oxydirtes und zerbrochenes Messer. Dasselbe hat eine ähnliche Form wie das im zunächst zu erwähnenden Grabe, ist 18 cm lang in der Klinge, etwa 2 cm breit, leicht gebogen und hat eine völlig gedrehte Griffzunge mit zwei Nieten; am Ende des Griffes befand sich ein Ring, der aber abgebrochen ist. Ein ganz gleiches Messer ist dem Kegelgrabe von Alt=Sammit entnommen (Jahrb. XII, S. 408).

3) bei der westlichen Leiche eine Anzahl Bruchstücke von schwachen Fingerringen.

Zu Füßen stand eine flache, rundliche Urne.

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C.

Dasselbe bestand aus einem Steinkegel auf ovaler Grundfläche, der, wie gewöhnlich, in der Mitte zusammengesunken war. Auf einem Steinpflaster lag in westöstlicher Richtung der Leichnam, bis auf einen kleinen Theil des Kiefers völlig vergangen. Seine Lage wurde genau bezeichnet durch folgende Fundstücke:

1) auf der Brust lag ein Schwert von 62 cm Länge, zerbrochen in 6 Stücke; es ist durch und durch oxydirt, die Bruchenden sind frisch, und der Bruch ist durch die von oben drückenden Erd= und Steinmassen herbeigeführt. Das Schwert hat eine ausgeschweifte Griffzunge von 7 1/2 cm Länge, 2 3/4 cm Breite mit 8 Nietlöchern. Der Griff war aus Holz mit Lederüberzug angesetzt, die Klinge stark und leicht erhaben. Reste der Scheide aus Holz und Leder sind erhalten, auch steckt in dem (4 seitigen, wie ein Pyramidenstumpf gestalteten) Ortband ein Stück Holz. Das Schwert ist also dem im "Kannensberg", Grab I, gefundenen ähnlich, aber stärker, und gleicht völlig denen der alten Heldengräber von Ruchow und Pölitz.

2) neben dem Schwerte ein Messer mit geschweifter Klinge, 10 1/2 cm lang, 2 1/2 cm breit. Der Griff war, wie zwei Nieten zeigen, an eine Griffstange angesetzt, wohl aus Holz, am oberen Ende der Griffstange ist ein Ring von 2 cm Durchmesser. Aehnliche Messer mit z. Th. erhaltener Griffzunge und Ring enthalten die Kegelgräber von Sukow (Frid.-Franc. S. 57 und Tafel XVI, 13), Slate (Jahrb. XXXIII, S. 134 mit Abbildung), Dabel (Jahrb. XXIII, 281 mit Abbildung), Damerow (Jahrb. XII, S. 412), Kläden (Jahrb. XXXVIII, 141) und Zachow. Besonders frappirend ist die Uebereinstimmung dieses Fundes mit dem von Slate, wo auch ein gleiches Schwert, Pfeilspitzen und Knöpfe sich fanden.

3) Auf derselben Seite lagen 9 Pfeilspitzen aus Feuerstein von derselben Form wie die aus den oben aufgezählten Kegelgräbern und aus dem "Kannensberge" (s. auch Frid.-Franc. XXVII, Figur 14- 17, deren Fundort leider nicht angegeben ist).

4) zwei kleine Bronzeknöpfe, verziert durch eingeschnittene Linien.

5) in der Gegend des Gürtels ein größerer Doppelknopf von 2 cm Durchmesser, verziert durch eingekerbte und mit schwarzer Masse gefüllte Linien in Form eines Sternes;

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6) an der linken Seite in der Gegend der Hand eine Pfeilspitze wie oben, mit Spuren der Schaffung, und ein massiver goldener Fingerring von ausgezeichneter Arbeit (s. Abbildung No. 9).

7) an der rechten Seite ein zweiter gleicher Ring und Reste eines dünnen bronzenen Fingerringes mit feinen Parallelstreifen.

8) Zu Füßen stand eine gehenkelte Urne von der in Kegelgräbern gewöhnlichen Form, 10 cm Höhe, 16 cm oberem, 8 cm unterem Durchmesser.

Quer über der Leiche lag ein Stock von "Dicke des Daumens", in dem Herr Wildhagen ein Ueberbleibsel des Bogens vermuthet.

D.

Wesentlich abweichend von den erwähnten ist das sich nördlich an C anschließende Grab, dessen Construction zu den eigenthümlichsten unserer Bronzegräber überhaupt gehört. Dasselbe war nämlich unter der Erde, und zwar lag der Steindamm 2 Meter tief unter dem Urboden. Es war ein Doppelgrab, bestehend aus zwei Rechtecken, einem größeren westlichen und einem kleineren östlichen. Diese beiden Kammern waren durch eine Steinschicht getrennt, die sich noch eine Kleinigkeit über den Urboden erhob. Die Wände der Grabkammer selbst ragten noch etwa 2/3 Meter über den Urboden hervor. Eine fernere Eigenthümlichkeit bestand darin, daß die in den Grabkammern beigesetzten Leichen nicht horizontal lagen, sondern je auf einer Steinschicht, die von den äußeren Wänden bis zur inneren (trennenden) sich bedeutend abschrägte. Der Kopf der Leichen hatte auf dem höheren Ende gelegen, so daß die Leiche der östlichen Kammer nach Westen, die der westlichen nach Osten sah und beide mit den Füßen zusammenstießen. Größere Reste der Leichen sind nicht erhalten.

I. Die westliche (größere) Grabkammer enthielt männliche Utensilien:

1) ein Schwert, sehr stark, 49 cm lang, 4 cm breit, in 4 Stücken, die Griffzunge ist verloren, doch eine Niete erhalten. Reste der hölzernen Scheide lagen daneben. Die Form war dieselbe, wie in dem eben erwähnten Grabe.

2) 7 Pfeilspitzen von derselben Gestalt wie oben;

3) ein goldener Armring von demselben rothen Golde wie die Fingerringe in Grab C. Er ähnelt dem in Grab A gefundenen, doch sind die Spiralwindungen an den Enden

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ungleich plumper, z. Th. nicht ausgeführt, sondern durch Striche angedeutet.

4) eine (zerbrochene) Henkelurne, zu Füßen stehend.

Durch das ganze Grab zerstreut lagen Holzstücke, die hier wohl als Reste des Todtenbaumes zu deuten sind.

II. Die östliche (kleinere) Grabkammer enthielt nur einige dürftige Reste von einer kleinen Fibel und dünnen Fingerringen; wir haben hier also eine ähnliche Ausstattung wie im eben beschriebenen Grabe B.

Neben dem letzten Grabe befand sich auf dem Urboden eine Feuerstelle mit Urnenscherben bedeckt. Hier lag ein räthselhaftes Instrument, ein fast walzenförmiger Kegel mit abgestumpften Enden aus gebranntem Thon.

E.

Das nördlichste Grab lief bis an den Rand des Erdmantels des Gesammtgrabes hinan. Es war ein Rechteck von etwa 2 1/2 m Länge und 1 1/4 m Breite. Hierin fand sich nur eine durch den Druck der Steine zerbrochene Urne von der gewöhnlichen Art.

Wir haben also im Glockenberge in 5 Gräbern 7 beerdigte Leichen, denen 2 verbrannte (in dem einen Ausläufer von A und in E) gegenüberstehen. 3 Gräber gehören offenbar Männern an, die anderen können weibliche sein. Verglichen mit dem Kannensberge fällt die ungemein reichere Ausstattung der männlichen Gräber auf; die weiblichen weisen hier nur dürftige Fibeln und Ringe auf, während die Männer in Waffenrüstung und Goldschmuck bestattet sind. Bei der im Allgemeinen gleichen Anlage beider Grabhügel dürfen wir sie einer Zeit zuschreiben, und es ergiebt sich, daß damals die Beerdigung die vornehmere Form der Bestattung gewesen ist. Wenn sich bei Beginn der Ausgrabungen der Kannensberg als höher und stattlicher präsentirte als der Glockenberg, so haben wir diesen Umstand wohl weniger einer prähistorischen Galanterie den Damen des Kannensberges gegenüber zuzuschreiben, als einer intensiveren Beackerung des Glockenberges, wie sich schon aus dem Umstande ergiebt, daß an einer Stelle die Grabkammer über den supponirten Umfangsring hinaus bis in den umgebenden Acker hineinlief. Bei einem Vergleiche mit anderen Gräbern der Bronzezeit haben wir auf drei Momente zu achten: die Beigaben, die Art der Bestattung und die Anlage des Grabhügels. In erster Beziehung stimmt unser Grab mit den

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benachbarten von Peccatel (s. oben bei A) und Slate (s. oben bei C) überein; Aehnlichkeit bieten auch die von Ruchow, Pölitz, Dabel, Schwan. Charakteristisch ist das Vorkommen derselben steinernen Pfeilspitzen. Dieselben sind allerdings in dem der Steinzeit angehörenden Pfahlbau von Wismar gefunden, sonst aber weder in Gräbern der Steinzeit, noch in Gräbern der jüngeren Bronze= oder Eisenzeit; sie gehören demnach nicht überwiegend der Steinzeit, sondern der älteren Bronzezeit an. Dies beweist z. B. auch die Betrachtung der Collection Pfeilspitzen in der prächtigen Rosenbergischen Sammlung, die jetzt eine Zierde des Germanischen Museums ist 1 ). Die Art der Bestattung ist in den angeführten Gräbern die Beerdigung; auch in Pölitz und Slate, wo die Fundberichte über Leichenreste schweigen, ist eine solche nach der Lage der Beigaben und der Analogie nicht ausgeschlossen. Daß die Beerdigung die ältere Form der Bestattung ist, kann keinem Zweifel unterliegen. Sie erscheint als die vornehmere Form in der entwickelten Bronzezeit, verschwindet dann gänzlich und tritt erst am Ende der heidnischen Periode wieder auf. Eigenartig dagegen ist die Weise, wie eine Reihe von Gräbern durch einen Hügel zu einem Massengrabe verbunden sind. Es ist nicht möglich, zu sagen, welches als Hauptgrab zu betrachten sei. Ein System ist in der Anlage nicht zu erkennen, und es will fast scheinen, als seien die ursprünglich völlig isolirten, in einer Reihe neben einander gelegenen Gräber, etwa nach dem Aussterben des Geschlechtes, durch einen alle umfassenden Hügel zu einer Einheit verbunden, wesentlich anders also als in Ruchow, wo das Mittelgrab den Leib des Helden, die Seitengräber Frauen und Kinder enthielten.

