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:
I.
Ueber
von
F. Boll
,
Prediger zu Neu=Brandenburg.
S chon oft ist den Gelehrten, welche mit der älteren Geschichte der slavischen Länder zwischen der Oder und Elbe an der Ostsee sich beschäftigt haben, die Erscheinung aufgefallen, daß, nachdem in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Mecklenburg, in den anstoßenden Marken, zum Theil in Pommern und auf Rügen das Heidenthum mit Waffengewalt war ausgerottet worden, in verhältnißmäßig kurzer Zeit die slavische Nationalität fast spurlos verschwunden ist und diese Länder so vollständig germanisirt erscheinen, daß die deutsche Sprache, und zwar niedersassischen Dialekts, in ihnen die herrschende ist. Früher suchte man diese Erscheinung einerseits durch eine geflissentliche Vertreibung und Ausrottung der Slaven, andrerseits durch Einwanderung deutscher Colonisten in die verödeten Länder zu erklären. Wenn nun auch eine solche absichtliche Vertilgung der Slaven und Einführung deutscher Ansiedler durch urkundliche Zeugnisse und Nachrichten gleichzeitiger Schriftsteller für gewisse Gegenden mit historischer Sicherheit feststeht: so ist doch beides nicht in dem Grade und der Ausdehnung nachzuweisen, ja auch nicht einmal als wahrscheinlich anzunehmen, daß hieraus allein schon hinreichend es sich erklären ließe, wie in diesen Provinzen die slavische Sprache so schnell bis auf geringe Ueberbleibsel aussterben und der niedersassische Dialekt dafür allgemein gebräuchlich werden konnte.
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Um diese Schwierigkeit zu beseitigen, hat man in neueren Zeiten eine Hypothese aufgestellt, die sich allerdings dadurch sehr empfiehlt, daß sie diese Schwierigkeit sehr einfach löset. Man hat das ganze Slaventhum des ehemaligen Obersachsens und des ostelbischen Niedersachsens, so wie es gewöhnlich verstanden wird, mit zu den vielen Fabeln gehörig erklärt, die sich in unsern Geschichtsbüchern von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt haben. Am Ende der sogenannten Völkerwanderung, sagt man, war das Land zwischen der Oder und Elbe von dem deutschen Volksstamme der Warner bewohnt. Im 6. Jahrhunderte kamen zwar diese Länder (Holstein, Meklenburg, Vorpommern, die Chur=Mark u. s. w.) unter die Botmäßigkeit der sich ausbreitenden Sachsen, welche die Warner unterjochten. Als aber die Sachsen mit ihren westlichen Nachbaren, den Franken, in Kampf geriethen, waren sie nicht im Stande, ihre östlichen Eroberungen hinlänglich zu schützen und so konnten von jenseits der Oder her, besonders im 8. Jahrhunderte, die Slaven in die von den Warnern bewohnten Länder eindringen und sich zu Herren derselben machen. Seitdem standen die Länder an der Südseite der Ostsee bis mitten in Holstein hinein unter slavischer (wendischer) Herrschaft; die slavischen Fürsten und Edlen vertheilten den Grundbesitz unter sich; nur in einzelnen Gegenden wurden auch slavische Unfreie, - meistens nur Hirten und Fischer, - angesiedelt. Aber der Hauptstock der Bevölkerung, die uralten Landbauer, war und blieb echt germanisch und bewahrte deutsche Sitte, Recht und Sprache. Immer mehr neigten sich die slavischen Herren dem Volksthume der Unterthanen zu, und als endlich das Christenthum dauernd eingeführt ward und die meklenburgischen, rügenschen und pommerschen Fürsten Stände des deutschen Reichs geworden waren, verschwand in kurzer Zeit auch die letzte Spur des Slaventhums. - Demnach hätten wir uns im Wendenlande ein ähnliches Verhältniß zu denken, wie heutiges Tages in Kurland und Liefland stattfindet. Der Adel auf dem Lande und die Bürger in den Städten sprechen deutsch, denn sie stammen von eingedrungenen Deutschen; das unterjochte Landvolk aber spricht noch nach Jahrhunderten die Sprache seiner lettischen Vorfahren; im Verkehr mit demselben bedienen sich die Herren der Sprache ihrer Unterthanen, denn hierin muß sich der Einzelne nach der Menge richten. Gleicherweise wäre denn auch im Wendenlande zwischen der Oder und Elbe die Sprache der herrschenden Adelsgeschlechter zwar die slavische gewesen, ihre deutschen Unterthanen hätten aber ihre deutsche Sprache behalten;
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natürlich müßten die slavischen Herren aber auch die deutsche Sprache gesprochen haben, denn sonst wäre eine Verständigung und Verkehr mit ihren Unterthanen unmöglich gewesen. Das rasche Verschwinden der slavischen Sprache nach Ausrottung des Heidenthums hätte dann in der That nichts Auffallendes mehr, denn nachdem mit dem Heidenthume auch die slavische Herrschaft gebrochen, wäre die deutsche Sprache nur in ihre alten Rechte wieder eingetreten.
Allerdings erklärt diese Hypothese die rasche Germanisirung des Wendenlandes auf eine leichte und genügende Weise. Das aber ist nach meiner Meinung auch Alles, was man von ihr rühmen kann. Allerdings ist es das Amt der Kritik, das Gebiet der Historie von Fabeln, die sich in den Geschichtsbüchern von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt haben, zu reinigen und aus dem Bereich der Geschichte wieder in das Gebiet der Mährchen zu verweisen. Aber es ist auch eben so sehr Pflicht der Kritik, das Gebiet der Geschichte von Hypothesen frei zu halten, welche vielfachen historischen Zeugnissen schnurstracks zuwider laufen.
Wir wollen uns nicht auf die mißliche Untersuchung über den Volksstamm der Warner und ihre Wohnsitze im Nord=Osten Deutschlands, so wie über ihr Verhältniß zu den Thüringern einlassen. Wir wollen auch nicht untersuchen, ob, als die Slaven von den Ländern zwischen der Oder und Elbe Besitz ergriffen, ein Theil der früheren deutschen Einwohner zurückgeblieben sei. Kann sein, kann auch nicht sein. Wer nein dazu sagt, hat wenigstens eben so viel Recht, als wer ja dazu spricht, denn an historischen Zeugnissen fehlt es so gut für das eine, wie für das andere. Das aber läßt sich durch genügende Zeugnisse gleichzeitiger und mit der Sachlage hinreichend bekannter Schriftsteller beweisen, daß, nachdem seit Karls d. Großen Eroberungszügen der Vorhang allmälig aufrollt, der bis dahin die Volksstämme zwischen der Elbe und Oder verbarg, bis zur Ausrottung des Heidenthums in diesen Ländern, die Muttersprache ihrer Einwohner ausschließlich die slavische war. Ich werde deßhalb zunächst diejenigen Beweisstellen beibringen, in denen von gleichzeitigen Geschichtschreibern den Volksstämmen zwischen der Oder und Elbe als ihre Sprache die slavische beigelegt wird. Damit man mir aber nicht einwende, daß sich diese Zeugnisse nur auf die Muttersprache der slavischen Herren bezöge, keineswegs aber dadurch bewiesen werde, daß nicht die Muttersprache ihrer Unterthanen fortwährend die deutsche geblieben sei: so werde ich Stellen in hinreichender Anzahl aufführen, aus denen unwiderleglich hervorgeht, daß die
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deutsche Sprache in diesen Ländern jener Zeiten eine gänzlich fremde war und nicht verstanden wurde, vielmehr die slavische Sprache allgemein herrschende Volkssprache, sowohl der herrschenden edlen Geschlechter, als auch ihrer Unterthanen war.
Meine Beweisführung beginne ich mit einer Stelle, in der man sonderbarer Weise eine Andeutung hat finden wollen, daß unter jenen in Ostdeutschland wohnenden Völkerschaften, obwohl wir sie zur slavischen Nation zu zählen pflegen, dennoch die deutsche Sprache die vorherrschende gewesen sei. Sie ist dem berühmtesten unter den ältern Geschichtsschreibern der Deutschen entlehnt, dem Einhard, aus der Lebensbeschreibung Karls d. Großen, der zuerst in die Länder am rechten Elbufer vordrang und die Volksstämme jener Gegenden seiner Botmäßigkeit unterwarf. Er zählt cap. 15. die Eroberungen auf, welche dieser Kaiser zum fränkischen Reiche hinzugefügt habe: Aquitanien, Wasconien, Spanien bis zum Ebro, dann ganz Italien, dann das große Sachsenland, dann Pannonien und die Länder südlich von der Donau bis zum Adriatischen Meere. Deinde, fährt er fort, omnes barbaras ac feras nationes, quae inter Renum ac Visulam fluvios, oceanumque ac Danubium positae, lingua quidem paene similes, moribus vero atque habitu valde dissimiles, Germaniam incolunt, ita perdomuit, ut eas tributarias efficeret. Inter quas fere praecipue sunt Welatabi, Sorabi, Aboditri, Boemanni - cum his namque bello conflixit - ; caeteras, quarum multo major est numerus, in deditionem suscepit. Offenbar versteht Einhard unter diesen barbaris ac feris nationibus slavische Stämme, und zwar nur sie allein, keinesweges aber begreift er deutsche Stämme mit darunter, denn die von Karl unterworfenen deutschen Stämme, die Sachsen, hatte er bereits erwähnt. Zwar ist in der Bestimmung "zwischen dem Rhein und der Weichsel" die Westgränze sehr ungenau angegeben, weil bis zum Rhein die Slaven sich niemals ausgedehnt haben, aber was ihn zu dieser vagen Bestimmung bewogen hat, ist nicht schwer einzusehn. Die Elbe konnte er nicht als Westgränze setzen, weil zu seiner Zeit die Slaven sich weit über diesen Strom hinaus dem Rheine zu erstreckten. Nicht allein die Sorben, die Böhmen wohnten noch westwärts der Elbe; auch die Gegend, wo später das Bisthum Bamberg entstand, war damals noch von Slaven bewohnt. Dadurch nun, daß er die Welataben (im östlichen Meklenburg und
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Vorpommern), Sorben (zwischen Elbe und Saale), Abodriten (im westlichen Meklenburg) und Böhmen als die vornehmsten unter diesen Völkerschaften aufzählt, bezeichnet er sie hinlänglich deutlich genug als die slavische Nation. Von diesen Völkerschaften nun versichert er ausdrücklich: sie sind lingua paene similes. Kann unter dieser Sprache eine andere als die slavische gemeint sein? Wie es möglich gewesen ist, in dieser Stelle eine Andeutung zu finden, daß die deutsche Sprache damals unter diesen Völkerschaften die herrschende gewesen sei, ist mir freilich unbegreiflich. Denn die Erwähnung der Boemanni hätte doch sogleich jeden Gedanken an deutsche Sprache niederschlagen sollen. Es zeigt sich hier vielmehr deutlich, daß die neue Hypothese offenbar über ihr eignes Ziel hinausreicht. Denn was für die andern Stämme zwischen der Oder und Elbe geltend gemacht wird, müßte auch eben so sehr für die Böhmen gelten. Auch hier müßte der Hauptstock der Bevölkerung deutsche Sitte und Sprache bewahrt haben, und auch in Böhmen heutiges Tages deutsch statt slavisch gesprochen werden. Denn warum es sich mit Böhmen allein anders verhalten solle, ist ohne Beweis nicht füglich abzusehen.
Ein gleiches Zeugniß wie Einhard legen für die Herrschaft der slavischen Sprache im Wendenlande die beiden Männer ab, die unter allen Geschichtschreibern des Mittelalters mit den Volksstämmen dieser Gegenden am genauesten bekannt waren, ich meine Adam von Bremen und Helmold. Adam theilt uns in seiner Geschichte des Erzbisthums Hamburg, zu welchem die nördlichen Slaven bis gegen die Oder hin gehörten, sehr genaue Nachrichten über diese Volksstämme mit. An dem Orte, wo er am ausführlichsten von ihnen handelt, lib. II, cap. 10, schreibt er: nos autem, quoniam mentio Slavorum totiens incidit, non ab re arbitramur, si de natura et gentibus Slavaniae historico aliquid dicamus compendio, eo quod Slavi eo tempore studio pontificis nostri Adaldagi ad Christianam fere sint omnes religionem conversi. Slavania igitur amplissima Germaniae provincia a Winulis incolitur, qui olim dicti sunt Wandali, dec ies major esse dicitur, quam nostra Saxonia, praesertim si Boëmiam et eos, qui trans Oddoram sunt, Polanos, quia nec habitu, nec lingua discrepant, in partem adjeceris Slavaniae. - Wo ist nun hier eine Spur davon, daß der Haupttheil der Bevölkerung dieser Länder der deutschen Nation angehörte und deutsch redete? Es sind Wenden, in Sprache und Tracht nicht verschieden von den Böhmen und Polen, also die Sprache bei ihnen eben sowohl die slavische,
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wie bei den Böhmen und Polen. Einhard erklärte zwar Sitten und Tracht unter den einzelnen Völkerschaften für sehr verschieden, nur in der Sprache seien sie sich fast ähnlich, durch welchen Ausdruck offenbar die dialektischen Verschiedenheiten bezeichnet werden. Was aber die abweichende Angabe über ihre Tracht bei Einhard und Adam betrifft, so müssen wir entweder annehmen, daß in den drittehalb Jahrhunderten, die zwischen beiden liegen, eine größere Ausgleichung in der Tracht unter den verschiedenen Stämmen stattgefunden habe, oder lieber, daß Adam die Verschiedenheit der Tracht bei den verschiedenen Stämmen nicht in Anschlag brachte, insofern der allgemeine Typus ihrer Tracht die Wenden von den Deutschen unterschied.
Die vollständigste Bestätigung erhält Adams Angabe durch Helmold, der eben zu der Zeit schrieb, als Herzog Heinrich der Löwe, Markgraf Albrecht der Bär und König Waldemar mit seinem streitbaren Bischof Absalon ihre vereinten Kräfte aufboten, um dem Heidenthum und der Freiheit der Slaven ein Ende zu machen, und der uns in seiner Slaven=Chronik eine ausführliche Schilderung dieses düstern Dramas hinterlassen hat. Er lebte unter einer slavischen Völkerschaft (in Wagrien), als schon Waffengewalt dem Christenthum bei derselben den Sieg verschafft hatte, und geflissentlich durch deutsche Colonisation das Slaventhum unterdrückt ward 1 ). Er entwirft zu Eingang seiner Chronik eine Uebersicht der slavischen Völkerschaften, meistens nur Adams Angaben wiederholend, zum Beweise, daß er ihre Richtigkeit anerkannte. Dani siquidem, schreibt er, ac Sueones, quos Northmannos vocamus, septentrionale littus (Baltici maris) et omnes in eo obtinent insulas. At littus australe Slavorum incolunt nationes, quorum ob oriente primi sunt Ruzi, deinde Poloni, habentes a septentrione Pruzos, ab austro Bojemos et eos, qui dicuntur Morahi sive Carinthi, atque Sorabi. Quod si adjeceris Ungariam in partem Slavoniae, ut quidam volunt, quia nec habitu nec lingua discrepat, eo us que latitudo Slavi cae linguae succrescit, ut paene careat aestimatione.
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Diese drei Auctoritäten, Einhard, Adam und Helmold, wären nun eigentlich hinreichend, um die Herrschaft der slavischen Sprache im Wendenlande zwischen der Oder und Elbe zu beweisen, denn sie legen den hier sitzenden Volksstämmen die slavische Sprache ohne alle Einschränkung bei. Wie hätten sie dieses thun dürfen, wenn der Hauptstock der Bevölkerung nur deutsch redete, und die deutsche Sprache deßhalb auch den slavischen Herren des Landes nicht fremd war!
Aber auch dafür, daß die deutsche Sprache im Wendenlande wirklich eine gänzlich fremde war und von der gesammten Bevölkerung nicht verstanden ward 1 ), die slavische Sprache dagegen die ausschließlich herrschende Muttersprache dieser Völkerschaften war, lassen sich Beweisstellen in genügender Anzahl aufführen.
Der Bischof Thietmar von Merseburg hatte seinen Sprengel in einer Gegend, deren Bewohner Slaven (Sorben) waren, die das Christenthum erst unlängst angenommen hatten. Er erzählt uns in seiner Chronik, lib. II, cap. 23, daß seinem Vorgänger im Amte, dem Bischof Boso, quiä in Oriente innumeram Christo plebem predicacione assidua et baptismate vendicavit, der Kaiser die Wahl zwischen 3 Bisthümern im Slavenlande gelassen habe, zwischen Meißen, Zeitz und Merseburg. Pre hiis omnibus, eo quod pacifica erat, Merseburgensem ab Augusto exposcens aecclesiam, quamdiu vixit, studiose eandem rexit. Hic ut sibi commissos eo facilius instrueret, Sclavonica scripserat verba, et eos Kirieleison cantare rogavit, exponens eis hujus utilitatem. Qui vecordes hoc in malum irrisorie mutabant Ukrivolsa, quod nostra lingua dicitur: Aeleri stat in frutectum; dicentes: sic locutus est Boso, cum ille aliter dixerit. Also auch in diesen Gegenden, in denen wenige Generationen später die deutsche Sprache die allein herrschende ist, war damals die slavische die Volkssprache, denn nicht deutsch, sondern slavisch hatte Boso geschrieben, um ihnen das Christenthum leichter zugänglich zu machen; nicht deutsch, sondern slavisch war die verspottende Verdrehung des Kyrieleison. Wie kam es, daß hier die slavische Sprache so rasch der deutschen wich, da eine gewaltsame Ausrottung der slavischen Nationalität in diesen Gegenden weder statt fand, noch nöthig war, weil keine gewaltsame Reactionen gegen die
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Einführung des christlichen Kirchenthums seit jener Zeit unter ihnen mehr vorkamen? So viel ist wenigstens klar, durch jene neue Hypothese kann diese Erscheinung nicht erklärt werden. - Weiter erzählt Thietmar lib. VII, cap. 44, daß der Kaiser auf einem Feldzuge gegen Bolizlav von Polen im Jahre 1017 gekommen sei ad urbem Nemzi 1 ), eo quod a nostris olim sit condita dictam, wozu Herr Archivar Lappenberg, der Herausgeber des Thietmar in den Monumentis Germaniae die Anmerkung macht: vox Niemez Slavis est mutus sive peregrinus, qui eorum linguam non intelligit, ideoque praesertim Teutonicus, wie denn heutiges Tages noch die Russen mit diesem Namen die Deutschen bezeichnen. So hieß also eine Colonie, welche die Deutschen früher, wahrscheinlich auf einem ihrer Feldzüge gegen die Polen, als Grenzfeste, angelegt hatten. Wie paßt das zu der Hypothese, nach welcher der Hauptstock der Bevölkerung dieses Landes aus Deutschen bestand?
Zu den Zeiten Adams von Bremen herrschte Godschalk über die Abodriten und war ein vertrauter Freund seines Erzbischofs. Er hatte die sogenannten nördlichen Slavenstämme bis zur Peene seiner Herrschaft unterworfen und war eifrig bemüht, das Christenthum unter ihnen auszubreiten; bekannt ist es, daß er seinen Eifer für das Christenthum mit dem Märtyrertode büßte. Von ihm schreibt Adam lib. III, cap. 22: tanto religionis exarsit studio, ut ordinis sui oblitus, frequenter in ecclesia sermonem exhortationis ad populum fecerit, ea quae mystice (lateinisch) ab episcopis et presbyteris dicebantur, Slavanicis verbis cupiens reddere planiora 2 ). Wäre die, Hypothese richtig, nach welcher der Hauptstock der Bevölkerung deutsch sprach, hätte nicht auch Goldschalk in seinen Ermahnungen an das Volk sich der deutschen Sprache bedienen müssen? Geht nicht viel mehr klärlich aus dieser Stelle hervor, daß, weil Godschalk sich zu diesem Zwecke, um nämlich die Reden der Geistlichen dem Volke verständlich zu machen, der slavischen Sprache bediente, eben diese und nicht die deutsche die herrschende Volkssprache war?
Auch Helmold liefert uns für unsern Zweck sehr schlagende Beweisstellen. Er erzählt, lib. I, cap. 25, wie die nordalbingischen Sachsen, d. i. die Holsaten, Stormarn und Dietmarsen, dem slavischen Fürsten Buthue, Godschalks Sohn, der von seinen eigenen Landsleuten und Unterthanen unter Krukos An=
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führung in Plön belagert ward, zu Hülfe zogen; cumque pervenissent ad rivulum, qui dicitur Suale, quique disterminat Saxones a Slavis, praemiserunt virum gnarum Slavi caelinguae, qui exploraret, quid Slavi agerent, aut qualiter expugnationi urbis instarent. - Lib. I, cap. 83 berichtet er, wie Bischof Gerold von Oldenburg das dortige Bisthum wieder herstellte, welches bei der Empörung unter Godschalk zerstört worden. Gerold beruft den Bruno, der früher den Vicelin bei seiner Bekehrung der Slaven begleitet, dorthin; eine Kirche zu Oldenburg wird wieder aufgebaut und im Beisein des Grafen Adolph von Schauenburg durch Gerold am Tage Johannis des Täufers 1156 eingeweiht. Et praecepit Comes populo Slavorum, ut transferrent mortuos suos tumulandos in atrium ecclesiae et ut convenirent in solennitatibus ad ecclesiam, audire verbum dei. Quibus et sacerdos dei Bruno juxta creditam sibi legationem sufficienter administravit verbum dei, habens sermones conscriptos verbis slavicis, quos populo pronunciaret opportune. - Wozu braucht man einen Kundschafter, welcher die slavische Sprache verstand, wenn das gemeine Volk deutsch sprach? Wie konnte Bruno seine Predigten dadurch dem Volke verständlich machen, daß er sie slavisch hielt, wenn die Muttersprache desselben die deutsche war?
Von außerordentlicher Wichtigkeit für die Kenntniß der nordöstlichen Slaven sind die Lebensbeschreibungen des Pommern=Apostels, Bischofs Otto von Bamberg, über deren Werth und Gebrauch ich mich hier zunächst etwas ausführlicher verbreiten muß. Mir sind diejenigen zugänglich, welche Ludewig im ersten Theile seiner Scriptorum rerum Germanicarum mitgetheilt hat. - Im Jahre 1487 verfaßte Andreas, Abt des Michaelisklosters zu Bamberg, eine Lebensbeschreibung Ottos. Er legte 2 Quellen dabei zu Grunde: 1) das Leben Ottos von dem Mönche Ebbo, der es nach der Erzählung des Priesters Udalrich aufgezeichnet hatte. Diesen Priester Udalrich hatte sich Otto schon, als er das erste Mal nach Pommern ging, zu seinem Begleiter erkoren, aber Udalrich erkrankte und mußte damals zurückbleiben. Allein als Otto 1128 seine zweite Reise nach Pommern unternahm, begleitete ihn Udalrich und spielte so zu sagen als Bekehrer der Pommern die zweite Rolle. 2) Einen Dialog zwischen Sefried oder Sifried und Tiemo, und wahrscheinlich von dem ersteren concipirt. Sefried begleitete den Otto auf Udalrichs Empfehlung als eine Art Cancellist auf beiden Reisen, und erzählt in diesem Dialog dem Tiemo ihre
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Begegnisse im Pommerlande. - Diese beiden Quellen hat, wie gesagt, Andreas zum Grunde gelegt, indem er den Styl etwas besserte. Er war dazu von Johann Makarius, Guardian des Convents zu Bamberg, und dem Bischofe Benedict von Camin aufgefordert, und erklärt sich über die Abfassung seines Buches in 2 Zuschriften an diese Männer. Es heißt in der ersten: quia id mihi maxime fuit studii in opere isto, ut sententiam eandem verbis apertioribus proferrem, exceptis his, quae ob suam difficultatem et obscuritatem investigare penitus nequivi. In tantum autem, faciliora sequebar, ut, sicuti probari potest, alicubi eadem verba ponerem. Und in der zweiten: quocirca, beatissime pater, vobis placuit, bujusmodi onus mihi imponere, ut inter utrosque medius incedens etc. - Jener Dialog ist noch vorhanden und bei Ludewig pag. 632 seqq. abgedruckt; viele Capitel daraus hat Andreas fast wörtlich aufgenommen. Dasselbe hat er denn auch ohne Zweifel mit dem aus Udalrichs Erzählung entstandenen Werke Ebbos gethan, besonders da, wo Udalrich als mithandelnde Person der zuverlässigste Referent war, nämlich bei den Zurüstungen zur ersten Reise und über die zweite Reise. Diese wird vom 3ten Buche an mit Ebbos eigenen Worten erzählt, wie denn auch Ebbo auf dem Rande immer als Quelle angegeben ist. Das 3te Buch beginnt: cum infatigabilem domini ac patris nostri, pii Ottonis episcopi affectum, quo gloriam et cultum Christi non solum in Teutonicis, sed et in remotis barbarorum finibus euangelizando propagavit, assidua meditatione revolverem, nefas judicavi, tam laudabilia ejus gesta in fructuoso tegi silentio; unde non praesumptionis, sed potius intimae charitatis spiritu ductus, de secundo ejus apostolatu in Pomerania, sicut fidelis cooperator ejus Udalricus presbyter S. Aegidii mihi innotuit, scripto tradere curavi. Das können nicht des Andreas Worte, sondern nur Ebbos Worte sein. Ich werde also Zeugnisse von 2 Begleitern Ottos beibringen können, vom Sefried im Dialog und vom Udalrich in der nach seiner Erzählung von Ebbo aufgesetzten und vom Andreas seinem Buche einverleibten Lebensgeschichte Ottos.
Otto hatte, nachdem er seine Studien vollendet, längere Jahre in Polen zugebracht und dort die Landessprache erlernt: Dial. pag. 632: linguam quoque terrae illius apprehendit. Er ward hier Capellan des polnischen Herzogs Wladislav, der mit der Schwester Kaiser Heinrichs IV. verheirathet war, und ward oft zu Sendungen an den Kaiser gebraucht, der
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ihn später ebenfalls als Capellan in seine Dienste nahm, und endlich zum Bischofe von Bamberg erhob. Als nun Bolislav, der seit 1102 seinem Vater Wladislav als Herzog von Polen gefolgt war, die Pommern besiegt hatte, wandte er sich an Otto mit der Aufforderung, sich der Bekehrung der Pommern zu unterziehen, weil unter den Geistlichen seines Landes keiner diese gefährliche Aufgabe übernehmen wollte (Dial. p. 653). Otto war bereit dazu, und sah sich nach passenden Begleitern bei dieser Unternehmung um. Er forderte den Udalrich dazu auf: Andreas pag. 465: ad quod praecipue te, frater compresbyter carissime, idoneum esse censeo necnon et Werinherum, sacerdotem de Erenbach, virum sapientia et pietate ornatum, Adelbertum quoque, linguae barbaricae sciolum, interpretem habere possumus. Udalrich schlug noch den Sifrid vor: Andreas p. 466: tunc Udalricus est, inquit, adolescens, officio clericus, nomine Sifridus, ingenio acutus, strenuus et fidelis, qui etiam chartis in itinere, cum necesse est, scribendis promptus et impiger erit. Hunc meo judicio idoneum huic peregrinationi, tuae, pater, dilectioni offero. - Man könnte nun fragen, wozu gebrauchte Otto einen interpres, wenn er selbst die slavische Sprache verstand? War sie ihm vielleicht in dem langen Zeitraume, seitdem er Polen verlassen, außer Uebung gekommen? Dieses muß der Fall gewesen sein, wenn es überhaupt mit seiner früheren Erlernung der slavischen Sprache viel auf sich hatte. Denn als Otto, vom Hauptmann Paulitius, den ihm der Polenherzog zum Schutze beigesellt, geleitet, am Ufer des Flusses, der die südliche Grenze Pommerns bildete, lagerte und ihm hier der Pommernherzog Wartizlav zu seiner Begrüßung entgegen kam, hatten beide eine geheime Unterredung in Beisein eines Dolmetschers: Episcopo antem et duce cum interprete et Paulitio seorsum in colloquio demorantibus etc., Dialog. p. 656. Erst später, bei seiner zweiten Anwesenheit in Pommern, scheint Otto die slavische Sprache wieder soweit in seiner Gewalt bekommen zu haben, daß er zu Stettin auf der Straße spielende Knaben sich grüßen und mit ihnen sich unterreden konnte, Dialog. p. 713. Auch scheint er seine Reden an das pommersche Volk in der klerikalischen, d. i. lateinischen Sprache, gehalten zu haben, denn es wird an mehreren Stellen erwähnt, daß er sich dabei eines Dolmetschers bedient habe. So bei seiner ersten Predigt an die Pommern, als er bei Piritz an 4000 Menschen zur Feier eines heidnischen Festes aus der Umgegend versammelt fand, Dialo. 6 9: d e loco editiori populum cupientem
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ore alloquitur interpretis, ita dicens etc. Desgleichen, als Otto bei seiner zweiten Anwesenheit zu Stettin auf öffentlichem Markte von einer Stiege herab eine Anrede hält, um die Einwohner, die in das Heidenthum zurückgefallen waren, zu strafen, bedient er sich wieder eines Dolmetschers. Ein heidnischer Priester unterbricht ihn, Dialog. p. 712: dein clamore magno et verbis nescio quibus contumeliose prolatis, silentium mandat loquenti, suaeque vocis gras situdine magnum tonans, sermonem interpretis et episcopi pariter oppressit.
Um aber überhaupt dem Otto und seinen Begleitern (er trat schon diese erste Reise mit einer großen Gefolgschaft an, Dial. p. 653 und 654) ihr Unternehmen und namentlich den Verkehr mit den Pommern so viel als möglich zu erleichtern, hatte ihnen Boleslav, als sie bei ihm zu Gnesen eingetroffen waren, Begleiter mitgegeben, die sowohl slavisch, als deutsch sprachen, Dial. p. 655: Deditque domino meo de gente illa tam Sclavicae, quam Teutonicae linguae gnaros satellites ad diversa ejus ministeria, ne quid incommoditatis per linguae ignorantiam in gente extrema pateretur. . . . Tres etiam sacerdotes capellanos de latere suo princeps episcopo sociavit coadjutores verbi, et centurionem quendam nomine Paulitium, virum strenuum et catholicum, qui etiam naturali facundia idoneus esset concionari ad populum. Die Absicht Boleslavs kann nur gewesen sein, durch diese Dolmetscher zwischen Otto's Begleitern, die deutsch sprachen, und den Pommern, die slavisch sprachen, eine Verständigung möglich zu machen. Wäre die Hypothese richtig, nach welcher der Mehrtheil der Bevölkerung von den Pommern deutsch redete, diese Sprache also auch von den slavischen Herren wenigstens verstanden ward: so wären diese Dolmetscher ganz unnütz gewesen. - Auch in der Rede, die Otto zum Abschiede hielt, als er von Pyritz weiter zog, kommt eine Aeußerung vor, die in Bezug auf unsere Untersuchung sehr wichtig ist. Unde, heißt es im Dial. p. 665, adhortor vos et invito, quia cogere non debeo, ut de liberis vestris ad clericatum tradatis liberalibus studiis prius diligenter instructos, ut ipsi per vos, sicut aliae gentes, de lingua vestra latinitatis conscios possitis habere clericos et sacerdotes, d. h. sie sollen von ihren Kindern einige zum Klerikat bestimmen, damit sie ebenfalls, so wie die andern Völker, aus ihrer eigenen Sprache des Lateins kundige Priester haben. Hätte er dazu auffordern können,
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wenn das eigentliche Volk nicht slavisch, sondern deutsch sprach? Hätte es dann Sinn gehabt, von ihnen zu verlangen, sie sollten sich aus ihrer eigenen Sprache Priester erziehen lassen, die Lateinisch verständen? Ich halte diese Stelle für eine der einleuchtendsten, um daraus zu beweisen, daß die slavische Sprache allein und ausschließlich die Muttersprache der Pommern war.
Als Otto zum zweiten Male in Pommern war, scheint er noch mit größerem Gefolge dorthin gegangen zu sein; dieses mal begleitete ihn auch Udalrich, und hatte nächst Otto die meisten Verdienste um die Bekehrung der Pommern. Jetzt kommen sogar 2 Dolmetscher vor, deren sich Otto bediente, nämlich außer Adelbert noch ein Priester Albinus. Andreas lib. III, cap. 4: affirmante domino Albino, interprete viri Dei, paganorum Luticensium adesse catervam. Ibid. cap. 6: Udalricus, religiosus presbyter S. Aegidii, et supradictus Albinus, interpres viri Dei, opulentissimam civitatem Hologast dictam adierunt. Vergleiche damit Dial. lib. III, cap. 4: contigit ergo Udalricum et Albuinum duos, presbiteros simul pergentes Hologastam intrare . . . . Albuinus Sclavicae linguae gnarus matronae adhuc ignoranti rem omnem secreto aperit etc., aus welcher Vergleichung deutlich hervorgeht, daß unter dem interpres ein der slavischen Sprache Kundiger zu verstehen sei. - Andreas, lib III, cap. 10, erzählt, wie Otto zu Chozegowa (Gützkow) im Beisein des Häuptlings des Ortes, mit Namen Mizlav, eine Kirche einweihte: his eum beatus pontifex verbis per interpretem suum Adelbertum postea episcopum allocutus est etc. Er fordert den Mizlav auf, seine Gefangenen loszugeben; dieser verspricht es und giebt auch einige Dänen los. Udalrich, der Asche zur Weihung des Altars sucht, findet an einem verborgenen Orte noch einen gefesselten Mann, et accersito interprete haec ab eo audivit, und weiter: Udalricus itaque assumpto interprete suo Adalberto de turba eduxit Mizlaum principem, et primum pacis Christi verbum salutans requirit, si omnes captivi ejus relaxati essent? quo dicente etiam Adalbertus interpres: cur fallere conaris Christum, qui falli non potest etc. - Ibid. cap. 12 wird erzählt, wie Udalrich zu Uznoim (Usedom) vom Otto Erlaubniß erhält, unter den Veranen auf Rügen das Christenthum zu predigen: Adalbertus autem viri Dei interpres tunc non aderat, sed postea haec addiscens, dominum episcopum omnino ab hac
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intentione conabatur avertere. Udalrich hat in der Nacht vor seinem Aufbruch einen Traum, quod cum expergefactus Adalberto interpreti retulisset etc. Servus autem Dei nullo modo . . . a bono proposito revocari consensit, sed mane facto . . . . navi cum comitibus suis et interprete quodam Poloniense religioso viro impositus . . . . navigium est aggressus, muß aber, durch Sturm an der Ueberfahrt gehindert, sein Unternehmen aufgeben. Auch der Dialog lib. III, cap. 11, erwähnt, daß Adalbert das Beginnen Udalrichs gemißbilligt mit den Worten: Adalbertus autem interpres, cui maxime factum displicuerat etc. - Im folgenden cap. erzählt Ebbo (Andreas lib. III, cap. 13), wie Otto nach Stettin ziehen will, wo das Christenthum bei dem größten Theile der Einwohner dem Heidenthume wieder hatte Platz machen müssen, wie aber seine Begleiter ihn von diesem Unternehmen abzurathen suchen. Otto verläßt sie nun heimlich des Nachts, um sich allein nach Stettin zu begeben. Als aber am Morgen seine Entfernung von den Seinigen bemerkt wird, eilen sie ihm nach, und holen ihn zurück: illi pernici cursu eum insequuntur, primusque Adelbertus interpres eum comprehendens etc. Sie begeben sich darauf mit ihm zusammen nach der Stadt, und zunächst in die Kirche, die er bei seiner ersten Anwesenheit auf einem freien Platze vor dem Thore hatte bauen lassen (Dial. lib. III, cap. 13). Einige aus der Stadt erspähen ihn und rufen ihre Mitbürger zu den Waffen, um ihre Götter an Otto zu rächen: Quod famulus Dei cum per interpretem agnovisset, intrepidus ac calore fidei armatus crucis vexillum erexit etc. - Endlich wird noch Adalbertus interpres bei Ebbo erwähnt (Andreas lib. III, cap. 16), als Otto zu Stettin einen einem Götzen geweihten Nußbaum umhauen will. Der Besitzer des Grundstücks schlägt mit einer Streitaxt nach ihm, fehlt ihn aber: Quo viso Adelbertus interpres nimio terrore concussus perniciter frantiseam barbari manibus eripit etc.
Absichtlich habe ich alle diese Stellen 1 ) aus den Lebensbeschreibern Ottos gesammelt, weil sie meiner Ansicht nach keinen Zweifel darüber lassen, daß zu den Zeiten, als Otto den Pommern das Christenthum predigte, die slavische Sprache hier die ausschließliche Sprache des Volkes war. Grade für Pommern und Rügen hat es die meiste Schwierigkeit, die Ein=
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führung der deutschen Sprache zu erklären, weil für diese Länder eine Colonisation durch Deutsche sich am wenigsten nachweisen läßt. Und doch muß eine solche angenommen werden, weil ohne dieselbe es nicht möglich gewesen wäre, daß auch hier so bald der niedersassische Dialect zur Herrschaft gelangte. Einzelne Beläge für die Colonisation durch Deutsche sind aber auch für diese Länder vorhanden. Dahin rechne ich die merkwürdige Urkunde bei Dreger Cod. diplom. No. 55 (Schröder's papistisches Mecklenburg, pag. 2911), die Uebereinkunft des Fürsten Wisicßlav von Rügen mit dem schweriner Bischofe wegen des Landes Tribsees. Zwar hat man grade diese Urkunde dazu benutzen wollen, um das Vorhanden sein einer deutschen Bevölkerung unter slavischer Herrschaft in Pommern daraus zu erhärten, aber dabei einen Umstand über sehen, der diese Auslegung unmöglich macht. Die in dieser Urkunde erwähnten Theutonici coloni sollen nicht deutsche Einwanderer, sondern die unter der slavischen Herrschaft im Lande seßhaften deutschen Bauern bedeuten. Nun heißt es aber in der Urkunde: "Praeterea dominus episcopus de collectura Slavorum, qui Biscopounizha dicitur, illorum videlicet qui Theutonicis agros illos colentibus cesserunt ex alia parte castri Tribuzes, tertiam partem decime pheodali jure mihi concessit. Illorum autem, qui adhuc cum Theutonicis resident, tota decima in usus cedet domini episcopi memorati. Si vero sinistro succedente casu, quod Deus avertat, terra pretaxata in pristinum fuerit statum reversa, ita quod Theutonicis expulsis recolere terram Slavi incipiant, censum, qui Biscopounizha dicitur, episcopo persolvant totaliter, sicut ante." Hier sollen die Slavi qui Theutonicis agros illos colentibus cesserunt die slavischen Herren sein, die vertrieben worden und deren Aecker nun ihren früheren unterthänigen deutschen Bauern zu Theil geworden; illi qui adhuc cum Theutonicis resident sollen die slavischen Herren bedeuten, die sich noch im Besitz ihrer Güter und ihrer Herrschaft über die deutschen Bauern erhalten haben. Wie paßt dazu aber der Schluß: "wenn aber durch unglückliche Umstände, was Gott verhüten möge, das vorbenannte Land in seinen alten Zustand zurückkehren sollte, so daß nach Vertreibung der Deutschen die Slaven wieder anfingen das Land zu bebauen" u. s. w.? Wenn nur die slavischen Herren die Zurückkehrenden wären, warum sollten dann die deutschen Bauern vertrieben werden? Sollten dann etwa die Herren mit höchsteigener Hand den
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Acker bauen? Vielmehr geht aus diesen Worten deutlich hervor, daß durch Theutonici coloni eigentliche deutsche Colonisten, so wie unter Slavi die eigentliche slavische Bevölkerung zu verstehen sei. - Einen andern Belag geben zwei zusammengehörige Urkunden bei Ludewig script. rer. Germanic. Tom. I, p. 1130 vom Bischofe Sigfried von Kamin vom Jahre 1187 und seinem Nachfolger Sigwin, aus denen erhellt, daß damals schon ein großer Theil der Einwohner von Stettin aus Deutschen bestand, von denen doch bei den Lebensbeschreibern Ottos noch keine Spur zu finden ist. Ein gewisser Beringer in civitate Bambergensi bene natus, sed multo tempore in nostro castro Stetin honeste conversatus hatte mit Erlaubniß des Bischofs Conrad (von 1158-85) und des Herzogs Boguzlav eine Kirche außerhalb der Stadt erbaut. Idem vero Beringerus eandem ecclesiam assensu nostro et optimatum terrae nostrae pro salute animae suae coram eisdem optimatibus, multo populo Teutonicorum et Sclauorum coram posito, Deo et b. Michaeli archangelo in Bamberg obtulit etc., sie ward deshalb auch nach Sigwins Urkunde die ecclesia Teutonicorum genannt. - Mehr Beläge für Einführung deutscher Ansiedler in Pommern sind mir aus Urkunden nicht bekannt; doch gestehe ich auch gerne, daß ich mit den zur pommerschen Geschichte gehörigen Urkunden wenig vertraut bin. Nur so viel erinnere ich noch, das die ältern Geschichtschreiber Pommerns eine Colonisation des von Slaven entvölkerten Landes durch Deutsche unbedenklich annahmen.
Völlig nichtig ist endlich dasjenige, was man aus den deutschen Namen slavischer Orte u. s. w. zu Gunsten jener Hypothese hat argumentiren wollen; selbst die mächtige Slavenburg sagt man, von welcher späterhin das ganze Obotritenland benannt ward, Meklenburg, führt einen rein deutschen Namen. Aber es ist gar nicht ausgemacht, daß diese Orte bei den Slaven wirklich jene deutschen Namen geführt haben. Bei der mehrere Jahrhunderte hindurch bald feindlichen, bald friedlichen Berührung der Deutschen mit den Slaven hatten sich für Völkerschaften und Ortschaften Doppelnamen gebildet, die Slaven hatten ihre slavischen, die Deutschen ihre deutschen Namen. Beläge dafür sind in Menge vorhanden. Thietmar lib. I, 2: "provintiam, quam nos teutonice Deleminci vocamus, Sclavi autem Glomaci aappellant"; idem IV, 20: Stoderaniam, quae Hevellun dicitur. Coll. annal. Quedlinburg. ad annum 997: Zodoraniam, quam vulgo Heveldum vocant. Helmold nennt gewöhnlich den Hauptort des slavischen Landes Wagrien
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Aldenburg, aber lib. I, 12 sagt er ausdrücklich: est autem Aldenburg ea , quae Slavica lingua Starigart, h. e. antiquar civitas, dicitur. Idem I, 58 in proximo oppido, quod Slavice Cuzalina, Teutonice Hagerestorp dicitur etc. Eine ähnliche Bewandtniß wird es denn auch wohl mit Meklenburg haben. Adam v. Bremen nennt sie bald mit dem lateinisch=griechischen Namen: lib. I, 11: deinde sequuntur Obodriti, qui altero nomine Reregi vocantur, et civitas eorum Magnopolis; idem III, 22: in Magnopoli vero, quae est civitas Obodritorum, tres deo servientium dicuntur fuisse congregationes; idem lib. IV, 12: episcopus senex cum caeteris christianis in civitate Magnopoli servabatur ad triumphum, und bald darauf in demselben Capitel mit dem deutschen Namen: filia regis Danorum apud Michilinburg, civitatem Obodritorum, inventa etc. Auch Helmold schreibt abwechselnd Miklinburgk und Magnopolis. Wahrscheinlich war der slavische Name des Ortes: Miklegard, wie sie bei Opitz ad poet. anon. not. 9 (Frisch Lex. s. v. Michel) wirklich heißt, oder wenn Mikle nicht für slavisch gelten darf, Welikogard.
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:
II.
Ueber
von
G. C. F. Lisch.
S o viel auch über die wendische Burg (castrum, urbs) Rostock vermuthet und geschrieben ist, so wenig Kritisches und Zuverlässiges ist doch bisher über den Ort geliefert, welcher bald und rasch der bedeutendste in Meklenburg ward. An dem untern Laufe der Warnow, des bedeutendsten Flusses des Landes, lagen zur wendischen Zeit viele fürstliche Burgen und wichtige Ortschaften: Werle 1 ) beim Dorfe Wiek in der Nähe von Schwan, Kessin beim Dorfe Kessin in der Nähe von Rostock, Rostock, Goderak 2 ) bei Goorstorf am Breitling.
Gewöhnlich verlegt man die Stelle der alten wendischcn Burg oder Stadt Rostock auf die Höhe, auf welcher die Petri=Kirche steht. Dagegen läßt sich aber mit Recht sagen, daß die Stelle durchaus nicht den Charakter einer wendischen Feste trägt; die Höhe des Petrikirchhofes ist gewissermaßen das höchste Vorgebirge einer großen natürlichen Hochebene mit festem Boden, welches an der Ausbreitung der Warnow am Petrithore schroff und tief in die Flußniederung abfällt. Nur an dieser Seite ist die Höhe von Natur fest; landeinwärts hängt sie, wenn auch durch das ziemlich tiefe Thal der Grube von der Neustadt geschieden, doch mit dem festen Boden der landeinwärts liegenden Hochebene zusammen. Wäre diese Stelle eine wendische Burg gewesen, so würde sie für jene Zeit ganz
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ungewöhnlicher Befestigungsmittel bedurft haben und sehr bedeutend gewesen sein; Rostock nimmt aber unter den fürstlichen Burgen die letzte Stelle ein, denn Kessin war in diesen Gegenden die wichtigste Feste, welche damals dem ganzen Landestheile den Namen und den Landesfürsten den Titel gab.
Die wendischen Burgen lagen dagegen immer in tiefen Sümpfen, Morästen oder Wiesen 1 ) oder waren von tiefen Wiesen her in Seen hinaus gebauet. Diese Burgen waren aufgeschüttete, gewöhnlich länglich=viereckige Wälle, deren Hauptbefestigungsmittel die Lage im Sumpfe war. Diese Burgwälle sanken mit der Zeit immer tiefer in den Sumpf hinein und bedurften fortwährender Ausschüttung und Erhöhung; daher war der in den wendischen Ländern übliche Unterthanendienst des Burg= und Brückenbaues bei weitem der wichtigste, daher er auch am häufigsten genannt wird. Es gingen ohne Zweifel Jahrhunderte darauf hin, ehe ein großer Burgwall fest stand und hoch genug war; es giebt Fälle, daß man Menschenalter hindurch an Legung von Dämmen durch tiefe Wiesen gearbeitet hat, die oft in ganz kurzer Zeit wieder so sehr versunken sind, daß man sie in einer Tiefe von 30 Fuß noch nicht hat wiederfinden können. Aber in Sümpfen lagen alle wendischen Festen, und daher müssen wir auch die wendische Burg Rostock in einem Sumpfe suchen.
Bei der Untersuchung sind jedoch für die alte Burg Rostock mehrere Perioden anzunehmen, welche sie durchmachen mußte, ehe die jetzige Stadt Rostock vollendet war.
Diesen Sumpf, in welchem die alte Burg Rostock gelegen haben kann, finden wir nun allerdings am Petrithore, jedoch vor demselben, am rechten Ufer der Warnow der Höhe der Petrikirche gegenüber. Hier breiten sich am rechten Warnowufer der ganzen Ausdehnung der Stadt Rostock gegenüber sehr weite, tiefe Wiesen aus, welche fast immer wässerig sind und welche so große Ausdehnung haben, daß sie von den Uferhöhen der Stadt Rostock von einer und der Dörfer Bartelsdorf und Riekdahl von der anderen Seite mit den Angriffsmitteln der alten Zeit nicht beherrscht werden konnten. Durch diese Wiesen geht vom Petrithore der künstliche Damm zur Landstraße nach Ribnitz, welcher wohl erst seit Gründung der neuen Stadt gelegt ist. Rechts an diesem Damme entlang, in kurzer Entfernung von demselben, von Rostock aus, liegen in dem Wiesengrunde mehrere aufgeschüttete Wälle, welche
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jetzt zwar sehr versunken, aber wohl ohne Zweifel die Stelle der ältesten Burg und Stadt Rostock sind; sie sind mit den Höfen mehrerer Ackerwirthe besetzt, welche jetzt einen Theil der Petri=Vorstadt bilden. Im Ganzen sind es drei aufgeschüttete Wälle, von denen die Bleiche der Warnow, der Stadt und der Petrithorbrücke am nächsten ist. Von der Petrithorbrücke führt nämlich am rechten Ufer der Warnow ein schmaler Damm zu einem viereckigen Plateau, auf welchem jetzt die Bleiche ist. Hinter diesem Plateau liegt an der Landstraße entlang ein zweites, und hinter diesem ein drittes, welches noch jetzt den Namen "Wik" führt. Diese drei Wälle sind jetzt nur einige Fuß hoch, aber für wendische Burgwälle weit genug und haben sehr viel Schutt und Scherben; die Bewohner versicheren, daß sie zuweilen bei Urbarmachung des Landes, welches ihr Erbe ist, an manchen Stellen auf große Scherbenlager gestoßen seien und ganze Fuder Scherben fortgefahren hätten. Während der Local=Untersuchung hat es jedoch nicht gelingen wollen, Scherben aus der heidnischen Zeit aufzufinden, da man tief graben muß, indem diese Stellen seit Einführung des Christenthums bewohnt gewesen, also immerfort erhöhet worden sind.
Stadtwärts wird diese Wallreihe an der Bleiche von der Warnow begrenzt nördlich von dem Damme der Landstraße nach Ribnitz und an der entgegengesetzten Seite von einem kleinen Flusse, der jetzt sehr versumpft, jedoch breit genug ist und in alten Zeiten tief genug gewesen sein mag, um nicht zu kleine Fahrzeuge zu tragen; dieser Fluß heißt noch jetzt der "Witingstrang", kommt von den Höhen von Bartelsdorf und Rikdahl und ergießt sich bei der Bleiche in die Warnow.
Außer diesen Wällen ist in den Warnow=Wiesen in der Nähe von Rostock keine Aufschüttung zu entdecken. Daß aber diese Sumpfinseln am Witingstrang vor dem Petrithore die Stellen der alten Burg Rostock seien, dafür redet auch die Geschichte.
Die wendische Burg Rostock kommt im J. 1161 zuerst in der Geschichte vor. Saxo erzählt 1 ) nämlich: der Dänenkönig Waldemar habe auf seinen Verheerungszügen im
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Wendenlande die Burg (urbem) Rostock, welche er von den Einwohnern feige verlassen gefunden habe, so wie das Götzenbild daselbst verbrannt; Saxo sagt dabei ausdrücklich, daß die Gegend sumpfig gewesen, und fügt hinzu, daß eine Brücke über den Fluß geschlagen worden sei. Es geht aus dieser Beschreibung hervor, daß Rostock in einer sumpfigen Gegend an der Warnow und zwar an der Oberwarnow vor der Erweiterung des Flußbettes gelegen habe, und daß an dem andern Ufer festes Land gewesen sei, weil eine Brücke die Stadt Rostock mit dem Heere Heinrichs des Löwen, der zu Lande angekommen war, vereinigte.
Nachdem Pribislav sich in den neuen Zustand der Dinge gefügt hatte, baute er im J. 1170 die Burgen Meklenburg Ilow und Rostock wieder auf und besetzte sie mit Wenden 1 ). Nach dem Tode Pribislavs erhielt dessen Sohn Borwin während der durch seinen Vetter Niclot erregten Unruhen, im J. 1183 die Burgen Rostock und Meklenburg 2 ). Nach Herstellung des Friedens trat Borwin dem Niclot Rostock ab 3 ) und begnügte sich mit dem westlichen Landestheile, welches er von den Burgen Meklenburg und Ilow regierte. Und wirklich sehen wir den "Wendenfürsten" Niclot oder Nicolaus in Urkunden von Rostock aus regieren, indem er dem im J. 1186 von Borwin wieder hergestellten Kloster Doberan im J. 1190 mehrere Begünstigungen ertheilte. Die beiden bekannten Urkunden 4 ) hierüber sind von Rostock aus datirt; der Fürst hielt damals Märkte in Rostock, hatte zu Rostock und noch zu Goderac Kapellane, jedoch kommen noch keine Pfarrer vor.
Wahrscheinlich ist bis hierher die Burg Rostock noch immer die alte wendische Burg in den Wiesen, da nur von der Wiederaufbauung des alten Rostocks und überhaupt nur von wendischen Verhältnissen die Rede ist. Auch Borwin bedauerte die alten Burgplätze wieder, und Städte neuern Styls waren noch nicht gegründet.
Hiemit stimmt auch die bei Kirchberg aufbewahrte Tradition einigermaßen überein, indem er sagt, die Burg Rostock sei wieder aufgebauet gegen die Burgmänner,
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welche auf der Höhe der Petri=Kirche eine Burg gehabt hätten:
In der czid der furste alsus
von Kyssin Nycolaus
Rodestok irnuwete,
daz borgwal her do buwete,
daz waz wider dy borgman da,
den buwete her syne borg zu na,
dy hattin eyne burg zu der czid,
da sante Petirs kirche lyd,
doch kunden sy mit keynre schicht
des buwes ym weren nicht.
Kirchberg CIII.
Man könnte annehmen, daß Kirchberg unter "borgwal" nicht den alten wendischen Burgwall in der Wiese, sondern den noch jetzt als Straße so genannten "Borgwall" bei der Marienkirche, mitten in der jetzigen Stadt, also an der entgegengesetzten Seite der Petri=Kirche, verstanden habe. Dies ist allerdings auch möglich; aber dann bleibt doch so viel gewiß, daß auch die Anlage der Burgmänner auf dem Berge der Petri=Kirche eben so ein junger Bau war, als des Fürsten Burg auf dem "Borgwall".
Die deutsche Stadt Rostock ward erst am 24. Junii 1218 gegründet 1 ). Der alte Borwin zog sich seit dieser Zeit zurück und gönnte seinen Söhnen, von denen Heinrich, Borwin II, Herr von Rostock ward, thätigen Antheil an der Landesregierung. Seit dieser Zeit nennen sich die Fürsten: Herren von Rostock; aber noch im J. 1218 nannte sich der alte Borwin Herr der Kissiner (Magnopolitanorum et Kyzenorum princeps).
Diese neu gegründete Stadt Rostock ist die jetzige Altstadt, der alten Burg Rostock gegenüber, auf der Höhe um die Petri=Kirche. Ob Borwin innerhalb dieser Stadt sich eine Burg erbauet habe, ist nicht zu bestimmen; die alte Sage weiset ihr die Stelle bei S. Petri an; aber diese Sage ist durch nichts begründet und hat wohl darin ihre Veranlassung, daß man die alte wendische Burg auf diese Höhe versetzen zu müssen meinte, weil man keine andere Stelle dafür finden konnte. Es ist freilich wahrscheinlich, daß die Fürsten, wie seit dem Durchdringen der neuern Bildung alle Bewohner des Landes, sich aus den Sümpfen entfernten und ihre Burgen nach
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deutscher Weise erbaueten; aber es ist auch eben so wahrscheinlich, daß sie die Burg von Rostock, wie an andern Orten, dicht vor die Stadt setzten. Daher mag denn die älteste deutsche Burg bei der Marien=Kirche gestanden haben; denn hier trägt eine Straße auf der Höhe noch den Namen " auf dem Burgwall", wo nach dem Vorstehenden vielleicht schon Nicolaus eine Feste gegen seine Burgmänner anlegte. Doch fanden auch hier die Fürsten nicht lange Ruhe. Die Neustadt wuchs so schnell und mächtig, daß schon am 18. Junius 1262 die Alt= und Neustadt zu Einer Verwaltung vereinigt 1 ) wurden. Durch die Vollendung der Stadt kam der Burgwall mitten in der Stadt zu liegen. Der Fürst Borwin III. von Rostock hatte es zwar versucht, am bramower Thore am äußersten Ende der Neustadt, eine Burg anzulegen. Aber am 27. October 1266 mußte sich sein Sohn Waldemar verpflichten, diesen Burgwall wieder abzutragen 2 ); ja im J. 1278 gab er sogar das Versprechen, eine Meile weit keine Burg anzulegen, und verkaufte die bei Schmerle gelegene Hundsburg an die Stadt 3 ). Wie zu Wismar, wollten die Bürger Rostocks keine feste Fürstenburg auf ihrem Gebiete dulden; im ganzen Mittelalter ist daher von einem Schlosse zu Rostock nicht die Rede. Wahrscheinlich hatten die Fürsten zu Rostock, wie zu Wismar, nur einen Hof zu Stadtrecht, welcher vermuthlich beim Johanniskloster in der Nähe des Steinthores lag 4 ), da hier auf einer Abbildung der Stadt aus dem 16. Jahrh. ein großes Prachthaus mit vielen fürstlichen Wappen abgebildet ist und die Unternehmungen der Fürsten gegen Rostock im 16. Jahrh. sich häufig um die Localitäten am Steinthore drehen.
Nach dieser geschichtlichen Entwickelung werden wir also den Wall der alten wendischen Burg Rostock in den Wieseninseln vor dem Petrithore zu suchen haben. Und hierfür reden außerdem noch besondere Urkunden.
Als im J. 1264 die Stadt abgebrannt war, schenkte der Fürst Borwin den Bürgern die freie Mühlenfuhr und außerdem:
den fürstlichen Besitz auf dem Bruche zwischen dem festen Lande und der Warnow auf der einen, und dem St. Clemens=Damme
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und dem bartelsdorfer Flusse auf der anderen Seite 1 ).
Dies sind wohl der Fischer= und der Gärberbruch (brôk) außerhalb der Stadtmauer an der linken Seite der Warnow, zwischen dem Mühlen= und dem Petri=Thore.
Durch die Bestimmung der Lage zwischen dem festen Lande und der Warnow ist die Breite des Landstriches angegeben. Durch die andere Bestimmung: vom St. Clemens=Damme bis zum bartelsdorfer Flusse, wird wohl die Länge bezeichnet: von dem Damme vom Mühlenthore zum Fischerbruche bis zur Mündung des Witingstranges gegenüber. Denn die letztere Bezeichnung von den dem Bruche am rechten Warnowufer gegenüberliegenden Wiesen, unmittelbar am Witingstrang, zu verstehen, dazu ist kein Grund vorhanden.
Es geht aus dieser Verleihung hervor, daß die Fürsten ihren alten Besitz in der Nähe ihrer alten Burg noch lange festzuhalten suchten, ja selbst dann noch, als sie im J. 1266 den Burgwall am Bramower Thor wieder abzutragen sich verwillkührten. Denn erst am 27. Febr. 1286 verkaufte der Fürst Nicolaus der Stadt
sein Dorf Wendisch=Wik mit den angrenzenden Wiesen und den Burgwall mit der angrenzenden Wiese, bis zum Mühlendamme 2 ),
d. h. den Wiesen an dem rechten Warnow=Ufer von der Bleiche (dem Burgwall) am Petrithore bis zum Mühlendamme am Mühlenthore.
Durch diese beiden Urkunden veräußerten die Landesherren ihren ganzen aus der wendischen Zeit stammenden Besitz zu Rostock.
Das Wort palus ist niederdeutsch: Brôk (Bruch), wie noch heute die Gegend heißt. Der bartelsdorfer Fluß ist der Witingstrang, der an der Wik vorbeifließt. Der St. Clemens=Damm muß der Mühlendamm sein oder in der Nähe desselben gelegen haben, vielleicht der Damm, der zum Brôk führte."Ceterum in palude quicquid ad nos pertinere videtur, iacento inter aridam et fluuium ex una parte, et inter aggerem sancti Clementis etamnem, qui decurritab amne (?) Bartoldes dorfie ex parte altera eorundem (burgensium ciuitatis Rostoc) vsibus assignamus."
"Notum esse uolumus, - - nos dilectis nobis burgensibus de Rozstock - - villam nostram Wendischwic cum omni utilitate, proprietate, iudicio, cum pratis adiacentibus vendidisse, vallem castri insuper cum prato adiacente et ad dammonem molendinorum ascendente, cum aliis eorum pascuis, pratis et aquis infra dictos terminos constitutis, - - libere perpetuo possidendum."
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Es leidet also durchaus keinen Zweifel, daß
die alte wendische Burg Rostock an dem rechten Ufer der Warnow rechts vor dem Petrithore an der Stelle der jetzigen Bleiche, zwischen der Warnow und dem Dorfe Wendisch=Wik, beide am bartelsdorfer Flusse oder dem Witingstrang gelegen,
zu suchen sei.
Der Fluß führt jedenfalls einen bezeichnenden Namen. Alle anwohnenden Ackerleute nennen ihn "Witingstrang", genau wie hier geschrieben steht: in der Mitte ist nach dem -g- nur Ein -s- zu hören und am Ende ein -g; auch sprechen die Leute den dritten Buchstaben jetzt deutlich wie ein -t-. Es liegt nun nahe, wenn man diesen Namen hört, an Wikings=Strand, Strang oder Strom zu denken und an die Seeräuber= oder Wikings 1 ) =Züge zur Zeit der Dänen und Wenden.
Eine besondere Unterstützung giebt dieser Untersuchung das Dorf Wendisch=Wik, da dieses noch mit gartenbauenden Eigenthümern am Ende der Petri=Vorstadt unter dem Namen "de Wik" existirt. Seit dem Ankaufe des Dorfes führte die Stadt über die Verwaltung desselben besondere Rechnungen 2 ),
"Anno domini MCCCXXV infra octavas pasche iste liber inceptus est de redditibus, quos habet annuatim in pratis versus Warnemunde et de agris, qui Wich in vulgo dicuntur, et de ortis singulis.
Civitas locauit antiquo Rever carnifici quoddam spacium agrorum supra Wich, ubi quondam fuerat locus ville, pro quinque marcis denariorom.
Civitas locauit Johanni Beschalow pratum foris valvam sancti Petri secus dammonem pro XI marcis.
Notandum sit, quod civitas redemit a Hinrico de Dulmen octo marcarum redditus, quos habuit in ortis ciuitatis extra portam sancti Petri et in ortis supra Wich sitis; memorandum, quod ciuitas habet extra valuam sancti Petri quadraginta iugera ortorum cum dimidio iugero in vno tramite secus dinstinctionem ville Derckowe situata.
Ciuitas liberauit pratum situm snper Wych iuxta pratum Boltonis ad usus suos perpetuo disponendum.
Viceman ortulanus dabit ciuitati duarum marcarum redditus de quodam agro supra Wich iuxta pratum secus dammonem."
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welche die angegebene Lage noch mehr bestätigen, indem sie genau und ausdrücklich angeben, daß das Dorf vor dem Petrithore am Damme in der Wiese gelegen habe. Im J. 1325 existirte das Dorf nicht mehr.
Auffallend ist es, daß die alten Wohnstätten neben den wendischen Fürstenburgen nach deren Untergange den Namen Wik tragen. So liegt z. B. unmittelbar neben dem alten Burgwalle von Werle auch ein Dorf, jetzt Hof Wik 1 ). Dies waren gewiß die alten "Orte des Verkehrs" oder die "Städte" neben den Burgen 2 ).
Die alten wendischen Wohnstellen in den Sümpfen wurden nach Anlegung der deutschen Städte zuerst gewöhnlich noch von Wenden bewohnt; daher heißt noch heute ein zu den Wiesen und der Warnow führendes Thor Rostocks: das wendische Thor.
Man kann sich also die Verhältnisse der Lage so denken:
das Plateau rechts vor dem Petrithore, wo jetzt die Bleiche ist, unmittelbar an der Warnow, ist die alte wendische Burg Rostock;
das dahinter am Petri=Damm liegende Plateau gehörte noch zur Burgstätte (Vorburg);
das dahinter liegende dritte Plateau zwischen dem Petri=Damm und dem einst für kleinere Fahrzeuge schiffbaren Flusse Witingstrang war die alte wendische Stadt Rostock 3 ) oder das spätere Dorf Wendisch=Wik.
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Die wendische Burg Kessin
hat sich bei einer Untersuchung nicht finden wollen. Bei dem Dorfe Kessin, unweit Rostock, treten die Höhen hoch, steil und zerrissen weit in das Warnow=Thal hinein. Wahrscheinlich ist die Burgstätte in dem Dorfe untergegangen und in diesem Falle schwer und nur durch fortgesetzte Aufmerksamkeit zu finden.
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:
III.
Geschichte
der
von
G. C. F. Lisch.
D ie Wirksamkeit des Johanniter=Ordens ist für die Cultivirung Meklenburgs von bedeutendem Einflusse gewesen; seine Wirksamkeit äußert sich in ritterlicher Kriegshülfe, verständiger Benutzung des Bodens und höherer Pflege des Gottesdienstes; zu allem diesen mochten die Ritter, die in fremden Ländern Erfahrungen gesammelt hatten, vorzüglich befähigt sein, und neben dem Cistercienser=Orden dürfte der Johanniter=Orden im Mittelalter die größten Verdienste um die Germanisirung unsers Vaterlandes haben.
Nach dem Tode Pribislavs (1178) erhob sich das Volk der Wenden wieder in Aufruhr und unterdrückte auf lange Zeit die mühsam gelegten Keime der Cultur; sicher bis zum J. 1216 lag fast das ganze Land in wüster Verwirrung und selbst die reich fundirten Cistercienser=Mönchsklöster Doberan und Dargun krankten oder standen öde. Nur das Bisthum Schwerin fristete unter dem Schutze der Grafen von Schwerin ein beengtes Dasein. Hierher wandten sich auch die Johanniter zuerst, indem sie im J. 1200 die Comthurei Kraak und die Priorei Eixen stifteten 1 ). Den friedlichen Bemühungen des alternden Borwins, welche in der aufblühenden Kraft seines Sohnes Heinrich Borwin eine kräftige Stütze fanden, gelang es , die Keime zum Wachsthum zu bringen: der Friede ward nach langem Kampfe hergestellt und die Kirche durch zahl=
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reiche, wichtige Stiftungen gesichert. Während dieser Bestrebungen ward auch die Comthurei Mirow gegründet 1 ), welche nach der Schlacht bei Bornhövd (1227, in welcher wahrscheinlich die Ritter sich Ansprüche auf die Dankbarkeit der wendischen Herren erwarben, immer mehr an Festigkeit gewann; diese Stiftung entwickelte auf ihrem großen Grundbesitze im 13. Jahrhundert eine große Thätigkeit, welche, an der Grenze des gänzlich verödeten Redarierlandes, hohe Achtung abnöthigt 2 ).
Eine andere Veranlassung hat die Stiftung der Johanniter=Comthurei Nemerow; diese entstand, nach der Erstarkung der fürstlichen Macht während des 13. Jahrhunderts, durch das Streben der Fürsten, würdige Diener zu belohnen und in Stiftungen dieser Art sich Stützen ihrer Macht und Regierung zu verschaffen. Und wirklich zeigen die wenigen Urkunden der blühenden Comthurei Nemerow Spuren einer besondern Vorliebe der Fürsten für diese Stiftung.
Das Dorf Nemerow hat vor der Gründung der Comthurei vielerlei Schicksale gehabt, welche die Forschung um ein Bedeutendes erschweren. Das Dorf Nemerow oder Nimirow am See Tollenze, nicht weit von der Stadt Stargard, gehörte zur Zeit der Wenden zum Lande der Redarier. Im Anfange der Germanisirung dieses Landes gehörte es zu den Gütern, welche im J. 1170 von dem Fürsten Kasimir von Pommern, dem damals das Land Stargard gehörte, dem Bisthume Havelberg zur Stiftung des Klosters Broda geschenkt wurden 3 ). Als im J. 1182 die Pommernherzoge das Land Stargard durch eine unglückliche Schlacht an die Markgrafen von Brandenburg verloren, büßte das Kloster Broda auch alle Güter ein, welche es im Lande der Redarier geschenkt erhalten hatte: es behielt nur diejenigen, welche im späteren Gebiete der Herren von Werle lagen 4 ). Wiederholte Confirmationen nützten dem Kloster, das gewaltsam aus dem Besitze gedrängt war, nichts; die Markgrafen behielten die Güter, als Kriegsbeute, für sich zum Eigenthume. Während des 13. Jahrhunderts blieb das Land Stargard bei der Mark Brandenburg; mit dem 14. Jahrhunderte kam es durch das
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Aussterben der brandenburg=stargardischen Linie und durch die Vermählung des meklenburgischen Fürsten Heinrich des Löwen mit der brandenburgischen Prinzessin Beatrix an das Haus Meklenburg.
