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Ueber
am 5./6. März 1719.
vom
Generalmajor z. D. Köhler
D as Treffen bei Walsmühlen 1 ) bietet ein erhebliches kriegsgeschichtliches Interesse, theils, weil hier der später als preußischer Feldmarschall so berühmt gewordene Graf v. Schwerin, erst 34 Jahre alt, als meklenburgischer Generalmajor commandirte; theils aber auch darum, weil dieser sowohl, als der ihm gegenüberstehende hannoversche Generallieutenant v. Bülow sich gegen den Beginn des Treffens verwahrten, schließlich aber beide ihrer Reiterei den Sieg zuerkannt wissen wollten. Es wird daher gerechtfertigt erscheinen, das im Uebrigen nicht sehr erhebliche, aber unter eigenthümlichen Verhältnissen gelieferte Treffen einer eingehenderen Darstellung zu würdigen.
In Meklenburg=Schwerin regierte seit 1713 der Herzog Carl Leopold, seit 1716 vermählt mit einer Nichte Peters des Großen von Rußland. Diese verwandtschaftliche Beziehung sollte eine lebhaftere Betheiligung des Herzogs am nordischen Kriege herbeiführen; er hoffte Wismar wieder zu gewinnen. Damit hing die Ueberlassung zweier russischer Infanterie=Regimenter in seinen Sold zusammen; es waren die Reg. Tilly, incl. 2 Grenadier=Compagnien 1461, und Valinsky, 8 Comp., 1190 Gefreite und Gemeine stark. Außerdem unterhielt der Herzog eine starke eigene Truppen=
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macht. Er lag dauernd im heftigsten Streit mit seiner Ritterschaft und der Stadt Rostock und benutzte sein Militär einstweilen zu Executionen gegen seine Widersacher. Diese verworrenen Verhältnisse spitzten sich dahin zu, daß Kaiser Karl VI. Reichsexecution verfügte und Hannover und Braunschweig beauftragte, ein sogenanntes "Commissions=Truppen=Corps" nach Meklenburg zu schicken, um das Land zu besetzen und Ruhe und Ordnung herzustellen. Nach hannoverschen Quellen bestand dieses vom Generallieutenant v. Bülow geführte Corps aus 12 Infanterie=Regimentern (das Bataillon ca. 600), 6 Reiter=Regimentern (à 2 Escadrons mit 200) 2 Dragoner=Regimentern (à 4 Escadrons mit 400 M.) und einem zahlreichen Stabe; es zählte zusammen etwa 10,000 Combattanten und führte (nach anderer Quelle) 32 Geschütze außer den Regiments=Stücken mit sich. Es überschritt in den Tagen vom 25. Februar bis zum 3. März 1719 die mit Eis gehende Elbe bei Zollenspieker, Artlenburg, Boizenburg, und rückte von letztgenannter Stadt gegen Hagenow, sowie von Büchen über Greven und von Möllen über Zarrentin gegen Wittenburg vor, mit der Absicht: die sich dort sammelnden meklenburg=schwerinschen Truppen einzuschließen. Am Abend des 5. März hatte das Regiment de Lueur die Défiléen über die Sude bei Walsmühlen mit 3, bei der Rothenmühle mit 1 und Hagenow mit 1 Compagnie besetzt. Das Dragoner=Regiment Wendt stand in und bei Parum zwischen Wittenburg und Walsmühlen; General v. Bülow hatte sein Hauptquartier in Gammelin, zwischen Wittenburg und der Rothenmühle, die Reiter=Regimenter St. Laurent und Schlütter lagen in und bei Gammelin, die übrigen Truppen wegen schwieriger Verpflegung in weitläufigen Cantonnements nördlich, westlich und südlich von Wittenburg.
