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B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.



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I. Prähistorische Alterthümer.


a. Steinzeit.


Der Herr Ober=Inspector Major Baron v. Nettelbladt zu Güstrow schenkte dem Verein eine kleine Sammlung von Stein=Alterthümern, und zwar

I. Alterthümer, welche zu Güstrow und in der Umgegend gefunden wurden. Diese sind folgende:

1) Eine große Streitaxt aus Diorit, 16 Centim. lang und 3 Pfund schwer.

2) Eine halbe Streitaxt aus Diorit, mitten durch das Schaftloch durchgebrochen.

3) Ein Steinhammer aus feinkörnigem Granit, eiförmig, mit Schaftloch. Die Oberfläche ist geglättet. Möglich ist es, daß der Stein Naturbildung ist; wahrscheinlicher ist es, daß die Kunst nachgeholfen hat. Das dünnere Ende ist etwas abgenutzt. Werkzeuge dieser Art sind außerordentlich selten.

4) Ein großer, starker Keil aus braunem Feuerstein, 16 Centim. lang und 1 1/3 Pfund schwer, überall geschliffen, an der Schneide etwas schadhaft.

5) und 6) zwei kleine, dünne Keile aus grauem und gelbem Feuerstein, 11 Centim. lang, ganz geschliffen.

7) Ein dickes, spanförmiges Feuersteinmesser, 10 Centim. lang, stark abgenutzt.

Ferner schenkte derselbe

II. eine kleine Streitaxt aus Diorit, 9 Centim. lang, welche zu Schwerin beim Schloßbau gefunden ist. Die Schneide ist abgebrochen.

Dr. G. C. F. Lisch.

Vignette
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b. Bronzezeit.


Bronzefund von Barnekow.

Zu Barnekow, im Kirchspiel Gressow, bei Wismar, also nicht weit vom Ostseestrande, einem Landgute des Herrn v. Ladiges, wurden im Frühling 1880 im Torfmoor beim Torfstechen viele bronzene Alterthümer auf einem Haufen liegend gefunden und von dem Herrn v. Ladiges im Monat December Sr. K. H. dem Großherzoge zum Geschenk überreicht, Allerhöchstwelcher sie sogleich den großherzoglichen Sammlungen zur Aufbewahrung überwiesen hat.

Die Bronzen, 15 Stück an der Zahl und im Ganzen ungefähr 5 1/4 Pfund (2 5/8 Kilogramm) im Gewicht, sind, wie die meisten Moorbronzen, ohne Rost und größtentheils gut erhalten, wie neu.

Die gefundenen und geretteten Bronzen sind folgende:

1) Zwei gleiche Armringe, dünne, von dreiseitigem Durchschnitt.

2) Drei gleiche Halsringe, dünne, mit überfassenden Endhaken und mit Drehungen modellirter Oberfläche.

3) Zwei paar spiralförmige Armschienen von der hieneben abgebildeten Gestalt, von dreieckigen dünnen Stangen, mit Querstrichen verziert.

Armschienen

1/3 Größe.

4) Zwei starke Beinringe, wie man annimmt, von rhombischem Durchschnitt, mit glatter Oberfläche, jeder ein halbes Pfund schwer.

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5) Zwei "Celte" oder Frameen mit Schaftloch und Oehr, ganz von der hieneben abgebildeten Gestalt. Das eine Stück ist in der Mitte durchgebrochen, das andere im Schaftloch ausgebrochen.

Framee

Ganze Größe.

6) Eine Schmuckdose ("Hängeurne") von der hieneben abgebildeten Gestalt. Dosen dieser Art sind schon oft im Lande gefunden, gewöhnlich mit darinliegenden Schmucksachen.

Diese Dosen haben immer, wie auch diese Barnekowsche, auf dem Rande zwei aufrechte Oehre und einen flachen, einpassenden Deckel, welcher in der Mitte auch ein gleiches Oehr in gleicher Richtung hat. Durch diese drei Oehre ward zum Verschließen ein Riegel geschoben, von welchem bei manchen Exemplaren noch Spuren sichtbar sind. Die Unterseite dieser Barne=

Schmuckdose

halbe Größe.

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kowschen Dose hat zum Schmuck Schuppenverzierungen, welche nicht oft vorkommen.

In der Schmuckdose lag:

7) ein kurzer Pfriemen von Bronze, ziemlich scharf, in einem Stück.

Zu diesen Bronzen kommen in diesem Funde noch

Schmucksachen aus Gold 1 ).

In der Dose lagen nämlich außer dem Bronzepfriemen auch

8) zwei Spiral=Fingerringe von doppeltem Golddraht von der hieneben abgebildeten Gestalt, deren Enden alle geschlossen sind. Der eine von diesen Fingerringen ist sehr weit, der andere enger. Goldene Fingerringe dieser Art sind in Meklenburg oft gefunden.

Aehnliche Ringe, Ohrringe und Fingerringe, von Golddraht fand auch Schliemann bei seinen Trojanischen Forschungen in der "zweiten prähistorischen Stadt"; vgl. Schliemanns Ilios, Leipzig 1881, S. 308, mit Abbildungen.

Diese Dose aus Barnekow zeigt noch eine andere Merkwürdigkeit, welche sonst noch nicht vorgekommen zu sein scheint. Da das Oehr auf dem Deckel abgebrochen ist, so ist der Deckel

9) durch einen Golddraht von der Stärke des Fingerringdrahtes von Seitenöhr zu Seitenöhr zugebunden und an den Enden verknotet.

Nach allen Anzeichen gehören die Alterthümer der mittleren, reinen Bronzezeit an.

Spiral-Fingerring

1) Fast zu derselben Zeit ward in Meklenburg ein ähnlicher Fund gemacht. Nach mündlichen Mitteilungen des Herrn Kammerherrn v. Grävenitz auf Waschow bei Wittenburg wurden auf dessen angrenzendem Nebengute im Jahre 1880 auf einer weiten Fläche beim Steinbrechen zwischen Steinen viele Bronzen, darunter Schwerter, und auch "doppelter Golddraht" gefunden.
Dr. G. C. F. Lisch.
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Nach der Meklenburgischen Zeitung 1880, Nr. 344, Decbr. 9, und nach Privatnachrichten sind "von den Torfmachern verschiedene Stücke wieder in das Moor hinein, geworfen, weil sie diese für werthlos hielten, und steht zu hoffen, daß beim Beginne der Arbeit im nächsten Torfstich noch mancherlei aufgefunden wird." - Die Arbeiter nannten diese Stücke "Stülpen" (Gefäßdeckel); vermuthlich waren es "Hängeurnen" oder Schilde.

Wahrscheinlich sind alle diese vorstehend aufgeführten Alterthümer Reste aus Pfahlbauten der Bronzezeit, welche bisher in Meklenburg noch nicht erkannt sind. Jedoch sind Bronzen sehr häufig in Torfmooren gefunden.

Dr. G. C. F. Lisch.


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Bronzefund von Karbow.