Während des 13. Jahrhunderts war die Feldmark Nemerow getheilt 1 ) worden. Der cultivirtere Theil war zu einem Rittersitze umgeschaffen und hieß Groß=Nemerow; auf den waldigeren, wenn auch schöneren Theil waren die Ueberreste der wendischen Bevölkerung zurückgedrängt, welche hier ein Dorf, Wendisch= oder Klein=Nemerow, bewohnten; neben diesem wendischen Dorfe entstand während der Cultivirung des Bodens ein Hof Nemerow 2 ). Um dem hart mitgenommenen Kloster Broda etwas aufzuhelfen, schenkten die Markgrafen Otto und Albert von Brandenburg demselben am 10. April 1273 das Dorf Wendisch=Nemerow, wie sie es bis dahin besessen hatten 3 ). Bei der Stiftung der Comthurei Nemerow im J. 1298 besaß aber die Familie von Warburg sämmtliche Güter Nemerow als Lehngüter 4 ). Hiernach scheint die Schenkung der Markgrafen an das Kloster Broda nicht viel mehr werth gewesen zu sein, als die pommersche Confirmation der ersten Verleihung. Das Kloster Broda hatte zwar vor dem 15. Aug. 1306 das Dorf Klein=Nemerow nebst den Dörfern Mechow und Küssow an das Kloster Wanzka verkauft 5 ), aber es ist keine Spur weiter davon vorhanden, daß die Comthurei Nemerow seit 1298 je aus dem Besitze eines Theils von Nemerow gekommen sei. Wahrscheinlich mußten die beiden Klöster der begünstigten Comthurei weichen oder sie verglichen sich mit dieser über Ansprüche, welche vielleicht nicht bedeutend waren, wenn nicht das
und,"Meychildis relicta Pulleman vendidit Hermanno de Papendorp molendinum iuxta Nemerowe, sicut suum fuit et illud sibi racionabiliter coram consilio resignauit",
Pactus in Nemerov VIII mr."
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an Broda abgetrennte Gut Nemerow ein anderes wendisches Nemerow am südlichen Ende von Gr. Nemerow war, wo das Kloster Wanzka (bei Nonnenhof) Besitzungen hatte; es ist aber glaublich, daß die Rechte der Klöster an dem Gute nicht bedeutend waren, da das Kloster Wanzka im J. 1290 bei seiner Stiftung auch das Dorf Mechow mit 64 Hufen und in Küssow 8 Hufen erhielt und dennoch darauf die Güter von dem Kloster Broda kaufte. Es müssen hier, wie dort, untergeordnetere Verhältnisse zum Grunde liegen, die wir nicht mehr kennen.
Der Stifter der Johanniter=Comthurei Nemerow war der Ritter Ulrich Swabe oder Swave 1 ), aus einem alten Geschlechte, das aus Schwaben stammte. Schon bevor er in den Orden trat und auch als Comthur, hatte er dem Margrafen Albert von der stargardischen Linie sehr angenehme Dienste geleistet und der Fürst hatte ihn stets fest und treu befunden 2 ); nach dem Tode Alberts besaß er (vir honorabilis, famiharis nobis specialiter et dilectus) 3 ) nicht minder des Markgrafen Hermann Liebe und Dankbarkeit, um so mehr, da er im J. 1302 als Comthur dessen geheimer Rath (secretarius) war 4 ), und auch der Fürst Heinrich von Meklenburg wandte ihm (viro prediscreto nobis sincere predilecto domino Ulrico dicto Swaf) 5 ) seine ganze Liebe zu. Schon im J. 1292 ist er in einer zu Lichen ausgestellten Schenkungsurkunde des Markgrafen Albert für das Cistercienser=
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Nonnenkloster Wanzka der erste Ritter im Gefolge des Fürsten 1 ). Wahrscheinlich war er der Mann, der alle wichtigen Verhandlungen zwischen Meklenburg und Brandenburg und im brandenburgischen Fürstenhause, z. B. bei dem Aussterben der stargardischen Linie, bei der Vermählung der Beatrix, u. s. w., leitete.
Ulrich Swave war schon vor dem J. 1292 in den Johanniter=Orden getreten 2 ). Er ward bald Comthur zu Braunschweig 3 ) und Gardow 4 ). Als solcher kaufte er für den Orden von dem Ritter Hermann von Warburg die Güter Groß=Nemerow, Klein= oder Wendisch=Nemerow und Hof=Nemerow für 630 brandenb. Pfund. Nachdem H. v. Warburg diese Güter dem Comthur vor dem Lehnsherrn ausgelassen hatte, übertrug der Markgraf sie zu Soldin am 15 Mai 1298 auf den Johanniter=Orden und befreiete sie aus besonderer Liebe zu demselben von Bede, Dienst und Heerfolge, kurz von allen Lasten, so daß der Orden unbeschränkte Herrschaft über die Bewohner der Dörfer ausüben könne; zur besonderen Ehre und Dankbarkeit bedung der Markgraf für Ulrich Swave, daß dieser für die Zeit seines Lebens Comthur für diese Güter bleibe und daß dieselben erst nach seinem Tode zur Verfügung des Ordensmeisters stehen sollten. Diese Stiftung der Comthurei Nemerow geschah bei Gelegenheit einer feierlichen Begebenheit, indem außer dem Markgrafen Albert die Fürsten Heinrich von Meklenburg, Otto von Pommern=Stettin, Nicolaus von Rostock und Nicolaus von Werle gegenwärtig waren; vielleicht feierte Nicolaus das Kind seine erste Verlobung, die mit der brandenburgischen Prinzessin Margaretha, die ungefähr in diese Zeit gefallen sein muß 5 ).
Zum Sitze der Comthurei ward der Hof Nemerow bei Wendisch=Nemerow in einer höchst reizenden und fruchtbaren Gegend auf den hohen Ufern des Tollenze=Sees erwählt. Bald ward hier ein Conventhaus und eine Kirche erbauet 6 ),
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welche Gebäude beide noch stehen; die Dienste leisteten die Bewohner der Dörfer Groß= und Klein=Nemerow. Nachdem dies, dem Anscheine nach, geschehen war, bestätigte der Markgraf Herman, sei es bei den noch schwankenden Verhältnissen über den Besitz des Landes Stargard als Landesherr, sei es als Schutzherr des Ordens 1 ), am 8. November 1302 die Stiftung und bestimmte sie zum Sitze eines Comthurs, für Ulrich Swave auf die ganze Zeit seines Lebens, und dreier Ordenspriester 2 ). So entstand zu Nemerow, wie zu Mirow, eine Priester= Priorei neben der Comthurei, während in der Grafschaft Schwerin die Priorei Eixen von der Comthurei Kraak getrennt blieb. Und wirklich kommt auch im J. 1392 "Martin von dem Berge" als "prior des huses S. Johannis baptistae to Nemerow" vor 3 ). Wahrscheinlich nahm das Ordenshaus mit dem wachsenden Reichthum der Stiftung mehr Brüder aus dem Priesterstande auf. In der eben angeführten Urkunde vom J. 1392 in Hacke Gesch. der Stadt Neu=Brandenburg verhandeln mit dieser Stadt außer dem Comthur und dem Prior 5 Brüder ("brödere dessuluen ordens S. Johannis vnde huses "to Nemerow") nämlich: Jacob vom Sunde, Claus Luno, Gerd Went, Henning Picht und Gerhard Lubbin.
Zunächst suchte die Comthurei die ursprüngliche Stiftung abzurunden. Im Anfange des 14. Jahrhunderts verkaufte der Fürst Heinrich von Meklenburg der Comthurei das Eigenthum eines Feldes am Tollenze=See, welches bis dahin zu den Burglehen von Stargard gehört hatte, und die stargardischen Burgmänner gaben hiezu ihre Einwilligung 4 ). Und am 19. Aug. 1355 verkaufte der Herzog Johann von Meklenburg an die Comthurei das Holz zwischen dem Holze von Nemerow, dem Holze des Burglehns von Stargard, dem See Tollenze und dem Dorfe Rowa, welches nach jüngern Aufzeichnungen die "Burgkavel" genannt ward, mit allen Freiheiten und Gerechtigkeiten 5 ).
Das schwankende Verhältniß des Landes Stargard zu den Markgrafen von Brandenburg und den Fürsten von Meklenburg konnte für die Unterthanen nicht erfreulich sein; die Unsicherheit
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des Eigenthums beweisen die Confirmationen, die von beiden Seiten eingeholt wurden. Dieser Ungewißheit machte zwar der Wittmansdorfer Vertrag vom 15. Jan. 1304 ein Ende, nach welchem Heinrich von Meklenburg 5000 Mark Silbers für die Abtretung des Landes Stargard an die Markgrafen zu zahlen sich verpflichtet hatte; dadurch ward aber der Fürst Heinrich, dessen Schatz bei seinen vielen großen Unternehmungen nicht immer gefüllt war, in die größte Verlegenheit gesetzt, welcher er dadurch zu kehren suchte, daß er eine außerordentliche Bede ausschrieb. Er wandte sich in "seiner dringenden Verlegenheit, in die er durch die Markgrafen gesetzt" war, auch an den Comthur von Nemerow, der ihm mit freundlicher Gesinnung zur Beihülfe 40 Mark Silbers schenkte 1 ), welche der Fürst als eine freiwillige Gabe annahm und deren Zahlung er nie zur Geltendmachung eines etwanigen Rechtes gebrauchen zu wollen versprach. Dagegen versicherte er der Comthurei völlige Freiheit von Bedezahlung von ihren Gütern 2 ).
Eine interessante Erscheinung ist es, daß die nemerowschen Brüder das Patronatrecht über die Pfarrkirche der Stadt Lichen erwarben. Am 30. Jan. 1302 schenkte der Fürst Heinrich von Meklenburg der Comthurei dieses Recht 3 ) und am 14. Aug. d. J. ließ Ulrich Swave derselben das Recht von dem Markgrafen Hermann von Brandenburg bestätigen 4 ), weil dieser damals noch annahm, daß Heinrich von Meklenburg von ihm "Land und Stadt Lichen zu Lehn habe." Die Comthurei ließ nun die Pfarre sogar durch Priester ihres Ordens verwalten, wie im J. 1316: "Nicolaus presbyter, rector ecclesie in Lychen, ordinis "sancti Johannis Jherosolimitani" 5 ). Aus den Comthureigütern erhielt die Pfarre zu Lichen von dem Dorfe Dabelow jährlich einen brandenburgischen Schilling Zins von jeder Hufe 6 ).
Der Comthur Ulrich Swave lebte noch längere Zeit in seinem Wirkungskreise: Ostern 1315 war er in Dänemark zu Worthingborg, wo er mit mehreren dänischen Edlen eine Urkunde vidimirte; 1318 war er mit dem erfurter Comthur Paul von Mutina zu Cremmen. Am 24. Mai 1322 war schon Georg
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von Kerkow Comthur 1 ). Auf jeden Fall verdienen die Lebensumstände des Stifters der Comthurei auch für die politischen Verhältnisse der damaligen Zeit hohe Beachtung.
Die Dörfer Nemerow bildeten den zusammenhangenden Boden der Comthurei Nemerow. Schon früh erweiterten aber die Ritter ihre Besitzungen in der Nähe, indem sie die Dörfer Staven und Rowa erwarben und zur Comthurei legten.
Schon am 23. Junius 1303 verlieh der Fürst Heinrich von Meklenburg der Comthurei das Eigenthum von 8 Hufen in Staven, wie sie die Brüder Henning und Hartmann von Staven bis dahin besessen hatten, und schenkte ihnen dazu die Bede 2 ), die ganze Gerichtsbarkeit und alle Dienste von dem Dorfe 3 ).
Im J. 1322 erwarb die Comthurei 37 1/2 Hufen im Dorfe Staven. Der Fürst Heinrich von Meklenburg verkaufte dem Orden für 150 Mark stendalscher Münze das Eigenthum über diese Hufen und der Heermeister verschrieb mit den Comthuren von Mirow und Nemerow am 24. Mai 1322 zu Neubrandenburg dem Fürsten den Wiederkauf dieses Eigenthumsrechtes 4 ). Die Comthurei blieb jedoch im Besitze und Eigenthum dieser Hufen, da das ganze Dorf der Comthurei bis zu deren Säcularisirung gehörte. - Im J. 1356 brachte die Comthurei das Letzte an sich, was ihr von dem Dorfe Staven noch fehlte. Am Tage Martini 1356 verkaufte nämlich der Ritter Vicke von Godenswegen, mit Einwilligung seiner Söhne Heinrich, Vicke und Albrecht, dem Orden das Schulzengericht, den Krug, die fünf Seen, 9 brandenb. Pfennige von den Hufen, welche sie zu Lehn trugen, und das Kirchen=Patronat zu Staven dem Orden 5 ) und am 25. Jan. 1358 verkaufte der Herzog Johann von Meklenburg der Comthurei die landesherrlichen Gerechtsame an diesen Gütern in Staven, nämlich das Eigenthum von 9 1/2 Hufen, von welchen der Schulze 4 im Besitz hatte, und von dem Kruge, den Vicke von Godenswegen zu Lehn getragen hatte, alle Gerichtsbarkeit, Bede und Dienste, für 201 1/2 Mark und 40 Pfennige, unter der Bedingung, daß die Brüder das Gedächtniß der Landesherren
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feierten 1 ). - Dies sind im Ganzen 55 Hufen, welche die Ritter zu Staven erwarben; zur Zeit der Säcularisirung hatten die Bewohner des Dorfes noch 52 Hufen unter dem Pfluge und die Pfarre besaß 4 Hufen.
Ferner erwarb die Comthurei das Dorf Rowa, welches an den Grenzen derselben liegt. Dieses Dorf hatte der Fürst Heinrich von Meklenburg am dritten Sonntage nach Martini (26. Nov.) 1318 an die Stadt Neubrandenburg verkauft 1 ). Diese Stadt verkaufte das Dorf wieder an die Comthurei Nemerow und der Herzog Johann von Meklenburg bestätigte am 4. Jan. 1356 den Verkauf dieses ganzen Dorfes mit aller Gerichtsbarkeit, Bede und Freiheit, wie die Stadt dasselbe besessen hatte, ohne irgend eine Last 2 ).
Die Comthurei Nemerow bestand also aus dem Hofe Nemerow mit dem Ordenshause und aus den ganzen Dörfern Groß=Nemerow, Klein=Nemerow, Rowa und Staven mit allen Rechten und Freiheiten.
Außerdem hatte die Comthurei noch einige Gerechtsame, von denen die Lehnsherrlichkeit der Fischerei auf dem Tollenze=See die wichtigste ist. So dunkel und häufig angefochten die Fischerei auf diesem See ist, so dunkel ist das Recht der Comthurei darüber. Es ist bisher nichts weiter darüber bekannt geworden, als was Hacke in seiner Geschichte der Stadt Neubrandenburg darüber S. 52 sagt:
"Die Comters zu Nemerow machten den Brandenburgern das alleinige Eigenthumsrecht der Fischerei auf der Tollense auch streitig; dieser Zwist wurde aber 1392 unter ihnen dadurch verglichen, daß die Brandenburger den Rittern die Ehre erzeigen mußten, die Fischerei auf der Tollense bei ihnen zu Lehn zu suchen, laut Reverses des Herrn Comters zu Nemerow wegen der verlehnten Fischerei auf der Tollense Anno 1392."
Ferner hatte die Comthurei ein Patronat, wahrscheinlich von Neuenkirchen, indem es in einem Urkunden=Protocolle aus dem 16. Jahrhunderte heißt:
"Die zu Ilfeldt vnd Kloxin haben einen hoff zur Pfarr gelegen, daruon der Pfarrherr die zinse, die Ilfelder aber die straffen nehmen, hinkegen hat der Comther vnd das haus Nemerow einen
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Pfarherr zu verordnen macht, mit dem die Ilfelder zuefrieden sein müßen."
Der Antheil an den "Vipperowschen Wassern" der Müritz, welche am 20. December 1330 den Comthureien Mirow und Nemerow zusammen verschrieben wurden 1 ), muß in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, bei den Güter=Regulirungen zwischen beiden genannten Comthureien, an die Comthurei Mirow übergegangen sein.
liegt hart am Ufer des Tollenze=Sees auf hohem Gestade, vielleicht in der schönsten Gegend des strelitzer Landes, die überhaupt zu den reizendsten der Ostseeländer gehören dürfte; die Aussicht auf den See und die hohen waldbewachsenen Ufer, namentlich nach Neubrandenburg und dem Kloster Broda hin, ist wahrhaft entzückend. Der mit Laubholz geschmückte Boden ist äußerst fruchtbar, da nicht allein alle Feldfrüchte gebauet werden können, sondern auch im hohen Grade üppig und fruchtreich gedeihen. Dazu ist das Feld ungemein quellenreich; die ganz in der Nähe des Hofes aus den zerklüfteten Waldhügeln hervorstürzenden Quellen sind so stark, daß sie vereinigt sehr bald die nemerowsche Mühle treiben; überdies sind die Quellen verschiedenartig mineralhaltig und "sollen" die wirksamsten von allen Quellen in beiden Großherzogthümern Meklenburg sein.
Von den Comthurei=Gebäuden ist nicht viel übrig, jedoch noch mehr, als von den andern Comthureien im Lande. Es war zu Kl. Nemerow am 11. August 1836 noch Folgendes vorhanden.
Der neuere Wohnsitz des Comthurs stand an der Stelle des jetzigen Pächterhauses. Im J. 1655 stand dort:
"Ein altes haus vngefehr von 10 gebinden, ist vbell gebawet vnd sehr zerfallen, darin ein back= vnd brauwhauß.
Ein newes haus hart dabey vngefehr von 9 gebinden, taugt auch nicht viel, in demselben ist eine staube vnd Kammer vnd ein stal darinnen 8 Pferde stehen konnen."
Neben dem Wohnhause steht die alte Ordenskirche, welche jetzt in eine Scheure umgewandelt ist. Sie steht hart
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am Ufer des Sees und ist ganz aus Feldsteinen erbauet. Ein Gewölbe existirt nicht mehr. Um die Kirche zur Scheure einzurichten, ist an der langen, östlichen Seite eine Auffahrt mit einem niedrigern Dache angebauet. An dieser Seite gehen zwei im Spitzbogen gewölbte Thüren in die Kirche; außerdem sind noch einige viereckige Fensteröffnungen vorhanden. Die Kirche ist ein reines Oblongum und steht mit der schmalern Seite gegen N., mit der längern, östlichen Seite parallel mit dem See, der auch wohl diese Lage der Kirche bestimmt. Nach dem See hin hat die Kirche noch Strebepfeiler, welche aber zum großen Theile in den See gestürzt sind. Daß dieses Gebäude die Ordenskirche gewesen sei, beweisen Inventarien vom J. 1655, in denen es heißt:
"Eine scheune vor dem hause, welches eine alte kirche zuvor gewesen, darinnen man hew legen kan."
Und schon im J. 1612 heißt es:
"In der Kirche ist nichts. 2 Glocken hangen an St. Johans Kirche vor dem Thor."
Außerdem spricht dafür der ganze Bau und vorzüglich der Leichenstein von dem Grabe des Comthurs Ludwig von der Gröben, der aus diesem Gebäude genommen und mitten auf dem Hofe aufgerichtet ist. Auf demselben ist das geharnischte Bild eines Ritters in Relief ausgehauen; um her steht die Inschrift:
ANNO 1620 DEN 20 AUGUSTI IST DER WOLWÜRDIGER, EDLER, GESTRENGER UND ERNUESTER HER LUDWIG V. D. GRÖBEN DES MALTHESER ORDINIS S. JOHANNIS UND HOSPITALIS ZU HIERUSALEM RITTER, COMMENDATOR ZU NEMEROW, ALHIE SEHLIGLICH ENDSCHLAFEN ZWISCHEN 6 UND 7 UHREN VORMITTAGE UND ZUR ERDEN BESTETIGET IM GEWELBE, SEINES ALTERS IM 49 JHARE, DERO SEHLEN GODT GNEDICH IST.
An seiner linken Schulter und an einer Kette um den Hals steht ein Maltheserkreuz. An jeder Seite sind 8 Wappenschilde seiner Ahnen ausgehauen. - Auf der Rückseite der Mauer, an welcher dieser Leichenstein aufgerichtet ist, ist ein kleinerer Stein mit zwei Wappen eingemauert; unter diesen steht:
LUDOWIG VON DER GROBEN COMPTOR
und
SABINA VON BREDOW. ANNO 1605.
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Damals verheiratheten sich also auch die Comthure.
An der schmalen, südlichen Seite der Kirche, in gleicher Richtung mit derselben, steht ein anderes schmaleres und kleineres, altes Gebäude, aus großen, mittelalterlichen Backsteinen, dessen Ringmauern jetzt zum Viehstalle benutzt sind. Wahrscheinlich war dies das Conventhaus. In dem Inventarium von 1655 heißt es:
"Ein schaffstal daneben (neben der Kirche), darein werden die lemmer getriben."
Außerdem stand damals noch eine ältere Kirche auf dem Hofe; denn es heißt weiter:
"Die kirche, so auffem hoffe stehet, ist gantz. gahr zurißen, zerbrochen vnd zerfallen, daß sie gar nichts mehr tüchtig;"
worauf auch das oben angeführte Inventarium vom J. 1612 hinzudeuten scheint.
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Die Johanniter=Comthurei Gardow,
der
Comthurei Nemerow einverleibt.
Häufig ist von der Johanniter=Comthurei Gardow oder Gartow die Rede gewesen, ohne eine bestimmte Vorstellung von der Lage derselben zu haben. Gewöhnlich glaubt man, daß diese Comthurei aus dem Städtchen Gartow im Dannebergschen bei Schnakenburg an der Elbe bestanden habe. Allerdings hat diese Annahme viel Wahrscheinliches für sich, da die Johanniterritter in dem nahen Werben eine bekannte Comthurei hatten, Crummendiek erwarben 1 ) und im 14. Jahrhunderte auch im Besitze des Städtchens Gartow waren 2 ). Es ist sogar möglich und wahrscheinlich, daß im 14. Jahrhundert eine Comthurei Gartow an der Elbe bestand, und es liegt die Annahme ziemlich nahe, daß die in meklenburgischen Urkunden vorkommende Comthurei Gardow diese gewesen sein möge, da der als Comthur von Gardow und Nemerow vorkommende Ordensbruder Ulrich Swave auch Comthur oder Prior zu Braunschweig war. Dennoch sind triftige Gründe dafür vorhanden, daß die meklenburgische Comthurei Gardow eine andere, als die danneberg=braunschweigische gewesen sei.
Im J. 1298 wird Ulrich Swave, der Stifter der Comthurei Nemerow, Comthur von Braunschweig und Gardow genannt 3 ). Nach der Stiftung der Commende Nemerow heißt er am 14. Aug. 1302 schon Comthur von Braunschweig, Nemerow und Gardow 4 ). Hier ist
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es schon auffallend, daß die ältere Comthurei Gardow der jüngern Nemerow nachgesetzt wird; jene war also schon wahrscheinlich Bestandtheil der letztern geworden. In der Confirmations=Urkunde vom 3. April 1304 wird aber ausdrücklich gesagt, daß Gardow in der, so eben meklenburgisch gewordenen, Herrschaft Stargard liege: der Fürst Heinrich von Meklenburg erließ nämlich den Johanniter=Rittern von Nemerow und Gardow alle Bedezahlung von Nemerow, Gardow und den übrigen in seiner Herrschaft liegenden Gütern, wie sie zu den beiden genannten Ordenshäusern gehörten und bis auf ihn gebracht seien 1 ). Diese Worte können unmöglich von andern, als im Lande Stargard liegenden Gütern verstanden werden. Daher heißt es auch in einem Urkunden=Inventarium aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, als die Comthurei noch ungeschwächt bestand, von dieser Urkunde:
"Herzogk Heinrich bestettigt dieselben güter zue großen vnnd kleinen Nemerow und Gardow, darauf vor zeitten die Comptorei gestanden, ungefähr 2 1/2 meil von Nemerow gelegen."
Diesen Ort giebt nun ein altes Inventarium vom J. 1583 über die Güter der Comthurei an, wo es bei dem Dorfe Wokuhl, nicht weit nordwestlich von Lichen, sagt:
"Wokuhl. Dazu eine wüste Feldmark Gardow. - - Die Feldmark Gardow grenzt mit Godendorf und Brakentin."
Der Johanniter=Orden hatte nämlich an der südlichen Grenze des Landes Stargard, zwischen Strelitz und Lichen, nördlich an das jüngere Kloster Himmelpfort und Stadt und Land Lichen grenzend, in abgesonderter Begrenzung die Dörfer Dabelow, Wokuhl, Gnewitz und Kl. Karzstavel, in deren Mitte der Hof Gardow lag, an dessen Stelle jetzt der jüngere Hof "Comthurei" liegt, nahe bei den Seen Groß= und Klein=Gardow. Hiedurch wird es auch erklärlich, daß der Comthur von Nemerow und Gardow das Patronat über die Pfarrkirche der Stadt Lichen erhielt 2 ). Seit
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dem Anfange des 16. Jahrh. lag aber der Hof Gardow wüst bis auf die neuern Zeiten.
Der Comthur Joachim von Holstein (1552-1572) that zuerst den Acker des Gutes an die Bauern von Wokuhl zur Pacht aus. Dies beweisen die Beschwerden des Comthurs L. v. d. Gröben vom J. 1611, in denen es heißt:
"Die Heidtdörfer vndt erstlich den Hoff vndt die Feldtmarcke Gerdow betreffende, dauon gebrauchet der Schultze vndt Krüger zur Wohkuel den Hoff=Acker, dafur thuen dieselben eine Außrichtunge, wan vndt so offte Sie auff die Heide kommen; den andern Acker aber gebrauchen die Wohkulischen Pawren, welche dafur der Comptorey einen Wiespel Rogken geben, welchen obgedachten Hoff vndt allen andern Acker ihnen den Wohkulschen von Joachim Holstein eingethaen worden, da doch dieselben der Comptorey daß gantze Jahr vber nur mit drey Fuhren dienen, wan sie zusammenspannen, dieweiln also solches der Comptorey wenig zu nutzen kompt, aber dajegen der ort also beschaffen, daß daselbst eine Schefferey oder Viehoff fuglich woll gelegtt werden konne."
Noch am 26. Febr. 1718 heißt es 1 ): "Die sogenannte alte Comterei im Ambte Nehmerow ist eine wüste Feldmark zwischen Wokuhl, Brüggentin, Dabelow und Godendorf belegen."
Die Geschichte dieser Güter bedarf jetzt einer besondern Darstellung und einer neuen Mittheilung der Urkunden, obgleich sie schon bei der Geschichte der Comthurei Mirow in Jahrb. II, S. 64 und 73 berührt ist. Am 13. März 1285 schenkte der Markgraf Albert von Brandenburg dem Johanniter=Orden das Eigenthum des Dorfes Gnewetiz 2 ) und am 17. Dec. 1286 das Eigenthum der Dörfer Dobelow und Kl. Karzstavel 3 ), welche bis dahin Lehngüter gewesen waren, und übergab sie zu Händen der Comthurei Mirow. Gnewetiz ist das Dorf Gnewitz, Dobelow das Dorf Dabelow. Das Dorf Karzstavel existirt nicht mehr; es lag nach den Stiftungs=Urkunden des im J. 1299 gestifteten Klosters Himmelpfort zwischen der Stadt Lichen und dem Dorfe Dabelow, wie noch
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jetzt der Kastavische See die Grenze zwischen den Ländern Meklenburg=Strelitz (Stargard) und Lichen (zur Ukermark) bildet. Schon vor der Stiftung der Comthurei Nemerow (1298) und des Klosters Himmelpfort (1299) war zu diesen Gütern die Feldmark Gardow gekommen und aus allen diesen Gütern eine Commende gebildet, mit welcher Ulrich Swave belehnt ward.
Das Gut Gardow kam wohl als Ersatz für das Gut Karzstavel an die Comthurei, da dieses Dorf zum Kloster Himmelpfort gelegt ward, in dessen Besitzungen es auch untergegangen ist. Die Comthurei Mirow besaß aber im Anfange des 14. Jahrhunderts die Güter der Comthurei Gardow nicht mehr, da derselben sowohl Nicolaus von Werle am 18. Jan. 1301 1 ) nur die Güter Mirow, Gramzow, Peetsch, Lenst, Fleth, Roggentin, Loissow und Garz, als auch Heinrich von Meklenburg am 15. Aug. 1303 2 ) und am 3. April 1304 3 ) nur die Güter Mirow, Zirtow, Peetsch, Lenst, Fleeth und Repent bestätigte. Die letztere Urkunde vom 3. April 1304 beweiset wiederum die abgetrennte Existenz der Comthurei Gardow, da sonst der Fürst Heinrich der Comthurei Mirow die Comthurei Gardow, d. h. die Güter Gardow, Dabelow und Gnewitz bestätigt haben würde; statt dessen bestätigte er sie unter demselben Datum dem Comthur von Nemerow. - Bald darauf muß der Orden noch das Dorf Wokuhl dazu erhalten haben 4 ); denn am 10. October 1337 schenkte der so eben volljährig gewordene Fürst Albrecht von Meklenburg, für sich und seinen unmündigen Bruder Johann dem Orden, bei seiner ersten Reise in das Land Stargard den Brüdern das Eigenthum und den Grundzins von den Dörfern Wokuhl, Gnewitz und Dabelow, wobei er jedoch den Zins von Dabelow zur Pfarre von Lichen legte, die aber wiederum dem Orden gehörte.
Der Fürst machte diese Schenkung dem Orden im Allgemeinen, ohne eine bestimmte Comthurei zu nennen. Damals ungefähr, nach dem Tode des Ulrich Swave, wird die Comthurei Gardow der Comthurei Nemerow incorporirt worden sein, was um so paßlicher war, da beide Comthureien sämmtliche Güter des Ordens im Lande Stargard in sich faßten.
Seit dieser Zeit verschwindet die Comthurei Gardow aus der Geschichte der Comthurei Mirow, wenn auch das
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Dorf Gardow noch im J. 1493 neben Nemerow und Dabelow genannt wird, und kommt nur als Bestandtheil der Comthurei Nemerow vor. Im Inventarium von 1641 wird ausdrücklich gesagt, daß die Feldmark Gardow unmittelbar zur Comthurei gehöre und nicht zum Hufenschlag von Wokuhl. Die Güter der ehemaligen Comthurei Gardow, welche im 16. Jahrhunderte die Haidedörfer genannt werden, waren aber nach Inventarien aus dem 16. Jahrhunderte:
1) Dabelow mit der wüsten Feldmark Brüggentin, welche nordöstlich an Dabelow grenzte und zwischen Dabelow, Gardow, Wokuhl, Gnewitz und den Seen Linow und Brüggentin (nach der Ukermark hin) lag; der Hof Brückentin war am Ende des 17. Jahrhunderts aufgebauet;
2) Wokuhl mit der wüsten Feldmark Gardow, welche zwischen Wokuhl, Brüggentin, Dabelow und Gudendorf lag; jetzt steht an der Stelle desselben der Hof Comthurei;
3) Gnewitz, östlich an Brüggentin und Wokuhl grenzend;
4) Gudendorf, westlich an die Feldmarken von Dabelow und Gardow grenzend; dieses Dorf hieß früher Minnow:
"Minnow, tho diser tidt (1583) Godendorf geheten 1 )."
Dazu gehörte später die Feldmark Dreffin:
"(1583) haben diese Pauern (von Gudendorf) semptlich ein wüste feltmarkt Dreffin genannt, so nach Strelitz belegen, zur huer."
Bemerkenswerth ist in Beziehung auf diese Besitzungen noch das Grenzverhältniß zum Kloster Himmelpfort. Dieses grenzte mit seinen Besitzungen an die nemerowsche Comthurei Gardow, und die Grenzen beider Stiftungen bildeten zugleich die nördlichen Grenzen des ukermärkischen Landes Lichen gegen das Land Stargard. Bei der Stiftung und bei der Confirmation im J. 1305 durch den Fürsten Heinrich von Meklenburg erhielt das Kloster Himmelpfort im Lande Stargard 100 Hufen, nämlich die Dörfer Neddemin und Warbende, und 10 Hufen in Vlatow, und im Lande Lichen die Dörfer Karstavel, Gr. Thimen, Kl. Thimen, Garlin, Linow und Brusewald und alle Gewässer, die zum Lande Lichen gehörten, namentlich aber auch die Seen Dabelow, Brüggentin, Linow und Karstauel, von denen die drei
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letzten in der Grenze zwischen den Ländern Stargard und Lichen liegen. Da diese Seen theils ganz, theils zum Theil von dem Gebiete der Comthurei umschlossen waren, so gab ihr Besitz Veranlassung zu langwierigen Streitigkeiten, welche endlich am 9. Julii 1480 durch die Herzoge Magnus und Balthasar von Meklenburg dahin beigelegt wurden, daß das Kloster Himmelpfort in den ungestörten Besitz der Seen Dabelow, Brüggentin und Linow gesetzt ward 1 ), wie die ältesten Urkunden dem Kloster denselben verliehen hatten. Jedoch wollte der Johanniter=Orden dem Kloster die Seen im Anfange des 16. Jahrh. wieder streitig machen.
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Die Comthurei Nemerow bestand also aus folgenden Gütern :
Comthurei=Hof Klein=Nemerow.
a. Comthurei Nemerow:
1) Groß=Nemerow.
2) Klein= oder Wendisch=Nemerow.
3) Rowa.
4) Staven.
b. Comthurei Gardow, Nemerow einverleibt, unter dem Namen der Haidedörfer:
5) Gnewitz.
6) Dabelow mit der wüsten Feldmark Brüggentin.
7) Wokuhl mit der wüsten Feldmark Gardow.
8) Gudendorf (früher Minnow genannt).
Alle Güter mit Eigenthumsrecht und aller Freiheit und Gerechtigkeit.
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Die Comthurei Nemerow hatte sich im 14. Jahrhunderte vollständig gebildet. Im 15. Jahrhunderte scheint ihr Dasein dem ruhigen Genusse zugewandt gewesen zu sein, da kaum viel mehr vorkommt, als die Namen einiger Comthure. Am Ende des 15. Jahrh. begann der Heermeister zu Sonnenburg mit den Herzogen von Meklenburg einen langwierigen Proceß, der schon in den Jahrbüchern, Jahrg. I, S. 17 flgd., dargestellt ist und der vorzüglich die Comthureien Nemerow und Kraak und die Priorei Eixen betraf. Die Commenden Kraak und Eixen gingen, wenn auch nicht in Folge, doch in Veranlassung dieses Processes unter, jene im J. 1533, diese im J. 1552. Für die Comthurei Nemerow blieb der Heermeister siegreich, bis die unwiderstehliche Macht des westphälischen Friedens im J. 1648 der Stiftung ein Ende machte; bis dahin aber giebt die Existenz der Comthurei Nemerow mehr als irgend eine andere Stiftung im Lande ein lebendiges Bild von dem zähen Festhalten der altkatholischen Institutionen, gleichviel ob die Verwaltung einen Genuß verdiente oder nicht.
Die nächste Veranlassung zum Streite gab der Besitz der Mühle zu Wesenberg nach dem Tode des Herzogs Albrecht VI. und dessen Gemahlin Catharine im J. 1483. Die Mühle mit Zubehör war ursprünglich fürstliches Besitzthum gewesen 1 ). Im J. 1355 am Tage vor Elisabeth erhielten Busso von Dolle zu Neddemin, Busso von Dolle zu Arnsberg und Busso von Dolle der Lange die Mühle zu Wesenberg mit 40 Morgen (partes siue mensuras) Ackers von dem Herzoge Johann zu Lehn. Am 4. Jan. 1361 ging dieses Lehn auf den Johanniter=Orden, und namentlich auf die Comthurei Mirow, über, indem die v. Dolle es vor dem Lehnsherrn aufließen und dieser es durch Verkauf für 240 Mark Vinkenaugen auf den Orden übertrug. Es gehörte damals zu der Mühle und dem Mühlenacker noch das Recht des Fisch= und Aalfanges auf dem Woblitz=See und das unbeschränkte Stauungs= und Baurecht an der Mühle und dessen Dämmen und Wehren. Der Johanniter=Orden verkaufte nun am 9. Nov. 1376 auf einem Ordenstage zu Quartzan für 300 Mark brand. die Mühle an die Brüder Wedege und Henning Plate, als ein Erblehn zu gesammter Hand, behielt sich jedoch die Lehns=
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herrlichkeit vor 1 ). Dies konnte der Orden nicht mit Recht, da der oberlehnsherrliche Consens der Fürsten nicht ertheilt ward, auch wohl dem Orden nie das unbeschränkte Eigenthumsrecht, also auch nicht das Verleihungsrecht geschenkt war. Die Plate blieben, als Vasallen der Herzoge von Meklenburg, im Besitze der Mühle zu Wesenberg und der Fischereigerechtigkeit auf dem Woblitz=See, wozu sie noch den Pfandbesitz der Burg, Stadt und Vogtei Wesenberg erworben hatten, bis der Letzte der Linie, Joachim Plate 2 ), ungefähr um das Jahr 1460 ohne männliche Leibeserben starb und das gesammte wesenbergische Lehn an die Landesherren, als Lehnsherren, zurückfiel. Der Orden machte damals und späterhin keine Ansprüche, vielmehr blieb der Herzog Heinrich II. von Stargard und dessen Sohn Ulrich im ruhigen Besitze der Mühle. Der Herzog Ulrich verschrieb Wesenberg mit der Mühle seiner Gemahlin Katharina zum Leibgedinge. Nach dem Aussterben der stargardischen Linie ging das Eigenthum an das schwerinsche Fürstenhaus über; der Herzog Heinrich IV. besaß es ruhig und hinterließ es seinen Söhnen von denen es der älteste, Albert, wiederum seiner Gemahlin Catharine zum Leibgedinge verschrieb. Die beiden ältesten Söhne Heinrichs, Albrecht und Johann, starben, und Magnus und Balthasar waren, nach dem Tode Albrechts und seiner Gemahlin im J. 1483, im alleinigen Besitze. Bis dahin hatte der Orden geschwiegen; jetzt erhob er plötzlich seine Stimme und machte Ansprüche, welche wenigstens sehr zweifelhaft waren.
Heftiger noch, als über die angebliche Entziehung der wesenberger Mühle klagte der Orden über die widerrechtliche Auflegung einer großen Menge von Lasten aller Art aus den Comthureidörfern. Lieset man die Urkunden der Comthurei genau, so läßt sich nicht leugnen, daß diese ihre Güter völlig frei von allen Lasten, namentlich von Beden und Diensten, erhalten hatte. Während sich aber gegen das Ende des 15. Jahrh. die ganze Gestaltung der Staatsverfassungen umzuwandeln begann, entstanden manche neue Auflagen, von denen im 13. Jahrh. freilich nicht die Rede gewesen war; das Ansehen der Landesherrschaft stieg, während Ritterschaft und Geistlichkeit erschlafften: es fehlte die Opposition und die Landesherrn erlaubten sich manches, was früher mit Gewalt abgewehrt
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worden wäre. In Beziehung auf die Comthurei Nemerow machten die Fürsten vorzüglich ihr landesherrliches Recht zur Grundlage neuer Forderungen. Die alten Urkunden wurden am Ende des Mittelalters nicht recht mehr benutzt, und dazu lagen die Urkunden der Comthureien wohl eingepackt in dem Ordens=Archive beim Heermeister; gewiß ist, daß die Fürsten über die Vorrechte der Comthurei nicht durch schriftliche Zeugnisse belehrt waren: und so erlaubten sie es sich wohl, von den Comthureigütern Leistungen zu fordern, die damals unmittelbar mit der Landeshoheit in Verbindung standen, und die auch von den befreieten Klöstern gethan wurden. Dahin gehörten die beschwerlichen Ablager für die Reisen der Fürsten und ihres Gefolges, die Naturallieferungen bei den fürstlichen Jagden; Roßdienst und Landfolge begehrten die Fürsten, weil die Comthure Ritter waren; - und da die Comthure immer nachgaben, so zahlten sie endlich auch Beden von ihren Gütern, die allerdings bedefrei waren. Dies hatten die Comthure selbst versehen. Da ihre kirchliche Kraft aber erschlaffte und die Herzoge es als ein Recht begehrten, daß die Comthure als Räthe bei den Herzogen in unentgeltlichen Dienst träten, so mag ihnen der Widerstand freilich wohl schwer geworden sein. Daher kam es denn auch, daß Achim Wagenschütte, der zugleich Comthur zu Mirow und Nemerow war und bei den Herzogen in Rathspflicht stand, am 5. Jan. 1474 die Bede aus seinem freien Dorfe Groß=Nemerow, des Betrages von 100 Mark Vinkenaugen, von dem Herzoge Heinrich für ein Darlehn zu Pfande nahm 1 )! Nach solchen Vorgängen mußten freilich die Herzoge glauben, daß sie ein unbezweifeltes Recht an allen landesüblichen Abgaben von den Comthureidörfern hätten und dazu ward die Auszeichnung der geistlichen Stiftungen durch den persönlichen Verkehr mit den Fürsten eine Last, die kaum zu tragen war, vorzüglich als die Feld= und Forstwirthschaft sank und der Ertrag der fetten Güter unglaublich geringe ward. Ja dies ging am Ende so weit, daß im Jahre 1619 der Comthur den Herzogen vorrechnete, er habe jährlich noch 211 fl. und etliche Schillinge zuzubezahlen!
Als nun die Last beschwerlich zu werden anfing und die Abgaben sich häuften, erhob der Orden, unter dem Heermeister Georg von Schlaberndorf, im Jahre 1493 Beschwerde und ließ endlich vor dem päpstlichen Stuhle seine Klagen erschallen. Die der Comthurei aufgebürdeten Lasten, welche aus den noch vor=
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handenen Registern 1 ) zu ermessen sind, waren wirklich nicht unbedeutend. Aber dennoch brachten die Herzoge es durch Sachwalter, wie Peter Wolkow und Zutpheldus Wardenberg, dahin, daß nach achtzehnjährigem Streit am 5. Julii 1514 der Orden mit seinen Ansprüchen abgewiesen und in die Kosten verurtheilt ward 2 ). Der tragische Untergang der Comthurei Kraak erregte neuen Streit 3 ). Bei dieser Gelegenheit kamen die Herzoge im Jahr 1534 mit ihren Ansichten zum ersten Male klar zum Vorschein, daß nämlich die Fürsten das alte Recht hätten, bei Erledigung einer Comthurei einen tüchtigen Mann vom eingebornen Adel zur Einweisung vorzuschlagen, damit sie ihn als Rath gebrauchen könnten; deshalb grade seien die Comthureien, deren Ordenspatrone im Lande sie seien, gestiftet, und es sei ein Mißbrauch, daß in neuern Zeiten fremde Personen eingeschwärzt würden, welche die Comthureien ausplünderten und die Leute schindeten; Steuern anzulegen, sei unbezweifeltes Recht der Landesfürsten 4 ). Diese Aeußerungen, welche fortan die Hauptgrundlage aller Verhandlungen wurden, zeigen klar die Gesinnungen der Fürsten, mit der Entwickelung der Reformation das weltliche Wohl der Unterthanen zu fördern und das im Verderben begriffene und übel angewandte Kirchengut zur Hebung ihrer Diener und Familienglieder für rein politische Zwecke, namentlich seit Entwickelung des Staatsgrundsatzes der Primogenitur, zu benutzen.
Die Reformation nahm in Meklenburg ihren ruhigen, aber festen Gang. Als endlich die "Abgötterei" in den bevorzügten Stiftern kein Ende nehmen wollte oder die geistlichen Herren die verarmten oder verödeten Stiftungen feige verließen, hob der kräftige und einsichtsvolle Herzog Johann Albrecht I. sie im Jahre 1552 zum größten Theile auf. Bei dieser Gelegenheit nahmen die Johanniter=Priorei Eixen 5 ) dem Wesen und die Comthurei Mirow 6 ) der Form nach ein Ende.
Von allen katholischen Stiftungen im Lande wehrte sich die Comthurei Nemerow am längsten gegen die weltliche Macht und giebt ein lebendiges Bild von dem Uebergange der ältern Verhältnisse zu einem neuen Zustande.
Im Jahre 1545 hatte der Herzog Albrecht den Joachim Queiss für den Todesfall des als fehdelustig und ränkevoll geschilderten Aschwin von Kramm zur Comthurei empfohlen,
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hatte jedoch mit seiner Bitte keine Erhörung bei dem Heermeister gefunden.
Die Comthurei war im Anfange des Jahres 1552 erledigt. Da starb der Herzog Heinrich von Meklenburg und sein ältester Neffe, Herzog Johann Albrecht, ergriff auf einige Zeit allein das Steuerruder der Regierung, mit dem festen Vorsatze, der "Abgötterei" überall ein Ende zu machen. Zu gleicher Zeit sah er klar ein, daß auch seine politische Existenz durch den Kaiser bedrohet sei. Kaum war er zur Regierung gelangt, als er mit seinem Bruder Georg im März des Jahres 1552 dem Kurfürsten Moritz zuzog und durch den siegreichen Feldzug in Tyrol dem darauf erfolgenden Vertrage von Passau den "wirksamsten Nachdruck" gab. Ehe er den Feldzug eröffnete, gab er (am 29. Febr.) seinem Canzler Johann von Lucka, der ihn auf der Heerfahrt begleiten sollte, die Johanniter=Priorei Eixen, hob die beiden wichtigsten Klöster, die Cistercienser Mönchs=Feldklöster Dargun (am 6. März) und Doberan (am 7. März) auf, und begann bald darauf den Heereszug, während dessen er nach Schwerin hin die allgemeine Kirchenvisitation vom Jahre 1552 anordnete 1 ). Kurz vor seinem Abzuge hob er, nach seinem Willen, am 14. März auch die Comthurei Nemerow auf, indem er sie mit kurzen Worten seinem Lehnmann Joachim von Holstein auf Ankershagen, der ihm als Hof= und Kriegsrath diente, auf drei Jahre einthat, ohne auch nur des Ordens zu erwähnen 2 ). Als der Herzog wieder heimgekehrt war, gerieth er bald mit seinem nächstfolgenden Bruder Ulrich in Streit wegen der Landestheilung; namentlich entspann sich ein besonderer Streit wegen der Comthureien, die sie nicht länger bestehen lassen wollten und factisch aufgehoben hatten. Beide Herzoge schickten Gesandte nach Nemerow, um Besitz zu ergreifen; H. Ulrich behauptete sich in demselben und H. Johann Albrecht stand ab, indem er sich mit Kraak und Eixen begnügte. Der H. Ulrich ließ nun ein Inventarium von der Comthurei aufnehmen und verlieh sie ebenfalls dem Joachim v. Holstein, der sich an die Herzoge hing, um die Superiorität des Ordens zu umgehen und die vom Herzoge Johann Albrecht durch die unbedingte Verleihung an ihn decretirte Säcularisirung ganz wahr zu machen. Da klagte der Heermeister gegen den Herzog beim Reichskammergericht. Nun ließ sich Holstein in den Orden einkleiden und bat, durch die Fürsprache des Kurfürsten
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von Brandenburg unterstützt, bei dem Heermeister um Verzeihung. Alles dies geschah, wie es scheint, ohne Vorwissen des Herzogs; durch diese Schritte wurden aber, vor der Ordensbehörde die Handlungen der Landesfürsten vereitelt. Um nicht viel Aufhebens von der Sache zu machen, war der Heermeister Thomas Runge, nachdem er im December 1552 "zehn Reuter" ohne Erfolg nach Mirow und Nemerow geschickt hatte, klug genug, dem J. v. Holstein am 17. April 1453 die Comthurei Nemerow und die Priorei Braunschweig zu verleihen und ihm die Anwartschaft auf die Priorei Goslar nach dem Ableben des Hans Rohr zu geben 1 ). Holstein that hierauf stets getreu seine Ordenspflicht, erlegte die jährlichen Responsgelder an den Heermeister und zog zum Ordens=Capital, so oft er gefordert ward. Der Herzog Ulrich, der den genauern Hergang nicht wußte, war mit der Verleihung der Comthurei an J. v. Holstein zufrieden und bestätigte am 3 Febr. 1555 den J. v. Holstein im Besitze von Nemerow 2 ), unter Reservirung der dem Fürsten gebührenden Gerechtigkeiten; Holstein war nun auch fürstlicher Rath und der Herzog erneuerte Ostern 1567 seine Bestallung zum Kriegs= und Hofrath zu Geschäften innerhalb und außerhalb Landes, wobei er ihm auch die Ablager von Nemerow abtrat. Aber es erlosch in der That mit der Verleihung an Holstein das Wesen der Comthurei, indem ihre geistliche Verfassung aufhörte, die Ordensregel wegfiel und der Bruder=Convent mangelte; die Comthurei ward weltlich 3 ) und eine Pfründe für einen fürstlichen Diener, so sehr sich auch Holstein dem Heermeister unterwarf und ihm selbst mit Rath diente 4 ).
Dieser Hergang ward für die Folge sehr wichtig. Die Herzoge behaupteten, sie hätten durch Annahme der Comthurei vor dem Vertrage von Passau (Julii 1552) dieselbe säcularisirt und durch den ruppinschen Machtspruch (vom 1. Aug. 1556) seien die säcularisirten Commenden unter ihnen getheilt. Factisch verhielt sich allerdings die Sache so: die Comthurei
und"Es sei keine Compterei rechthengig, da Mirou; die andern seien vorm passowischen vertrag eingenommen,
ausgenommen Myrow, die andern alle vorm passowischen Vertrag eingezogen worden, daran nunmehr niemandt keine Forderung oder "gerechtigkeit weiter hat."
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Nemerow war vor dem passauer Vertrage von den Herzogen vergeben, darauf auf Lebenszeit mit ihrem Rath besetzt, den sie wiederholt in Rathspflicht nahmen, und bei der Theilung der geistlichen Güter zwischen den Herzogen Johann Albrecht I. und Ulrich durch den unter Leitung des Kurfürsten von Brandenburg gefällten ruppinschen Machtspruch an den Herzog Ulrich von Meklenburg=Güstrow gefallen. Der Heermeister sah dagegen die Sache so an, daß er einen Comthur zu Nemerow habe, den er zur Erfüllung der Ordenspflicht anhielt.
Joachim v. Holstein, der ein ruhiges Regiment führte, starb im Julii 1572 mit Hinterlassung einer Wittwe. Der Herzog Ulrich war nach Dänemark gereiset und hatte die Regierung des Landes seinen heimgelassenen Räthen anvertraut. Sogleich ward den Amtleuten zu Stargard Befehl gegeben, die Comthurei einzunehmen 1 ), bis auf weitern Bescheid einen Vogt einzusetzen, jedoch fremde Habe und Holsteins Nachlaß zu schützen. Bald, am 9. August, erschienen auch Gesandte des Ordens, die beiden Ordens=Secretaire Joachim v. Hondorf und Valentin Paulin; sie gaben zuerst vor, daß sie Responsgelder holen wollten, als sie aber mit erheucheltem Erstaunen erfuhren, daß der Comthur gestorben sei, baten sie um Herberge, da sie nur sehen wollten, wie die Sache eingerichtet werde; auf ihr "freundliches und fleißiges Anhalten ward ihnen für eine kurze Zeit Herberge zu Nemerow gegönnt"; doch verschloß man ihnen das Haus. Sie begnügten sich zuerst mit allem, und als die Lebensmittel zu Nemerow beim Mangel einer Wirthschaft ausgingen, verschafften sie sich dieselben von Neu=Brandenburg, endlich aber erklärten sie, "sie würden nicht eher weichen, als bis sie von ihrem gnädigen Herrn dem Heermeister abgefordert oder mit lauter Gewalt davon geschlagen und verjaget würden; aber bevor sie wichen, wollten sie sich eher in Stücke zerreißen lassen." Jetzt gestattete der stargardische Amtmann, auf den Befehl des Herzogs Ulrich, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, ihnen nicht das geringste, nicht einmal weder Brot und Bier, noch Stroh und Hafer, und verhinderte sogar, daß sie sich für ihr Geld Lebensmittel aus der Stadt holen ließen, mit dem Hinzufügen, "das Haus Nemerow sei kein Wirthshaus". Der Herzog Ulrich wiederholte den strengen Befehl einer gänzlichen Absperrung, da er vermuthe, daß von seinem Bruder Herzog Johann Albrecht "allerhandt Practiken darunter versucht würden". Also wurden sie am 12. Sept. 1572 "nicht durch oder mit
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"Gewalt, sondern durch den Hunger und Durst wieder von dem Hofe gejagt." Sie zogen nach Gr. Nemerow zum Schulzen, um hier des Herzogs eigenen Bescheid abzuwarten, mit dem Vorsatze, nicht eher den Grund und Boden der Comthurei zu verlassen, bis sie nach ihrem Sinne befriedigt seien. Eigentlich aber erwarteten sie den neuen Comthur in wenig Tagen "mit 30 Pferden", um ihn mit Güte oder Gewalt an die Comthurei zu weisen. Der Ritter J. v. Hondorff erklärte auch, "wenn man sich etwa bedünken lasse, sie seien zu schwach, so werde er sich zum Heermeister (Grafen Martin von Hohenstein) begeben, der wohl 300 Pferde zusammenbringen werde", um die Einweisung des Comthurs durchzusetzen. - Man sollte dergleichen Vorgänge im Jahr 1572 kaum für möglich halten. Der Orden war damals aber in bedrängten Verhältnissen. In Meklenburg waren die Comthurei Kraak und die Priorei Eixen unrettbar verloren und den Comthureien Mirow und Nemerow drohete ein gleiches Schicksal, wie jenen Stiftungen. Schuld hieran war das Regiment der letzten Heermeister Thomas Runge und Franz von Nauman (1564-1569), von denen der letztere durch Schwäche und Unredlichkeit dem Orden vielen Schaden that. Auch mit Pommern waren über Form der Huldigung und Nomination Streitigkeiten entstanden, in Folge deren der Herzog Barnim alle Ordensgüter mit Beschlag belegte. Aus dieser Noth rettete den Orden der tüchtige Heermeister Graf Martin von Hohenstein, Herr zu Schwedt (9. Jan. 1569 - 5. Mai 1609), der im J. 1571 dem Orden auch die pommerschen Besitzungen wieder gewann. (Vgl. (v. Medem) Gesch. der Stadt Schwedt in Balt. Stud. IV, 2, S. 116 flgd.)
Während der Zeit war vom Orden alles aufgeboten, um wirksame Mittel für die Erhaltung der Comthurei aufzufinden. Den Ordens=Gesandten war auch der Aufenthalt zu Gr. Nemerow verboten. Da schritt der Kurfürst Johann Georg von Brandenburg am 14. Sept. 1572 bei dem Herzoge Ulrich ein, zeigte ihm an, auf seine Fürbitte habe der Heermeister seinem Hofmarschall Georg von Ribbeck vor zwei Jahren die Anwartschaft auf die Comthurei gegeben, und bat, diesen redlichen wohlverdienten Mann aufzunehmen; der Herzog Ulrich aber hatte Nachricht, daß J. v. Holstein die Comthurei, die er in den letzten Jahren ganz abgenutzt und verwüstet hatte, an G. v. Ribbeck verhandelt habe. Der Heermeister aber protestirte am 19. Sept. mit aller möglichen Feinheit und Höflichkeit gegen das Verfahren der Regierung und entschuldigte es mit der Abwesenheit des Herzogs, mit dem Bemerken, daß die Comthurei nicht dem Herzoge, sondern dem Orden gehöre.
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Der Herzog Ulrich - schickte dagegen den Rentmeister Gabriel Brüggemann zur Administrirung der Comthurei nach Nemerow; dieser rückte auch dort ein, beeidigte sämmtliche Bewohner der Comthurei auf den Herzog Ulrich und wies die Amtleute von Stargard an die Verwaltung. Auch der Herzog Johann Albrecht I., der schon im August die Hälfte der Comthurei hatte in Besitz nehmen lassen, wandte ein Auge auf die Comthurei für seinen Sohn Johann, "der nächstens in die Comthurei Mirow eingesetzt werden sollte"; ja es erschien sogar sein Hauptmann von der Osten aus Strelitz mit dem Ordens=Secretair vor den Amtleuten zu Stargard, mit der Anzeige, der Herzog Johann Albrecht habe ihm befohlen, die Ordensgesandten in die Comthurei einzuweisen: auch gegen diese Anmaßung erließ der Herzog Ulrich den Befehl, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Gegen alles dies repräsentirte der Heermeister bei dem Herzoge Ulrich und erinnerte, daß die Entscheidung des Reichskammergerichts über die gewaltsame Aneignung der Comthureien, namentlich der Comthurei Kraak, noch nicht erfolgt sei, mit dem Vorwurfe, die Herzöge hätten sich seit 1550 bemühet, sich die Comthureien Nemerow und Kraak "zuzuhandeln", was nicht nöthig gewesen wäre, wenn sie ein besseres Recht, als er daran gehabt hätten. - Durch Vermittelung des Kurfürsten ward am letzten Tage des J. 1572 ein Tag zur Verhandlung in Wismar angesetzt. Der Kurfürst schickte seine Räthe Dr. Andreas Zoch und Hans von Kötteritz, der Heermeister den Comthur Peter Runge von Werben und den neumärkischen Syndicus Johann Beier, der Herzog Johann Albrecht I. seinen Canzler Husan und seinen Rath Andreas Mylius und der Herzog Ulrich alle seine Räthe. Der Kurfürst ließ auf Restituirung der Comthurei dringen und gestand den Herzogen nichts weiter als Ablager und Folge zu. Die Herzoge behaupteten die Possession, weil die Comthurei vor dem Vertrage von Passau "aus beweglichen und erheblichen Ursachen" eingezogen, J. v. Holstein von den Herzogen nach einem Inventarium eingewiesen sei, nach der fürstbrüderlichen Theilung die Klöster und Comthureien zwischen den Herzogen gleich getheilt und durch den ruppinschen Machtspruch ihnen zugesichert seien, so daß Kraak an den H. Johann Albrecht und Nemerow an den H. Ulrich gekommen, welcher letztere den J. v. Holstein in Rathspflicht genommen habe. Der Herzog Ulrich kenne übrigens gar kein urkundliches Recht des Ordens auf die Comthurei. Des Ordens Gesandte protestirten gegen diese Behauptungen, und - die Gesandten reisten unverrichteter Sache wieder ab.
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In einer Sitzung, welche der Herzog Ulrich persönlich mit seinen sämmtlichen Räthen hielt, ward aber anerkannt, daß der Vertrag von Passau sich wohl nicht auf die Güter erstrecke, welche "weltlichen Standes Personen" gehört hätten; man rieth daher, die Intercession des Kurfürsten beim Orden in Anspruch zu nehmen, sich die Nomination eines Comthurs und dessen Beeidigung auf Rathspflicht, so wie die herkömmlichen Leistungen vorzubehalten und hierauf eine Erklärung an den Kurfürsten abzugeben. Diese gab denn auch der wohl meinende Herzog Ulrich am 16. Jan. 1573 dahin, "daß, da die Herzoge von Meklenburg von der Comthurei Nemerow Ablager, Jagden, Folge, freie Nomination des Comthurs und Verpflichtung desselben auf Rathsdienst, also eine quasi possessio der Comthurei hätten, er in Grundlage dieser Bedingungen seine Intercession annehmen wolle, jedoch bemerken müsse, daß die Holzungen und Gebäude der Comthurei sehr verwüstet seien, und er hoffe, daß der Heermeister den Vorschlag um so eher annehmen werde". - Die Wittwe Holsteins ließ sich zu einem billigen Vergleiche willig finden, da sie bei der schlechten Bewirthschaftung der Comthurei keine Aussicht hatte, viel zu erhalten, und noch viele Responsgelder rückständig waren. Der Heermeister ging nachgebend auf des Herzogs Vorschlag ein, so viel die Abgaben und Leistungen von der Comthurei betraf; aber die Nomination des Comthurs durch den Herzog erkannte er nicht an, "da er keinem Herrn und Fürsten im Reiche dergleichen Anmuthen bewilligen könne, jedoch werde er sich auf Fürbitten des Herzogs, wenn der Vorgeschlagene dem Orden sonst leidlich sei und nicht erhebliche Ursachen im Wege ständen, bei seinen Lebzeiten gerne willfährig finden lassen". Hierauf wolle er den Marschall Georg von Ribbeck einweisen lassen.
Jetzt entstand ein neuer Streit, der sich allein darum drehete, ob der Herzog oder der Heermeister die Comthure nominiren solle.
Der Kurfürst entschuldigte den Heermeister, daß dieser nicht in die Nomination durch die Herzoge willigen könne; er selbst maße sich in seinem Lande das Recht der Nomination nicht an, ungeachtet der Heermeister seine Residenz unter ihm habe; wenn auch der Heermeister aus Gutwilligkeit nachgebe, so werde er selbst, als des Ordens Schutzherr und Patron, es nicht gerne sehen. Er schlug nun vor, seinen zum Comthur erwählten Marschall zu nominiren; dann erhielten beide Partheien freilich ihr Recht. Der Herzog lehnte diesen Vorschlag mit dem Bemerken ab, auch der Kurfürst habe dem Orden nie "freie
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Wahl" gelassen; Holstein habe sich ohne sein Wissen dem Orden verwandt gemacht: wäre es bei seinen Lebezeiten bekannt geworden, es würde nicht Ungestraft hingegangen sein. Der Herzog Johann Albrecht gab seine Anrechte an Nemerow, welches dem Herzoge Carl hatte zuwenden wollen, auf; dies "kam dem Herzoge Ulrich fast befremdlich vor", und er erbat sich für den Fall, daß Nemerow bei dem Orden bleiben würde, von seinem Bruder die Hälfte der Comthurei Kraak.
Da schrieb der Kurfürst am 16. Julii 1573 sehr barsch an den Herzog Ulrich: "er sehe es in Wahrheit nicht gerne, daß man den ritterlichen Orden mit undienstlichen Vorwendungen hin halte und dessen Prälaten das Ihrige vorenthalte, was ja dem Herzoge zum eigenen Unglimpf und dem Kurfürsten selbst zum Nachtheil gereiche; mit der brüderlichen Theilung werde er sich hoffentlich nicht entschuldigen, da diese Niemand präjudicirlich sein könne". - Doch der Herzog Ulrich gab nicht nach, vielmehr zürnte er darüber, daß "die Comthurei verkauft worden sei"; jedoch wenn er mit seinen Nachkommen durch einen Revers seiner Rechte versichert werde, so wolle er denjenigen, den der Meister vorschlage, in die Comthurei einweisen, sofern er zum Rathe geschickt sei. - Hierauf schickte der Kurfürst am 10. Aug. 1573 seine Räthe Otto v. Arnim und Hans Bueck nach Güstrow; der Herzog wiederholte hier sein letztes Anerbieten und willigte diesmal in die Annahme des Marschalls G. v. Ribbeck, unter der Bedingung, daß ihm für den nächsten Fall die Nomination zustehen solle.
Hierauf schickte der Kurfürst am 22. Aug. seine Räthe, Dr. Andreas Zoch, Professor der Rechte zu Frankfurt, und Andreas Greifenberg, zur Verhandlung, und am 30. August reversirte sich der Heermeister, Graf Martin v. Hohenstein, nach dem Ableben des Comthurs G. v. Ribbeck die Comthurei Nemerow demjenigen zu verleihen, den der Herzog von Meklenburg ernennen und binnen sechs Monaten zur Aufnahme in den Orden nach Sonnenburg schicken werde, vorausgesetzt, daß er paßlich sei, jedoch ohne Präjudiz für den Orden, versprach auch dem Herzoge Jagd, Ablager, Roßdienst, Steuer und Landfolge 1 ).
Am 15. März 1574 erschienen zu Güstrow der brandenburgische Gesandte A. Zoch, der Comthur Martin v. Wedel von Wildenbruch, der Comthur Abraham v. Grüneberg von Lago, der Ordens=Canzler Balthasar Reimar und der kurfürstliche Marschall Georg v. Ribbeck. Man verglich sich hier dahin, daß der Herzog sich die Einweisung als ein Recht vorbehalte;
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Ribbeck leistete dem Herzoge den gewöhnlichen Eid und die Verabredung wegen des nächsten Nachfolgers ward angenommen. Am 1. April 1574 rückten des Heermeisters Gesandte mit dem neuen Comthur in Nemerow ein; es ward durch die Amtleute von Stargard, den Rentmeister Gabriel Brüggemann und einen Notarius über das Wenige, was von der langen Verwüstung übrig geblieben war, ein Inventarium aufgenommen, und der Comthur nach demselben eingewiesen; die Bauern wurden ihrer Pflicht gegen die Herzoge erlassen und dem Comthur vereidet.
So endigte der Streit, wie es - vorauszusehen gewesen war; jede Parthei erhielt der Form nach ihren Willen, jedoch in der That nicht ganz; und, was das Schlimmste war, für die Zukunft über den nächsten Fall hinaus war nichts festgesetzt. Die Hartnäckigkeit beider Partheien verlor die Hauptsache aus den Augen, in dem Bemühen, die Rechtsform für den Augenblick zu retten.
Während der letzten Jahre der Regierung Holsteins und während der Streitigkeiten war die Comthurei sehr verwüstet; der Orden machte an den Herzog Ansprüche auf die Restituirung der Abnutzung. Aber alle Verhandlungen und Gesandtschaften führten zu nichts.
Georg v. Ribbeck war reich und blieb in Berlin wohnhaft, ohne sich um die Verwaltung der Comthurei viel zu kümmern. Der Herzog Ulrich dachte daher ernstlich an die Vorbereitung zur nächsten Wiederbesetzung der Comthurei; er schickte also, auch in Folge der Bedingung des heermeisterlichen Reverses, seinen Rath Dr. Martin Bolfras mit seinem "Kammerdiener" 1 ), d. h. Kammerjunker Andreas Hünicke an den Heermeister nach Sonnenburg, um den letztern für den nächsten Successionsfall in den Orden einzukleiden. Der Heermeister verweigerte die Aufnahme Hünicke's in den Orden, weil erst die Comthure zu dieser Feierlichkeit verschrieben werden müßten, überhaupt aber die ganze Angelegenheit nicht in Ordnung, besonders die Abnutzung der Comthurei Nemerow zu restituiren sei. Endlich ward Hünicke aufgenommen:
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"nachdem indeß her Abraham Grüneberg Comptor zu Lagow ankommen, als hatte S. G. zu der einkleidunge den andern Tag frühe vmb fünf schläge in der Kirchen ernandt, weill S. G. anderer Geschäfte halben eiligk verreisen müssen. Da man nun den 10. Sept. frühe in die Kirche kommen, hat sich der Her meister 1 ) in seinem Ordenshabit uff einen grossen Stuhl gesetzt gegen dem Altar über, der Pastor aber ist vor dem Altar gestanden und hat angefangen das Veni sancte spiritus zu singen. Unter dem Singen da hat Andreas Hünecken neben Her Abraham von Grünenberg vor den Altar knien müssen. Da sich nun solcher gesang geendigt, da hat Er Abraham von Grünenberg Andream Hünecken vor den Herrn Meister geführet, da er vor S. G. niederknien müssen, hat ihn der Herr Meister gefraget, was er begehrte; er geantwortet, daß er begehrte, in den ritterlichen Orden genommen zu werden, darauf er ihn acceptatione manus angenommen und ist ihm darauf das juramentum vorgelesen, das er auch öffentlichen vor dem hohen Altar schweren müssen. Darnach hat man das Ritterkleidt hergebracht und ihm das angeleget, darmit er abermalen neben Her Abraham vor dem Altar gekniet und Gott für solche Dignität gedanket. Darauf der Herr Meister von seinem Stuhl aufgestanden, sich das gulden Schwert reichen lassen und hat so knieend vor dem Altar Andreas Hünecken dreimal darmit über die schultern geschlagen und ihn darmit neben der Einkleidung zu einem Ritter des ritterlichen S. Johannes Ordens geschlagen und darzu gesagt: Das leidet von mir wegen des ritterlichen Ordens zu einer Einkleidunge und Aufnehmunge und sonsten von Niemandes Und gebrauchet den ritterlichen Standt und Schwerdt zu Gottes Ehren, Vertheidigung seins göttlichen Worts und zu allen ritterlichen Sachen. Darauf er wieder aufgestanden und ist ihm zu solcher Dignität vom Hern Meister, Her Abraham von Grünenberg und allen umstehenden Glück und Heil gewünschet worden, ita extemplo ad convivium discessum, ubi novo commendatori supremus
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"locus in mensa datus et mecum prolixe satis acceptus est. Der Her Meister ist aber bald, wie er von der Einkleidung aus der Kirchen gegangen, ins Schiff gesessen und darvon gefahren und hat vices suas in prandio Her Abraham von Gronenberg befohlen, der es an nichts mangeln lassen."
Da G. v. Ribbeck sich um die Comthurei nicht kümmerte, so schlug ihm jetzt der Herzog vor, dem in den Orden aufgenommenen Andreas Hünecke, als seinem Successor, die Comthurei ganz oder gegen ein Miethgeld abzutreten. Obgleich Ribbeck noch nicht wieder in der Comthurei gewesen war, so lehnte er das Ansinnen doch ab.