3) Die "Sandgrube".

Die meisten auf der Friedrichsruher Feldmark bekannt gewordenen Gräber liegen zwischen dem Kannensberge und dem Glockenberge. Nur eines lag westlich vom ersteren in geringer Entfernung. Es ist von den Dorfbewohnern als Sandgrube benutzt worden und seine ursprüngliche Form daher nicht mehr festzustellen. Die geretteten Fundgegenstände sind aus den Händen der Bauern in unsere Sammlung gekommen. Es sind dies:

1) ein Schwert mit Griffzunge ohne Nietlöcher, etwa 57 cm lang. Es ist in 9 Stücken allmählich gefunden, stark


1) Für die Steinzeit Ostpreußens siehe dagegen: Tischler, Beiträge zur Kenntniß der Steinzeit. Königsberg 1882, S. 6 u. s.
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oxydirt, auch an den Bruchenden; es war also zerbrochen in das Grab hineingelegt.

2) eine Speerspitze mit starkem Mittelrücken und 2 Nieten, 13 cm lang, völlig übereinstimmend mit der Fr.-Fr. VIII, 3 abgebildeten aus dem Kegelgrabe von Brahlstorf.

3) eine Nadel mit plattem Knopf, am oberen Ende mit herumlaufenden Horizontalstrichen verziert, die an 3 Stellen durch Streifen mit Schrägstrichen unterbrochen werden, ähnlich der im Fr.-Fr. XXIV, 13 abgebildeten. Die Spitze ist abgebrochen, ihre Länge noch 17 cm. Sie hat eine helle Patina, und die Oxydation geht nicht tief, unterscheidet sich also dadurch wesentlich vom Schwerte und von der Speerspitze.

4) zwei Spiralringe von rothem Golde aus ungewöhnlich starkem Drahte.

4 - 12) Die übrigen 9 Grabhügel zu Friedrichsruhe.

Wir zählen die übrigen Gräber in der Reihenfolge auf, wie sie sich östlich an den Kannensberg anschließen, wiederholen aber, daß ein System in ihrer Zusammenstellung nicht aufgefunden ist, ein Umstand, der uns nicht Wunder nimmt, wenn wir bedenken, wie viele schon früher zerstört sind, wie manche auch noch jetzt unerkannt unter der Erddecke liegen mögen.

4. Grabhügel.

Dieses Grab lag etwa 200 Schritt vom Kannensberg östlich, der Hügel war abgepflügt, die umfassenden Steine zum Theil ausgebrochen, so daß die Dimensionen nicht mehr zu bestimmen waren. Die Anlage glich der des ersten Grabes des Kannensberges. Auf einem Steinpflaster waren drei Abtheilungen durch größere Steine geschieden; am westlichen und östlichen Ende erhoben sich Steinkegel, während die Mitte Zusammengestürzt war. Zwei Grabkammern waren leer, die mittlere enthielt die Reste einer männlichen Leiche. Es fanden sich:

1) ein prächtiges Schwert, von dem leider die Spitze verloren gegangen ist. Es wird etwa 55 cm lang gewesen sein; die starke Klinge hat einen erhabenen Mittelrücken, der auf beiden Seiten von 4 feinen Parallelstreifen begrenzt wird; die Griffzunge ist schmal und kurz und enthält 3 größere und 2 kleinere Nieten zur Befestigung des Griffes, der, wie erhaltene Reste zeigen, aus Holz und Leder angesetzt war. Die Griffeinfassung ähnelt der des Schwertes aus dem Glockenberge, Grab A, doch laufen die halbmondförmigen Linien nicht zu einem Kreise zusammen. Aehnliche Schwerter

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sind in einem Kegelgrabe zu Braunsberg gefunden (s. Jahrb. XXXI, S. 59) und bei Montelius a. a. O. Fig. 22 abgebildet. Die Scheide bestand aus Holz und Leder, das Ortband ist oval und ziemlich schmal.

2) ein kleines Stück Bronze mit außerordentlich feiner Verzierung von zwei Reihen kleiner, stumpfwinklig gegen einander gestellter Parallelstriche.

3) eine Urne der gewöhnlichen Form mit etwas gebogenem Rande, ohne Verzierung. Durchmesser: oben 13 1/2, unten 5 cm, Höhe: 41 cm, äußere Bauchweite: 41 cm.

4) eine Kugel aus Diorit, wie solche gelegentlich in Kegelgräbern sich finden.

Durch das ganze Grab waren Holzreste zerstreut, die vom Todtenbaume herzurühren scheinen.

In Anlage und Ausstattung reiht sich also dieses Grab denen der beiden größeren Grabhügel an.

5. Grabhügel.

In geringer Entfernung nordöstlich, sich an das vorige anschließend, fanden sich unter einem Hügel drei Gräber aus bedeutenden Steinmassen aufgeschichtet, deren Ausbeute aber eine sehr geringe war.

A.

Das südliche Grab bildete ein Rechteck von 4 und 3 Metern. Eigenthümlich war, daß es in der Mitte fast 1 Meter tief in die Erde hineinging, also dem Grabe D des Glockenberges ähnlich war. Zwischen den Steinen und von ihnen zerdrückt waren 2 Urnen, eine größere mit Asche, Kohlen und Knochensplittern gefüllt, und eine kleinere, leere. Wir werden bei Gelegenheit des zwölften Grabes darauf zurückkommen.

B.

Das mittlere Grab stellte einen Steinkegel auf unregelmäßiger, im Allgemeinen ovaler Grundfläche dar. Der ostwestliche Durchmesser betrug 7, der nordsüdliche 4 m. Zwischen den Steinen stand eine zerdrückte Urne, unter denselben auf dem Urboden scheint eine (weibliche?) Leiche gelegen zu haben. Es fanden sich:

1) der Griff eines Messers, flach, in der Mitte offen, mit gerade abschneidendem, nicht, wie gewöhnlich, rundem Ende (s. Lindenschmit, Alterth. der heidn. Vorzeit II, Fig. 2644, aus Hannover). Die Patina ist schön, hellgrün, z. Th.

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blau, wie oft bei Gegenständen, die sich in unmittelbarer Nähe einer Leiche befunden haben.

2) ein kleiner Rest einer Pincette.

3) eine Urne mit kleinem, scharf ansetzendem Rande, im Osten, also zu Füßen stehend. Durchmesser: oben 17, unten 8 cm; Höhe: 13 cm; größte äußere Bauchweite: 56 1/2 cm.

C.

Das nördliche Grab, oval, etwas kleiner als das mittlere, enthielt nur eine am östlichen Ende stehende, zerdrückte Urne, wohl die einzige Beigabe eines Beerdigten.

6. Grabhügel.

Nördlich vom vorigen lag ein kleinerer Grabhügel mit zwei ovalen Gräbern. Es fanden sich auf dem Urboden in beiden nur Asche und zerbrannte Knochenreste, keine Spur von Bronze, selbst keine Urne. Wir sehen hierin die Bestattung des geringeren Theiles des Volkes. (Vgl. unten Grab 10.)

7. Grabhügel.

Größeres Interesse bietet der nördlich gelegene Hügel. Derselbe enthielt wiederum zwei Grabstätten.

A.

Die südlichere bestand aus einer ca. 1 Meter in die Erde hineingehenden vierseitigen Grube von etwa 2 Metern Länge und 1 Meter Breite. Auf ihrem Boden war ein Steindamm, an den Wänden waren Steine aufgeschichtet, die bis über den Urboden hinaufgingen. Als man das Grab bis zum Urboden freigelegt hatte, erschien dasselbe als ein Steinring von geringer Höhe. Es ist dieses das dritte unterirdische Grab, welches bei Friedrichsruhe aufgedeckt ist. Auf dem Steindamm lagen, von Steinen überdeckt:

1) eine Pfeilspitze von Feuerstein, am westlichen Ende.
2) ein kleiner Rest eines schmalen Fingerringes.
3) eine kleine, leere Urne am östlichen Ende.