Zu Dorf Karbow, Amts Lübz, südlich bei der Stadt Lübz, fand am 28. Juli 1881 der Büdner Döscher beim Pflügen seines Ackers ungefähr 6 Zoll unter der Erdoberfläche viele Alterthümer aus Bronze, welche von demselben vorschriftsmäßig an das Amt Lübz abgeliefert und von diesem an die großherzoglichen Sammlungen eingesandt wurden. Die Bronzen, im Gesammtgewicht 4 Pfund schwer, welche überhaupt selten sind und in den Schweriner Sammlungen noch nicht vertreten waren, sind folgende:

I. Vier bronzene Stangen von Pferdezäumen oder "Stangengebissen". Die Stangen, 6 Zoll lang, sind massiv gegossen, an den massiven Stellen auf der Oberfläche gereifelt verziert, die Enden etwas gebogen. An einem Ende ist ein rundes Loch; in der Mitte, im dicksten Theile, sind in verschiedenen Richtungen zwei ovale Löcher zum Durchziehen von Schnüren und Riemen um die Pferdeschnauze.

Stangen dieser Art waren schon früher bekannt. Auf dem internationalen Congreß zu Brüssel 18 72 wurden zwei Exemplare aus den Schweizer Pfahlbauten des Bieler Sees vorgelegt, welche beschrieben und abgebildet sind in der Abhandlung: "Deux mors de cheval en bronze, Moeringen et Voudrevanges par M. Alexandre Bertrand", Separat=Abdruck aus der Revue archéologique, Paris 1872. Diese

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Stangen sind den zu Karbow gefundenen ganz ähnlich, nur fehlen bei den letzteren die Gebisse, d. h. die Querstangen oder Querketten.

Eine ganz ähnliche Stange, den Karbowschen mehr ähnlich, ist in Schonen gefunden und abgebildet im "Führer durch das Museum Vaterländischer Alterthümer in Stockholm von Oscar Montelius, übersetzt von J. Mestorf 1876", S. 31, Nr. 38.

Vom Grafen Gozzadini zu Bologna besitze ich Handzeichnungen von alten bronzenen Pferdegebissen, welche in Italien gefunden sein sollen.

Ueberall werden Stangen dieser Art von den Forschern für Theile von Pferdegebissen gehalten und für wichtig zur Geschichte der Thierzähmung.

II. Vierzehn Buckeln oder Becken von starkem gegossenen Bronzeblech, flach glockenförmige Schalen in Form eines Kugelabschnittes. Der Rand ist nach außen umgebogen. In der flachen Spitze ist ein Loch, durch welches von innen her eine Schleife oder Oese von 1 Zoll Durchmesser aus starkem Bronzedraht gezogen ist, welche auf der Oberfläche zu einem runden Knopf verarbeitet ist. Ohne Zweifel dienten diese Schleifen zum Aufheften der Buckeln. In Schonen sind ähnliche Buckeln gefunden. Vgl. Montelius a. a. O. - Wahrscheinlich dienten dieselben zum Pferde= oder Reiterschmuck. In Schweden hält man sie mit den Gebissen für Theile vom "Pferdegeschirr". Die Höhe ist bei allen Buckeln gleich, 1 1/2 Zoll oder 3 Centimeter.

Die Breite ist verschieden. Es sind 3 Größen vorhanden: 5 Stück erster Größe = 5 Zoll (12 Centim.) Durchmesser; 4 Stück mittlerer Größe = 4 Zoll (9 Centim.) Durchmesser; 3 Stück geringster Größe = 3 1/2 Zoll (8 Centim.) Durchmesser.

III. Eine bronzene Gußform zu einer Framea mit Schaftloch ("Hohlcelt"). Die Form, welche aus zwei Längshälften besteht, ist ungewöhnlich groß und schwer, 5 1/2 Zoll oder 13 Centim. lang und gegen 1 Pfund (28 Loth) schwer. Auf der Außenseite jeder Hälfte ist ein Ring angegossen, wahrscheinlich zum Zusammenbinden beim Gebrauch.


Der Fund bildete wahrscheinlich den Waaren=Vorrath eines Bronzehändlers. Mit den Bronzen sind keine Knochen und Thongefäße oder Scherben, überhaupt nichts eingeliefert,

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was auf ein Begräbniß schließen ließe. Im Amte Lübz scheint ein großer Bronze=Verkehr gewesen zu sein. Unser früheres thätiges Vereinsmitglied, weiland Pastor Ritter zu Vietlübbe (das an Karbow grenzt), hat in seiner Gegend im Amte Lübz zahlreiche Kegelgräber aufgedeckt und in denselben sehr viele Bronzen gefunden, welche in den Jahrbüchern beschrieben und in den Sammlungen des Vereins aufbewahrt sind. In Ruthen, nördlich bei Lübz, nicht weit von Karbow, ward vor mehreren Jahren eine Bronzegießerei der Bronzezeit entdeckt. Vgl. Jahrb. XXXIX, 1874, S. 127 flgd.


Die großherzoglichen Sammlungen besitzen seit langer Zeit noch zwei Pferdegebisse, eines von Bronze und eines von Eisen, welche in der Gegend von Marnitz bei Lübz gefunden sind. Diese sind aber nur einfache "Trensen", wie sie noch heute im Gebrauche sind, mit einer Querstange mit Gelenk und einem großen Ringe an jedem Ende.

Schwerin, im August 1881.

Dr. G. C. F. Lisch.


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Bronze=Hefteln von Malkwitz.

Der Herr Oberförster Schlange zu Jabel bei Malchow hat durch Vermittelung des Herrn Pastors Pentz daselbst im März 1881 dem Verein mehrere Bruchstücke von Bronze=Geräthen übergeben, welche in dem zum Kloster Malchow gehörenden Malkwitzer Forstrevier beim Ausroden von Tannenstämmen gefunden sind. Diese Bruchstücke haben sich als Reste von zwei bronzenen Hefteln erwiesen, welche sich noch einigermaßen haben zusammenlegen und beschreiben lassen, wie folgt.

1) Eine lange Heftel.

Die eine Heftel, welche sehr lang ist, ist eine Heftel mit zwei runden Spiralplatten von starkem Bronzedraht, von der Grundform einer hierunter abgebildeten kleinen

Heftel

Ganze Größe.

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Bronzeheftel der Bronzezeit. Die eine Spiralplatte fehlt jetzt, die zweite ist wohl erhalten und hat 2 Zoll im Durchmesser. Alle Stücke sind mit edlem hellgrünem Rost bedeckt.

Diese Heftel ist ungewöhnlich lang. Der Bügel ist ungefähr 7 Zoll lang und 5/8 Zoll breit, die Nadel 9 Zoll lang, das Ganze wohl 10 Zoll lang gewesen. Der sehr schmale, flache Bügel ist reich verziert, indem an beiden Rändern zwischen drei flachen, glatten Bändern zwei Reihen flach modellirter Zickzacklinien in vertieftem Grunde stehen. Die Nadel hat am Kopfe drei Querbalken statt der gewöhnlich vorkommenden zwei. Die großherzoglichen Sammlungen besitzen noch einen abgebrochenen gleichen Nadelkopf mit drei Querbalken, unbekannten Fundorts.

Nach Gestalt, Arbeit, Rost und Fundstelle stammt diese lange Heftel von Malkwitz mehr als wahrscheinlich aus einem niedrigen Kegelgrabe der Bronzezeit.

Vor mehr als 30 Jahren wurden zu Alt=Sammit bei Krakow mehrere Kegelgräber abgetragen und in denselben viele schöne Bronzen mit edlem Rost gefunden, unter diesen auch eine lange Bronze=Heftel. Vgl. Jahrb. XII, 1847, S. 407 flgd. Diese sehr merkwürdige Heftel von Alt=Sammit ist an Größe und Gestalt der ebenbeschriebenen Heftel von Malkwitz ganz gleich. Nur die Verzierungen sind etwas verschieden. Der Bügel ist ebenfalls mit Zickzacklinien 1 ) der Länge nach verziert; aber er zeigt drei Reihen Zickzacklinien, während die Malkwitzer Heftel nur zwei Reihen hat. Der Kopf der Nadel hat, wie gewöhnlich, nur zwei Querbalken statt drei.