Georg von Ribbeck starb im Jahr 1593 (vor Oct.). Der Heermeister berichtete am 8. Oct. an den Herzog Ulrich, daß er zwar seinen alten Kammerdiener Andreas Hünecken, zu Eickstädt erbgesessen, dem Fürsten zu Gefallen in den Orden aufgenommen und mit der Comthurei Nemerow providirt, diesem aber die Zeit bis zur Erledigung zu lange gedauert habe. Wirklich hatte Hünecke am 7. Jan. 1593 zu Berlin der Comthurei entsagt und Ludwig von der Gröben, des ältern Ludwig von der Gröben auf Cosseband (oder Cossebrad) Sohn, nach seiner Aufnahme in den Orden, die Anwartschaft auf die Comthurei erhalten. Da Hünecke jetzt gegen Erlegung einer gewissen Summe Geldes seinen Anrechten entsagen wollte, so bat der Heermeister den Herzog um die Einweisung des L. von der Gröben und bestimmte dazu sehr eilig den 22. Oct. 1593. Jetzt ging der Streit wieder an; der Herzog hatte durch die Einkleidung des A. Hünecke sein Recht erhalten, es aber durch dessen Resignation, die dieser freilich ohne des Herzogs Vorwissen nicht vornehmen durfte, zum Theil wieder verloren; es stand jetzt zur Frage, wer nominiren solle. Der Herzog Ulrich protestirte auch wirklich gegen diese Abtretung, von der er nichts wisse, da ihm die nächste Ernennung zustehe, und befahl den Amtleuten zu Stargard, die so eilig angesetzte Immission auf keine Weise zu gestatten. Diese fanden am 21. Oct. schon des Heermeisters Gesandte, den Ordens=Kanzler Dr. Balthasar Römer und den Secretair Joachim Niemann, mit dem Comthur L. von der Gröben zu Nemerow vor. Auf die Protestation der Beamten erklärten die Gesandten, sie wollten, da ihr Meister verreiset sei und daher des Herzogs Schreiben noch nicht erhalten habe, mit der Immission einstweilen einhalten. Die Gesandten blieben in Nemerow, bis dem Canzler Römer mündlich am 28. Oct. zu Güstrow erklärt ward: 1, die Abtretung von Hünecke an v. d. Gröben sei ohne Wissen des Herzogs
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geschehen, 2, müsse v. d. Gröben erst die Rathspflicht leisten, 3, sei die Einweisung ein fürstliches Hoheitsrecht. Hiergegen erklärte der Canzler, daß 1, er den Vertrag mit Hünecke vorzeigen, 2, v. d. Gröben sich zur Rathspflicht willig zeigen wolle, 3, er aber das fürstliche Immissionsrecht bestreiten müsse. Ja, der Heermeister nannte am 9. Nov. die Abnahme der Rathspflicht vor der Immission und die Immission selbst eine Neuerung. Dennoch ließ man alles zu, wenn nur die Form gerettet ward, um den Frieden zu erhalten. Hünecke erhielt 1500 Thaler Abfindung, und Ludwig von der Gröben, der kaum 22 Jahr alt war, leistete am 17. Nov. 1593 dem Herzoge die Rathspflicht 1 ) und reversirte sich am 24. Nov. gegen den Heermeister 2 ), nachdem er am 22. Nov. von den Amtleuten zu Stargard in die Comthurei, als eine Prälatur des Fürstenthums Meklenburg, eingewiesen war; der Ordens=Canzler protestirte zwar formell gegen diese Immission, nahm jedoch den Comthur in Ordenspflicht.
Während der Regierung des Comthurs L. von der Gröben, welche ziemlich matt gewesen zu sein scheint, entstand ein neuer Streit wegen des Ablagers. Der Comthur offerirte dafür nach Herkommen jährlich 40 fl., welche die Herzoge nicht annehmen wollten. Der Comthur appellirte deshalb an das Reichskammergericht. Manche andere Streitigkeiten, z. B. über die Leistung der Rathspflicht an einen Fürsten oder an beide Herzoge, über die Ablehnung geforderter Ehrendienste bei Hofe, udgl. blieben ohne bedeutende Folgen, da L. von der Gröben sehr kränklich und die Comthurei so verwüstet war, daß der Comthur am 26. Julii 1619 die Zahlung der Ablagergelder verweigerte, weil er zu der Comthurei noch - 211 fl. und etliche Schillinge zuzubezahlen habe 3 ).
Ludwig v. d. Gröben starb am 20. Aug. 1620 im 49sten Jahre seines Alters.
Im August des J. 1621 nominirten des "Kurfürsten Johann Georg des Aeltern Statthalter" des Heermeisterthums Sonnenburg den Grafen Heinrich Vollrath von Stolberg zum Comthur. Der Orden stand jetzt auch in der Mark schon unter dem unmittelbaren Einflusse des fürstlichen Hauses, seitdem (1609-1625) die Markgrafen Friederich, Ernst, Johann Georg und Joachim Sigismund hintereinander und
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darauf der Graf Adam v. Schwarzenberg, kurfürstlich=brandenburgischer "vornehmster Geheimer=Rath und Ober=Kammerherr" zu Heermeistern - erwählt wurden. Die neue Nomination des Comthurs von Nemerow war von Seiten des Nominirenden und des Nominirten wichtig genug, und der Vertrag mit dem Orden konnte so ausgelegt werden, daß dies Mal dem Orden das Nominationsrecht zustehe, da die Herzoge das letzte Mal nominirt hatten. Es geschah also diese Immission ohne irgend einen Widerspruch. Der Graf leistete am 20. Aug. 1621 zu Güstrow vor versammeltem Hofe den Rathseid. Am 22. Aug. erschien der Rath Dr. Johann Oberberg, vom Herzoge Adolph Friederich I., und der Canzler Dr. Johann Cothmann, vom Herzoge Johann Albrecht II. gesandt, da die Comthurei damals beiden Herzogen gehörte, zu Nemerow und immittirten mit den alten, herkömmlichen Reservationen und Protestationen den Ordens=Secretair Hieronymns Lindener, der dann den gegenwärtigen Grafen in Besitz setzte. Am 19. Oct. 1621 erließ der Herzog Johann Albrecht dem Grafen auf Lebenszeit das Ablager aus besondern Gnaden und der Graf reversirte sich, diese Erlassung als "ein besondere favor" zu betrachten.
Die Begebenheiten des dreißigjährigen Krieges äußerten ihre Wirkungen auch auf die Comthurei Nemerow. Kaum war Wallenstein im Jahre 1628 mit dem Herzogthume Meklenburg belehnt worden, als er auch von den Comthureien Mirow und Nemerow Besitz nahm. Die Veranlassungen der Besitznahme von Nemerow mochten verschiedener Art sein. Von Anfang an intendirte der Friedländer, im Geiste des bevorstehenden Restitutions=Edicts, alle geistlichen Stiftungen wieder zurückzufordern, welche nach dem Vertrage von Passau säcularisirt oder unter fürstliche Obhut gekommen waren, und zu diesen konnte man die Comthurei Nemerow rechnen, wenn man wollte. Dann betrachtete man die Johanniter=Commenden schon zu sehr als rein fürstliche Prälaturen und Lehne, und der Comthur Graf v. Stolberg hatte sich stets zu den Evangelischen gehalten. Gründe genug, um die Comthurei, die keinen Verfechter hatte, einzuziehen, obgleich der Comthur durch seinen Hauptmann Heinrich von Bissing dem neuen Herzoge bei der allgemeinen Huldigung auch hatte huldigen lassen. Noch ehe Wallenstein seinen Einzug in Güstrow hielt (27. Julii), erschien der herzogl. friedländisch=meklenburgische Regierungsrath Balthasar von Moltke (auf Toitenwinkel) mit dem Notarius Andreas Wedel zu Nemerow und nahm am 4. Julii 1628 "urplötzlich" von der Comthurei Besitz, weil sie "eine Pertinenz des Herzogthums Meklenburg" sei. Er hatte dabei laut bemerkt, der Herzog
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von Friedland habe gutes Recht zur Einziehung, weil der Kaiser dem Herzoge das ganze Land Meklenburg mit allen Stiftern und Klöstern, wozu auch die, Comthurei gehöre, geschenkt und der Graf sich zu bösen Anschlägen gegen die Kaiserliche Majestät habe gebrauchen lassen. Der Hauptmann und der Küchenmeister der Comthurei wurden augenblicklich und ohne Ablohnung ausgewiesen, die übrigen Beamten auf den neuen Herrn beeidigt und alle Unterthanen zum Eide genöthigt. Der Bürger Lampert Went ward wieder zum Küchenmeister bestellt. Der Graf v. Stolberg wandte sich mit ohnmächtigen Bitten an die Herzoge von Meklenburg, die auch "auf gleiche Weise und unerhörter Maaßen ihrer Fürstenthümer und Lande entsetzt" seien, und wiederholt mit vergeblichen Vorstellungen an den Herzog von Friedland, ohne von dessen Räthen Antwort zu erhalten. Wallenstein ließ sich die Verwaltung seiner neuen Domainen auf das genaueste angelegen sein; er schickte daher auch seine Räthe nach Nemerow, welche hier am 1. Dec. eine sehr genaue und scharfe Verwaltungs=Instruction bekannt machten. Eine Bitte des Comthurs an den Herzog Georg von Braunschweig um Intercession nützte natürlich auch nichts.
Das feindliche friedländische Regiment bestand nicht lange; doch standen sich im Verlaufe des dreißigjährigen Krieges die Unterthanen bei der Gewalt der Freunde wahrlich nicht besser. - Nach dem Abzuge der Wallensteiner nahmen sich die Beamten von Stargard der Comthurei an. Kaum hatte aber der König Gustav Adolph von Schweden in Deutschland festen Fuß gefaßt, als er am 7. Novbr. 1630 zu Stralsund die Comthurei - dem Obristen Melchior Wurmbrand schenkte 1 ), weil
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es königlich sei, Verdienste zu belohnen, und weil Wurmbrand seiner Comthurei von des Königs Feinden beraubt sei! Wurmbrand war freilich Johanniter=Ritter und auf die Comthurei Werben investirt worden; er hatte aber niemals den Anwartschaftsbrief (primarias preces) ausgelöset, noch beim Wechsel der Heermeister Confirmation nachgesucht: Wurmbrand hatte also so wenig Ansprüche auf den Besitz der Comthurei Nemerow, da der Comthur Graf v. Stolberg noch lebte, als der König von Schweden ein Recht, Güter in Meklenburg zu verschenken. Wurmbrand erschien erst am 2. April 1632 zu Nemerow, ließ den Bürgermeister D. Krauthof von Neubrandenburg kommen, zeigte diesem die Schenkungs=Acte des Königs von Schweden vor und forderte Gehorsam gegen dieselbe, d. h. die Ueberweisung der Comthurei, indem er meinte, der König habe durch seine siegreichen Waffen Meklenburg erobert, also nach Kriegsrecht Fug und Recht zur Verschenkung gehabt, um so mehr, da der König den Herzogen und den Ständen von Meklenburg wieder zu ihren Rechten verholfen habe. Auf erstatteten Bericht gaben die Herzoge eine abschlägige Antwort, hinzufügend, daß sie dem Obersten eine viel bessere Recompense gerne gönnten, diese Schenkung auch schnurstracks gegen die geschlossene Allianz gehe. Der Graf von Stolberg wandte sich an den Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg, der für ihn beim Könige Fürbitte that und dem Grafen das Vorschreiben zur persönlichen Einantwortung übermittelte. Auch an den Canzler Oxenstierna wandte sich der Graf. Da starb der König. Jetzt ward Wurmbrand noch halsstarriger und der Graf von Stolberg erklärte gegen die Herzoge, daß er sein Recht bis auf den letzten Blutstropfen vertheidigen werde. Erst am 15 Junii 1634 wurden auf Vermittelung des schwedischen Reichs=Canzlers beide Partheien zu Mainz dahin verglichen, daß der "Herr Melchior Wurmbrand, Freiherr zu Juleta, Ritter, der Königl. Majestät zu Schweden und des evangelischen Bundes bestallter Obrister, Commandant zu Donauwerth und Lauingen" auf geschehene Vertröstung dem Grafen von Stolberg die Comthurei wieder abtrat. Und doch machte im Jahr 1636 Wurmbrand wiederholte Ansprüche auf die Comthurei! Doch es kam noch schlimmer. Schon im Jahr 1635 hatte der Oberst
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Forbes die Comthurei geplündert; darauf hatte der Oberst Douglas sie gebrandschatzt, der Oberst Plato alles Vieh ohne Ausnahme wegtreiben lassen, und endlich nahmen die Einquartirungen und Requisitionen kein Ende. Als aber des General=Majors Pfuel 3 Compagnien Reuter von Wrangels Heer die Comthurei gänzlich erschöpft hatten und mit Forderungen nicht abließen, da flehte der Amtsschreiber Ulrich Preuss den Herzog Adolph Friederich am 30. Junii 1637 "um Gottes Barmherzigkeit willen" um Beistand an. Und der Herzog konnte nichts weiter antworten: "können aber bei uns nicht absehen, wodurch solch Uebel noch zur Zeit abzuwenden, zumal Wir für Augen selbst ansehen müssen, daß Unsere und Unsers jungen Vettern und Pflegesohns Aemter und Unterthanen ebenergestalt auf den äußersten Grad erschöpft und zu Grunde gerichtet werden", - mit dem Hinzufügen, wenn er Mittel an die Hand zu geben wisse, wodurch der Comthurei geholfen werden könne, der Herzog sich gerne gnädig erzeigen wolle.
Als der Graf v. Stolberg am 4. Oct. 1641 zu Frankfurt a. M. gestorben war, empfahl zwar der Herzog Adolph Friederich den güstrowschen Räthen am 5. Nov. eine angemessene Verwaltung der Comthurei während der Sedisvacanz zu Sonnenburg und Nemerow; in der That aber kehrte sich über Jahr und Tag niemand an die Comthurei, sondern sie lag "gleichsam pro derelicto". Da nahm sich endlich im Jahre 1643 der Herzog Adolph Friederich I., in Vormundschaft für seinen Vetter und Pflegesohn, den jungen Herzog Gustav Adolph von Güstrow, der Comthurei an, damit sie nicht ganz zu Grunde gehe, und setzte einen Küchenmeister, Sigismund August Gildemeister, ein, die Pfründe zu administriren, damit die "noch hin und wieder steckenden wenigen Unterthanen nicht gar wegkämen, sondern wieder herbeigebracht und beibehalten würden", auch die Comthurei dem "Orden conservirt würde". In dieser Zeit 1 ) war auch vom Fürsten ein Prediger nach Gr. Nemerow berufen, obgleich dem Orden das Patronatrecht zustand. - Dennoch fanden sich mehrere Liebbaber zu der Comthurei: der Herzog Adolph Friederich hatte schon um die Exspectanz auf Mirow für seine Söhne in der Altersfolge und um Nemerow für seinen Neffen Gustav Adolph gebeten; jetzt aber bewarb er sich besonders für seinen zweiten Sohn Carl (damals 14 Jahre alt) um Nemerow, und der Ober=Commandant, Oberst Conrad von Burgstorff zu Berlin, der beim Kurfürsten in
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großem Ansehn stand, auch bei dem Herzoge Adolph Friederich viel galt, hatte auch Empfehlungen darauf. Der Oberst Henning von Gristow hatte jedoch schon bei Lebezeiten des Grafen von Stolberg Anwartschaft auf die Comthurei erhalten und war vom Orden zum Comthur von Nemerow erwählt worden. Der Grund der Verzögerung der Wiederbesetzung der Comthurei lag aber darin, daß damals im Heermeisterthum Sedisvacanz war. Endlich nahm sich der Senior des Johanniter=Ordens, Georg von Winterfeld auf Neuhaus, Comthur und Landvogt zu Schievelbein, der Sache an und reiste mit einem Empfehlungsschreiben des Kurfürsten Friederich Wilhelm vom 22. Nov. 1644 zum Herzoge Adolph Friederich. Der Kurfürst und der Ordens=Senior stellten, wie es auch in der That war, die Ansprüche der beiden Mitbewerber als ziemlich grundlos dar und baten um die Einweisung des Obersten Gristow. Der Herzog gab unter der Voraussetzung, daß nach seinem Tode der Orden seinem Sohne die Comthurei Mirow verleihen werde, leicht nach und ließ dem Obersten am 3. Dec. 1644 durch den güstrowschen Canzler Johann Cothmann die gewöhnliche Rathspflicht zu Doberan abnehmen. Am 9. Dec. 1644 trafen von Seiten des Herzogs der Canzler Johann Cothmann und der Geheime=Kammer= und Lehns=Secretair Simon Gabriel zur Nedden, von Seiten des Ordens der Senior und Comthur Georg von Winterfeld und der Oberst Henning von Gristow zu Nemerow ein, um die Ueberweisung der Comthurei an Gristow auf die gewöhnliche Weise zu bewerkstelligen. Der Küchenmeister Gildemeister blieb aus der Comthurei. Aber der neue Comthur Gristow erfreuete sich des Glücks nicht lange; er starb vor dem Monat April 1646, und nun begann wieder eine Sedisvacanz, die von Streitigkeiten mit dem Ordens=Senior v. Winterfeld ausgefüllt ward. Der Herzog bewarb sich jetzt sehr eifrig um die Comthurei Mirow für seinen Sohn Carl und um Nemerow für seinen minderjährigen Neffen Gustav Adolph von Güstrow, für die sich auch die Königin Christine von Schweden beim Kurfürsten Friederich Wilhelm verwandte. Der schwedische Feldmarschall Torstensohn hatte jedoch nach Gristow's Tode die Comthurei Nemerow wieder occupirt und dort den Obersten Müller eingesetzt. Jetzt war die Ordensregierung geneigt, die Comthurei dem güstrowschen Prinzen einzuthun, wenn sich der Herzog Adolph Friederich zur Leistung der Ordenspflichten reversiren wolle. Bald aber ward allem Streit ein Ende und alle Bemühung überflüssig gemacht, indem durch den zwölften Artikel des westphälischen Friedens von 1648 "zu mehrer
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Begnüg= und Erstatung aber des Hauses Mecklenburg sollen demselben die Commentureyen des ordens St. Johannis Hierosolymitani, Mirow und Nemerow, so in selbigem Herzogthum liegen, vermöge der Verordnung, so im V. Art. §. 9. exprimiret, zu ewigen Tagen, biß der Zwiespalt wegen der Religion im H. Römischen Reich beygelegt, abgetreten werden, und zwar der Schwerinschen linie Mirow, der Güstrowschen linie aber Nemerow, mit diesem beding, daß Sie besagten ordens bewilligung selbst zu Wege bringen, und demselben, wie auch dem Herrn Churfürsten zu Brandenburg, als dessen Patron, so oft sich der Fall begeben wird, was bißher geleistet worden, auch forthin leisten." Meklenburg mußte an Schweden die Stadt Wismar, die Insel Pöl und das Amt Neukloster abtreten, so schwer dies große Opfer auch dem Herzoge ward; es erhielt dafür, freilich in der Form Rechtens, was es schon besaß: die Bisthümer Schwerin und Ratzeburg und dazu die Comthureien Mirow und Nemerow. Die Bedingung, unter welcher die Comthureien abgelassen wurden, war, daß das Haus Meklenburg dem Orden und dem Kurfürstenthum Brandenburg die hergebrachte Pflicht leiste. Das Kurfürstenthum hatte weniger Rechte an den Comthureien, als vielmehr Pflichten gegen dieselben; denn der Kurfürst war nur Patron des Heermeisterthums, und daß das kurfürstliche Haus seine Glieder oder höchsten Diener längere Zeit hindurch zum Heermeisterthum verholfen und dadurch dieses indirect säcularisirt hatte, konnte das Kurfürstenthum nicht veranlassen, Rechte geltend zu machen. Der Kurfürst hatte jedoch in den Friedensverhandlungen wirklich der Säcularisirung der Comthureien widersprochen, bis er den Entschädigungsforderungen der Krone Schweden und der Verwendung sämmtlicher Reichsstände weichen mußte. Das Heermeisterthum hatte aber Rechte an den Comthureien: das Eigenthum, die Ernennung der Comthure und die Forderung der jährlichen Responsgelder. Das Eigenthum und die Comthurwahl gingen dem Heermeisterthume durch den Friedensschluß verloren; Meklenburg sollte die Einwilligung des Ordens in die Abtretung verschaffen: daß dieser die Einwilligung nicht geben würde, war vorauszusehen. Aber Meklenburg war durch den Friedensschluß zur Leistung der herkömmlichen Pflicht verbunden (ut ordini, quotiescunque casus evenerit, hactenus praestari solita porro quoque praestare teneantur). Wort und Sinn des osnabrücker Friedens bestimmten die Säcularisirung der Comthureien, reservirten jedoch dem Orden die Responsgelder und die Einwilligung. Die Verweigerung der Einwilligung von Seiten des Ordens konnte den Anfall der Comthureien an
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das herzogliche Haus Meklenburg nach bestehenden Verhältnissen nicht hemmen. Die Zahlung der Responsgelder war aber eine nicht minder ungeschickte Bedingung, als die Forderung zur Herbeischaffung der Einwilligung des Ordens. Aber die Entrichtung der Responsgelder war einmal bestimmt.
Der Orden gab seine Einwilligung nicht, sondern setzte in der Form das frühere Verhältniß zu Meklenburg fort. Schon im April 1649 forderten Senior und Comthure des Heermeisterthums, bei dessen dauernder Sedisvacanz, nicht nur die seit 1622 rückständigen, sondern auch die laufenden Responsgelder, und droheten, auf Anforderung und Eingebung des Ordens=Receptors in Oberdeutschland, Wilhelm Herrmann von Metternichs, des Ordens=Groß=Balley zu Malta und des Meisterthums in Deutschland Statthalters, mit dem Kaiser und mit dem Könige von Frankreich, als General=Protector des ganzen Ordens; auch der Kurfürst Friederich Wilhelm und der Landgraf, nachherige Cardinal Friederich von Hessen, der im Jahre 1649 deutscher Meister geworden war, forderten an. Mirow restirte im Jahre 1650 29jährige Responsgelder mit 2900 rh. GG., Nemerow 26jährige mit 780 rh. GG. Der Herzog Adolph Friederich forderte dagegen vom Orden die Einwilligung zur Abtretung der Comthureien und versicherte, er habe die Zahlung der Responsgelder nie verweigert. Als nun im J. 1652 der Prinz Johann Moritz von Nassau=Liegen († 1679), des großen Kurfürsten Geheimer=Rath und Statthalter in Cleve, Minden, Mark und Ravensberg, Heermeister geworden war, forderte dieser die fälligen Responsgelder sogar mit dem Hinzufügen, daß "vermöge Vergleichs der Herzog die Comthureien auf Lebenszeit zu genießen habe"! Ja, dieser Heermeister ward immer kühner; nachdem der Herzog Adolph Friederich im J. 1658 gestorben war, forderte er, den westphälischen Frieden ignorirend, von dem Herzoge Christian I. Louis die Restituirung der Comthureien, indem er sich auf die frühern Verträge berief, nach welchen die Prälaturen nach dem Ableben des Herzogs an das Heermeisterthum zurückfallen sollten. Auf einem General=Capitel des Heermeisterthums zu Cölln an der Spree am 7. April 1662 forderte der Orden in einem vom Heermeister und allen Comthuren und Capitularen unterzeichneten Schreiben die Restituirung der Commende Mirow und die Zahlung der rückständigen Responsgelder. Zu gleicher Zeit begehrte auch der Kurfürst die Restituirung, da das Haus Meklenburg sich bei mangelndem Consense des Ordens durch den westphälischen Friedensschluß in dem Besitze der Comthureien nicht zu schützen vermöge. Diese Forderungen wiederholten sich bis zum J. 1671,
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ja noch weiter, ohne daß der Orden Consens gab und der Herzog Respons entrichtete. Erst nach dem Tode des Kurfürsten Friederich Wilhelm und des Herzogs Christian Louis versprach der Kurfürst Friederich dem Herzoge Friederich Wilhelm am 12/22. Julii 1693, das Haus Meklenburg "von des Johanniter=Ordens Compterey=praetension in Ansehung des meklenburgischen, mit Cedirung der Stadt und Seehafens Wißmar, Pöl, Neu=Closter und Walfisch und vor alß auch nach dem Westphälischen und Nimwegischen Friedens=Schluß erlittenen großen Verlusts und Kriegs=Schadens liberiren und befreien zu helfen", für sich aber wolle er "diejenigen praestanda remittiren," welche er "als patronus ordinis schon jetzt oder noch künfftig von dem fürstlichen Hause Meklenburg fordern könnte". Durch den hamburger Vergleich von 1701 kamen die beiden Comthureien an die Linie Meklenburg=Strelitz. Seitdem schwieg der Orden; die neueren Vorgänge haben ihm den Mund gänzlich geschlossen.
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Comthure von Nemerow.
1298-1318 | Ulrich Schwabe. |
1322 | Georg von Kerkow. |
1341 | Hermann von Warberg. |
1351-1355 | Graf Adolph von Schwalenberg. |
1358 | (Graf) Ulrich von Regenstein. |
(1358-1365) | Albert von Warberg. |
1366 | Nicolaus von Lankow. |
1376 | Heinrich vom Kruge. |
1392 | Gödeke von Bülow. |
1404 | Partze. (Pentze?) |
1465-1466 | Engelke von Warburg. |
1474 | Joachim Wagenschütte. |
1480-1488 | Heinrich Buste. |
(Bernhard) Rohr. | |
1506-1515 | Otto Sack. |
1523-1546 | Aschwin von Kramm. |
1552-1572 | Joachim von Holstein. |
1572-1573 | Sedisvacanz. |
1574-1593 | Georg von Ribbek. |
1593-1620 | Ludwig von der Gröben |
1621-1641 | Graf Heinrich Volrath von Stolberg. |
1641-1644 | Sedisvacanz. |
1644-1645 | Henning von Gristow. |
1645-1648 | Sedisvacanz. |
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Erläuterungen
zu der Reihe der Comthure von Nemerow.
Der Stifter der Comthurei Nemerow, Ulrich Schwabe, kommt seit 1298 in den Urkunden der Comthurei Nemerow öfter vor. Zuletzt erscheint er Ostern 1315 zu Worthingborg als frater Olricus dictus Swawe commondator hosp. S. Johannis Jerosol. de Nemerow (Original=Urkunde im schweriner Archive) und 1318 als cummendur bruder Ulrich der Swawe tů Gardow unde tů Nemerow in Urk. bei Beckmann Joh. Orden S. 202 und in Höfer Deutschen Urk. S. 125. - Darauf kommt am 24. Mai 1322 der Comthur Georg von Kerkow in einer nemerowschen Urkunde vor. - Im Jahre 1341 war "Hermannus de Werberge commendator domorum Werben et Nemerowe, locum tenens reuerendi domini fratris Bertoldi de Henneberg, generalis praeceptoris Alemanie per Saxoniam, Marchiam, Slaviam, ordinis sancti Johannis", nach Riedels Diplomat. Beitr. zur Gesch. der Mark=Brandenb. I, S. 145. Dieser ist mehr als wahrscheinlich derselbe, welcher nach der nemerowschen Urkunde Nr. XIII. im Jahre 1347 Heermeister war und am 29. Sept. 1347 als solcher Nemerow besuchte und hier das Kloster Wanzka in die Fraternität des Ordens aufnahm. Vgl. Jahrb. II, S. 263. Der Name ist hier sicher Werberg, nicht Warburg. - Wahrscheinlich sein Nachfolger war der Graf Adolph von Swalenberg. Daß dieser Comthur ein Graf von Swalenberg war, geht aus einer Original=Urkunde des Klosters Wanzka im schweriner Archive vom ersten Sonntage des Advents 1353 hervor, in welcher die Zeugenreihe also beginnt: "greue Adolf van Swalenberghe eyn kummeldůr thů Nemerow, greue Otto van Vorstenberghe, her Herman Warborch" u. s. w. Die Urkunde stellt aus: "her Albrecht Warborch ridder vnde hoverichter des eddelen vortsten Johannes hertoghen thu Mekelnborch." Zuerst kommt er vor als Zeuge in einer mirowschen Urkunde vom 18. Dec. 1351: "broder Adolphus von Swalenberch cůmmendůr to Nemerowe", vgl. Jahrb. II, S. 263, und zuletzt erscheint er am 19. Aug. 1355 in einer nemerowschen
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Urkunde Nr. XIV., auch in einer Urkunde des
Klosters Wanzka aus demselben Jahre:
"dominus Adolphus commendator in
Nemerow". - Am 25. Jan. 1358 war nach der
Urk. Nr. XVI. "broder Olrik van Regensten
cummendur to Nemerowe"; wahrscheinlich
stammte dieser aus der gräflichen Familie, da er
in der Zeugenreihe dem Grafen von Fürstenberg
jüngern Geschlechts vorgeht. - Nach Latomus vom
meklenb. Adelstande soll in den Jahren 1358 und
1365 Albrecht von Warberg, ein Bruder des
obenerwähnten Heermeisters Hermann von Warberg,
Comthur zu Nemerow gewesen sein; Latomus sagt
nämlich: "Herrmann Warburg ist ein gemeiner
Beter in Sachsen
. und sein Bruder Albrecht Comthur
zu Nemerow worden ao. 1358 und 1365;" vgl.
Schröder P. M. I, 1379. Latomus, der allerdings
viel aus Quellen schöpfte, verwechselt hier aber
ohne Zweifel die Warburg mit den Warberg. Das
stargardische Geschlecht der Warburg blühete zu
der Zeit, und Albert Warborch kommt als Ritter
sehr häufig vor, aber nie als Ordensbruder oder
Comthur, es könnte denn sein, daß der Hofrichter
des Herzogs Johann in den Orden getreten wäre.
Aber die Verwechselung
1
) beruht gewiß darauf, daß neben dem
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Albert Warburg auch ein Hermann Warburg vorkommt, grade wie bei den Warbergen. Dagegen ist es nicht unwahrscheinlich, daß des ehemaligen Comthurs von Nemerow und Statthalters des Heermeisters und des nachmaligen Heermeisters Bruder wieder Comthur zu Nemerow geworden sei. - Dieser Comthur Albert von Warberg wird derselbe sein, der nach der Urk. Nr. XVII. am 9. Nov. 1376 Comthur zu Supplenburg war. Im 14. Jahrhundert kommt nach den deutlichen Original=Urkunden kein Warburg als Comthur vor. Ebenfalls nach Latonus war im Jahre 1366 Claus von Lankow aus einem stargardischen Geschlechte Comthur. - Nach der nemerowschen Urk. Nr. XVII. war Heinrich vom Kruge am 9. Nov. 1376 Comthur. - Im Jahre 1392 war Götke von Bulow Comthur, nach Hacke Gesch. der Stadt Neubrandenburg S. 53. - Im Jahre 1404 war "Partze compter zu Nemerow" nach v. Westphalen Spec. p. 186, Klüver II, 651, und v. Behr Rer. mecl., L. III. p. 437; Pistorius im Geschlechte der v. Warburg macht Penze daraus. Ein Achim Pentze kommt in der ersten Hälfte des 15. Jahrh. im Lande Stargard öfter vor. - Im 15. Jahrhundert werden die Comthure selten genannt. Im Jahre 1466 war ein Engelke Warburg (nicht Marburg) Comthur zu Nemerow, nach Schröder Pap. Mekl. S. 2180. Diese Nachricht hat Schröder aus Latomus. Unwahrscheinlich ist dies nicht; in den Jahren 1421 und 1429 war nach Original=Urkunden im schweriner Archive in Engelke von Warburg Comthur von Mirow; die Namen Hermann, Albert und Engelke waren in der Familie Warburg vorherrschend. - Im Jahre 1474 war der Comthur Joachim Wagenschütte (vgl. Jahrb. II, S. 84.) von Mirow zugleich Comthur von Nemerow nach der Urk. Nr. XIX. Nach der Urk. Nr. XX. war im Jahre 1480 Heinrich Bust Comthur. Im J. 1506, am Sonnt. nach Vis. Mar., trat Otto Sack, "comptor to Nemerow", nach einer Original=Urkunde, in Neu=Brandenburg als Bürge für den Herzog ein. Auf ihn folgte oder ihm ging vorauf ein Comthur Rohr; wenigstens geht aus der Beschwerdeführung vom J. 1529, beim Dorfe Wokuhl, hervor, daß nicht lange vor dem J. 1529 ein Comthur dieses Namens in Nemerow existirte; vielleicht ist dies Claus Bernhard Rohr, Dr. des kanonischen Rechts, der im J. 1490 auch Comthur zu Wildenbruch war, wie Latomus nach Cramer chron.
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eccl. berichtet. - In der Zeit von 1523 - 1546 stand Asche oder Aschwin von Cramm(e), der drei Lilien im Siegel führt, nach Actenstücken, der Comthurei vor. Nach der Beschwerdeführung vom J. 1529, Beil. Nr. 3, beim Dorfe Gnewitz, war er damals gewiß 6 Jahre Comthur, und am 1. Aug. 1523 unterschrieb er die Union; denn der "Asche Kammerwetter", wie in dem Abdrucke steht, kann kein anderer als "Asche Kramme comter" sein. Es ist die Frage, welcher Aschwin von Cramm Comthur von Nemerow gewesen sei. Bekannt ist der Kriegs=Oberst Aschwin von Cramm 1 ), einer der gewaltigsten Kriegshelden seiner Zeit. Er stammte aus der alten, mit Gütern und Würden begabten, braunschweigischen Familie von Cramm (zu Cramme bei Wolfenbüttel) und war um das J. 1480 geboren. In der Pfingstwoche 1510 sandte "Aske von Kram" der Stadt Goslar einen Fehdebrief 2 ). Schon früh dem Kriegsdienste ergeben, führte er dem Könige Franz I. 6000 deutsche Söldner zu und half mit diesen am 14. Sept. 1415 die Schlacht bei Marignano entscheiden. Heimgekehrt führte er in der Schlacht auf der Soltauer Haide am 29. Junii 1519 die Reiterei zum Siege 3 ) und im J. 1523 zog er mit dem Herzoge Friederich von Holstein zur Eroberung der dänischen Krone nach Kopenhagen. Von 1524 - 1528 lebte Aschwin am sächsischen Hofe. Als er im J. 1528 mit dem Herzoge Heinrich d. J. von Wolfenbüttel dem Kaiser Carl V. eine Schaar nach Italien zuführte, floh das Heer vor der Seuche auseinander; auch Aschwin floh, von dem Pesthauche berührt, und erlag in Chur im J. 1528, an demselben Tage, als er erfuhr, daß seine Frau, Margarethe von Brandenstein, im Kindbette gestorben sei. Er hinterließ 2 Söhne, Heinrich und Aschwin, von denen Heinrich im jugendlichen Alter zu Padua 1545 starb. Aschwin d. J. diente unter dem Kurfürsten Moritz von Sachsen. Dieser hinterließ einen Sohn gleiches Namens, welcher im, J. 1578 die Aschwinsche Linie der Cramm beschloß.
Nach diesen Begebenheiten kann von 1528-1546 nur der jüngere Aschwin (IV.) von Cramm, des Kriegs=Obersten Sohn, Comthur von Nemerow gewesen sein, und es wäre nur möglich, daß der Vater von 1523-1528 sein Vorgänger gewesen sei, was jedoch nicht wahrscheinlich ist. Die Unterschriften seiner Briefe sind fast alle verschieden, so daß man
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glauben muß, er habe sie mit der Unterschrift immer von Schreibern ausstellen lassen. Auch war der Comthur Aschwin gewöhnlich im Lande.
Es kann auch des ältern Aschwin Bruder, der ebenfalls Aschwin hieß, Comthur zu Nemerow gewesen sein. Auf dem Turnier zu Lüneburg 1518 kommen beide wiederholt vor, einmal auch zusammen: "Asch von Kram Ritter vnd Asch von Kram gebruder gerent, beid gern gfallen;" wenn sie einzeln vorkommen, heißen sie: "Asch von Kram Ritter" und "Asch von Kram der jünger."
Der Name seines Nachfolgers, Asche von Holl, läßt sich nicht ganz bestimmt verbürgen: wahrscheinlich soll dies schon Achim oder Joachim von Holstein sein.
Die Comthure von 1552 bis 1648 sind actenkundig und finden ihre Geschichte oben in der Erzählung.
Das Siegel der Comthurei (Vgl. Urk. Nr. XIII.) ist elliptisch und klein, 1 1/2'' lang: im leeren Siegelfelde steht St. Johannes der Täufer und neben ihm das Lamm; Umschrift:
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Beilagen
zur
Geschichte der Comthurei Nemerow.
Nr. 1.
Nachuorzeigente
vnplicht
wird Sanct Johans huse im
eigenthumb
zu Nemerow
uffgelegt vnd genommen.
(Ungefähr vom J. 1500).
Im dorpe Groten Nemerow.
I
c
marck vinckenougen penning.
II
vette kw islich.
IIII schape.
II w.
Rocken.
II w. Habern.
XI gense.
XXIIII honer.
Item den vogten, so offte sy kamen, vthrichtung to thunde.
Item ock muten de armen lude dienen gegen Strelitz,
wen in geboden wird, vnd welcher nicht kumpt, wird up dat alleruterste gepandet.
Item den jhegern, so offt sy komen, uthrichtung to thun.
IIII schapel habern muten sie ock geben von ieder houen, wen
en dat geboden wird.
Item ock muten sie geben vette offen, wenn en dat geboden wirdt.
Im dorpe Wucule.
I w. habern.
w. rocken.
XVI marc
vinckenougen penning.
II schape.
II
lemmer.
I veth rinth.
I virtel puttern
mus de schulte geben.
Im dorpe Gudendorpe.
I w. habern.
w. rocken.
I veth Rinth.
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II schape.
II lemmer.
I schog
eier.
IX marc vinckenougen penning.
I
virtel puttern mus de schulte geben.
Im dorpe Dabelow.
XIII
marc vinckenougen penning.
I
vetten ossen.
IIII schape.
I w.
habern.
I w. Rocken.
I hun
iederman.
I schog eier.
I virtel puter
mus de schulte geben.
Im dorpe Gnewise.
XIII
marc vinckenougen penning.
I
veth rinth.
II schape.
II w. habern.
w. rocken.
I schog
eier.
I hun iederman.
I virtel puter
mus de schulte geben.
Im dorpe Rouen.
L marc vinckenougen penning.
XVIII marc de
se ock muten geben.
I vat biern.
XV
schape.
X gense.
XI huner.
Item wen die fursten gegen stargard oder strelitz
kamen, muten de lude geben, so uil eier von in
gefordert werden.
1 vette kw.
Im dorpe Stouen
mussen die armenlude ock geben de bede, de sy vor
ny gegeben hebben,
(von einer andern Hand,
wahrscheinlich eines fürstlichen Dieners,
ist hinzugefügt:
In den vorgescreuen dorppe hebben myne g. h. dat affleger mit den Jegern hatt vnd by myner g. h. vaders tiden ouer XC jaren vnd noch darinne hebben.)
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Nr. 2
Gnedigenn furstenn
vnnd Hernn.
Onangesehenn des
Ordenns Irer Dorffer vnnd gutter
freiheit, begnadungk vnnd Eigenthumb
sein
folgende beswerungk
vff
die gutter kommen.
(Am 4. Jan. 1515 von dem Heermeisterthume Sonnenburg eingereicht.)
Inn der Comptorey Nemerow.
Inn denn Dorffernn Grossen Nemerow, Roue, Dabelow, Gudenndorff, Gnewiczt vnnd Wokule mussenn die Armenleutt dienenn so offt als man inenn zwsagtt, gemeiniglich alle wochenn vier tage kommenn. E. f. g. abnehmenn, ob es gleich sey, vnd was ein Comptor von inenn magk haben, vnd ob sie es die Lennge ertragenn konnenn.
Darzw mussen sie gebenn die ketzter bethe, Ist
eins mals auffbracht im Nahmen wieder die
ketzter zu ziehenn vnd bleibett nu vmmer fordt,
wiewoll die Armenn Lewtt dar soldenn frey sein,
nach anzeigunge der Priuilegienn.
Vnnd
mussenn gebenn Sunderlich wihe folgett:
Grossenn Nemerow.
XXIII fl. 1 ortt Bede.
XLII scheffel
Rogkenn.
XLII scheffel haffernn.
Einen
kochenn ochsenn.
IIII schaffe.
VIII Genße.
Denn Jegernn Eine thunne byr, IIII pfundt
bottern, IIII hunre aus dem Hauese,
scheffel haffern, X brot, ein
vierdenteyl von einem Schaffe.
Zw Roue.
V fl. Bede.
III
margk dem kwre.
Einen
ochsenn.
III schaffe.
II tonnen byr.
Den Jegernn I Tonne byr, III pfundt bottern, Irer zwey
ein hun, 1 firtel haffern, IIII garffenn, X brott aus dem haueß,
Sweinskop, der schultze
tonne Byr.
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Zw Dobelow.
XIII
margk Bede.
ein Wispill
Rogkenn.
I w. haffernn.
I
Ochsenn.
IIII Schaffe.
I schogk
Eyher.
aus dem Hauese ein Hun.
Der
Schultze I firteyl bottern.
Den Jegerenn die Pawern
tonne byr, der Schultze
firtel Byher, viher I pfunt,
bottern, Zwe I hun,
Sweinskop,
scheffel haffernn, Aus dem hause
X brott.
Zw der wiltjacht alle jar mit achtt pferdenn die netzte zw furenn acht tage langk.
Der Schultzte vihr groschen zw dem wulwaghenn.
Zw Gudendorff.
IX margk Bede.
Die Pawer:
Ein dromet Rogkenn.
I winspill haffernn.
einen kochenn ochsenn.
II Schaffe.
Aus dem Hause:
ein hun.
I schogk Eyher.
I vyrteyl Bottern.
IIII Gr. zw dem wulwaghenn.
Den Jegernn Eine halbe tonne byr, Aus dem Hause X
broth,
scheffel haffernn, I stugke
fleisches, I hun, Aus dem gantzenn dorffe II
pfundt bottern. Zw der wylth Jacht acht pferde
.
Zw Gnewitz.
XIIII margk Bede.
winspil Rogkenn.
I winspill
Haffernn.
Einen kochenn Ochsenn.
II
Schaffe.
Aus dem Hawse X Eyer, I hun.
Der Schultze IIII groschenn zw dem wulwagenn.
Denn Jegernn: der Schultze ein fierteyll byr. Die
Pauer Eine halbe tonne byr. Aus dem Hawse X
broth,
pfundt bottern, 1 Hun,
scheffel haffernn, I stugke
fleisches, VII pferde zw der hirsche Jacht.
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Zw Wockule.
Jtzlicher Pawer: XV gr. Bede.
Winspill Rogkenn.
Die
Pawernn:
Ein kochen Rindt.
II
Schaffe.
Aus dem Hawse ein Hun.
Der
Schultze ein vierteyl bottern.
Den Jegernn: aus dem Hawse: X broth, 1 stugke
fleysches,
scheffel haffern; aus dem dorffe:
1 Schogk Eyher, II pfundt bottern. Zw der
Wildtjacht acht pferde.
Der Schultze viher groschenn zw dem wulwaghenn.
Darzw inn der Comptorey.
Swerliche ablager nicht alleine E. f. g. pferde, sunder alles was mitt zwschlet, dem Hawse ein ganz jar nachteitigk vnd ein groß abgangk.
Nr. 3.
Dyt is eyn vtoch
der besweringe,
de dar hebben an g.
h. arme lude
jegen Claus van
Oldenborch,
de sulue is
geklaweth
Anno XXIX.
1
).
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- - - - - - - - - - - - - -
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Gudendorpp.
De arme lude klagen, wo dat se nu IIII jare lanck here weren dorch den lanthrider voruordeth, dat se moten dat velt tom hertzwolde vthraden vnde begaden vnde seyghen myth I drameth haueren vnde III sc. boeckweyten, dat se touorn nicht plegen to donde.
Item vorder klaget de gantze burscopp, dat se nu
moten geuen II
gulden to deme afflegere rynde,
dar se doch oldynges allene I gulden vnde I orth
vor geuen.
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Item vorder klagen se, dat se beswerth werden dorch den Comptor van Nemerow, de en nu unwenlyke plichte vppleggen will, dat se nu mastgelt geuen scolen vor ere swyne, dat se oldes nicht here gedan hebben.
Item vorder klagen se, dat se moten dem Compter vele mennige vnwanlyke denste don, de se nen werle gedan hebben, besondergen moten se em viskerwaden voren von eyneme see to deme anderen.
Item ok in korten vorscreuen jaren hadde de Compter de lude beden, dat se em muchten roer stoten, so se don dan hadden, vnde he en dar plach auer beer to geuende, vnde wen se em dat roer affgestoeth hadden, so vorede se idt em wente to der Wokule, dat se em nu moten voren beth to Nemerow, vnde nu will he dath vor eyne plicht holden vnde gyfft em nichtes tho bere.
Item vorder klagen se, dat se em howen sageblockke vnde de suluen en thor stede voren, dat se van oldes her neyn werlle gedan hebben, vnde also dat se nicht don wolden vppe eyne tydt, darumme hefft he ere swyne laten affpanden anno XXIX vp sunte dionysius dach, wowol dat em vorgunth was durch synen dener, dat se ere swyne in de masth mochten ghan laten.
Item vorder klagen se, dat se vele grote, lange vore vnde reysen don moten, nu soes jare lanck her, dat se oldinges nicht plegen to donde m. g. h.
Wokule.
Klagen de arme lude, wo dat se moten alle gelick den anderen dorperen vthraden, begaden dat velt thom hertzwolde vnde beseygen dat myth I drameth haueren vnde III scepele boeckweyten; dyt hebben se nu IIII jare lanck her vnuerlyken gedan vnde touorne nicht, dar se de lanthrider to voruordert hadde.
Item vorder klagen se, dat se oldes vor I rinth
geuen allene V orth gulden, dar se nu moten vor
geuen II
gulden.
Item ok klagen se, dat so nu moten grote vele lange reysen don, de se oldynges nicht so plegen tho donde.
Item vorder klagen se, dat em de vorbueth to howende ere egen holt, dat van oldes her to deme dorppe gelegen hefft, to ereme tymmer behoeff.
Item vorder klagen se auer her Roer den Comptor to Nemerow, de en hadde vorbaden, ere gadeshus holth to houende, so se plegen to donde, dar dorch he den schul=
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ten Thewes mantel I offen van IIII gulden affgepandeth hadde, den he ok nicht wedderkregen hadde.
Item vorder klagen se, dat se vrig plegen tho wesende to malende ere korne in eyne male van des Comptors male, wor se wolden, vnde nu moten se malen by dwange in der Dabellowesken male, dat ock des comptors male is; dardorch hefft Bartelt Nigeman de kroger geuen moten III gulden, vnde de schulte vorgesechte Thewes mantel hefft moten ok III gulden geuen III jare unuerlick vorgangen.
Item vorder klagen se, dat se plegen van oldes her ethlike orde to hebbende vrig roer weruinge, wan de Compter syn roer wech plach to hebbende; dat sulue werth em nu gantz vorbaden dorch den Compter.
Item vorder klaget de schulte Thewes mantel, dat syn vadere hedde hath eynen vrigen see auer XX jaren to syneme schultenrichte, de noch harde achter syneme huse licht, de were em fedder der tydt dorch de Compters vorentholden.
Dabellow.
Pawel Peltz de schulte hefft sich horen laten myt syner naberscop, wo dat de burscopp moth bearbeyden dat velt thom hertzwolde, wo dat vorgenante dorpp thor wokule deyth, vnde des geliken der vernen reysen vnde des afflegere ryndes.
Item beklaget sick kesten lulow, dat he hefft
moten geuen deme Compter Assem von krampen
III
gulden vmme den willen, dat he in
des Compters male to Gudendorpp korne maleth
hadde vnde nicht in des Compters male to Dabelow.
Item klaget Hans Cynow, dat he werth beswerth dorch den kerckheren to Lichen, de em vorhogeth de tynse des jares myt eynem Gr.
Item klaweth pawel peltz, dat he hefft moten
geuen X gulden deme Compter vnde synem scryuere
I gulden vor dat schulten ampt Anno XXVIII,
desgelyken hefft he em moten geuen I wispel
haueren vnde
vath bere Anno XXVIII vmme den
willen, dat he hadde syn sustere to der ee
beraden vnder eyns anderen hern guth; den
haueren rekenth he vor II gulden vnde I orth
gulden vnde dat bere vor I gulden.
Gnewitze.
De armen lude mogen bearbeyden den hertzewolth, alse de wokulesken.
Item oldynges I gulden geuen se vor dat afflegere
ryndt vnde nu moten se geuen II
gulden.
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Item ok klagen se auer vnwanlyke Denst, den se deme Compter don moten in sage blockke to vorende na vostenberge vnde de brede wedder na Nemerow voren, so se in desseme Jare XXIX gedan hebben vnde nicht touorne.
Item ok klagen se, dat de Compter nicht will gunnen, dat se holt mogen hawen to erme tymmer behoff, so se oldynges her gedan hebben.
Item ok klaget Jachim Hane, dat so Anno etc. XXVIII hefft moten geuen eyn wispel haueren, den sc. gerekenth vor IIII gr., dat synt III gulden, deme Compter vmme den willen, dat he hadde eyn geuelde eke also eyn legere holt in syn hus geuoreth, vnde he was erst nyge tho wanende kamen, dat he nicht en wuste, dat de Compter dat vorbaden hadde, vnde sodane holt plach den buren stedes vrig to wesende in ere nutthe.
Item vorder klagen se, dat se moten hebben dem Compter geuen I wispel gersten vor de mast Anno etc. XXVIII, dar se nicht plegen vor to geuende, men stedes vrig hath hebben, den wispel gersten gerekenth vor III gulden.
Item vorder klageth Symon Dabelow, dat he dorch
des Compters vorheth moten myt Achim Kryn lauen
by dwange vor Hans Hyngest den Molre, dat wolde
de Compter so hebben vnde de moller is vorlopen,
darumme hefft eyn islick van se moten deme
Compter geuen IIII gulden ane I orth gulden, dat
maketh VII
gulden.
Item vorder klagen IIII schulten, alse to Gudendorpp, Wokule, Dabelow vnde Gnewitze, dat in korten jaren de Comptere van Nemerow se myth vnwanlyke aflegere beswerth hebben, so dat erst Otto Sackken erst sulff andere quam, wan he de pacht borede, vnde lach I nacht, dar na II nacht, dar na III nacht; dat hadde werth III jare lanck, vnde desse Compter schal en nu kamen sulff VIII offte VII vnuerlyken vnde schal liggen des jares myt en III nacht myth eyneme schulten, dat sulue hefft he by IIII jaren her gedan.
Groten Nemerow.
Syuerth Werneke de schulte klageth, dat he plach den Compter to Nemerow vthrichten myth eyner haluen tunne bere vnde VI scepele haueren synen perden vnde plach des auendes wech tho reysen, vnde nu desse Comptere Askem van Krammen plegen nu vnwantyke terynge vpptoleggende, in deme he en moste vthrichtinge don dre vulle dage
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vnde vrachte myth em to liggende myt XIIII perden, dar oldynges syn voruarth plach to kamende allene myth VI offte VII perden; vor sodane afflegere hefft he sick vnderstan, dat em mot de schulte geuen I wispel haueren.
Item beklageth sick Jacob Branth, dat auer III jare vnuerlyken hadde em de Compter III tunne bere myth wagen vnde perde, alse he van Branbenborch na synem huse wolde wedder varen, genamen, wowol he en hadde em venklick vorth in den staken, dar he in seten hadde III dage vnde III nachte; dar na eyn verendeell jares hadde em noch eyn maell vencklick vorth to Nemerow in den staken, dar he inne saeth I dach vnde nacht, vnde schal em namen hebben I gulden vmme den willen, dat he scholde ackkere in brukynge hebben, de dem Comptere scholden ankamen, dat he doch dem Compter nicht will bestan vnde nicht is. Dar na schal m. g. h. den armen man in geleyde genamen hebben, vnde de sake is Marquart Beren vnde Claus von Oldenborch beualen dorch m. g. h. vnde he de sulue schal besoch hebben, de em doch nicht hebben wolt syner sake behulpelick syn.
Item klageth Claus Vrolick, wo IIII jare vorgangen, dat de Compter was to em ridende kamen sulff veffte vnde hadde den armen man vorweldigeth vnde vorwundeth in syn houeth, don he der bure vee gehoth hedde vnde he scholde lyke woll an syn korne meygen, dat he nicht so plichtich was, indeme de bure plegen vrig den holden, de ere quick hodeth, dat he nenen hauedenst don dorffte.
Item ok klageth de sulue, dat em hadde de Compter
swyne affgepandeth Anno XXVIII; don hadden em
syne knechte afgeschattet VI groschen erstmael
vnde dar na IIII groschen vnde
wispel haueren, den scepel
gerekenth VII sund. witte.
Item ok hefft he ene dar to dwungen, dat he em hefft moten I morgen akkers plogen ok vor de vpgenamen swyne.
Item ok hebben em syne knechte syne perde ane orsake affgepandeth vnde mosten den knechten IIII gr. geuen.
Item ok klageth Hans Rode Curth, dat he syn egen
holt hefft affhowen willen, bauen dat kamen des
Compters knechte vnde grepen den man vnde vorden
syne perde vnde wagen myt sick vnde em hadden se
in de venkenisse gefettet vnde hadde em mosth
lauen
wispel haueren to geuende, den he
moste reth vthgeuen, den sc. to rekende vor VIII
witte sund., wolde he anders vth der venkenisse
gevrygeth syn, IIII jare vnuerlick vorgangen.
Item klageth Drewes Dylges, dat de Compter hofft
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grepen em vnde vencklick maketh vmme den willen, dat he em scholde ellerenholt affgehowen hebben, dat he nicht schal dan hebben, vnde he hadde em mosth lauen III dage to hakende, wolde he der venkenisse gevrygeth syn, vnde dar auer schal he syn gesunth verloren hebben vnde syne knaken scalen em dar auer tobraken syn; dyth were IIII jare vnuerlick vergangen.
Item Hans Balen klageth, dat he is vorwundeth vnde vencklick gesettet is dorch den Comptor vnde worth dorch em beschattet, dat he hefft moten geuen VIII sc. haueren Anno XXIX in den owesth, den sc. gerekent XII witte.
Item klageth Thewes Gateke, dat he hefft moten geuen V mr. vynkenow vmme den willen, dat he sick slagen hadde myth des schulten sane.
Item ok lecht em de Comptor vnwanlyken denst vpp, kakenholt to vorende vnde ok moten se em mer messes voren, wen se plegen.
Item ok schal he en vpleggen vnwanlyke arbeyth in der hauern sadeltydt eynen dach vnde to wenden vnde to der saeth, vnde wen se idt nicht en don, so schal he en groth auerlasth darvmme don.
Item ok scalen se em vnwanlyken in der gersten sadeltydt plogen, dar he em de koye auer namen hadde.
Item ok hadde he en namen eynen bullen, den he affgeslachtet schal hebben, gerekenth vor III gulden vnuerliken.
Item ock schalen se em vnwanliken arbeyt don in den owesth II dage, alse eynen dach byndende vnde I dach to meygen.
Item ok hebben se II dage messeth, dat vor hen
dach allene plach to wesende vnde
don plegen II vnde II to hope spannen.
Item ok hebben se em Buwholth moten voren, dat se nicht plegen to vorende.
Item ok klagen de armen lude des gantzen dorppes, wo nu I jar vorgangen, Claus van Oldenborch schal den armen luden I ossen affgeslagen hebben vmme den willen, dat scholden eyn ethlike frowe wech voren, dat m. g. h. densth nicht schal anbelangeth syn, welkeren ossen se achten IX mr. vynkenow, vnde III mr. scholden se geuen dem portnern pantgelt.
Item beklageth sick de schulte, dat he hefft moten korth na den pasken Anno XXIX synen knecht don myt I wagen vnde II perden, vnde de schulte to Czynow hadde mosth myt em tho hope spannen, Claus van Oldenborch tho vorende en nach deme Gremmelyn harde by Güstrow.
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Item oldynges geuen se VII mr. alle vor dath afflegere ryndt vnde nu moten se III offte IIII gulden dar vor geuen.
Item ok moten de armen lude, de kotzen, darsuluest erer IIII eyn islick dem Comptere vthdösken XII scepel roggen in der sadeltydt, dat se oldinges nicht plegen to donde.
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Dyt is eyn vtoch der
besweringhe,
de dar hebben m. g. h.
arme lude
gegen Jurgen Pawel
lantrider
to Strelitze,
de
sulue is geklageth Anno XXIX.
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Groten=Nemerow ,
klageth Lauerentze Blome, wo de lanthrider Jurgen Pawel em - - waltzeme (?) beschattet schal hebben vmme III mr. vynkenow vmme den willen, dat he scholde tegelholth voren, so he dan hadde. Ok klageth auer sodane Hans Tubbe, de dar ok hefft moten geuen III mr. vynkenow.
Item vorder klaget de burscopp, wo de lanthrider Jurgen Pawel se beschattet hatte VIII jare vnuerlick vorgangen to geuende en IX mr. vynkenow vmme den willen dat se scholden m. g. h. denst vorsumeth hebben.
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Dyt is eyn summe des
vppgehauen
vnde affgeschatteden
geldes
van m. g. h. arme lude
dorch den Compter van Nemerow,
Anno
XXIX gerekenth.
Wokule.
IIII gulden gerekent I ossen Thewes mantel.
III gulden Bertelt Nigeman, dat malen hadde syn
korne in des Compters male.
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III gulden Thewes mantel ok vor sodane
malenth.
III
gulden kasten lulow ok vor sodane
malenth.
XI gulden pawel peltz schulten
gelt.
III gulden gerekent vor hauern vnde
bere de sulue heff geuen, dat he syn sustere vth
gaff in eyn andere guth.
Gnewetze.
III gulden gerekent vor hauere Jochim Hane, dat
he vorbaden scholde gehowen hebben.
III
gulden de burscopp vor de mast.
IIII gulden ane I orth | │ |
Symon Dabelow | │ |
IIII gulden ane I orth | │ gelofftes haluen. |
Achim Kryn | │ |
Groten Nemerow.
I gulden Jacob Branth, don he venlick namen
was.
I gulden VII
lub. s. Clawes Vrolick.
I
gulden Hans Rode kurdt gerekent vor hauere.
I gulden Hans Balen gerekent vor hauere.
III gulden gerekent I ossen, den he schal eynem
man affgeschlachtet.
Summa lateris XLV
gulden
vnde III gulden.
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Nr. 4.
Auszug 1 )
aus
dem Amtsbuche der Comthurei Nemerow 2 )
vom Jahre 1572,
welches
im Jahre 1641 bei der Inventirung zum
Grunde
gelegt und vervollständigt ist.
DasDorff Staven .
Daß Dorff Staven gehört zur Comtorey Nemerow mit gerechtigkeit, gerichten vnd diensten, hogst vnd seidst, vber halß vnd handt, auff und ablaße.
In diesem dorffe ist ein pfarkirche, die hatt die Comptorey zu verleihen.
Der Dienst gehoret nach Lütken=Nemerow mit Pferde vnd wagen, daselbst die bawleute pflügen, mist vnd holzfuhren vnd das Augstkorn zu meyen vnd einzuführen.
In demselben dorff wohnen neun Pauwers=Leute mit dem schultzen vnd sechs Kotzen 3 ), haben vnterm pflugk 52 hueffen. Der Acker ligt in drey feldern oder Brackschlegen.
Der Schulte hans Budde. Das schultzen Ampt erbet Sohn vnd Tochter vnd entfenget die Lehen vom hauße Nemerow, die muß er mit 10 fl. lösen, hatt zum schultzen Ampt vier hufen vnd zwo wurden. Imgleichen gebrauchet er noch eine halbe wueste Huesen.
Das Dorff Großen Nemero.
Diß Dorff gehoret zum Hause vnnd Comptorey Nemero mit den strasen gericht, Kirchen Lehen, hogst vnnd seidst, vber hals vnd handt, auff vnd ablaß.
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In diesem Dorffe ist eine Pfar Kirche, die hat die Comtorey zu uorlehnen.
Die Pauleute, welcher 17 seint, pflügen nach
Lütken Nemerow den hoffacker
.
In diesem Dorffe wohnen 17 Bawleute oder Husener mit dem schultzen, haben unter ihrem Pflugen 42 Hufen Landes vnd Kotzen haben ihre worde 1 ). Der Acker liegt in drey Brackschlegen oder feldern.
Der Schulthes Chim Spolenholtz. Das schulzen Ampt erbet auff sohn vnd tochter, vnd empfangen die Lehen vom hause Nemerow, die mus er losen mit 15 fl., hatt zum schulzenampt drei huesen.
Hernach folget, was Hertzog Johanns Albrecht in
diesem Dorff für gerechtigkeit hatt. Erstlich
mußen die Bauwleute semptlichen nach Strelitz
vnd sonsten außerhalb Landes ein jeder mit einem
pferde die wochen woll zwey mall dienen, also
das man sie zu Dienste erfordert, mussen sie
vier wagen zu dienste ausmachen
.
Die Kotzen dienen vmb 14 Tage nach Strelitz mit der handt.
Darnach mus der Schultze mit vier persohnen vnnd einen Wagen, uff der Ampt leute zu Strelitz erfordern, nicht weiter als Strelitz vnd Brandenburgk dienen.
Geben Strelitz semptlich:
1 Pacht ochsen.
4 Schnit schaffe
7 Gense.
3 Drompt 7 scheffel meide habern.
3 Drompt 7 sch. Bede Korn.
3 Drompt 4 sch. schwein ablager habern.
Vnd gibt ein ieder hufener, so dritehalbe hufen
hatt, 5 Marck 7 1/2 witten Ritterbede nach
Strelitz, vnd der Schultze von einer hueffen
fl.
Auch wan hertzogk Hans Albrecht nach Strelitz kompt, geben sie Eyer vnd huner.
Der Linnweber Jochim Meister Knecht, so vff vorwillgunge des sehl. Herrn Comptoren ein häußelein für seines Vatern hofe an der straßen gebauwet, muß jehrlich geben 1 (unbekannte Maßeinheit vermtl. Pfund) pfeffer vnd muß vnterzeiten nach der heiden oder
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sonsten kurze Reisen thun bey seiner vncosten, Item nebst den andern einliegern alhie handt dienst thun.
Das Dorff Rouenn.
Das Dorff Rouen gehöret zum Hause vnd Comtorey Nemero mit den Straßen gerichten, hogst vnd seidst, vber halß, handt, auff vnnd ablaß.
In diesem Dorff ist ein pfarkirche, die vorleyen alle Ilenfelde.
Die Bauwleute, welche zehen sein, pflügen zwey
tage zur Bracke
.
In demselbigen Dorffe wohnen 11 Bauwleuthe mit dem schultzen vnd haben unter ihren pflugen 30 hueffen Landes vnd zwe Kotzen gebrauchen ihre wurden 1 ).
Der Acker ligt in dreyen feldern, sint nicht gleich groß, seyen in einen ieden morgen gemistet land 2 scheffel.
Daß schultzen ampt erbet auff sohn vnnd tochter, aber muß die Lehen vom Hause Nemero gleich wie Andere empfangen vnnd mit 15 fl. losen, hatt zum schultzen Ampt 4 hueffen. - Der Schultze dienet hertzogen Johannes Albrecht mit einem lehen pferde, auch wol mit pferden vnnd wagen, wan man ihme erfordertt.
Viedt Bheann, Claus Gerdeloff, Chim Roloff, Hans
Voß, diese obgemelte Bauren dienen hertzog
Johannes Albrechten nach Stargardt borchdienst,
wan man ihrer bedurfftig
.
Das Dorff Lütken Nemero.
Dieß Dorff gehoret zum Hause vnd Ambt Nemero mit allem recht, hohest vnd siedest, vber halß vnd handt, auff vnd ablaß, vnd der dienst mit aller gerechtigkeit vnd zubehorunge.
In diesem dorffe ist ein Kirche, die leute müßen
die Kinder nach großen Nemero tragen vnd
daselbst taufen lassen. Ihre todten werden
bisweilen auf den Kirchhoff zu Lütken Nemero
begraben
.
Holen alle Quartal die Mühlenpacht von der heide auß den dreyen Mühlen daselbst, wirt ihnen zu essen vnd zu trinken gegeben.
Die Cosseten dienen mit dem Leibe, wan vnd worzu
man sie bedürfftig
.
In dem Dorffe wohnen vier bawleute vnnd vier kotzen.
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Haben auch freie mast zu ihren schweinen zur notürfftigen Haußhaltunge, vnd wan mast vorhanden, spinnet ein jeder ein pfundt heden garn.
Der Acker, so zum Hause belegen vnd gebrauchet wirt, ist ein herlicher, guter boden, daruff guter Rocken, Gersten vnd Haber vnd ander Korn kan gebawet werden, vnd wirt ordentlichen in drey felder oder brackschlege getheilet.
Die Bauwleuthe zu Großen Nemero, welcher 13 sein,
pflügen zu dem Rockenfelde
.
Eß pflügen die 11 Bawleuhte zu Roua zwey gantze
tage zu allen dreyen fahren
.
Waß nun die vorbenandten Bawren an diesem acker nicht begaten oder vmbbringen, müßen die Bawleuthe vnd Coßaten zu Stauen mit ihren pfluegen und hacken pflügen vnd vmbringen, vnd auch von alters hero bei den alten Comtorn Zeitten ein jeder mit einer eggen den Acker zu eggen helffen.
Die Lütken Nemeroschen, welche vier bawleuthe vnd
vier Coßeten sein
1
),
müßen in obgemelten acker alles Korn winter= und
sommer saet seyen, die bawleute zu aller saet
eggen
.
Die großen Nemeroschen semptlich meyen vnd binden
einen tagk in Rocken
.
Ein fertig wassermuelle mit einer glinde liegt vor dem hoffe, ist ziemblich gebawet. Die Metzen dauon kommen dem hause zum besten, tregt jehrlich vngefehr 15 Wispel alles Korn.
Das Dorff Dabelow 2 ).
Dis dorff gehoret zuer Compterey vnnd hause Nemero mit dem straßen gericht, Kirchenlehen, hogst vnd sidest, vber hals vnd handt, auff und ablaß.
In diesem Dorffe ist eine pfar Kirche, die hatt die Comptorey zu uerleihen.
Die Pauren in diesem Dorffe dienen deß Jahr drey mahl mit pferde vnd wagen nach L. Nemero, entweder sie führen Rohr, so auff der heide geworben, oder Bawholz, Latten oder Bahlen.
Die Coßate dienen nicht mehr, dan das sie, wo eß notig, bawholtz abhawen vnd daß rohr abwinnen helffen vnd die Fischerreisen bestellen.
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Der Schultze in diesem Dorff muß alwegen, wan die reiße an ihme, die Fische, so auff der heide gefangen, nach Nemero führen.
In diesem Dorffe wohnen 13 Bawleute mit dem schultzen, vnd ein müller, vnd ein schmidt, ein schneider, haben vnter ihren pfluegen 15 huefen landeß; so sie nach Strelitz verlandbeden, vnd zwey Coßeten höffe.
Keine sonderliche wischen, jedoch berichten die Pauren semptlich, daß eine wische, die Kastagelichsche wische genandt, zu dem Dorffe belegen, welches sie von alters hero alle wegen gebrauchett, vnd konnen des Jahrs vngefehr 2 Fuder heugraß vnd eine pahr stiege schoffe rohr werben vnd waß sie vffm Brackentin werben können.
In dieser Dabelowschen Feltmarkt liegt noch ein
wüste Feltmarkt, Brockentin
1
) genandt, dieselbe wirt
was von Acker darauff vorhanden, von den pauren
zu Dabelow vmb die geburliche Pacht gebrauchet
.
Diese Pauren zur Mühlen nach Dabelow, welche Mulle nur einen ganck hatt, nach Nemerow gehöret, vnd wirt jherlich die pacht dan dahin gegeben.
Das Schulzengerichte erbet auff manliche leibes
erbenn, nur die lehen von der herschafft von
Lütken Nemero entfangen vnd mit 10 fl. lösen,
hatt zum schultzengerichte I
hueffen, mus sie nach Strelitz
vorlandbeden vnd was noch vor Acker vormuge des
Lehnbrieffes zu dem schultzengerichte gelegen,
giebt pacht: V mr. für ein Lehenpferdt, 1 W. Habern.
Das Dorff Wokuhl.
Daß Dorff gehoret zum Hause vnd Comptorey Nemero mit den straßen gerichte, Kirchen lehen, hohesten vnd seidtsten, vber hals vnd handt, auff vnd ablaß.
In diesem Dorffe ist eine pfarkirche, die hatt die herschaft zu L. Nemero zu verleihen, die leute haben alldar ihre Tauffe vnd begrebnus.
Die pauren in diesem Dorffe dienen der Herschaft zu L. Nemero dreimahl im Jahre mit wagen vnd pferden, wortzu
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sie erfodert werden
. Der Kotze zu Wokuhl dienet
nichts den das er die Fischereisen vormeldet
.