Eigenthümlich und alleinstehend ist nur der Umstand, daß man in der Erde, die die mit Steinen ausgelegte Grube füllte, noch unterhalb des Urbodens auf Knochen stieß, die, nach dem kleinen Platze, den sie einnahmen, und ihrer Lage zu einander, einem kauernden Manne angehören. Die Knochen sind theilweise sehr gut erhalten, ganz im Gegensatze zu den

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anderen Leichen der Friedrichsruher Gräber, die ausnahmslos fast gänzlich vergangen sind. Sie sind sehr stark, genügen aber leider nicht zu einer Herstellung des Skelettes. Zwischen diesen Knochen nun lag ein eisernes Messer mit starkem, hohlem, rundem Griff und geradem Rücken. Der größere Theil der Klinge ist verloren, die Form demnach des Genaueren nicht festzustellen; die ursprüngliche Länge wird etwa 16 cm betragen haben. Es könnte nun scheinen, als sei jetzt endlich einmal das Vorkommen von Eisen in einem Grabe der Bronzezeit konstatirt. Bedenkt man aber, 1) daß die Art der Bestattung dieses eisenkundigen Mannes von der der Bronzeleute völlig abweicht, 2) daß derselbe oberhalb des Begräbnisses der letzteren bestattet ist, 3) daß die bedeutend bessere Erhaltung der Gebeine auf eine jüngere Zeit weist: so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der Mann mit dem Eisenmesser nachträglich, vielleicht nach Jahrhunderten, in dem alten Grabhügel aus der Bronzezeit beigesetzt worden ist. Möglicherweise ist dabei das alte Grab ausgeräumt, und so die geringe Ausbeute zu erklären.

B.

Das nördliche Grab bildete ein Oval wie 6., war aber wie dieses völlig leer.

8. Grabhügel.

Dieser Hügel lag in geringer Entfernung nordwestlich vom vorigen. Er bestand aus drei Gräbern, von denen zwei bereits zerstört waren. Das mittlere, erhaltene glich dem ersten des Kannensberges und dem oben unter Nr. 4 beschriebenen in Form und Ausstattung. Es fanden sich:

1) ein starkes Schwert, ganz wie das erste des Kannensberges, in 4 Stücken mit ursprünglichem Bruche, von 49 cm Länge. Die Griffzunge hat einen erhabenen Rand und, wie gewöhnlich, 8 Nietlöcher; 6 Nieten sind erhalten. Die Scheide bestand aus Holz, mit Leder ausgepolstert; sie ist ungewöhnlich gut erhalten, zeigt z. B. noch die Riemen, die zum Zusammenhalten des oberen Theiles dienten. Das Ortband ist klein, 4seitig und enthält noch ein Stück Holz.

2) Stücke einer kleinen Fibel mit Spiralplatten, ebenfalls gleich der des Kannensberges (Grab A).

3) eine Urne, die aber zerbrach.

Theile des Skelettes und des Todtenbaumes sind erhalten.

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9. Grabhügel.

Durch Lage und Dimensionen viel versprechend war ein Grabhügel, der etwas nordöstlich vom 8. lag. Er bildete die Spitze einer langsamen Erhebung des Terrains von Norden her und war daher weithin sichtbar, obgleich er längst abgepflügt war und sich nur wenig über den umgebenden Ackerboden erhob. Der Umfang scheint 70 Schritt betragen zu haben. Am nördlichen Ende waren früher die beim Ackern hinderlichen Steine ausgebrochen und dabei eine steinerne Pfeilspitze gefunden worden. Die Ausgrabung vom 20. bis 23. März 1882 ergab zwei Steinsetzungen mit mehreren Grabkammern.

A.

Das südliche Grab war durch eine nordsüdliche Wand von größeren Steinen in zwei Hälften geschieden. In der westlichen fand sich auf einem Steinpflaster ein Leichnam, das Haupt im Westen. Die Hirnschale ist erhalten. Auf dem Kopfe hatte derselbe Zierrathen aus aufgewickeltem Bronzedraht, welcher auf einer (erhaltenen) Sehne aufgereiht war und in kleine Kegel endete. Auch daneben lagen Theile desselben. Die Vermuthung, daß der oder wahrscheinlicher die Beerdigte ein mit Bronzedraht verziertes Netz, welches unter dem Kinne zusammengebunden wurde, auf dem Kopfe gehabt habe, wird durch die Analogie ähnlicher Funde zur Gewißheit. Schon die griechischen Frauen scheinen ihre χεχρύφαλοι (Kopfhauben) mit Metallstückchen besetzt zu haben; die Athene im Westgiebel des Tempels von Aegina zeigt auf dem Helme Vertiefungen, von denen man annimmt, daß sie mit Bronze gefüllt waren, welche eine Art Haarnetz (s. Brunn, Glyptothek S. 70) darstellte. Klemm, Handbuch der deutschen Alterthumskunde, bildet Tafel II, Fig. 9 und 10 diese Spiralen als Haarschmuck ab und führt S. 61 Beobachtungen aus Gräbern in Norddeutschland und Kurland, wo "viele solche Gewinde an Wollenfäden hingen, gleichsam eine eherne Perücke bildend", der Gegend von Halle und der Krim an und bezeichnet damit einen Weg in das östliche Europa, der, zumal die angeführten Beispiele aus Griechenland hinzukommen, für das Verständniß unserer Bronzekultur nicht ohne Bedeutung ist. In deutschen Museen stoßen wir häufig auf solche Spiralen, die nicht immer richtig erkannt sind. Ich habe mir notirt: in Jena aus einem Grabe bei Allstedt (aus der 4. Periode von Kopfleisch) und einem "Händlerfunde" bei Dornburg,

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in Würzburg, in Innsbruck aus einem Grabe bei Pfatten etc . Auch bei uns ist aufgereihter Bronzedraht mit erhaltenen Fäden in Kegelgräbern gefunden, z. B. in Sparow (Fr.-Fr., Text S. 60), Kremmin (desgl. S. 49), ferner bei Ludwigslust (abgebildet Fr.-Fr., No. 6).

Neben dem Leichnam und zu Füßen, zwischen Steinen eingepackt und von diesen zerbrochen, standen zwei größere Urnen, grobwandig, mit Querstrichen verziert. Ueber dem Leichnam lag eine Schicht Steine, die Enden des Grabes waren mit mauerartig gesetzten Steinen von z. Th. sehr beträchtlicher Höhe eingefaßt.

Die östliche Grabkammer, ebenso angelegt, enthielt ebenfalls einen Leichnam, ohne andere Beigaben als die zweier Urnen zu Füßen und zwischen den Steinen der umfassenden Mauer.

B.

Die nördliche Grabkammer enthielt ebenfalls zwei Abtheilungen, eine westliche und eine östliche. In der westlichen war der Urboden mit dicker Asche, z. Th. rother, wie sie der Torf giebt, Holzkohle und verbrannten Knochenstücken bedeckt. Dazwischen fanden sich 3 steinerne Pfeilspitzen. Wir haben unzweifelhaft einen Brandplatz für mehrere Personen vor uns, die mit ihren Waffen und Schmuckgegenständen hier verbrannt sind. Die Hoffnung, daß wir letztere an einer andern Stelle des Grabes in eine Urne gesammelt finden würden wie beim Kannensberge, hat sich nicht erfüllt. Und doch scheint eine solche Sammlung stattgefunden zu haben. Ueber der Aschenlage war nämlich ein Steinkegel aufgeschichtet, und in diesem fand sich ziemlich an der Spitze ein Armring von Bronze, sehr verbogen, und an einer andern Stelle eine ebenfalls beschädigte Bernsteinperle - Gegenstände, die sich so isolirt nie finden und als verlorene oder verworfene Theile des Gesammtschmuckes aufzufassen sind.

Im östlichen Theile stieß man auf die Reste einer beerdigten Leiche, die auf einem Steinpflaster liegend nach Osten sah. Zu Füßen stand eine zerdrückte Urne, von andern Beigaben fand sich keine Spur. Ueber sie war eine Schicht Dammsteine gehäuft.

10. Grabhügel.

Grab 9 war das nördlichste der zwischen Kannensberg und Glockenberg gelegenen. Kehren wir zu der westöstlichen Linie zurück, so stoßen wir direkt östlich von 7 nahe bis 6

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auf ein Brandgrab, welches dem letzteren glich. Auf einem kreisrunden Steindamme waren vier Kammern durch größere Steine abgetheilt. Es fand sich nur Asche und zerbrannte Knochen, gar keine Beigaben, also ganz wie bei 6. Ueber der Grundfläche waren Steine zu einem nicht hohen Kegel aufgethürmt. Es folgt nach Südosten:

11. Grabhügel.

Die ursprüngliche Höhe und der Umfang waren nicht mehr zu erkennen, da der Hügel völlig abgepflügt war, so daß die Steine sich nur noch wenig aus dem Ackerboden erhoben. Die Grundform der Steinsetzung war ein Oval von 14 (nordsüdlich) und 8 m (westöstlich) Durchmesser. Dieselbe war in drei Kammern geschieden.

A.

Die südliche zeigte keine Spur von Asche, Kohle oder dergl. Am östlichen Ende stand, zwischen Steinen eingepackt, eine mit Asche und zerbrannten Knochen gefüllte große Urne gewöhnlicher Gestalt.

B.

Die mittlere Kammer ergab beim Wegräumen der oberen Steine eine Lanzenspitze, in der noch Holzreste steckten. Sie ist 14 1/2 cm lang, hat einen starken Mittelrücken und ist hellgrün patinirt. Auf Spuren des Leichnams stieß man erst, als die Steinschichten sämmtlich abgeräumt, und man bis zu dem Urboden vorgedrungen war. Es ist dies das zweite Mal (s. oben bei Hügel 5), daß die Bestattung nicht auf einem Steinpflaster vorgenommen ist. Im Urboden fanden sich Reste einer beerdigten Leiche. Daneben:

1) 26 Bernsteinperlen, rund, geschliffen, mit glatten Seiten und scharfen Rändern, das Loch in der Mitte.