Im Allgemeinen sind diese beiden Hefteln freilich gleich, aber die Verzierungen sind verschieden. Daher können sie nicht in Einer Form gegossen sein. Aber sie sind ohne Zweifel von demselben Künstler modellirt und gegossen.

Jedenfalls ist die Uebereinstimmung dieser beiden Hefteln sehr merkwürdig und zeugt für einen lebhaften, weit verbreiteten Verkehr zur Bronzezeit. Eine ähnliche Uebereinstimmung in Einzelheiten und Verzierungen ist sonst in


1) Ich fühle mich gedrungen, hier einen früheren Irrthum zu berichtigen. In Jahrb. XII, S. 331 flgd. habe ich gesagt, daß die Heftel von Alt=Sammit mit einer dreifachen Reihe "eingeschlagener Dreiecke" verziert sei. Es sind aber nicht "Dreiecke", sondern Zickzacklinien, und diese nicht "eingeschlagen", sondern modellirt und gegossen, wie alle Verzierungen gegossener Bronzen der Bronzezeit. Ich war vor 30 Jahren noch nicht so gut unterrichtet, um dies sicherstellen zu können.
Dr. G. C. F. Lisch.
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Meklenburg noch nicht beobachtet, wenn auch manche einfache und glatte Bronzen, wie z. B. Celte (Frameen), Messer, Sicheln u. dgl., aus derselben Form stammen mögen.

Zur größeren Aufklärung sei hier noch bemerkt, daß Malkwitz und Alt=Sammit ungefähr zwei geographische Meilen von einander entfernt sind.

2) Eine kurze Heftel.

Von anderer Beschaffenheit sind einige Bronze=Bruchstücke, welche sich nach der Zusammenlegung als Stücke einer kleinen Heftel erwiesen haben. Alle Stücke haben keinen Rost, sondern eine bräunliche Farbe, als Zeichen, daß sie vielleicht an einer feuchten, moorigen Stelle gefunden sind. Die Stücke sind folgende: ein schmaler glatter Blechbügel ohne Verzierungen, 4 Zoll lang, eine Nadel, auch 4 Zoll lang, und eine flache runde Blechplatte, gegen 2 Zoll im Durchmesser, statt der herkömmlichen Spiralplatte; eine zweite Platte fehlt. Die runde Blechplatte ist mit einem flachen, durchgehenden, rechtwinkligen Kreuze von Querstrichen in vertiefter Arbeit, in einem gleichen Randkreise verziert, einer Art von Verzierung, welche sonst noch nicht beobachtet ist.

Dr. G. C. F. Lisch.

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c. Aus der Wendenzeit.


Der Burgwall bei Wulfsahl.

Nördlich vom Dorfe Wulfsahl (im Amte Neustadt, südlich von Parchim) liegt ein "Burgwall", links von dem Wege, der von Wulfsahl nach Karrenzin führt, nahe an der Scheide dieser beiden Dörfer, und westwärts durch eine schmale Niederung, die noch bei Menschen=Gedenken ein bewaldetes Bruch gewesen ist, getrennt von dem hier noch unbedeutenden Flüßchen Löknitz. Man erkennt in diesem "Burgwall" auf den ersten Blick einen recht ansehnlichen wendischen Burgwall. Er ist rund; seine ganze Grundfläche hat - nach der Flurkarte - einen Durchmesser von mehr als 100 Metern. Diese ganze Kreisfläche ist zunächst etliche Fuß hoch mit gelbem, von kleinen Steinen durchsetztem

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Sande beschüttet und über die Umgebung erhöhet; dann aber ist der Umkreis wiederum zu einem Ringwall erhöhet, der nach vielleicht tausend und mehr Jahren an manchen Stellen noch mindestens 10 Fuß über die innere Fläche des Burgwalls, und an der Außenseite wohl noch 16 Fuß über die Bodenfläche hervorragt. Theils wohl um zu dem äußeren Ringe das Material zu gewinnen, vornehmlich aber zur Verstärkung des Befestigungswerkes, hat man dasselbe mit einem breiten Graben umzogen, der jetzt aber fast ganz zugesunken und theilweise von Binsengestrüpp bewachsen ist. Seit der Vererbpachtung wird dieser Burgwall nicht weiter benutzt, als allenfalls zur Weide; früher ist er aber, unter Schonung des äußeren Ringwalles, eine Reihe von Jahren hindurch beackert. Er ist jetzt mit Heidekraut, Moos, Flechten und Gras bewachsen, so daß es mir nicht gelingen wollte, auf der Oberfläche die bekannten Scherben aus der Wendenzeit zu finden. Sehr viele von diesen sind ohne Zweifel durch den Pflug zertrümmert, andere unter den Boden gepflügt. Bei dem Ausheben von Erde kamen unter der Fruchterde, in einer Tiefe von 20 bis 30 Centim, Proben von jenen wendischen Gefäßscherben zu Tage.

Uebrigens hätte man, wären diese auch nicht gefunden, wegen der ausgeprägten Form und der Lage über die Entstehungszeit und den Zweck dieser Befestigung keinen Augenblick im Zweifel sein können. Das Dorf Wulfsahl mit dem kümmerlichen Boden seiner Feldmark hätte auch nicht wohl im Mittelalter einen ritterbürtigen Mann verlocken können, dort seinen Wohnsitz zu nehmen und sich eine Burg zu bauen. Seiner Unbedeutendheit halber wird es in unsern Urkunden erst gegen das Ende des 14. Jahrhunderts genannt, und zwar 1392 noch mit dem wendischen Namen Volzendoůpe. Damals gehörte es freilich noch der angesehenen ritterbürtigen Familie Bozel, die auf Goldbeck saß, war aber bereits an die v. Koppelow verpfändet, und diese überließen 1392 ihr Pfandrecht an das Kloster Eldena. Das Kloster übersetzte merkwürdiger Weise jenen wendischen Namen Volzendoůpe sogleich auf deutsch: Vulueshole (d. i. Wolfshöhlen, s. jetzt oben S. 162), vielleicht weil die Einwohner noch Wenden waren und nun germanisirt werden sollten. 1396 sicherte sich das Kloster Eldena den Besitz des Dorfes durch eine Nachzahlung an die Vormünder der minderjährigen Bozel, mußte denselben aber das Einlösungsrecht doch noch zugestehen. Hans Bozel auf Goldbeck hat dann hernach noch einmal wegen "Wolueshole" Schwierig=

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keiten gemacht, ist aber 1412 von Eldena beruhigt, und das Dorf gehörte fortan zum Gute dieses Klosters, bis es in der Reformationszeit ins Domanium überging.