In diesem Dorffe wohnen neun Pawleuhte mit dem Schultzen, haben vnter ihren pflügen 17 1/2 huefen landes, vnd einen Koßeten hoff 1 ).
In dieser feltmarkt ist noch eine wüste feltmarkt, der Gardo genandt, belegen, der acker, so darauff vorhanden, wirt von den Pauren zur huer gebrauchet 2 ).
Auf dieser feltmarkt Gardow liegen drey sehen, zwei groß vnd ein klein, werden nach Nemerow befischet.
Haben Straßenbringk darauff man lien sehen kan.
Diß Dorff sampt der Feltmarkt grenzett mit den nach beschriebenen dorffern, als nemlich mit den Grammertinschen vnd Hertzwoldschen Feltmarken, auch mit der wüsten feltmarkt Gardow; die wüste feltmarkt Gardow grenzet mit den Godendorffschen, mit den Brackentinschen feltmarkten, haben keine irrung.
Gehoren zur mühlen nach Dabelow.
Erstlich Schultze Chim Mantzell. Das
Schultzengerichte erbet auff Sohn vnd Tochter,
mußen die Lehen von der herschafft zu Nemerow
entfangen vnd mit 10 fl. losen, hatt zum
Schultzen hoffe zwey hueffen landes vnd waß
sonsten vor acker mehr zum Schultzengerichte
vormuge des Lehenbrieffes belegen
.
Die Pauren semptlich geben nach Nemerow von dem hoffacker auf dem Gardow 1 wispel rocken, 2 sch. buchweitzen, es wirt der acker beseet oder nicht.
Das Dorff Gudendorff.
Dieß Dorff gehoret zur Comptorey vnd hauße Nemerow mit den Straßen gerichte, Kirchenlehen, hochst vnd seidst, vber hals vnd handt, auff vnd ablaß.
In demselbigen Dorffe ist ein pfar kirche. hatt
die herschafft zu Nemerow zu uorleihen, die
Leute haben aldar ihre Tauffe vnd begrebnuß,
geben dem Predicanten, so zu Dabelow wohnet, den
vierzeittenpfennig
.
Dir Pauren in dießem dorff dienen des Jahrs
dreimahl mit Pferdt vnd Wagen nach L. Nemero
.
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In dießem Dorffe wohnen acht Pauleute mit dem
Schultzen, darnach der Moller vnd des Pastorn
Pawer, haben vnter ihren Pflugen neuen Hueffen
1
). Ob sie wol etwas mehr an Acker
haben, so ist derselbe doch mit holtz bewaren
vnd liegen viel sehepfuze vnd Mohre darauff, das
man ihne nicht gebrauchen kan vnd werden nicht
mehr alß achte hueffen nach Strelitz
verlandbedet. Der Acker liegt in dreyen Schlegen
.
Uff dießer feltmarckt liegt ein waßermulle mit einem glinde, gehoret nach Nemero, gibt alle jahr 36 sch. Rocken Pacht.
Haben keine straßen brinke, darauff man lein sehen kann.
Das Schultzenampt erbt auf menliche leibeserben,
muß die lehen von der herschaft zu Nemero
empfangen vnd mit 10 fl. losen, hatt zum
Schultzengerichte eine huefen, so nach Strelitz
verlandtbedet wert
.
Coßeten wohnen in diesem Dorfe nicht.
Hernach volget, was hertzogk Johannes Albrecht in dießem Dorfe hat.
Erstlich haben dieße Pauren semptlich ein wuste
feltmarckt, Dreffin genandt, so nach Strelitz
belegen, zur huer
.
Das Dorff Gnewitz.
Das Dorff gehoret zur Comptorey vnd dem hauße Nemerow, mit dem Straßen gerichte , Kirchen lehn, hochst vnd siedest, vber halß vnd handt, auff vnd ablaß.
In demselben dorffe ist ein Pfarkirche, die hatt
die herschaft Nemerow zu uorleihen, die leute
haben aldar ihre tauffe vnd begrebnuß, geben den
prädicanten, so zu Dabelow wohnet, den
vierzeitenpfennigk
.
Die Pauren in diesem dorffe dienen des Jahres 3
tage mit Pferde vnd wagen, wan sie erfordert
werden, nach Nemerow
.
In dießem dorffe wohnen acht Bawleute mit dem
Schultzen,
2
) haben vnter ihren Pflugk 16
huefen, werden nach Strelitz verlandbedet
.
Auff dieser feltmarckt ligt eine waßer Mulle mit einem glinde, gehoret zur Comptorei Nemerow, gibt jehrlich 60 sch. Roggen.
Haben keine Straßenbrinke.
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Das Schultzengerichte erbet vff menliche Leibeslehnserben, muß die lehn von der herschaft zu Nemerow empfangen vnd mit 10 fl. lößen, hatt zum Schultzen Ampte zwei huefen landes, so nach Strelitz verlandtbedet werden, vnd was er mehr vermuge des lehnbrieffes bei dem Schultzengerichte hat, gibt 20 gr. vor ein Lehnpferdt
1 wispel Ablager Haber
l 1/2 Pfd. wachs zum Gottes Hauße Lütken Nemerow.
Dem Schultzen in dießem Dorffe werden jehrlichen von der Nachbarschafft, welches in dem Dorffe vmbgeht, vier Hüner gegeben, vnd welcher das Jahr dem Schultzen gibt, derselbe gibt kein Huenergelt nach Nemerow etc
Folget die gerechtigkeit, so hertzogk Hans Albrecht in diesem Dorffe hatt.
Erstlich haben die Pauwren ein wueste feltmarke
die Lebbe genannt, darauff sie ihre Hütunge
haben, gehoret nach Strelitz
.
Summa Sumarum
aller
jehrlichen Einkommen
der Comptorei Nemerow.
175 fl. 18 1/2 s. 3 pf. an gelde.
22 drombt
5 sch. Roggen, wan er gantz eingenommen.
2
drombt 5 sch. gersten.
14 drombt 7 sch.
habern.
1 Pacht Ochsen.
4 schnitt
schaffe.
1 sch. Weitzen.
3 sch.
Buchweitzen.
1 sch. hampffsaat.
1
stein hampff.
10 gense.
163
huener.
IX schock eyer, 38 Eyer.
14
Pfd. wachs.
2 becker honigk..
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Volget was vngefehr
van
der Comptorei vnd derselben
Einkommen
jehrlichen abgehet.
Erstlich 2 tage vnd Nacht beiden Fursten Ablager, so starck sie mit Ihrme gantzen hoffgesinde kommen.
32 goltgulden Respons den hern.
20 fl.
hulffgelt.
50 fl. vngefehr gesinde
Lohn.
25 fl. den Pastorn vnnd
1 demselben.
Bericht vom Ablager.
Es berichtet Johannes Koch der Alte, bei Hertzogk Heinrichs Zeiten gewesener Kuchmeister zue Stargart, itzgemelter hertzogk alle jahr 40 fl., dergleichen 40 fl. Hertzogk Hanß Albrecht von der Comptorei, wan Ihr f. g. die Ablager nicht bezogen, zu haben gehabt vnd bekommen haben, welche er zu etlichen mahlen selbsten von den vorigen Comptors empfangen vnd zu Register gebracht.
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:
Neuere Geschichte
der
von
G. C. F. Lisch .
I n Jahrb. II, S. 51, ist die ältere Geschichte der Comthurei Mirow, so weit sie aus ihren eigenen Urkunden geschöpft werden konnte, so vollständig als möglich dargestellt, einzelne spätere Entdeckungen, welche die Comthurei berühren, wie die Verhältnisse zu der Comthurei Gardow und zu der Mühle zu Wesenberg sind bei der Geschichte der Comthurei Nemerow, oben S. 40 flgd. und S. 47, beleuchtet. - Die Geschichte des Ueberganges der Comthurei Mirow von der mittlern Geschichte zu der neuern ist in der Geschichte der Comthurei Kraak und der Priorei Eixen Jahrb. I, S. 53 flgd. und 17 flgd. entwickelt.
Es ist hier noch nachzutragen, daß nach einer Urkunde in Riedel's Nov. cod. dipl. Brand. III, S. 394, im Jahre 1362 die Comthurei Mirow durch die Kriege der Landesherren sich in einem so ärmlichen und gedrückten Zustande befand, daß die Brüder nicht bequem mehr erhalten werden konnten. Der Bischof Burchard von Havelberg kam ihnen daher dadurch etwas zu Hülfe, daß er die Pfarre zu Freienstein, deren Patronat schon der Comthurei gehörte, der Comthurei incorporirte, um einen Theil der Einkünfte derselben zur Unterstützung der Brüder zu verwenden.
Vom Ende des 15. Jahrhunderts bis gegen das Jahr 1551 war die Comthurei Mirow mit in die vielfachen Streitigkeiten verwickelt, welche der Orden für seine meklenburgischen Commenden mit den Herzogen hatte; jedoch beschwerte sich der Orden in Beziehung auf die Comthurei Mirow über keine andere Belästigung, als über die Forderung der Ablager, und
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stritt mit den Herzogen um nichts weiter, als um die gegenseitige Beeinträchtigung von einzelnen örtlichen Gerechtsamen, wie sie bei Privatgrundstücken nicht selten vorkommen, wie um unbestimmte Gutsgrenzen, streitigen Mahlzwang, udgl. Vermehrt wurden in der Zeit von 1533 bis 1549 die Irrungen noch durch Streitigkeiten über die Fischerei auf den Müritz=Gewässern, über Erhöhung der Landbede und Vergrößerung der Dienste von den Haidedörfern. Von der Reformation bis zum westphälischen Frieden bestand dem Namen nach freilich die Comthurei Mirow, theilte aber das Schicksal der hohen Prälaturen in Meklenburg, d. h. der Domstifter, welche als Pfründen für apanagirte Prinzen des herzoglichen Hauses benutzt wurden, seitdem das Recht der Primogenitur geltend gemacht worden war; es hat die neuere Geschichte dieser Comthurei nicht viel mehr Bedeutung, als den Uebergang von einem Fürsten zum andern nachzuweisen.
Der letzte wirkliche Comthur von Mirow, Liborius von Bredow, starb im Anfange des Jahres 1541. Da erschien in Meklenburg eine Person, welche dringend Hülfe heischte, der "verarmte und flüchtige" Herzog Wilhelm von Braunschweig.
Der Herzog Wilhelm von Braunschweig war ein Bruder des regierenden Herzogs Heinrich des Jüngern, dessen Leben nicht wenig von Kriegsstürmen bewegt ward. Noch mehr bedrängt aber ward sein Bruder Wilhelm. Schon im J. 1519 gerieth er in der hildesheimischen Stiftsfehde in der Schlacht bei Soltau in Gefangenschaft, aus der er, nach einer kurzen Zwischenfrist, erst im J 1523 entlassen ward 1 ). Nach seiner Befreiung gerieth er in Streit mit seinem Bruder wegen der Erbfolge, da er, auch nachdem er den Primogenitur=Vertrag beschworen hatte, dennoch hartnäckig einen Landesantheil forderte. Um Ruhe zu haben, setzte ihn sein Bruder wieder gefangen und hielt ihn 12 Jahre eingeschlossen, bis er sich mit dem Hause Gandersheim und einer Apanage von 2000 Gulden begnügte 2 ).
Gleich nach dem Tode des Comthurs Liborius von Bredow trat der Herzog Wilhelm von Braunschweig, der eine sichere Zufluchtsstätte vor seinem Bruder und ein besseres Auskommen suchte, bei dem Herzoge Albrecht von Meklenburg werbend um die Comthurei auf, obgleich dieser die katholischen Gesinnungen mit dem Herzoge Heinrich von Braunschweig theilte. Ueber die Veranlassungen zu diesem Schritte ist alles
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dunkel, da die Verhandlungen mündlich gepflogen wurden. Der Herzog Wilhelm war persönlich in Meklenburg, um die Sache bei dem Herzoge Albrecht abzumachen. Man ward einig, daß der braunschweigische Herzog eine Reise zu dem Markgrafen Johann von Brandenburg machen und seinen Weg über Mirow nehmen sollte; dieser Fürst hatte eine Nichte des Braunschweigers zur Gemahlin und war ein Schwager des Herzogs Albrecht. Man wollte 12 Pferde mit den dazu nöthigen Knechten als Relais ("auf die Post") nach Mirow vorausschicken, der Herzog sollte nachfolgen, - wahrscheinlich um dort zu - bleiben. Am 4. Febr. 1541 mußte des Herzogs Wilhelm Secretair auch den Herzog Heinrich von Meklenburg zur Ergreifung dieser Maaßregel bewegen. Schon am 3. Febr. erließ Albrecht und am 10. Febr. Heinrich die dazu nöthigen Befehle an den derzeitigen "Verwalter" von Mirow.
Zwar war ein neuer Ordenscomthur, Sigismund von der Marwitz, schon im Anfange des Monats Februar in Mirow eingezogen und hatte den Herzogen seines Heermeisters Veit von Theumen Credenzbrief vom 27. Jan. überreicht. Aber die Pferde und Knechte für den Herzog Wilhelm gingen schon am 14. Febr. nach Mirow ab, Marwitz mußte sie, wiewohl ungerne, annehmen und der Herzog Wilhelm, der sich diesen "Rathschlag wohl gefallen ließ", folgte am 19. März in Person "mit seinem Haufen", angeblich um ein Nachtlager in Mirow zu halten, und ihm sogleich das Gerücht, daß Marwitz der Comthurei entsetzt werden sollte. Am andern Tage ließen die Herzoge dem Comthur erklären, daß sie geneigt seien, dem Herzoge Wilhelm die Comthurei auf ein oder zwei Jahre einzuthun. Mit Bewilligung der Herzoge von Meklenburg, welche die rückständigen Ablager und das Vorschlagsrecht bei der Besetzung der Comthurei zum Vorwande ihres Einschreitens machten, nahm nun Herzog Wilhelm Besitz, ward von herzoglichen Gesandten eingewiesen und - Marwitz zog zum Heermeister zurück. Dieser aber verklagte die Herzoge Albrecht und Wilhelm wegen Landfriedensbruches beim Reichskammergericht. Wilhelm vermochte den Kurfürsten Joachim von Brandenburg, die Sache im Jahre 1542 beim Reichstage vorzubringen, wobei ihm als Grund an die Hand gegeben war, daß es
"kund und menniglichen bewust, in waser elend und armuth hertzog wilhelm gefallen, auch s f. g ihres leibes nicht sicher, numer ihre volkhomende jare erreicht, keinen unterhalt haben; haben die hertzoge zu Meckelnborg sein f. g. als iren freund bedenken vorsehn vnder in irer f. g. elendt zu hülff kho=
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men wollen, all die weil oder gleich die Zeit sich die Comptorei zu miro vorlediget durch den meister ein vormeinter Comptor ohne vorwissen hochgemelter fürsten von Mekelborg wider alt herkomen eingedrungen, hat sich also hertzog wilhelm in die selbe Compterey nicht mit gewapener handt eingesetzt, oder den landfriden vorlezt, sondern ist in die selbe von dem landfürsten eingeweist vnd dem Compter mit willen abgehandelt worden."
Doch beriefen sich die Fürsten dabei auch hier auf den regensburgischen Reichstagsabschied, bei dessen Publication Herzog Wilhelm in Posseß gewesen sei. Dagegen verwandte sich der Landgraf Philipp von Hessen bei dem Herzoge Albrecht für den Herzog Wilhelm, diesen im Besitze der Comthurei zu schützen, da es ein Werk der Liebe sei. Wilhelm erreichte auch seinen Zweck: er blieb im Besitze der Comthurei, - und der Proceß ging seinen gewöhnlichen, langsamen Gang fort. Dem jungen Herzoge Johann Albrecht von Meklenburg machte sich der Herzog Wilhelm dadurch verbindlich, daß er ihn im Jahre 1552 auf dem denkwürdigen tyroler Feldzuge begleitete, und so behauptete er sich desto fester in seinem Besitze, obgleich des Herzogs Johann Albrecht Bruder Ulrich seit dem Jahre 1553 in Veranlassung des Streites um die Landestheilung über ihn "sogar fuchswild" war und ihn "nirgend im Lande wissen wollte". Am 23. Dec. 1552 hatte nämlich der Herzog Johann Albrecht, der doch wohl des Herzogs Wilhelm überdrüssig ward, zu Gunsten seines jüngern unmündigen Bruders Christoph die Comthurei einnehmen 1 ) lassen, jedoch so, daß Wilhelm einst=
Interessant ist, im Auszuge, folgendes:
3 betten.
2 heuptpfuell.
1
Spanbeth.
1 grunes Ledlein.
1
gemahltenn Tisch.
36 Bücher groß
vnnd klein.
1 ledig kleider
kasten.
1 kasten darin die
Hoffkleidung gewesen, als nemlich zwey
grawe Tucher vnnd etzlich elln
rottes.
2 ledig laden.
1 kasten
darinne etzlich pfund Zucker vnd pfeffer.
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weilen im Genusse bleiben sollte. Der Heermeister schien auch nicht übel Lust zur Occupirung zu haben und der Kurfürst Joachim legte Fürbitte für den Herzog Wilhelm ein; der Herzog Ulrich wollte die Comthurei aber ungerne aus den Händen lassen, auf Fürsprache des Kurfürsten gab er jedoch endlich nach unter der Bedingung, daß Herzog Wilhelm sich zuvor verpflichte, nicht wider "die Herzoge (vns) zu dienen oder zu practiciren, noch auch einigs Kriegsvolk auf derselben Comptorey und den dazu gehörigen gütern ohne landesherrliches wissen und willen zu keinen zeiten versammeln zu lassen". Unter manchen kleinen Hemmungen behauptete sich der Herzog Wilhelm dennoch auf der Comthurei Mirow, wo er auch wohnte, bis er sein mühseliges Leben im Jahre 1558 beschloß.
Die Herzoge Johann Albrecht und Ulrich hatten früher daran gedacht, ihren nächstfolgenden Bruder Christoph mit der Comthurei Mirow zu versorgen. Mittlerweile war dieser aber (1554) zum Bischofe von Ratzeburg erwählt und (1555) zum Coadjutor von Riga angenommen, woraus ihm jedoch ein ganzes Heer von Leiden erwuchs. Auch waren während der Zeit die meklenburgischen Lande zwischen beiden Brüdern durch den ruppinschen Machtspruch (1556) getheilt, so sehr der Herzog Johann Albrecht zum Besten des Staats die Primogenitur
1 Schapp darinne gewesen ein weidemesser,
ein pahr Reusche Stiefelnn, ein kese,
ein Schacht=Tafell vnnd zwey venedische
gleser.
5 Spiess.
2 sthelern
Bogen, ein Schiesskocher vnnd etzlich
boltzen.
3 Laternen.
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2 Huete vnd sonnsten
allerley generalia juris.
1 kuritzer.
5 blanke harnsch.
1
buntter harnsch.
13 bogen.
32
Sattel alt vnnd new.
1 Tonne doch
nicht gar voll Ossmund.
1 Fass voll
hinter vnnd vor ezeugk.
1 schwartzer
beschlagener kasten darinnen Mundstück
und Stangen.
4 Bartten.
13 Winde
zum Armbrosten vnnd 18 kocher.
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Item etzliche
Mundstück an der wand hangend.
25 fass weins, gross vnnd klein, ist aber
mehrenteill Myrowischer sawrer
wein.
1 fass alt bier.
1 tisch.
25 fass bier.
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einzuführen strebte; aber er hatte dem Andringen seines Bruders Ulrich nicht widerstehen können, sondern sich zu einer Theilung entschließen müssen. Von dieser Theilung war die Comthurei Mirow bis zur Erledigung ausgenommen. Durch den Tod des Herzogs Wilhelm von Braunschweig eröffneten sich für die noch nicht versorgten Prinzen, welche bei der Landestheilung leer ausgegangen waren, Aussichten zur Versorgung und die beiden regierenden Herzoge nahmen jeder zur Hälfte von Mirow Besitz. Herzog Ulrich wollte seinen jüngsten Bruder Carl damit bedenken; der Herzog Johann Albrecht hatte aber große Neigung, die Comthurei seinem Sohne Johann (geb. 7. März 1558) "zuzuhandeln". Jeder hatte die Comthurei eingenommen, jeder, der Form nach, zur Hälfte, weil der Heimfall des Ganzen streitig war; bis in das Jahr 1565 ward die Comthurei von den Herzogen administrirt. Der Orden hatte auf Restitution geklagt; im Jahre 1565 legte sich aber alles zum gütlichen Vergleiche an. Leider ward er durch höchst unangenehme Intriguen vereitelt. Im Jahre 1564 war durch Verwendung des Markgrafen Johann Franz Naumann (oder Franz von Naumann) Heermeister zu Sonnenburg geworden 1 ). Jeder der beiden fürstlichen Brüder gewann den alten, schwachen, vielleicht gar unredlichen Mann sehr leicht für seine Absichten. Der Herzog Johann Albrecht schloß schon Ostern 1564, unter Vermittelung des Markgrafen Johann zu Cüstrin, der sehr für diesen Herzog lebte, einen einseitigen Vergleich mit dem Heermeister dahin, daß die von den Herzogen eingezogene Comthurei dem Orden restituirt, dem Prinzen Johann auf Lebenszeit verliehen und dafür dem Heermeister auf diese Zeit ein jährliches Responsgeld von 300 rheinischen Goldgulden zugesagt ward, obgleich früher die Comthure nur 40 Goldgulden Respons entrichteten. Dieser Vergleich ward aber erst am 22. Mai 1565 ratificirt und dabei sogleich dem Heermeister die erste fällige Respons mit 300 rh. GG. bezahlt. Nicht viel schwerer ward es dem Herzoge Ulrich, den Heermeister für sich zu gewinnen. Dieser hatte den Comthur J v. Holstein von Nemerow zu seinem Fürsprecher und Agenten. Holstein rieth dem Heermeister dringend, die Comthurei dem Herzoge Carl zu verleihen, um dadurch die unangenehme Sache aus der Welt zu schaffen, Mirow ganz wieder zu gewinnen und sich dem Herzoge Ulrich geneigt zu machen, zu
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dem der Orden alle Zuversicht haben könne, wogegen der Herzog Johann Albrecht dem Orden "je und allewege zuwider gewesen sei". Während der Markgraf Johann von ihm die Ablieferung der Comthurei an den Herzog Johann Albrecht forderte, verhandelte er mit dem Herzoge Ulrich auf ganz andere Weise. Er forderte nämlich die Comthurei, ehe er sie einem Herzoge einthat nicht nur in ihrem damaligen Zustande zurück, sondern verlangte auch Erstattung der Abnutzung und der Unkosten seit dem Jahre 1544 oder doch wenigstens seit dem Jahre 1557, wenn er die Zeit, daß der Herzog Wilhelm von Braunschweig die Comthurei inne gehabt, nicht rechnen wolle. Der Herzog Johann Albrecht hatte freilich den Abnutzungspunct einer gütlichen Vereinbarung überlassen, machte aber jetzt, da der Meister wenigstens 24000 Gulden forderte, auf nicht mehr Hoffnung, als auf höchstens 2000 Gulden von jedem Herzoge. Nun beredete der Herzog Ulrich für sich und seinen Bruder Johann Albrecht mit Naumann im Jahre 1565 ebenfalls einen Vergleich dahin, daß die Comthurei dem Orden restituirt, dem Herzoge Carl als Comthur eingethan und dem Heermeisterthum eine Entschädigung von 4000 fl. gezahlt werden solle. Naumann nahm auch vom Herzoge Ulrich Geld vorweg: aber aus den Vergleichen ward nichts. Zunächst trat im Jahre 1565 die Belagerung von Rostock hemmend in den Weg, durch welche der Unfriede zwischen beiden Herzogen neue Nahrung erhielt; die Feindschaft ward durch die mirowsche Angelegenheit bedeutend vermehrt, da grade während dieser Zeit jeder der Brüder hinter des Andern einseitige Verhandlung mit dem Heermeister kam. Herzog Carl hatte schon früher Exspectanz auf die Comthurei erhalten; er bewarb sich jetzt selbst um die Comthurei und forderte, nachdem er volljährig geworden war, seinen Landesantheil. Darüber zürnte Herzog Ulrich wieder, da er die einmal eingezogene Comthurei nicht wieder vom Hause Meklenburg lassen wollte. Der Orden setzte seine Klage über Gewaltthätigkeit beim Reichskammergericht fort; der Markgraf Johann zürnte; Vergleichsvorschläge und Termine wurden zum Schein angekündigt und abgesagt: kurz es häuften sich alle denkbaren Schwierigkeiten, bei denen auch der Ritter Friederich Spedt seine Hand im Spiele hatte. Die Chomthurei ward dabei nach wie vor von den Herzogen administrirt. Am 16 Mai 1566 klagte der Herzog Ulrich zu Augsburg beim Kaiser über seinen Bruder Johann Albrecht und bat ihn, seinen Bruder Carl mit der Comthurei zu belehnen und den deutschen Meister zur Bestätigung zu vermögen. Im Jahre 1567 willigte auf Naumanns
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Vortrag das Provinzial=Capitel zu Speier in die Nomination des Herzogs Carl und Naumann versprach, ihn zum Comthur zu ernennen und ihm nicht allein zu des Herzogs Ulrich, sondern auch zu des Herzogs Johann Albrecht Hälfte von Mirow zu verhelfen. Hierauf ließ er sich vom Herzoge Ulrich 177 rh. GG. und 361 Thaler zahlen und sicher Geleit geben. Als dies alles und vieles Andere der Markgraf erfuhr, gerieth er in heftigen Zorn; er stellte den Heermeister zur Rede und dieser - leugnete allen Verkehr mit dem Herzoge Johann Albrecht ab; hinter dem Rücken des Markgrafen sagte er jedoch aus, er habe von diesem überredet und "mit lauter Gewalt gezwungen" mit dem Herzoge Johann Albrecht unterhandelt, Reverse unterschrieben und besiegelt und - Geld genommen, - worauf er - freiwillig quittirt hatte. Der Markgraf nannte ihn einen "vergessenen und losen Buben". Da hielt sich Naumann nicht sicher und entfloh, vorzüglich im Vertrauen auf die Unterstützung des Herzogs Ulrich. Der Markgraf schalt ihn hinterher noch einen "verflüchtigen, abtrünnigen, entlaufenen, ehrlosen Mann". Naumann starb nicht lange darnach auf der Flucht im Jahre 1568. Die Comthure hielten wiederholt zu Sonnenburg Capitel, ohne zur Einigung zu gelangen. Während der Zeit suchten der Markgraf Johann und der Herzog Johann Albrecht nicht allein den Herzog Johann zur Comthurei Mirow zu bringen: sie gingen noch weiter, indem der Herzog Johann Albrecht mit aller Kraft darnach strebte, seinem jüngsten, siebenjährigen Sohn Sigismund August zum Heermeisterthum zu verhelfen! Er bat daher durch Vermittelung des Ritters Fr. Spedt, der sich damals in Wien aufhielt, den Kaiser um ein Empfehlungsschreiben an den Markgrafen Johann, dem die Nomination zur Wahl zustand, und schickte seinen Rath Andreas Mylius zur Betreibung der Sache zum Markgrafen. Der Kaiser schlug die Bitte ab, da er auf Ersuchen des Markgrafen schon dem Grafen Martin von Hohenstein ein Vorschreiben ertheilt habe; der Markgraf war jedoch nicht abgeneigt, wenn der Herzog sich zur Leistung aller Gebühr verpflichte, und versprach, die Wahl hinzuhalten. Das Wahlcapitel war auf den 9. Nov. angesetzt; die anwesenden Comthure (Andreas v. Schlieben auf Lago, Joachim v. Holstein auf Nemerow und Peter Runge auf Werben, für sich und in schriftlicher Vollmacht oder durch Bevollmächtigte der Comthure: Martin v. Wedel auf Wildenbruch, Christoph v. Bredow auf Supplinburg und Hans v. Hering auf Witersen) konnten sich aber nicht entschließen, ein Kind zum Meister zu wählen, und faßten am 15. Nov. den Capitularbeschluß, daß alle Comthure die
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Capitel ohne Ehehaften nicht sollten versäumen dürfen 1 ). Am 6. Jan. 1569 wählte das Capitel den Grafen Martin von Hohenstein zu Schwedt zum Heermeister; ganz zu gleicher Zeit ward er nach dem Tode seines Bruders Wilhelm wirklicher Herr von Vierraden und Schwedt 2 ). Dieser zeigte den Herzogen sogleich die geschehene Wahl an und erklärte alle Verhandlungen seines Vorgängers für nichtig, weil dieser damals "keine Regierung gehabt" habe, auch die Verleihung nicht capitelmäßig geschehen sei. Der Herzog Johann Albrecht schickte jedoch Gesandte nach Cüstrin und Sonnenburg und diese und der Markgraf bewirkten es, daß am 20. Jan. 1569 auf einem Capitel die Einweisung des Herzogs Carl abgelehnt, dem Herzoge Johann aber nicht allein die Comthurei zugesichert ward, wenn er nach Zurücklegung des vierzehnten Jahres die Aufnahme in den Orden begehren und sein Vater bis dahin die Administration der Comthurei nach Ordens Brauch übernehmen würde, unter der Bedingung, daß der Herzog die rückständige vierjährige Respons mit 1200 rh. GGulden entrichte, sondern ihm auch die Anwartschaft auf die Coadjutorei des Heermeisterthums gegeben ward. Der Herzog Ulrich hatte ebenfalls seinen Hofrath Zacharias Wels zum Capitel nach Sonnenburg gesandt und hier vergebens um Vollziehung der alten Verträge gebeten. Der Herzog Johann Albrecht nahm den Capitular=Beschluß natürlich an und verpachtete am 15. April 1569 zur Sicherung seiner Rechte seine Hälfte der Comthurei an Henneke von Holstein. Der Herzog Ulrich beruhigte sich nicht, klagte laut über die Practiken seines Bruders und setzte alle Hebel in Bewegung, den Herzog Carl in die Comthurei einzusetzen. Der Herzog Carl war vom brandenburgischen Hofe, wo er einen Theil seiner Jugend zubrachte, heimgekehrt, längst mündig geworden und verlangte einen Landesantheil. Es wurden ihm auch im Jahre 1571 die Aemter Wredenhagen und Neukalden abgetreten und er residirte seitdem zu Wredenhagen, nachdem er schon im Jahre 1569 von der andern Hälfte von Mirow Besitz genommen hatte, wo er sich auch seit der Zeit hin und wieder aufhielt. Am 24. Febr. 1572 vermittelte er
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einen Vergleich zwischen allen Partheien dahin,
daß die Processe niedergeschlagen wurden, er den
Besitz der einen Hälfte der Comthurei, der
Herzog Johann den Besitz der andern Hälfte
erhielt, Herzog Carl sich jedoch des
Comthurtitels enthalten solle, bis Johann zum
Heermeisterthum gelangen werde, wo dann dem
Herzoge Carl die ganze Comthurei überwiesen
werden solle; die Comthurei ward, nach Aufgebung
aller Ansprüche, dem Orden restituirt. Am 8.
Aug. 1572 nahmen die Gesandten des Heermeisters,
des Kurfürsten von Brandenburg und der Herzoge
Johann Albrecht und Carl das Inventarium der
Comthurei auf, welche sogleich diesen beiden
Herzogen verliehen ward. Im Jahre 1572 zog der
Herzog Carl dem Prinzen Wilhelm von Oranien
gegen den Herzog von Alba zu Hülfe und stand ihm
vor Bergen bei. Der Herzog Ulrich zürnte aber
wieder über den einseitigen Vergleich und
beklagte sich über die factische Entziehung des
Roßdienstes, des Rathsdienstes,
. von der Comthurei.
In dem Processe vor dem Reichskammergericht war von 1554-1569 jährlich nicht viel mehr als eine Schrift gewechselt, in manchen Jahren gar nichts gethan, da es im Interesse der Fürsten lag, dafür zu sorgen, daß möglichst wenig geschehe.
Der Herzog Carl hatte seit dem J. 1572 Besitz von Mirow genommen und hielt dort Hof. Im Jan. 1572 war der Markgraf Johann I. seinem Bruder, dem Kurfürsten Joachim II., in die Ewigkeit gefolgt. Im J. 1576 starb auch der Herzog Johann Albrecht von Meklenburg. In seinem Testamente hatte er seinem Sohne Sigismund August die eine Hälfte der Comthurei vermacht, welche ihm auch in der Erbschaftsregulirung von seinem Bruder Johann zuerkannt ward. Jedoch blieb der Herzog Carl, der im J. 1575 die Coadjutorei des Bisthums Ratzeburg erhalten hatte, im Besitze von Mirow. Zwar versicherte der Herzog Ulrich im J. 1577 seinem Bruder Carl eine jährliche Zulage von 1500 fl. zur Verbesserung seines Unterhalts; Herzog Carl aber wich nicht von der Comthurei. Erst am 20. Mai 1586 wurden die häuslichen Irrungen dahin verglichen, daß der Herzog Sigismund August das ihm vermachte Amt Ivenack frei überliefert erhalten, statt des ihm auch vermachten, damals aber für 50000 fl. verpfändeten Amtes Strelitz die Pfandsumme und statt der halben Comthurei Mirow die Hälfte des jährlichen Ertrages derselben mit 1000 fl. empfangen solle. Im J. 1587 trat nun auch Herzog Carl die Aemter Wredenhagen und Neukalden an den Herzog Ulrich ab und erhielt dafür die Aemter Broda und Wesenberg und die Comthurei Mirow.
Die Verhandlungen mit dem Orden sind bis zum J. 1592
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sehr unerfreulich, Der Orden forderte die Ratification der Verträge, förmliche Restitution der Comthurei und Zahlung der Responsgelder, die freilich oft genug rückständig blieben und im J. 1592 neunzehn Jahre lang nicht erlegt waren; - die Herzoge forderten Einkleidung des Herzogs Johann in den Orden und Versicherung der Coadjutorei des Heermeisterthums für denselben, - beides vergeblich.
Endlich machte der Tod den Wirren ein Ende. Der Herzog Christoph starb am 3. März 1592; ihm folgte sein Neffe Johann am 22. März. Durch Christophs Tod erhielt Carl das Bisthum Ratzeburg, und Johanns Tod hob die Verlegenheit des Ordens, das Heermeisterthum zu einer bloßen Versorgungsanstalt zu machen und gewissermaßen mit zwei Herren von Mirow zu verhandeln; so lange Herzog Johann Albrecht lebte, war an eine Einigung wegen der Comthurei nicht zu denken. Jetzt aber ward durch die friedliche Vermittelung des Herzogs Carl alles wieder ins Geleis gebracht. Schon am 23. Oct. 1592 wurden zu Güstrow die Friedensbedingungen verhandelt. Am 27. März 1593 ward endlich der Vergleich, unter Beistand des kurfürstlich=brandenburgischen Raths Dr. Johann Köppen d. J., zwischen dem Herzoge Ulrich und den Gesandten des Heermeisters: dem Comthur Michael von Hagen zu Werben, dem Rath Dr. Christoph Rademann, Professor zu Frankfurt, und dem Ordenscanzler Balthasar Römer, geschlossen: daß die Comthurei Mirow dem Orden restituirt, der Herzog Carl mit der Eidesleistung verschont, jedoch durch Handschlag dem Orden verwandt gemacht und dann mit der Comthurei belehnt werden, ferner daß, so lange die Herzoge Ulrich, Sigismund August, Adolph Friedrich und Johann Albrecht am Leben, vom Orden kein Fremder zur Comthurei Mirow erwählt, sondern die Nomination auf eine dieser fürstlichen Personen, wofern diese sich dem Orden verwandt mache, nach der Ordnung des Alters fallen, nach deren Ableben aber die Comthurei wieder dem Orden mit aller Freiheit anheim fallen solle; die Herzoge sollten ihre alten Rechte behalten, dagegen dem Heermeister jährlich 100 Goldgulden Respons zahlen, auch die rückständigen 2000 GG. entrichten. Am 28. März reversirte sich der Herzog Carl schriftlich gegen den Orden, erhielt die feierliche Anweisung an die Comthurei, welche dann auch dem Orden durch Inventur, Eidesleistung der Unterthanen auf den Heermeister und andere Formalien feierlich restituirt ward.
Hierauf bleibt die Comthurei einige Zeit hindurch in Ruhe. Der Herzog Carl starb am 22. Julii 1610 als re=
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gierender Landesherr, nachdem sein Bruder Ulrich im J. 1603 geschieden war. Auch der Heermeister Graf Martin von Hohenstein starb am 5. Mai 1609 zu Sonnenburg und es folgten ihm in der Meisterwürde hinter einander mehrere Mitglieder des kurfürstlichen Hauses, zuerst Markgraf Friederich bis 1612, darauf Markgraf Ernst. Dem Herzoge Carl folgten in der Landes=Regierung seine Neffen, Adolph Friederich I. und Johann Albrecht II. Die Comthurei Mirow blieb von der Landestheilung im Vertrage zu Fahrenholz 1611 ausgeschieden, da sie nach dem Vertrage von 1593 auf den ältesten Landesfürsten fiel. Der junge Herzog Adolph Friederich I. nahm daher sofort von der Comthurei Besitz und bat demnächst den Markgrafen Ernst um Erlassung des Ritterschlages, der Eidesleistung und der Investitur und um Einweisung in die Comthurei in der Art und Weise, wie sie dem Herzoge Carl überlassen war. Dies ward jedoch nicht bewilligt, vielmehr die Investitur noch vom Heermeister Grafen A. von Schwarzenberg seit 1625 wiederholt gefordert: aber es blieb beim Alten, Responsgelder blieben auch rückständig, um so mehr, da bald der dreißigjährige Krieg seine Verwüstungen auch über Meklenburg erstreckte.
Da ward Wallenstein mit dem Herzogthume Meklenburg begnadigt. Der Heermeister hatte schon am 25. Sept. 1627 von Wallenstein eine "Salvaguardia" für die Comthureien Mirow und Nemerow erhalten und wies hierauf am 22. April 1628 die "Beamten" von Mirow an, diese Comthurei in ihren Rechten für den Orden zu schützen, da sie vacant geworden und dem Orden anheimgefallen sei. Der Herzog Adolph Friederich protestirte dagegen von Mirow aus am 4. Mai 1628 nach Sonnenburg, weil er die Comthurei als Ordensgut besitze, ersuchte auch die friedländischen Räthe am 2. Sept. d. J. von Torgau aus, die Vorräthe, die er seiner Mutter Sophie verkauft habe, dieser verabfolgen zu lassen: jedoch alles umsonst, da Wallenstein die Comthurei nur geschützt hatte, um sie für sich selbst zu nehmen. Nachdem Adolph Friederich am 12. Mai Mirow und sein Land verlassen hatte, erschienen der friedländische Secretair Heinrich Neumann ("ein Jurist"), der Lieutenant Adam Meisner, der Secretair Johann Sturm, ein Corporal und ein Bürger aus Güstrow, um, als friedländische Commissarien, die Comthurei "einzuziehen, weil der Herzog sie etliche Jahre lang gebraucht vnd sich doch darnach habilitirt, Item die Gebühr nicht alle Jahr erlegt" habe. Heinrich Neumann setzte einen " Inspector oder Hauptmann" ein und - die Comthurei war friedländisch geworden. Der Burgvogt von Mirow und der Hofprediger Caspar Wagner, der sich
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damals zu Mirow aufhielt, verlangten Commissorium und Vollmacht zu sehen; dies ward ihnen nicht gewährt. Vielmehr mußten sie, nachdem mehrere Boten nach Güstrow gesandt waren, plötzlich die Comthurei verlassen. Alle Verwendungen des Herzogs, daß ihm die Comthurei bleiben möge, fruchteten nichts.
In der Mitte des Monats Julii 1631 nahmen die Herzoge von Meklenburg wieder Besitz von ihren Landen und Herzog Adolph Friederich gelangte mit bewaffneter Hand auch wieder zur Comthurei Mirow, welche er in den nächsten Jahren durch eine Garnison beschützte. Als nun sein Bruder, Herzog Johann Albrecht II., am 23. April 1636 starb, war Adolph Friederich, der jetzt für sich und in Vormundschaft seines Neffen Gustav Adolph alleiniger Landesherr war, der letzte Herzog, dem die Succession in die Comthurei durch den Vertrag von 1593 zugesichert war. Nicht lange vor der wallensteinschen Zeit (im J. 1625) war der letzte Heermeister (Sigismund August) in der Reihe der brandenburgischen Prinzen gestorben, und der Graf Adam von Schwarzenberg, Herr zu Hohen=Landsberg und Gimborn, kurfürstlich=brandenburgischer erster Geheimer=Rath, der seinen Wohnsitz zu Cölln an der Spree hatte, hatte die Regierung des Heermeisterthums erhalten. Dieser, wenn auch des Kurfürsten Georg Wilhelm Minister, ein katholisch=kaiserlicher Mann, begann mit dem Herzoge Adolph Friederich wieder den alten Streit, grade zu einer Zeit (1636), als Meklenburg von kaiserlichen und schwedischen Kriegsvölkern gleich stark heimgesucht ward. Er verlangte, daß der Herzog 1) persönlich im Ordens=Capitel zu Sonnenburg den Ritterschlag und die Investitur, der sich nie ein Fürst, selbst aus dem kaiserlichen Hause, entzogen habe, annehme und den gewöhnlichen Comthur=Eid leiste, 2) die gewöhnliche Bestallung löse, 3) sich auf herkömmliche Weise bei den Unterthanen als Comthur anweisen lasse, 4) die rückständigen Responsgelder von 1622 bis 1636 mit 1500 GG. nachzahle und 5) dem Orden fortan die gewöhnliche Gebühr erzeige. Der Herzog dagegen verstand sich zu nichts weiter, als zur Annahme der Comthurei durch Handschlag und Anweisung derselben durch eine Deputation, zur Erhaltung der Comthurei für den Orden und Erlegung der laufenden, auch zur Nachzahlung der rückständigen Responsgelder, mit Ausnahme der während der wallensteinschen Occupation aufgelaufenen Summe, welche er jedoch für den Fall eines gütlichen Vergleichs nach seinen Wünschen auch zu entrichten sich bereit erklärte. Der Herzog machte verschiedene Vergleichsversuche,
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zu denen er den Hauptmann Daniel von Plessen auf Hoikendorf in den Jahren 1636 und 1637 zu verschiedenen Malen zum Grafen nach Berlin sandte und hier vorzüglich durch die beim Kurfürsten "viel geltende Auctorität" des Obersten von Burgsdorf, der auch dem Herzoge freundlich gesinnt war, zu wirken suchte. Jedoch war alles vergeblich; der Heermeister wollte nicht einmal die Responsgelder erlassen, welche während der wallensteinschen Zeit fällig gewesen waren, auch nicht die Investitur an einem Substituten vornehmen. Vielmehr erhob er im Sept. 1637 beim Reichshofrath Klage gegen den Herzog und begann einen Proceß, in welchem bis in das J. 1641 sehr umfangreiche Schriften bis zur Duplik gewechselt wurden. Da starb der Graf von Schwarzenberg am 4. März 1641 und im Heermeisterthume trat Sedisvacanz ein; der Ordens=Senior Georg von Winterfeld führte in Nothfällen die Regierung unter der Aegide des Kurfürsten, als Patrons des Ordens. Der Proceß beim Reichshofrath schlief ein. Dagegen trug am 26. August 1642 der Herzog beim Kurfürsten Friederich Wilhelm darauf an, bei des Landes Meklenburg "sehr schlechtem und kläglichem Zustande" dahin bei dem Orden zu wirken, daß der Vertrag von 1593 erneuert und auf die fünf Söhne des Herzogs erweitert, ebenfalls auch die erledigte Comthurei Mirow seinem Neffen Herzog Gustav Adolph von Güstrow überlassen werde. Es war mit dem Kurfürsten und dessen Ministern und mit dem Ordens=Senior und einigen Comthuren bis in das Jahr 1645 hin und her gehandelt: der Herzog bat während der Zeit endlich um Verleihung von Mirow an seinen zweiten Sohn Carl und von Nemerow für seinen Neffen Gustav Adolph; aber es kam kein Ordens=Capitel zu Stande und im Heermeisterthum, wie in den Comthureien blieb es beim Alten. Die Comthurei Nemerow erhielt im J. 1644 der Oberst Henning von Gristow. Als dieser schon im J. 1645 starb, erneuerte der Herzog Adolph Friederich seine Anträge. Ja die Königin Christine von Schweden legte, bei ihrer nahen Verwandtschaft mit den meklenburgischen und brandenburgischen Höfen, für die Prinzen Carl und Gustav Adolph beim Kurfürsten Fürbitte ein. Man verhandelte noch im J. 1646. Da aber schließen die Acten der Comthurei, und der westphälische Friede machte allem Streite ein Ende, indem er die beiden Comthureien den Herzogen von Meklenburg zuschrieb, wenn auch unfruchtbare Forderungen sich bis zum J. 1693 hinschleppten 1 ).
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Königin von Dänemark und Norwegen;
mit
Rückblick auf das frühere Verwandtschaftsverhältniß
zwischen
dem dänischen und meklenburgischen Regentenhause.
Ein Beitrag zur vaterländischen Geschichte 1 )
von
Dr. E. C Werlauff,
Ober=Bibliothekar und
ordentlichem Professor der Geschichte
. zu Kopenhagen,
aus dem Dänischen übersetzt
von
A. G. Masch,
Gymnasial=Lehrer zu Neu=Ruppin.
D er Theil des nördlichen Deutschlands, welchen die Oder, die Elbe und die Weser begrenzen, ward schon vom 6. Jahrhundert an von slavischen Völkern, den Wilzen, Obotriten, Polabiern und Wagriern bewohnt, die aber erst einige Jahrhunderte später durch ihr Abhängigkeits=Verhältniß zu Carl dem Großen hi=
erschien als Einladungsschrift zur Universitätsfestlichkeit bei der Vermählung des Kronprinzen Friederich Carl Christian von Dänemark mit der Herzogin Caroline Charlotte Mariane von Meklenburg=Strelitz am 10. Junii 1841, alsSophia af Meklenborg, Dronning til Danmark og Norge; med Tilbageblik paa de tidligere Slaegtskabsforhold mellem det danske og meklenborgske Regentghuus. Et Bidrag til Faedrelandets Historie af Dr. E. C. Werlauff, Conferentsraad, Overbibliothekar, ordentlig Professor i Historien, Commandeur af Dannebroge og Dannebrogsmand, Ridder af Nordstiernen.
Seitdem ist diese Abhandlung noch einmal gedruckt in: Historisk Tidsskrift udgivet af den danske historiske Forening, III, 1842 p. 1.Indbydelsesskrift til Universitetsfesten i Anledning af deres Kongelige Höiheders Kronprinds Frederik Carl Christian og Kronprindsesse Caroline Charlotte Marianes höie Formaeling. Kjöbenhavn, 1841.
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storisch bekannt wurden. Dies hörte nach und nach unter Carls Nachfolgern zwar auf, in der That aber ward nur die schwächere und entferntere Herrschaft der fränkischen Regenten gegen die nähere und drückendere Uebermacht der sächsischen Herzoge vertauscht.
In den jetzigen meklenburgischen Ländern hatten damals von den genannten Völkern die Obotriten und Wilzen ihren Sitz. Diese Völker standen bald in einem feindlichen, bald in einem freundschaftlichen Verhältnisse zu ihren Nachbaren und Stammverwandten, den Polabiern im jetzigen Lauenburgischen, den Wagriern im östlichen Holstein. Im Norden vor diesen Völkern erstreckte sich die jütische Halbinsel; dem Lande der Obotriten grade gegenüber lagen in einer Entfernung von wenigen Meilen die dänischen Inseln. Grundverschieden waren die Bewohner dieser Lande an Ursprung, Sprache, Religion und Sitten, aber lange standen beide Völker auf einer und derselben Entwickelungs=Stufe; denn fehlte den Slaven auch nicht eine frühere eigenthümliche Cultur, so war dagegen das Licht des Christenthums früher zu den Dänen gedrungen; Natur und Lage bildeten überdies beide, Dänen und Slaven, zu Seefahrern. In der ersten Periode unserer historischen Zeit finden wir einen Verkehr verschiedener Art zwischen diesen Völkern. Früher mögen sie durch Handel und Seeräuberei sich einander kennen gelernt haben. Lange vorher ehe die christliche Lehre beim Volke selbst Eingang fand, hatten aber einzelne slavische Regenten sie angenommen und waren dadurch veranlaßt, Zuflucht bei ihren Glaubensverwandten in Dänemark zu suchen. Doch war es vorzüglich der Länder gegenseitige Lage, nach der alten Erfahrung, daß das Meer Völker mehr verbindet, als trennt, die einen ununterbrochenen, freundlichen oder feindlichen Verkehr fast unumgänglich herbeiführten, und dieser Verkehr übte wieder zu allen Zeiten einen wirksamen und bedeutenden Einfluß auf beider Völker Stellung und Verhältniß. Das ganz Mittelalter hindurch war, bei den steten Volksbewegungen, den nie festen Grenzen zwischen den Staaten und dem ziemlich rechtlosen Zustande, das Verhältniß der Dänen und Slaven öfter feindlich als freundlich; beide Zustände wechselten häufig und nicht selten lagen sie fast neben einander. In einer frühern Periode trafen politische Reibungen in den Ländern der Wagrier und Polabier oft mit den gemeinschaftlichen Interessen bei den Bekehrungs= und Eroberungs=Plänen der fränkischen und sächsischen Regenten zusammen. Seeräuberei und Plünderung der Küsten ward zugleich mit friedlichem Handel getrieben. Späterhin als die dänischen Könige
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ihre Macht jenseit der Ostsee auszubreiten versuchten, konnten die obotritischen Länder zwischen Nordalbingien und Pommern, zwei Hauptzielpuncten der dänischen Eroberungsversuche, dem Schicksale nicht entgehen, mit in das Bereich derselben hineingezogen zu werden, wie es denn vielleicht jene Länder selbst waren, die den dänischen Königen zunächst Veranlassung zu ihren Ansprüchen nach außen gaben. Nachdem dieses künstliche, selbst von dem Oberhaupte des deutschen Reichs anerkannte Gebäude unter Waldemar II. zusammengestürzt war, blieben doch in der Lehnshoheit oder in höherer Stellung anderer Art Ueberbleibsel zurück, welche dänische Könige hinsichtlich der [S. 2.] meklenburgischen Länder sich anmaßten und welche auch dann nicht aufhörten, als diese Länder von 1348 an ein erbliches Herzogthum im deutschen Reiche auszumachen begannen, sondern, wenn auch mehr dem Namen nach, als in der That, noch bis zur Zeit Waldemars Atterdag dauerten.
Dieses Verhältniß, das schon an und für sich zu keinem dauernden guten Vernehmen führen konnte, hinderte dessen ungeachtet nicht, daß nicht bisweilen Annäherungen friedlicher und freundlicher Art, sowohl zwischen Herrschern, als Völkern, in gewissen Beziehungen Statt gefunden hätten. Eheliche Verbindungen knüpften sich zwischen beiden Regentenhäusern; meklenburgische Fürsten erhielten dadurch feste Besitzungen in Dänemark; Klöster wurden von Dänen im Meklenburgischen gestiftet oder dotirt. Daß Rostock und Wismar Privilegien und Handelsvortheile von dänischen Königen erhielten, kann dagegen weniger in Betracht gezogen werden, wenn von Verhältnissen zwischen Dänemark und Meklenburg die Rede ist, da jene Hansestädte sich für ganz selbstständig und unabhängig von den Landesherren hielten, in deren Grenzen sie lagen.
Nachdem Dänemark die veralteten politischen Forderungen an Meklenburg aufgegeben hatte, bildeten sich, wie der Zeitgeist fortschritt, neue Berührungen mit stetigern und fruchtbringendern Resultaten, nämlich wissenschaftliche. Die Universität zu Rostock, 60 Jahre älter als die kopenhagener, ward häufig von dänischen Studirenden besucht; selbst nachdem Dänemark und Norwegen eine eigene Universität erhalten hatten, wählten auswärtig studirende Dänen und Schweden vorzugsweise die Hochschule zu Rostock, so wie man wieder vom 17. Jahrhundert an rostocker Studenten beständig auf der kopenhagener Universität antrifft, vielleicht weil in der größern Hauptstadt mehr Gelegenheit zum Privatverdienst war, als in der kleinern Universitätsstadt. Daß rostocker Gelehrte nicht selten zu Leh=
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rerstellen an unserer Universität oder zu weltlichen Aemtern in Dänemark berufen, daß mehrere dänische Bücher in rostocker Officinen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts oder später gedruckt wurden, daß namentlich ein rostocker Buchdrucker berufen ward, das bedeutendste Werk, welches damals herauskam, die von Christian III. veranstaltete dänische Bibelübersetzung, zu drucken, darf auch nicht unbemerkt bleiben; und hierin hatte zweifelsohne die Nähe des Landes keinen geringen Antheil.
So ist also nicht allein in politischen Verhältnissen und dem Privatleben der Regenten, sondern auch in mercantilischen und wissenschaftlichen Richtungen die Geschichte Dänemarks und Meklenburgs 1000 Jahre hindurch tief und genau verbunden. Jedes dieser Verhältnisse bietet Gelegenheit zu lehrreichen Untersuchungen, zu denen die Materialien nicht fehlen und von welchen man interessante Ergebnisse erwarten könnte. Zeit und Umstände haben jedoch dem Verfasser nicht erlaubt, als Gegenstand dieser Gelegenheitsschrift irgend eine Untersuchung zu wählen, die ein tiefes Erforschen der Quellen forderte. Dagegen hat er als zweckmäßig angesehen, sich auf diejenige Art der bezeichneten Verhältnisse zu beschränken, bei welchen die Gedanken im gegenwärtigen Augenblicke vorzugsweise verweilen müssen, und deren bedeutendes historisches Interesse man nicht verkennen kann, nämlich bei den Verwandtschaftsverhältnissen, welche 8 Jahrhunderte hindurch die dänischen und meklenburgischen Regentenhäuser vereinigt haben.
Unter diesen Verhältnissen giebt es eine Ehe, die besonders des Historikers und Vaterlandsfreundes Aufmerksamkeit verdient, die Friederichs II. und bei dieser, wie überhaupt bei den 16 letzten Jahren des Lebens und der Regierung dieses Königs, wird keiner ohne tiefe Bewunderung seiner edlen, hochherzigen und liebenswürdigen Gemahlin verweilen können. Wäre Sophie von Meklenburg auch nicht Christians IV. Mutter gewesen: ihr langer, ehrenvoller Wittwenstand, ihr ehrwürdiges Alter und ihre ganze Persönlichkeit würden sie stets als einen [S. 3.] der hervortretendsten Charaktere in unserer vaterländischen Geschichte gezeigt haben. Doch die Zeit erlaubt uns auch nicht, Sophie auf ihrer langen, ehrenvollen Lebensbahn zu folgen. Nur die erste und kürzeste, obgleich die in mehrerer Hinsicht wichtigste Periode ihres Hierseins vermögen wir hier zu umfassen, indem wir versuchen, sie als Gemahlin, Theilnehmerin der königlichen Würde, zärtliche Mutter und verständige Erzieherin ihrer Kinder darzustellen.
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I.
Svend Estrithsen (1047-76), der Stammvater des dänischen Königshauses, war der erste König, der sich schon mit einem Fürsten der jetzigen meklenburgischen Länder verschwägerte 1 ). Gottschalk, der Sohn eines slavischen Fürsten, hatte in Knud des Gr. Heere gedient, nahm die christliche Lehre an, heirathete Sigrid, Svends Tochter, und stiftete ein Reich, welches das Land der Wagrier, Polaben und Obotriten, oder das östliche Holstein, Lauenburg und Meklenburg umfaßte 2 ). Er fiel in einem Aufruhr seiner heidnischen Unterthanen 1066, welche darauf, ohne das Erbrecht seiner Söhne anzuerkennen, sich dem Fürsten von Rügen Kruko unterwarfen, der nach der Eroberung Nord=Albingiens, dem wendischen Reiche eine größere Ausdehnung gab. Heinrich, Gottschalks Sohn, ungefähr 1059 geboren, der seit des Vaters Tode seine meiste Zeit bei seinen mütterlichen Verwandten in Dänemark zugebracht hatte, stieß Kruko vom Throne und heirathete seine Wittwe, Slavina 3 ). Um dem eigentlichen slavischen Reiche den nationalen Umfang zwischen der Elbe, Oder und Ostsee zu sichern, verwandelte er die unmittelbare Herrschaft über Nord=Albingien in ein freundschaftliches Bündniß, aber zugleich scheint es, daß er seine Länder unter einem höhern Titel 4 ) beherrscht habe. Er bekriegte seinen Mutterbruder, den dänischen König Niels, der ihm sein mütterliches Erbe in
*) Die lateinischen Buchstaben bezeichnen die Anmerkungen des Originals.
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Dänemark vorenthielt; es gelang ihm jedoch zuletzt, mit Hülfe seines Geschwisterkindes Knud Lavard, für dieselbe Vergütung zu erhalten.
Da Heinrich an der Tüchtigkeit seiner jüngern Söhne, zur Regierung zweifelte, scheint er seinem ebengenannten Verwandten eine Art Aufsicht oder Vormundschaft über sie übertragen 5 ) und ihn sogar, falls sein Stamm aussterben sollte, [S. 4.] zum Beherrscher seines Landes ernannt zu haben 6 ). Nach seinem Tode 1126 7 ) traten seine Söhne, Sventepolk und Knud, die Regierung an, bekriegten sich aber untereinander, und schon 1129 existirte kein Nachkomme Heinrichs mehr 8 ). Knud Lavard erhielt nun die Königswürde über die wendischen Lande, theils vielleicht in Folge einer früheren Uebereinkunft mit Heinrich, theils durch Belehnung des Kaisers Lothar 1129 9 ); ob das Verwandtschaftsverhältniß hiebei auch in Betracht gekommen sei, muß als unentschieden betrachtet werden 10 ). Inzwischen ist es höchst wahrscheinlich, daß Waldemars Ansprüche an
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diese wendischen Länder, ja sogar die nachherigen Bestrebungen der folgenden dänischen Könige, die Oberherrschaft zu erhalten, größtentheils auf ein vermeintliches, ihnen als Nachkommen von Knud Lavard zustehendes Recht sich gegründet haben mögen. In den zwei Jahren, die er nach seiner neuen Würde noch lebte, mußte er einen Aufruhr seiner heidnischen Unterthanen bekämpfen, welcher von zwei eingebornen Häuptlingen Pribislav und Niclot geleitet ward.
Nach Knuds Tode, 1131, theilten diese die wendischen Länder unter sich. Pribislav erhielt Wagrien und Polabien, Niclot das Land der Obotriten. Der erste, ganz gewiß ein Brudersohn Heinrichs 11 ), verfolgte die Christen und führte längere Zeit mit seinen Nachbaren, besonders den Nordalbingiern, einen Krieg, der mit dem Ende des wagrischen Reiches aufhörte und Polabien zu einem deutschen Staate, unter dem Namen der Grafschaft Ratzeburg, umwandelte. Pribislav verschwindet ungefähr mit dem Jahre 1156 aus der Geschichte; ob er Nachkommen hinterlassen habe, weiß man nicht.
Niclot, der wie Pribislav an seiner Väter Glauben hielt, setzte den Krieg mit den Dänen und Heinrich dem Löwen nicht unglücklich fort, fiel aber 1160 im Kampfe mit [S. 5.] ihnen. Da das gesammte meklenburgische Fürstenhaus seine Ahnen von ihm, oder richtiger von seinem Sohne Pribislav herleitet, so ist seine Herkunft ein Gegenstand älterer und neuerer Untersuchungen gewesen, die aber nur auf Vermuthungen hinauslaufen oder auf verschiedene Erklärungen des Ausdrucks, mit welchem Helmold, hier der einzige Quellenschriftsteller, nachdem er Pribislav als fratruelem Henrici bezeichnet hat, den Niclot als majorem terrae Obotritorum (I. c. 49.) aufführt. Unter dem Ausdrucke major verstehen die Schriftsteller des Mittelalters im allgemeinen einen höhern Grundbesitzer Dynasten); aber es fehlt auch nicht an Stellen, wo er gebraucht wird, Personen von fürstlicher Herkunft zu bezeichnen 12 ). Fügt man als historisch erweis=
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lich hinzu, daß wenn auch nicht ein strenges Erblichkeits=Princip, doch eine größere oder geringere Rücksicht auf das herrschende Fürstengeschlecht deutlich durch die ganze älteste Geschichte des obotritischen Landes geht; sehen wir ferner als ausgemacht an, daß Pribislav diesem Fürstengeschlechte angehörte, so bleibt es immer wahrscheinlich, daß Niclot, der mit ihm zugleich zum Regenten erwählt ward, ihm auch nicht ganz fremd gewesen ist, entweder als Sohnessohn von Gottschalks ältestem Sohne Buthue 13 ), oder in irgend einem andern Verhältnisse, welches näher zu bezeichnen Helmold sich nicht hat die Mühe geben wollen oder welches er vielleicht selbst nicht einmal gewußt hat. Wie viele Verwandtschaftsverhältnisse jener Zeit, selbst einer spätern, liegen nicht noch im Dunkeln 14 )!
Von Niclots ehelichen oder dergleichen Verhältnissen weiß man nichts 15 ); er hinterließ jedoch drei Söhne, Pribislav, Wartislav und Prislav. Der letzte würde historisch ganz unbekannt geblieben sein, wenn die dänischen Geschichtsquellen nicht von ihm und seinen Nachkommen Kunde bewahrt hätten. Von diesen weiß man nun, daß Prislav schon bei des Vaters Lebzeiten das Christenthum angenommen hatte und deshalb nach Dänemark flüchten müßte, wo er Catharina, eine Tochter Knuds Lavard, ehelichte. Hier erhielt er auch Belehnungen von Waldemar I. und muß wenigstens bis 1164 16 ) gelebt
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[S. 6.] haben. Zwei Söhne kennt man von ihm. Knud starb 1183 17 ) hier in Dänemark, vermuthlich ohne Nachkommen 18 ), und Waldemar ein Jahr später als Kanonikus am St. Genofeva=Kloster zu Paris 19 ). Daß er auch Töchter sollte hinterlassen haben, beruhet nur auf unbegründeten Vermuthungen 20 ).
Pribislav führte gleich seinen Vorgängern mehrere Jahre Krieg mit dem sächsischen Herzoge Heinrich dem Löwen, welcher sich zuletzt mit ihm aussöhnte und ihm das obotritische Reich übertrug. Vermuthlich nahm zu derselben Zeit, ungefähr 1164, Pribislav die christliche Lehre an; 1170 stiftete er ein Kloster in Alt=Doberan 21 ); 1171-72 folgte er Heinrich dem Löwen auf einer Wallfahrt ins heilige Land; 1178 soll er gestorben sein. Zuverlässige Nachrichten von einer Ehe Pribislav's giebt es nicht. Die ältern, eben nicht kritischen meklenburgischen Schriftsteller nehmen an, daß er drei Mal vermählt gewesen sei: mit Pernille, Tochter Knuds Lavard, Herzogs von Schleswig, mit Woislava, Tochter eines norwegischen Königs Borwin, und mit Mathilde, Tochter des polnischen Fürsten Boleslav. Die erste Angabe muß unbezweifelt aus einer Verwechselung mit der Ehe seines Bruders Prislav herrühren, die dritte von
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dem Sohne Heinrich Borwins, dem auch, obgleich unrichtiger Weise, eine polnische Gemahlin zugesellt wird. Was die zweite betrifft, so hat man schon einen etwas besseren Beweis, da der älteste meklenburgische Chronikenschreiber, Ernst v. Kirchberg, der seine Chronik 1378 schrieb, berichtet, Pribislav sei 1164 mit einer norwegischen Königstochter Woyslava - deren Vater nicht von Ihm, sondern von neueren Quellen Borwin genannt wird - verheiratheten worden, die ihn zum Christenthume bekehrte, nach der Geburt Heinrich Borwins 1172 starb [S. 7.] und in Alt=Doberan begraben ward. Bei diesen chronologischen Angaben muß hier ein Irrthum sich eingeschlichen haben, da nämlich Heinrich Borwin 1178, als sein Vater starb, sowohl verheirathet, als mündig war. Daß aber die Sage von einer Woizlava als Stifterin des Klosters Alt=Doberan (claustri fundatrix, richtiger, als derjenigen, die die Stiftung veranlaßte und beförderte, welche historische Quellen dem Pribislav selbst zuschreiben,) und als Landesbeherrscherin (terrae domina) älter sein muß, als Kirchbergs Chronik, geht aus einigen in neuester Zeit entdeckten Inschriften des erwähnten Klosters hervor 22 ).
Daß kein norwegischer König Borwin existirt hat und Woizlava kein norwegischer Name war, bedarf keines weitern Beweises. Nehmen wir indeß an, daß etwas Factisches dennoch hier zum Grunde liegen muß, so kann man sich denken, daß Pribislav vermählt gewesen sei mit einer Tochter des Buris, des Sohns von Heinrich Skadelaar, (Svend Estridsons Enkel), dessen mütterliches Geschlecht aus Norwegen stammte, dessen slavischer Name in einen andern ähnlichen verwandelt ward, wie der norwegische Name der Tochter in das slavische Woizlava (Kriegsehre), und dessen Sohn nachher die Namen des Großvaters mütterlicher Seite und des Eltervaters in den Namen Heinrich Borwin vereinigte, 23 ). Wenigstens fehlt es nicht an dergleichen Verunstaltungen des Verwandtschaftsverhältnisses, indem die Schriftsteller die Identität der Personen und des Landes unrichtig auffaßten 24 ). Könnte jene Muthmaßung je zur historischen Gewißheit erhoben werden, so würde
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die Abstammung des meklenburgischen Fürstenhauses von dem Stammvater des dänischen dadurch bewiesen sein. Auf der andern Seite wäre es wohl denkbar, theils wegen der chronologischen Schwierigkeiten, die jene Erklärung an sich hat, sowohl in Hinsicht des Alters Heinrich Borwins, als des dänischen Buris 25 ), theils wegen gänzlichen Stillschweigens Helmolds und des lübecker Arnold hierüber, daß, selbst in den älteren Quellen der meklenburgischen Geschichte, eine Verwechselung der Gebrüder Pribislav und des an eine dänische Herzogstochter vermählten, in seinem Vaterlande nur wenig gekannten Prislav, [S. 8.] statt gefunden habe, wobei man zugleich annehmen muß, daß die ganz slavischen Namen Borwin und Woizlava willkührlich untergeschoben seien 26 ). Meklenburgs neuere Geschichtschreiber, Rudloff und v. Lützow, scheinen diese Ansicht zu adoptiren, indem sie weder von Woizlava, noch sonst von der Ehe Pribislav's sprechen 27 ). Wer nun Heinrich Borwins Mutter war, weiß man nicht gewiß; aber ist er von mütterlicher Seite auch nicht mit dem dänischen Königshause verwandt gewesen, so war er wenigstens doch damit verschwägert, da der dänische König Knud VI. und er Schwiegersöhne des Herzogs von Sachsen, Heinrichs des Löwen, waren.
Als Heinrich der Löwe dem Pribislav das obotritische Land übertrug, ward Schwerin ausgenommen und zu einer Grafschaft gemacht, die in späteren Zeiten den meklenburgischen Landen einverleibt ward. Von jener Grafschaft war die einzige, - man kann sie eine meklenburgische Fürstentochter nennen, - welche im Mittelalter in das dänische Königshaus verheirathet ward, Ida, die Tochter des Grafen Gunzel II. von Schwerin. Sie ehelichte den Grafen Niels von Halland, den natürlichen Sohn Waldemars II., und zu ihrer Mitgift ward die halbe Grafschaft nebst Schloß verschrieben. Als nun Graf Niels ungefähr 1219 starb, nahm Waldemar II. von der Hypothek für seinen unmündigen Enkel und im Falle dessen
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Ablebens für sich Besitz 28 ). Des Königs Verfahren bei dieser Gelegenheit, sein immer deutlicher hervortretender Plan, mit den übrigen an die Ostsee grenzenden slavischen und deutschen Ländern sich auch das schwerinsche Land zuzueignen, brachte den Grafen Heinrich, den Oheim der inzwischen auch verstorbenen Gräfin, nach seiner Heimkehr von einer Wallfahrt und nachdem er vergebens in den König gedrungen, ihm das Land seiner Väter wiederum zurückzustellen, zu dem dreisten und verzweifelten Schritte, 1223 den König und dessen ältesten Sohn gefangen zu nehmen. Diese Katastrophe stürzte Dänemarks Principat im Norden, obgleich die folgende Zeit darthut, daß dessen Oberherrschaft über mehrere norddeutsche Länder, namentlich die meklenburgischen, bei dieser Gelegenheit nicht ganz aufhörte. Uebrigens ging Nielsen's und Ida's Geschlecht hier in Dänemark sehr tragisch zu Grunde. Der Enkel, Graf Jacob von Halland, trat als ein Haupttheilnehmer in der Verschwörung gegen Erich Glipping (den Blinzler) auf; seine zwei einzigen Söhne wurden 1314 hingerichtet.
