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c. Aus der Wendenzeit.


Der Burgwall bei Wulfsahl.

Nördlich vom Dorfe Wulfsahl (im Amte Neustadt, südlich von Parchim) liegt ein "Burgwall", links von dem Wege, der von Wulfsahl nach Karrenzin führt, nahe an der Scheide dieser beiden Dörfer, und westwärts durch eine schmale Niederung, die noch bei Menschen=Gedenken ein bewaldetes Bruch gewesen ist, getrennt von dem hier noch unbedeutenden Flüßchen Löknitz. Man erkennt in diesem "Burgwall" auf den ersten Blick einen recht ansehnlichen wendischen Burgwall. Er ist rund; seine ganze Grundfläche hat - nach der Flurkarte - einen Durchmesser von mehr als 100 Metern. Diese ganze Kreisfläche ist zunächst etliche Fuß hoch mit gelbem, von kleinen Steinen durchsetztem

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Sande beschüttet und über die Umgebung erhöhet; dann aber ist der Umkreis wiederum zu einem Ringwall erhöhet, der nach vielleicht tausend und mehr Jahren an manchen Stellen noch mindestens 10 Fuß über die innere Fläche des Burgwalls, und an der Außenseite wohl noch 16 Fuß über die Bodenfläche hervorragt. Theils wohl um zu dem äußeren Ringe das Material zu gewinnen, vornehmlich aber zur Verstärkung des Befestigungswerkes, hat man dasselbe mit einem breiten Graben umzogen, der jetzt aber fast ganz zugesunken und theilweise von Binsengestrüpp bewachsen ist. Seit der Vererbpachtung wird dieser Burgwall nicht weiter benutzt, als allenfalls zur Weide; früher ist er aber, unter Schonung des äußeren Ringwalles, eine Reihe von Jahren hindurch beackert. Er ist jetzt mit Heidekraut, Moos, Flechten und Gras bewachsen, so daß es mir nicht gelingen wollte, auf der Oberfläche die bekannten Scherben aus der Wendenzeit zu finden. Sehr viele von diesen sind ohne Zweifel durch den Pflug zertrümmert, andere unter den Boden gepflügt. Bei dem Ausheben von Erde kamen unter der Fruchterde, in einer Tiefe von 20 bis 30 Centim, Proben von jenen wendischen Gefäßscherben zu Tage.

Uebrigens hätte man, wären diese auch nicht gefunden, wegen der ausgeprägten Form und der Lage über die Entstehungszeit und den Zweck dieser Befestigung keinen Augenblick im Zweifel sein können. Das Dorf Wulfsahl mit dem kümmerlichen Boden seiner Feldmark hätte auch nicht wohl im Mittelalter einen ritterbürtigen Mann verlocken können, dort seinen Wohnsitz zu nehmen und sich eine Burg zu bauen. Seiner Unbedeutendheit halber wird es in unsern Urkunden erst gegen das Ende des 14. Jahrhunderts genannt, und zwar 1392 noch mit dem wendischen Namen Volzendoůpe. Damals gehörte es freilich noch der angesehenen ritterbürtigen Familie Bozel, die auf Goldbeck saß, war aber bereits an die v. Koppelow verpfändet, und diese überließen 1392 ihr Pfandrecht an das Kloster Eldena. Das Kloster übersetzte merkwürdiger Weise jenen wendischen Namen Volzendoůpe sogleich auf deutsch: Vulueshole (d. i. Wolfshöhlen, s. jetzt oben S. 162), vielleicht weil die Einwohner noch Wenden waren und nun germanisirt werden sollten. 1396 sicherte sich das Kloster Eldena den Besitz des Dorfes durch eine Nachzahlung an die Vormünder der minderjährigen Bozel, mußte denselben aber das Einlösungsrecht doch noch zugestehen. Hans Bozel auf Goldbeck hat dann hernach noch einmal wegen "Wolueshole" Schwierig=

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keiten gemacht, ist aber 1412 von Eldena beruhigt, und das Dorf gehörte fortan zum Gute dieses Klosters, bis es in der Reformationszeit ins Domanium überging.

So zwecklos gegenwärtig der Burgwall bei Wulfsahl erscheinen mag, in der Wendenzeit war seine Stelle mit gutem Grunde gewählt. Nämlich die Löknitz trennte, wie die Abgrenzungen der Kirchspiele in jener Gegend noch deutlich zeigen, die beiden wendischen Burgwarde (Gaue) Brenz (jetzt etwa Amt Neustadt) und Marnitz, welche übrigens beide zu dem Lande Linagga, dem Gebiete des Volksstammes der Linonen, gehört zu haben scheinen. Der Gau Marnitz hat nun seine Grenzen auffallend stark gesichert. Denn im Osten hat derselbe außer dem vermuthlich auch wendischen Burgwalle zu Marnitz, der seit dem Mittelalter den Wohnsitz des fürstlichen Vogtes trug, noch einen kleineren (sicher wendischen) Burgwall, jetzt "die Burg" genannt, auf dem Wege von Marnitz nach dem Ruhnen=Berge aufgeworfen (Jahrb. XXIII, S. 303), im Süden die Grenze geschützt durch den unter dem Namen "Schwedenschanze" bekannten, noch nicht wissenschaftlich untersuchten, aber nach seiner Form auf der Flurkarte unverkennbar wendischen Burgwall zwischen Brunow und Horst. Zum Schutze ihrer Westgrenze aber, wozu die Löknitz nicht ausreichend erscheinen mochte, führten die Marnitzer hinter derselben den in Rede stehenden Burgwall bei Wulfsahl auf. Diesem Zwecke entspricht es auch, daß seine Thoröffnung auf der dem Flüßchen abgewandten Seite, ganz nahe am Wege nach Karrenzin, liegt.

Schwerin, im December 1880.

Dr. F. Wigger.

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