2) viele Reste stark vergangener Bronze, darunter erkennbar Reste einer kleinen Fibel, eines Armringes, eines Fingerringes etc ., also weiblichen Schmuckes. Räthselhaft ist, daß mehrere Stücke Spuren von Brand zeigen; einige sind sogar zusammengeschmolzen. Wir haben also die wunderliche Erscheinung, die wir auch oben beim dritten Grabe des Kannensberges voraussetzten, daß einem beerdigten Leichnam ein Theil seines Schmuckes (von Bernstein) unverändert, ein Theil (von Bronze) verbrannt mitgegeben ist.

3) eine leere zerdrückte Urne zwischen den Steinen des Ostendes.

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C.

Die nördliche Kammer war völlig leer.

12. Grabhügel.

Dieses Grab lag von allen erwähnten isolirt, etwa 500 Schritt vom Glockenberge nördlich, und war schon theilweise zerstört. Dasselbe wies abermals eine Brandstelle auf, und zwar eine unterirdische. Ein Rechteck von 4 m Länge, 2 m Breite ging etwa 1 1/2 m in den Urboden hinein. Hier fand sich auf einem Steinpflaster eine Schicht Asche mit Kohle und zerbrannten Knochen, darauf ein zweites Steinpflaster und eine neue Aschenschicht. Am nordwestlichen Ende stand eine größere Urne, mit Knochensplittern, Kohlen und Asche gefüllt. Außerhalb des Grabes fand sich auf dem Urboden ein Steinkegel wie im Kannensberge, der eine größere Urne enthielt, welche mit Knochensplittern und dürftigen Bronzeresten gefüllt war.

Unterirdische Gräber der Bronzezeit sind eine neue Erscheinung. Nur in dem schon mehrmals zum Vergleiche herangezogenen Pölitz (Jahrb. XXXIV, S. 215) fand sich Aehnliches, doch lag hier die Grabstätte unmittelbar unter der Erdoberfläche. Berücksichtigen wir aber die Beobachtung der sog. "Höhlenwohnungen" der Bronzezeit, wie sie bei Schwerin in Zippendorf und am Ostorfer See angestellt sind (Jahrb. XXXI, S. 60 und 63), wo 40-60 cm unter der Erde sich Steinschichten, Urnenscherben und Gegenstände aus Bronze fanden, so liegt die Vermuthung nahe, daß die unterirdischen Grabkammern von Friedrichsruhe Nachbildungen der Wohnstätten sind, daß sich also auch hier die Erscheinung wiederholt, wie sie für die "Ganggräber" der Steinzeit constatirt ist (s. u. a. Nilsson, das Steinalter S. 110 flgd.), wie sie Lisch bei einer Vergleichung der "Höhlenwohnungen" von Dreweskirchen mit dem unterirdischen Steingrabe von Nesow bemerkte (s. Jahrb. XXX, S. 132), und wie wir sie in geschichtlicher Zeit in den Nekropolen der Etrusker und sonst ausgeprägt finden. Das Grab ist das Haus des Todten 1 ). Derselbe fromme Sinn, der ihm zur Fortsetzung des irdischen Lebens seine Waffen, seinen Schmuck, selbst Gefäße mit Speisen unter die Erde mitgiebt, ist es, der ihm zur ferneren Wohnung den gewohnten Raum anweist; oft wird der ärmere Theil der


1) ώ τύμβος ώ χατασχαφής οϊχησις αεí#966;ρουρος, Sophocl. Antigone 891.
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Bevölkerung, der seinen Dahingeschiedenen nicht mit der kostbaren Bronze ausrüsten konnte, ihm wenigstens durch Bestattung in seiner bescheidenen Wohnstelle selbst die Anknüpfung an das bisherige Leben gesichert haben. Das aber nicht nur das ärmere Volk seine Todten so bestattete, wie es nach Grab 5, 8, 12 mit ihren geringen Beigaben scheinen könnte, zeigt das ebenso angelegte vierte Grab des Glockenberges mit seinem Goldfunde. Letzteres mahnt auch, nicht aus der Verschiedenheit der Anlage der Gräber einen Schluß auf die Verschiedenheit der Zeit zu machen, da es mit anderen wie üblich gestalteten unter einem Hügel gefunden wurde.


Es ist noch ein einzelner Fund zu erwähnen. In dem nördlich vom Kannensberge gelegenen Acker stieß ein Bauer auf eine fast würfelartige Steinsetzung aus 6 mittelgroßen Steinen. Im hohlen Raume lag ein glatter, offener Bronzering, der durch seine leichte Patina und Gestalt wesentlich von allen sonst in Friedrichsruhe gefundenen abweicht. Er hat 6 cm Durchmesser und an den Enden kleine Erhöhungen, unterscheidet sich dadurch von den im Norden gewöhnlichen Ringen, die fast sämmtlich glatt abschließen, und schließt sich Formen an, wie sie unten bei dem Reutershofer Funde zur Besprechung kommen. Offenbar gehört er einer jüngeren Zeit an. Welchen Zweck die eigenthümliche Aufbewahrungsart hatte, entzieht sich natürlich jeder Vermuthung.


Bieten demnach die Friedrichsruher Gräber eine reiche Fülle interessanter Grabformen und Grabfunde dar, so muß doch auch darauf aufmerksam gemacht werden, daß dieselben sonderbarer Weise einige Typen gar nicht enthalten, die wir in gleichzeitigen Kegelgräbern anzutreffen pflegen und die für diese Periode der Vorgeschichte charakteristisch sind. Es sind das zunächst die Celte (Sophus Müller, Die nordische Bronzezeit, S. 22), ferner die fein ornamentirten Schmuckdöschen, wie sie hauptsächlich dem östlichen Meklenburg angehören (S. Müller, a. a. O. S. 27). Einen Zufall in diesem Fehlen zu sehen, geht nicht wohl an, wenn wir an die außerordentlich reiche, ja vollständige Ausstattung einiger Gräber denken; und es ist vielleicht vergönnt, auch dieses Fehlen nordischer Formen als negatives Moment mit heranzuziehen, wenn wir in unseren Gräbern eine größere Hinneigung zu südlichen Culturen zu erkennen glauben, als es im Allgemeinen in Meklenburg der Fall ist.

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II. Kegelgrab von Sarmstorf.

Durch freundliche private Mittheilung erhielten wir im Sommer 1881 Kunde von der Zerstörung eines Kegelgrabes in Sarmstorf, 1 1/2 Meilen nordöstlich von Güstrow. Arbeiter hatten im Suchen nach der unseligen goldenen Wiege, die schon so viel Unheil angerichtet hat, das Grab völlig ausgeräumt, und unter Vermittelung des Herrn Erbpächter Kindt in Sarmstorf gelang es nur noch, einige Reste der gefundenen Gegenstände für die Großherzogliche Alterthümersammlung zu retten Es waren dies:

1) ein Diadem von guter, alter Arbeit mit Spiralen, die, wie stets in Meklenburg, durch punktirte Linien verbunden sind (s. Sophus Müller, a. a. O. S. 51). Der Kern der Bronze ist röthlich, die Oberfläche grün oxydirt und z. Th. blasig und zersprungen.

2) zerbrochene Windungen eines Spiralcylinders aus starkem Bronzedraht (Armring), wie wir ihn in Mooren häufig, in Kegelgräbern selten finden. Der Durchmesser beträgt 7 cm.

3) Reste einer einfachen Henkelurne.

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III. Moorfund von Granzin.

(Abbildung: Tafel VI (2), Figur 11.)

An der Chaussee von Parchim nach Sternberg sind in früheren Jahren eine Reihe von Alterthumsfunden gemacht worden. Dicht bei einander lagen die Kegelgräber von Stralendorf, Darze, Wozinkel, Grebbin, Granzin, etwa 2 Meilen von Friedrichsruhe, 1 1/2 von Ruthen, dem Fundorte der bekannten Gießstätte (Jahrb. XXXIX, S. 127), entfernt. Hier stieß im Jahre 1876 ein Arbeiter in einem kleinen Torfstich bei Granzin, etwa 25 cm. unter der Oberfläche, auf zwei große Bronzegefäße, die er im vorigen Jahre Herrn Kupferschmied Kornehl in Parchim verkaufte, der sie unter freundlicher Vermittelung des Herrn Buchhändlers Wehdemann gegen Erstattung des Metallwerthes der Großherzoglichen Sammlung überließ. Sie sind in unseren Sammlungen die ersten Repräsentanten ihrer Art und eine außerordentlich werthvolle Bereicherung. In Gestalt und Größe sind die Gefäße, die wir als Kesseleimer oder Tragkessel bezeichnen wollen, ziemlich übereinstimmend. Die Höhe des einen beträgt 31 cm, die Oeffnung hat 31 cm,

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der Boden 15 cm Durchmesser, der Bauch in der Mitte einen Umfang von 84 cm; der andere ist ein wenig kleiner. Die Eimer sind aus 3 Stücken gehämmerten Bronzebleches so hergestellt, daß 2 Stücke den Bauch bilden, das dritte den Fuß. Die überfassenden Enden der beiden ersteren sind in dem einen Eimer mit 6, im andern mit 4 großköpfigen, runden, außen platten, innen buckelig hervorstehenden Nieten zusammengehämmert, ebenso ist der Fuß mit 10 Nieten angesetzt. Der Boden ist nach innen etwas eingedrückt, ähnlich wie bei unseren Weinflaschen. Oben biegt sich das Gefäß zu einem 2 1/2 cm breiten Rande um, dessen Kante um einen Bronzedraht herumgeschlagen ist. An beiden Seiten ist ein rechteckiger Henkel, aus einer runden Bronzestange gebogen, mit platten Enden, die mit 3 konischen Nieten auf jeder Seite befestigt sind. Die Ornamente, deren Zeichnung auf der Abbildung zu ersehen ist, bestehen aus punktirten Linien, die mit größeren und kleineren Punzen von innen herausgeschlagen sind. Der abgebildete Eimer ist der kleinere, auf dem andern sind die Henkel wie auch die Punzen wesentlich größer, die Zeichnung einfacher.