Die meklenburgischen Historiker sind darüber einig, daß der Enkel Borwins I., Heinrich oder Borwin III., Herr zu Rostock († ungefähr 1278), zum zweiten Male 29 ) mit einer dänischen Prinzessin, Sophia (bei andern Margarethe), entweder einer Tochter Erichs Plovpenning, oder Abels, verheirathet gewesen sein soll 30 ). Mehrere Gründe machen [S. 9.] indessen wahrscheinlich, daß vielmehr der genannten Könige älterer Bruder Waldemar, gekrönter König und Mitregent seines Vaters, ihr Vater gewesen sei, und man kann
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annehmen, daß nach diesem Heinrich Borwins zweiter Sohn genannt ward 31 ).
Unter den verschiedenen Linien, in welche die meklenburgischen Länder im Mittelalter getheilt waren, verdient die werlesche unsere besondere Aufmerksamkeit. Nicolaus I., der ältere Bruder Heinrich Borwins III., stiftete sie 1237: sie blühete 200 Jahre (bis 1436), und ein Abkömmling dieser Linie gründete einen neuen, über den ganzen Norden verbreiteten Herrscherstamm. Der Enkel des Stifters, Nicolaus II. (ungefähr 1284), heirathete ungefähr 1293 Richiza oder Rixa, die Tochter Erichs Glipping, mit welcher er in ihrem vierten Jahre verlobt und welche nachher im Kloster Dobbertin erzogen ward 32 ). Zur Mitgift bekam er viele Güter in Dänemark, auch, wie es scheint, Falster und Mön 33 ), und sein Ansehen ward durch diese Ehe nicht wenig vermehrt. Er soll am 27. Octbr. 1308 34 ) gestorben sein, und hinterließ zwei Kinder, einen Sohn Johann, welcher dem Vater in der Regierung über den Werle=Parchimschen Antheil († 1352) folgte, und eine Tochter Sophia. Diese ward 1310 mit dem schwedischen Herzoge Magnußen verlobt, und nachdem diese Verlobung 1311 wieder aufgehoben ward 35 ) und ihr Vater sich verpflichtet hatte, sie nicht ohne Einwilligung ihres Onkels, des Königs Erich Menved, zu verheirathen 36 ), ehelichte sie den Grafen Gerhard den Großen von Holstein 37 ). Durch den ältesten Sohn dieser Ehe, Heinrich (den eisernen), ward Sophia von
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Werle, oder richtiger ihre Mutter, Richiza von Dänemark, Stammmutter des oldenburgischen Königshauses. Unter anderen Verhältnissen hätten Abkömmlinge von Richiza's Sohn, Johann von Werle=Parchim (Goldberg), möglicher Weise den dänischen Thron besteigen können.
Aber schon vor dieser Periode hatten sich, wie es schien, bereits nähere Aussichten für das rneklenburgische Haus eröffnet, den Fürstenhut mit der dänischen Königskrone zu vertauschen. Die älteste Tochter Waldemars Atterdag, Margarethe (geb. 1345), ward, kaum 5 Jahre alt, mit Herzog Heinrich (Suspensor), Bruder des schwedischen Königs Albert, verlobt, beide Söhne von Albert, dem ersten Herzoge von Meklenburg, und Euphemia, Schwester des schwedisch=norwegischen Königs Magnus Smeck. Da sie in demselben Jahre starb, trat ihre jüngere Schwester Ingeborg (geb. 1347) an ihre Stelle, und die Hochzeit [S. 10.] ward 1362 gefeiert 38 ). Ein Sohn und drei Töchter waren die Frucht dieser Ehe, und da Waldemars Atterdag ältester Sohn Christoph 1363 starb, ward Albert von Meklenburg als präsumtiver Thronfolger angesehen. Nach dem Tode der Mutter 1370 ward im folgenden Jahre zwischen dem dänischen Könige und Herzog Albrecht ein Uebereinkommen getroffen, wodurch das Recht des jungen Albert zum Throne anerkannt ward, wenn der König keine männlichen Leibeserben hinterlassen sollte 39 ). Dies traf bei Waldemars Tode 1375 ein; doch die Partei für Albert war in Dänemark nur schwach, obgleich Kaiser Carl IV. seine Forderungen unterstützte 40 ). Durch seiner Mutter Einfluß ward Oluf, der Sohn Margarethens, der jüngern Tochter Waldemars, 1376 zum dänischen Könige gewählt, und durch einen Vergleich zwischen den meklenburgischen Herzogen und dem dänischen Machthaber die Wahlfreiheit der Stände anerkannt, Oluf bestätiget, zugleich aber auch die Zusicherung gegeben, daß Albert, dem Tochtersohne
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Waldemars, diese Wahl an seinen Rechten nicht schaden solle, alles nach dem nähern Erkenntnisse der ernannten Schiedsrichter 41 ). Diese Rechte scheinen jedoch weder gefordert, noch erfolgt zu sein, und eine praktische Anerkennung der Rechte der dänischen Königstöchter und ihrer Nachfolger zum Throne war also das einzige wichtige Ergebniß dieser ganzen Verhandlung. Als Alberts Großvater väterlicher Seite 1379 gestorben war, legte er den Königstitel nieder, führte bloß den Namen eines Erben von Dänemark, so wie er auch fortfuhr, das dänische Wappen in seinem Siegel zu gebrauchen 42 ). Er selbst starb ohne Erben 1388, ein Jahr nach Oluf, seinem Geschwisterkinde und Mitbewerber um den Thron. Wenige Jahre nachher kam indessen die dänische Krone auf die weibliche Linie dieses Hauses, als Erich von Pommern, ein Sohn Marias, der Schwester Alberts, die an den Herzog Wratislav von Pommern verheirathet war, den Thron bestieg und sein Schwestersohn Christoph von Bayern nach ihm folgte.
Das Wahlrecht, welches 1376 von den Reichsständen bestätigt worden war, ward von ihnen geltend gemacht, als der letztgenannte König ohne Leibeserben gestorben war (1448). Sie wählten den Grafen Christian von Oldenburg, einen Sohn Dietrichs des Glücklichen und Hedewigs 43 ), die im fünften Gliede aus Nikolaus des Ersten von Werle [S. 11.] Ehe mit Richiza, Tochter Erichs Glipping, herstammte. So wurden durch das meklenburgische Fürstenhaus die Dänenkönige der oldenburgischen Dynastie an den alten Königsstamm gebunden, welcher fünf Jahrhunderte das Reich beherrscht hatte.
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Läßt sich jene Abstammung zwar unwiderruflich beweisen 44 ), so treten doch immer noch Zweifel auf, ob nicht politische mehr als verwandtschaftliche Rücksichten die Wahlen zu einer Zeit geleitet haben, wo kein bestimmtes Successionsgesetz existirte, und überhaupt ob jene die mehr als anderthalb Jahrhunderte alten Verhältnisse so ganz klar und richtig erkannt haben. Gleich allen Studien waren damals auch die genealogischen sehr unvollkommen, die dazu nöthigen Quellen sehr mangelhaft, und historische Kritik gab es nicht. Die Art und Weise, wie Herzog Adolph selbst seines Schwestersohns Christian des Ersten Abstammung aus dem alten dänischen königlichen Geschlechte herleitete 45 ), beweiset eben so wenig, als die Erklärung des norwegischen Reichsrathes über Christians Verwandtschaft mit dem alten norwegischen Königsstamme, daß jenes gewiß ziemlich verwickelte Verhältniß richtig aufgefaßt worden.
II.
Sophia, die erste meklenburgische Prinzessin, die in das oldenburgische Königshaus eintrat, kam nicht als eine ganz Fremde her. Durch ihre Mutter nicht nur, sondern auch durch andere Verwandte stand sie dem Königshause nahe. Ueber dieses Verhältniß, welches gewiß nicht ohne Einfluß, sowohl auf die Wahl des Königs, als auch auf ihre eigene Stellung und ihr Auftreten in der folgenden Zeit war, sind die wesentlichsten Momente hier vorangeschickt.
Herzog Albert der Schöne, im 5ten Gliede von dem ersten Herzoge Meklenburgs stammend, war bekannt als der schönste und stärkste unter den Fürsten seiner Zeit, tapfer und thätig, doch mehr in einer abentheuerlichen, als nützlichen Weise.
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Verlobt 1521 und vermählt 1524 mit Anna von Brandenburg, Tochter des Kurfürsten Joachim I. und Elisabeth, Schwester Christians II., hatte er schon lange der Sache seines unglücklichen Mutterbruders sich eifrig ergeben gezeigt. Hauptsächlich wohl dieser Verwandtschaft wegen wählte ihn Lübeck 1535 zum Anführer seiner Kriegsmacht im Norden, und eine Partei in dieser Hansestadt bot ihm und seinem älteren, ver= [S. 12.] ständigeren Bruder Heinrich, die drei nordischen Kronen an, die, wie Albert wenigstens glaubte, ihnen ohne Schwierigkeit zu Theil werden mußten 46 ). Bekanntlich schlug diese Hoffnung fehl. Obgleich aber Christian III., sowohl während Kopenhagens Belagerung, deren Schrecken der Herzog mit seiner Gemahlin theilen mußte 47 ), als auch bei der darauf folgenden Capitulation dem Herzoge viel Aufmerksamkeit und Schonung gezeigt hatte; obgleich dieser ferner während seiner 11 übrigen Lebensjahre nicht im Stande war, von dem Schwager Christians II., dem Kaiser Carl V., etwas anderes als Verheißungen und leere Hoffnungen für die in diesem Kriege von ihm selbst aufgewandten bedeutenden Kosten zu erhalten, eine Forderung, welche als Erbschaft auf seine Nachkommen überging und beim
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westphälischen Frieden noch zur Sprache kam 48 ), fuhr er dennoch fort, selbst nachdem er mit Christian III. verschwägert worden war, zum Theil wohl wegen seiner Ergebenheit für den Katholicismus, die Pläne des Kaisers gegen die nordischen Reiche, namentlich gegen Dänemark, zu unterstützen. Da sein zweiter Bruder jung starb und des ältesten, Heinrich des Friedlichen, Nachkommenschaft schon im zweiten Gliede erlosch, so war er es allein, der das meklenburgische Fürstenhaus in seinen verschiedenen Linien fortpflanzte.
Die erste dieser ehelichen Verbindungen, die drei Jahrhunderte hindurch dieses Fürstenhaus so nahe mit dem dänischen Königsstamme verknüpfte, ward 1543 geschlossen, als Alberts Brudersohn, Herzog Magnus, Bischof von Schwerin, Elisabeth, Friedrichs I. zweite Tochter, heirathete. Nach Alberts Tode (1547) ehelichte sein ältester Sohn, Johann Albrecht I., (1555) Anna Sophia, Tochter des ersten Herzogs von Preußen, Markgrafen Alberts von Brandenburg, und Dorothea's, Friedrichs I. Tochter. Magnus' Vetter Ulrich, Herzogs Albert jüngerer Sohn, ward sein Nachfolger in der Ehe mit Elisabeth, so wie Herzog Christoph, Bischof von Ratzeburg, Ulrichs jüngerer Bruder, sich 1573 mit Elisabeths, damals 45 Jahre alten, Schwester Dorothea ver= [S. 13.] mählte 49 ). Herzog Johann, Johann Albrechts Sohn, vermählte sich 1588 mit Sophia, einer Tochter Herzog Adolphs, Sohnes Friedrichs, I., des Stammvaters des holstein=gottorpschen Hauses, und so wurden in einem Zeitraume von
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45 Jahren fünf Ehen zwischen vier weiblichen Nachkommen Friedrichs I. und Fürsten des meklenburgischen Hauses geschlossen, aus welchem in derselben Zeit eine Fürstentochter in das dänische Königshaus überging und Stammmutter eines ausgebreiteten und glänzenden Geschlechts ward.
Von den genannten Personen muß Elisabeth, Friederichs des ersten Tochter uns vor Allen interessiren, theils wegen ihrer eigenen Persönlichkeit, theils als Mutter einer so ausgezeichneten und bedeutenden dänischen Königin, auf deren Erziehung und Bildung sie einen so entschiedenen Einfluß übte, auf welche ihr Geist, ihre ganze Eigenthümlichkeit sich vererbt zu haben scheint.
Elisabeth ward am 14. Octbr. 1524 geboren; ihre Mutter war Sophia von Pommern. Erst 9 Jahre alt, als ihr Vater starb, soll sie, obgleich ihre Mutter noch bis 1568 lebte, ihre Erziehung vorzüglich von Christian III., ihrem Halbbruder, erhalten haben 50 ). In ihrem 19ten Jahre ward sie mit Herzog Magnus, einem gelehrten Fürsten und dem ersten Bischofe von Schwerin, der sich verheirathete 51 ), vermählt; aber, schwächlich von Gesundheit, starb er nach 7 Jahren (1550) ohne Leibeserben. Seine Wittwe ging zurück nach Dänemark 52 ), wo sie sich 6 Jahre später (1556) mit Herzog Ulrich vermählte 53 ), dem Geschwisterkinde und Nachfolger
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ihres Gemahls in der schweriner Bischofswürde. Die einzige Frucht dieser Ehe war Sophia.
Elisabeths Aeußeres wird als schön und anmuthig beschrieben; auch Herzog Ulrich soll, wie sein Vater, durch Schönheit und würdigen Anstand sich unter den deutschen Fürsten der Zeit ausgezeichnet haben 54 ). Nach dem einstimmigen [S. 14.] Zeugnisse der Zeitgenossen, dessen Wahrhaftigkeit nicht mit Grund zu bezweifeln ist, vereinte sie die besten Eigenschaften des Herzens und des Verstandes. Fromm und gottesfürchtig, las sie täglich in der Bibel und in Luthers Schriften und ging fleißig zur Kirche. Mit dem Gedanken an ihren Tod war sie ganz vertraut und schon bei ihren Lebzeiten hatte sie Sarg und Grabkleider fertig. Sie war mäßig in Essen und Trinken und nahm nicht gerne neue Moden an. Dürftigen Kranken, besonders Wöchnerinnen, half sie mit Geld und Arzenei; arme, hoffnungsvolle Studenten unterstützte sie von ihrem Leibgedinge. Ihr Hof war eine Schule der Arbeitsamkeit, Sparsamkeit und strenger Sittlichkeit; junge adelige Fräulein, besonders solche, die ihr nicht in guten Verhältnissen und Umgebungen zu leben schienen, nahm sie zu sich, sorgte für ihre Erziehung und Bildung, hielt sie zur häuslichen Arbeit, besonders zum Spinnen und Weben an und trug dann Sorge, durch eine passende Heirath ihre Zukunft zu sichern. Gegen ihre Untergebenen zeigte sie Freundlichkeit mit Ernst verbunden. Durch ihre haushälterische Thätigkeit erleichterte sie ihres Gemahls Regierungsbürde in wichtigen Stücken und machte sich hoch verdient um sein Land. Nicht allein die zu ihrem Leibgedinge gehörenden Güter kannte sie, sondern auch mit den Schlössern und Höfen des Herzogs machte sie sich genau bekannt; sie verbesserte Ackerbau und Viehzucht, pflanzte Wälder, legte Stutereien an, die sehr nützlichen Einfluß auf die meklenburgische Pferdezucht hatten, und sorgte für die Instandehaltung der Wege. Im Sommer stand sie zeitig auf und besuchte, begleitet von wenigen Hofdamen, die nahen Höfe, um nachzusehen, ob das Gesinde zur rechten Zeit bei der Arbeit und Alles in Ordnung war; die Frauen und Töchter der Bauern mußten auch für sie spinnen. Alle herzoglichen Höfe wurden durch sie mit Betten und Hausgeräthe versehen, welches herbeizuschaffen, wenn der Hof umherreiste, sonst den Unterthanen auflag. Sie interessirte sich eifrig für alle vorkommenden Bauten; die Domkirche zu Güstrow ward durch ihr Bestreben
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ausgebaut und mit prachtvollen genealogischen Monumenten des meklenburgischen Fürstenhauses geschmückt; eben so die Klosterkirche in Doberan, in welcher die alten Fürsten ihre Ruhestätten hatten, die aber nach der Reformation verfallen war; mehrere Klöster für adelige Wittwen und Jungfrauen, Hospitäler, Armenhäuser und Schulen ließ sie theils erbauen, theils im Stande halten und verbessern 55 ). So bewahrt das meklenburgische Land noch viele Andenken von dem heilbringenden Wirken dieser edlen Frau.
Elisabeth hatte die Freude, ihre einzige Tochter glücklich mit dem Sohne eines Bruders vermählt zu sehen , dessen Andenken ihr lieb und theuer war. Ihr Verhältniß zum Schwiegersohne und dessen Hause werden wir in der Folge kennen lernen. Im Jahre 1586 starb sie während eines Besuches in Dänemark. Ihre Leiche ward wenige Tage darauf nach Meklenburg hinübergeführt und in der Domkirche zu Güstrow beigesetzt. Ein prachtvolles Mausoleum daselbst zeigt sie, Herzog Ulrich und seine andere Gemahlin, Anna von Pommern, knieend, in Lebensgröße aus weißem Marmor 56 ).
III.
[S. 15.] Sophia von Meklenburg, UIrichs und Elisabeths Tochter, ist in Wismar am 4. Septbr. 1557 geboren 57 ). Von ihren früheren Jugendjahren weiß man nichts; aber auf ihre Erziehung und Bildung können wir von ihrer Mutter Charakter und ihrem eigenen späteren Wandel schließen. Unsere Aufmerksamkeit zieht sie erst seit der Zeit auf sich, wo sie, noch nicht volle 15 Jahre alt, den Thron des Zwillingsreiches bestieg. Die lange Reihe von fast 60 Jahren, welche die
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Vorsehung ihr vergönnte, für ihr neues Vaterland zu wirken, zerfällt in zwei Zeiträume. Im ersten lernen wir sie kennen als Gemahlin und regierende Königin, im zweiten als Wittwe, Verwalterin beträchtlicher Güter, als des Königs und Landes weise Rathgeberin; ihr mütterliches Wirken umfaßte beide Zeiträume und endete erst mit ihrem Leben.
Friedrich II. entschloß sich erst zur Ehe, nachdem er sein 37stes Jahr vollendet und 13 Jahre regiert hatte. Die Ursache, warum er diesen für das Volk und die Dynastie gleich wichtigen Schritt länger als irgend einer seiner Vorgänger auf dem Throne aussetzte, soll vornehmlich der Krieg mit Schweden gewesen sein, der erst durch den Frieden zu Stettin 1570 endigte. Ob nun, so lange des Königs Mutter, die verwittwete Königin Dorothea, lebte, andere Hindernisse und Bedenklichkeiten, z. B. das doppelte Leibgedinge, im Wege gewesen, ist unbestimmt; gewiß ist, daß er einen Monat nach dem Tode seiner Mutter (7. Octbr. 1571) seinen Entschluß gefaßt hatte 58 ). Daß aber außer den erwähnten ostensiblen Gründen noch einige nicht allgemein bekannte Ursachen vorhanden gewesen sein müssen, daß Friedrich II. so lange unverheirathet blieb, gehet deutlich aus folgender bemerkenswerthen Stelle in A. S. Vedels Leichenpredigt auf den König hervor (fol. C. I.), die in wörtlicher Uebersetzung also lautet:
"Indessen hatte Sr. Gnaden auch in ein gottselig Bedenken genommen, daß es nun beinahe hohe Zeit sei, daß S. G. zur Ehe nehme eine gottesfürchtige Person von gutem Stamme und guter Herkunft, damit Gott der Allmächtige segnen möge S. G., daß er hinterlasse Leibeserben und auch den, der nach ihm zu seiner Zeit vorstehen könne Land und Reich. Was für Anschläge hiezu gemacht wurden, wissen die am besten, die dabei gebraucht wurden und nun mehrentheils bei dem Herrn sind. Es muß aber Jedermann, zu Gottes heiligen Namens Ehre und zu Anderer gottseligem Nachstreben, bekannt sein, daß wenn Sr. K. Majestät nicht Gott den Allmächtigen mehr zu Rathe gezogen, als Menschen, und Gott Sr. G. durch einige wenige fürnehme getreue Räthe nicht ernstlich hätte ermahnen lassen, man überzeugt sein kann, daß es etwas anders gekommen sein würde,
postquam materno justas a funere curas
rex revocat, primis iterum sese ignibus infert,
conjugio animum advertit.
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"als es, Gott Lob, nachher kam. Ein Beispiel, daß der= jenige, welcher ernstlich sich auf den allmächtigen Gott im Himmel verlässet, nie zu Schanden wird, sondern wunderbar, wie Gott mit seinen Heiligen zu thun pflegt, auf den rechten Weg geführt wird, vor den Augen aller seiner Feinde."
Es ist klar, daß Vedel besser unterrichtet gewesen ist, als er es für rathsam gefunden hat drucken zu lassen. Ohne [S. 16.] Zweifel werden die Gedanken an die Neigung sich heften, die, nach dem Berichte Neuerer, der König für eine Tochter seines Hofmeisters, während er in Malmö residirte, nachherigen Reichs=Hofmeisters Eiler Hardenberg, gefaßt hatte, und die er sogar hätte heirathen wollen, wenn der Vater selbst es nicht abgewehrt hätte 59 ). Für dies vermeintliche Factum, oder richtiger Mährchen, giebt es keine Auctorität, so wie mehrere Umstände für die Unwahrscheinlichkeit sprechen, wenigstens so, wie es von den genannten Verfassern dargestellt ist. Herr Eiler Hardenberg, welcher von 1544-51 Gulland zu Lehn gehabt hatte und 1552 in Dänemark war, ward 1554 wiederum Lehnmann auf Malmöhuus und zugleich des Prinzen Hofmeister, d. h. der, welcher seinem Hofhalte in Malmö vorstand. Bei der Krönung des Königs 1559 ward er Reichshofmeister und erhielt die Ritterwürde; 1562 ging er an der Spitze einer Gesandtschaft nach Rußland. Bei dieser Gelegenheit mochte er sich aber des Königs Mißvergnügen zugezogen haben, denn von diesem Jahre an erhielt er davon wiederholte Beweise in stets ernsteren, ungnädigeren Briefen, bis er denn am 3. Julii 1563, wegen Altersschwäche, wie es hieß, im Grunde aber in halber Ungnade, seinen Abschied als Reichshofmeister und Reichsrath erhielt und ein halbes Jahr nachher gestorben sein soll. Wedel hat also Unrecht, wenn er sagt: "er war S. G. Hofmeister bis zu seinem Sterbetage 60 )." Allgemein giebt man ihm zwei Töchter, Mette und Kirstine: jene starb auf Gulland, diese in Dänemark gegen 1570, beide sehr jung. Sollte der König nun an eine Ehe mit letzterer gedacht haben, so
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müßte es doch wohl vor 1562 gewesen sein, wo die Ungnade des Vaters begann, die man aber auch als durch dessen Nichteinwilligung entstanden sich denken kann; doch hatte damals der Krieg mit Schweden noch nicht begonnen und noch weniger konnte man dessen lange Dauer vorhersehen, daß also von dieser Seite keine Nothwendigkeit für den König vorhanden war, seine Verheirathung noch 10 Jahre auszusetzen. Nach den bisher bekannten Quellen muß man also diese Sage als nicht aufgeklärt betrachten, obgleich man auch nicht denken kann, daß sie jedes historischen Grundes baar gewesen sein sollte. Und hat Vedel nicht auf diesen Vorfall gedeutet, so hat er an eine Ehe Friederichs II. mit Maria Stuart gedacht, die gleich nach des Königs Regierungsantritt auf der Bahn gewesen sein soll 61 ).
[S. 17.] Nach reiflicher Ueberlegung zog der König es endlich vor, sich nach Meklenburg, dem nächsten fremden Fürstenthume, zu wenden, dessen Regentenhaus mit dem dänischen verschwägert war, dessen damals regierender Herzog Ulrich, vereint mit seinem älteren Bruder Johann Albrecht, in dem Kriege mit Schweden sich so freundlich gegen Dänemark gezeigt hatte und unverdrossen Theil genommen an der schwierigen Vermittelung zwischen dem Könige und den schleswig=holsteinschen Herzogen in Betreff des schleswigschen Lehnsverhältnisses. Im November stellte sich der Herzog nebst Gemahlin und Tochter auf des Königs Einladung ein. Sie nahmen den nächsten und gewöhnlichsten Weg über Falster, wo der König auf Nyköping=Schloß sie empfing und wobei die Prinzessin Gelegenheit hatte, die Gegenden kennen zu lernen, die einst so viel Bedeutung und Werth für sie erhalten sollten. Nachdem sie sich hier einige Tage mit der Jagd vergnügt hatten, begaben sie sich über Lolland und Wardingborg nach Seeland, wo sie besonders auf Friedrichsborg sich aufhielten; nach Kopenhagen kamen sie das Mal nicht 62 ). Der König lernte die anmuthige Sophia kennen 63 ), die einige Monate vorher ihr 14. Jahr erreicht hatte, und seine Wahl, von welcher er gegen
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seine Umgebungen bisher nichts geäußert hatte 64 ), ward von ihm bei sich bestimmt. Die Prinzessin erhielt den Antrag und die Eltern gaben ihre Einwilligung; nur hegte man in Folge der Zeitansichten einige Bedenklichkeiten wegen des nahen Verwandtschaftsverhältnisses, da, wie angeführt, des Königs Vater und die Mutter der Prinzessin Halbgeschwister, sie selbst also Geschwisterkinder waren. Der König sandte deshalb seinen Hofprediger und Vertrauten, Niels Kolding, nach Kopenhagen, um das Bedenken des Bischofs und der theologischen Fakultät einzuholen, und erst als er mit der einstimmigen Erklärung, daß die gewünschte Verbindung zulässig sei, zurückkam, ward die Verlobung bekannt gemacht und die Vermählung zum nächsten Sommer hier in Dänemark festgesetzt 65 ). Nach einigen Wochen reiste der Herzog mit seiner Familie der vorgerückten Jahrszeit wegen zu Lande zurück; der König [S. 18.] begleitete sie durch Fühnen nach Kolding, von wo sie durch die Herzogthümer in ihre Heimath zogen.
Zum Vermählungsfeste im Sommer 1572 fand sich hier in Kopenhagen eine zahlreiche und glänzende Versammlung ein 66 ). Zuerst, am 4. Juli, kam die Braut mit ihrer Mutter und weiblichem Gefolge 67 ), kurz darauf der Braut Vater mit dem Schwager des Königs, dem Kurfürsten August von Sachsen, und der Kurfürstin Anna, des Königs Schwester, von Warnemünde über Falster. Dann kamen zwei der schleswig=holsteinschen Herzoge, nämlich des Königs Onkel, Johann der Aeltere, und dessen Bruder, Johann der Jüngere, nebst ihren Gemahlinnen, desgleichen die Gesandten fremder Fürsten und, der Gewohnheit gemäß, die Gesandten der Hansestädte,
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welche köstliche Brautgeschenke brachten. Auch viele Adelige des Reichs denen es angesagt worden war, stellten sich mit ihren Frauen und Töchtern ein, und vierzehn Tage währte es, bevor alle Hochzeitsgäste versammelt und die nächsten Vorbereitungen geschehen waren.
Die Hochzeit ward am Sonntage, dem 20. Juli, auf dem Schlosse zu Kopenhagen gefeiert, die Trauung von dem deutschen Hofprediger Christoph Knopf verrichtet. Die Krönung der Königin fand am Tage darauf in der Frauenkirche statt, wo alle dänischen Krönungen von der Reformation an bis zur Souveränität geschehen sind. Das bei ähnlichen Gelegenheiten gewöhnliche Ceremoniell, die unter ihrer Last sich beugenden Tafeln auf dem Schlosse und der Flotte, die sogenannte "Fechtschule" (ein eigentliches Turnier oder "Rennen und Stechen" fand nicht statt), die bei Fredriksborg, Kronborg und an anderen Stellen veranstalteten Jagden bieten keinen uninteressanten Beitrag zu den Sitten und der Hofgeschichte damaliger Zeit, können aber um so mehr hier übergangen werden, da es an umständlichen Beschreibungen aus damaliger Zeit nicht fehlt 68 ).
Bereits vor der Ankunft der Königin waren die nöthigen Bestimmungen hinsichtlich ihrer Stellung und Rechte hier im [S. 19.] Reiche, wenn sie den König überleben sollte, getroffen.
Aehnliche Geschenke vertheilte der König an das meklenburgische Gefolge; fünf von den herzoglichen Räthen erhielten goldene Ketten mit des Königs Bild; Ryge P. Oxe's Levnet S. 264. Endlich wurden auch mehrere Verbrecher aus den Gefängnissen entlassen. Joh. Slangendorpii oratio funebris in obitum Friderici II, recitata in academia Hafniensi (Hafn. 1588. 8.) fol. D. I."skiönne Krandse vor giordt udaf puurt Guld
af Perler og Aedelstene vore de fuld."
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Zu ihrem Leibgedinge wurden ihr Laland und Falster ausgesetzt, mit Ausnahme der Handelsstädte Naskow, Saxkoping, Nystadt und Stubköping, des Fleckens und Klosters Maribo, und behielt die Krone sich die Landeshoheit, den Zoll und die Accise, die Roßdienste des Adels, u. a. m. vor. Der Adel auf den Inseln behielt seine Freiheiten und Privilegien; die Aemter wurden nach alter Gewohnheit von eingebornen Adeligen besetzt; von den Beständen (Substanz) der Güter sollte nichts veräußert, Holz nur zum Bedarf gefällt werden. Ihre Kleinodien, ihre fahrende Habe und ihr baares Geld, nach dem darüber aufgenommenen Verzeichnisse, ihr eventuelles Erbtheil nach dem Ableben der Eltern und endlich was sie aus ihrem jährlichen Einkommen ersparen oder selbst erwerben könnte, sollte ohne Ausnahme ihr allein gehören. Verheirathe sie sich wieder, so solle das Leibgedinge an die Krone zurückfallen, ihre eingebrachte Mitgift ihr wieder ausgeantwortet werden. Sterbe sie ohne Leibeserben, so behalte der König oder dessen Nachkommenschaft ihre Mitgift; alles übrige ihr Zugehörende falle an ihre Erben. Zur Mitgift erhielt sie 30,000 Thaler, eine anständige Aussteuer ungerechnet 69 ).
Die anfänglich nicht bedeutende Appanage der Königin ward nachher erhöht. Zuerst erhielt sie aus dem Zolle zu Helsingör 1000 "gute, gangbare und unverfälschte Thaler", welche nach dem königlichen Briefe, Hörsholm, den 23. Aug. 1572, der Zolleinnehmer zu Helsingör jeden Bartholomäi=Tag (24. August) ihr zahlen mußte. Drei Jahre später ward durch ein Schreiben des Königs (Frederiksborg, den 8. März 1575) an denselben Zolleinnehmer, Hans Mogensen, bestimmt, daß sie jährlich 2000 "gute, gangbare und unverfälschte Thaler" haben solle. Unter dem 13. Juni 1581 erhielt derselbe Beamte ferner Befehl, außer jenen 2000 Thalern an jedem St. Johannis=Tage aus derselben Casse annoch 400 alte Thaler "als Handgeld" an sie auszuzahlen. Endlich erhielt der Zolleinnehmer zu Helsingör unterm 6. Decbr. 1584 ein Schreiben, daß, so wie der König seiner Gemahlin vorher 2400 Thaler "zu Handgeld" und verschiedenen Ausgaben für ihren eigenen Bedarf verschrieben, er ihr nun volle 3000 alte Thaler jährlich auf Bartholomäi=Tag bewillige.
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Mit dem Leibgedinge und der Appanage der Königin ward auch zugleich ein Hofstaat für sie eingerichtet. Kurz vor ihrer Ankunft erging am 15. Juni 1572 ein königlicher Befehl an neun Edelfrauen, ihre Töchter oder sonst ihnen verwandte Jungfrauen in das "Frauengemach" der zukünftigen Königin zu senden. Ihre erste Hofmeisterin war Frau Inger Oxe, des verdienten Reichshofmeisters P. Oxe's Schwester und Wittwe Jürgen Brahe's (1565), welcher dem Könige einmal das Leben gerettet hatte, beide unvergeßlich als zärtliche Pflegeeltern des großen Tycho Brahe 70 ), des Letztern Brudersohns. Sie stand diesem Ehrenposten 12 Jahre vor, und als sie Alters wegen abging, ward Frau Beate Bilde, R. R. Otto Brahe's [S. 20.] Wittwe und Tycho Brahe's Mutter, zur Hofmeisterin der Königin ernannt u. s. w.
Als Beitrag zur Charakteristik jener Zeit kann angeführt werden, daß zum Hofpersonale der Königin auch eine Hofzwergin gehörte. Unterm 22. Juli 1584 schrieb der König von Lundegaard (in Schonen) an Absalon Göye zu Lögtved (in Fühnen) wegen "einer kleinen Zwergin, eines Predigers Tochter dort in Unserm Lande Fühnen" bei einer Frau Anna, Nachgebliebenen des Peter Lauridsen (Straale) zu Torpe oder Torpegaard, sie an den Hof zu senden, da die Königin "nach einer solchen verlustigt sei und der König gnädigst sich versehe, daß vorgemeinte Frau und des Mädchens Vater sich nicht weigern würden oder Unserm gnädigsten Willen und Begehr es versagen, besonders da Wir gnädigst gesinnt sind, sie, wenn es ihre Gelegenheit sein könnte, anständig zu unterhalten." (Fyenske og smaalandske Tegnelser 71 ).
In ihrer ungefähr 16jährigen Ehe ward Sophia Mutter von sieben Kindern: 1) Elisabeth, geboren auf Koldinghuus am 25. August 1573. 2) Anna, geboren auf Skanderborg am 12. December 1574. 3) Christian (IV.), geboren auf Frederiksborg am 12. April 1577. 4) Ulrich, geboren auf Koldinghuus am 30. December 1578. 5) Auguste, geboren ebendaselbst am 8. April 1580. 6) Hedwig, geboren auf
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Frederiksborg am 5. August 1581. 7) Hans, geboren auf Haderslevhuus am 26. Juli 1583.
Die Geburt dieser sieben Kinder außerhalb Kopenhagen an verschiedenen Orten erinnert an die Zeit, wo unsere Könige, [S. 21.] obgleich sie lange schon eine feste Residenz hatten, sich dennoch bald auf dem einen, bald auf dem andern Schlosse aufhielten, theils wegen der damaligen Regierungs=Einrichtung und Verwaltung, theils um sich Kunde zu verschaffen von dem Verhalten und Bedarf jeder Provinz, theils vielleicht der Jahreszeit wegen. Die Königinnen aber, namentlich Sophia, scheinen bei vorgenannten Veranlassungen doch die Schlösser in der Provinz der hauptstädtischen Königsburg vorgezogen zu haben, vielleicht der gesundern Luft und Ruhe wegen, vielleicht aber auch um einer jeden Provinz gleich viel Aufmerksamkeit zu bezeigen. Als einen andern charakteristischen Zug führen wir an, daß außer den bestellten Hebammen mehreren adeligen Frauen befohlen ward, sich auf dem betreffenden Schlosse einzufinden, wenn die Königin ihre Niederkunft erwartete, damit "Ihro Liebden einige gute und verständige Frauen um sich haben möge, von welchen J. L. in solchem Anliegen Rath und That erwarten könne 72 )". Vermuthlich ist auch die Königin Mutter bei der Tochter Entbindung meist zugegen gewesen. Gewiß wenigstens weiß man es bei der Geburt Christians und Hedwigs 73 ).
Da die ersten Kinder des königlichen Paares Töchter waren und die Machthaber aus früheren, schwer erkauften Erfahrungen es für nöthig fanden, jedem Successionsstreite, wenn
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der König ohne männliche Leibeserben sterben sollte, vorzubeugen, stellte der Reichsrath ungefähr 1575 eine Erklärung aus, daß in diesem Falle des Königs älteste Tochter gewählt werden und der, welchem sie sich vermählen würde, die Krone haben solle 74 ): eine bemerkenswerthe Bestimmung, welche, wenn sie auch als einzelne Ausnahme kein eigentliches Erbprincip bestimmt, doch allemal beweiset, daß die Betreffenden in keinem Falle aus dem königlichen Hause zu gehen wünschten. Diese Zusage aber ward überflüssig, als Christian 1577 geboren ward.
Christian IV. war gewiß der letzte dänische König, dessen Geburt auf eine übernatürliche Weise verkündet sein soll. "Im Nachherbste (1576)" - erzählt man - "kam ein alter, einfältiger Bauer von Samsöe herüber zu den allgemeinen "Herrentagen", die damals zu Kallundborg gehalten wurden, meldete sich bei Hofe und berichtete, daß zu verschiedenen Malen in dem Felde am Strande auf Samsöe, wo er wohne, ein schmuckes, schönes Weibsbild, das an den Füßen aber wie ein Fisch gestaltet gewesen, zu ihm gekommen sei, und ernstlich und strenge ihm anbefohlen habe, zum Könige hinzuziehen und ihn wissen zu lassen, daß, da Gott seine Königin gesegnet, sie nun mit einem Sohne schwanger sei, der sein Leibeserbe in Dänemark, zur königlichen [S. 22.] Krone erhoben und ein vorzüglicher Herr unter allen Königen und Fürsten in dieser Nordwelt werden werde; und da Sünde und Bosheit, Völlerei, Hurerei, Hochmuth und Unbändigkeit fast in seinen Reichen überhand nehme, so solle er zu Ehr und Dank des hohen Herrn und Gottes, welcher ihn so segne, das mit Fleiß und Ernst abschaffen, auf daß Gott seine große Wohlthat und Langmuth nicht in desto größeren Zorn und Strafe umkehre 75 )." Späterhin sagte der Bauer dies vor dem Könige selbst aus, auf welchen die Prophezeihung einen ernstlichen Eindruck machte, und welcher dann dem Bauern "einen fürstlichen Zehrpfennig verehrte und nach Hause zurückzukehren befahl". Als aber der Bauer nach der Taufe des Prinzen sich wieder bei Hofe einfand, auf vorgeblichen Befehl der Meerfrau seine Ermahnungen wiederholte, dem Hofprediger und mehreren Edelleuten sehr umständlich das Aussehen derselben beschrieb, erzählte, was sie von ihrem Namen und ihrer Wohnung gesagt habe, und
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daß ihre Mutter dem Könige Waldemar Atterdag Margarethens Geburt verkündigt u. a. m., faßte der König Argwohn gegen den neuen Bußprediger, der übrigens kein Betrüger zu sein schien, ließ ihn wegweisen und verbot ihm wiederzukommen. "Als er abgereiset war", - fügt Resen hinzu =, "stritten im Pöbel Gelehrte und Ungelehrte viel und weitläuftig über dieses Meerweib. Viele vermeinten, sie sei des Bauern eigene Erdichtung; andere ließen sich hören, Gott sei ein wunderbarer Gott in seinem Thun und habe nicht allein das Erdreich, sondern auch Luft und Meer mit seinen Geschöpfen vielfältig erfüllt, die ihren Schöpfer kennten, ihm dienten, ihn ehrten".
Das Factische, was diese Sage vielleicht veranlaßt haben kann, läßt nach so manchem verflossenen Jahrhundert sich nicht ermitteln 76 ); man muß sie indessen nicht zu den Wundern rechnen, mit welchen die Vorzeit die Geburt merkwürdiger Personen gerne verband, da die Prophezeihung vor letzterer geschah, sondern sie eher als einen Ausdruck des allgemeinen Verlangens ansehen, mit welchem das Volk der Geburt eines Königssohnes entgegen sah 77 ).
Was man recht innig wünscht, hofft man auch gerne. Nach einem derzeitigen, wohl unterrichteten Schriftsteller 78 ), ward durch das ununterbrochene Wohlbefinden und gute Aussehen der Königin, durch ihre stets heitere Stimmung, ihre Lust zum Reisen u. s. w. die allgemeine Erwartung geweckt, daß sie einen Prinzen gebären werde. Der König selbst theilte diese Hoffnung, indem er bemerkte, daß das Erstgeborne seiner
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Eltern eine Tochter, wie seine beiden ältesten Kinder, gewesen [S. 23.] sei. In frommer Erwartung der Erfüllung seiner Wünsche, suchte er schon vorher Freude um sich zu verbreiten, indem er den Bauern in Kopenhagens Lehn ihre bedeutenden Steuerrückstände erließ. Die Zubereitungen zur bevorstehenden Niederkunft entsprachen den allgemeinen Hoffnungen. Da die zwei ersten Kinder in Jütland geboren waren, so wählte er diesmal die Hauptprovinz Seeland und dort namentlich Frederiksborg, einen ruhigen und im Frühjahr zwischen Wäldern und Seen sehr heitern und gesunden Ort. Die Mutter der Königin ward ersucht, zugegen zu sein, und sie kam den 19. März nach Frederiksborg; hier erfolgte die glückliche Niederkunft den 12. April 1577, Nachmittags 4 Uhr 79 ), und fast nach Verlauf eines Jahrhunderts ward den Reichen zum ersten Male eines regierenden Königs ältester Sohn und präsumtiver Thronfolger geboren 80 ).
Für äußerst wichtig und folgenreich hielten die königlichen Eltern diese Begebenheit, und sie zeigten es durch die ungewöhnliche Pracht und Festlichkeit, welche am heil. Dreifaltigkeits=Sonntage (2. Juni) in Unserer Frauen Kirche zu Kopenhagen die Taufe des Prinzen, am Tage nach dem Kirchgange der Königin zu Frederiksborg begleitete 81 ). Auch die Wahl jenes Ortes bezeichnet etwas Ungewöhnliches, da keines der andern Kinder Friederichs und Sophiens in der Hauptstadt getauft worden war. Unter den Gevattern befanden sich des Königs Schwiegerältern und sein Onkel, Herzog Hans; der Königin Mutter hielt den Prinzen zur Taufe. Nach der Kirchenfeier folgte Tafel, Tanz, Feuerwerk, "Fechtschule" und Jagd, nebst anderm "löblichen Zeitvertreib", die ganze Woche hindurch. Eine umständliche Beschreibung der ganzen Festlichkeit mit allen die Zeit
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und deren Geist charakterisirenden Lustbarkeiten gehört nicht hierher, nur eine dürfen wir nicht vorübergehen, daß nämlich am zweiten Tage des Festes nach der "Mahlzeit" einige der Hochgelehrten (Professoren an der Universität) "mit ihren Studenten aufgefordert wurden, eine Comödie sehen zu lassen, die zu agiren ihnen befohlen war, und ward die Historie von Susannä Unschuld angenommen und anmuthiglich agiret. Dienstag Nachmittag sind die vorigmal befohlenen Hochgelehrten wiederum aufgefordert worden und haben gespielt den merkwürdigen Sieg, welchen König David über den mächtigen Riesen und Philister Goliath erfochten, worauf [S. 24.] der Krieg der Pygmäen mit den Kranichen 82 )" "aufgeführt ward". Die Vorstellung begann stets Nachmittags 1 Uhr; der Schauplatz war im Schloßgarten unter freiem Himmel 83 ), und zu bemerken bleibt noch, daß die Väter und Söhne der Universität die Probe ihres scenischen Talents mit lohnendem Beifalle des Hofes und aller Anwesenden nicht in der Muttersprache, sondern - lateinisch, ablegten 84 ).
Von den Tauffesten der anderen königlichen Kinder hat man nicht so umständliche Nachrichten. Man hat aber Grund, anzunehmen, daß sie, mit Ausnahme der Taufe der Erstgebornen, der Prinzessin Elisabeth 85 ), und der fünften Prinzessin, Auguste, den 29. Juni 1580, zu welcher letzteren mehrere deutsche Fürsten zu Gevattern gebeten waren 86 ), mit weit ge=
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ringerem Pomp begleitet gewesen sind. Christian ausgenommen, ward jedes der königlichen Kinder auf seinem Geburtsschlosse getauft. Die Zeit, welche sie ungetauft blieben, war verschieden, 2 Monate bis 14 Tage; ersteres geschah nur mit Prinzessin Elisabeth (geb. am 25. Aug. 1573, getauft am 25. October), letzteres mit Prinz Ulrich (geb. am 30. Decbr. 1578, getauft am 11. Jan. 1579).
Es gehört zur Charakteristik des häuslichen Lebens nicht allein im Mittelalter, sondern auch in neuerer Zeit, daß Eltern in höheren Stellungen ihre Kinder in andern untergeordneten oder in verwandten Häusern pflegen und erziehen ließen, wie denn ein solches Opfer von Seiten der Eltern entweder in pädagogischer Hinsicht oder durch politische Gründe gebracht ward. [S. 25.] Auch in unserer Landesgeschichte finden wir Beispiele 87 ). Unter diesen geht uns vorzüglich an, daß Friederichs vier älteste Kinder von ihrer frühesten Kindheit an der Aufsicht der Mutter der Königin anvertraut wurden und daß diese namentlich den kaum 2 Monate alten Christian mit nach Meklenburg nahm 88 ). Ungeachtet die Eltern überzeugt sein
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mußten, daß die Kinder bei den zärtlichen und einsamen Großältern die väterliche und mütterliche Sorgfalt nicht vermissen würden 89 ), konnten sie doch zuletzt die Lieben nicht länger entbehren, die sie beinahe von Geburt an nicht bei sich gehabt hatten; auch machte der Reichsrath besonders hinsichtlich des ältesten Prinzen dem Könige deshalb Vorstellungen. Am 12. April 1579, dem Tage, wo Christian sein zweites Jahr vollendete, schrieb der König seinem Schwiegervater, daß er wenigstens seine drei ältesten Kinder wieder bei sich sehen möchte; das vierte, Prinz Ulrich, damals ein Vierteljahr alt, war also vermuthlich gleich nach seiner Geburt an den meklenburgischen Hof gekommen. Die königlichen Kinder wurden von Warnemünde zu Schiffe abgeholt 90 ).
Daß mit Aufopferung eigener Freuden die Vater= und Königs=Pflichten den Eltern der Mutter übertragen wurden, zeugt von dem herzlichen und vertrauensvollen Einverständnisse beider Häuser, von dem glücklichen innern Verhältnisse des königlichen Ehepaares und von dem besondern Einflusse der Königin auf die Angelegenheiten der Kinder von deren frühestem Alter an. Daß aber von der Zeit an, wo diese in der väterlichen Heimath versammelt wurden, jene eine bedeutende Stimme bei Allem hatte, was deren Erziehung und Bildung betraf, können wir theils aus ihrem eigenen Charakter schließen, theils aus der Art und Weise, wie die Kinder im reiferen Alter auf den hohen Schauplatz traten, den die Vorsehung ihnen anwies.
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Derzeitige wahrhafte Quellen bekräftigen dies. "Sobald", [S. 26.] sagt Vedel in seiner Leichenpredigt, die zugleich eine höchst anziehende Charakteristik Friederichs II. giebt, "die königlichen Kinder etwas zu Jahren und Alter gekommen waren, wurden feine, gelehrte und verständige Männer berufen, welche sowohl die jungen Fürsten, als die Fräulein unterrichten und zur wahren Gottesfurcht anhalten sollten. Ja, was ist das, wenn Zuchtmeister und Präceptor ihrerseits aufbauen sollen und die Eltern es wieder niederreißen wollen durch Verzärtelung und Nachlässigkeit ihrerseits! - Deshalb dürfen wir nicht verschweigen, daß Ihre Fürstliche Gnaden soviel Fleiß und Aufsicht mit Mund und Hand, mit gutem Unterrichte und zeitiger Strafe auf ihre liebenswürdigen Kinder verwendet hat, als nur irgend ein Bürger oder Edelmann aufs höchste und beste an seinen Kindern. Damit hat Ihro Gnaden Ihrem Amte völlig genüget und Ihren lieblichen Kindern die pflichtmäßige, gebührende Erziehung gegeben". Die verständige Königin erkannte, - eine der Gedächtnißreden über sie bezeugt es 91 ), - daß die Könige ihrem Reiche nicht geboren werden, wie der Bienenweisel, in einem Bienenstocke, ausgezeichnet durch gewisse äußerliche Kennzeichen, sondern daß Erziehung hier das Wesentlichste sei und daß deren Wirkungen für die ganze Folge sich zeigen, entweder zum Glück oder zum Unglücke des Volkes, welches zu beherrschen sie berufen wurden. Ihr wohlthuender Einfluß mußte besonders hinsichtlich ihrer zwei ältesten Söhne von Wichtigkeit sein, namentlich Christians, des künftigen Lenkers des Reichs, der, drei Jahre alt, vom Reichsrathe bereits zum Thronfolger erklärt war, und in dieser Eigenschaft in seinem siebenten Jahre die Huldigung empfangen hatte. Der edle und anspruchslose Friedrich erkannte selbst, daß ihm der Grad der Geistesbildung fehle, den man damals schon einem Regenten nothwendig erachtete, obgleich er diesen Mangel durch vortreffliche Eigenschaften des Herzens und durch Tapferkeit ersetzte. "Waren Se. Gnaden auch nicht sonderlich bewandert im Lateinischen oder in andern fremden Sprachen oder im Bücherwissen" - sagt A. S. Vedel - so ist das ersetzt durch fürstliche Tüchtigkeit und gute, christliche Sitten. Und in Wahrheit, in diesen beiden Fällen ist es ungleich besser, daß junge Fürsten von Kind an zu wahrer Gottesfurcht und guten Sitten angehalten werden, als daß sie mehrere Sprachen lernen und darüber die Gottesfurcht
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und die Ausübung der Tugend versäumen. . . . . Hiebei aber muß nicht vergessen werden, daß Gelehrsamkeit und Wissen einen Fürsten oder König mehr zieren als Gold, Perlen und Edelgestein; denn die geben nur ein äußerliches Ansehen, das Andere aber erfreuet und schmücket das Herze, so es Verstand und Erfahrung giebt, und wenn gleich ein Prinz oder Fürst jung ist an Jahren und Alter, so wird er doch alt und klug durch Gelehrsamkeit und kluge Künste, absonderlich durch das Lesen von Historien, welche Anweisung geben, wie ein Herr Land und Leuten vorstehen soll". Alles was wir von Christians Erziehung wissen, zeigt genügend, daß sein Vater - und in dieser, wie in anderer Hinsicht können wir beide Eltern für einverstanden halten - nicht bloß eifrig [S. 27.] strebte, dem Sohne die Bildung zu verschaffen, welche Zeit und Umstände ihm nicht vergönnt hatten, sondern auch ernstlich darauf sah, daß Lehrer und Vorgesetzte ihn in nöthiger Zucht hielten und vor allen Dingen ihm nicht seinen eigenen Willen ließen.
Diese älterlichen Bestrebungen wurden durch die glückliche Wahl der Hofmeister und Lehrer kräftig unterstützt. Heinrich Rammel, ein pommerscher Edelmann, des Königs deutscher Kanzler, ward zum Hofmeister erwählt. In ihm fand man alle Eigenschaften vereint, welche eine solche Stellung erforderte, wie alle Zeitgenossen anerkannten, und obgleich man wohl lieber einen Edlen des Reichs auf diesem wichtigen Posten gesehen hätte, so ist doch allenthalben zugestanden, daß seine ausländische Herkunft durchaus keinen hemmenden Einfluß auf Christians Bildung zum dänischen und norwegischen Könige gehabt hat 92 ). Nach dem Tode des Königs mußte er wohl diesen Posten einem dänischen Adeligen abtreten 93 ), aber die feste Freundschaft zwischen ihm und dem Kanzler des Königs, N. Kaas, diesem edlen Vaterlandsfreunde, dauerte fort und beweiset eben so sehr sein ungeheucheltes Interesse für den Staat, der ihn aufnahm, als
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die Achtung, in welcher er während der Minderjährigkeit Christians IV. bei den Machthabern stand, die seinen Rath annahmen und befolgten, und seine Ernennung zum Reichsrathe bei der Krönung 1596 zeugt für seine politische Tüchtigkeit 94 ).
[S. 28.] Auch der eigentliche Lehrer Christians, Zuchtmeister, wie er genannt ward, Meister Hans Mikkelsen, der 1582 angestellt ward und bis zur Mündigkeit des Königs verblieb, scheint dem wichtigen Berufe ganz vollkommen gewachsen zu sein. Zu Christians gründlicher Religionskenntniß, zu der Fertigkeit, mit welcher er lateinisch (vom 7. Jahre an), italiänisch und französisch sprach, hat genannter Mann wohl den Grund gelegt; in den mathematischen und mechanischen Studien, die er nachher bis zu einem Grade hoher Meisterschaft sich aneignete, erhielt er die Anleitung anderer Lehrer 95 ). Als der elfjährige Königssohn beim Tode des Vaters zum Throne berufen ward, versprachen seine Bildung und Entwickelung die glänzendste Hoffnung für die Zukunft. "Wenn nicht alle Merkmale täuschen", sagt Vedel ferner (fol. B. 1), "so sieht man bereits, daß Se. Gnaden unser erwählter Prinz zu einem ausgezeichneten Wissen in allen guten Künsten kommen wird; ja, schon ist S. G. so weit gekommen, daß er nicht länger für ein Kind gehalten werden kann, sondern täglich aufwächst und zunimmt in Weisheit und Gnade vor Gott und den Menschen, wie auch an Jahren und Alter. Zu welchem Vorsatze S. G. Ihro Gnaden die Frau Mutter und die zu Dänemarks Reich verordneten Regenten und Rath durch alle die guten und rathsamen Mittel, die daran und dazu gehören, verhelfen werden." Die Folge der Zeit bewies, daß die Königin auch als Wittwe die Erwartungen des Volkes vollkommen erfüllte. Erkennen also die ehemals vereinigten Reiche in Christian IV. stets einen ihrer verständigsten und kraftvollsten Regenten, so muß man auch nicht
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vergessen, wie viel man in dieser Hinsicht der hohen Mutter schuldigt, und nicht übersehen, welchen bedeutenden Antheil sie namentlich an seiner Erziehung hatte 96 ).
Nicht mindere Sorgfalt ward auf die Erziehung des jüngern Sohnes, Herzogs Ulrich, verwendet und mit nicht geringerem Glücke. Beide Brüder hatten ihren eigenen Lehrer, aber beide wurden dennoch zusammen erzogen und waren zu einer und derselben Zeit zu Soröe 97 ); Ulrich ward in seiner Kindheit schon wegen seines guten Kopfes gelobt, beide ihres vortrefflichen Gedächtnisses wegen 98 ). Als jüngerer Prinz mit ferneren Aussichten zum Throne, aber mit früher Hoffnung auf ein auswärtiges Bisthum, welches er auch erhielt, scheint er späterhin durch Studiren, Reisen und Aufenthalt auf fremden Universitäten sich eine ungewöhnliche Bildung erworben zu haben 99 ).
[S. 29.] Der jüngste Sohn, Herzog Johann, bei des Vaters Tode noch nicht 5 Jahre alt, ist, wie man vermuthet, allein von der Mutter während ihres Wittwenstandes erzogen worden.
Von der Töchter Erziehung sind weniger Nachrichten vorhanden. Daß sie von Kind auf zum fleißigen Lesen in der Heiligen Schrift angehalten wurden, können wir ohne ausdrückliches Zeugniß annehmen 100 ); aber interessant ist es, wie Sophiens Charakter und eigenthümliche Neigungen sich bei ihren Söhnen und Töchtern wieder kund gaben, wie man in ihr selbst denn auch die Mutter leicht wieder erkennt. Sophiens Neigung zum Reisen und ihre lebendige Baulust hatte Christian IV. gemein mit seiner jüngsten Schwester Hedwig, Kurfürstin von Sachsen 101 ); die dritte Schwester, Auguste, Herzogin von Schleswig=Holstein, zeichnete sich aus durch
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Einfachheit in Kleidung und durch stetige Reisen: aber die strenge Oekonomie der Mutter scheint bei den Töchtern ein wenig zu weit gegangen zu sein 102 ). Von allen Töchtern Sophiens scheint aber die zweite, Anna, Königin von Großbritannien, allein der Mutter an Verstand und kräftigem Willen gleich gewesen zu sein. Wohl loben einige englische Historiker sie als fromm und tugendhaft 103 ), von mehreren wird sie aber getadelt wegen ihres übertriebenen Hanges zur Pracht und zu Vergnügungen 104 ) und wegen zu thätiger Theilnahme an den politischen Bewegungen und Intriguen, die derzeit am englischen Hofe herrschten. Daß zwischen ihr und Jakob I. kein gutes Verständniß waltete, erklärt sich leicht, da sie einen Gemahl übersah, welcher weder bei Verwandten, noch bei Unterthanen besondere Achtung genoß oder fordern konnte. Merkwürdiger würde es sein, wenn die Tochter so streng protestantischer Eltern die katholische Lehre angenommen hätte 105 ); doch ist dies wohl nur eine Erdichtung, veranlaßt durch ihre Vorliebe für die spanischen Interessen und das Wohlwollen, welches sie vielleicht aus politischen Gründen den Katholiken bewies 106 ).
Von dem herzlichen Verhältnisse zwischen den verschwägerten Regentenhäusern haben Stimmen jener Zeit ein glaubwürdiges und ehrendes Andenken bewahrt, und der Geschichtschreiber kann nur mit Theilnahme und Wohlbehagen dabei verweilen. Schon die Erziehung der königlichen Kinder und [S. 30.] deren mehrjähriger Aufenthalt bei den Großältern erwecken eine Vorstellung von einer in höhern Ständen seltenen Vertraulichkeit, die auch aus andern Thatsachen zweifellos
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hervorgeht 107 ). Beide Häuser schienen nur Eine Familie zu sein; der Ton zwischen dem Dänenkönige und dem meklenburgischen Fürstenpaare war wie zwischen Eltern und Kindern. Der König war nur 7 Jahre jünger, als sein Schwiegervater, und 10 Jahre jünger, als seine Schwiegermutter; dafür aber war er auch der Sohn eines lieben und unvergeßlichen Bruders. Im Umgange hörte man nur die Namen Vater, Mutter und Sohn 108 ). Kein Monat ging vorüber ohne Briefe und selten ein Jahr ohne gegenseitigen Besuch 109 ), und die Lage beider Länder bot leicht und sicher die Gelegenheit dazu dar. Von Warnemünde bis Gedsör auf Falster sind nur 7 Meilen, und mit günstigem Winde geschah die Ueberfahrt in wenigen Stunden 110 ). Oft begleitete auch der König seine Gemahlin, und die meisten Besuche hatten durchaus einen Privat=Charakter; die Herzogin war oft bei der Niederkunft ihrer Tochter zugegen; beide Eltern waren auch Pathen. Die Tochter sehnte sich nach ihren Eltern, bei denen ihre Kinder sich oft lange aufhielten, und die Schwiegerältern waren froh, von Zeit
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zu Zeit ihre Tochter in ihrer Heimath zu sehen, umringt von einem stets größer werdenden Kreise von Kindern, auf deren Erziehung und Entwickelung sie selbst einen so wichtigen, wohlthuenden Einfluß hatten 111 ). Oft aber auch wurden bei [S. 31.] solchen Besuchen wichtige Staatsangelegenheiten auf die Bahn gebracht. Nicht wegen seines Landes Umfang, oder wegen der Volksmenge, sondern durch eine für die Zeit ausgezeichnete Bildung und politische Erfahrung, durch seine anerkannte Rechtlichkeit war Herzog Ulrich, den seine Zeit den deutschen Nestor nannte, einer der bedeutendsten protestantischen Fürsten Deutschlands, dessen Rath und Vermittelung bei mehreren Bewegungen der Zeit in Staat und Kirche oft gesucht und benutzt wurden. Der Dänenkönig und der Herzog achteten ihre Interessen genau verbunden; sie strebten deshalb, einig zu sein in ihren Ansichten von der Zeit und deren Ereignissen: sie unterstützten sich gegenseitig. Bei Dänemarks weiter sich erstreckenden Beziehungen und schwierigern Verhältnissen war es natürlich, daß der Herzog seinem Schwiegersohne nützlicher werden konnte, als dieser ihm. Die wichtigste Angelegenheit war unläugbar der so lange zwischen dem Könige und den schleswig=holsteinschen Herzogen obschwebende Streit wegen der Belehnung mit dem Herzogthume Schleswig, welchen der Herzog Ulrich mit des Königs Schwager, dem Kurfürsten von Sachsen, und dem Landgrafen von Hessen schon seit 1567 beizulegen versucht hatten und der endlich 1579 durch den Vergleich zu Odensee geschlichtet ward 112 ). Durch Vermittelung derselben Fürsten ward 1581 zu Flensburg ein Vergleich zwischen dem Könige und seinem Onkel, Herzog Adolph, die Beerbung dessen Bruders, Herzogs Johann des Aelteren, betreffend, abgeschlossen 113 ). Weniger glücklich waren der Herzog von Meklenburg und der Kurfürst von
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Sachsen in der Streitigkeit des Königs und der holsteinschen Herzoge einerseits und der Stadt Hamburg andererseits wegen des Handels auf der Elbe. Der Vergleich kam weder zu Flensburg (1579), noch zu Kiel (1580) zu Stande und ward ausgesetzt 114 ); dahingegen ward Lübeck durch Mitwirkung des Herzogs, als er in Hadersleben beim jüngsten Kinde des Königs 1583 Gevatter stand, mit letzterem ausgesöhnt, und der für Lübeck erhöhte Sundzoll wieder herabgesetzt 115 ).
Der einzige wichtige Anlaß, der dem Könige zur Vergeltung sich bot, wo er thätig für seines Schwiegervaters Interessen sich zeigen konnte, waren die Streitigkeiten zwischen diesem und der Stadt Rostock, die sich größere Freiheiten nahm, als der Herzog dieser reichen, in seinen Grenzen belegenen Hansestadt einräumen konnte, und die, zur Entscheidung dem Kammergerichte vorgelegt, bis ins Unendliche gedauert haben würden. Der König, welcher noch nicht vergessen hatte, wie unfreundlich Rostock gegen ihn im Kriege mit Schweden sich gezeigt, bot dem Herzoge bei seinem Besuche in Dänemark (1583) seine Vermittelung an. Er ließ die rostocker Schiffe im Sunde und in den dänischen Häfen festhalten, verbot ihnen den Handel in seinen Staaten und blockirte Warnemünde mit einer kleinen Flotte. Nachdem die Stadt mit dem Herzoge sich ausgesöhnt hatte, wurden auf seine Fürbitten ihre Schiffe freigegeben und ihr der Handel wieder gestattet 116 ). Einmal veranlaßten auch Gegenstände von umfassenderem politischen Interesse eine Art Congreß in Güstrow; es war 1576 im Sommer, als der König und die Königin, ein Theil des [S. 32.] Reichsraths, der Kurfürst von Sachsen und mehrere deutsche Fürsten sich in Herzog Ulrichs Residenz versammelten, "woselbst die Religionssachen, die schwedischen, liefländischen und viele andere geheime dringende Angelegenheiten verhandelt wurden 117 )". Die Gegenstände für die Unterhandlungen waren vermuthlich die damals hinsichtlich des Religionsfriedens in Deutschland herrschenden Bewegungen, die Unruhen in Schweden bei Einführung der neuen Liturgie, die Streitigkeiten in der deutschen Kirche wegen des Abendmahls, die auch auf die dänische Kirche einwirkten, und endlich die Stellung in
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Liefland, wo zwischen den Dänen und Schweden noch lange nach dem stettiner Frieden die Feindseligkeiten fortdauerten und wo die Russen Reval hart drängten.
Die Mutter der Königin starb während eines solchen Besuches bei ihren Kindern. Im Sommer 1586 reiste das Fürstenpaar mit dem Neffen des Herzogs, Sigismund August, an den dänischen Hof 118 ), und einige Monate schwanden, wie gewöhnlich, unter Gelagen, Jagden, Musik und Ballspiel, Spazierritten und vertrauten Gesprächen hin. Obgleich der König seine Gäste so lange als möglich aufhielt und die Herzogin, welche dieses Mal mehr als je in der Gesellschaft ihrer Tochter und ihrer Enkel froh war, bedeutungsvoll äußerte, daß es ungewiß sei, wann sie sich wieder würden versammeln können, ward dennoch endlich die Abreise auf die letzten Tage des Septembers festgesetzt. Der Abschied der Großmutter von den Enkeln war ernstlicher, als er sonst zu sein pflegte; sie ahnte gewiß, daß sie sie zum letztenmale sehe. Der König und die Königin geleiteten sie nach Gedsör 119 ). Hier wurden sie durch widrigen Wind aufgehalten; die Herzogin ward krank und nach vierzehn Tagen gab sie, umringt von ihrem Gatten, ihrer Tochter, ihrem Schwiegersohne, an ihrem Geburtstage, am 14. Octbr. 1586, ihren edlen, liebevollen Geist auf 120 ).
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Einigkeit, Hingebung und gegenseitige Hochachtung bereiteten Friederich II. und Sophien ein ununterbrochenes eheliches Glück. Es ist nicht die geringste Spur des leichtesten Mißverständnisses, irgend eines Streites zwischen beider Wünschen und Neigungen zu finden, die man bei den 23 Jahren, die sie [S. 33.] im Alter verschieden waren, wohl hätte erwarten können. Nicht unwahrscheinlich ist es, daß die Königin bei ihrem Verstande und ihrer in gewisser Hinsicht geistigen Ueberlegenheit irgend einen Einfluß auf die Regierungs=Angelegenheiten gehabt hat; was wir wissen von ihrem Auftreten nach des Königs Tode, von ihrem öffentlichen Wirken während ihres langen Wittwenstandes, scheint dafür zu sprechen; gewiß ist es aber auch, daß sie ihren Einfluß stets mit Klugheit und Vorsicht angewendet hat, um ihren Gemahl in keiner Art zu compromittiren und das Mißtrauen der mächtigen und stolzen Aristokratie zu wecken. Diese Darstellung des gegenseitigen Verhältnisses des Königspaares, besonders des eben so liebevollen, als klugen Benehmens der Königin gründet sich auf das ausdrückliche Zeugniß mehrerer gleichzeitiger Quellen, und wenn diese auch zu einer Schriftsteller=Classe gehören, die in der Regel wenig Vertrauen genießt, nämlich Leichen= und Gedächtnißredner, so äußern sie sich dennoch über des Königs häusliche und persönliche Angelegenheiten im Ganzen mit so viel Einstimmigkeit, Freimuth und innerem Gepräge von Wahrhaftigkeit, daß sie nur das allgemeine Urtheil aufgenommen zu haben scheinen. Der Verfasser dieses trägt daher kein Bedenken, von einigen dieser Stimmen nach mehr als dem Verlaufe zweier Jahrhunderte die Erinnerung an das glückliche Verhältniß jenes Königspaares erneuen zu lassen. Hören wir zuerst den ehrwürdigen, um unsere Sprache und Litteratur so hochverdienten A. S. Vedel 121 ).
"So hat der Herr ihre Verheirathung und Ehe begonnen in wahrer Gottesfurcht und unter ernstlichem flehen zu Gott nach seiner heiligen und wahrhaften Verheißung gesegnet in vielerlei Weise. Des Königs Majestät hat sein Leben hindurch eine treue, gehorsame und verständige Helferin in Ihro Gnaden gehabt, die niemals ihm entgegen gewesen oder sich mit dem
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"befasset, was zum königlichen Geschäfte gehörte, sondern fleißig Acht hatte auf ihren lieben Herrn, daß sie Alles ihm zu Dank mache mit absonderlicher Geschicklichkeit und Munterkeit und Ihro Gnaden ist sowohl in Wort und Rede, als im Umgange nicht nur eine demüthige Fürstin gewesen, sondern auch ganz verständig, um sich in Zeit und Gelegenheit zu fügen 122 ).
Drei und vierzig Jahre nach dieser Rede Vedels über Friederich II. in der Domkirche zu Riebe hielt der königliche Hofprediger, Christen Jensen, eine Gedächtnisrede über Friederichs betagte Wittwe, als sie zu ihrer Ruhestätte in der Domkirche zu Roeskild gebracht ward. Das eheliche Zusammenleben des Königpaares erhielt hier folgendes Zeugnis 123 ):
"Während ihrer Ehe, Scepter und Krone mit dem Könige theilend, bewies sie in ihrem Verhalten zu diesem, zum Reichsrathe, zum Adel und zu allen andern Ständen so viel Freundlichkeit, Wohlwollen und Klugheit, daß durch ihr Helfen, Rathen und Fördern sie Allen wohl that und Niemand beleidigte: deshalb auch Alle sie ehrten als einen Gott vom Himmel 124 )".