So zwecklos gegenwärtig der Burgwall bei Wulfsahl erscheinen mag, in der Wendenzeit war seine Stelle mit gutem Grunde gewählt. Nämlich die Löknitz trennte, wie die Abgrenzungen der Kirchspiele in jener Gegend noch deutlich zeigen, die beiden wendischen Burgwarde (Gaue) Brenz (jetzt etwa Amt Neustadt) und Marnitz, welche übrigens beide zu dem Lande Linagga, dem Gebiete des Volksstammes der Linonen, gehört zu haben scheinen. Der Gau Marnitz hat nun seine Grenzen auffallend stark gesichert. Denn im Osten hat derselbe außer dem vermuthlich auch wendischen Burgwalle zu Marnitz, der seit dem Mittelalter den Wohnsitz des fürstlichen Vogtes trug, noch einen kleineren (sicher wendischen) Burgwall, jetzt "die Burg" genannt, auf dem Wege von Marnitz nach dem Ruhnen=Berge aufgeworfen (Jahrb. XXIII, S. 303), im Süden die Grenze geschützt durch den unter dem Namen "Schwedenschanze" bekannten, noch nicht wissenschaftlich untersuchten, aber nach seiner Form auf der Flurkarte unverkennbar wendischen Burgwall zwischen Brunow und Horst. Zum Schutze ihrer Westgrenze aber, wozu die Löknitz nicht ausreichend erscheinen mochte, führten die Marnitzer hinter derselben den in Rede stehenden Burgwall bei Wulfsahl auf. Diesem Zwecke entspricht es auch, daß seine Thoröffnung auf der dem Flüßchen abgewandten Seite, ganz nahe am Wege nach Karrenzin, liegt.

Schwerin, im December 1880.

Dr. F. Wigger.

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II. Mittelalterliches.


1) Burgstelle zu Borgfeld.

In den Jahrbüchern des Vereins, Jahrg. XXV (1860), S. 276 meint Hr. Geh. Archivrath Dr. Lisch bei Besprechung des Landes Tüzen (Tucen), der späteren Vogtei Stavenhagen, daß in der Nähe des Ortes Tüzen noch irgendwo eine wendische Gauburg liegen müsse, da das östlich an Tüzen grenzende Dorf den Namen Borgfeld (Burgfeld) führe. So

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sehr nun auch diese Benennung für jene Annahme spricht, so habe ich doch trotz sorgfältiger Untersuchung der bezeichneten Gegend hier nirgends einen Platz finden können, der nach dem Muster der übrigen bekannten Burgwälle für einen solchen geeignet wäre. Das Terrain ist hier überall erhaben und hügelicht, nur von wenigen und sehr schmalen Wiesenstreifen durchschnitten, die ganz den Eindruck alter Flußbetten machen. Die einzige tiefere Einsenkung, das Tüzer Seebecken, ist gleichfalls nicht für die Anlage eines wendischen Burgwalls geeignet. Die Ufer desselben fallen steil ab, und Inseln sind in ihm nicht vorhanden. 1 )

Nun sind aber in Borgfeld, im Pfarrgarten, wirklich noch die Ueberreste einer alten Befestigung erhalten; ihre ganze Lage und Beschaffenheit weisen sie jedoch entschieden erst dem Mittelalter zu. Dieselbe, im Geviert angelegt, nimmt einen etwas erhöhten Platz ein, dessen innerer Umfang an 400 Schritte beträgt und auf drei Seiten von einem 5 bis 6 Meter breiten und oft ziemlich tiefen Graben umrahmt ist. Auf der vierten Seite, nach Westen hin, wird der Graben durch einen kleinen Teich vertreten und von diesem auch gespeist. Hier und im Norden der Befestigung ist eine geringe Bodensenkung vorhanden, während nach Süden und Osten das Terrain jenseit des Grabens gleichmäßig ansteigt. Dieser Umstand verbietet denn auch anzunehmen, daß die mittelalterliche Befestigung auf der Stelle eines Wendenwalles errichtet sei, da von einer natürlichen Vertheidigungslinie, durch größere Wasser= oder Sumpfflächen gebildet, hier nicht die Rede sein kann.

Als der Herr Pastor Sarnighausen vor mehr als 25 Jahren in Borgfeld ordinirt wurde, ist nach seiner Versicherung noch der Platz auf allen Seiten mit einem Walle umgeben gewesen, dieser seitdem aber aus wirthschaftlichen Rücksichten von ihm größtentheils entfernt worden bis auf die Nordseite, wo der Wall in die Anlage des Lustgartens mit hineingezogen ist. Der gegenwärtige Rest dieses Walles hat die Höhe von etwa 3 bis 4 Metern und ist heute überall von Bäumen und Gesträuch bestanden. Unmittelbar hinter demselben befindet sich eine kreisförmige Erhöhung, vom Urboden 4 Meter hoch, und hier trifft man noch zahlreiche Reste mittelalterlicher Bauart an, gewaltige Fundamente


1) Die wendische Gauburg des Landes Tüzen wird daher wohl anderswo zu suchen sein. Ich vermuthe, daß sie an der Stelle des mittelalterlichen Castells und heutigen Schlosses Stavenhagen lag.
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und jene durch ihre Größe und Dicke ausgezeichneten Backsteine. Auch hat man hier vor Jahren eine Art Treppe aufgefunden, die aus großen Granitfliesen bestand, seitdem aber größtentheils zu baulichen Zwecken verwandt ist. An dieser Stelle scheint also ein Thurm gestanden zu haben. Die Geschichte Borgfelds im Mittelalter ist ziemlich dunkel. Nach einer sehr verdächtigen Urkunde von 1287 Septbr. 8. soll es zu den Besitzungen des Klosters Verchen gehört haben; doch ist dieser Besitz anderweitig nirgends bezeugt. [ 1 )

Seit dem Anfange des 15. Jahrhunderts war dieser Ort ein Lehngut der Familie Drake. In einer Urkunde des Klosters Ivenack vom Jahre 1412, December 21. (in sancto die beati Thome, apostoli gloriosi) wird ein Reinward Drake in Borgfeld (Renward Drake in Borguelt) unter den Zeugen genannt 2 ). Der Ort war dann noch im Besitz der Familie bis 1592, wo die Letzte ihres Geschlechts, Engel Drake, vermählt mit Valentin v. Voß auf Luplow, starb, und nun die v. Kruse mit dem Gute belehnt wurden. 3 )

Berthold Schmidt, Cand. phil.


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2) Längsrillen und Rundmarken an meklenburgischen Kirchen.

Von Pastor Dr. Krüger in Lübz.

Die vornehmlich an kirchlichen Gebäuden vorkommenden Längsrillen und Rundmarken, auf welche schon vor zwei Jahrzehnten F. Voigt in Königsberg hingewiesen hat und auch in dem 1879 erschienenen Quartal= und Schlußbericht des Vereins aufmerksam gemacht worden ist, sind seit einigen Jahren der Gegenstand umfassender Nachforschungen geworden. In trefflicher Weise orientirt hierüber die in Prüfer's Archiv für kirchliche Baukunst erschienene Abhandlung: "Längsrillen und Rundmarken an mittelalterlichen Gebäuden", von Staatsarchivar Dr. v. Bülow in Stettin, in welcher Arbeit eine sehr dankenswerthe Uebersicht über das Fundgebiet dieser Zeichen gegeben wird. Nach den bisherigen Beobachtungen ist die Form der Längsrille wesentlich überall dieselbe, ebenso die der Rundmarke. Die Längsrillen sind augenscheinlich mit einem harten, spitzen Instrumente in das Gemäuer der