Der Reichs=Execution trat Herzog Carl Leopold Anfangs sehr energisch entgegen und traf von Rostock aus alle Vorkehrungen zur Zurückweisung derselben. Zunächst wurde schon Mitte Februar das Leib=Regiment zu Pferde: Oberstlieutenant v. Waldow (5 Compagnien à 80 Reiter) nach Gadebusch geschickt, um die Grenze zu überwachen. Der Generalmajor v. Schwerin hatte sich ebendahin zu verfügen, mit der Weisung, "nicht zu dulden, daß die herzoglichen Truppen verdrängt würden, sondern Gewalt mit Gewalt zu vertreiben". An seine Befehle wurden, zur Concentrirung bei Wittenburg, überwiesen: die beiden russischen Regimenter (über Crivitz und Hagenow im Anmarsche), das Regiment
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v. Kahlden (5 Comp. à 140 M.), das mit 3 Comp. als Besatzung in Schwerin stand, aber am 23. Febr. 2 Comp. nach Dömitz détachirt hatte; weiter von Rostock her das Bataillon v. Zülow (4 Compagnien à 120 M.), die Feldartillerie unter Oberst Vick (von nicht bekannter Geschützzahl), das Dragoner=Regiment Lilliestreng von 5 Compagnien mit ca. 400 M., welches erst durch requirirte Pferde voll beritten gemacht ward; dann von der "Landmilice", die unter dem 17. Februar Ordre erhielt ihre Mannschaften einzuziehen, das Regiment Buggenhagen in Dömitz (6 Compagnien mit ca. 700 M.) und das Regiment Kolhas (von gleicher Stärke) in Bützow, welches aber nicht oder verspätet zum Ausmarsche gelangt zu sein scheint. Es waren zusammen an Cavallerie etwa 800, an Infanterie etwa 4000 M. im Felde, mit wenig Feldartillerie; auch dürfte nur die russische Infanterie Regimentsstücke bei sich gehabt haben. Alle diese Truppen wurden bis zum 5. März in und bei Wittenburg vereint. Der Generalmajor v. Schwerin war bereits am 19. Februar in Gadebusch eingetroffen. Von hier aus leitete er den Anmarsch, traf Anstalten wegen der Vertheidigung von Dömitz, organisirte ein so gutes Kundschaftswesen und verwendete dazu das Leib=Regiment so sachgemäß - freilich unter großer Anstrengung desselben, weshalb es in der Affaire bei Walsmühlen nur noch mit ca. 250 Säbeln auftrat -, daß er dem Herzog fast täglich über Stärke, Märsche und Absichten des Generallieutenants v. Bülow rapportiren konnte; seine Meldungen erwiesen sich später als durchaus zutreffend und gelangten, ungeachtet der 16 Meilen Entfernung (bei damaliger Wegebeschaffenheit im Februar und März), in Folge eines Relaisdienstes durch Feldjäger immer innerhalb 24 Stunden nach Rostock. Ein Vorstoß gegen Boizenburg vermittelst eines Nachtmarsches gelang jedoch nicht. Generalmajor v. Schwerin traf am 1. März früh mit dem Leib=Regiment bei dem Kirchdorf Zahrenstorf ein; er fand aber die Stadt bereits von 2 Regimentern und Artillerie besetzt, die zuführenden Brücken abgebrochen, und da die Infanterie (Tilly und Buggenhagen) nur Goldenbow erreichte, so ging er auf Wittenburg um so mehr zurück, als ihm eine Ordre des Herzogs vom 27. Februar mit der Bestimmung zuging, vorsichtig zu verfahren, nicht zuerst anzugreifen und die Truppen zusammenzuhalten. Doch hielt ihn dies nicht ab, den Herzog um die Erlaubniß zur Offensive zu bitten, weil er hoffe, die Hannoveraner einzeln zu schlagen; noch besser wäre es, wenn der Herzog selbst
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kommen und die bei Rostock stehenden Regimenter (Flohr und Krapff, jedes 10 Compagnien mit 1400 M. Solletat, und v. Vietinghoff=Dragoner, 5 Compagnien, ca. 400 M.) mitbringen wollte. Dem Generallieutenant v. Bülow ließ er sogar sagen, daß er angreifen würde, wenn dessen Truppen weiter vorrückten; aber dies brachte ihm nur eine abweisende Antwort ein, und er wagte dies auch nicht zu thun, als sich ihm dazu am 4. März bei Waschow, eine kleine Meile westlich von Wittenburg, eine günstige Gelegenheit bot. Als noch am selben Tage Abends bestimmte Befehle des Herzogs vom 3. und 4. (derselbe hatte inzwischen von General v. Bülow eine kaiserliche Resolution empfangen) den Generalmajor erreichten, bei weiterem Vorrücken der Commissions=Truppen auf Rostock zurückzugehen und sich nicht abschneiden zu lassen; und als dann am 5. Recognoscirungen den Weitermarsch "der Gäste oder fremden Truppen" in gefährlichster Richtung unzweifelhaft machten: da verließ v. Schwerin am Nachmittage Wittenburg und Umgegend auf der Straße über Walsmühlen nach Schwerin. Im Zurückgehen passirten seine Truppen die Stellung des hannoverschen Dragoner=Regiments Wendt, ohne daß ein ernster Conflict entstanden wäre. Als v. Schwerin jedoch gegen Mitternacht an der Spitze des Regiments Tilly vor dem Défilé von Walsmühlen erschien, war die Brücke über die Sude nicht nur abgebrochen, sondern es wurde auch der gegen die Stellung des Nächstcommandirenden als Geißel erbetene freie Durchzug "ungestüm" abgeschlagen. Während der Verhandlungen erfolgte dann sogar eine Salve aus dem zur größeren Hälfte auf dem linken Ufer