[S. 34.] Mit einer rührenden Wahrheit sprechen, mehr als jedes andere äußere oder symbolische Zeichen 125 ), die Tage=
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bücher 126 ), welche der König eigenhändig geführt hat, die Beweise aus, daß die königlichen Gatten glücklich zusammen lebten, und bezeugen des Königs treue Ergebenheit, mit welcher er an seiner Sophie hing, wie er sie nannte. Aus diesen Tagebüchern, die zwar beinahe nichts weiter enthalten, als die Aufzählung der steten Reisen des Königs von Stadt zu Stadt,
Deutsch:"Hvor Fred og Biisdom de ere tilsammen
Det er stor Lyst, stor Gläde og Gammen.
Den Konge han haver af Fred fit Navn,
Han er hver Mand til Nytte og Gavn.
Sophia det er paa Danske Visdom,
Saa kaldes den Dronning gudfrygtig og from".
Noch muß bemerkt werden, daß Stadagergaard auf Falster, welches der König von L. Wenstermann bekam, von 1574 ab Sophienholm genannt ward; Historisk Tidsskrift, udg. af danske hist. Forening, II. S. 31.Wo Friede und Weisheit zusammen sind, ist große Lust, Freude und Vergnügen. Der König hat vom Frieden den Namen; er ist jedermann zu Nutz und Frommen. Sophia ist auf dänisch Weißheit; so heißt die gottesfürchtige und fromme Königin.
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von Schloß zu Schloß, von Provinz zu Provinz, sieht man, daß er sie fast nie ohne die Königin und einige ihrer Kinder unternahm. Wurden sie getrennt, so war es nur auf einige Tage, und nie unterläßt der König zu bemerken, wo die Königin sich aufhielt und wann und wo sie sich wieder sahen. In diesen einfachen, oft naiven, Bemerkungen heißt sie nie Königin, sondern beständig meine Sophie (mynt Soffye) 127 ). Des Königs Zärtlichkeit auch für seine Kinder leuchtet ebenfalls aus mehr als einem Zuge hervor.
Einem ehelichen Leben, wie dem Friederichs und Sophiens, möchte man hinsichtlich beider Alter eine längere Dauer gewünscht haben und zutrauen können. Des Königs tägliche Lebensweise war der Art, daß sie den Körper abhärten und [S. 35.] stärken konnte. "Im Sommer war er gewöhnlich um 3, 4 Uhr schon auf der Jagd und übte und bewegte seinen Körper mit großer Lust. Er nahm vorlieb mit kalter Küche, Schinken oder Speck und Roggenbrot, und trank dänisches Bier dazu, bis die Zeit ihn wieder nach Hause rief; wenn er nicht unwohl war - und das kam selten - , achtete er keineswegs Gesellschaft mehr, als Genesung und Gesundheit, sondern bezwang und verhielt sich nach der Stärke und Bequemlichkeit 128 ) seiner eigenen Natur". Deswegen war sein Gesundheitszustand auch, wie Vedel (Fol. C. 4.) ihn beschreibt: "Se. Gnaden war stets von Natur ein großer, kerngesunder und reifer Mann und hatte nie eine besonders große Krankheit, die ihn aufs Krankenbett warf, außer daß das viertägige Fieber ihn letzthin ein oder zwei Jahre plagte." Noch viele Jahre würde also der König ohne Zweifel für seines Volkes und seiner Familie Glück haben wirken können, wenn es ihm mehr möglich gewesen wäre, sich von den derzeitigen Gesundheit zerstörenden Gewohnheiten und den schwelgerischen Gelagen, die die Etikette
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beim Empfange fremder Fürsten und Gesandten erforderte und bei so vielfältigen Anlässen so häufig stattfanden, loszureißen und mehr Maaß und Ziel zu halten. "Man meint wohl", sagt Vedel ferner, "daß wenn Se. Gnaden Ursach gehabt haben könnte, wegen täglichen Umganges mit fremden Fürsten, auswärtigen Gesandten und andern guten Männern sich des gewöhnlichen schädlichen Trinkens zu enthalten, was jetzt überall in der Welt unter Fürsten, Herren und dem gemeinen Manne allzusehr im Gange ist, es vor menschlichen Augen und Gedanken scheinen werde, daß Se. Gnaden noch manchen guten Tag länger leben können". So unverhohlen dieser Zug von des Königs Persönlichkeit in mehreren über ihn gehaltenen Leichenpredigten hervorgehoben wird, in welchen seine sonstigen vielen herrlichen und liebenswerthen Eigenschaften mit eben so viel Wahrheit, als Gefühl geschildert werden, zeugt es von einem Freimuthe, der unläugbar dem Zeitalter zur Ehre gereicht, beweist aber auch zugleich, daß man jene Schwachheit für unschuldig, wenn nicht für unumgänglich hielt 129 ). Aehnliche Aeußerungen über fremde Fürsten 130 ) kommen bei ähnlichen Gelegenheiten auch vor, und noch bemerkenswerther möchte man es finden, sogar in den Reden bei Christians III. und Friederichs II. Krönungsfesten, daß die Ordinatoren es nothwendig fanden, die Anwesenden ernstlich zur Mäßigkeit in den bevorstehenden Genüssen der Tafel zu ermahnen 131 ). Aber auf dieser Seite des häuslichen Lebens unserer Väter geschah, wie bekannt, keine [S. 36.] wesentliche Veränderung eher, als weithin im achtzehnten Jahrhunderte; man denke nur an die Schilderungen der Hoffeste Christians IV. und des Czaaren Peter. In Betreff Friederichs II. aber haben die Zeitgenossen ausdrücklich von ihm bemerkt, daß dieser leutselige und gastfreie König bei solchen Gelegenheiten mehr anderer, als seiner eigenen Neigung folgte und selbst in der aufgeregtesten Stimmung nie den gut=
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müthigen und liebevollen Charakter verläugnete, der ihm eine so hohe Popularität verschaffte.
Schon im Sommer 1586, als der König mit den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg einem Congresse in Lüneburg, betreffend die Stellung der Protestanten, besonders in Frankreich, beiwohnte, schien sein Gesundheitszustand sich verschlimmert zu haben 132 ); doch ein Jahr vor seinem Tode bekam er einen trockenen Husten und fing besonders an zu kränkeln. Auch mögen die häufigen Todesfälle, die in den letzteren Jahren mehrere seiner nächsten Angehörigen ihm entrissen, niederschlagend auf seine Gemüthsstimmung gewirkt haben 133 ). Die Schwester des Königs, die Kurfürstin von Sachsen, war am 1. Octbr. 1585 gestorben; ihr Gemahl, Kurfürst August, am 11. Febr. 1586; sein Onkel, Herzog Adolph, in demselben Jahre am 1. October; seine Tante und Schwiegermutter, Herzogin Elisabeth, am 14. October desselben Jahres; Prinzessin Elisabeth, Herzog Adolphs Tochter, am 13. Jan. 1587 und ihr Bruder, Herzog Friederich, am 15. Juni 1587. Zu einer Zeit, wo ungewöhnliche Naturerscheinungen leicht ängstliche Vorstellungen hervorriefen, sogar bei Personen höheren Standes, ist es nicht unwahrscheinlich, daß die Mißgeburten, Meteore u. dgl. m., die grade in der letzten Lebenszeit des Königs die allgemeine Aufmerksamkeit rege machten, auch bei Ihm ähnliche Wirkungen hervorbrachten 134 ).
Im Jahre 1588 am 14. Februar vermählte sich zu Sonderburg des Königs jüngerer Bruder, Herzog Hans, zum
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zweiten Male mit Agnes Hedwig von Anhalt, Wittwe des Kurfürsten August von Sachsen. Der König war gegenwärtig mit der Königin, ihren Kindern und einem großen Gefolge, wie auch mehrere Fürsten und Herren eingeladen waren, und gleich nach Neujahr muß er sich auf die Reise begeben haben 135 ). [S. 37.] "Ungeachtet er fast ein ganzes Jahr vorher nicht bei rechter und voller Gesundheit und Stärke gewesen, ihm mitunter auch schwer und lästig im Körper war", war er doch bei der Trauung und der Abendtafel gegenwärtig 136 ). Die übrige Zeit des Hochzeitsfestes hielt er sich ein und begab sich bald nach Hadersleben, wohin er die fremden Fürsten von des Bruders Vermählung zu einer Feier einlud, die er selbst zur Vermählung des Halbbruders der Braut, des Fürsten von Anhalt, mit einer Gräfin von Mansfeld veranstaltete 137 ). An diesem Feste, das einen neuen Beweis von der leutseligen Gesinnung des Königs und der Zufriedenheit gab, die er trotz seiner Krankheit empfand, wenn er Anderen Freude bereitete, konnte 138 ) er persönlich wenig Theil nehmen. Nachdem die Fremden abgereiset waren und das Wetter anfing schön zu werden, glaubte er, daß eine Veränderung seines Aufenthaltsortes und die gewohnte Bewegung sein Befinden bessern würden. Er ging deswegen mit der Königin und den zwei ältesten Prinzessinnen nebst zweien, der fremden Fürsten, den Herzogen Philipp von Grubenhagen und Christian von Anhalt, nach Seeland. Mit stets abnehmenden Kräften und verändertem Aussehen kam er am 6. März da an, konnte aber nicht weiter, als bis Antvorskov, wo die Krankheit mit Husten, Fieber und Mattigkeit zunahm. Nach dem Gebrauche der Arzeneien schien sein Befinden sich zu bessern, aber er verlangte nach seinen andern Kindern, die in Hadersleben geblieben waren, und die Königin mußte selbst, obgleich gegen ihren Willen, hinreisen, sie
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zu holen. Wenige Tage darauf nahm jedoch die Krankheit eine so beunruhigende Wendung, daß der König seinen Zustand nicht verkennen konnte und sich das Abendmahl reichen ließ. Die Königin, an welche nun in aller Eile ein Bote abgefertigt war, kam nach einer schnellen, aber gefährlichen Schifffahrt über den Belt Nachts in Antvorskov an. Als der König nach einem kurzen Schlummer erwachte, stand sie an seinem Lager, pflegte und tröstete ihn, betete für ihn und mit ihm, enthielt sich aber aller Klagen und Aeußerungen ihres tiefen Herzenskummers, da sie wußte, daß ihm diese die Scheidestunde noch schmerzlicher machen würden 139 ). Er starb mit vollkommenem Bewußtsein und mit gottergebenem Muthe am 4. April 1588.
Am 5. Juni erfolgte die feierliche Beisetzung in der roeskilder Domkirche. Der königlichen Leiche unmittelbar folgten der erwählte König mit seinem Großvater m. S., dem Herzoge Ulrich, und den beiden jüngeren Prinzen. Nach dem Gebrauche der damaligen Zeit war die verwittwete Königin nebst dem weiblichen Theile der königlichen Familie und Gefolge die [S. 38.] letzte im langen Trauerzuge. Herzog Hans und ihr Onkel, Herzog Carl von Meklenburg, führten die königliche Wittwe 140 ).
Die traurige Gemüthsstimmung der Königin und die trüben Aussichten, welche ihre Zukunft bot, gehen am deutlichsten aus einem Briefe hervor, den sie wenige Tage nach des Königs Tode an ihren Vater aus Antvorskov schrieb. Mit diesem charakteristischen und selbst in der Form merkwürdigen Briefe soll passend dieser Abschnitt in Sophiens Geschichte geschlossen werden 141 ).
"Hertzliebe Her Fatter, ich habe E. G. Schreiben bei Jochim Bazewitzen 142 ) bekommen vnd darauß für standen das E. G. leider mein elende Schreiben bekommen haben, vnd E. G. ein hertzlich mittleiden mitt mihr tragen, dafür ich E. G. als die Dochter freundt=
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lich dancke. Godt weis wie hertzlich betrobett ich mitt meinen kleinen Kinderen sitze und nun fast keinen trost mehr habe, ach keine Zuflucht ahne zu Godt und zu E. G. Ich hofe E. G. werden mich och in meinem elende darh ich leider in bin nicht fürlassen werden, sonderen mich beistehen, den ich nicht weis wie ich es anfangen sol oder was ich don sol, den ich nich(t) fil mit sonnchen (solchen?) hendelen vmgangen habe vnd och sonst fon keinen sachen weis, den mich der Konigk nichts hatt bei seinen leben wissen lassen fon seinem handel, och begeren E. G. tzu wissen, ob der Konigk och für seinem Abscheitt fürordeninge gedahn hatte wie es mitt mich vnd meine Kinder geholden werden solde nach seinem Dotte, so kan ich E. G. nicht fürhaltten das er sich nirgens angekertt hatt ach fon keinem dinge auf der Welt gesagett, sonderen den dach tzuforen eh er fürscheidett, do hede ihm der Docktter 143 ) vnd Herr Kristoffer 144 ) der Prediger gefragett ob er nicht fürordenen wolde wie es mith mich vnd mitt meinen Kinderen scholde geholden werden, so hette er geanttworttet er konde es nu nicht thun aber er wolde mich vnd die Kinder Godt vnd seine Vnderthanen besellen, er wüste wol die wurden mich vnd meine Kinder nicht fürlassen. Was nu die Rette don werden das wirtt die Tzeit geben. Ich habe Jochim Batzewitzen alles berichtet wie es sich mitt seiner Kranckheitt hatt angelassen vnd was er für ein Ende genommen hatt, der wertt es E. G. wol berichten. Godt weis das mich ein klegelicher Fall ist das ich doch nur begere das ich mochte dott sein den das ich leben sol es ist mich ein hertzlicher trost, das er sonnchen (solchen?) schönen herlich ende genomen hatt vnd hatt geredett bis in sein letzette vnd wahr bei alle seinem Fürstande bis das er fürscheidette. Ich hede nicht gemendet (gemeint?) das mich Godt so hartt straffen solde doch wahr mich wol allezeitt bange dafür ehr ist nicht wol tzufriden gewesen disen gantzen Wintter auch
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"nicht eher soder (seit?) das er von Luneburck kam, das werden sich E. G. wol tzu erinnern wissen wie vbel das er da aus sach die Farfe hatte er bis nu behalten wiewol er nich wolde das er schwach wahr ich leider nu mitt schmertzen wol weis geworden. ich dancke E. G. freundlich für die fürschreibige fan dem rade tzu Lubecke den es mich nu leider wol unütze werden wertt vnd nicht fil in den Henden habe. Was den leinwandt belangett das E. G. gekofett hatt bide ich das E. G. das nach Kopenhagen wollen bringen lassen. was ich E. G. nicht geschrieben habe, das habe ich Batzewitzen mundtlich berichtet vnd will E. G. Godt dem allmechtigen befolen haben vnd bide E. G. mochten sich ach in disem ckreuze messigen das E. G. mich vnd meinen kleinen Kindern zu troste leben mugen da wil ich Godt getrewlich vm bitten vnd will E. G. ihm ach befolen haben. Dattum Anderscho den 14. April Anno 1588.
E. G. getrewe tochter
die
weil ich lebe."
Aufschrift:
Dem hochgebornen Fürsten, vnserm freundtlichen Hertzvielgeliebten Herrn Vatern vnd Geuattern, Herrn Vlrichen, Herzogen zu Mecklenburg, Fürsten zu Wendenn, Graffen zu Schwerin der Lande Rostock vndt Stargardt Herrn.
Folgendes ist vom Herzoge darauf geschrieben:
"Schreiben von unser Dochteren, der Kunniginnen, bei Jochim Bassewitzen, den 20. Aprilis zue Gustrau empfangen."
[S. 39.] Wir haben Sophia von Meklenburg als Gattin, Mutter und Königin kennen gelernt. Umstände gebieten uns, bei ihrem Wittwenstande, dem längsten, den eine dänische Königin verlebte, einem Zeitraume von drei und vierzig Jahren stehen zu bleiben, in welchem ihr Leben und Wirken in mehreren bemerkenswerthen, in des Landes innere Verhältnisse eingreifenden, zum Theil noch nicht völlig aufgeklärten Richtungen sich entfaltete. Sophia's selbstständiges Auftreten, ihre Theilnahme an öffentlichen Angelegenheiten, ihr kräftiges, tüchtiges Verwalten ihrer Güter und das dabei erworbene beträchtlich Vermögen
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und endlich ihr lebendiges Interesse für die Wissenschaft und ihre eigenen wissenschaftlichen Beschäftigungen verdienen in gleichem Grade die forschende Aufmerksamkeit des Historikers und die Bewunderung der Nachwelt. Der weitere Verfolg aber dieses weitläuftigsten und unläugbar anziehendsten Theils ihrer Geschichte in allen ihren einzelnen Momenten verbleibe einer anderen Zeit und Feder.
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des
Herzogs Ulrich von Meklenburg
im Jahre 1582,
von
A. F. W. Gloeckler.
E s erweckt Freude und befruchtende Theilnahme bei Betrachtung der Vorzeit, wenn man die Geschichte gefeierter Menschen, deren Ruhm vor unbefangener und gründlicher Forschung besteht, bis in Einzelnheiten, selbst des häuslichen Lebens, verfolgt. Wer das Bild großer Männer nur auf der Schaubühne des öffentlichen Lebens, nur auf der Höhe des Ruhmes - nicht selten eines zweideutigen - erblickt hat, dem wird es oft wenig klarer erscheinen, als ein Bild, welches gewaltig oder seltsam gestaltet in der Ferne an ihm vorüberzieht. Erst wenn sich der forschende Blick den geschichtlichen Menschen nähert und einzelne Züge ihres Wesens scharf erfaßt; erst wenn man in den eigenthümlichen Gedankenkreis und in das häusliche Leben derselben eindringt, wird ihr Bild dem Beschauer belebt und eindrücklich, ihr geschichtliches Wirken, dem Forscher verständlich werden.
Eine solche, in geschichtlichen Werken seltene, Betrachtung berühmter Männer ist zugleich aufklärend für die Sittengeschichte und erscheint besonders erfreulich in Bildern aus den Zeiten des sechszehnten Jahrhunderts 1 ). Dieses hat fast gleichmäßig die Schlußsteine des alten und die Keime des neuen Lebens des deutschen Volkes entwickelt. Der Kampf
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um die Freiheit des Glaubens und der Forschung ließ in dem deutschen Volke viele kräftige und würdige Männer erstehen, welche mit regem Ernste für Volkswohl strebten und zum Theil in herrlicher Eigenthümlichkeit des Geistes hervortreten. Das Männliche und Naturwahre der deutschen Sitte wich damals nur langsam dem Fremden und Gekünstelten - in Kleidung und Schmuck war schon längst das Ausländische nachgeahmt - und die Geltung des Mittelalters tritt auch hier, wie im Staatswesen, noch mannigfaltig auf. Ohne Zweifel erhöht es die Theilnahme beim Anblicke denkwürdiger Menschen, wenn man in Verfolgung ihres persönlichen und häuslichen Wesens, ihrer Neigungen und Genüsse die heitere Seite des Lebens gewahrt und das Unverstellte der menschlichen Natur bewahrheitet sieht. Dies gilt zumal da, wo der Handelnde sich in den höchsten Kreisen des Lebens bewegt.
In Meklenburg regierte die ganze zweite Hälfte dieses Jahrhunderts hindurch Herzog Ulrich zu Meklenburg=Güstrow (1555-1603). Seit dem J. 1590 der Nestor der deutschen Fürsten, führte er sein preiswürdiges Leben nahe an 80 Jahre in fast ungeschwächter Kraft hinauf. Er war ein Mann von strenger religiöser Gesinnung, festhaltend am Rechte, bedachtsam, vorsichtig und friedfertig, sowohl von Natur, als in Folge ein es langen, bitteren Haders mit seinem älteren Bruder, Herzog Johann Albrecht I., und einer mehrfachen Theilnahme an den deutschen Staatshändeln. Obgleich er durch eine unfreundliche und nicht gefahrlose Schule der Erfahrung gegangen war, bewahrte er sich heiteren Frohsinn, ohne in dessen Uebung die Grenzen haushälterischer Mäßigung zu verlassen. Ferne vom Streben nach den großen Dingen der Welthändel, war er in Geschäften unverdrossen, oft zögernd, Vieles selbst thuend. Er ehrte Kunst und Wissenschaft und bewies Männern, wie David Chyträus, achtungsvolle Auszeichnung. Noch mehr suchte er überall Tugend und gute Sitte zu schützen und war gegen Unglückliche ohne Schaugepränge milde und hülfreich 1 ).
Ein den Mann und die Sitte der Zeit bezeichnender Auftritt im Leben diesses Fürsten ist seine Fahrt aus den
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Reichstag zu Augsburg im J. 1582, - die letzte und wohl auch die glänzendste, welche von meklenburgischen Fürsten vollführt ist 1 ).
Seit dem schmalkaldischen Kriege begannen der Ruhm und die alte Bedeutung der Reichstage zu erlöschen. Die inneren Zwiste der Deutschen wurden bitterer, ihre religiöse und politische Parteiung schärfer, als je zuvor; daheim mehrten sich mit den Staatsgeschäften die Sorgen der Herrschenden und viele Fürsten wurden durch Geldmangel bedrückt. Da überdies persönliche Reibungen, besonders Rangstreitigkeiten - Zeichen der Erschlaffung des deutschen Volksgeistes - auf den Reichstagen häufiger wurden, so stellten die Fürsten nach und nach den persönlichen Besuch der Reichstage ein, die sie nun durch Gesandte beschickten. Schon der gewaltige Kaiser Carl V. konnte im Jahre 1554, freilich in einer stürmischen Zeit, nur erst nach drei Aufforderungen einen Reichstag zu Stande bringen, auf welchem doch nur wenig Fürsten erschienen 2 ). Bald ward es aber Grundsatz der kaiserlichen Staatskunst, den Besuch und die Wirksamkeit der Reichstage zu beleben. Dies geschah, theils um den kaiserlichen Einfluß auf die inneren Reichssachen, der wachsenden Landeshoheit gegenüber, nicht fortgehend sinken zu lassen, theils um die reichsständische Hülfe zum Schutze der von den Türken bedrängten österreichischen Erbländer leichter zu gewinnen oder gar, um die Türkenkriege als Vorwand begehrter Reichshülfen erfolgreicher zu nutzen.
Der vorsichtige und milde Kaiser Maximilian II. hielt zu Speier und Regensburg (1570, 1576) ansehnliche Reichsversammlungen nicht ohne Erfolg. Auch Rudolph II., obgleich bis zur Schlaffheit und Theilnahmsloigkeit an der Außenwelt eine mit Lieblingsstreben, besonders mit natur= und geheimwissenschaftlichen Forschungen erfüllte Ruhe liebend, verfolgte in dieser Hinicht die Bahn des Vaters. Er entschloß sich zum persönlichen Besuche der Reichstage, deren ersten er auf den Juni 1582 nach Augsburg ausschrieb. Die Absicht war,
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Hülfsgelder zum Türkenkriege zu gewinnen, die Niederlande in Ruhe und gegen Frankreich geschützt zu erhalten, auch wohl die Religions= und Handelsbeschwerden mancher Reichsstände nach Umständen beizulegen 1 ). Schon um das kaiserliche Ansehen durch den Glanz der Versammlung zu erhöhen, wurden fast alle Fürsten von Macht und Einfluß, unter den protestantischen namentlich der Kurfürst August von Sachsen und der Herzog Ulrich von Meklenburg, dringend und wiederholt ersucht, persönlich zu erscheinen.
Herzog Ulrich scheute zwar als eifriger Protestant die auf dem Reichstage vielleicht entstehenden katholischen "Practiken", nicht minder die Mühen einer so weiten Reise und die Kosten des Prunklebens zu Augsburg. Indessen veranlaßten ihn doch dringende kaiserliche Schreiben noch im Winter mit seiner Gemahlin Elisabeth, aus dem dänischen Königshause, der würdigen Mutter der edlen Königin Sophie von Dänemark, zum Kurfürsten August nach Dresden zu reisen. Diesem stand er durch Verschwägerung und Uebereinstimmung in Staatssachen nahe, was schon seit den Zeiten der Grumbachschen Händel eine persönliche Befreundung, häufige Besuche, lebhaften Briefwechsel und Austausch von Geschenken an Pferden, Hunden, Wildgehörn, Meermuscheln, Steinen vom heiligen Damme zu Doberan, Güstrower Bier, Gemälden, Waffenstücken und andern Kunst= und Naturerzeugnissen herbeigeführt hatte.
Am 19. Februar 1582 verließ Herzog Ulrich mit 127 Pferden Güstrow und traf am 1. März zu Dresden ein. Hier verweilte er bis zum 9. d. M. unter vielem "Pankettiren". Es wurden auch mit Ernst die Staatssachen berathen und nach mehrfacher Besprechung ward der persönliche Besuch des Reichstages durch beide Fürsten beschlossen. Gleich nach der Rückkunft des Herzogs Ulrich von Dresden begannen in Meklenburg (21. März) die Zurüstungen zu seinem Zuge.
Zuerst wurden die Räthe und höheren Hofdiener des Herzogs nebst einigen Vasallen einzeln aufgefordert, sich zur Reise zu bereiten. Unter jenen ward dem Heinrich Husan, früher Canzler Joh. Albrechts, I., jetzt Syndikus der Stadt Lüneburg und zugleich des Herzogs Rath von Haus aus 2 ), Urlaub vom Magistrate erwirkt. Obgleich dieser ihn wegen vielfacher Reisen, zumal er eben erst mit dem Herzoge nach Dresden gezogen war, ungerne auf Monate von Neuem entließ, ward doch demnächst der ertheilte Urlaub mit dem
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Geschenke eines stattlichen Hengstes begleitet, indem damals die reicheren und freieren Städte Norddeutschlands noch eigene Marställe hielten. Hierauf wurden die Räthe Vicke von Bülow auf Rensow, Joachim von Oertzen auf Wustrow, Dr. Esaias Hoffmann und der Canzler Dr. Jacob Bording zur Begleitung beschieden. Außer diesen sollten folgen: der Hofmarschall Joachim von der Lühe, der Rath und Lehnmann Henning Krause auf Varchow als Reisehofmeister der Herzogin Elisabeth, der Hofprediger Andreas Celichius, Superintendent zu Güstrow, und der Leibarzt Dr. Johann Heine. Als Ehrenbegleiter und Gesellsschafter wurden verschrieben die Vasallen: Joachim Wangelin auf Vielist, Dietrich Bevernest auf Lüsewitz 1 ), Joachim Kossebade der Jüngere auf Torgelow und Joachim Bassewitz auf Levezow, wie auch der Amtmann Andreas Hüneke zu Malchow. Die Vasallen und die Räthe aus diesem Stande wurden gleichmäßig aufgefordert, "mit einem Kotzkenn (Kutsche) vnd dreien Pferden dafür, sambt noch einem guten reisigen Pferdt, welches euch, wann Wir selbst zu Roß sein, zu reiten tuglich vnd vnuerweislich ist, auch euren Ehrkleidern auffs beste staffiret" zu erscheinen. Die Begleitung des Lehnsherren bei Beziehung der Landtage und bei Reichstagsfahrten gehörte zu den Ehrendiensten der Vasallen. Länge und vielfach geübt war die verwandte Pflicht des Geleites bei Durchzügen fremder Fürsten und bei Vermählungen des Lehnsherrn oder Eines aus seinem Hause. In solchen Fällen mußten die Vasallen sich und ihre Diener auf eigene Kosten mit Ehrenkleidern, d. h. mit der üblichen, oder vorgeschriebenen Hofkleidung - so weit sie nicht besonders kostbar war - und mit stattlichen Rossen ausrüsten. Eine bloß berittene Begleitung war die gewöhnliche. Auch ward den aufgebotenen Vasallen vom Lehnsherrn Futter und Mahl gereicht, so wie freies Lager gewährt 2 ). - Dagegen erhielten zu dieser Fahrt der Hofmarschall, der Leibarzt, der Superintendent und die gelehrten Räthe jeder 40
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Gulden zu Ehrenkleidern von Sammet und Atlas, Husan sogar 58 Gulden aus herzoglicher Renterei; auch die ihnen beigegebene oder angehörige Dienerschaft ward zum Theil auf herzogliche Rechnung neu gekleidet. Aus landesherrlichen Mitteln mußten auch die Wagen und Pferde für die Hofräthe und die übrigen Hofdiener geschafft werden, indem diese Reisemittel damals selbst von hohen Beamten nur ausnahmsweise besessen wurden und zu Miethe nur selten brauchbar zu erhalten waren. Jedoch wurden hier die nöthigen Fuhrwerke nicht dem herzoglichen Marstalle entnommen, welcher so große Vorräthe noch nicht darbot, sondern sie mußten von den Städten des Landes für solche Ehrenfälle nach herkömmlicher oder ausdrücklich bestimmter Pflicht geliefert werden. Die Verzeichnisse des herzoglichen Gefolges nennen weiter zwanzig Hof= und Landjunker: Joachim Stralendorf, Henning Lützow, Ulrich Penz, Otto von der Lühe, Eler Voß, Joachim Fineke, Vicke Wangelin, Lutke Bülow, Eler Ratlow, Christoph Schack, Heinrich Rieben, Mathias Heine und Levin Linstow, Joachim Levetzow, Franz Prignitz, Jürgen von Hagen, Mathias Vieregge, David und Hans Hahn. Fast alle diese waren meklenburgische Vasallen oder Söhne derselben, jedoch zu verschiedenen Dienstleistungen bestimmt. Sieben von ihnen, Mathias, Heine und Levin Linstow, Joachim Levetzow, Franz Prignitz, Jürgen von Hagen und David Hahn werden als Hengstreiter bezeichnet, welche wohl theils mit an der Spitze des Zuges reiten, theils die Kutsche des Lehnsherrn umgeben und dessen unmittelbare Aufträge bei der Reise voll=
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führen sollten 1 ). Ulrich Penz sollte dem Herzoge als Stallmeister und Joachim Stralendorf als Kämmerer, Henning Lützow der Herzogin Elisabeth als Kämmerer aufwarten. Die Uebrigen scheinen als Kammerjunker und Edelknaben gedient zu haben; wenigstens werden die in den Entwürfen und Rechnungen vorkommenden "edelen Knaben" nicht weiter persönlich aufgeführt. Außerdem sollten an sonstigen Hofdienern folgen: 3 Canzleischreiber mit einem Jungen, der Rentschreiber Johann Isebein 2 ), 1 Einkäufer und Küchenschreiber, 1 Wagenmeister, 1 Futtermarschall, 1 Hufschmied, 3 Schenken, 3 Fürstenköche, 1 Pastetenbäcker, 1 Ritterkoch, 3 Küchenknechte, 2 Silberknechte, 1 Saalknecht, 2 oder 3 Trompeter, 4 Einspännige, mehrere Hengstreiter= und andere Jungen. Auch drei "Spieß=Jungen" - mit in Perlen gestickten Sturmhauben =, 1 Schneider, 1 "Balbierer" und noch mehreres Gesinde kommen in den Rechnungen vor.
Seit dem 28. März wurden von den Städten "Rustwagen, Gutschen vnd Pferde" verschrieben. Die Rüstwagen sollten das persönliche Reisegeräth der Fürsten und ihrer höheren Diener, so wie die Einrichtungen und Bedürfnisse der Küche, des Kellers und der Silberkammer aufnehmen. Alles dies ward damals bei großen Staats=Reisen gewöhnlich mitgeführt, weil für Fürsten geeignete Gasthöfe gar nicht oder sehr selten gefunden wurden. Es waren zwar einige solcher Wagen im herzoglichen Marstalle vorhanden, aber man bedurfte deren etwa acht bis neun. Die fehlenden wurden herzoglicher Seits von den Städten Wismar, Rostock, Parchim, Neu=Brandenburg, Malchin und Friedland begehrt. Es ward dabei bestimmt, daß diese Wagen mit dunkelem Tuche bedeckt, mit vier Pferden bespannt und von einem schwarzgekleideten Führer gelenkt werden sollten. Wegen der für die gelehrten Räthe und sonstigen Hofdiener, wie Köche, Canzleischreiber u. s. w., erforderlichen Reisekutschen ward an die Städte Güstrow, Schwerin, Boizenburg, Röbel und Waren geschrieben. Ein solcher Wagen sollte Raum für vier Personen darbieten, an beiden Seiten Thüren haben und mit vier Pferden bespannt sein. Auch waren diese Wagen mit einem anscheinend in Holz gebaueten Verdecke, welches wohl mit Leber überzogen war,
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aber jedenfalls nicht mit Druckfedern und Glasfenstern, Erfindungen des siebenzehnten Jahrhunderts versehen. Von den Städtchen Woldeck, Gnoien, Wesenberg und Sternberg wurden bloß Pferde gefordert. Allein bei dieser Gelegenheit trat schon der ärmliche Zustand mancher kleineren Landstädte scharf hervor, Die meisten klagten in ihren Antworten über Verarmung, Noth und "vmb sich fressende Schultbeschwerung". So erklärten sich Boizenburg und Röbel für ganz unfähig, "einen Gutschen zu bereiten", oder einige Pferde zu stellen; auch Waren, Wesenberg und Woldeck wollten kaum die zu ihrem Ackerbau nöthigen Pferde haben. Es mußten deshalb einige von diesen Städten für dieses Mal ganz von der Leistung befreiet, die Kräfte anderer, wie Röbel, Waren und Woldeck durch wiederholte Erlasse dahin vereinigt werden, daß eine Stadt den Wagen, die andere drei Pferde und die dritte zwei Pferde mit einem Führer stellte u. s. w., bis ein Fuhrwerk vollständig erschien. Dagegen brachten die Seestädte Rostock und Wismar auf dringendes Ansuchen des Herzogs, mit Beziehung auf die Mitreise des jungen, noch bevormundeten meklenburg=schwerinschen Landesherrn, zusammen 4 stattliche Rüstwagen mit 16 Pferden und 4 neu eingekleideten Führern auf. Jede Seestadt verdoppelte demnach die gewöhnliche Leistung in diesem besonderen Falle, wenn gleich erst nach mehrfacher Verhandlung und nicht ohne ausdrücklichen Vorbehalt.
Nachdem diese Vorbereitungen, an deren Betreibung Herzog Ulrich bisweilen persönlich Antheil nahm, gegen Ende April vollendet waren, geschahen die vorläufigen Anmeldungen und Geleitsgesuche des Herzogs bei denjenigen Fürsten, durch deren Gebiet die Reise nach Augsburg führte. Zunächst bei den verwandten und befreundeten Häusern von Brandenburg, Braunschweig und Sachsen, dann auch bei dem Grafen Günther von Schwarzburg, dem Bischofe von Bamberg und Anderen ward um "lebendig Geleidt" - im Gegensatze des bloß brieflichen, zur Vermehrung der Sicherheit und des Glanzes - von einer Landgrenze zur andern, auch um "Nachtlager vnd Lieferung für die Gebühr" nachgesucht. Diese Schreiben bezeichneten zugleich den Tag des Eintreffens des Reisezuges und die Zahl der Pferde und wurden durch besondere Eilboten bis nachb Franken hinauf versandt. Von den meisten Fürsten trafen bald freundlich=willfährige Antworten und herzliche Glückwünsche ein.
Inzwischen war schon am 24. März der Hofküchenmeister Andreas Ihlefeld mit einigen Dienern nach Augsburg vorweg gesandt, um die nöthigen Vorräthe für die erste Einrichtung des Hoflagers einzukaufen, Wohnungen zu miethen
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und sonst die Aufnahme des Herzogs vorzubereiten, der ihn zu diesem Zwecke an den Reichs=Vice=Marschall Grafen von Pappenheim empfahl.
Hierauf wurden 8 Vasallen und Räthe, unter denen die alten gewiegten Staatsmänner Werner Hahn und Joachim Krause waren, zu Statthaltern für die Zeit der Abwesenheit des Herzogs ernannt und am 1. Mai mit einer Anweisung für ihre Wirksamkeit versehen. Zugleich erging an die benachbarten Fürsten, namentlich an Brandenburg, Pommern, Braunschweig und Holstein, das übliche Gesuch: sie möchten des Herzogs Land und Leute während dessen Reise "sich treulich lassen beuholen sein" und den verordneten Statthaltern im Falle der Gefahr mit Rath und Beistand an die Hand gehen. Die Fürsten erklärten sich sofort bereitwillig zur etwanigen Hülfsleistung; der Kurfürst Johann Georg von Brandenburg und Herzog Adolph von Holstein, Oberster des niedersächsischen Kreises, beschenkten überdieß unter herzlichen Glückwünschen den Herzog mit edlen Rossen zur Reise.
Während dieser letzten Vorbereitungen erhielten seit dem 24. April die Vasallen und Hofjunker die endliche Aufforderung, am 7. Mai reisefertig zu Güstrow zu erscheinen. Gleichzeitig sollten die Städte ihre Rüstwagen und Kutschen zur Musterung ebendahin absenden.
Nachdem die ersten Nachtlager für den Zug zu Schwerin und Dömitz bestellt waren, brachte am 4. Mai ein Eilender von Dresden die Kunde, daß der Kaiser von Wien am 11., der Kurfürst von Dresden am 18. Mai nach Augsburg abzureisen gedächten. Demnach brach Herzog Ulrich am 9. Mai von Güstrow auf. Ihn begleiteten aus dem Fürstenhause seine Gemahlin Elisabeth, "aus königlichem Stamme zu Dänemark", mit ihren Damen und Dienerinnen in vier Kutschen, und seine beiden Neffen, die Herzoge Johann, bevormundeter Landesherr von Meklenburg=Schwerin, und dessen jüngerer Bruder, Sigismund August, Jünglinge von 24 und 21 Jahren. Das zahlreiche Gefolge, in welchem sich die Vasallen mit vielen Pferden und Dienern "wol staffiret" zeigten, war durch einen großen Troß bis auf etwa 112 Personen angewachsen. Den Zug eröffneten gewöhnlich zwei Einspännige und zwei Trompeter, letztere mit rothen und gelben Federn, ihnen folgten einige "Hengstreiter" und andere Berittene mit einem der Marschälle und auf diese ungefähr 16 Kutschen mit etwa 60 Pferden, die Reihe von einzelnen Reitern umgeben oder getheilt, die Karosse des Herzogs mit sechs Pferden bespannt. An die Kutschen des höhern Gefolges schlossen sich die Wagen der Canzlei, der Köche, Schenken und
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anderer Hofdiener und diesen folgten 10 Rüstwagen mit 40 Pferden, das Gepäck und die dazu gehörige Dienerschaft führend. Einspännige und andere Reiter schlossen den langen Reisezug. Der ganze Zug bestand aus 220 Pferden, unter denen 150 Wagen= und etwa 70 Leibpferde sein mochten. Die letztern wurden meistens durch Marstallbediente und Diener des höheren Gefolges geführt.
Die Wegstrecke von Güstrow bis Augsburg war zu 97 Meilen berechnet. Die Reise sollte über Salzwedel, Wolfenbüttel, Erfurt, Bamberg und Nürnberg gerichtet werden. Durchschnittlich wollte der Herzog nur vier Meilen des Tages zurücklegen und jeden vierten Tag rasten, so daß die Dauer der Reise auf 35 Tage, vom 9. Mai bis 13. Juni, bestimmt ward. Gewöhnlich gingen dem Zuge ein Fourier mit einigen Küchenbeamten und diesen wieder ein Eilbote vorauf, der die schließliche Anmeldung des Herzogs und den "Fourier=Zettel" an die nächsten Fürsten oder Städte überbrachte.
Am 9. Mai ging die Reise bis Sternberg, am 10. bis Schwerin, am 11. bis Grabow und am 12. bis Dömitz. Hier ward am 13. d. M. gerastet. Das erste Nachtlager in der Fremde bezog Herzog Ulrich zu Salzwedel. Hier traf derselbe, wie auch am 15. zu Steineke, mit kurbrandenburgischem Geleite ein und empfing die "Ausrichtung" von den Dienern des nahe verwandten Kurfürsten. Bei ansehnlichen Gaben des Herzogs an jene wurden die Reisekosten durch die "freie Ausrichtung" wenig gemindert. Auch wurden schon nach wenig Tagen die Ausgaben für Huf= und Wagenbeschläge, neue Räder, Thüren und Achsen an den Wagen, Besserungen am Sielengeschirr und dergleichen, welche übrigens schon in Schwerin begannen, beträchtlich, namentlich hinsichtlich der städtischen Fuhrwerke. Hierzu kam, daß während größerer Tagereisen die Voraufgesandten, so wie einzelne Nachzügler, gewöhnlich starke Zechen machten und zumal die Rüstwagen=Knechte und Andere vom Troß sich nicht selten übermäßig in Bier labten. - Eine sich häufig wiederholende Unterhaltung auf der Reise veranlaßten in den Städten "die Cantores vnd Instrumentisten, so fur seiner furstlichen Gnaden gesungen vnd aufgewartet". Dies geschah z. B. zu Grabow und zu Salzwedel, an welchem letztern Orte der Cantor dem Herzoge "ein Stuck dediciret vnd 4 Thaler empfangen" hatte. Meistens waren es geistliche Lieder und Psalmen, welche bei solchen Gelegenheiten vorgetragen wurden. Der Herzog hörte diesen Leistungen anscheinend mit wirklicher Theilnahme zu, was theils in der religiösen Richtung der Zeit lag, theils darin, daß die Tonkunst noch vorherrschend und nicht
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selten glücklich von Geistlichen geübt ward. - Außerdem stellten sich öfter glückwünschende Abgesandte der vom Zuge berührten Städte und umliegenden Ortschaften ein, um Anreden zu halten und zuweilen um Festgeschenke darzubringen. Dies geschah auch von einzelnen Vasallen. So ließen die von Bartensleben dem Herzoge zu Forsfeld einige Karpfen und Hasen überreichen. - Es wurden dergleichen Gaben freundlich aufgenommen, zumal der Verbrauch der Reisenden an Lebensmitteln sehr groß war. Dies zeigt gleich die Rechnung vom Nachtlager zu Forsfeld, wo die herzogliche Küche die Mahlzeiten für die Fürsten und einen Theil des Gefolges bereitete. Es wurden zu demselben außer vielem Geflügel und einer Menge von Fischen u. A. ein halber Ochse, 1 Kalb, 3 Hammel, 5 Lämmer, 1 halbes Schwein, 2 Seiten Speck, 24 Pfund Butter, 2 Fässer Bier u. s. w. eingekauft und anscheinend zu Forsfeld beim Nachtmahl und der Frühkost verzehrt. Dabei betrugen die Zechen für die Vorausgesandten und das Gesinde, so wie die Trinkgelder noch die Summe von 100 Gulden.
Mit braunschweigischem Geleite erreichten die Reisenden am 17. Mai Abends das Hoflager des Herzogs Julius zu Wolfenbüttel. Dieser war persönlich der Gäste gewärtig und that ihnen an diesem und dem folgenden Tage "die Außrichtung stadtlich, auch vber die Gebuer". Dagegen wurden "vffm Schloß in Kuchenn vnd Keller vorehret 60 Rthlr., item den Trommetern 10 Rthlr., den Instrumentisten 3 Rthlr., item den Drabanten 6 Rthlr., den Berggesellen 4 Rthlr." u. s. w. Zugleich waren für Huf= und Wagenbeschläge und ähnliche Bedürfnisse, für Zechen des Hofgesindes, gemachte Auslagen der Räthe und Diener und dergleichen wieder an 100 Gulden verwandt. Zwei Fässer des berühmten Eimbecker Biers, wie es scheint ein Geschenk des Herzogs Julius, wurden nebst zwei Tonnen Schinken einem "Kerner von Meiningen" gegen eine Frachtgebühr von 36 Rthlrn. zur Besorgung nach Augsburg übergeben. Die Herzogin Elisabeth kaufte von einem Goldschmiede aus der kunst= und gewerbreichen Stadt Braunschweig für 500 Rthlr. Kleinodien und 14 goldene Ringe für 84 Gulden, vermuthlich zu Geschenken während der Reise. Die ganze Ausgabe zu Wolfenbüttel betrug über 700 Rthlr.
Am 19. Mai ging der Zug nach dem Schlosse Hessen und gelangte am 20. d. M. nach Halberstadt, woselbst Herzog Ulrich und die Seinigen von dem Bischofe Heinrich Julius, aus dem Hause Braunschweig, gastlich empfangen wurden. Der Bischof entschuldigte sich dabei als ein junger Hauswirth mit dem Mangelhaften der Ausrichtung. Es wurden hier u. A.
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"den Chorschulern, so gesungen, 5 Rthlr., den Cantoribus, so auffgewartet, 2 Rthlr., Einem, Andreas Gallus genannt, so seiner furstlichen Gnaden etliche deutsche Versch vorehret, 1 Rthlr. vnd einem armen Pastorn, so keinen Dienst gehabt, 2 Rthlr. vorehret". Ueberhaupt pflegte Herzog Ulrich auf der ganzen Reise die geistlichen Sänger, die Religions=Flüchtlinge und ähnliche Nothleidende vorzugsweise reichlich zu bedenken. Wiederholt ließ er sich auch kleine Münze an Dreilingen und Groschen von dem Rentschreiber Johann Isebein geben und verabreichte bisweilen persönlich armen Wandersleuten oder Abgebrannten milde Gaben. - Unter den Gegenständen des Reisegeräthes, welche hier einer Ausbesserung bedurften, befand sich auch eine im Wagen des Herzogs Ulrich angebrachte Uhr mit einem Schlagwerke. Dieselbe scheint umfänglich und kunstvoll gewesen zu sein 1 ), litt aber wohl beträchtlich bei der zuweilen heftigen und schwerfälligen Bewegung des Wagens; wenigstens mußte sie schon nach wenig Tagen, zu Sangerhausen, abermals gebessert werden.
Nach einem Rasttage zu Halberstadt erreichten die Reisenden am 22. Mai Ermbsleben und am 23. d. M. Sangerhausen, wo wiederum gerastet ward. Der sächsische Kurfürst hatte hier für Geleite und Bewirthung der Gäste Sorge getragen. Herzog Ulrich bezog das Schloß; einen Theil der Räthe und Junker nahm der Burgemeister auf. Der Kurfürst bat, wie üblich war, "mit der geringen Tractation freuntlich vorlieb zu nehmen", wogegen diese von den Gästen für über die Gebühr reich erklärt ward. Zu dem festgesetzten Rasttage kam noch ein zweiter, weil die von Zeit zu Zeit eintreffenden Eilboten schwankende Nachrichten über den endlichen wirklichen Aufbruch des Kaisers und des Kurfürsten August zum Reichstage überbrachten. Herzog Ulrich, der das Haus und die Heimath liebte und des katholischen Wesens der Länder und Fürsten, denen er nahete, mißtrauisch gedachte, war zur Rückkehr entschlossen, falls der Kaiser und der sächsische Kurfürst persönlich vom Reichstage ausbleiben würden. Deshalb war schon seit dem Eintreffen zu Wolfenbüttel die Reise mit Absicht verzögert. So ward auch wieder zu Weissensee, wo der Zug
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am Abend des 26. Mai anlangte, am 27. gerastet. Von hier aus meldete Herzog Ulrich sein und seiner Gemahlin Wohlergehen dem Kurfürsten von Sachsen, zeigte aber zugleich an, ihm sei von Augsburg geschrieben, der Reichstag könne wegen Krankheit des Kaisers, der das warme Bad brauchen wolle, möglicher Weise bis auf den Herbst ausgesetzt werden. Vielleicht, fügt der Herzog bei, seien auch "allerlei papistische Practiken vnder diesem Reichstage zu befaren", weshalb er, Herzog Ulrich, um eilige Benachrichtigung über die Reise des Kurfürsten auf der von Dresden nach Erfurt verordneten Post 1 ) bitte.
Den Einzug des Herzogs in die Stadt Erfurt, wohin der Zug am 28. Mai aufbrach, begleitete ein kurzweiliger, halb ärgerlicher Auftritt. Es bestanden damals, vorzugsweise in Mittel=Deutschland, viele Geleitsstreitigkeiten zwischen benachbarten Staaten. Dies war unter Andern auch zwischen Sachsen=Weimar und der Stadt Erfurt der Fall. Letztere hatte deshalb schon am 18. Mai den Herzog Ulrich ersucht, von Sachsen=Weimar kein Geleit zu begehren. Der Herzog ging auch zur Vermeidung von Irrungen hierauf ein, jedoch so, daß er am 25. Mai beide Parteien ersuchte, ihn für dies Mal mit dem Geleite zu verschonen. Allein keine Partei wollte sich etwas vergeben und es erschien am 28. d. M. ein weimarscher Geleitsmann. Als aber dieser den Herzog in die Stadt Erfurt geleiten wollte, ließ der Rath ihm den Schlagbaum vor dem Johannis=Thore sperren Der ganze Reisezug mußte halten. Es erfolgten nun von den Geleitsleuten auf beiden Seiten lange, feierliche Verwahrungen und Gegenerklärungen, bis endlich auf freundliches Ansuchen des friedlich gesinnten Herzogs der weimarsche Geleitsmann zurückwich. Doch mußte demselben ein förmliches, von dem Rathe Husan abgefaßtes Zeugniß über seine geübte Pflicht und sein Bemühen, die Gerechtsame Weimars aufrecht zu erhalten, ausgestellt werden. Inzwischen war der Herzog vom Rathe empfangen und in die besten Wohnungen am Markte geführt, wo alsbald Diener des Rathes eine "Verehrung vberantworteten vnd Cantores vnd Instrumentisten aufwarteten". Von der Hofküche waren
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bereits stattliche Einkäufe zu den Mahlzeiten gemacht, wie unter Andern von 44 Hühnern, 61 Pfund Fischen, 2 Kälbern, 7 Lämmern, 8 Gänsen, 37 Pfund Speck, 417 Pfund Rindfleisch, 4 Tonnen Bier u. s. w. Ein Theil dieser Vorräthe ward indessen für die nächsten Tage vorausgesandt. Unter den sonstigen Speisen kommen wilde Enten, Krebse, junge Erbsen, holländischer Käse und für 4 Rthlr. Confect vor. Erfurt erwies sich als ein theurer Ort, indem die Gesammtausgabe für den Unterhalt der Reisenden daselbst etwa 200 Rthlr. betrug. Hiebei wirkte indessen auch der Umstand ein, daß zu jener Zeit selbst in größeren, blühenden Städten wenig räumliche Gasthöfe bestanden. In Folge dessen mußte sich die Reisegesellschaft in vielfache Herbergen zerstreuen. Manche vom Gefolge, ohne die nöthige Ueberwachung und ferne vom Gebieter, führten dann ein mehr fröhliches und üppiges Leben, als in der Regel gestattet war. Zu Erfurt bezogen z. B. der Hofmarschall und einige Vasallen, die gelehrten Räthe, die Hengstreiter, das "Frawenzimmer", die Canzlei, die Schenken und Köche u. s. w. besondere Herbergen, wobei denn auch manche Wirthe die Gelegenheit des Verdienstes reichlich wahrnahmen.
Die Erhaltung der Wagen, Pferde und des Geschirres machte fortgehend dem Marschalle, dem Wagenmeister und dem Rentschreiber große Sorge, zumal nun von Erfurt ab die Reise durch gebirgige Gegenden führte. Weil das Städtchen Arnstadt in Folge einer vor Kurzem erlittenen Feuersbrunst sich zum Nachtlager nicht eignete, mußte der Herzog am 29. Mai eine ungewöhnlich starke Tagereise auf dem thüringer Walde machen. Neun gemiethete Führer mußten an mehreren Stellen die Wege aufräumen und erst spät Abends langte man in Ilmenau auf dem Walde an. Nachdem Herzog Ulrich am nächsten Morgen das Bergwerk, den Eisenhammer und die Schmelzhütten in der Nähe des Ortes besichtigt hatte, begab sich der Zug auf Einladung des Grafen Georg Ernst zu Henneberg nach Schleusingen. Hier rasteten die ermüdeten Reisenden und ergötzten sich in fröhlichen Banketten, so wie an den gewohnten Leistungen der geistlichen Sänger, Trompeter und anderer Musiker. Es traf nun auch ein erwünschtes Schreiben des sächsischen Kurfürsten ein, nach welchem der Kaiser am 31. Mai, dem Rasttage des Herzogs zu Schleusingen, von Wien und der Kurfürst gleichzeitig von Dresden zuverlässig nach Augsburg aufbrechen wollten. In dessen Voraussicht waren bereits am 28. Mai des Herzogs schließliche Gesuche um Geleit und Nachtlager an den Bischof von Bam=
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berg (für den 2-4. Jun.), an den Markgrafen Georg Friederich von Brandenburg=Onolzbach (für den 5-8. d. M.) und an den Pfalzgrafen Philipp Ludwig bei Rhein (für den 9-11. d. M.) abgesandt. - Auch zu Schleusingen wurden unter Andern "den Instrumentisten 6 Rthlr., den Cantoribus 10 Rthlr., vnd den Trommetern 2 Rthlr., vffs Schloß in Kuchen vnd Keller 60 Rthlr. vorehret". Unter den fast gleichmäßig bei jedem Nachtlager vorkommenden Ausgaben wiederholte sich auch hier die eines Trinkgeldes von 4 Groschen für jeden der Vasallen, Hofjunker und Edelknaben, welches an die Wirthe der verschiedenen Herbergen erlegt ward. Die Taxe für die Marschälle und Räthe stieg auf 6 bis 8 Groschen für den Kopf. Im Ganzen erreichten oder überstiegen die täglichen Ausgaben auch zu Ilmenau und Schleusingen die Summe von 100 Rthlrn., obgleich der Werth des Geldes im Verhältnisse zu dem Preise der Lebensbedürfnisse in diesen Gegenden wohl unstreitig höher war, als in den größern Städten des Flachlandes.
Am 1. Juni zog man nach Coburg, wo die unmündigen Herzoge Johann Casimir und Johann Ernst, so wie der Graf Burchard zu Barby an der Spitze des Vormundschafts=Rathes die Gäste empfingen. Der Herzog ward auf dem Schlosse bewirthet, "wie es der Allmechtige gnediglich bescheret vnd nach itziger Gelegenheit muglich gewesen". Weil das Geleitsrecht zwischen Sachsen=Coburg und der Grafschaft Henneberg streitig war, hatte Herzog Ulrich sowohl die Vormünder zu Coburg, als den Grafen zu Henneberg ersucht, zur Vermeidung neuer Irrungen das Geleit für dieses Mal einzustellen, welches auch, wiewohl anscheinend ungerne, geschehen war.
Am Abend des 2. Juni empfing der Herzog zu Bamberg von den Dienern des Bischofs, welcher persönlich nicht anwesend war, und vom Rathe der Stadt die herkömmlichen Ehrengeschenke gegen ansehnliche Gegengaben. Ferner wurden wieder den "Geigern und Instrumentisten, so aufgewartet, 3 Rthlr. 12 Gr., einem armen Manne, der 106 Jahr alt sein sollte, 8 Gr. vnd einem Kerl, der seiner fürstlichen Gnaden ein Carmen dediciret, 1 Rthlr. vorehret". Die Küchenrechnung vom Nachtlager daselbst führt u A. über 100 Stück Geflügel an Tauben, Hühnern, Gänsen u. s. w. auf, welches noch nicht völlig 14 Rthlr. kostete, und 625 Pfund verschiedenen Fleisches im Betrage von 26 Rthlrn. Ein Theil dieser Vorräthe ward wieder für die nächsten Tage vorweg geschickt. Zu Bamberg ward ein Rasttag gemacht. Die Reisenden feierten das Pfingstfest durch einen von dem Hofprediger Andreas Celichius in der Herberge des
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Herzogs gehaltene Gottesdienst, dem eine Besichtigung des bischöflichen Schlosses und Gartens und ein reiches Mahl folgte.
Der Pfingsmontag war zu Forchheim, auf der großen Herrstraße des fränkischen Hochlandes, gehalten, wohin man am 4. Juni gelangte. Der Rat ließ den Herzog mit einer Verehrung an
"Haberrn vnd Fisch" begrüßen. Zu den Mahlzeiten, welche die herzogliche Küche für die Fürsten und das höhere Gefolge bereitete, wurden u. A. 50 Stücke trefflichen Geflügels an Kapaunen, Wachteln, wilden Hühnern u. s. w., sowie 158 Pfund Rindfleisch, zusammen im Betrage von etwa 10 Rthlrn., nebst 21 Maaß Wein zu 2 Rthlrn. und 7 Eimer Bier zu 12 Rthlrn. 12 Gr. eingekauft.
Folgenden Tags, am 5. Juni zog Herzog Ulrich in Nürnberg mit markgräflichen Geleite ein, an dessen Spitze des Bischofs zu Bamberg Trompeter bliesen. Die Fürsten stiegen in der großen "Herberge zum Ochsenfelder" bei Balthasar Müller ab, wo Trabanten des Rathes die Ehrenwache bezogen, die Chorschüler sangen und der berühmte "Organiste Paull Lautensack" seine Kunst bewährte. Zugleich machte der Rath dem Herzoge ein Geschenk mit zwei Ehrenbechern. Die Vasallen und Junker lagen bei den Wirthen "zum Bitterholze" und "zum rothen Rosse", die gelehrten Räthe in der Herberge "zum wilden Manne". In Rücksicht auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt und zur Erholung der Reisenden ward ein halber Rasttag gemacht. Der Herzog besuchte unter Andern einige geschickte Goldschmiede der Stadt. Bei einem derselben kaufte er eine goldene Halskette, "so gewogen 200 1/2 Goltgülden, jeden zu 27 Groschen gerechnet, thuett 225 Rthlr. 12 Gr.; item Macherlohn 8 Rthlr. 18 Gr." Bei einem andern Goldschmiede ward des Herzogs Gürtel neu übergoldet. - In Nürnberg gab es auch damals schon stattliche Gasthöfe, unter denen mehrere der genannten großen Ruf genossen. Nicht minder bot der Waarenmarkt der gewerbreichen Stadt manche damals noch seltene Gegenstände, wie Früchte und Kunsterzeugnisse der Südländer, dar. In den Rechnungen werden neben Kapaunen, Wachteln und Waldhühnern, Krebsen, Schmerlen und Gründlingen auch Capern, Limonien, Pommeranzen, Rosinen, Baumöl, Gewürze, "Rosatzer Wein" u. s. w., wie Confect und Lebkuchen aufgeführt. Um 10 Gulden und 13 Batzen wurden 70 Maß weißen und rothen Weines gekauft. Unter 100 Maaß Bier kommt böhmisches und Rothbier vor. Ein zerbrochenes venetianisches Trinkglas ward dem Wirthe mit 1 Gulden vergütet.
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Am 6. Juni ging die Reise über Schwabach nach dem markgräflichen Schlosse Rota, wo man am 7. d. M. rastete und die Ausrichtung von Dienern des Markgrafen empfing. Manche Wagen mußten hier ausgebessert werden, viele Pferde erhielten neuen Hufschlag und einige auch Arzeneimittel. Ein Büchsenmeister, der dem Herzoge ein schönes Gewehr überreichte, ward mit 15 Rthlrn. belohnt. - Als der Zug am Freitage, den 8. Juni, zu Weissenburg anlangte, ward wieder einmal am Uhrwerke in der Kutsche des Herzogs eine Nachhülfe vorgenommen. Der Rath brachte ein Ehrengeschenk an Wein dar, nach dessen Genuß auch in den Herbergen noch wacker vom Gefolge gezecht ward, wie es denn in der Rechnung heißt: "Noch in der Räthe Herberge fur ein Schlafftrungk betzalt laut des Zettels 1 Rthlr.; item vf die (3) Jungkern der Schlafftrungk mitgerechnet 2 1/4 Rthlr."
Sonnabends, den 9. Juni, traf der Herzog zu Monheim ein, wo der folgende Sonntag begangen ward. Die Ausrichtung ward von den Köchen und Schenken des Pfalzgrafen Philipp Ludwig bei Rhein besorgt. Der Bürger, bei welchem Herzog Ulrich abtrat, hatte sein Haus mit einem stattlichen meklenburgischen Wappen geziert, wofür ihm der Herzog 5 Rthlr. reichen ließ. Dieser nahm übrigens regen persönlichen Antheil an den Leistungen des fremden Kunst= und Gewerbfleißes, dessen Fortschritte er für sein Land nutzbar zu machen suchte. So hatte er auf dieser Reise in der Gegend des Harzes, unferne von Wolfenbüttel, mancherlei Eisen= und Messinggeräthe und im Thüringer Walde verschiedene Metalldrähte zur Probe und Nacheiferung für das heimische Gewerbe einkaufen lassen 1 ). Die Hauptrechnung vom Aufenthalte des Herzogs zu Monheim sagt in dieser Beziehung: "dem Nateler, so in meines gnedigen Hern Gegenwertigkeitt die Nateln gemacht, geben 1 Rthlr.; fur Nateln, so m. g. Her (zur Probe) kaufen lassen 4 Patzen".
Am 11. Juni näherte man sich dem Ziele der Reise bis auf wenige Meilen, indem man Donauwörth erreichte. Hier traf eine erfreuliche Botschaft von dem Wohlbefinden des eben
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auf Nürnberg anziehenden Kurfürsten von Sachsen ein, an dessen Gemahlin die Herzogin Elisabeth eigenhändig geschrieben hatte. Auf ein damals noch seltenes Hülfsmittel bei dieser Beschäftigung bezieht sich anscheinend die folgende Angabe in der Rechnung des Rentschreibers: "Fur Brillen, so der Hofemeister meiner gnedigen Frauw gekaufft, 1 Rthlr." Kurz zuvor, zu Monheim, wiederholte sich eine ebenfalls die Herzogin Elisabeth betreffende Angabe der Rechnung zum dritten oder vierten Male: "Vor Erdtbheren, welche m. g. Frauw bekommen, Vhrban (dem) Sahelknecht widergebenn 2 Patzen". Auch bei Donauwörth heißt es in der Küchenrechnung: "vor Erdtberen 7 Patzen 2 Kr.; vor Sucker (damals noch selten und bisher in der Rechnung nicht vorgekommen) vnd klein Rossin 1 Gulden". - Des Herzogs Ulrich Uhr wird nochmals mit den Worten erwähnt: "fur Besserung an dem Vhrwerck in m. g. Hern Wagenn 4 Patzen".
Das letzte Nachtlager vor Augsburg bezog der Herzog am 12. Juni zu Westendorf. Daselbst machte sich schon die Nähe der großen, von Fremden überflutheten Reichstags=Stadt in ungewöhnlich hohen Preisen mancher Bedürfnisse geltend. So ward z. B. jedes Maaß Hafer zu 6 Batzen (in Weissenburg noch zu 4 Batzen) und die Stallmiethe für jedes Pferd zu 1 Batzen berechnet. Entsprechend sind andere Angaben: "Vor 4 1/2 Eimer Wein, idern 5 Gld. 7 1/2 Ptz., macht 23 Gld. 3 Ptz.; vor 110 Maß Wein, idern 6 Krz., macht 11 Gld.; vor 2 (Pfund) Sucker, ider 7 1/2 Ptz., 2 (Pfund) Mandeln vnd 2 (Pfund) Rossin, ider 4 Ptz., macht 2 Gld. 3 Ptzen" Nächsten Tages suchte sich Jeder zu Westendorf oder auf den folgenden Anhaltspunkten auf das beste zum Einzuge in Augsburg zu "staffiren". Die Perlenhauben der "Spießjungen" waren kurz zuvor gebessert und, wie die Hüte der Trompeter und Einspänniger, mit neuen Federn geziert. An den Wamsen und Pluderhosen des Herzogs hatte der Hofschneider Hans Bolte nicht bloß zu Güstrow vier Wochen lang vor der Abreise, sondern auch unterweges fleißig die Kunst geübt, indem die Rechnungen mehrmals Seide und Seidenband als zu den herzoglichen Kleidern verwandt aufführen. Die Köche und Schenken waren vorweg gesandt. Ihnen folgte in der Frühe des Morgens der Stallmeister Ulrich Penz. Dieser ordnete unferne von Augsburg den herzoglichen Zug, an dessen Spitze blasende Trompeter ritten und in dessen Mitte Herzog Ulrich, wie es scheint zu Roß, gegen Abend des 13. Juni wohlbehalten in Augsburg einzog.
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Vollzählig hatte der Zug die alte Reichsstadt erreicht. So war denn diese damals langwierige, beschwerliche und nicht ganz gefahrlose Reise des Herzogs ohne wesentlichen Unfall und in der voraus bestimmten Zeit von 35 Tagen zurückgelegt. Daß zu jener Zeit selbst einem so stattlichen Reisezuge, wie dem des Herzogs, Gefahr begegnen konnte, beweist eine demselben zugegangene Mittheilung der nach Augsburg vorausgeschickten kursächsischen Räthe vom 4. Junius. Nach Inhalt dieser Botschaft zog gerade damals ein Kriegsvolk von 700 Mann zu Fuß und zu Roß aus Böhmen nach den Niederlanden. Weil nun bei schwacher Mannszucht in dessen Reihen freche Zügellosigkeit, wie um diese Zeit gewöhnlich bei den Söldnern, selbst wenn Führer, wie Alexander von Parma, an ihrer Spitze standen, herrschte, so warnten die Räthe vor einem Zusammentreffen mit diesem Haufen, der jedoch eine andere Straße zog, als jene vermutheten. - Das Beschwerliche der Reise war durch die steigende Wärme der Jahreszeit und die Berührung des Gebirgslandes vermehrt. Dies ward besonders in Erschöpfung der Pferde bemerkbar. In den Rechnungen kommen wiederholt Ausgaben für das Aderschlagen und Waschen der kranken Klepper mit Branntwein und Eiern, für das "Brechen der Fibel" u. s. w. vor. Schon von Erfurt her wurden mehrmals und von Bamberg aus beständig Pferde für die Wagen mit dem Getränke, dem Fleische und einem Theile des Küchengeräthes gemiethet. Auch einzelnen städtischen Rüstwag en mußten zeitweise Hülfspferde verschafft werden. Am zahlreichsten und während der zweiten Reisehälfte auffallend gehäuft erscheinen die Ausgaben für die Hufschläge - täglich ein Dutzend reichte nicht! - und die Besserungen an den Wagen und am Geschirre, obgleich zu deren Erhaltung eine unglaubliche Masse von Theer und Fett verbraucht ward, wie z. B. in Bamberg auf einmal "für 86 Pfd. Wagenschmiere vff die 10 Rustwagen 3 Rthlr. 14 Gr." bezahlt wurden.
Zu Augsburg, wo der Rath ebenfalls die herkömmliche Begrüßung des Gastes durch ein Ehrengeschenk an Fischen und Wein thun ließ und die Musiker aufwarteten, bezog Herzog Ulrich das stattliche Haus des Bürgers Melchior Heinhofer. Dasselbe konnte jedoch nur die Fürsten selbst und ihre nächste Umgebung aufnehmen. Es enthielt unter Andern einen Bankettsaal, so wie ein anderes großes Gemach, welches zu einem Betsaale mit Canzel und Altar eingerichtet ward. Der ernste, geschäftsgewohnte Herzog ließ sich auch sofort "in seinem Losement von einen Schnitzker ein klein
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Schreibstublein bauwen vnd dazu einen Tisch machen". Am Eingange des Hauses sah man das meklenburgische Wappen erhöht. An die Thüren der verschiedenen Gemächer im Innern ließ der Hofmarschall Namen und Titel des Herzogs, der Herzogin und der jungen Herzoge schreiben. Neben einem Thürwärter wurden sechs Trabanten in Dienst genommen, deren jeder monatlich sechs Gulden und freien Unterhalt empfing.
Die Hofküche, der Hofkeller, die Silberkammer und die Waschküche waren nahe der herzogl. Wohnung bei Wilhelm Zitzinger eingerichtet. Aus der Hofküche wurden in der Regel nur die Räthe, Vasallen, Junker und einige aufwartende Hofdiener gespeist. Das übrige Gefolge ward größten Theils bei Daniel Jenitz beköstiget. Die Stallungen für die herzoglichen Kutsch= und Wagenpferde mußten in verschiedenen Herbergen gemiethet werden. Die Rüstwagen wurden mit etwa 20 Knechten und 40 Pferden in dem von Augsburg wenig entfernten Orte Oberhausen untergebracht und erst in den letzten Wochen der Anwesenheit des Herzogs in die Stadt berufen, als diese wieder von vielen Fremden verlassen war. Der Hofmarschall, der Leibarzt und der Hofprediger, die gelehrten Räthe, die Vasallen, die Hengstreiter und übrigen Hofjunker, die Canzlei und das sonstige Gefolge hatten besondere Herbergen in der Stadt bezogen.