Unter den Fragen, die zur Bewältigung des für uns wichtigsten aller Probleme prähistorischer Forschung, des Ursprungs der nordischen Bronzezeit, zuerst beantwortet werden müssen, nimmt die: welche nordischen Funde sind sicher als südlichen Ursprungs nachweisbar? die erste Stelle ein. Lindenschmit hat zuerst den südlichen Ursprung einer Reihe von archaischen Bronzegefäßen constatirt (Beilage zum 1. Heft des 3. Bandes seiner "Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit") und ihre Verbreitung von Italien über Hallstadt bis Schleswig nachgewiesen 1 ). In diese Reihe gehören unsere Eimer hinein. Aber auch hier lehrt ein Gang durch unsere Sammlung, wie fremdartig sich ein solches südliches Produkt neben den dominirenden nordischen Formen ausnimmt, und wie wenig Anhaltspunkte ein solcher einzelner Fund für den Nachweis des Eindringens einer fremdartigen Kultur giebt 2 ). Zur Vergleichung mit unseren Eimern sind besonders heranzuziehen diejenigen Gefäße, die ihnen in Arbeit und Ornamentirung gleichen. Es sind das vornehmlich: 1) ein


1) S. darüber auch Genthe, Tauschhandel der Etrusker, S. 23.
2) S. darüber Engelhard, Influence de l'industrie classique sur le nord in den Mémoires de la société des antiquaires du Nord, Copenhague 1875, und Sophus Müller, Die nordische Bronzezeit, S. 123 i. d. Uebers.
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Kesseleimer aus einem Grabe bei Unterglauheim im Augsburger Museum. Derselbe ist, bis auf einzelne Verschiedenheiten in den Ornamenten, den unseren völlig gleich und besonders dadurch interessant, daß er als Aschenurne benutzt wurde und in sich eine köstliche goldene Schale von der Arbeit des berühmten sog. Hutes von Schifferstadt im Münchn. Nationalmuseum barg - 2) ein Kesseleimer aus einem Grabhügel bei Siem in Schleswig (abgeb. bei Lindenschmit a. a. O. Fig. 1). - 3) eine Bronzevase mit Henkeln aus einem Grabhügel bei Rönning in Schleswig (abgeb. ebenda, Fig. 4). - 4) eine Bronzeschale aus Rossin in Pommern (Lindenschmit, Alterthümer etc III, Heft VII, Taf. 3, Fig. 2). - 5) eine Schüssel aus den Gräbern von Hallstadt (Lindenschmit, Alterthümer etc . II, Heft IV, 5, Fig. 4). - 6) ein flaches Becken mit Bronzegehängen im Germanischen Museum in Nürnberg, dessen Fundort leider nicht zu ermitteln war. - Die Ornamente betreffend, so sind dieselben als Vogelköpfe, nicht Drachen, wie man wohl gemeint hat, aufzufassen. Es lehrt dies unter Anderem ein Vergleich mit dem Erzschilde von Halland in Schweden (Lindenschmit, Alterthümer etc . III, Heft VII, Taf. 2, Fig. 3; Montelius, Führer durch das Museum von Stockholm Fig. 26), auf welchem Vögel in ganzer Figur mit gleichen Köpfen dargestellt sind, und die Betrachtung eines etrurischen Gefäßes im Münchener Antiquarium, an dem sich massiv gegossene entenartige Vögel befinden. Bei der großen Seltenheit von Thiergestalten auf Geräthen der Bronzezeit im Norden mag hervorgehoben werden, daß unter den Bronzen von Vietgest (Jahrb. XV, 265; XXII, 296) eine gegossene Vogelfigur sich befindet, die denen des Stockholmer Schildes sehr ähnelt. Je mehr nach Süden, desto häufiger werden diese Vogelgestalten 1 ), bis wir im alten Etrurien auf die Stätten stoßen, die wir zwar nicht als Heimath dieser Ornamente, aber als Ausgangspunkt des Exportes der mit ihnen verzierten Geräthe ansehen müssen. Mustern wir nun unsere Sammlung auf ähnliche Bronzegefäße hin, so sind die aus Grabhügeln stammenden schon oben (S. 273) besprochen worden. Mehr Aehnlichkeit aber bieten einige Moorfunde dar. Es sind das: 1) eine Bronzeschale, mit Reihen von Buckeln verziert, aus heller Bronze, gefunden in Dahmen in einem Moderloch (abgeb. Jahrb. X, S. 283, auch Lindenschmit, Alterthümer Bd. II, Heft 3, Taf. 5, Fig. 2);


1) S. u. a. Kemble, On some remarkable sepulchral objects. London 1856.
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2) drei ganz gleiche von Kl.=Lukow (Jahrb. XIII, 376); 3) sechs ebenfalls gleiche von Basedow (Jahrb. XXXVI, 135). Die drei Fundorte liegen etwa 3/4 Meilen auseinander, die Fundart war bei allen dieselbe. Solche Schalen nun sind von Hallstadt bis nach der Insel Fühnen gefunden 1 ), zeigen also ein ähnliches Verbreitungsgebiet, wie unsere Kesseleimer. Sophus Müller belegt a. a. Q. S. 99 die Beobachtung, daß "die fremden, nicht im Inlande angefertigten Objekte am häufigsten in Mooren oder Gewässern oder unter einem Steine niedergelegt sind, und verhältnißmäßig selten in Gräbern gefunden werden". Diese eigenthümliche Gewohnheit findet auch in Meklenburg (nicht in Schleswig, s. o.) ihre Bestätigung. Alle die aufgezählten, sicher importirten Gefäße sind Moorfunde. - Treten wir nun der Frage näher, in welche Zeit unsere Gefäße gehören, so enthält dieselbe zweierlei: Wann wurden die Gefäße in meklenburger Boden verborgen? und: wann sind sie in Italien fabricirt? Es ist schon oben hervorgehoben, daß eine jede Zeitbestimmung für die nordische Bronzezeit eine relative ist. Daß wir aber ein Recht haben, die Gefäße in der That der Bronzezeit zuzuschreiben, lehrt neben der Art ihrer Bergung die Analogie der angeführten, durch Beifunde zeitlich genauer bestimmten Gefäße. Da keine Beigaben gefunden sind, müssen wir uns damit begnügen. Hegen wir also die Ueberzeugung, daß ein Volk der Bronzekultur diese Eimer benutzt hat, so sind wir andererseits überzeugt, daß sie von einem Volke angefertigt sind, welches bereits im vollen Eisenalter stand. Daß etwa das Jahr 400 v. Chr. Geburt den Zeitpunkt bezeichnet, an dem die norditalisch=etruskische Kultur von den Galliern vernichtet wurde, daß damit auch die sog. Hallstädter Periode endet, kann nach den sorgfältigen Untersuchungen der letzten Jahre als ausgemacht angesehen werden (s. Tischler in den Verhandlungen der Regensburger Anthropologenversammlung 1881, S. 124). Halten wir diese Zeitbestimmung fest, so ergiebt sich etwa das 5. Jahrh. v. Chr. als dasjenige, in dem unsere Kesseleimer in Meklenburg benutzt sind; eine genaue Zeitbestimmung ist selbstverständlich unmöglich, da wir einerseits nur den terminus ante quem für die Fabrication haben,


1) Nachweise bei Genthe, "Tauschhandel der Etrusker", S. 20; Lindenschmit a. a. O., Beilage [Schalen von Mainz und Wiesbaden]; Friedel, Zeitschrift für Ethnologie, Bericht über die Sitzung vom 20. März 1875 [Schalen von Roitzsch bei Torgau und Staaken bei Spandau]; Correspondenzblatt d. deutsch. Anthrop. Ges. 1881 Bl. IV, 4 [Correlettes]; Madsen, Afbildninger etc . XV, 4 [Insel Fühnen].
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andererseits nicht wissen können, wie lange es gedauert hat, bis die Gefäße den Norden erreicht, oder gar, wie lange sie vor ihrer Versenkung gebraucht sind.

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IV. Urnenfeld von Reutershof.

Bei Stavenhagen sind auf einem Acker des Gutes Reutershof Grabstätten gefunden, die durch Steinsetzungen im Boden, in deren Mitte eine oder mehrere Urnen standen, gebildet wurden. Seit 1876 sind 6 Urnen aufgedeckt; den Inhalt von zweien hat Herr cand. phil. B. Schmidt aus Ivenack dem Verein geschenkt. Diese Urnen standen etwa 70 cm tief im Boden auf einem Steinpflaster, sie hatten eine kugelige Gestalt mit ziemlich hohem geradem Halse, bestehen aus geschlemmtem Thon in ziemlich seiner Mischung und haben eine bräunliche Oberfläche. In der größeren lag ein Bronzering von 2 1/2 cm Durchmesser mit dunkelgrüner, nicht tiefgehender Patina, in der größeren ein offener Armring von seltener Form. Derselbe ist oval, hat 8, resp. 5 cm Durchmesser, wird nach den Enden zu dünner und läuft in eine concave Erhöhung aus. Solche Formen, an die la Tène-Periode erinnernd, sind, wie oben (S. 287) erwähnt, bei uns sehr selten (z. B. in Sukow, Alt=Schwerin, Ruthen ähnliche) gefunden; dagegen werden sie häufiger, je weiter man nach Süden geht, und kommen z. B. in Thüringen (zu Diesburg) und am Rhein (mehrere im Museum zu Darmstadt, einer aus Eisenberg i. d. Pfalz) oft vor.