1) Mekl. Urk.=Buch III, 1923 n.
2) Nach dem Original im Schweriner H.=Archiv.
3) Jahrbücher des Vereins A. XI, 439.
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Gebäude hineingearbeitet. Die Länge der Rillen beträgt oft nur 2- 3 Zoll; doch finden sich auch Rillen von 2-3 Fuß Länge. Ihre Tiefe variirt wie ihre Breite, zwischen 1/4 bis 2 Zoll. Die anderswo gemachte Wahrnehmung, daß je länger die Rillen sind, desto geringer ihre Tiefe ist, wird durch meine Beobachtungen nicht bestätigt; die von mir aufgefundenen größeren Längsrillen hatten immer auch eine größere Tiefe. Bei manchen der von mir gesehenen Rillen verflachten sich die Enden bei entsprechender Abnahme der Tiefe und der Breite. Häufig sind die Rillen von einer Länge, Breite und Tiefe, daß man grade einen Finger in dieselben hineinlegen kann. Die Richtung der Rillen ist entweder senkrecht, oder schräge, oder wagerecht; indeß habe ich an meklenburgischen Kirchen bis jetzt noch keine wagerecht laufende Längsrille aufgefunden. - Die Rundmarken sind kreisrunde, schalenförmige, die Figur eines Kugelabschnittes darstellende Vertiefungen, deren Durchmesser gewöhnlich nicht 3/4 Zoll ist und selten über 3 Zoll hinausgeht. Ihre Tiefe beträgt 1/2 - 1 Zoll. Wo sie nicht durch den Einfluß der Witterung gelitten haben, da ist die Fläche glatt, und die Ränder sind scharf. Sie machen den Eindruck, als wären sie mit einem Brustbohrer, wie ihn der Stellmacher gebraucht, in die Bausteine hineingebohrt worden. Mitunter findet sich in der Mitte derselben noch eine kleinere, wie von einer Bohrerspitze herrührende Vertiefung; Rundmarken dieser Art finden sich auch an meklenburgischen Kirchen. Hin und wieder kommen Rundmarken von anderer Form vor; so sind z. B. in Oberschlesien Rundmarken gefunden worden, deren Vertiefung der Winkelspitze eines sphärischen Triangels gleicht, und an der Kirche zu Pitschen in Schlesien kommen öfters Rundmarken vor, deren geschweifte Wände eine Karnißlinie bilden. Bis jetzt habe ich Rundmarken von diesen Formen an Kirchen unseres Landes noch nicht aufgefunden. - Längsrillen sowohl wie Rundmarken finden sich fast ausschließlich nur an den Außenseiten der mittelalterlichen Gebäude, und zwar in einer 1- 6 Fuß über der Erde liegenden Zone. In der Mitte dieser Zone sind sie gewöhnlich am zahlreichsten. Nur ein einziges Mal habe ich auch innerhalb eines Kirchthurmes Längsrillen gefunden. Durch alle bisherigen Beobachtungen wird bestätigt, daß sich beide Arten von Zeichen nie in einer größeren Höhe finden, als ein Mann mit seiner Hand zu reichen vermag. Vorzugsweise sind die Süd= und Westseiten der Kirchen die Fundstellen, und hier wiederum sind diese Zeichen am zahlreichsten in der Nähe

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der Eingänge. Die Thürwölbungen, die Rundstäbe und Holzkehlen der Portale sind nicht selten durch die Menge derselben verunstaltet. An den Nordseiten der Kirchen werden die Längsrillen und Rundmarken im Ganzen nur vereinzelt gefunden. An einzelnen Kirchen, z. B. an der Nicolaikirche und an der Marienkirche in Berlin, an der Jacobikirche in Stettin und an der Jacobikirche in Stralsund, kommen nur Rundmarken vor. Nach v. Bülow's Angabe (a. a. O.) waren bis dahin in Schlesien überall noch keine Längsrillen bemerkt worden; Rundmarken dagegen hatte man auch dort an mehreren Kirchen gefunden. Andererseits giebt es auch einzelne Kirchen, an denen man nur Längsrillen wahrgenommen hat, z. B. in Braunschweig und Goslar. Gewöhnlich bilden aber Rundmarken und Längsrillen ein buntes Durcheinander. Im allgemeinen scheinen die Rundmarken in größerer Menge als die Längsrillen vorzukommen; wenigstens möchte ich dies von den meklenburgischen Kirchen behaupten. Das geographische Fundgebiet dieser Zeichen umfaßt nach den Forschungen von Friedel und v. Bülow: Pommern, Posen, die Neumark, einzelne Theile der Mark, die Niederlausitz, Schlesien, die Provinz Sachsen, die Provinz Preußen und die Harzgegend. In dem Correspondenz=Blatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, 1880, No. 5, findet sich aus der Gegend von Bersenbrück in Hannover folgende Mittheilung: "Auch hier finden sich an vielen Kirchen in den Dörfern solche eingegrabenen Rillen, meistens an den Thürwänden der Süd= und Westportale". Ebendaselbst wird aus Thüringen berichtet, daß an den aus Sandsteinquadern erbauten und der spätgothischen Bauperiode angehörenden Kirchen zu Untermhaus bei Gera und zu Weida schälchenartige Vertiefungen von 2 bis 5 Centim. Durchmesser - also Rundmarken - wahrgenommen worden seien. Unzweifelhaft wird sich das Fundgebiet, zu dem inzwischen noch Meklenburg hinzugetreten ist, bei weiteren Nachforschungen noch beträchtlich erweitern.

Nachdem ich an der Kirche zu Lübz und an einigen Landkirchen der Umgegegend vergeblich nach Längsrillen und Rundmarken gesucht hatte, fand ich diese Zeichen zuerst an der aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. stammenden, im gothischen Stile erbauten Georgenkirche zu Parchim, und zwar in überaus großer Menge. Die Rundmarken zu beiden Seiten des Westportals haben durch den Einfluß der Witterung bereits sehr gelitten. Dagegen sind die Längsrillen und Rundmarken, die sich an der Südseite der Kirche an den Portalen, an und zwischen den Pfeilern, selbst in zwei zur

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Aufstellung von Heiligenbildern benutzten Nischen zu beiden Seiten eines vermauerten Portals finden, wohl erhalten. Eine große und schöne Rundmarke von 2 1/2 Zoll Durchmesser an dem Rundstabe eines Portals durchschneidet die Glasur des Backsteins. Manche der großem Längsrillen laufen über drei Backsteine und die Kalkfugen hin. Mehrere der Marken zeigen in der Mitte die obenerwähnte kleinere, anscheinend von einer Bohrerspitze herrührende Vertiefung. Auch am Chor der Kirche finden sich Marken, während die Nordseite keine Marken und nur eine einzige Längsrille hat. Im Innern des Thurmes, ganz in der Nähe des Westeinganges, fand ich auf übertünchten Backsteinen einige senkrechte Längsrillen. - Die 1278 geweihete Marienkirche zu Parchim hat ebenfalls Rundmarken und Längsrillen, aber in weit geringerer Menge als die Georgenkirche. Die an der Ostseite befindlichen Marken und Rillen sind bereits stark verwittert. Die Nordseite hat nur einige wenige Rundmarken, aber keine Längsrillen.

In Güstrow fand ich an der Pfarrkirche zu beiden Seiten des südlichen Einganges etwa 12 Rundmarken von gewöhnlicher Größe. - Der zu Anfang des 13. Jahrhunderts erbaute Dom hat auf der Nordseite zu beiden Seiten des Einganges etwa 25 Rundmarken von mittlerer Größe. Auf einem Backsteine findet sich eine größere Rundmarke, deren Kreislinie von drei kleineren Marken theilweise durchschnitten wird. An der Südseite der Kirche finden sich zerstreut gegen 50 Rundmarken. Die Westseite des Domes hat keine Marken, und auf der Ostseite ist das untere Mauerwerk vor einigen Jahren vollständig erneuert. Längsrillen sind in Güstrow weder an der Pfarrkirche, noch am Dome vorhanden.