Herzog Ulrich war einer der ersten unter den Fürsten, welche zum Reichstage in Augsburg eintrafen. Erst am 17. Juni, vier Tage später, langte Kurfürst August von Sachsen an. Er war begleitet von seiner Gemahlin, dem Kurerben Herzog Christian und, wie Herzog Ulrich, von zwei jungen, noch bevormündeten Fürsten, den sächsischen Herzogen Friedrich Wilhelm und Johann Casimir. In seinem Gefolge erschienen sieben Grafen und mehr als 150 Vasallen, Räthe und höhere Hofdiener. Der ganze Zug des Kurfürsten, aus 1146 Pferden bestehend, unter denen 700 Leibrosse waren, galt als der zahlreichste und glänzendste unter allen später versammelten Fürsten, den des Kaisers ausgenommen. Herzog Ulrich und seine Neffen ritten dem Kurfürsten zur freundlichen Begrüßung entgegen und beide Häuser hielten sich während des Reichstags in vertraueter Nähe. Am 17. Junius kam der päpstliche Legat, Cardinal Onophrius, von Trient an. Ihm folgten am 18. d. M. der Erzbischof Wolfgang (von Dallberg), Kurfürst von Mainz und am 19. der Markgraf Joachim Friedrich von Brandenburg, Administrator des Stifts Magdeburg. Er erschien an der Stelle seines Vaters, des Kurfürsten, und ritt mit 4 Grafen, vielen Vasallen und Räthen,
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im Ganzen mit 362 Pferden ein. Am 24. hielt der Bischof von Würzburg seinen Einzug und folgenden Tags langte der Pfalzgraf Philipp Ludwig von Neuburg mit seiner Gemahlin und seinen beiden Brüdern, zusammen mit 200 Pferden an.
Inzwischen gab Herzog Ulrich schon am 21. Juni dem Herzoge Friederich Wilhelm zu Sachsen, den Grafen von Barby, Schaumburg und Pappenheim, so wie den lübeckischen Gesandten ein Bankett. Denselben Tag waren alle sächsischen, brandenburgischen und meklenburgischen Fürsten in den Schießgarten, vor dem Geckinger Thore, geritten. Kurfürst August und der Markgraf schossen mit dem Grafen Maximilian Fugger aus Armbrüsten nach dem Blatte und gewannen von dem Grafen vier vergoldete silberne Becher.
Endlich, am 27. Juni, ertönte der Ruf vom Einzuge des Kaisers 1 ). Rudolph der Zweite brach in Gesellschaft des Erzherzogs Carl von Oesterreich und der Herzoge Wilhelm und Ferdinand von Baiern um Mittag vom nahen Friedberg auf und näherte sich um 2 Uhr Nachmittags der Stadt. Fast alle anwesenden weltlichen und geistlichen Fürsten, namentlich auch die Bischöfe von Würzburg und Eichsstädt, ritten mit ihrem reichgeschmückten Gefolge dem Oberhaupte des Reiches entgegen. In einer Aue stiegen sie von ihren Pferden und harrten des Kaisers. Als dieser sie von Weitem erblickte, stieg auch er vom Rosse, ging ihnen entgegen und bot den älteren vortretenden Fürsten die Hand. Darauf begrüßte ihn der Kurfürst von Mainz im Namen Aller mit einer feierlichen Anrede. Als nach kurzem Danke des Kaisers inmittelst der gewaltige Zug eilig geordnet war, stiegen die Fürsten mit dem Kaiser wieder zu Roß.
Voran zogen der Reichsfourier mit 3 Trabanten, ein Glied sächsischer Knechte, 3 kaiserliche Lakaien, der Reich=Vicemarschall Graf Pappenheim, allein reitend, dann an 80 Glieder sächsischer Knechte, Spießjungen und Junker, die Heerpauker, 3 Glieder Trompeter und ein Gl. Jungen mit
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Federspießen und Sturmhüten mit gelben Federn. Alle diese waren dem Kurfürsten oder den Herzogen von Sachsen zuständig. Ihnen folgten 3 Glieder brandenburgischer Kammerjungen, die beiden ersten mit weißen, das dritte mit schwarzen und weißen Federn geschmückt, 1 Glied meklenburgischer Kammerjungen mit rothen und gelben Federn, 13 Gl. brandenburgischer Knechte, Trompeter und Handpferde, 19 Gl. brandenb. Junker mit weißen Federn, 16 Gl. kurmainzischer und 10 Gl. pfalzgräflich neuburgischer Junker, alle mit schwarzen Binden, 8 Gl. meklenburgischer, 15 Gl. würzburgischer, 8 Gl. eichsstädtischer und 15 Gl. österreichischer Junker, wobei die Edlen der verschiedenen Länder je durch 1 oder 2 Gl. Trompeter getrennt erschienen. Auf die Oesterreicher folgten einzeln 11 Pferde, von Edelknaben des Erzherzogs Carl geritten, dessen Stallmeister, dann 3 Gl. baierscher Trompeter mit blauen Fähnlein, 24 Gl. baierscher Junker und 56 Gl. baierscher Knechte, 9 Gl. Ungarn in Oberwamsen mit Pelz verziert und mit gekrümmten Schwertern, 42 Pferde, Knechte und Jungen des deutschen Ordens mit langen Federn, 5 Gl. in gelbem Zeuge den Grafen Fugger zuständig und an 60 Gl. Knechte, Jungen und Handpferde von verschiedenen Reichsständen. Darauf kamen 3 kaiserliche Jäger, deren jeder einen zur Jagd abgerichteten Leoparden hinter sich auf dem Pferde führte, 12 Leibrosse des Kaisers, von so viel edlen Knaben in welschen Röcklein geritten; von den letzten beiden trug Einer den mit hohen schwarzen, gelben und weißen Federn gezierten Helm, die Blechhandschuhe und den Rennspieß, der Andere den Küraß des Kaisers. An sie schlossen sich 2 Gl. kaiserlicher Junker, die Heertrommeln und 15 Gl. kaiserl. Trompeter, "die herrlich zusammen bliessen", und 21 Gl. Knechte "durch einander gemenget."
Diejenige Abtheilung des Zuges, in welcher die Fürsten selbst erschienen, eröffneten 4 Glieder Kammerherren, oder nach einer anderen Nachricht Ehrenherolde, demnächst der kaiserliche Hofmarschall, allein reitend, und 2 böhmische Herolde. Dann folgten die Fürsten. Im ersten Gliede ritten die beiden jungen Herzoge von Meklenburg Johann und Sigismund August, im zweiten der junge Pfalzgraf Friederich von Neuburg und der minderjährige Herzog Johann Casimir von Sachsen=Coburg, im nächsten Pfalzgraf Otto von Neuburg, der Erbe von Kursachsen Herzog Christian und in der Mitte der junge Herzog Friederich Wilhelm von Sachsen=Weimar. Ihnen zunächst sah man, ebenfalls
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in einem Gliede, den Herzog Ulrich zu Meklenburg, den regierenden Pfalzgrafen Philipp Ludwig in der Mitte und den Herzog Ferdinand von Baiern, im fünften Gliede den Erzherzog Carl zur Rechten, in der Mitte den Markgrafen Joachim Friederich von Brandenburg und zur Linken den regierenden Herzog Wilhelm von Baiern. Auf diese folgten 2 Reichsherolde, dann der Kurfürst von Sachsen mit dem entblößten Reichsschwerte, und endlich der Kaiser, allein reitend. Demnächst erschienen in einem Gliede der Kurfürst von Mainz in der Mitte, rechts der Bischof von Würzburg und links der von Eichsstädt. Allen Fürsten zur Seite schritten Leibtrabanten einher, in den Landesfarben geputzt. Alsdann kamen die kaiserlichen Würdenträger: der Canzler Dr. Viehäuser, mehrere Geh. Räthe, der Hofmeister von Dietrichstein, Gilius, der Hauptmann der kaiserlichen Hatschiere und der Oberkämmerer Rumpf, einer von Rudolphs Vertrauten. An sie reiheten sich 3 Glieder kaiserliche Kammerjungen, 28 Gl. Hatschiere in Harnischen und Pickelhauben und 158 Gl. Knechte und Gesinde. Den Schluß machte der kaiserliche Profoß mit etlichen Knechten 1 ).
Unferne des rothen Thores der Stadt empfing der Augsburger Rath den Kaiser. Der Stadtpfleger Anton Rehlinger hielt eine Anrede an ihn und überreichte ihm die Schlüssel der Stadt. Darauf traten sechs jüngere Rathsherrn hervor; sie trugen einen Thronhimmel, mit gelbem Dammast bekleidet und mit dem schwarzen Adler des Reiches geschmückt. Unter diesem ward der Kaiser von ihnen in die Domkirche geleitet, wo ihm der Bischof von Augsburg die begrüßende Weihe ertheilte. Neben dem hohen Altare sitzend, hörte dann Rudolph das "Te Deum laudamus", von dem Italiäner Orlando gesungen. Sobald die Feier geschlossen war, erhob sich der Kaiser und stieg wieder mit den sämmtlichen Fürsten zu Roß. Mit allem Gefolge, an 3000 Pferde stark, geleiteten sie ihn nach dem Pallaste der Fugger, am Weinmarkt gelegen, woselbst der Kaiser sein Hoflager nahm.
Seit dem kaiserlichen Einzuge häuften sich die Feste, welche an Geschmack der Einrichtung denen anderer Zeiten nachstehen mochten, an Umfang und Ueppigkeit vielen früheren und
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späteren gleich kamen oder sie übertrafen. Am 1. Juli hatte Herzog Ulrich die Grafen von Hardegg und von Barby nebst einigen Gesandten zu Gaste. Folgenden Tags gab Erzherzog Carl allen anwesenden Fürsten ein Bankett, durch die Zahl der aufgetragenen Speisen, wie der zur Unterhaltung der Gäste wirkenden Tonkünstler ausgezeichnet. Den 3. d. M. hielt Herzog Ulrich zu Ehren der Pfalzgrafen von Neuburg Bankett, auf welchem ebenfalls Trompeter, Geiger und Pauker zahlreich aufwarteten. Am 4. d. M. bewirtheten die Pfalzgrafen den Herzog und sein ganzes Haus. Das reichste Gastmahl gaben am 5. Julius die Grafen Maximilian und Hans Fugger. Alle anwesenden weltlichen und mehrere geistliche Fürsten verherrlichten dieses Bankett, in dessen Verlaufe 247 Essen den Gästen aufgetragen wurden. - Herzog Ulrich ließ zu solchen Festen unter Andern seinen Pastetenbäcker durch einen kunstgeübten Maler, Christoph Giltinger, unterstützen, der die Pasteten und die verschiedenen Backwerke aus Zucker, Mandeln, Milch und Eiern mit Farben oder mit Gold und Silber verzierte. Der außerordentliche Verbrauch an Wein und Fleisch den Banketten wird aus den Angaben der Rechnungen hervorgehen. Auch den Musikern und Trabanten, welche bei den Festen und sonst aufwarteten, wurden stattliche Belohnungen gereicht, wie z. B. "der Kays. Mayt. Trommetern vorehret 20 Rthlr.; item des Hertzogen von Wirtembergk Trommetern 8 Rthlr.; item S. F. Gn. Drabanten 10 Rthlr.; des Pfaltzgrauen Trommetern 6 Rthlr. Den Instrumentisten, so fur m. gn. H. aufgewartet, wie s. f. G. den jungen Hern von Weimar zu Gaste gehabt, gebenn 4 Rthlr.; noch den Augspurgischen Instrumentisten für 3 Mall aufzuwarten aus beuehl des Marschalks geben 12 Rthlr. Des Churfursten zu Sachsen Drabanten 20 Rthlr., item S. churf. Gn. Trommetern 12 Rthlr.; des Administratoris zu Magdeburgk Trommetern vorehret 6 Rthlr.; item S. F. G. Drabanten 13 Rthlr." u. s. w. Daß es somit an kriegerischem Prunke und an geräuschvollen Kunstübungen bei den Festen und überhaupt im Hause des Herzogs nicht fehlte, ist nicht zu bezweifeln.
Herzog Ulrich selbst, obwohl nach eigener Sinnesweise nicht prachtliebend und reich an Jahren, wußte sich doch zu solcher Zeit auch persönlich prächtig und geschmückt zu zeigen, wie es die Sitte gebot So kommen in Beziehung auf seine Staatskleider, jedoch sehr zerstreut, die Angaben vor: "Fur 2 Federn, so m. gn. H. bekommen, 2 Rthlr.; einem Goldtschmiede, so vber meines gn. H. Wehre eine sammitten Scheide gezogen 1 Rthlr.; Chim Stralendorffen - dem herzogl. Kämmerer =
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wieder gebenn für Handtschen, so er m. gn. H. gekaufft, 1 Rthlr. 3 Patz. Chim Stralendorffen vorlegt Geldt fur ein Par seidenn Strumpffe, so m. gn. H. bekommen 8 Rthlr.; fur 3/4 Ellen Karteck zu meines gn. H. seiden Strumpffen 3 Patz. Fur meines gn. H. Gurtell zu bessern dem Goldtschmiede gebenn 6 Patz; für 1/2 Elle Sammit zu meines gn. H. Stiefeln Clauß dem Schneider zugestellt 1 Rthlr. 9 Patz. Einem Schneiderknechte, der meines gn. H. Schneider geholffen, weil er m. g. H. ein new Kleidt machen mussen, geben 1 Rthlr.; für ein Rubin vf meines gn. H. Mantel zu setzen, auß Beuel Stralendorfs geben 3 Rthlr."
Inmittelst war am 3 Juli die feierliche Eröffnung des Reichstagsgeschehen. Der Kaiser hatte zu dem Zwecke alle anwesenden Fürsten und Gesandte in sein Hoflager am Weinmarkte beschieden. Von hier ging der Zug, unter Andern von vier Ehrenherolden des Reiches geführt, Morgens sieben Uhr nach alter Sitte in die Domkirche, wobei wieder der Kurfürst von Sachsen das entblößte Reichsschwert dem Kaiser vortrug. Im Dome hielt der Bischof von Augsburg das Hochamt, doch unter Abtritt der protestantischen Reichsstände, welche nach der Meinung der Zeit durch Anhören der Messe ihr Gewissen beschwert hätten. Alsdann zog man auf das Rathhaus. In einem weitem Saale setzten sich die regierenden Fürsten und die Botschafter von solchen innerhalb Schranken zu Füßen des kaiserlichen Thrones nieder; theils neben diesem zur Rechten und Linken, theils vor demselben in gerader Richtung und an zwei Seiten, wobei Herzog Ulrich auf der vierten Seite allein saß, wie es, vermuthlich aus besonderer Rücksicht gegen ihn und um Rangstreit zu meiden, angeordnet war. Die jungen Fürsten umstanden die Schranken nach innen. Die Reihenfolge in der Stellung unter den Gesandten der Städte und der Grafen und Herrn ward mit Mühe von dem Reichs=Vicemarschall Grafen Pappenheim geordnet. Darauf begrüßte der Bischof von Würzburg, weil der kaiserliche Vicekanzler unwohl war, im Namen des Kaisers die Reichsversammlung. Dann las der Geheimschreiber des Reichshofraths, Andreas Erstenberger, die kaiserlichen Anträge vor, deren Hauuptpunkte die Türkenhülfe, die niederländischen Unruhen und andere auswärtige Händel des Reiches betrafen, wogegen des innern Religionszwistes, zum Mißfallen der evangelischen Stände, nicht gedacht ward. Nachdem der Kaiser, unter einem vergoldeten Thronhimmel sitzend, einige Worte der Gnade und Ermahnung gesprochen hatte, dankte der Kurfürst von Mainz Namens der Stände, mit dem Erbieten, nunmehr zur Berathung zusammen
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zu treten. Als der Kaiser den Saal verließ, ward er von den Fürsten und Gesandten in den Pallast der Fugger zurück geleitet, wo er am Eingange "den Kurfürsten freundlich abdankte" und von den übrigen Fürsten die Begleitung bis zu seinem Gemache annahm.
Mehrere durch Rang und persönliches Ansehn ausgezeichnete Fürsten trafen noch nach der Eröffnung des Reichstags zu Augsburg ein. So Herzog Ludwig von Würtemberg am 6. Juli und der Erzbischof, Kurfürst Johann von Trier am 16. d. M. In der Mitte des Juli waren 3 Kurfürsten, 7 Bischöfe, 2 Erzherzoge, 16 Herzoge und andere Fürsten, nebst einer großen Zahl von Grafen und Herren um den Kaiser versammelt. Seit langer Zeit war kein so glänzender Reichstag gehalten. Niemand erinnerte sich, einen so prächtigen Einzug des Kaisers, selbst Carl's V. nicht, gesehen zu haben. Die Blicke von ganz Deutschland richteten sich nach Augsburg 1 ).
Bald jedoch gab es auch Hader und Verdruß. Die Fürsten waren sich eine Zeit lang über die Größe der dem Kaiser zu gewährenden Türkenhülfe nicht einig und gegen den endlichen Schluß legten die Reichsstädte eine feierliche Verwahrung ein. Von den Städten Aachen, Lübeck und selbst von Augsburg liefen bittere Klagen über Religions= und Handelsbedruck und Kränkung wichtiger Gerechtsame ein. Um den Wucher und die Theurung zu mäßigen und möglichst abzuschneiden, hatte der Graf von Pappenheim eine Polizei= und Tax=Ordnung für die Preise der Lebensbedürfnisse, der Wohnungen u. s. w. während des Reichstages erlassen. Die Stadt beschwerte sich heftig gegen sein eigenmächtiges Verfahren in dieser Sache, so wie bei Austheilung der Quartiere und es entstand zwischen beiden ein förmlicher Prozeß 2 ). Außerdem war viel Zankens über die Rangordnung beim Sitzen
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und Stimmen. Es ward deshalb auch zwischen Meklenburg, Würtemberg und Jülich, Pommern und andern Ständen gestritten; doch nur von Gesandten und Räthen, nicht von den Fürsten, die dem Herzoge Ulrich, "dem Alten", Verehrung erwiesen 1 ). - Ueber die Vermittelung in den niederländischen Kriegsunruhen konnten sich die Reichsstände nicht einigen. - Auch an aufregenden Beschwerden einzelner evangelischer Stände fehlte es nicht; ja von den Reichsstädten und, von Würtemberg und Kurpfalz ward des Kaisers Geneigtheit, sie zu heben, gegen Ende des Reichstags bitter verdächtigt. Sogar in Augsburg selbst hatte sich eine Anzahl meist bettelnder Religions=Flüchtlinge - einige mochten sich freilich fälschlich als solche bezeichnen! - zur Schau gestellt.
Dieses Alles, später schärfer hervortretend, hinderte nicht den Gang der Festlichkeiten und die Entwickelung mannigfachen Lebensgenusses unter den hohen Gästen zu Augsburg. Einer der glücklichsten Beförderer heiteren Fürstenlebens war Herzog Ulrich z. M. Am 11. Juli hielt er ein herrliches Bankett, auf welchem außer vielen protestantischen verwandten und befreundeten Fürsten der Erzherzog Carl von Oesterreich mit Gemahlin, Herzog Wilhelm von Baiern mit Gemahlin, Herzog Ferdinand von Baiern, Herzog Ludwig von Würtemberg mit Gemahlin und zwei Fräulein von Baden erschienen. Desselben Tages hielt Herzog Ferdinand von Baiern mit den Grafen und Herren aus Böhmen und Ungarn auf dem Weinmarkt unter den Augen des Kaisers ein Ringelrennen, in welchem "der von Baiern das Beste" that. Den 12. d. M. gab der Erzherzog Carl von Oesterreich ein glänzendes Bankett, welches fast sämmtliche anwesende Fürsten ohne Unterschied des Ranges oder der Religion um den Kaiser vereinigte. Auch die katholischen Bischöfe waren zugegen. Hierauf folgten am 13. Juli das Fest der Pfalzgrafen zu Neuburg, am 15. d. M. das Ringelrennen (die letzten Zeiten der Turniere waren eben vorüber!) der Herzog von Baiern, von Sachsen und Würtemberg mit den ungarschen und böhmischen Edlen vor dem Hoflager des Kaisers, und am 16. d. M. das große Bankett des Kurfürsten von Sachsen. Nächst dem der Fugger hielt man es für das reichste; alle anwesende Fürsten und Grafen waren zu demselben geladen und der Kaiser verherrlichte es durch seine Gegenwart. Unter den Bischöfen hielt der von Würzburg
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am 18. Juli Bankett. Einer seiner Gäste, Herzog Ulrich z. M. veranstaltete folgenden Tages ein Gegenfest zu Ehren der Kurfürsten von Mainz und Trier und der Bischöfe von Würzburg, Lüttich und Hildesheim. Gewöhnlich bestanden diese Feste in Mittagsmahlzeiten, welche um 12 Uhr oder noch früher begannen, sich oft bis in den Abend erstreckten, zuweilen mit Tanz endigten und in der Regel von geräuschvoller Musik begleitet waren. Bisweilen hatten jedoch die Gastgeber am Abend eines Banketts schon wieder andere Gäste, wie Herzog Ulrich nach dem Feste am 19. d. M. den Herzog Franz zu Sachsen.
Um diese Zeit veranlaßte der langsame, von den Kaiserlichen oft einseitig geleitete Geschäftsgang des Reichstages, bei der Kostbarkeit des Aufenthaltes, einzelne Reichsstände zur Vorbereitung der Abreise. Es kam hinzu, daß manche protestantische Fürsten in dem Benehmen des Kaisers etwas Rückhaltiges und Schwankendes erkennen wollten und daß auch von vermeintlichen "katholischen Practiken" die Rede ging 1 ). Ueber dies hatte das unablässige ,,Panckettiren" manche der kräftigen Naturen jener Zeit ermüdet, so daß Einzelne zur Stärkung in das warme Bad ziehen oder Tage lang das Lager hüten mußten. Im Beginne des Jahrhunderts hatte selbst ein meklenburgischer Fürst, H. Erich II, die Schwelgereien eines Reichstages, zu Costnitz, mit frühzeitigem Tode (24. Dec. 1508) gebüßt. Des kräftigen und Maaß haltenden Herzogs Ulrich Gesundheit blieb unerschüttert und nur einmal ließ er sich "von dem Medicus etzliche Kuchlein bereiten". Allein der Herzog, unzufrieden mit dem Schneckengange der Reichstags=Geschäfte und dem großen Aufwande an Geld und Zeit, gedachte am 21. Juli von Augsburg aufzubrechen. Als er sich aber Tags zuvor schriftlich, in ziemlich derben Ausdrücken, bei dem nicht leicht zugänglichen und selten aufgeräumten Kaiser beurlaubte, forderte ihn dieser in so dringenden und huldvollen Vorstellungen zur Verlängerung seines Aufent=
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haltes auf, daß er die Abreise um acht Tage verschob. 1 ) In dieser Zeit wurden, mehr als zuvor, manche Reichsstände zur Förderung der Staatshändel durch kaiserliche Vertraute beschickt, während jene ihrer Seits durch geschäftsgewandte, erfahrene Räthe, nicht immer auf dem geradesten Wege, ihre besondern Geschäfte, wie Erlangung von Freibriefen, Vorschreiben, Zöllen und dergleichen, am kaiserlichen Hofe betrieben. Auch Herzog Ulrich stand wegen rückständiger Reichsanlagen, Rangstreitigkeiten, Verleihung von Zöllen und Freibriefen in ähnlicher Verbindung mit den kaiserlichen Dienern, wobei er die üblichen Rücksichten beachtete, indem es in der Rechnung heißt: "der Röm. Keys. Maitt. Vice=Cantzlern Dr. Vieheuser vorehret 200 Goldtgulden, jeden zu 36 ßl., thut 225 Taler."
Am 27. Juli gab Herzog Ulrich den protestantischen Fürsten aus den brandenburgischen und sächsischen Häusern und dem Pfalzgrafen Friedrich von Neuburg ein Abschieds=Bankett, auf welchem neben andern Künstlern von vier "Berggesellen gesungen vnd aufgewartet" ward. Folgenden Tages, da die Stadt Augsburg dem Kaiser huldigte, sah man Herzog Ulrich und seine Neffen nochmals in dem glänzenden Fürstenkreise. Der berittene Zug derselben, geführt von den böhmischen, ungarischen und zwei Reichsherolden in goldgeschmückten Kurkleidern, wandte sich vom Pallaste der Fugger nach dem Rathhause. Der Kaiser, der ein prächtiges gelbes Roß ritt, verfügte sich auf einen ausgebaueten, mit einem goldgewirkten Teppich bekleideten Erker Neben ihm standen die Kurfürsten von Sachsen und von Mainz. Etwas tiefer 2 ) sah man die übrigen Fürsten nach ihrem Range zur Rechten und Linken stehen, den Herzog Ulrich, wie schon früher, auf der letztern Seite allein, nahe dem Kaiser und nächst
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ihm Trautson, den viel bewährten kaiserl. geh. Rath mit dem goldenen Vließ. Der Vice=Canzler trat zur Seite des Kaisers, hielt ein kurzes Zwiegespräch mit diesem und hiernach mit dem ersten Pfleger der Stadt. Dann verlas er mit kräftiger Stimme den Huldigungs=Eid, den der unten stehende Rath und das Volk mit erhobenen Fingern und entblößeten Häuptern nachsprachen, worauf ein gewaltiger Ruf der Trompeten und Pauken und wechselseitige Dankreden die Handlung schlossen.
Die Betrachtung des Aufenthaltes des Herzogs Ulrich zu Augsburg bietet im Einzelnen mehrfache interessante Seiten dar. Die Einrichtung und Erhaltung eines fürstlichen Hofhaltes zu Augsburg war umfänglich und kostspielig. Die Stadt blieb längere Zeit mit hohen Gästen und andern Fremden überfüllt. Eine nicht selten überreichliche Ausstattung der Feste an Tafelgenüssen ward von dem herrschenden Sinne des Volkes und der Zeit geboten. Die verausgabten Summen für die eigentlichen Bedürfnisse des meklenb. Hofhaltes erscheinen daher beträchtlich, auch wenn man den Unterschied des Geldwerthes zwischen damals und heute geringe schätzt. Die meisten Vorräthe für die Küche während eines sechswöchentlichen Aufenthaltes zu Augsburg lieferte der Metzger Jürgen Gilrede und zwar: 26 Schweine, 3019 Pfd. wiegend, jedes Pfd. 1 Batzen, zu 201 Gld. 4 Btz., 171 Kälber zu 350 Gld., 313 Hammel zu 487 Gld. 7 1/2 Btz., 108 Lämmer zu 79 Gld. 10 Btz., 9 Tonnen Schmalz, 1240 Pfd. wiegend, zu 100 Gld. 5 Btz. und 1250 Pfd. Speck zu 156 Gld. Im Ganzen erhielt Jürgen Gilrede 1375 Gld. 1 Btz. Mathias Schmiede lieferte 16 1/2 Ochsen, 8347 Pfd. wiegend, zu 357 Gld. 11 Btz., 7 Scheffel Salz zu 10 Gld. 7 Btz. und 100 Pfd. holländischen Käse zu 8 Gld. Ein Fischer bekam für nach und nach zur Küche gebrachte Fische 279 Gld. Von einem Händler Peter Gaffel, wurden u. A. 699 Pfd. Stockfisch zu 69 Gld. 14 Btz., 1600 Schollen zu 24 Gld. 1 Btz. und für 27 Gld. Lachs gekauft, ferner 14 1/2 Eimer Weinessig von demselben zu 101 Gld. 4 Btz. Außerdem betrug der tägliche Einkauf an Gemüse, Eiern, Milch, Geflügel u. s. w. noch durchschnittlich 16 bis 18 Gld. Gewürze und Confect wurden bei Mathias Stengler, Friedrich Stockler und Sabina Schleicherin auf besondere Rechnung ausgenommen und mit 306 Gld. bezahlt. Ebenso Brot bei dem Bäcker Jacob Wiedemann im Betrage von 481 Gld. Eben so bedeutend waren die Bedürfnisse des Hofkellers, nämlich an rothen und weißen Wein aus Franken, den Rheinlanden u. s. w. 429 Eimer, in 84 Fässern, zu 1781 Gld., und 54
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Fässer Bier, 203 Eimer haltend, zu 374 Gld., wozu noch zeitweise kleine Einkäufe und ein von dem Küchenmeister Andreas Ihlefeld besorgter Vorrath von 21 Eimern Wein und 39 Eimern Bier kamen. Für Küchengeräthe und kleine bauliche Einrichtungen wurden an 300 Gld. und für 45 Klafter Brennholz 100 Gld. verausgabt. Die Unterhaltung der Pferde des Marstalls und des Gefolges, mit Ausschluß der Rüstwagen, betrug an Hafer, Heu und Stroh 1543 Gld. und machte manche Sorge, indem der Marschall zwei oder drei Mal Leute ziemlich weit über Land schicken mußte, um "etlichen Habern zu Wege zu bringen".
Die Küchenrechnung führt außer den großen Vorräthen mannigfache, zum Theil in allen Zeiten geschätzte Gerichte und Gaben auf. So unter dem Wilde: Hirsche, zu 8 Gld. das Stück, Rehe, zu 3 Gld. 6 Btz., Hasen, zu 6 Btz., und Kaninchen; an Geflügel: Wachteln, wilde Enten, Lerchen, Spreen, Birkhühner, Kapaunen und Kalekuten; an Fischen: Hechte, Lachse, Forellen, Salmen, Schollen und kleinere Arten, frisch und getrocknet; an Früchten: Zitronen, Pommeranzen, Oliven, Limonen, Muskatellerbirnen und anderes Stein= und Kernobst. Die Südfrüchte waren auch in Augsburg nicht häufig; mehrmals wurden sie von Niederländern oder Italiänern gekauft am billigsten im Preise von 1 Gld. für 20 Zitronen und ebensoviel für Pommeranzen; besonders große und wohlriechende wurden als Seltenheit bisweilen von Hofjunkern für den Herzog Ulrich herbeigebracht. Dagegen kommen fast täglich in der Rechnung Erdbeeren vor, welche die Herzogin Elisabeth liebte. Selten waren die Artischocken und so geschätzt, daß die Herzogin einmal 10 solcher Früchte oder Pflanzen dem Kurfürsten August von Sachsen schenkte. Der Zucker, schon seit der Mitte des funfzehnten Jahrhunderts in Siedereien zu Venedig bereitet, ward im Ganzen noch wenig gebraucht. Die ersten Siedereien in Deutschland waren um d. J. 1574 zu Augsburg entstanden. Aber hier blieben, bei sehr hohem Preise, Erzeugung und Verbrauch in diesen Zeiten geringe. Die herzogl. Küchenrechnung führt ihn fast nur zu besondern Zwecken auf. Daß die Speisen gewöhnlich noch mit Honig bereitet wurden, geht u. A. aus dem Rechnungssatze hervor: "vor 30 Maß Honnigk, jeder 5 Patzen, 16 Gld." Dagegen heißt es weiter: "vor 5 Pfd. Suckerkanden 1 ), jdern 11 Ptz.,
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zum Wein vor m. gn. H. 3 Gld. 10 Ptz.; vor 3 Pfd. Suckerkanden, so m. gn. Fraw bekommen, 2 Gld. 3 Btz." Nur zu dem Confect ward der Zucker häufiger verwandt. In der Silberkammer war ein eigener, mit doppelten Schlössern versehener Confect=Kasten. Den kostbaren Inhalt lieferten meistens die oben genannten Gewürzkrämer und Kuchenbäcker. Wie das Confect und die Pasteten des herzoglichen Koches gewöhnlich zierlich ausgestattet wurden, deutet die Rechnung des Malers Christoph Giltinger an: "den 22. Junii habe ich dem Bastetten=Koch vonn Zuckher=Confect verguldt und gezieret 8 Stuckh von Geiadt=Werk (Jagdstücke) vnndt runden Scheiben vonn Historienn, ist für ein Stuckh 4 Kr. thuen alle 32 Kr. - Den 1. Jullii habe ich dem Pasteten=Koch 5 Stuckh vonn Zuckher vnndt Mandell mit Goldt und Silber gezieret, ist für ein Stuckh 4 Kr., thuen alle 20 Kr. - Den 9. Jullii 12 Pastetenn klein vndt gross verguldt vnndt versylbert, ist für ein Past. 12 Kr., thun alle 2 Gld. 24 Kr. Mer 12 Sultzenn von Fisch vnndt Krebsenn gemacht, ist fur aine 12 Kr. thuenn alle 2 Gld. 24 Kr. Mer 3 Modell vonn Ayr, Milch vnndt Zucker verguldt, ist für ain 4 Kr., thuenn alle 12 Kr." - Derselbe Meister bemalte ferner zwei große Butten, in denen man alle Speisen zur Tafel brachte, grün mit rothen Reifen und mit dem meklenb. Wappen. Ein solches war auch für den Gebrauch des Pastetenbächers in Holz geschnitzt worden. Gespeist ward stets an mehreren Tafeln, am Fürstentisch, am Rittertisch u. s. w., wobei die Gesammtzahl der Speisenden, außer an Bankett=Tagen, etwa 50 Personen täglich betragen mochte. Die Anordnung der Mahlzeiten geschah nach strenger alter Hofsitte. Die Rechnung führt u. A. 3 Kr. für Stäbe auf, "damit der Marschalck vor dem Essenn gehet." Jeder Koch hatte Knechte und Mägde zur Hülfe erhalten, außer denen noch drei Bratenwender auf 6 Wochen gemiethet waren.
Das geräuschvolle Leben des Reichstages hielt den Herzog Ulrich weder von der Fortführung seiner gewohnten Tagesgeschäfte zurück, noch hinderte es ihn, den Sehenswürdigkeiten der Stadt und dem dort blühenden Gewerbewesen Theilnahme zu schenken. Wie bemerkt, hatte sich der Herzog ein kleines Arbeitsgemach einrichten lassen, welches mit schönen neuen Schreibgeschirren und verschiedenem Zubehör versehen ward. In diesem Gemache vollzog der Herzog in den Frühstünden die Geschäfte seines hohen Berufes; las die Berichte der heimgelassenen Statthalter, vernahm die Vorträge seiner Hofbeamten und Räthe und gab Dienern des Kaisers
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oder einzelner Reichsfürsten Gehör. Er pflegte noch, wie seit früher Jugend, Vieles mit eigner Hand zu schreiben; auch manche der zu Augsburg eingekauften oder als Geschenk ihm überreichten Bücher prüfte er selbst im "Schreibstublein."
Daß der Herzog auch die Zeit gewann, Kunstwerke, milde Stiftungen und dergleichen zu besichtigen, thun die Rechnungen dar. So heißt es: "dem Kerl vff der Wasserkunst, welche m. gn. H. besichtigt, Trinckgeldt gebenn 1 Goldfl. item den Armen im Armenhause daselbst einen Goldfl. Noch dem Gardner, da die Hern im Garten gewesenn, 1 Goldfl. Dem Haußmann vfm Thurmb vorehret 3 Taler."
Mit großer Theilnahme betrachteten Herzog Ulrich und seine Gemahlin Elisabeth die Leistungen des Gewerbfleißes und die Vorräthe der reichen Waarenlager des von Krämern, wie von Garköchen und Weinschenken zahlreich besuchten Augsburg. Es wurden vom Herzoge beträchtliche Summen zu mannigfachen Einkäufen verwandt, wobei er in der Wahl der Gegenstände Geschmack und Neigung, wie Bedürfniß und Nutzen verfolgte. Reich wurden die Goldschmiede bedacht, in deren Gewerbe die künstlerische Behandlung der gediegenen Masse mit Hammer, Meißel und Feile noch vorherrschte, wie überhaupt das Gewerbe noch von der Kunst befruchtet war. Dem entsprechend sind öfter die Angaben in den Rechnungen gefaßt: "Einem Goldschmiede Christoph Leonhard Opffenhausen für einen Maulkorb vermuge seines Zettels 83 Gld. 14 Btz. Item einem Goldschmiede von Nurnbergk Wolff Möringer fur ein Gießbecken vnd eine Gießkanne, so gewogen 17 Mk. 4 1/2 Lott, jedes Lott fur 1 Gld. betzalt, vermuge seines Zettels 283 Gld. 6 Btz. Dem Goldtschmiede Bartolomeo Vesemair fur außgenommenn Silbergeschier 58 Tal. Dem Goldtschmiede Niclaus Leucker fur den Munch (Trinkbecher), so gewogen 7 Mk. 6 Lott, auß Beuell m. g. H. betzalt 145 Gld. Item noch Demselben fur ein ander Trinckgeschier, so er m. gn. H. gemacht, betzalt laut seines Zettels 242 Gld. Demselben Goldtschmiede fur die beiden Kussen sampt den Instrumentisten, so darin gemacht, welche m. gn. Fr. bekommen, betzalt 40 Gld. Item dem Goldtschmiede, dabei I. f. G. den Bachum (Trinkgeschirr? bestellet, vff Rechnung gebenn 100 Gld." Außerdem kommen noch ansehnliche Einkäufe an Ketten, Armbändern und in Gold gegossenen Bildnissen bei den Augsburger Meistern Heinrich Beust und Boldewin Drontwedt vor. Die oben angeführten Werke waren fast alle gediegene Silbergeschirre von deutschen Meistern. In der Fertigung der mit Edelsteinen geschmückten goldenen Kleinodien behaupteten die
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welschen Meister, namentlich zu Venedig, den Vorrang 1 ). So heißt es von den Einkäufen der Herzogin Elisabeth: "Fur eine Schmaralle (Goldschmuck mit Smaragd), so m. gn. Fr. von einem Italienischen gekaufft, gebenn 25 Tal. Meiner gnedigen Frauwenn zu Bezahlung der Kleinodien, so Ihre f Gn. von denn Italianischen Jubilierern gekauft, auß Beuel meines gn. H. zugestellet 1300 Taler. Nota, fügt der Rentschreiber am Rande bei, dieß Geldt will m. gn. Furstin vnd Fraw m. gn. Hern wieder erstadten."
Bei den Seidenkrämern 2 ) und Gewandschneidern wurden u. A. ausgenommen: "Hans Gengers, Seidenkramers zu Augspurgh seligen Erbenn fur allerlei Wahren, so m. gn. H. außnehmen lassen, betzalt laut des Zettels 90 Gld. Fur 131 Stuck Parchim, so m. gn. H. gekaufft, jedes Stuck zu 2 Gld. 19 Kr., betzalt 303 Gld. 12 Kr. Fur außgenommen Gewandt, so in die Silber=Cammer gekommen, laut Zettels 108 Gld. Hans Gengers Seidenkramers seligen Erbenn fur 20 Ellen gruenen Tobin, die Elle zu 28 Patzen, und 1/2 Lott Seide betzalt vormuege seines Zettels 37 Gld. 6 Btz. Fur 94 Lott guldene und silberne Borten, jedes Lott zu 14 Patzenn, thut 88 Gld."
Zahlreich und zum Theil auf des Herzogs Eigenthümlichkeit deutend, sind die bei Krämern mit kurzen Waaren, bei Schmieden, Drechslern, Büchsenmachern u. s. w. geschehenen Einkäufe: "Fur eine Lade mit Feurtzeug vnnd 300 Buchsensteine, so m. gn. H. bekommen, 3 Gld. 8 Btz. Fur eine Lade mit vielen kleinen Schaubladechen, so mein gn. Her s. F. G. Gemahl vorehret, geben 11 Gld. Fur ein groß Buch Brillen, so m. gn. H. bekommen 10 Btz. Fur 2 kleine
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Brillen 3 Gld. Fur eine Schreibtaffel mit Sammit vberzogen vnd vorsilberten Pockeln, so m. gn. H. bekommen, 3 Gld. Fur 12 Messer in einem Futter mit Goldt vnnd Silber gedammastiniret, gebenn 4 Gld. Für Federmesser, so. m. gn. H. gekaufft, 14 Ptz. item fur ein Feurtzeug 6 Ptz. it. fur ein klein eisen Ladechen 2 Gld. Fur 400 Buchsensteine 4 Gld. it. fur ein Streichstein 1 Tal. Noch fur 2 Wettsteine 1 Tal. Fur ein Schreibzeugh, welches m. gn. H. bekommen, durch Strallendorpffen kaufft, 1 Gld. 2 Ptz. Fur 5 Bucher klein weiß Papier fur m. gn. H. 10 Ptz. Fur ein groß vnd ein klein Compaß 1 ), so m. gn. H. bekommen 4 Tal. Fur ein Rohr vnd ein Schloß, so m. gn. Herr gekaufft, 7 Tal. item fur Puluer vnd Blei ein Rohr zu beschießenn 2 Ptz. Dem Uhrmacher Galle Messmer fur ein Futter vmb eine grosse Vhr 2 ) zu machen vnd ein Wapenn daran, item fur die Vhr außzuputzen, lautt seines Zettels 17 Gld. Fur eine schwarze Buchsenlade, so m. gn. H. machen lassen, 7 Gld. Fur eine Schreibtaffel, so m. g. H. bekommen, 1 Goldfl. Fur ein Fudter mit Schreibmessern 3/4 Taler."
Der Herzog ließ ferner einige Kunstwerke und Werkzeuge, so wie damals noch seltenere Naturerzeugnisse zum eigenen Gebrauche oder zur Förderung des heimischen Gewerbes, vielleicht auch zu geheimwissenschaftlichen Arbeiten 3 ),
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denen er zwar mißtrauete, sie jedoch nicht ganz verwarf, auswählen. "Fur einen kupffern Brenhelm, so gewogenn 6 Pfd. minus 1/4, das Pfd. 2 Ptz., thuett 1 Gld. 3 Ptz. Fur eine Kolbe, so m. gn. H. gekauft, 1 Gld. 9 Ptz. Fur 1 Pfd. vngerischen und 1 Pfd. romischen Victriol, so mein gn. H. zur Proba vonn Munchen bringen lassenn, den vnger. das Pfd. zu 2 Ptz., den romischen das Pfd. 3 Kr., thuet 2 Ptz. 3 Kr. Fur eine Wasserkunst, so mein gn. H. gekauft, gebenn 15 Gld. Fur 9 1/4 Pfd. Kupffer zu Brenhelmen, jedes Pfd. 5 ptz. betzalt 3 Gld. 1 Ptz. Fur 4 Pfd. Boemwulle, so m. gn. H. bekommen, jedes Pfd. 5 Ptz. 1 Tal. 3 Ptz. Fur ein Distilier=Ofen vnd ein Helm laut des Kleinschmidts Hans Kovels Zettel betzalt 4 Gld. 4 Ptz. Fur 50 Pfd. Victriol, so mein gn. H. bekommen, 6 Gld. 10 Ptz. Fur ein Windentzeug, so m. gn. H. gekaufft, 5 Tal. Fur eine Lampe, welche m. gn. H. selbst außgenommen, 6 Ptz. Fur den Karren, so mein gn. H. machen lassen, sammt dem Kombt vnd anderer Notturfft 67 Gld."
Es ist erwähnt, daß der Herzog aus Neigung und Einsicht für die Pflege der Wissenschaft Sorge trug. Er nahm, wie Herzog Albrecht von Preußen, an der geistigen Regsamkeit seiner Zeit ungekünstelten Antheil, namentlich an dem Schriftenwesen über die kirchlichen Dinge. Er schrieb selbst in dieser Beziehung und wechselte mit Männern, wie David Chytraeus, vielfach Briefe. Zu Augsburg kaufte er Werke aus den verschiedenen Fächern an und unterstützte großmüthig arme Gelehrte und Künstler, welche ihm ihre Schriften und Dichtungen widmeten, mochten diese immerhin zuweilen werthlos und nur die Erzeugnisse eines nach Verdienst gehenden Gewerbes sein 1 ). "Dem Buchführer Tobias Lutz fur allerlei außgenommene Bucher vormuege seines Zettels betzalt 151 Gld. 4 Ptz. Item fur die Bucher zu binden laut des Zettels 7 Gld. 2 Ptz. Fur ein Futter zu der Wappenn wegen der Schiffaert, so M. Tilemannus Stella 2 ) gemacht, gebenn 3 Tal. Item fur ein Stock,
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damit die Mappe auffgewunden wirt, 3 Ptz. Einem Kerl, der m. gn. H. ein Buch vom Feuerwerk dedicirt, geben 3 Tal. Einem Componisten, Georg Rosenberger genant, der meinem gn. H. ein Stuck vorehret, geben 1 Tal. M. Johanni Schillero, der m. gn. H. ein Carmen dedicirt, geben 7 Ptz. Einem Bereiter, so meinem gn. H. ein Buch vorehret, auff s. f. G. beuehll 3 Tal. Des Churfursten zu Sachsen Cappelmeister vff seine Supplication gebenn 4 Taler."
Außer Solchen Hülfsbedürftigen war der milde Sinn des Herzogs Nothleidenden aus allen Gegenden, Ständen und Altern ohne Unterschied der Person zugänglich. Selbst bei übermäßiger und bisweilen mißbräuchlicher Ansprache - die deutschen Reichstage zogen damals, wie einst bei nahendem Verfalle die olympischen Spiele und später die Wallfahrten des Mittelalters neben Händlern aller Art auch viele Glücksritter und Betrüger herbei - blieb derselbe unermüdet, oft aus eigenem Antriebe wirkend. Bezeichnend ist dabei für die Zeit, daß die, welche das Mitleid des Herzogs ansprachen, hauptsächlich in drei verschiedenen Formen auftraten: entweder als Religions=Flüchtlinge, oder als ehemalige Türken=Gefangene oder endlich als an auffallenden Gebrechen Leidende. So heißt es: "Zweyenn Personen, so in der Türckey gefangen gewesen, auff ihre Supplication geben 2 Rthlr.; Item 2 Andern, der eine Jacobus Moserus, der andere Rudolphus Gallicus genant, vf Doctor Hoffman's Beuehl 1 Rthlr.; einem Ungerischen von Adell, mit Namen Lucas Wornemissa von Raab, so in der Turckey gefangen gewesen, vff seine Supplication 1 Rthlr.; noch einem Gefangenen Johann Kowachi 1 fl. - Einem armen Manne, so sich einen Bruch schneiden lassen, auß Beuel Dr. Hofman's geben 1/2 Rthlr.; einem Manne, der wegen seines Glieder=Schadens ins warme Bad ziehen wollen geben 4 Patzen; einem armen Manne, so auf Steltzenn gehet, 4 Patz., einem blinden Manne, Christoph Paur genannt, vff seine Supplication gebenn 5 Patz. - Einem armen Pastorn, Johannes Steinberger genant, geben 1 Rthlr.; noch 2 Studenten 4 Patz. Einem griechischen Prediger vff seine Supplication geben 3 Rthlr.; einem Studenten, M. Hinricus Lustrius genannt, 1 fl. - Zweyen gefangenen Ungerischen von Adell, dauon der eine Albrecht Wallog genant, geben 1 Rthlr.; noch einem armen
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vortriebenen Eddelman auß Niederlandt Adam von Hupschort 1 Rthlr.; einem armen Weibe Barbara Scheilin, so wegen ihrer Religion vom Hertzogen von Beyern vortrieben worden, 1 Rthlr. Einem Gefangenen aus Cypern, Benedicto Fasilio, gebenn 1 Rthlr." Wiederholt wurden auch Abgebrannte und Kriegsleute, so wie an jedem Sonntage auf besonderen Befehl der mitleidigen und sorgsamen Herzogin Elisabeth die Chorschüler bedacht und zuweilen gespeist.
Im Uebrigen kommen noch einige zum Theil seltsam lautende Angaben vor, welche die Sitte der Zeit beleuchten und über Liebhabereien der Fürsten Auskunft geben. "Fur ein Spiegel, so des Churfursten Narre bekommen, 2 Patzen; des Hertzogen vonn Beyernn Drabanten, der m. gn. Fraw etliche Zähnenstecker vorehret, auff J. f. G. Beuel geben 1 Thaler; Item fur 6 silberne Becher, so s. f. G. (Herzog Ulrich) den Jungffern gegeben, jeder Becher 19 Patzen 2 1/2 Kr., thuet 7 Gld. 12 Ptz. Vor ein Tuch in m. g. Fraw Flasschen=Futter 1 Ptz. 2 Kr.; vor einen Kam, zu m. g. Fraw Hunde 3 Kr.; Fur einen Huenerhund vnd ein Netze, so mein g. H. mittgenommen, auß Beuehl Stralendorffs gebenn 20 Gld." Hinsichtlich der letztern Liebhaberei heißt es schon in der Reise=Rechnung bei Erfurt: "Fur einen weissen Hundt, welchen Stralendorf m. gn. H. zu Wege gebracht, 12 Gr."; und noch früher bei Dömitz: "Valtin (dem) Netzknecht zur Zehrung an Hertzog Philips zu Braunschweig und Hertzog Heinrichen von Luneburg, dahin er funff Koppel Hunde gebracht, gebenn 2 Gld" - Daß der Austausch von Bildnissen damals auch am meklenburgischen Hofe schon üblich war 1 ), beweist eine im Anfange der Rechnung vorkommende Ausgabe: "Fur Stricke, damit Otto der Bote meines gn. H. Contrafeth nach dem Lande zu Hessen (vermuthlich an den Landgrafen Wilhelm IV.) getragen, 1 ßl.
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Wie Herzog Ulrich als einer der Ersten zum Reichstage einzog, so war er unter den Ersten, welche Augsburg wieder verließen, da eine weite Rückreise, wie sie kaum irgend ein anderer Reichsfürst zu machen hatte, seiner wartete. Er hatte Freitags, den 27. Juli, die befreundeten brandenburgischen und sächsischen Fürsten auf einem Abschiedsfeste bei sich versammelt und folgenden Tages der Huldigung der Stadt Augsburg mit seinen beiden Neffen noch beigewohnt. Er befand sich an dem Tage in der Nähe des Kaisers und benutzte, wie es scheint, die Gelegenheit, sich bei demselben zu beurlauben. Am Sonntage feierte er den letzten Gottesdienst zu Augsburg, den der Hofprediger Andreas Celichius im Betsaale hielt. Der Herzog bevollmächtigte einige Räthe zur Führung der Geschäfte am Reichstage und ließ die schließlichen Vorbereitungen zu der auf den Montag fest bestimmten Abreise treffen. Mit Huld und Freigebigkeit verabschiedete sich der Herzog bei seinen Wirthen, Melchior Heinhofer, Wilhelm Zitzinger und Daniel Jenitz. Nicht minder bei deren Frauen, denen er goldene Halsketten mit seinem Bildnisse schenkte. Es heißt hierüber: "Fur die Ketten, so mein g. H. den 3 Wirtinnen neben den Contrafehten vorehret vnd sonsten ein Par Armbende vnd ein Türcksringk, betzalt lautt des Goldtschmidts Heinrich Beust Zettels, 165 Gld. 9 Ptz. Dem Goldschmidt Boldewin Drontwedt fur die 3 Contrafeht 1 ), so mein g. H. den 3 Wirtinnen vor=
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ehret, vnd dann fur etliche vmbtzugießen, betzalt vormuge seiner Vortzeichnuß 78 Thaler. Meines gnedigen Herrn Wirte Melchior Heinhofer neben dem verguldeten Schower vorehret 300 Taler, item seinen 3 Gesellen, Idern 10 Tal. thuet 30 Tal. Dem andern Wirte Wilhelm Zitzinger, da die Kuchen gewesen, neben dem Becher, 200 Tal. Item seinen Megden 4 Tal. Dem dritten Wirte Daniel Jenitzen, da das Gesinde gegessen, neben dem Becher 100 Tal. Item desselben Megden 4 Taler".
Ebenso wurden die Wirthe von elf oder noch mehr verschiedenen Herbergen, welche das herzogliche Gefolge aufgenommen hatten, durch Austheilung von 200 Thalern nach Verhältniß ihrer Leistungen bedacht. Umfänglich und mühsam wurde die Berechnung und Nachweisung der Zehrungskosten eines Theils des Gefolges und der Pferde. Diese ,,Ausquitung" brachte unter Andern auch Forderungen für bauliche Einrichtungen zur Aufnahme der Pferde und für die von demselben "entzwei gebissenen Krippen vnd Röpen" zu Tage. Die Einrichtungen und theilweise der Unterhalt für die 50 bis 60 Marstallpferde des Herzogs und seiner Neffen auf 46 Tage wurden mit 356 Gulden bestritten. Zu Oberhausen waren für die Rüstwagen ebenfalls "sonderliche Stallungen zugerichtet". Die Kosten derselben, so wie des Unterhaltes der Pferde und des zugehörigen Trosses daselbst betrugen auf etwa vier Wochen 360 Thaler. Zu Augsburg wurden noch besonders "vorehret dem Becker, davon man das Brodt genommen, 5 Tal. vnd dem Reichs=Furirer 20 Taler". Die Gesammtausgabe für den herzoglichen Hofhalt zu Augsburg belief sich für Küche und Keller vom 13. Juni bis 30 Juli auf 7980 Gulden, der Betrag aller übrigen Ausgaben daselbst, die Geschenke und Einkäufe des Herzogs mitgerechnet, auf etwa 6300 Thaler.
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Herzog Ulrich verließ Augsburg am Morgen des 30. Juli, an welchem Tage dort ein großes kaiserliches Bankett stattfand. Der Herzog ward von einigen befreundeten Fürsten und Herren bis über das Weichbild der Stadt, von den Sechs Trabanten, die zu Augsburg an seinem Hoflager dienten, bis nach Norendorf geleitet, wo er mit Gemahlin und Neffen im Hofe der Fugger abstieg und wohin die herzoglichen Köche und Schenken nebst einem Theile des Trosses vorausgesandt waren. Die Rückreise ward beschleunigt und folgte im Ganzen der Richtung des Anzuges, von der sie nur auf einer Strecke in Franken und besonders in Niedersachsen abwich. Vermuthlich auf Einladung des Markgrafen Georg Friedrich von Brandenburg zog der Herzog von Donauwerth nicht, wie früher, auf Nürnberg, sondern auf Anspach und von da über Neustadt nach Bamberg. Der Herzog hatte wieder Geleits=Gesuche an die Fürsten und Städte, deren Gebiet die Reise durchschnitt, seit dem 23. Juli von Augsburg aus ergehen lassen, wobei der verlängerte Aufenthalt daselbst eine wiederholte Beschickung veranlaßte. Fast überall ward Herzog Ulrich zuvorkommend und gastfrei empfangen. Dies geschah auch von Katholischen. So ließ ihn zu Bamberg der Bischof in den Domhof einladen und daselbst bewirthen. In Folge solcher Gastfreundschaft bezog der Herzog nur zu Donauwerth, Ilmenau und Erfurt in Herbergen das Nachtlager. Nur hier und zu Norendorf war die herzogliche Küche für den Fürsten= und Rittertisch thätig. Deshalb wurden auch von der Küche auf der Rückreise nur 203 Gulden und 14 Batzen für Einkäufe verausgabt, unter denen bei jedem Nachtlager vier Eimer Wein oder so viel Bier angeführt sind. Nach dem Schlusse der Rechnung belief sich die ganze Ausgabe für Küche und Keller während der Hin= und Rückreise und des Aufenthalts zu Augsburg auf 8842 Gulden und 5 Batzen.
Durch Verringerung des Gefolges und der Rasttage, Abkürzung des Weges und Hülfe gemieteter Pferde ward die Rückreise beschleunigt. Der Herzog ließ zu Augsburg einige Diener zur Geschäftsführung zurück. Obgleich er sie, da sich ein anderer Geschäftsträger fand, bald wieder abrief, mußte doch einer von ihnen, Heinrich Husan, der in Folge vielen Festgenusses erkrankt war, in Augsburg verweilen. Etwas erkräftigt, verfehlte er auf der sehr beeilten Rückreise den Gebieter. Von den Vasallen und Hofjunkern waren anscheinend zwei beurlaubt. Mehrere von der Küche und dem Trosse und zwei Einspännige wurden nach und nach
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mit entbehrlichem Gepäcke und als Boten vorausgesandt. Die Rasttage, auf der Hinreise etwa 12, wurden auf 6 bis 7 beschränkt und auf den Schlössern oder Höfen zu Anspach, Bamberg, Weißensee, Schandersleben, Wollmirstädt und Werben gemacht. Die Wegstrecke ward merklich gekürzt, indem der Herzog von dem kursächsischen Orte Sangerhausen auf dem nächsten Wege durch das Anhaltische und Magdeburgische der Elbe zuzog, von der die Hinreise über Wolfenbüttel ziemlich weit abgeleitet hatte. In Folge dessen betrug der Rückweg nur 77 Meilen. Diese legte der Herzog in 26 Tagen zurück. Schon am 10. August war er zu Erfurt, am 17. d. M. zu Wollmirstädt, nahe der Elbe, überschritt diese am 21. August bei Werben und traf am 24sten d. M. zu Grabow ein 1 ), während auf dem Anzuge die Wegstrecke zu 97 Meilen berechnet war und die Reise 35 Tage erfordert hatte. - Die Hitze der Jahreszeit ward auf der Rückreise sehr lästig. Wiederholt konnten Einzelne vom Trosse dem Zuge nicht folgen und mußten in meilenweiter Ferne hinter demselben auf eigene Faust rasten. Die hohen Reisenden selbst erreichten mehrmals, wie zu Coburg, erst in dunkler Nacht, um die zehnte Stunde, das Ziel des Tages. Der Hitze wegen wurden schon von Augsburg her, die ganze Gebirgsgegend hindurch, bis nach Weißensee hinunter fast täglich 12 bis 16 Pferde zur Hülfe für einzelne Rüst= und Kutschwagen gedungen und bisweilen noch überdieß weitere Hülfen von anwohnenden Bauern der Heerstraße in Anspruch genommen.
Zu dem Uebel der Hitze kam die Gefahr einer pestartigen Krankheit, welche um diese Zeit in einigen Gegenden von Niedersachsen hervortrat. Sie richtete u. A. zu Wittenberg Verheerung an und griff im Laufe des August rasch um sich. Der Markgraf Joachim Friedrich von Brandenburg, Administrator des Stifts Magdeburg, war am 13. August des Herzogs und seiner Gemahlin als "gantz liber willkommener Geste" gewärtig. Doch konnte er ihnen nicht verhalten, daß in vergangener Woche zu Wollmirstädt, wo H. Ulrich rasten wollte, "die itzo regirende bose Seuch in etzlichen Heußern sich ereuget" habe. Der Markgraf bot deshalb seinen Gästen für den Nothfall das kleine Jagdhaus zu Kolbitz an. Nach einem zweiten Schreiben desselben vom 15. d. M. war indessen die Gefahr noch nicht dringend, weshalb sich der Mark=
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graf selbst nach Wollmirstädt verfügte und dort folgenden Tages die meklenburgischen Fürsten empfing. Diese rasteten daselbst 2 Tage und zwar in ungestörter Fröhlichkeit, wobei die im voraus entschuldigte "geringe Tractation" reichlich und glänzend gewesen sein mag. Die Rechnung sagt nämlich: "Vfm Schloß in Kuchen vnd Keller vorehret vf 3 Nacht 60 Taler. Den Instrumentisten 8 Tal.; den Trommetern 6 Tal. den Lakayen 3 Tal. Dem Breutgam, so vfm Schloß Hochtzeitt gehaltenn, wegen meines gn. H. vorehret an 2 Rosenobeln, thuet 7 Taler 15 Gr." Dabei blieben die Reisenden sämmtlich hier und auf der weiteren Fahrt von der Krankheit verschont, welche übrigens sich wirklich sehr verbreitete und in gewisser Weise als ansteckend erschien. Denn Herzog Ulrich fand bei seiner Ankunft zu Grabow die Kunde vor, sie habe sich bereits an dem Orte seines Hoflagers zu Güstrow bedrohlich gezeigt 1 ), weshalb er das Jagdhaus zu Kraak bezog.
Die Eile der Reise hatte dem Herzoge wenig Zeit gelassen, seiner Neigung zur Länder= und Gewerbskunde zufolgen. Indessen versäumte er doch nicht, an einzelnen Orten wiederum Einkäufe machen zu lassen oder Sehenswürdiges zu besichtigen. So heißt es bei Neustadt in Franken: "Fur 3 Pfd. Tiriac (Heilmittel), so mein gnediger Her vonn Nurnberg bringenn lassenn, jedes Pfd. zu 4 Gld. betzalt, thuett 12 Gld. fur ein Stuck Eibenholtz 1 Gld. fur 2 1/2 Pfd. Wisem (Wismuth?) 12 Patzen". Weiter bei Bamberg: "Fur Leckritzenholtz, so mein gn. H. gekaufft, aus Beuel Stralendorffs betzalt 3 Tal. 4 Gr. Item. fur 2 Feßlein dartzu 7 Gr." Bei Ilmenau: "Fur 2 missingische Rullen, so mein gn. H. gekaufft, 17 Gr., fur Galmei, so Dietrich (der) Buchsenschmid m. gn. H. vonn der Schmeltzhuttenn geholet, dem Schreiber, der es ime zugestelt, geben 7 Gr." Ferner bei Erfurt: "Fur ein Feßlein Weethe 2 ) (Waid, Farbestoff) 1 Tal. 12 Gr.; item fur 1/2 Centner Weet=Asche, so m. gn. H. gekaufft, 1 Tal. Fur 2 Dutzt Goldtfelle (Blattgold?), so
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m. gn. H. auch bekommen, gebenn 8 Gr.; fur 1/8 Centner Schwebell, so der Medicus m. gn. H. gekaufft, 1 Tal. 3 Gr." Endlich bei Sangerhausen: "Fur ein Kruegk, darin m. gn. H. vonn der Sultze zu Ortern Sale bringenn lassenn, geben 1 Gr."
Auch die Wohlthätigkeit des Herzogs ermüdete nicht. Er beschenkte von Neuem arme Prediger und Studenten, Abgebrannte und Kranke; ließ sich kleine Münze geben, um Nothleidenden selbst eine Gabe zu reichen und erwies sich, wie zuvor, den "Instrumentisten, Cantoribus vnd Berggesellen" als ein williger und erkenntlicher Zuhörer.
Seiner ritterlichen Liebe zur Jagd folgend, hatte der Herzog nicht bloß Feuerrohre, Hunde und Netze zu Augsburg gekauft, sondern auch einen schwäbischen "Weidejungen" in Dienst genommen, den er unter Weges einkleiden ließ. Nach den eigenen gleichzeitigen Vorbereitungen des Herzogs zu schließen, gedachte derselbe alsbald des Knaben Fertigkeit zu erproben. Die Reise=Rechnung sagt in dieser Beziehung: (Sangerhausen.) " Fur 4 Ellen gruen Gewandt dem schwebischen Jungen zum Mutzen vnd Hosen 20 Gr. (Staffurt.) Einem Schneiderknechte, der geholffen, - dem kleinen Weidejungen seine Kleider zu machen, geben 3 Gr. (Grabow.) Fur ein Leidtbandt zum Wachtelhunde 6 ßl; fur 1/4 Elle Futtertuch zu meines gn. H. Patronen=Taschen und 3 schmal Ellen Leinwandt zu m. gn. H. Strumpffen 17 ßl. Dem Goldtschmiede Adam Prentzelowen fur meines gn. H. Jegerhornn rein zu machen 16 ßl. Einem Lifflendischenn armen von Adell, so an m. gn. H. vorschrieben worden vnd f. f. Gn. 2 Winde vorehret, 8 Tal.; fur 2 Windtstricke 10 ßl."
Der glücklichen Heimkehr des Herzogs, am Abend des Tages von den Tonkünstlern des Ortes gefeiert, folgte die Auflösung des Reisezuges. Nach einigen Rasttagen wurden die Ehrenbegleiter und Hofjunker beurlaubt, wobei den Meisten eine für Trinkgeld in den Herbergen auf 25 Nächte gemachte Auslage mit 4 Thaler 5 Schilling und 4 Pfennig, den Einzelnen gleichmäßig, erstattet ward. Die von den Städten des Landes gestellten Rüstwagen und Reisekutschen wurden mit einem Dankschreiben an die Städte entlassen. Dabei erhielten die Knechte außer dem Zehrpfennig, von jedem Rüstwagen 2 Thaler und von jeder Kutsche 1 Thaler als Ergötzlichkeit
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auf den Heimweg. Andere, welche zum Marstall gehörten oder für diese Reise bei den Hofwagen gedient hatten, wurden noch freigebiger beschenkt. Außerdem heißt es: "des Konnigs Trommeter vorehret 50 Taler", wahrscheinlich des Königs Friedrich von Dänemark Diener, der den Reisezug des Herzogs verherrlicht hatte 1 ) oder als Eilender an diesen zur Begrüßung vom Könige abgesandt war. - Vom Rentschreiber Johann Isebein 2 ) ward nun die Hauptrechnung dahin abgeschlossen: "Summa alles empfangenen Geldts vff dieser gantzen Reise: 20,248 Taler 28 ßl 6 pf. Summa der gantzen Ausgabe 20,105 Taler 23 ßl. Dieselbe von der Einname abgetzogen, so bleiben in Vorrath 143 Taler 5 ßl. 6 Pf. Die sein in meinem Jarregister, geschlossen Michaelis anno 82, zur Einnahme gesetzt vnd m. gn. H. berechnet worden." Wobei zu bemerken, daß die eigentlichen Kosten der fast viermonatlichen Reise nur etwa 15,000 Thaler betrugen, von denen die Hälfte für Küche und Keller aufgewandt war. Gegen 5000 Thaler beliefen sich die verschiedenen, vom Reiseaufwande meistens unabhängigen Einkäufe, namentlich an Kleinodien und Silbergeschirren, von welchen der Rechnungsschluß noch 13 Becher als mit 560 Thaler an Matz Hauge zu Augsburg bezahlt aufführt.
Des Herzogs Ulrich Reichstags=Fahrt, vielen der Seinigen genußreich, auch wohlbildend, ward ihm rühmlich. Auf dem Reichstage, im Kreise hoher Genossen, wurden sein fürstlicher Sinn und seine würdige Haltung in Staatssachen ehrend erkannt. Obwohl ein eifriger Anhänger der neuen Lehre und den "Papisten" mißtrauend, und obwohl er sich zu Augsburg der bedrängten Stadt Aachen "auß furstlichem christlichem Eifer vnd Mitleiden" annahm, war er doch gut kaiserlich gesinnt und abhold jeder ränkevollen Parteiung gegen das Haupt des Reiches. Kursachsen sich anschließend, half er gleichsam die Abstände zwischen den sich allgemach schroffer gestaltenden Parteien zu mildern. Als ein erfahrener und gemäßigter Mann, aus dessen Wesen Biedersinn und Wohlwollen klar hervorleuchteten, flößte er auch anders Denkenden Vertrauen ein, wie er denn
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mit einzelnen katholischen Bischöfen mehrfachen Verkehr auf dem Reichstage pflegte. Ueberdieß war er den meisten altfürstlichen Häusern mehr oder minder nahe verwandt und namentlich in Beziehung zu den sächsischen, brandenburgischen und pfälzischen der Erbe altfreundschaftlicher Verbindungen. Diese Fürsten erwiesen ihm zu Augsburg und auf der Reise zwanglose Achtung und getreue Freundschaft; andere ihm gleichstehende, wie Herzog Ludwig von Würtemberg, ließen ihm, "als einem alten und verehrungswürdigen Fürsten" 1 ) den Vorsitz. Auch Kaiser Rudolph II., gewöhnlich verschlossen, wortkarg und trübe, erwies ihm Gnade, obgleich der Herzog einige Unzufriedenheit mit dem Treiben am Reichstage nicht verhehlte 2 ). Die Geneigtheit des Kaisers zeigte sich in einer anscheinend vertraulichen Besprechung am 30. Juni, im Ansuchen, länger zu Augsburg zu weilen, in der Anordnung des Rangwesens, in Gnade gegen einige herzogliche Diener und in besonderen Verleihungen. Das Rangwesen ward sowohl in Beziehung auf die Person des Herzogs bei feierlichen Handlungen, als auch im Geschäftsgange hinsichtlich des gesandtschaftlichen Streites mit Pommern und jülich (seit 23. Juli) mit einiger Rücksicht auf das stattliche Wesen und die Stellung des Herzogs bestimmt. Unter den meklenburgischen Räthen durften sich die bewährten Staatsmänner Heinrich Husan und der Canzler Jacob Bording mehrmals dem Kaiser nahen, der angeblich sich erbot, Bording zu adeln, was dieser abgelehnt haben soll 3 ). Gewiß ist, daß Beide am Hofe des Kaisers geschätzt wurden, daß insbesondere Husan einigen der ersten kaiserlichen Vertrauten nahe stand und Freundschaft von diesen erfuhr 4 ).