Je schroffer in Meklenburg der Uebergang von der Bronzezeit zur Eisenzeit zu sein scheint, desto sorgfältigere Beobachtung erheischen Funde, die der Zeit des Uebergangs zuzuschreiben sind. In Pommern sind Urnenfelder mit "Steinkistengräbern" ungleich häufiger als bei uns und enthalten daselbst Bronzegegenstände, meist einfach gearbeitete Ringe, und Eisen (Kasiski, Beschreibung der vaterländischen Alterthümer im Neu=Stettiner Kreise, S. 35). Desgleichen finden sie sich in den durch Virchow's Untersuchungen bekannt gewordenen Lausitzer Urnenfeldern der Provinz Brandenburg (z. B. zu Guben, s. Jentzsch, Verhandl. der Berliner Anthrop. Gesellsch. 1879, S. 388, und zu Sorau, s. Katal. der Berliner Ausstell., S. 117) und Posen häufig, gehören also dem Osten an. Ich zähle im Folgenden die meklenburgischen Grabstätten auf, die mit der Reutershofer zusammengehören. Es fanden sich Begräbnißplätze bei:

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1) Klink, worüber im Folgenden gesprochen werden wird.

2) Sukow (Jahrb. XIII, 367). Unter kleinen über der Erde befindlichen Steinhügeln waren unter dem Urboden Steinkisten von 2/3 m Breite und 2/3-1 3/4 m Länge. Die zahlreichen Urnen waren mit Asche oder Knochen gefüllt, nur letztere enthielten Alterthümer, und zwar viele oben krumm gebogene Nadeln, Pincetten, Sicheln, Messerklingen und Armringe, von denen der eine nach innen hohl, an den Enden dem Reutershofer völlig gleich war.

3) Karstädt (Jahrb. XXVI, 136). Beim Steinbrechen wurden im Acker sehr viele Urnen gefunden, von denen nur 3 Alterthümer enthielten, und zwar ein einfaches Messer und zwei Ringe, einer mit einer Oese, der andere gleich dem Reutershofer.

4) Dobbin (Jahrb. XI, 377). Auf, zum Theil in der Erdoberfläche standen, von Steinringen umgeben, Steinkisten mit Urnen, in denen "Scheermesser", Stangen mit heller Patina, Pfriemen, Sägen, Doppelknöpfe und Ringe lagen.

5) Rambow (Jahrb. VII, 25), ganz wie bei Dobbin, nur sind die Funde spärlicher.

Charakteristisch für diese der jüngeren Bronzezeit angehörenden Begräbnißplätze ist demnach: es sind Urnenfelder, in denen die Urnen in geringer Tiefe im Boden stehen, oft in Steinkisten und von Steinkreisen umgeben. Ihre Stelle ist gewöhnlich durch einen Steinkegel über dem Boden gekennzeichnet. Die Urnen erscheinen stets in großer Masse und sind mit Asche oder Knochen gefüllt. Neben letzteren finden sich, im Verhältniß zu der Anzahl der Urnen nicht häufig, Alterthümer von Bronze, und zwar Gegenstände des häuslichen Gebrauchs oder der Toilette. Diese sind meist schwach patinirt und zeigen, soweit sie gegossen sind, einen rothen Kern. Diese Form des Begräbnisses schließt sich unmittelbar an die der älteren 1 ) Bronzezeit an, wie das der Umstand beweist, daß auf dem an Kegelgräbern reichen Felde von Retzow (s. Jahrb. IX, 381; X, 278, und besonders XI, 384) neben Kegelgräbern der älteren Zeit eine zweite Gruppe kleinerer mit Steinkisten gefunden wurde, welche die oben angeführten Beigaben enthielten 2 ). Aehnlich verhält es sich mit


1) Ich möchte fast sagen: der reinen Bronzezeit. Denn ich meine, daß wohl auch in Meklenburg der Gebrauch des Eisens in dieser Periode der Urnenfelder mit Steinkistengräbern begonnen hat.
2) Kasiski a. a. O. neigt dazu, für sein Gebiet eine Entstehung der Steinkistengräber aus den freistehenden Steinkammern der Steinzeit anzunehmen.
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Alt=Schwerin (Jahrb. XVII, S. 367). In Liepen (Jahrb. X, S. 294; XI, 395), Lelkendorf (Jahrb. II, S. 43) und Gallentin (Jahrb. II, S. 35) sind kleine Erdhügel geöffnet, die, im Allgemeinen den Kegelgräbern ähnelnd, Sachen der jüngeren Bronzezeit enthielten. Nach der andern Seite führt uns das Reutershofer Grab in die Eisenzeit hinüber, indem bei Dalmien (s. Fr.-Fr., Text S. 100) zwei Ringe gefunden wurden, von denen der eine dem oben beschriebenen genau gleicht, der andere ähnelt.

Die jüngere Bronzezeit bezeichnet bei uns eine Zeit der Erschlaffung und des Rückgangs. Die alten, edlen Formen verschwinden, und es treten einfachere, nüchterne an ihre Stelle. Die Grabformen verlieren ihre Würde, und die reiche Mannigfaltigkeit, die dem individuellen Geschmack vollen Spielraum ließ, wie wir sie oben bei den Friedrichsruher Gräbern bemerkten, macht der ärmlichen Gleichmäßigkeit und dürftigen Ausstattung der Urnenfelder Platz. Daß es nicht möglich ist, in den Urnenfeldern die Begräbnisse des ärmeren Theiles jenes Volkes zu sehen, welches seine Fürsten und Helden in weithin sichtbaren Hügeln barg, ergiebt der Umstand, daß die Beigaben nicht nur durch ihren Stil, sondern auch durch ihre Technik und Erhaltung eine andere, jüngere Zeit verrathen. Es wird natürlich dunkel bleiben, was für Umstände jenem alten Heroengeschlechte auf unserem Boden ein Ende bereitet haben. Ein kulturgeschichtlicher Widerspruch aber liegt jedenfalls nicht in der Annahme, daß auf eine auch technisch hochentwickelte Kultur ein Niedergang auch in dem industriellen Geschick und Geschmack gefolgt ist. Wessen Phantasie eine Stütze braucht, der möge sich etwa denken, daß einerseits das alte Heldengeschlecht, von den Wogen einer Völkerbewegung ergriffen, seine bisherigen Wohnsitze verließ, andererseits die allmählich hereindringende Eisenkultur dem zurückbleibenden Volke seine Lust und Liebe an der Bronzetechnik ebenso nahm, wie wir heute im Osten und Süden Asiens den denkwürdigen Proceß sich vollziehen sehen, daß nicht nur beginnende, viel versprechende Kulturbestrebungen halbwilder Völker, sondern auch uralte reiche Kulturen von der übermächtigen europäischen erdrückt und in einen Zustand der Verkümmerung gebracht werden, der ihr dereinstiges Ende kennzeichnet.

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V. Urnenfeld von Klink.

Herr Gutsbesitzer Kähler auf Klink bei Waren übersandte der Sammlung zwei Urnen mit Inhalt, die er auf

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seinem Gute ausgegraben hatte. Es waren die einzigen erhaltenen von etwa 100 aufgenommenen. Die Urnen fanden sich in einer Tiefe von etwa 50 cm. Rund um dieselben war ein Ring von größeren Feldsteinen, und sie waren mit einer Sandsteinplatte bedeckt. Jede Urne hatte einen überstehenden Deckel. Der Inhalt bestand aus zerbrannten Knochen; Beigaben wurden wenig gefunden. Diese Urnen gehören unzweifelhaft demselben Urnenfelde an, von welchem schon früher (s. Jahrb. III B., S. 66, und XIII, S. 374) Funde in unsere Sammlungen gekommen sind. Es bestanden letztere aus Urnen von der bekannten Form der Gefäße aus den Kegelgräbern, in denen knieförmig gebogene Nadeln, "Scheermesser" und kleine Pincetten lagen, wie sie anderwärts, z. B. in Franken, mit Eisen zusammengefunden werden und bei uns die jüngere Bronzezeit charakterisiren. Dazu kommen nun:

1) eine Urne mit abgerundetem Bauchrande von der für die Bronzezeit eigenthümlichen Form; doch unterscheidet sie sich von den im Fr.-Fr., Tafel V, und im Jahrb. XI, S. 356 flgd., abgebildeten durch einen geraderen Hals und entsprechend größere obere Weite, so daß sie darin den Urnen der Eisenzeit näher kommt. Die Maße betragen: obere Weite 23 cm im Durchmesser, untere 10 cm, größte Bauchweite (in 2/3 Höhe): 78 cm, Höhe: 18 cm.

2) eine Urne von ähnlicher Gestalt mit scharf ansetzendem Halse von 5 1/2 cm Höhe. Maße: obere Weite: 18 cm im Durchmesser, untere: 11 cm, größte Bauchweite (1/2 Höhe): 68 cm, Höhe: 19 cm.

Beide Urnen sind stark gebrannt, schwarz am Bauch und braun an der Oberfläche. Die Mischung ist ziemlich fein, aber noch mit Granitgrus und Sand vermengt.