An der Kirche zu Malchin dagegen, deren Alter mir nicht bekannt ist, finden sich Längsrillen und Rundmarken durcheinander. Die Nordseite und die Westseite der Kirche haben einige wenige Rundmarken. Die Hauptfundstelle ist der Ostgiebel des südlichen Seitenschiffes und die angrenzende Südseite des Chors. Hier zählte ich gegen 200 wohl erhaltene Rundmarken und etwa 50 sehr schöne Längsrillen, von denen 16 senkrecht, und die übrigen, 5-6 Zoll lang, 1 1/2 Zoll breit und 1 Zoll tief, von oben rechts nach unten links über den Backstein laufen; nur eine einzige Längsrille hat die Richtung von oben links nach unten rechts.

An der Kirche zu Gnoien finden sich auf der Südseite einige senkrechte Rillen und schalenförmige Vertiefungen; es ist jedoch nicht mit Sicherheit zu erkennen, ob dieselben zu den Längsrillen und Rundmarken zu zählen sind.

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Die Kirche zu Neukalen hat östlich vom südlichen Eingange drei Rundmarken, von denen zwei mit Mörtel ausgefüllt sind.

Die Neustädtische Kirche in Röbel hat an der Südseite, an der Ostseite und am Westportale etwa 30-40 Rundmarken, aber keine Längsrillen.

An der Kirche zu Plau fand ich zu beiden Seiten des südlichen Hauptportals, auch an den Rundstäben und in den Hohlkehlen des Portals etwa 30 Rundmarken und ebenso viele Längsrillen.

Am Dome in Schwerin finden sich hin und wieder einige Rundmarken und Längsrillen.

An den Kirchen zu Wismar sind - nach einer Mittheilung des Herrn Dr. Crull daselbst - keine Längsrillen zu finden, und Rundmarken von geringen Dimensionen sind nur an der Südseite der Marienkirche neben dem östlichen der beiden hier befindlichen Eingänge in kleiner Anzahl vorhanden.

In Rostock hat der Herr Staatsarchivar v. Bülow aus Stettin keine Rundmarken an den Kirchen gefunden. Ich selbst habe an den sämmtlichen Kirchen in Lübeck, am Dome zu Ratzeburg, an den Kirchen zu Zarrentin, Wittenburg, Goldberg, Krakow und an der erst im Jahre 1790 erbauten Kirche zu Stavenhagen vergeblich nach Längsrillen und Rundmarken gesucht. Auch die Kirchen zu Teterow, Rehna und Grabow haben diese Zeichen nicht. Ebenso habe ich an Dorfkirchen unseres Landes bis jetzt keins dieser Zeichen gefunden. Die auffallende Erscheinung, daß Rundmarken und Längsrillen in Rostock und Lübeck überall nicht und an den Kirchen in Schwerin und Wismar nur in ganz geringer Anzahl gefunden werden, erklärt sich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß schon im 13. Jahrhundert auf den Kirchhöfen vieler, besonders der größeren norddeutschen Städte kleine Gebäude neben den Kirchen errichtet, und in der folgenden Zeit Häuschen und Buden zwischen den Außenpfeilern der Kirchen an die Kirchen angebaut wurden. "So sind allmählich fast alle Kirchen und Kirchhöfe zu Lübeck und Hamburg, Wismar und Rostock, Schwerin und Stralsund und an vielen anderen Orten durch niedrige, dürftige Anbauten entstellt und nicht selten verunehrt worden", bemerkt Glöckler, Jahrb. XIII, S. 469.

Für die nähere Bestimmung der Zeitperiode, in welcher diese Zeichen in die Mauern der Kirchen eingegraben sind, fehlt es bis jetzt an sicheren Anhaltspunkten. Die starke

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Verwitterung, welche diese Zeichen an manchen älteren Kirchen erlitten haben, deutet jedoch auf eine sehr frühe Zeit. Längsrillen und Rundmarken von ersichtlich jüngerem Ursprunge hat man bis jetzt nicht gefunden, wie denn überhaupt diese Zeichen an Kirchen, die erst im vorigen Jahrhundert erbaut sind, schwerlich vorhanden sein dürften. Die Ansicht, daß diese Zeichen den Backsteinen bereits vor ihrer Verwendung eingeprägt seien, wird vollständig durch die Thatsache widerlegt, daß einmal diese Zeichen sich stets nur bis zu einer für einen Mannesarm erreichbaren Höhe finden, und daß sodann die Längsrillen oft über 2 bis 3 Mörtelfugen hinlaufen und einzelne Rundmarken die Glasur der Backsteine durchschneiden, während andere mit ihrem Mittelpunkte in der Mörtelfuge selbst stehen und die Ränder der durch die Mörtelfuge geschiedenen Backsteine schneiden. Außerdem ist wohl zu beachten, daß Rundmarken und Längsrillen sich eben sowohl an den aus Sandstein und anderem Naturgestein, wie an den aus Backstein aufgeführten Kirchen finden.

Im übrigen aber sind Ursprung und Bedeutung dieser Zeichen zur Zeit noch ein ungelöstes Problem der Alterthumskunde. Hier und da fabelt die Volksüberlieferung von Löwen und Wölfen, die mit ihren Krallen die Rillen in die Kirchenmauern hineingekratzt hätten. In dem oben angeführten Bericht aus dem Hannöverschen wird über die Entstehung der Rillen mitgetheilt: ein alter Mann habe gesagt, unsere Vorfahren hätten ihre Wolfsspieße, welche sie zum Schutze auch beim Kirchgang bei sich geführt, an diesen Stellen scharf geschliffen, wodurch dann die Rillen entstanden seien. An den meisten Fundorten dieser Zeichen aber giebt es nicht einmal eine Volksüberlieferung über dieselben, und wo eine solche vorhanden ist, da ist sie augenscheinlich ein Spiel der Phantasie. An Erklärungsversuchen von Seiten wissenschaftlicher Männer fehlt es nicht; aber keiner dieser Versuche hat bis jetzt das Dunkel zu lichten vermocht, das die Bedeutung dieser Zeichen verhüllt.

Unter den Anthropologen herrscht die Meinung vor, daß die Rundmarken in historischem Zusammenhange mit den schalenförmigen Vertiefungen stehen, welche sich auf den sogenannten "Schalensteinen" finden, die in Dänemark häufig vorkommen und deren zwei auch in Meklenburg, nämlich auf dem Hünengrabe bei Naschendorf, gefunden sind (vgl. Jahrb. XLIV, S. 74 ff.). Allerdings ist eine gewisse Aehnlichkeit zwischen den Rundmarken und diesen Vertiefungen der