des Flüßchens liegenden, zur Vertheidigung eingerichteten Dorfe, so daß 5 Russen fielen. Der Kampf wurde hierauf allgemein; das Regiment Tilly verwendete seine Artillerie, warf Handgranaten und setzte über das kleine, noch mit Eis bedeckte Flüßchen an mehreren Stellen, so daß der selbst verwundete Oberst de Lueur nach tapferer Gegenwehr und großem Verluste (11 Offiziere, 106 Mann waren todt und verwundet, auch die Fahne ging verloren) das Dorf räumen mußte und vermuthlich auf die Rothemühle zurückeilte. Von hannoverscher Seite wird dagegen behauptet, daß aus dem Dorfe nicht geschossen worden, vielmehr der umfassende Angriff sofort erfolgt sei, nachdem Oberst de Lueur die Passage wiederholt verweigert hatte. Jedenfalls hatte General v. Schwerin alle Ursache, den Paß für seine Truppen und die unter dem Schutze des Dragoner=Regiments Lilliestreng folgende große Bagage= und
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Proviant=Colonne frei zu bekommen. Nach beendetem 1= bis 2 stündigem Nachtgefechte wurde die Brücke hergestellt und zunächst von der übrigen meklenburgischen Infanterie und dann vom Leib=Regiment benutzt. Noch war letzteres im Defiliren begriffen, als seine Queue von dem hannoverschen Regiment Wendt, welches herbeigeeilt war und die Train=Colonne durchbrochen hatte, angefallen wurde, und mit ihm durch das Dorf jagte. Es gelang jedoch dem Generalmajor v. Schwerin durch einen persönlich geführten Gegenangriff, unterstützt von Infanteriefeuer, die feindlichen Dragoner noch auf dem durch die Niederung führenden Damm aufzuhalten und über die Brücke zurückzutreiben, so daß nun auch die meklenburgische Bagage folgen konnte, worauf er die Brücke neuerdings abbrechen ließ. Gegen Anbruch des Morgens war dies geschehen, das Dorf und das sehr durchschnittene Terrain an der Sude besetzt, die übrigen meklenburgischen Truppen auf einer südwestlich bei Walsmühlen gelegenen Plaine gesammelt; die Train=Colonne marschirte ohne Aufenthalt nach Schwerin zu.
Inzwischen hatte Generallieutenant v. Bülow in Gammelin Kenntniß von dem bei Walsmühlen vorgefallenen erhalten. Er concentrirte unverweilt die 3 Regimenter Wendt, St. Laurent und Schlütter (8 Escadrons), ging über die Sude (wohl bei Rothemühle), um das Regiment de Lueur aufzunehmen, und ließ anreiten, als ihm bei Hellwerden die Meldung zuging, daß Meklenburger und Russen auf der Plaine südwestlich von Walsmühlen stünden. Andererseits befahl General v. Schwerin, vom Vorgehen der hannoverschen Cavallerie durch vorgesandte Patrouillen benachrichtigt, die Truppen zum Gefecht aufzustellen; Lilliestreng=Dragoner als Avantgarde vor der Front, als rechter Flügel diente das besetzte Walsmühlen mit seinen Hecken u. s. w., in's Centrum rückte die russische Infanterie mit 4 Regimentsstücken (und wahrscheinlich 3 meklenburgischen Feldkanonen), auf den linken Flügel das Leib=Regiment. Noch war aber der Aufmarsch nicht völlig beendet, als das letztgenannte Regiment attaquirt wurde; dieses hielt sich jedoch so gut, daß die Hannoveraner zurückweichen mußten und eine zweite Attaque nicht unternahmen. Dem entgegen wollen dieselben erst angegriffen haben, nachdem sich die feindliche Reiterei rechts gezogen, um ihre Infanterie und Artillerie freizumachen, und nachdem sie von dieser beschossen worden wären; dann aber hätten sie jene völlig in die Flucht geschlagen und wären erst hierauf außerhalb Geschützwirkung zurück=
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gegangen. Die Wahrheit dürfte sein, daß die hannoversche Cavallerie während ihres Vorgehens zur Attaque vom Artillerie= und Infanteriefeuer zu leiden hatte, ein lebhaftes Handgemenge stattfand, dem sich das eben erst mit requirirten Pferden beritten gemachte Regiment Lilliestreng sehr bald und eilig entzog, während das Leib=Regiment um so tapferer focht (es waren alle seine 3 Stabsoffiziere verwundet), und daß das Zurückweichen der Hannoveraner nicht eben freiwillig erfolgte, da sie 2 verwundete Stabsoffiziere in den Händen ihrer Gegner ließen. Es scheint übrigens, als sei auch bei Walsmühlen selbst gefochten worden, obschon kein Bericht dessen erwähnt; denn in den Verlustlisten der Hannoveraner kommen das Dragoner=Regiment Bülow (es stand am 4. bei Waschow) und das Infanterie=Regiment Belling, auf Seite der Meklenburger aber das Bataillon Zülow vor.
Nach dem Gefechte blieb General v. Schwerin noch 2 Stunden stehen und marschierte dann ungestört nach Schwerin ab, wo er gegen Mittag einrückte und sofort an den inzwischen nach Potsdam gegangenen Herzog berichtete. Andererseits sammelte General v. Bülow noch am 6. März das Gros seiner Truppen in und bei Wittenburg, und setzte sich von da erst am 10. gegen Schwerin in Marsch, welches die meklenburgischen Truppen mit Hinterlassung einer schwachen Besatzung geräumt hatten, um sich befehlsmäßig auf Rostock zurückzuziehen.