3) und 4) zwei zarte Nadeln von 9, resp. 6 1/2 cm Länge mit fein profilirtem Kopfe.

5) ein Stück von einem Armringe mit tief gehender Patina.

6) ein kleines Stück Bronzeblech mit zwei Löchern, welches wohl als Beschlag gedient hat.

Es reiht sich demnach das Urnenfeld von Klink den eben aufgezählten Begräbnißstätten der jüngeren Bronzezeit an; besonders mag hier auf die Aehnlichkeit mit den niedrigen Kegelgräbern von Gallentin hingewiesen werden (s. Jahrb. II B., S. 35), wo sich dieselbe gekrümmte und dieselbe zart profilirte Nadel fand, wie in Klink.


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B. Eisenzeit

I. Urnenfeld von Raduhn.

Auf der Feldmark von Raduhn, etwa 3/4 Stunden westlich von Friedrichsruhe, ist ein Urnenfeld gefunden und durch Herrn Wildhagen bekannt geworden, welches auf ebenem, sandigem Boden lag. Die Grabstätten waren durch kein äußerliches Merkmal erkennbar. Dagegen war den Bauern aufgefallen, daß auf einigen Stellen das Korn "verschien", d. h. keine Aehren ansetzte; war man dann in den Boden hineingegangen, so war man auf ein Steinpflaster gestoßen, unter dem Urnen standen. Am 5. October 1881 habe ich mit Herrn Wildhagen das Feld untersucht und 9 Gräber ausgenommen. Dieselben lagen in zwei Reihen neben einander, je 3 m von einander entfernt; einige weiter östlich gelegene sind früher zerstört, andere nach Westen liegende sind noch nicht untersucht worden. Gemeinsam war allen Gräbern, daß sich in der Tiefe von etwa 30 cm ein Steinring zeigte, in dessen Mitte, meist zwischen Steinen verpackt, eine Urne stand, gewöhnlich von den Steinen zerdrückt und durch Pflanzenwurzeln zerstört.

1. Grab.

Der Steinring war leer, eine Urne wurde nicht gefunden.

2. und 3. Grab.

In beiden standen (zerdrückte) Urnen aus sehr feiner Mischung von glänzend schwarzer Oberfläche, wie sie für die erste Eisenzeit (Cammin, Wotenitz) charakteristisch ist. In ihnen war Asche und Knochen.

4. Grab.

Neben einander standen innerhalb des Steinkreises, in Steinen verpackt, zwei Urnen, eine größere rothe von gröberer Mischung und eine kleinere schwarze, sein gearbeitete, mit dünnem Fuße, weiter Oeffnung und schmalem Halse. In beiden war nur Asche und Knochen.

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5. Grab.

Sorgsamer als die übrigen verpackt, aber ebenfalls in Stücken und nur mit Asche und Knochen gefüllt, stand eine schöne schwarze Urne von 14 cm oberer, 8 cm unterer Weite und 88 cm Umfang.

6. Grab.

Dieses war ganz leer, wie das benachbarte 1.

7. Grab.

Dieses gab die reichste Ausbeute. Es fand sich unter dem Steinpflaster:

1) eine starke, rothgebrannte, unverzierte Urne mit Henkeln, von denen der eine abgebrochen ist. Ihre Mischung ist gröber als die der schwarzen Urnen und enthält Granitgrus. Sie ist stark ausgebaucht und hat einen scharf ansetzenden, nach außen gebogenen Rand; ist also ähnlich der im Frid.-Franc. XXXIV, Fig. 1, abgebildeten aus einem sog. "Wendenkirchhofe" 1 ). Die Oeffnung ist schmäler als sonst bei Urnen der Eisenzeit (s. Lisch, Charakteristik dieser Urnen, Jahrb. XII, S. 428 flgd). Obere Weite: 14 1/2 cm, untere: 10 cm im Durchmesser, Bauchweite (2/3 Höhe): 85 cm, Höhe: 22 cm.

In dieser Urne lagen auf Knochen und Asche drei größere und ein kleinerer Ring von Eisen, die größeren von 4 cm Durchmesser, die Oeffnung 1 cm stark.

2) eine kleinere, feiner gearbeitete, glänzend schwarze Urne von gleicher Grundform, verziert mit parallelen Schräglinien in Zickzackform, wie die Urnen aus den "Wendenkirchhöfen" von Pritzier (s. Jahrb. XII, S. 429) und Pogreß (Jahrb. XLI, S. 167) und dem Pfahlbau von Vimfow (Jahrb. XXXII, S. 312). Auch in Sparow sind vorzügliche Repräsentanten dieser Gattung gefunden, leider ungewiß, aus was für Gräbern (s. Frid.-Franc. Text S. 58). In dieser Urne lagen:

a. ein Geräth, welches in seiner Form an die Fibeln der Eisenzeit erinnert (s. unsere Taf. VI (2), Fig. 12), bestehend aus einer bronzenen Stange mit napfförmigen Erhöhungen an beiden Seiten, an die sich ein bronzener, gewölbter Bügel


1) Nach dem bisherigen Sprachgebrauche müßte man auch das Raduhner Urnenfeld als "Wendenkirchhof" bezeichnen. Verfasser mag aber eine Grabstätte nicht "Wendenkirchhof" nennen, die nach dem Stande der heutigen Forschung kein Mensch mehr ernsthaft für wendisch hält.
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in der Mitte ansetzt. Dieser Bügel hat an seinem Ende zwei Löcher (in der Zeichnung, die nach einem andern Exemplar genommen ist, nicht sichtbar) und am Ausgang der Wölbung wiederum eine napfartige Erhöhung. Von dieser aus geht ein spiralig gewickelter Bronzedraht zu den Enden der Stange, welche er ebenfalls umwickelt. In der Mitte der Stange ist durch eine Oese am Bügelkopfe eine eiserne Nadel befestigt, die zum Bügelfuße hinläuft, ganz wie die Fibelnadeln. Leider ist in Folge der starken Verrostung die Art der Befestigung nicht mehr zu erkennen. Man hat früher diese Geräthe, die bei uns nicht gerade selten sind, unbedenklich als Fibeln bezeichnet (s. Jahrb. XVIII, S. 262; XX, S. 294 über die Funde von Turloff und Neuburg). Man muß aber gestehen, daß der querlaufende Bronzedraht einen Gebrauch als Fibel sehr erschweren würde und auch die Fortsetzung des Bügels mit ihrer Durchlöcherung für eine Fibel keinen Sinn hat. Dazu kommt, daß sich ähnliche Formen finden, die entschieden keine Fibeln, sondern Beschläge darstellen, nämlich in den Kegelgräbern von Groß=Methling (s. Jahrb. XXIV, 270), wo das betreffende Geräth massiv gegossen und ohne jede Nadel ist. Aehnliche Beschläge sah ich in den Museen zu Stralsund (aus Möllin bei Bergen und Sämtens) und, ein Mittelding zwischen der Form von Raduhn und der von Groß=Methling, zu Berlin aus Jerichow und in Nürnberg aus Pommern (Rosenbergische Sammlung). Allerdings kommt auch die Verzierung von Fibeln mit Näpfchen in südlicheren Funden nicht selten vor 1 ).

b. ein zerbrochener starker Halsring aus Bronze mit starken Riefeln und einer kolbenartigen Ausladung an den Enden. Die Form ist fremdartig, sie kommt in süddeutschen Reihengräbern (Reinheim und Umstadt im Darmstädter, Islingen im Stuttgarter Museum) vor.

c. 16 Enden dünnen Bronzedrahtes, der als Armring gedient haben mag.

d. 2 starke eiserne Schnallenringe von 3 cm Durchmesser.

e. Reste eines eisernen Gürtelhakens mit bronzenen Nieten.

f. einige unbestimmbare Eisenstücke.


1) Siehe jetzt bes. Undset, Das erste Auftreten des Eisens in Nordeuropa, übers. von J. Mestorf, Hamburg 1882, XXV, 10. Leider habe ich das treffliche, grundlegende Werk nicht mehr benutzen können.
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8. Grab.

Die Anlage war dieselbe; in der schwarzen und zerbrochenen Urne waren die Knochen stark mit Eisenoxyd gefärbt. Erhalten war:

1) ein Geräth, wie das oben unter 7 a. beschriebene;

2) ein eiserner Gürtelhaken;

3) ein Stück Eisen mit einem Knopf von Bronze, möglicherweise noch zum Gürtel gehörig;

4) ein eiserner Ring von 2 cm Durchmesser.

9. Grab.

Abweichend von den übrigen. Es fand sich kein Steinkranz, sondern ein Steinpflaster von 2 m Durchmesser. Zwischen den Steinen lagen Scherben einer grobwandigen, rothen Urne, die zerbrochen hineingelegt, resp. durch Hineinwerfen zertrümmert zu sein scheint. Unter dem Steinpflaster, durch aufgeschichtete Steine, auch einen flachen Deckstein sorgsam geschützt, stand die feinere schwarze Urne, leider durch eine Wurzel zertrümmert. Sie war mit Asche und Knochen vollgepackt, und obenauf lag wieder dasselbe fragwürdige Geräth (es ist dies das Taf. VI (2), Fig. 12 abgebildete), ferner ein eiserner Ring und ein kleines Stück Bronzeblech.