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Schalensteine, welche letzteren ich nur aus den Abbildungen kenne, die Dr. Henry Petersen in Kopenhagen seinen Schriften über die "Helleristninger" beigegeben hat, nicht zu verkennen; aber mit Recht läßt sich gegen diese Anschauung geltend machen, daß ein historischer Zusammenhang zwischen diesen Eingrabungen auf den uralten, der heidnischen Zeit angehörenden Schalensteinen und den Rundmarken des christlichen Mittelalters höchst unwahrscheinlich ist, und daß bei dieser Annahme für die mit den Rundmarken untermischt vorkommenden Längsrillen sich keine Erklärung findet. - Auch die Ansicht, welche den Ursprung beider Arten von Zeichen auf Volksaberglauben zurückführt, erscheint als unhaltbar. Bei der Zähigkeit, mit welcher der Aberglaube im Volke wurzelt, ist es nicht denkbar, daß ein abergläubischer Gebrauch, der nahezu über ganz Norddeutschland verbreitet gewesen sein müßte, sich in einigen Jahrhunderten überall so vollständig sollte verloren haben, daß nirgends eine Erinnerung an denselben übrig geblieben wäre; es müßten sich vielmehr Spuren desselben noch an manchen Orten finden, - und das ist nicht der Fall. Es bleibt bei einem abergläubischen Gebrauche von so ausgedehnter Verbreitung auch der Umstand ganz unerklärlich, daß von nahe bei einander liegenden gleichalterigen Kirchen die eine mit diesen Zeichen überladen ist, während dieselben an der anderen ganz fehlen. Es ist überhaupt beachtenswerth, daß der Aberglaube die Kirchen fast gar nicht in den Bereich seiner Gebräuche hineinzieht, eine Wahrnehmung, die für Meklenburg durch die von Bartsch herausgegebene Sammlung von Sagen, Märchen und Gebräuchen aus Meklenburg bestätigt wird. Wenn Längsrillen und Rundmarken auf Volksaberglauben zurückzuführen wären, dann würden diese Zeichen nicht auf dem ganzen Fundgebiete eine so große Aehnlichkeit mit einander haben, sondern in einer reichen Mannigfaltigkeit der Formen auftreten; jedenfalls aber würden dieselben dann nicht mit jener Sorgfalt und Geschicklichkeit hergestellt worden sein, die dem Beschauer sofort ins Auge fällt. Hat man an einzelnen Kirchen Längsrillen aufgefunden, die nur oberflächlich und wie mit einem Nagel eingeritzt zu sein scheinen, so möchte doch zur Frage stehen, ob diese Rillen nicht auszuscheiden und als das Werk müssiger Knabenhände anzusehen seien. In Meklenburg habe ich derartige Rillen nicht beobachtet.

Die Längsrillen und weit mehr noch die Rundmarken weisen entschieden auf technisch geübte Hände und, so weit

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ich sehe, überall auf eine und dieselbe Technik hin. Dieser Umstand, der mir von der größten Wichtigkeit zu sein scheint, deutet auf eine ganze andere Spur als die des Volksaberglaubens hin. Nach meiner Ansicht sind die Längsrillen und Rundmarken nichts Anderes als Zeichen, welche die Genossen der großen mittelalterlichen Bauhütten nicht nur während ihrer Beschäftigung in einer zur Ausführung eines größeren Gebäudes errichteten Hütte, sondern auch auf ihren Wanderungen durch die Landstriche in die kirchlichen Gebäude eingegraben haben. Da die Bauhütten sich ursprünglich am Fuße der großen Kirchen erhoben und in dem Kirchenbau ihre edelste und höchste Aufgabe sahen, und die Genossen der Bauhütten durch ihre Satzungen eng mit dem kirchlichen Leben verbunden waren: so liegt die Annahme nahe, daß die Bauhütten=Genossen gerade an den überall vorhandenen und leicht auffindbaren Kirchen ihre Zeichen anbrachten. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß sie hin und wieder auch in weltliche Gebäude ihre Zeichen eingruben, wie denn ja auch in Wirklichkeit, wenn auch sehr vereinzelt, Längsrillen und Rundmarken an weltlichen Gebäuden aufgefunden worden sind. Ist diese Annahme richtig, so erklärt sich:

1) Die an allen Fundorten beobachtete Formengleichheit dieser Zeichen, sowie die Technik, insbesondere die Gleichartigkeit der Technik, die denselben eigen ist.

2) Der Umstand, daß diese Zeichen sämmtlich älteren Zeiten entstammen. Nach vorgängigen feindseligen Reichtagsbeschlüssen untersagte nämlich Kaiser Karl VI. im Jahre 1731 alle Gebräuche und Geheimnisse der Steinmetzen aufs Strengste, und von diesem Zeitpunkte an fristeten nur noch die Bauhütten in Frankfurt, Köln, Zürich und Basel einige Jahrzehnte hindurch ein kümmerliches Dasein.

3) Die sehr beachtenswerthe Thatsache, daß im Volke jede Kenntniß des Ursprunges und der Bedeutung dieser Zeichen fehlt.

4) Das bunte Durcheinander von Längsrillen und Rundmarken. Vielleicht hatten die Genossen der einen Haupthütte die Rundmarke, die der anderen die senkrechte Längsrille, die der dritten die schräge Längsrille als ihr gemeinsames Zeichen.

Einen Stützpunkt dieser Erklärung sehe ich auch in der in A. Reichensperger's kleiner Schrift: "die Bauhütten des Mittelalters" enthaltenen Mittheilung: "Die Lehrlinge bekamen am Ende ihrer Lehrzeit ein Steinmetz=Zeichen. Das so verliehene Zeichen hatte jeder Geselle auf seinen Stein

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zu setzen. Diese Zeichen bestanden ursprünglich in lateinischen Buchstaben, an deren Stelle im Verfolge geometrische Figuren traten. Das Lesen dieser Zeichen gehörte zu den untergeordneteren Geheimnissen der Hütten". Hatte jeder Steinmetzgeselle sein besonderes Zeichen, so liegt die Annahme nahe, daß die Genossen der einzelnen großen Bauhütten auch gemeinsame Zeichen führten, und solche Zeichen scheinen mir eben die Längsrillen und Rundmarken gewesen zu sein.

Möge die vorstehende Darlegung zur weiteren Nachforschungen über die in Meklenburg vorhandenen Längsrillen und Rundmarken anregen!


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3) Alte Meßgewänder von Bützow.

Der Verwaltungsvorstand des Hospitals zum Heiligen Geist in Bützow hat einige alte Meßgewänder aus der vorreformatorischen Zeit, welche bis jetzt im Besitze des Hospitals gewesen sind, den großherzoglichen Alterthümersammlungen zur ferneren Aufbewahrung übergeben.

Diese Gewänder sind folgende:

zwei Priester=Kaseln (Meßgewänder) aus schwerem Seidengewebe, beide mit einem aufgenäheten großen Kreuze auf der Rückenhälfte.

Die eine Kasel hat einen blauen Grund mit eingewebten gelben Blumen und Hirschen. Das Kreuz, 4 Fuß hoch und 1/2 Fuß (6 Zoll) breit im Stamme, ist mit Seidenstickerei 1 ) in Plattstich verziert, und zwar mit drei Bildern weiblicher Heiligen. Oben ist die H. Maria mit dem Christkinde auf dem Arme. Darunter stehen zwei weibliche Heilige mit Attributen in der Hand, welche sich aber nicht recht erkennen lassen. Wahrscheinlich sollen sie darstellen: die H. Elisabeth, die Hauptheilige der Hauptkirche, und die H. Katharine, die besondern Schutzheiligen der Kirche, daher auch die große Glocke vom Jahre 1412 diesen Heiligen geweihet ist. Vielleicht soll auch eine der Heiligen die H. Ursula sein, da eine Figur einen Pfeil in der Hand zu haben scheint. Diese Darstellungen stimmen ganz zu dem Heiligendienste der Bützowschen Collegiat=Kirche. Der reich mit Heiligenbildern geschmückte alte Altar (vom J. 1503) enthält fast nur weibliche Heilige. Vgl. Jahrbücher XXIV, 1859,


1) Das Kunstgewerbe der Seidenstickerei stand im Mittelalter sehr hoch.
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S. 318 flgd. - Auf jedem Querbalken des Kreuzes steht ein Heiligen=Brustbild.

Die andere Kasel ist aus einem schweren Seidengewebe von karmoisinrother oder violetter Farbe. Das Kreuz, lang und schmal, 4 Fuß hoch und 2 1/2 Zoll breit in den Balken, ist bunt mit eingewebten Blumen und anderen kleinen Verzierungen geschmückt. Außerdem ist 4 Male der Name maria und 3 Male der Name ihesus in verschiedenen Absätzen mit schwarzer Seide eingestickt.

Ferner sind eingesandt:

zwei Alben oder Meßhemden aus weißer Leinwand, von ungewöhnlicher Weite und Länge, etwas über 6 Fuß lang.

Außerdem:

ein Corporale, oder Handtuch, oder Kelchtuch, ein kleines viereckiges Tuch von weißer Leinwand.

Ohne Zweifel stammen alle diese Sachen aus dem 15. Jahrhundert.

Bekannt waren diese Reliquien seit langerzeit. Schon vor mehr als 200 Jahren machten die Jesuiten auf dieselben Jagd. Nach einer von mir vor vielen Jahren aufgefundenen Nachricht im Staats=Archive nahmen im Jahre 1673 die Jesuiten die "Meßgewänder aus der Kirche zu Bützow" zum Gottesdienst für die Herzogin Isabelle Angélique, die katholische Gemahlin des Herzogs Christian Louis seit 1663, nach Schwerin, bei welcher Gelegenheit der Schweriner protestantische Superintendent Olthof die Wiedereinführung 1 ) der katholischen Kirchentracht für den Altardienst empfahl.

Vielleicht sind diese im Jahre 1673 nach Schwerin für die Kirche geliehenen Bützowschen Meßgewänder nach Bützow zurückgegeben und dieselben, welche jetzt im Jahre 1881 den Schweriner Alterthümersammlungen geschenkt sind.

Dr. G. C. F. Lisch.

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1) Der Gebrauch katholischer Meßgewänder für den Altardienst hat in der protestantischen Kirche noch lange nach der Reformation, bis zu den neuen Zeiten, bestanden und bestand noch in den neuesten Zeiten. Vielleicht auch jetzt noch, in den nordischen Reichen. Ich habe es wenigstens im Jahre 1844 noch in der Kirche zu Roeskilde auf Seeland gesehen.
Dr. G. C. F. Lisch.
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III. Aus neuerer Zeit.


Herr Ober=Inspector Baron v. Nettelbladt zu Güstrow schenkte außer den oben S. 299 verzeichneten Steinalterthümern noch folgende Fundstücke aus neuerer Zeit:

fünf Bruchstücke von grün glasurten Ofenkacheln mit Verzierungen, aus dem 16. Jahrhundert.

Darunter ist der untere Theil einer dunkelgrün glasurten Kachel mit dem untern Theil eines männlichen Brustbildes und auf dem untern Rande mit folgender, in Minuskeln ergänzter Inschrift:

mAVRICIVS. D. [ei gratia] dVX. SAXOnie.

Ferner schenkte derselbe folgende Stücke, welche in einem Torfmoor bei Bützow gefunden sind, aus welchem das Landarbeitshaus Torf bezieht:

zwei braun gefärbte Beinknochen, wahrscheinlich von einem Hirsch,

zwei eiserne Kanonenkugeln, Zweipfünder.

 

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IV. Zur Wappenkunde.


Ein Leinen=Laken mit dem meklenburgischen Wappen.

Bei der öffentlichen Versteigerung eines Nachlasses in dem Hause einer altadeligen Familie zu Schwerin kam auch ein Beutel mit Leinen=Lumpen ("Plünnen") zur Papierfabrication zur Versteigerung, welchen eine Aufkäuferfrau für wenige Groschen erstand. Beim Ausräumen fand sich in dem Beutel auch ein altes, etwas beschädigtes, kunstreich gewebtes Leinen=Laken mit dem "meklenburgischen Wappen". Als sich dies aussprach, machten sogenannte "Antiquitätenhändler" Jagd darauf und boten verhältnißmäßig viel Geld, bis ich zur Zahlung der zwanzigfachen Summe des Kaufpreises getrieben ward, um das seltene Stück für die großherzoglichen Sammlungen zu erwerben und zu retten.

Das Laken ist etwas über 4 Fuß lang und etwas unter 4 Fuß breit und besteht aus sehr starker Leinewand, mit dem weißen Wappen auf rothem Grunde.

In der Mitte steht 3 Fuß hoch das volle, große, siebenschildige meklenburgische Wappen mit großer Krone, fünf Helmen, Helmzierden, Helmdecken und Schildhaltern. Am Rande umher steht eine Kante von 1/2 Fuß Breite, welche wiederholt im Kleinen die einzelnen Wappenschilde unter einfachen Fürstenkronen enthält. In jeder der vier Ecken steht ein großer Ordensstern mit einem kleinen Kreuz in der Mitte.


Das Laken verdient nicht nur in kunstgewerblicher, sondern auch in heraldischer Hinsicht große Beachtung.

Die Weberei ist musterhaft, sehr kunstreich ausgeführt und ganz untadelhaft.

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Das Wappen ist das große, siebenschildige meklenburgische Landeswappen, genau so wie es im Jahre 1658 durch Regierungsbeschluß (nach Jahrb. VIII, S. 33) eingeführt und in den neuesten Zeiten nach den strengsten Forschungen im Thronsaale des Schweriner Schlosses 1 ) in glänzender Stickerei wiederholt und danach in Jahrb. XXV, S. 115, Nr. 1, und hier im Holzschnitt wieder abgebildet ist.

Wappen

Die Zeichnung aller Wappentheile auf dem Laken ist völlig richtig und ausgezeichnet schön ausgeführt, so daß dieses Wappen zu den besten alten Wappen im Lande gehört.

Die Zeit der Verfertigung dieses alten Kunstwerkes ist schwer zu ermitteln, da keine unmittelbare Zeichen dafür vorhanden sind. Nach dem Jahre 1658 wird das Laken


1) Dieses Wappen ist auch 1861 als Einzelblatt in Farbendruck bei Tiedemann in Rostock herausgekommen.
Die völlige Uebereinstimmung des alten Laken=Wappens mit dem neuen Thronsaal=Wappen ist ein schlagender Beweis für die Richtigkeit des letzteren.
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jedenfalls gewebt sein, da erst in diesem Jahre das sieben schildige Wappen eingeführt ward. Vielleicht stammt es noch aus der Zeit des Herzogs Christian Louis (1658, † 1692 gleich nach Einführung des Wappens. Es ist aber auch nicht unwahrscheinlich, daß es der Zeit des Herzogs Christian Ludwig (1747, † 1756) angehört, worauf die Ordenssterne in der Ecken des Lakens zu deuten scheinen, da unter diesem Herzoge bekanntlich Ordensfeste am Schweriner Hofe gefeiert wurden. Jedenfalls wird das Laken zwischen 1660 und 1760 verfertigt sein. - Woher das Laken stammt, ist nicht zu ermitteln. Es stammt entweder aus einem fürstlichen Nachlaß oder war ein fürstliches Geschenk an eine adelige Familie.

Schwerin.

Dr. G. C. F. Lisch.

 

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