Schon früher waren auf dem Acker von den Bauern Urnen freigelegt, deren eine durch Herrn Wildhagen's Bemühung gerettet ist. Es ist eine starke, rothe Urne, von derselben gröberen Arbeit und Form, wie die oben bei Grab 7 beschriebene. Dieselbe enthielt:

1) zwei der oben besprochenen "Fibeln", aber von kleineren Dimensionen und dadurch interessant, daß die Befestigung des Bügels an der Axe deutlich erkennbar ist. Der Bügel nämlich, aus dünnem Blech bestehend, legt sich um die Axe herum, so daß dieselbe beweglich bleibt.

2) den Rest eines eisernen Ringes.

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II. Urnenfeld von Friedrichsruhe.

Südöstlich von den Kegelgräbern von Friedrichsruhe, nicht weit von dem "Glockenberge", ist durch Herrn Wild=

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hagen und den Verfasser ein Urnenfeld von ähnlicher Beschaffenheit wie das Raduhner aufgedeckt worden. Ein System in der Anordnung der Gräber war nicht zu entdecken. Ihre Gestalt ist folgende: Fast unmittelbar unter der Oberfläche befand sich ein Steindamm von 3-6 m Durchmesser. Die Urnen standen unter diesem Pflaster, meist durch spitze Steine markirt und oft in Steinplatten eingepackt. Die Ausbeute war aber eine außerordentlich geringe. Oft fanden sich gar keine Urnen, sondern Asche und Knochenreste unter den Steinen, also sogenannte Brandgräber, die sich von den sonst bekannten (Bornholm, Neu=Stettin etc ., s. Kasiski a. a. O. S. 36) durch ihre geringe Tiefe und den Mangel an Beigaben unterscheiden. Die Urnen selbst waren sämmtlich zerbrochen, z. Th. schon, wie die zerstreuten Scherben zeigen, zerbrochen hineingelegt. Ihre Form war daher nicht mehr mit Sicherheit zu erkennen, ihre Arbeit war eine eigenthümliche, sie waren nämlich hart gebrannt und hatten eine graue, z. Th. grauschwarze Oberfläche. Sie enthielten Asche und Knochen, wenige Alterthümer. Dieselben lagen meist allein auf der Asche und den Knochen der Urnen. Wir zählen sie einzeln auf:

1) eine Nadel von Bronze, oben erst gekrümmt, dann zu runder Oese umgebogen,

2) ein Gürtelhaken von Eisen mit Loch am Ende.

3) ein eiserner Gürtelhaken mit umgebogenem Ende.

4) und 5) zwei Gürtelhaken, mit anderen Eisentheilen zusammengeschmolzen und =gerostet, verziert mit Bronzebuckeln.

6) ein eiserner Beschlagring von ungewöhnlicher Form (s. uns. Taf. VI (2), Fig. 13).

7) und 8) zwei Nadeln mit einer kleinen Bronzescheibe oben.

9) ein kleiner, oben krummer Eisenstab.

10) zusammengerostete Eisentheile, an denen zwei Näpfchen derselben Art, wie sie die Raduhner "Fibeln" haben, sitzen. Erkennbar sind zwei eiserne Nadeln.

11) desgl.; erkennbar wiederum zwei Näpfchen, die hier offenbar an einer eisernen Nadel sitzen, und ein eiserner Ring.

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Auf eine zeitliche Bestimmung dieses Urnenfeldes muß ich verzichten, möchte aber bemerken, daß die Verzierung von Gürtelhaken mit Bronzebuckeln charakteristisch für die römische und sich daranschließende süd= und westdeutsche Kultur ist und sich z. B. in den Museen zu Mainz, Stuttgart, Augsburg, München, Regensburg außerordentlich zahlreiche und ausgezeichnete Exemplare der erwähnten Art finden (Lindenschmit, Alterthümer etc . I, IV, 8; II, VI, 6 etc ). Ich neige dazu, das Friedrichsruher Urnenfeld ziemlich tief in die christliche Zeitrechnung hinunterzuschieben.


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C. Einzeln gefundene Gegenstände.

1) Axt von Hagenow.

Bei Hagenow wurde auf dem Acker eine keilförmige Axt aus Aphanit gefunden und von Herrn Ingenieur Schäfer der Großherzoglichen Sammlung geschenkt. Dieselbe ist für uns ein Unicum, und ich habe auch in den einschlägigen Werken keine Abbildung oder Erwähnung einer ähnlichen gefunden. Sie ist flach, fast von ovaler Form, an allen Seiten gerundet, 13 1/2 cm lang, 10 cm breit, und hat an beiden Seiten 3 cm vom Bahnende tiefe Einschnitte zur Befestigung mit einem Riemen oder einer Schnur, die deutliche Eindrücke im Gestein hinterlassen hat. Die Spitze ist stark verletzt. Das Gestein ist, nach freundlicher Mittheilung des Herrn Dr. Planeth, in Meklenburg selten, aber doch vorkommend, so daß das Material zu der sonst naheliegenden Annahme eines Importes nicht zwingt.

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2) Streitaxt von Neumühl.

Von einem Arbeitsmanne aus Neumühl beim Ackern im Felde gefunden und für die Großherzogliche Sammlung erworben wurde eine vortrefflich erhaltene Streitaxt aus Diabas von der Grundform Frid -Franc. I, 4 (Lindenschmit, Alterth. uns. heidn. Vorz. I, 1, 14 und 17), mit gerade auslaufendem Bahnende, Ausbauchung am Schaftloch, leichter Aushöhlung des unteren Theiles und Biegung nach unten. Die untere Seite ist mit zwei flüchtig eingeritzten Parallelstrichen verziert, das Schaftloch sehr glatt gebohrt, wohl mit einem Metallbohrer, so daß die Axt der Bronzezeit angehören würde.

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3 und 4) Dolch und Lanzenspitze von Hinrichshagen.

Zu Hinrichshagen bei Waren werden gefunden und von Herrn Förster Dohse in Wredenhagen der Großherzoglichen Sammlung geschenkt:

1) ein Dolch aus bräunlichem Feuerstein, 19 1/2 cm lang, von vorzüglicher Arbeit; der Griff ist rautenförmig mit gekröselten Kanten. (Abbildung: Frid.-Franc. II, Fig. 1; Lindenschmit, Alterth. uns. heidn. Vorz. I, Fig. 1774 und 1782.)

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2) eine muschelig geschlagene Lanzenspitze mit gekröselten Enden aus bräunlichem Feuerstein von 18 1/2 cm Länge. (Abbildung: Frid.-Franc. XXX, Fig. 6)

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5) Schwert von Gnoyen.

Im moorigen Boden östlich von der Stadt Gnoyen stieß ein Arbeitsmann bei Drainagearbeiten auf ein 1/3 m tief liegendes Bronzeschwert von vortrefflicher Erhaltung. Dasselbe ist durch gütige Vermittelung des Herrn Bürgermeisters Freiherrn v. Hammerstein für die Großherzogliche Sammlung erworben. Es ist 66 ein lang, wovon 6 cm auf die Griffstange gehen. An Gestalt ist es außerordentlich schlank und unterscheidet sich dadurch von dem gewöhnlichen Typus der Bronzeschwerter, auch läuft um den Griffansatz herum ein elliptisches Band, sog. Grifffessel. Der starke Mittelrücken wird von zwei zarten, unten glatten, in der Mitte gezahnten, oben geperlten, erhabenen Linien begleitet. An der Griffstange sitzt noch eine schwarze Masse, wohl Kitt zur Befestigung des (hölzernen) Griffes.

In der Vereinssammlung befinden sich eine Lanzenspitze und ein Armring aus einem Moore bei Gnoyen, die von gleicher Erhaltung sind (s. Jahrb. X, 289) und möglicher Weise mit unserem Schwerte zu einem Funde zusammengehören. Schwerter und Armringe bilden einen Hauptbestandtheil der Funde aus schweizer Pfahlbauten.

Unsere Sammlung besitzt drei ähnliche Schwerter, eines aus einem Kegelgrabe von Reckenzin in der Mark (abgebildet Frid.-Franc. XV, Fig. 1), eines aus einem Moore bei Brüel (Jahrb. XIV, S. 319), wo die Grifffessel verloren gegangen ist, und ein dem unsern fast völlig gleichendes aus einem Moore von Neuhof bei Zehna (Jahrb. XL, S. 153). Umgekehrt haben wir Grifffesseln ohne das dazu gehörige Schwert aus Leisten und Ludwigslust. Stücke eines gleichen enthält der bekannte "Gießerfund" von Ruthen. - Nach Sophus Müller stellt dieses Schwert einen jüngeren Typus dar, der auf einer Nachbildung (oder Import) südlicher Formen beruht; es stimmt damit, daß derselbe überwiegend in Mooren gefunden wird. Im Norden ist dieser Typus selten (ein Exemplar enthält die Rosenbergische Sammlung), erst in den dänischen Moorfunden der Eisenzeit tritt er häufiger auf, und sodann gehören ihm im Süden die Schwerter der allerdings bedeutend jüngeren Reihengräber an, wo sich die allmähliche Entwickelung der mit besonderer Vorliebe behandelten Grifffessel zur Parirstange verfolgen läßt.


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Erläuterungen zu den Tafeln V. und VI.

 

Vignette

 

Berichtigungen. S. 65, Anm. 2, l.: nostri . amen (st. nostre anime). - S. 79, § 29, l.: 1495 (st. 1405) - S. 87, Anhang C., Anm., l.: des südwestlichen (st. nordwestl.) Wendelsteins. - S. 106, Z. 20, l.: auf der westlichen (st. östlichen) Wand.
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Tafel V
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Tafel VI
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