An Verleihungen erhielt der Herzog vom Kaiser einen vierjährigen Freibrief auf die zollfreie Durchfuhr der damals
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beliebten Gubenschen oder Lausitzer Weine. Schon früher war zeitweise ein solcher "Paßbrief" zur Befreiung von den kaiserlichen Zöllen in der Lausitz den meklenb. Fürsten ertheilt. Der Verbrauch an Wein für das Hoflager war so ansehnlich, daß z. B. im Herbste 1581 auf einmal 41 Fuder und ein Ohm Wein im Preise von 1116 Thalern zu Guben eingekauft wurden und nebenher gleichzeitig zu Helsinghoer 73 Ohm Rheinwein für 893 Thaler. Herzog Ulrich erhielt noch im Laufe des August den neuen, auf 4 Jahre für 30 Fuder Wein jährlich ausgestellten Freibrief 1 ), den er mit 9 Goldgulden aus der kaiserlichen Canzlei löste. - Wichtiger und von dauernder Bedeutung war es, daß der Kaiser zu Augsburg auf des Herzogs Wunsch der Juristen=Facultät zu Rostock die Pfalzgrafen=Würde verlieh, mit der bestimmten Befugniß, Notare zu ernennen. Diese Erwerbung, durch Bedürfniß herbeigeführt, ward dem Lande heilsam. Denn bis zu dieser Zeit waren die meisten im Lande wirkenden Notare im Auslande ernannt. Dies geschah oft sehr unregelmäßig, indem die fremden Pfalzgrafen, bei gewerblichem Streben, die sogenannten Rechtsschüler dürftig prüften und nicht selten auch Unfähige zu Notaren erhoben. Es gab zwar unter den herzoglichen Canzlern und Räthen von Zeit zu Zeit Einzelne, die mit der (päpstlichen) Pfalzgrafen=Würde bekleidet
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waren 1 ), allein diese weilten entweder nur kurze Zeit im Lande, oder wurden in Folge ihrer Stellung und ihres vielleicht strengeren Rufes von den Rechtsschülern vermieden. Gewiß ist, daß die amtliche Thätigkeit der Notare um das J. 1570, als der gerichtliche Geschäftsgang umfänglicher und vorherrschend schriftlich ward, sich im Ganzen schlecht bewährte, wie es aus manchen gleichzeitigen Prozeß=Acten klar hervorgeht. In Folge dessen bestimmten die Landesherren im J. 1575 in einer Verordnung, daß fortan eine Prüfung und Einzeichnung aller im Lande ihr Amt ausübenden Notare bei dem Hof= und Landgerichte stattfinden solle. Am 6. Juni des folgenden Jahres beauftragten die Herzoge, unter Beifügung von Vorschriften über die Prüfung, drei Räthe mit der Ausführung dieser Verordnung. Doch war dieselbe vermuthlich nicht von wesentlichem Erfolge.
Am 5. Mai 1582 wünschten die Rechtslehrer der Hochschule zu Rostock dem Herzoge Ulrich zum Besuche des Reichstages in einem schriftlichen Vortrage Glück. Zugleich erbaten sie, vielleicht dem Beispiele anderer Hochschulen folgend, des Herzogs Verwendung beim Kaiser wegen Verleihung der Pfalzgrafen=Würde, indem sie unter Anderm anführten, daß die im Auslande geprüften Notare sich oft wenig befähigt zeigten, wogegen deren Prüfung bei der Hochschule fleißig geschehen würde. Herzog Ulrich, auf dieses Gesuch eingehend, überreichte am 30. Juni dem Kaiser persönlich einen Vortrag des Inhalts: es komme in Meklenburg viele Unordnung in Zeugenverhören, letzten Willenserklärungen, Verträgen und anderen Schriften der Notare vor, indem die meisten vom Fremden "unrichtig" ernannt seien, da im Lande Niemand eine Befugniß zu solcher Ernennung besitze. Zu Rostock seien sechs tüchtige Lehrer im Fache der Rechtswissenschaft; der Kaiser möge dem Decane derselben die Pfalzgrafen=Würde zu jenem Zwecke ertheilen und darüber dem Herzoge eine Urkunde zustellen. In einem Beschlusse vom 23. Juli 1582 gewährte Rudolph II., in Betracht der ersprießlichen Dienste, welche das meklenburgische Haus dem Kaiser und dem Reiche geleistet habe, die Bitte des Herzogs, in Voraussetzung, daß die Decane das Recht der Pfalzgrafen gewissenhaft, den Reichsgesetzen gemäß ausüben würden. Demnächst ward die Verleihungs=Urkunde, ebenfalls unter dem 23. Juli, in der
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kaiserlichen Canzlei ausgestellt. Bald hierauf ward die neue Würde von den Rechtslehrern zu Rostock angetreten. Die ihnen ertheilte Befugniß, in den J. 1743 und 1744 durch neue Verleihungen auf die übrigen, zahlreichen Gerechtsame eines kaiserlichen Pfalzgrafen ausgedehnt, ist seitdem vielfach ausgeübt worden und bis auf den heutigen Tag der heimischen Hochschule verblieben 1 ).
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:
vom
Advocaten Dr. Beyer zu Parchim.
(Die beigefügten Zahlen beziehen sich auf das von J. Grimm, Deutsche Mythologie, Anhang S. LXVII. flgd. gelieferte Verzeichnis von Aberglauben in verschiedenen Gegenden Deutschlands.)
1) W er die Wäsche, besonders das Hemd, verkehrt anzieht, ist gegen Hexerei sicher; vgl. Nr. 3 (bei Chemnitz) u. Nr. 750 (im Lande ob der Ens), und dagegen Nr. 1082 (bei Bunzlau).
2) Wenn ein Meineidiger während der Eidesleistung die Strümpfe verkehrt anhat, so schadet ihm der Meineid nicht (kann ihm der Teufel nicht beikommen?), ebenso wenn er die linke Hand in die Tasche steckt, oder den Knopf seines Rockes anfaßt.
3) Der Saame der Dille schützt den, welcher ihn bei sich trägt, gegen Hexerei. Vgl. Nr. 7. (In den Pyrenäen glaubt man, daß das Beisichtragen von Fenchel gegen böse Geister schütze. Vgl. das Ausland, 1837, Juni, Nr. 173, aus dem Werke A Summer in the Pyrenees). Der Kreuzdorn schützt gegen böse Geister. (Mussäus, Ueber die niedern Stände in Meklenburg in Jahrb. des Vereins f. m. G. u. A. II. S. 133, Note. Vgl. Jahresbericht II. S. 36, Not. 1).
4) In der ersten Mainacht ziehen die Hexen nach dem Blocksberge. Um sich gegen sie zu schützen, bezeichnet man Abends die Thür mit einem Kreuze. Vgl. Nr. 90. Mussäus a. a. O. S. 133.
5) Wenn die Frauen Licht ziehen, sollen sie lügen, damit die Lichter gerathen. Vgl. Nr. 7.
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6) Wenn man Kinder oder junges Vieh Ding nennt, haben sie in 9 Tagen keine Däge (gedeihen nicht). Auch Kröte (Krät) und Krabbe (Krav) darf man sie nicht nennen. Vgl. Nr. 9 u. 289.
7) Wenn dem Reisenden ein Hase über den Weg läuft, so hat er Unglück auf der Reise. Vgl. Nr. 10 u. 654.
8) Das Begegnen eines alten Weibes gleich nach der Abreise ist übler, das eines jungen Mädchens guter Vorbedeutung. Vgl. Nr. 58, 380, 791, 1015 u. S. 649.
9) Schaafe auf der rechten Seite des Weges bedeuten dem Reisenden einen freundlichen Empfang am Ziel der Reise, auf der linken Seite freundlichen Abschied bei der Rückkehr; Schweine dagegen mit gleicher Unterscheidung unfreundlichen Empfang oder Abschied. Vgl. Nr. 882 (in Betreff der Schweine widersprechend). Ueber die Beachtung der rechten und linken Seite s. Grimm S. 657.
10) Wenn man im Frühjahr den ersten Kukuk rufen hört, fragt man: Kukuk van'n Heben, wo lange sall ick noch leben? So oft er darauf ruft, so viel Jahre hat der Fragende zu leben. Vgl. Nr. 197.
11) Wer beim ersten Kukuksruf ohne Geld ist, hat das ganze Jahr Mangel daran. Vgl. Nr. 374 u. 668. Mussäus S. 134. Krähenzüge bedeuten nahen Krieg. Mussäus a. a. O. S. 134, ebenso das Erscheinen der Seidenschwänze (bombycilla gerrula), welche nach Andern einen strengen Winter verkünden. Vgl. Zander Naturgesch. der Vögel Meklenburgs I. S. 220. Auch wenn die Kinder Soldat spielen, giebt es Krieg.
12) Wer im Frühjahre den ersten Storch im Fliegen sieht, hat Wachsthum, wer ihn im sitzen sieht, Abnahme seines Glückes zu erwarten. Vgl. Nr. 1086 und schwedischer Aberglaube Nr. 130 und S. 658.
13) Das Haus, auf welchem der Storch genistet hat, brennt nicht leicht ab; steht dennoch ein Brand bevor, so trägt der Storch einige Tage vorher sein Nest weg. - Schon Attila und sein Heer schlossen aus dem Abziehen der Störche aus dem belagerten Aquileja auf den Untergang der Stadt (Ciconiae aves futurorum praesciae). Histor. Misc. c. XV.
14) Auch Schwalbennester am Hause bringen Glück. Vgl. Nr. 609.
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15) Auch eine kleine Spinnenart ist glückbringend (die Glücksspinne). Vgl. Nr. 134. Flatterndeß Spinnengewebe an der Stubendecke bedeutet eine Hochzeit. Mussäus S. 134.
16) Der Ruf der Eule ist Tod verkündend (Kumm mit!) Vgl. Nr. 789, auch 120, 493, 496 u. S. 660.
17) Ebenso das Pickern des Holzwurms (Todtenuhr). Vgl. Nr. 901 u. S. 660 u. Helmuth gemeinnützige Naturgeschichte. Bd. 5. §. 151, 54 u. 236. Auch der Gesang des Heimchens ist Todtenklage. Mussäus S. 134. Vgl. auch Helmuth a. a. O. §. 67 u. Grimm Nr. 1128. u. dagegen Nr. 609.
18) Wenn der heulende Hund die Nase aufwärts hält, bedeutet es Feuer, abwärts einen Todesfall. Vgl. Nr. 1019 u. 493.
19) In wessen Hand ein Maulwurf stirbt, der hat Glück. Vgl. S. 660. Maulwurfshaufen im Hause bedeuten einen Todesfall. Mussäus a. a. O.
20) Wenn man jemanden in seinem Hause besucht, soll man sich bei ihm setzen, sonst nimmt man ihm die Ruhe mit. Vgl. Nr. 15.
2l) Eine leere Wiege soll man nicht schaukeln, sonst hat das Kind keine Ruhe. Vgl. Nr. 22. (Nach Andern stirbt das Kind.)
22) Wer das Kind zur Taufe hält, darf es nicht schaukeln, sonst verbraucht es viele Kleider. Mussäus a. a. O. zu Nr. 106.
23) Die Nägel an den Händen neugeborner Kinder müssen das erste Mal nicht abgeschnitten, sondern abgebissen werden (sonst lernt es stehlen?). Vgl. Nr. 23.
24) Die Wäsche des Kindes soll man in dessen ersten Lebensjahre nicht nach Sonnenuntergang draußen hangen lassen, sonst stirbt das Kind. Vgl. Nr. 406.
25) Ein Kind soll man nicht durch's Fenster reichen, dann wächst es nicht; doch wird diese Wirkung wieder aufgehoben, wenn das Kind auf demselben Wege zurückgegeben wird. Vgl., Nr. 345, 675, dagegen aber 265 u. 843.
26) Die Nachgeburt ist an die Wurzel eines jungen Baumes zu schütten, dann wächst das Kind mit dem Baume.
27) Ein Kind, das noch nicht sprechen kann, darf ein neugeborenes nicht küssen, sonst lernt letzteres schwer sprechen. Vgl. Nr. 831.
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28) Ein Mädchen muß die Mutter, einen Knaben der Vater zuerst küssen, sonst bekommt das Mädchen einen Bart, der Knabe aber nicht.
29) Eine Schwangere darf nicht Gevatter stehen, sonst stirbt entweder der Täufling oder das Kind, welches sie trägt.
30) Man soll die Kinder nicht nach Verstorbenen benennen. Vgl. Nr. 31.
31) Bei der Taufe muß der Prediger der Thür den Rücken zuwenden, sonst geht der Segen zur Thür hinaus.
32) Unter den (drei) Taufzeugen muß derjenige das Kind zur Taufe halten, welcher dem Geschlechte nach allein steht.
33) Wenn man einer lebenden Maus einen Zwirnfaden durch beide Augen zieht und sie dann wieder laufen läßt, den blutigen Faden aber einem neugebornen Kinde um den Hals bindet, so zahnt es leicht. Vgl. Nr. 581 u. 873.
34) Wenn Kinder die Zähne wechseln (schichten), soll man die ausgefallenen in ein Mauseloch stecken. Vgl. Nr. 631.
35) Auch ist es gut, sich den ausgefallenen Zahn über den Kopf zu werfen. (Ueber dies über Kopf werfen vgl. Grimm S. 359. S. auch unten Nr. 43 u. 123.)
36) Das Zahnen der Kinder wird auch befördert, wenn sich die Mutter mit dem Säugling auf einen Stein setzt, um ihm zum letzten Male die Brust, zureichen.
37) Die Kinder zu entwöhnen, wählt man am besten den Johannistag.
38) Am Johannistage hängt beim Sonnenaufgang an der Wurzel des Johanniskrautes (?) ein Blutstropfen.
39) An demselben Tage, Mittags 12 Uhr, findet sich unter der Wurzel eines andern Krautes (?) eine Kohle, welche man aufbewahren muß, denn sie bringt Glück.
39 b) In der Johannisnacht darf kein Zeug draußen hangen, sonst setzt sich der böse Krebs darauf. Mussäus a. a. O. zu Nr. 106, S. 134.
40) Am Ostermorgen tanzt die Sonne beim Aufgange. Vgl. Nr. 813 u. Aberglaube in Frankreich Nr. 3. Vgl. auch S. 182.
40 b) Fließendes Wasser am ersten Ostertage vor Sonnenaufgang geschöpft, bleibt das ganze Jahr frisch und ist gut gegen Hautkrankheiten. Vgl. Nr. 1014. Ueber den Aberglauben in Bezug auf die Zwölften s. unten Nr. 113 flgd.
41) Wenn ein Obstbaum nicht tragen will, so lege man in der Neujahrsnacht ein Stück Geld zwischen seine Zweige. Vgl. Nr. 1103.
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42) Ein Strohkranz in derselben Nacht um den Baum gebunden, schützt denselben gegen Raupenfraß.
43) In dieser Nacht um 12 Uhr setze man sich mitten in dem Zimmer auf den Boden mit dem Rücken gegen die Thür und werfe mit dem Fuße seinen Schuh über den Kopf; steht dann die Spitze gegen die Thür, so verläßt man im folgenden Jahre das Haus. Vergl. Nr. 101 und 773, auch S. 649.
44) Wer in dieser Nacht geschmolzenes Blei in ein Gefäß mit Wasser gießt, kann an der Gestalt des erkalteten Bleies seine Zukunft erkennen. Vergl. Nr. 97 u. S. 649.
45) Ebenso wer in derselben Nacht im Dunkeln und ohne zu wählen ein Gesangbuch öffnet; der Inhalt des angezeichneten Lieder=Verses deutet die Zukunft des Forschenden an.
46) Martini kann man aus der Farbe des Gänsebeins (Bocks, d. h. des Rückenknochens) erkennen, ob ein strenger oder gelinder Winter folgt. Die weißen Flecke bedeuten Schnee und mildes Wetter, die rothen Frost. Vgl. Nr. 341 u. 911 u. S. 645. Mussäus a. a. O. S. 134.
46 b) Am alten Marientage dürfen die Mädchen nicht nähen. Jahrbücher II, S. 188.
47) "Grön Wihnacht, witt Ostern; witt Wihnacht, grön Ostern". Vgl. Nr. 142.
48) Wenn es am 7 Brüder=Tage regnet, so regnet es 7 Wochen hindurch.
49) Die 3 Tage Pancratius, Liberatus und Servatius (die strengen Herren) sind rauh und kalt.
50) Wird die aufgetragene Speise rein aufgegessen, so wird's am folgenden Tage gut Wetter. Vgl. Nr. 279.
51) Wer sich das Zeug am Leibe flicken läßt, verliert das Gedächtniß. Vgl. Nr. 42, 276 u. 945.
52) Wer während der Rede vergißt, was er sagen wollte, war im Begriff, eine Unwahrheit zu sagen.
53) Wenn Jemand niest, während ein anderer spricht, so ist die Erzählung wahr. Vgl. Nr. 266.
54) Wer einen Abwesenden belügt, bekommt Blasen auf der Zunge. Vgl. dagegen Nr. 311.
55) Wer Jemandem ein Unglück klagt, der setze hinzu: "Sten und Ben to klagen", sonst klagt er ihm das Uebel an.
56) Wer sein Glück rühmt, verruft es, wenn nicht hinzu setzt: "nich to verropen", oder den Namen Gottes dabei nennt.
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57) Wenn man einen Sterbenden (Menschen oder Thier) bedauert, so erschwert man ihm den Todeskampf. Vgl. Nr. 297 (u. 208?)
58) Wer während des Schlages der Betglocke lügt, bekommt ein schiefes Maul.
59) Dem Meineidigen wächst die Hand aus dem Grabe.
60) Wem die Nase juckt, der erfährt selbigen Tages etwas Neues. Vgl. Nr. 1138.
61) Wem die Ohren klingen, von dem wird auswärts gesprochen, und zwar Gutes, wenn das rechte, Uebles, wenn das linke klingt. Vgl. Nr. 82, 537, 802 u. S. 648.
62) Wenn man lebhaft an Jemand denkt, so ist er nicht weit.
63) Wem die Haut schauert (kalt überläuft), dem läuft der Tod über's Grab. Vgl. Nr. 1037.
64) Wenn in einer muntern Gesellschaft eine plötzliche Pause eintritt, so fliegt ein Engel durch das Zimmer.
65) Wer Sonntags geboren ist, kann Geister sehen.
66) Nach dem Blitze soll Niemand mit dem Finger zeigen; er sticht dem lieben Herr Gott in die Augen. Vgl. Nr. 334, 597, 937, 947, 1021 u. 1123.
67) Die Donner=Neffel (Hirrn=Nettel, urtica dioica) widersteht dem Donner und wird daher zu frischem Bier gelegt damit es sich nicht brechen soll. (Franck A. und N. M. I. 59). Vgl. Nr. 336.
67 b) Donnerkeile schützen gegen den Blitz. Mussäus a. a. O. S. 134.
68) Während eines Gewitters darf man nicht essen.
69) Wenn beim Neubau eines Hauses die Axt des Zimmermanns beim ersten Schlage Funken giebt, so brennt das Haus ab. Vgl. Nr. 411, 500, 707, 778.
70) Wo man in der Nacht eine blaue Flamme auf dem Boden brennen sieht, da liegt ein Schatz vergraben. Vgl. Nr. 1026.
71) Ebenso da, wo der Regenbogen auf der Erde sieht. Vgl. Nr. 598.
72) Knisterndes Feuer bedeutet Freude. Vgl. dagegen Nr. 322, 534 u. 1134.
73) Wenn das Feuer bullert, giebt es Zank.
74) Eine Blume am Lichte verkündet Nachricht von einem Abwesenden (einen Brief). Vgl. Nr. 252.
75) Ein Hobelspan am Lichte bedeutet den Tod eines Angehörigen.
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76) Wer ein ausgeblasenes Licht wieder anblasen kann, ist noch Junggeselle. Vgl. Nr. 306.
77) Wem der Feuerschwamm nicht fangen will, zeugt keine Kinder mehr.
78) Wer ins Feuer pißt, bekommt schneidend Wasser.
79) Wer ein Getränk mit dem Messer umrührt, bekommt Leibschneiden. Vgl. Nr. 1052.
80) Einem Freunde soll man kein schneidendes oder spitzes Instrument schenken; dasselbe zerschneidet und durchlöchert die Freundschaft. Vgl. Nr. 87.
81) Abgeschnittene oder ausgekämmte Haare muß man ins Feuer werfen; wenn die Vögel damit nisten, bekommt der Eigenthümer Kopfschmerz. Vgl. Nr. 676 u. 1027 und dagegen Nr. 557. (Auch in den Niederlanden spuckt man in das Haar und wirft es dann ins Feuer.)
82) Wenn man die Erde, worin sich die Fußspur eines Menschen befindet, in den Rauch hängt, so stirbt derselbe. Vgl. Nr. 524 u. 556, auch 876.
83) Ein Sargnagel, in die Fußspur eines Pferdes gesteckt, macht das Pferd lahm. Vgl. Nr. 1011 u. 1040.
84) Todten muß man keine Kleidungsstücke mitgeben, die ein Lebender getragen (überhaupt nichts, woran sich Thränen, Schweiß oder dergleichen eines Lebenden befindet), sonst bekommt dieser die Auszehrung. Vgl. Nr. 1063, und umgekehrt Nr. 546 u. 700. Auch den, der sich auf die Todtenbahre setzt, holt der Todte nach. Mussäus a. a. O. S. 129.
85) Bekommt der Todte etwas von seiner Kleidung in den Mund, so zieht er das ganze Kleid nach. Vgl. Nr. 551, 665, 709 u. 828. Man legt ihm deshalb ein Rasenstück auf die Brust, um die Kleider festzuhalten. Mussäus a. a. O. S. 129.
86) Ein Muttermal kann man vertreiben, wenn man mit einer Todtenhand darüber streicht. Nr. 1024.
87) In dem Zimmer, wo ein Todter liegt, verhängt man die Spiegel. Vgl. Aberglaube der Litthauer Nr. 2.
88) Dagegen darf des Nachts das Licht nicht erlöschen.
88 b) Vom Sarge bis zur Thür des Todtenhauses streut man Asche. Mussäus a. a. O. S. 129.
88 c) In dem Hause, wo ein Todter liegt, darf nicht gewaschen werden, sonst schwitzt der Todte.
88 d) Wer schläft, während ein Hausgenosse stirbt, bekommt den Todtenschlaf (und ungewöhnlich= und krankhaft=festen und schweren Schlaf).
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89) Wer sich selbst sieht, stirbt.
90) Auch sein eigen Bild zu zeichnen ist gefährlich.
91) Wenn es in einem Hause spukt, muß man eine Trauung oder Kindtaufe darin vornehmen lassen. Dadurch wird der Geist gebannt.
92) Sturm bei der Brautwäsche bedeutet Unfrieden in der Ehe.
93) Regen in den Brautkranz bedeutet Wohlstand in der Ehe. Vgl. Nr. 198, 498 u. 1066 u. dagegen Nr. 1051.
94) Wer bei der Trauung zuerst an den Altar oder Trautisch tritt, erhält die Herrschaft in der Ehe. Vgl. dagegen Nr. 390.
95) Nach der Trauung suchen die Junggesellen der Braut den Kranz zu entreißen, während die Mädchen sie vertheidigen. Wer den Kranz gewinnt, heirathet zuerst.
96) Wem es gelingt, die Schale von einem harten Ei zu lösen, ohne das Fleisch des Eies zu verletzen, bekommt einen glatten Mann (eine glatte Frau).
97) Wenn die Köchin das Essen versalzt, ist sie verliebt; vergißt sie das Salz, so ist sie fromm.
98) So viel senkrechte Falten sich zwischen den Augenbrauen bilden, wenn man die Brauen zusammenzieht, so viel Mal heirathet man.
99) Wem die Zähne weit auseinander stehen, der kommt weit in der Welt herum. Vgl. Nr. 1070.
100) Blumen (d. h. weiße Flecke) auf den Nägeln sind bedeutsam, auf dem Daumen bedeuten sie Geschenke, (vgl. dagegen Nr. 1070), auf dem Zeigefinger Kränkung, auf dem Mittelfinger Haß, auf dem Ringfinger Liebe, auf dem kleinen Ehre.
101) Der Blick des Menschen hat großen Einfluß auf die Kinder und das junge Vieh, auch auf das Glück eines Spielenden. Manche Menschen haben einen guten, andere einen bösen Blick. Vgl. Nr. 874 u. 1108.
102) Geliehenes Geld bringt dem Leiher Glück im Spiele. Vgl. Nr. 52 u. S. 661.
103) Ebenso ein zufällig gefundenes Vierblatt (Kleeblatt mit 4 Fingern). Vgl. Nr. 119, auch S. 633.
104) Glück im Spiel, Unglück in der Ehe.
105) Wenn man eine neue Wohnung bezieht, soll man eine Katze voran in das Haus setzen. Steht ein Unglück in dem Hause bevor, so trifft es die Katze. Vgl. Nr. 499.
106) Der Traum in der ersten Nacht, die man auf einer neuen Schlafstelle schläft, trifft ein. Vgl. Nr. 123.
107) Wer verkehrt (mit dem linken Fuße zuerst) aus dem Bette steigt, dem geht den ganzen Tag alles verkehrt. Vgl. Nr. 61.
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108) Wenn 13 an einem Tische speisen, stirbt derjenige, welcher sich zuletzt gesetzt, im Laufe des Jahres. Vgl. Nr. 553.
109) Wenn zwei zu gleicher Zeit dieselbe Rede beginnen, bleiben sie noch ein Jahr beisammen.
110) Wenn sich die Katzen putzen, bekommt man Gäste. Vgl. Nr. 72 u. S. 661.
111) Eben so, wenn man zufällig ein Messer fallen läßt, so daß es mit der Spitze im Boden stecken bleibt.
112) Einem Jäger darf man kein Glück wünschen, wenn er zur Jagd geht, sonst trifft er nicht. (Ist vielleicht nur der Glückwunsch der Frauen unheilbringend? Vgl. S. 653 über das Darreichen des Schwertes durch ein Weib.)
113) In den Zwölften hat man besondere Regeln beim Jagen zu beobachten (welche?). Vgl. die Constitution Gustav Adolph's vom 14. Decbr. 1683.
114) In dieser Zeit darf man den Namen des Wolfes nicht nennen. Daselbst. Vgl. Nr. 121. In den Zwölften darf nicht gewaschen werden, sonst stirbt einer im Hause. Mussäus a. a. O. S. 134. Auch das Vieh darf dann nicht aus dem Stalle. Jahrbücher II. S. 188.
115) In dieser Zeit läßt sich die Witterung des ganzen Jahres vorher bestimmen (wie?). Vgl. o. a. Const.
116) Pflanzen und säen soll man beim zunehmenden Monde; dann sind auch die Bäume zu fällen, welche aus der Wurzel wieder austreiben sollen, Haare zu schneiden und dgl. Bauholz dagegen ist beim Neumonde (in den dunklen Nächten) zu fällen; dann haben auch die meisten Sympathien bessere Wirkung. Vgl. Nr. 245 u. 973. u. dagegen Nr. 492. - Über den Mond=Wadel vgl. Grimm Nr. 307. Das Wort scheint Wandel, Wechsel zu bedeuten, und gilt bei uns hauptsächlich vom Neumonde. Vgl. Franck A. u. R. M. I. S. 73. In den Parchimschen Statuten v. J. 1622, §, 22 heißt es jedoch: Niemand soll sich unterfangen, - - - die Weichhölzung außer dem Mond=Wandel zu werden.
117) Erbsen und Bohnen müssen schweigend gepflanzt werden, weshalb der Pflanzer gerne etwas von der Saat in den Mund nimmt; dann fressen die Vögel sie nicht. Vgl. Nr. 934.
118) Mittwoch und Sonnabend sind die besten Pflanztage.
119) Wird die erste Frucht von einem Baume gestohlen, so trägt er in 7 Jahren nicht wieder. Vgl. Nr. 857.
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120) Die Früchte eines Baumes darf man nicht zählen, sonst fallen sie ab.
121) Wer eines Andern Warzen zählt, zählt sie ihm ab und sich an.
122) Wenn man über der Warze einen Knoten schlägt (als wolle man sie abbinden) und den Faden unter dem Tropfenfalle, unterm Schweinstroge oder überhaupt an einem Orte, wo weder Sonne, noch Mond scheint, vergräbt, so vergeht die Warze mit dem Faden.
123) Ebenso, wenn man sie mit dreien, in dem Knoten zerbrochenen Strohhalmen drei Mal von verschiedenen Seiten berührt, diese über den Kopf wirft und vom Winde wegtreiben läßt.
124) Wenn das Blut einer Wunde nicht stehen will, verbindet man einen mit dem Blute bestrichenen Stock (wobei wahrscheinlich auch Zaubersprüche gemurmelt werden).
125) Wem die Nase blutet, lege ein Kreuz von Strohhalmen auf die Erde und lasse die Blutstropfen darauf fallen.
126) Der vom Blitze abgerissene Baumsplitter als Zahnstocher gebraucht, schützt gegen Zahnschmerz.
127) Die Schalen der verzehrten Eier muß man zerbrechen, sonst bekommt man das Fieber.
128) Sympathien müssen sich Männer von Frauen, Frauen von Männern mittheilen lassen, wenn sie wirksam sein sollen. Vgl. Nr. 857.
129) Ein 7jähriger Hahn legt ein Basilisken=Ei. Vgl. Nr. 583.
130) Wenn eine Frau an einem Tage gebiert, auf welchen im Kalender noch mehrere Tage mit demselben Himmelszeichen folgen, so folgen noch so viele Kinder desselben Geschlechts. Vgl. Nr. 648.
Nach Mussäus a. a. O.
131) Die Bauern bestreichen der Mutter die Brustwarzen oder in anderen Gegenden die Brust und das Gesicht mit der Nachgeburt. Hin und wieder wird diese auch verbrannt und die Asche Kranken eingegeben.
132) Wenn die Nachgeburt ausbleibt, wird der Wöchnerin der abgeschorene Bart des Mannes mit der Seife eingegeben.
133) Ein Beinkleid auf das Bett der Wöchnerin gelegt, schützt gegen Nachwehen.
134) Bis zur Taufe des Kindes muß Nachts die Lampe brennen, damit die Unterirdischen das Kind nicht stehlen und einen Wechselbalg hinlegen.
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135) Vor der Taufe verstorbene Kinder hüpfen als Irrlichter umher (böse Geister?). Sie gehören dem Teufel. Vgl. Grimm Nr. 660 und 936.
136) Eine Schüssel mit kaltem Wasser unter das Bett eines Kranken gestellt, schützt gegen wund liegen.
137) Phantasirenden Kranken legt man einen Pferdekopf unter das Kissen; das beruhigt sie.
138) Sterbenden zieht man das Kopfkissen weg, um ihnen das Sterben zu erleichtern, besonders weil man fürchtet, daß einzelne Federn darin sein möchten, die den Tod abhalten. Wenn ich nicht irre, sollen Hühnerfedern diese Wirkung haben.
139) Junge Gänse werden durch ein Beinkleid gesteckt, dann holt die Krähe sie nicht.
Ein Erbschlüssel dient zur Entdeckung der Diebe. Grimm Nr. 932 u. S. 642 u. 47. Der Schlüssel wird nämlich, daß der Griff hervorsteht, in eine Erbbibel gelegt und diese fest zugebunden, worauf zwei Personen ihren Finger durch den Griff des Schlüssels stecken und die Bibel daran aufheben. Sodann nennen sie die Namen der verdächtigen Personen; treffen sie den rechten, so dreht sich die Bibel um.
Zu vergleichen ist auch: Ueber den Aberglauben in Meklenburg, von Flörke, Freimüthiges Abendblatt, 1832, Nr. 698 flgd.
Folgende 3 Zaubersprüche stammen von einer vor kurzem im 9Osten Jahre in Parchim verstorbenen Frau, welche wegen ihrer sympathetischen Kuren sehr berühmt war. Das Bemühen, sie zur Mittheilung der dabei angewandten Sprüche zu bewegen, war lange vergeblich, bis es endlich kurz vor ihrem Tode, gelang, ihr die nachstehenden Formeln abzuschwatzen. Mehr wollte sie jedoch nicht mittheilen. Nach den Reimen zu urtheilen, sind die Formeln ursprünglich plattdeutsch gewesen.
Gegen die Gicht.
1) Im Namen Gottes seh' ich das Licht,
Damit
still' ich die Fluß und reißende Gicht.
Im
Namen Gottes des Vaters,
Gottes des Sohnes
und Gottes des heil. Geistes.
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2) Petrus und Paulus gingen zu Holz und zu
Bruch,
(to Holt unn to Brôk)
Unser Herr Christus der sprach
(de sprôk)
Kehret um, die Glocken haben geklungen, gesungen, gerungen,
Die Gicht ist verschwunden.
††† Im Namen
.
Gegen die Kolik.
Kopf (Bauch?) du sollst rasten,
Kopf
(Bauch?) du sollst nicht bersten, (basten)
Ehe wir kommen in die Stadt,
Da Christus
geboren ward.
Im Namen
.
(Bethlehem die Stadt, da Jesus drinne geboren ward. Vgl. Grimm Beschwörungen Nr. XXXIX.)
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1.
Canzler=Insignien im Mittelalter.
Die Würde eines Canzlers war im Mittelalter die höchste im Staate und entspricht der Würde eines Ministers oder Regierungs=Präsidenten. Das ganze Mittelalter hindurch war das Canzler=Amt in den Händen von Geistlichen, weil diese allein im Besitze der Gelehrsamkeit und der erforderlichen technischen Fertigkeiten waren. Die Canzler=Würde an den kleineren Höfen Deutschlands entstand im 14. Jahrhundert aus der Nachahmung dieser Würde am kaiserlichen Hofe, wie in Norddeutschland alle Hofämter, wie die eines Marschalls, Kämmerers, Truchsessen u. s. w., in dieser Zeit den kaiserlichen Hofämtern nachgebildet wurden. Im 12. und 13. Jahrhundert gab es dem Range und Titel nach keine Canzler; tüchtige, gewandte Geistliche, oft aus edlen Geschlechtern, dienten als "Schreiber, Notarien, Protonotarien" an den fürstlichen Höfen und beriethen und entwarfen nicht allein die fürstlichen Urkunden, sondern fertigten sie auch aus. Als aber im 13. Jahrhundert die Geschäfte sich mehrten und ein größeres Schreiber=Personale erforderlich war, ward ein fähiger Mann an die Spitze der Canzlei (Canzler) gestellt, um die Staatsgeschäfte mehr zu leiten. Die Räthe der Fürsten waren nach, wie vor, Ritter, welche in den fürstlichen Urkunden als Zeugen oder Räthe (consiliarii, secretarii) auftreten; zur endlichen Bestimmung der fürstlichen Entscheidung war aber der vertraute Canzler beiräthig, welcher auch die Staatsurkunden entwarf, jedoch nicht mehr ausfertigte, sondern die Geschäftsführung in der fürstlichen Canzlei und überhaupt alle fürstlichen Geschäfte nur leitete. In Meklenburg behauptete der Canzler lange diese Stellung; erst im 17. Jahrhundert ward Geschäftstheilung eingeführt.
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Die eigentlichen Insignien oder Amtszeichen des Canzlers waren die fürstlichen Siegel, welche der Canzler nothwendig allein und mit Verantwortlichkeit führen mußte, indem in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters die Schreibkunst in den höhern Ständen wenig verbreitet war und ein Mann vorhanden sein mußte, der sich im Namen des Fürsten von der Richtigkeit der ausgestellten Urkunden zu überzeugen hatte.
Um die Mitte des 14. Jahrhunderts (1339-1351) war Barthold Rode Protonotarius am meklenburgischen Hofe des Fürsten Albrecht; dieser wird wohl zuerst Canzler genannt. Ihm folgte Bertram Bere aus der im 16. Jahrhundert ausgestorbenen adelichen Familie, welche drei Schwanenhälse im Wappen führte. Sein Nachfolger war der Magister Johannes Cröpelin (in einem und demselben Jahre "protonotarius, cancellarius, kenzeler, schriver" genannt). Von diesem besitzt das großherzogliche Archiv noch einige Conceptbücher auf Papier, eines von Baumwollen=, ein anderes von Linnen=Papier, wie es scheint. Diese Bücher beweisen unzweifelhaft, daß die Insignien des Canzlers in Führung der fürstlichen Siegel bestanden. Der Canzler Bertram Bere hatte im J. 1358 eine Urkunde entworfen, aber nicht ausgefertigt; als sie ausgegeben werden sollte, nahm der Canzler Johann Cröpelin eine Abschrift von derselben in sein Conceptbuch auf, jedoch mit dem alten Datum aus Bertram Bere's Amtsführung:
In cuius rei testimonium sigillum nostrum presentibus est appensum. Datum anno domini M°CCC°LVIII°, feria quarta infra octauas corporis Christi,
und hing das fürstliche Siegel an dieselbe, bemerkt jedoch bei dem Concepte, obgleich der Canzler Bertram Bere die Urkunde noch hätte besiegeln müssen, so habe er doch auf besondern Befehl seines Herrn in dem Jahre, als er dieses Conceptbuch angelegt, das fürstliche Siegel angehängt:
Licet ista littera debuisset per dominum Bertrammum Beren sigillasse anno quo supra, tamen ex iussu et mandato speciali domini mei eam sigillaui feria quinta infra Penthecostes anno quo registrum incepi.
Das Conceptbuch legte Johann Cröpelin im J. 1361 an:
Incipit registrum, inchoatum per Johannem Cröpelin, protonotarium illustris principis domini Alberti ducis Magnipolensis etc., sub anno in-
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carnationis domini M°CCC°LX primo, sabbato ante dominicam Palmarum.
Es geht hieraus unwiderleglich hervor, daß der Canzler das fürstliche Siegel führte. Es soll damit nicht gesagt sein, daß der Canzler nach neuern constitutionellen Ansichten für die Verhandlungen verantwortlich gewesen sei, denn die meisten fürstlichen Urkunden beweisen, daß die Urkunden auf fürstlichen Befehl besiegelt wurden (scriptum sigillo nostro duximus oder iussimus communiri); aber er war für den rechtmäßigen Gebrauch des Siegels und die Richtigkeit der besiegelten Urkunde nach den voraufgegangenen Verhandlungen verantwortlich. Die Führung des Siegels durch den Canzler dauerte das ganze Mittelalter hindurch; noch zur Zeit der Reformation ließ sich der Herzog Heinrich der Friedfertige auf einer Reise von seinem Canzler Caspar von Schöneich einige "Presseln", d. i. Siegelbänder oder Siegeldecken mit aufgedruckten Siegeln zur Ausstellung von Urkunden nachsenden. Die Fingereindrücke auf der Rückseite der Wachssiegel aus dem 13. und 14. Jahrhundert sind wahrscheinlich von des Canzlers eigener Hand zum Zeugnisse der richtigen Anhängung; denn die Anhängung und Ausprägung der Wachssiegel war gewiß ein mühsames, mechanisches Geschäft, welches der Canzler wohl nicht eigenhändig verrichtete. Es läßt sich zwar nicht beweisen, daß die Fingereindrücke eine bestimmte Bedeutung gehabt haben; aber die Beobachtung an vielen tausend Urkunden führt am Ende darauf, daß eine gewisse Regelmäßigkeit hierin herrschte, die nicht zufällig sein kann. Und in schwierigen Zeiten, z. B. in den ersten Zeiten nach einer unruhigen fürstlichen Vormundschaft, ließen die Fürsten beständig ihr kleineres Secretsiegel, welches sie persönlich führten, da sie es auf Reisen bei sich hatten, wenn auch der Canzler nicht gegenwärtig war, statt der Fingereindrücke auf die Rückseite der Siegel setzen. Diese Besiegelung der Urkunde und die Bezeichnung der Rückseite der Siegel mit Fingereindrücken ist im Mittelalter wahrscheinlich das, was man "Hand und Siegel" nannte.
Hiernach scheint Riedel in den "Märkischen Forschungen, II, 1, S. 62, nicht Recht zu haben, wenn er meint, daß "die Aufbewahrung des markgräflichcn Siegels keinem bestimmten Beamten übertragen gewesen, sondern der Person der Fürsten vorbehalten geblieben sei". Die Formeln in den Urkunden beweisen für diese Ansicht nichts, da die Urkunden auch im Namen der Fürsten geschrieben wurden. Es fehlt nur an bestimmten Aeußerungen darüber, wer die Urkunden besiegelt habe. Die meklenburgischen Urkunden sind den märkischen in der Form
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gleich, und doch besitzen wir nur die vorstehende Aeußerung, ohne welche wir keinen bestimmten Schluß machen könnten, über die Besiegelung der Urkunden.
Das Datum der Urkunden scheint sich nach dem Vorstehenden auf die schriftliche Ausfertigung, nicht auf die Besiegelung derselben zu beziehen.
G. C. F. Lisch.
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2.
Gude manne.
Der Ausdruck "gude manne" kommt in den Urkunden des Mittelalters zu häufig vor und ist für die Entwickelung des meklenburgischen Staatsrechts von zu großer Wichtigkeit, als daß nicht eine möglichst scharfe Bestimmung des Begriffs willkommen sein sollte. Grimm in seinen Deutschen Rechtsalterthümern, I, S. 294, hat den Begriff noch nicht scharf festsetzen können; er sagt: "gude man heißen im 15. und 16. Jahrh. auch edelleute, die keine ritter waren; es scheint Benennung ehrenwerther männer unter edlen und freien." Ohne Zweifel ist aber der Begriff zu verschiedenen Zeiten verschieden und Grimm scheint nur von der Geltung desselben in der ältesten Zeit, vor dem 13. Jahrhundert, geleitet worden zu sein. In Norddeutschland scheint aber der Begriff vorzüglich im 14. Jahrhundert am bestimmtesten ausgeprägt zu sein und am häufigsten vorzukommen.
Das Wort "man" bezeichnet in dieser Zeit im staats= und lehnrechtlichen Sinne bekanntlich einen Vasallen (vasallus, fidelis, = lieber getreuer); dies bedarf keines Beweises und keiner Ausführung, da das Wort in dieser Bedeutung sowohl im Rechte, als in der Dichtung zu häufig vorkommt. Das Wort man ist in diesem Begriffe ein lehnrechtlicher und gebührt der Person von dem Grundbesitze.
Mit dem Worte ritter (miles) oder knappe (famules) wird eine bestimmte kriegerische Würde und ein Ordensverhältniß, später zugleich ein erblicher Stand bezeichnet. Zwar ist der Ritter oder Knappe zugleich Vasall (man); aber nicht jeder Vasall, Lehnträger, ist Ritter; es giebt selbst Schulzen= und Mühlenlehne. Ward auch im Verlaufe der Zeit die ritterliche Herkunft (Ritterbürtigkeit) Bedingung der Ritterwürde, so hat doch der Begriff des Ritterthums mehr staatsrechtliche Natur, wenn er auch im Lehnrecht bedeutendes Gewicht hat.
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Nun fehlt es aber in den wendischen Ostseeländern im Mittelalter (1200-1500) an der Ausprägung eines Begriffes für eine andere persönliche Würde, welche in der That bestand, eines Begriffes für Adel, d. h. für den Begriff einer vornehmen Herkunft, abgesehen von Lehn und Ritterdienst, also für den Geburtsstand. Während der Christianisirung und Germanisirung dieser wendischen Ostseeländer am Ende des 12. Jahrhunderts bildete sich in Deutschland der Ritterstand aus und wanderte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ausgebildet in Meklenburg ein. Es bestand in den Wendenländern ein alter, hoher Adel oder Dynastenstand, dessen Mitglieder die Ritterwürde annahmen. Da nun die Ritterwürde im Mittelalter eine höhere Geltung hatte, als der persönliche Adel, da selbst regierende Fürsten sich mit dem Titel eines Ritters schmückten, so trat der Begriff des Adels so lange hinter den Begriff der Ritterwürde zurück, als diese noch wirklichen, innern Werth hatte: so lange es noch Ritter giebt (1200-1500), gilt der Ritterstand mehr, als der Adel; sobald die Ritterwürde mehr bloßer Titel wird, das Ritterthum nicht mehr allgemein bedeutsame Ordenssache ist und die Ritter so selten werden, daß sie sich leicht aufzählen lassen, antiquirt der Begriff des Ritterthums und der Begriff des Adels tritt wieder hervor.
Das Wesen des Adels hört aber durch das Vorwalten des Ritterthums im Mittelalter nicht auf. Vielmehr scheint im Mittelalter die Formel: "gude man" das zu bezeichnen, was jetzt die Form Adel bezeichnet. Die "guden manne" sind also: "gute Vasallen", zum Unterschiede von Vasallen (man) überhaupt, d. h. Vasallen höhern Geburtsstandes, rittermäßige Vasallen, welche wieder adelicher Herkunft oder durch Erhebung in den Ritterstand adelichen Ranges waren: das was englisch mit gentleman bezeichnet wird. Der Beweis wird schwierig, da, so häufig die Formel selbst vorkommt, es doch an erklärenden Umschreibungen fehlt. Am bedeutsamsten scheint das Vorkommen des Begriffes in dem nachstehenden Auszuge aus dem Land frieden zwischen Pommern und Meklenburg vom 21. April 1371 (gedruckt in Lisch Urk. z. Gesch. des Geschl. von Maltzahn, II, S. 223) zu sein:
Wêre ouk dat desser misdeder iênnich wêke tŏ ênem andern heren eder gûden manne eder eyn slot eder stad, de in dessen vrede nicht ensint, vnd de misdeder dâr heget vnd entholden worde, wêre dat de sulue misdeder vt des heren lande vnd slote eder vt des
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guden mannes slote eder veste eder vt der stad iênghen mannen, de binnen dessen vreden sint, schâden totôghen des heren eder der gûden lûde eder der stede, de de misdedere entholden, de vs den schâden tŏ thiet, scole wi alle viende werden, beide wi heren, man, stede, land vnd lûde alle, de in desse vrede sint, - - vnd vser eyn schal sik - - van dem andern nummer vrêden, - - eir de here vnd de gûden lûde eder de stede de de misdeder vntholden, dem misdeder vorlaten hebben. - - - - Vortmer der heren vogede scôlen vorantwerden ere frunt vnd ere dênere, de se in der heren dênst vôren edder hehben vnd eyn ander gût man, de vp synen eyghen sloten vnd vesten sittet, scal den heren vnd ouk den steden, de in dessen vreden sint, syne vrund vnd dêner, de he in synem brôde hebben wil vnd vorantwerden wil, bescreuen geuen. - - Welk misdeder âuer vse belêghene man nicht enis, - - ieghen den scal men dessen vôrbenômeden vreden - -volvolgen in alre wys; wêre âuer iênnich misdeder de van vsem vôrbenômeden ohime iênnich gůt tŏ rechte tŏ lêne hebben scal, de scal dat gůt van vsem ôhem to lêne êschen.
Hier werden offenbar: "gude man" und "man" überhaupt oder "belêghene man", d. i. (belehnte) Vasallen, unterschieden. Lehnträger konnte auch ein nicht rittermäßiger Mann sein. Im Allgemeinen werden als Hauptgegenstände: heren (Fürsten), man (Vasallen) und stede (Städte) unterschieden. Der gude man aber wird neben die heren gestellt und als solcher bezeichnet:
"(gut man,) de up synen eyghen sloten vnd vesten sittet".
Der "gut man" hatte also eigene, feste Burgen (des guden mannes slote eder veste). Und hiemit scheint es klar ausgedrückt zu sein, daß der "gut man" ein rittermäßiger Vasall war, da der Bürger, wenn er auch Lehn besaß, doch keine eigentlichen Ritterlehen hatte und nicht auf seiner Burg saß, da von den gewöhnlichen Lehen, d. h. solchen, welche nicht Ritterlehen waren, keine Ritterdienste geleistet wurden.
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"Gude man" scheinen auch in dem rostocker Landfrieden vom 13. Junii 1283 (in Lisch Urk. z. Gesch. des Geschl. von Maltzahn, I, S. 68) diejenigen zu sein, welche hier lateinisch
"potiores et meliores de parentela militum et armigerorum siue famulorum"
(die Vornehmern und Bessern von der Verwandtschaft der Ritter) genannt werden, wenn es heißt:
"si miles est, armiger siue famulus quin que pociores et meliores de tota pa rentela sua et amicis assumet, et sic ipse sextus existens, se ab obiectis huius expurgabit".
Hier ist offenbar von den Geburts= und Familienverhältnissen rittermäßiger Männer die Rede, und wenn auch pociores et meliores de parentela nicht gradezu durch gude man übersetzt werden kann, so werden doch beide Formeln einander ziemlich nahe liegen.
G. C. F. Lisch.
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Söldner werden im Mittelalter sehr selten erwähnt. In einer Original=Urkunde des Klosters Dobbertin vom J. 1349, myddewekens vor ligdmissen, verkauft der Fürst Johann von Werle an Gert Butzel und seinen Sohn Gert das Dorf Butzelsdorp mit allem Rechte und Eigenthum:
"vor ses hunderth marck lubescher penninghe, de he vns to vnsen solderen mith redeme ghelde vntwurren heft, do wy dat orloghe hadden ghehat mith deme herteghen van Stedtyn, mith iungheren Niclawese van Wenden vnseme vedderen vnde mith greuen Otten van Zweryn".
G. C. F. Lisch.
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Die nordischen Verhandlungen des J. 1363, in welchem der meklenburgische Prinz Albrecht König von Schweden ward, sind in hohem Grade wichtig. Von nicht geringer Be=
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deutung war für die Begebenheiten dieses Jahres der Friede, welchen die Hansestädte Pfingsten (21. Mai) 1363 zu Nyköping mit dem Könige Waldemar von Dänemark schlossen (vgl. Rudloff Mekl. Gesch. II, S. 462, und v. Lützow Mekl. Gesch. II, S. 198). Die Friedensurkunde ist in den Rostocker Wöchentl. Nachr. 1754, St. 20, S. 78 flgd. abgedruckt. Durch einen Zufall ist mir die hiedurch wieder gerettete Handschrift aus dem rostocker Archive, nach welchem der Abdruck besorgt ist, in die Hände gekommen. Diese gleichzeitige Handschrift auf Papier enthält das Concept der Friedens=Urkunde, ohne Datum, wie der Abdruck; über der Urkunde steht aber von einer gleichzeitigen Hand, jedoch mit anderer Dinte, geschrieben:
Anno domini
°CCC°LXIII° in festo penthecostes in Nykopinghe.
Von Interesse sind die Friedensverhandlungen, welche auf der zweiten Hälfte des Bogens niedergeschrieben sind und nicht nur manches in ein helleres Licht setzen, sondern auch einen Blick in die Verhandlungsweise der damaligen Zeit gönnen. Hinter der Urkunde enthält die Handschrift zuerst die Protocollirung der Verhandlungen:
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Hierauf folgt auf der zweiten Hälfte des Bogens:
Dit is dat antworde, dat des kônynghes râd van Denemarken (hus) van greue Hinrikes weghene vnde Clawes sînes brôders heft ghegheuen, dat greue Hinrich vnde syn brôder vnde de kônyngh vnde de synen von syner weghene vnder en tůschen sunderghe dâghe hebbet ghewyssent, dâr se zyk wol ane bewêten, vnde we hebben ôch sunderghe dâghe wyssent, dâr wy vns an beyden tzyden wol ane bewêten; wil greue Hinrich vnde greue Clawes vnde de ere den kônyngh vnde de syne gherghen vmme schuldeghen van der dâghe weghene, de ghewyssent synt, vmme welk ghebrek, dâr willet se gherne tho antworden.
Vortmer van syner suster weghene antworden se aldůs: dat ên echtescop ghemâket wêre vnde geschên tůschen des kônynghes sône van Sweden vnde des kônynghes dochter van Denemarken, dâr ertzebyskope, leyen vnde pâpen hebbet ôuer wesen, dâr see ghetrůwet worden, vnde ifte des kônynghes dochter van Denemarken ghestoruen wêre, êr se in syn bedde ghekômen wêre, so hadde de mâghetshop tůschen des kônynghes dochter van Denemarken vnde greue Hinrikes sůster dogh also grôt ghewesen, dat he se na der ee nicht moghte ghenômen hebben,
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de sulue greue Hinrikes sůster wart vtghesant, de echtteskop to stôrende; des drêf se god vnde dat yeghenwedder to deme bêde des ertzebiskoppes van Lunden, de vôre ôuer desser echteskop ghewesen hadde. Des behêlt de byscop greue Hinrikes sůster, de desse vôrbenômeden echteskop breken wolde, vppe dat yeghen god vnde de ee nicht ghedân worde, men nu desse echteskop tůschen des kônynghes sône van Sweden vnde des kônynghes dochter van Denemarken gheschên is, so hôpe wy, dat de byskop dâr by wol dû(m) schole: dâr wil wy to helpen, so wy best môghen.
Vortmer vmme Wlf Rychstorpe, de is hîr vp gheschůttet, dat he hadde wol XVIII brêue vnde êne credencien to deme kônynghe van Sweden vnde syme sône vnde eres rykes râde, de em gheantwordet wêren van greue Hinrike; dâr ynne stund, dat hertoghe Albert van Mekelenborch, de marchgreue van Mytzen vnde de ertzebyscop van Meydeborgh vnde andere heren de wêren mid em ên, vnde na deme kônynghe van Denemarken hebben gheswôren vnde lôuet steden vrede vnde vruntzscop, so is Wulf dâr vp gheholden, also langhe bet men irvâren kan, ver syn bôdescop wârheyt hebbe ed der nicht.
Vortmer vmme de van Prutzen, dâr antworden se aldus tu, dat de kônyngh hadde ghesant her Mathies Ketelhude to deme hômêstere vnde lêt ene schuldeghen, dat be vnde de syne hadden gûd ghegheuen dâr tho, dat me dat ryk to Denemarken vorderuen scholde, dâr antworde he aldus tho, dat he des nicht ghedân hadde, men he vnde syne stede hadden ênen tollen ghesat van den pund [gůt] IIII or penninghe enghels, de sê tho bevretende tho des mênen kôpmannes behûf, vnde anders nicht, vnde hîr tho syne dâghe ghenômen tuschen deme kônynghe vnde deme hômêstere, vnde hôpen, dat se syk wol vorênen schôlen.
Vmme de osterschen stede vnde de van westen antworden se aldůs, wo we iw, de vnse nâbere syn, tho vronden môghen hebben,
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de stede van osten vnde van westen, willen se vns yerghen vmme schuldeghen, wy willen en wol antworden.
In dem Bogen liegt ein loser Viertelbogen Papier mit folgenden Verhandlungen, von einer gleichzeitigen, jedoch andern Hand geschrieben:
Dit scal me zegghen den schônevâren, dat de stede des ênghedreghen hebben, dat de schêlinghe, de dâr steyt twischen den van Rozstokke vnde den van deme Sunde van der schlachtinghe wegen, de vnder en schach vppe Schone, schal in gŏde stân, bet de stede nv nêghest to zâmende kômen, vnde dat zyk mâlk dâr ane bowâre by lyue vnde by gôde, vnde datzyk mâlk in lyke vnde in rechte nôghen lâte vnde ôk nynen crych enmâke, dat de stede ân bezwârnizze môghen vmbe kômen.
Vordmer vmbe de lûde, de bynnen der stad edder in des stâdes êghendôme lûde dôet slâen, dâr schalme vmbe spreken in dem raade.
Dit scal men zegghen den Norwegensvaren, dat de kônyngh van Norwegen vnde de Normannes clâghent, dat me dâr ind land vôred vnde bringht lâkene, de valsch vnde tŏ kort zyn, vnde ôk valsch vnde snôde meel, dat zyk m[âlk] dâr vôre wâre, dat he dâr ind land nyn gôed envôre, dâr he nicht vul mede dôen mach.
Ok clâghent de konyngh vnde de Normannes ôuer mannigerleye walt vnde schlachtinghe, de dâr schût, dâr nicht ôver gerichtet enwert, vnde dat de lûde, de de walt vnde schlachtinghe dôen, werden mid macht wech ghevôret. Hiir vmbe hebben de stede sprôken vnde synt des ên worden vnder zyk: Dêde iênich côpman efte sciphere edder schipman wald edder schlachtinghe in Norwegen, dat me dâr schal rechtes ôver pleghen, vôrde iênich scyphere den man, de se walt vnde schlachtinghe ghedân hadde, witliken wech van dem lande, de schal dat wedden vnde beteren na der stad rechte, dâr he inne beclâghet wert.
G.C. F. Lisch
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5.
Der Taufkessel zu Gadebusch.
In Jahrb. III, S. 129 ist die bronzene Fünte oder
Taufe zu Gadebusch beschrieben, welche nach der
Inschrift einen "Herrn Heinrich Koppelman
zum Gründer" hatte ("Orate deum pro
domino Hinrico Coppelmann fundatore). Dieser war
ohne Zweifel ein Priester, da er Herr genannt
wird. Er war im J. 1450 schon gestorben. Im J.
1474 war aber wieder ein "her Hinrik
Koppelman vicarius in kerspel kerken to
Gadebusz". Daher mögen denn auch wohl die
a. a. O. S. 128-130 angeführten Monogramme
auf den Priester Heinrich
Koppelman den Aelteren deuten, der die ganze
Ausstattung des Chors besorgt haben wird, welche
mit der Restauration der Kirche im J. 1842
verschwunden ist.
G. C. F. Lisch.
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6.
Zur Geschichte der Johanniter
Comthurei Kraak.
Nach Jahrb. I, S. 23 u. 27, ist während des Streites über die Dienste und die Besetzung der Comthurei Kraak vom J. 1504-1521 kein Comthur von Kraak bekannt gewesen. In einem vom Canzler Caspar von Schöneich geschriebenen, wie gewöhnlich von demselben nicht datirten Concepte eines Befehls der Herzoge Heinrich und Erich in einer reinen Privatschuldsache wird im J. 1507 oder 1508
"Er Hans Glawbitz Comptor zu Crakaw"
aufgeführt. Die Schrift stammt ohne Zweifel aus der ersten Zeit des Canzlers. Caspar von Schöneich ward nach 4. März 1507 Canzler (vgl. Jahrb. IV, S. 95); der Herzog Balthasar, welcher nicht mehr genannt ist, starb am 7. März 1507; der Herzog Erich starb am 24. Dec. 1508. Also war Hans Glaubitz sicher im J. 1507 oder 1508 Comthur von Kraak.
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7.
Der Ritter Friederich Spedt.
In Leuckfeldi antiquit. Michaelsteinenses, p. 110 ist eine Vollmacht abgedruckt, durch welche der Administrator der Abtei Michaelstein, Ernst, Graf von Blankenburg,
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den Ritter Friederich Spedt (vgl. Jahrb. I, S. 33 flgd.) am 29. Nov. 1557 beauftragte, für ihn einige Geschäfte zu Rom beim Pabste auszurichten, namentlich wegen seiner Minderjährigkeit, wegen seiner Residenz, u. s. w.; vgl. p. 69. Er nennt ihn hierin:
strenuum nobilem et equitem auratum Fridericum à Sped et S. Petri et Pauli militem Romanaeque Curiae Comitem Palatinum et Protonotarium.
G. C. F. Lisch.
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8.
Des Herzogs Johann Albrecht
I. Reisen zum Kaiser.
1.
Der Herzog Johann Albrecht I. führte in kleinen Taschenkalendern eigenhändig Tagebücher und ein solches auch über seine Reise nach Ungarn im J. 1560, ebenfalls in einem kleinen Taschenkalender, über die Tagereisen und Ausgaben; außerdem sind noch umfänglichere wissenschaftliche Arbeiten über die Beobachtungen auf dieser Reise vorhanden, namentlich ein großes Diarium von des Herzogs eigener Hand (bei den Reichstags=Acten, Vol. 2). In dem kleinen Tagebuche sind während der Reise (vom 12. Julii bis 14. Septbr.) nur Ortsnamen und Entfernungen aufgezeichnet, außerdem auch einige interessante Begebenheiten:
Julii | 21. | Wittenberge. Da das begrebnis Lutheri et Philippi besehen in der Schloskirchen. |
Julii | 29. | Gen Praga. |
30. | Die 2 tage alda still gelegen beim Ertzhertzog | |
31. | Ferdinand, der mir vill gutts erzeiget. | |
Aug. | 1. | Von Praga mitt dem Ertzhertzogen vff der jagt, da ich 4 hirs vnd 1 phasan geschossen. |
7. | Bis Wien in Osterreich. Dem Hern sey Dank. | |
11. | Bin ich von der kay. Maj. gehort worden. | |
12. | Hab ich die feste Wien inwendigk vnd den 8 auswendig gesehen. | |
16. | Von Preßburgk bis Wien. | |
18. | Hatt die kays. Maj. mir einen Hirs geschicket, der die beiden Hinderschenkel zerbrochen. |
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Aug. | 19. | Hab mitt der kays. Maj., kö. w. vnd Ertzhertzog ich gessen |
20. | Mit der kays. Maj. gejagt. | |
29. | Von Wien. |
In der Ausgabe=Rechnung heißt es hiezu:
147 Thaler ausgeben vnd dem Joannes kuchenschreiber lassen zustellen, davon der kays. Maj. Stalmeister zu Zerunggelder vor die 2 türkische Roß, so Ihr Maj. mir g. verehret, 54 Thaler bekomen. Actum Wien am 26. Augusti.
300 goldfl. für ketten dem Zazio vnd Seldio, Wien am 24. augusti.
250 Thaler dem Graffen Bernhardt von Hardeck, davor ehr mir vngerische stutten kauffen wirdet. Actum im Vffsein von Wien am 29. Augusti.
150 Thaler Peter Schreibern geben zu ablegung der kutzen von Wien, auch zerung, die wilden herausserzubringen von Wien.
Ueber eine andere Reichstagsfahrt des Herzogs Johann Albrecht zur Wahl und Krönung des Königs Maximilian zu Frankfurt a. M., über welche ein ausführlicheres Tagebuch des Herzogs in Rostock. Monatsschrift II, 1793, S. 321 flgd. gedruckt ist, berichtet ein anderes kleines, eigenhändiges Tagebuch:
Oct. | 23. | Ist die ko. M. zu Behmen Maximilianus, dem wir entgegengeritten, ankommen zu Franckfordt. |
24. | Den Tag ist die kai. Mai. zu Franckf. ankomen. | |
26. | Den tag hab ich die kai. Mai. angeredet. | |
Nov. | 5. | Den tag hab ich den konig Maximilianum vnd alle Chur= vnd fürsten geistlich vnd wedlich zu gaste gehabt. |
8. | den Tag hatt vns alle die kai. Mai. zu gaste gehabt. | |
9. | haben wir alle vnd vornemlich die kai. Mai. bei Brandenburgk Curf. essen. | |
12. | hab ich etzliche keyserische vnd königische Rette zu gast gehabt | |
15. | Haben wir vnd die kai. Mai. ko. w. vnd konigin mitt dem H. z. Julich gessen. | |
27. | hab ich sampt den protestirenden Chur= vnd fürsten die recusation schr. gein das Concilium kai. Mai. lassen überantworten. |
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Nov. | 28. | hab ich die Churfursten . . . . . . vffen rathaus |
29. | mit Julich gessen und dem von Lotringen entgegen geritten. | |
30. | Ist des Maximiliani kronung geschehen zu Frankfurt am Meine. | |
Dec. | 1. | hatt man nach dem ringe gerantt. |
2. | hatt vns all die kai. Mai. zu gast gehabt. | |
3. | die ko. Mai. hatt vns geladen. | |
4. | Von Franckford bis Butzbach. |
G. C. F. Lisch.
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9.
Die Fürstl. Meckl. Apologia
vom J. 1630,
von
G. C. F. Lisch.
Der Verfasser dieser berühmten Schrift, welche die Herzoge Adolph Friederich und Johann Albrecht zu ihrer Vertheidigung an den Kurfürstentag nach Regensburg sandten und zu Lübeck am 26. Mai 1630 im Druck erscheinen ließen, ist noch nicht mit Bestimmtheit ausgemittelt, wenn auch alle Zeichen und Andeutungen darauf hinausgehen, daß sie von dem Rathe, nachherigen Canzler Johann Cothmann verfaßt sei. V. Lützow III, S. 252, Note 1. eröffnet für diese Ansicht neue Archiv=Quellen, hält jedoch dafür, daß des Herzogs Adolph Friederich Secretair Simon Gabriel zur Nedden, der die Apologie nach Regensburg überbrachte, bei der Ausarbeitung derselben thätig gewesen sei. Daß v. Lützow in der Hauptsache Recht, zur Nedden jedoch keinen Theil an dieser Schrift hat, untergeordnete Dienstleistungen etwa ausgenommen, geht aus folgenden Bemerkungen aus des Herzogs Adolph Friederich eigenhändig geführten Tagebüchern hervor:
1630 A. St. 19. Januar. Item Johan Cotman wegen seines herrn vorbracht wegen einer protestation zu vertigen wegen der Erbhuldigung eins an die Landschafft, eins an Kaiser vnd einß coram notariis et testibus.
20 Februar haben mit D. v. hagen scharff geredet wegen vnser apologia.
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1 März haben an den Sindicum Schabbelt mit eigen handen geschrieben vnd ihn ersuchet, mir schrifftlich auff zu setzen, wie die Apologia bequem abzufaßen zu meiner Information.
10 April Mein Bruder, Otte Pren, Johan Cotman zu mir komen vmb 2 Vhre. Ich habe Otte Tanken den Sindicum bey mir hatt vnd haben zusammen verlesen die apologia, welche Cotman abgefaßet, habe sie gutt befunden.
22 Junii habe meinen Secretarium Simon Gabriel zur Nedden mit vnser apologia nacher Regenßburgk abgefertiget.
Daß der Canzler Johann Cothmann 1 ) der alleinige Verfasser sei, geht schon aus der auch bei v. Lützow a. a. O. citirten Belehnung desselben mit vier Bauhöfen im Gute Bansow, A. Güstrow, (d. d. Güstrow den 11. Dec. 1645) hervor, in welcher der Herzog Adolph Friederich sagt, daß dem Kanzler diese Schenkung gemacht sei, nachdem er
"dem weiland hochwürdigen, hochgebornen Fürsten Herrn Hanß Albrechten Hertzogen zu Mecklenburg
. - nicht alleine viele Jahre her getrew vnd redlich gedienet, sondern auch bei Vnsern vnd S. Ld. furgangenen vnrechtmeßigen verstoßung von Vnsern Landen vnd Leutten, mit S. Ld. in das Exilium sich begeben vnd in wehrender solcher Zeit viel beschwerliche müehe vnd arbeit über sich gehabt, vnd sonderlich in verfertigung vnser durch offenen Drueck publicirten außführlichen Apologi einen solchen sonderbahren getreuwen fleiß angewendet, daß wir damit in allen gnaden content vnd friedlich gewesen vnd dauon bey jedermenniglichen ruhm vnd Ehr gehabt haben".
In einem Gnadenbriefe vom 25. Jan. 1637, durch welchen der Herzog Adolph Friederich dem "zu der Gustrowischen Regierung bestalten geheimbten Regiments=Raht vnd Canzler
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Johan Cotman" völlige Freiheit von allen öffentlichen Lasten ertheilt, wird vorzüglich als Grund der fürstlichen Gnade hervorgehoben, daß er
"bei Vnsers geliebten Bruders L. hoch sel. gedechtnuß in vnserm betrubten schweren exilio in vntertheniger lieb vnd trewe vnaußgesetzet vnd bestendig verharret, wie viel beschwer= vnd gefährliche reisen, mühe vnd arbeit er verrichtet vnd auf sich gehabt, vnd waß maßen er sonderlich zu Vnser vnd Vnsers hohen fürstlichen Standes Nahmen, Ehren vnd reputation vnvmbgenglichen defension vnd Verthetigung Vnsere außgangene vnd in offenem truck publicirte Apologiam zu vnser beiderseits gnedigem Contentement dermaßen grundlich vnd wohl abgefasset vnd außgeführet, daß Wir Unß derselben fur Ihrer Kayserlichen Mayt, allen Chur=, Fursten vnd Stenden des Reichs vnd jedermenniglichen mit bestande, ruhmb vnd Ehren haben gebrauchen vnd bedienen konnen".
Noch mehr aber wird dies durch ein feierliches Bekenntniß des Herzogs Adolph Friederich bestätigt. Der Dr. Christoph v. Hagen, Assessor beim Hof= und Land=Gericht zu Güstrow, ein weitschweifiger und peinlicher Mann, hatte auch über die Abfassung einer Apologie berichten müssen; seine Ansichten gefielen aber so wenig, daß ihm sein Referat sogleich zurückgeschickt ward. Als ihn der Herzog Adolph Friederich nach seiner Rückkehr in seine Lande im J. 1632 zum Geheimen=Rathe von Haus aus ernennen wollte, war der Doctor, der gerne in Person eine große Rolle spielen wollte, so unzufrieden mit der Bestallung, daß er sie nicht annahm, sondern allerlei Einwendungen und Vowürfe machte, namentlich auch den Vorwurf, daß er eigentlich die Apologie gemacht habe. Er verscherzte hiedurch das Amt und die fürstliche Gnade völlig und erhielt endlich auf seine vielen Schreibereien am 24. Febr. 1634 folgende Antwort, welche die ganze Angelegenheit völlig aufklärt:
Vnsern gnedigen gruß zuuor. Ehrnfester vnd hochgelahrter Raht, lieber getrewer. Wir haben auß eurem vnter dato den 1 February anhero gelangten Schreiben mit großer Verwunderung vernommen, daß Ihr Euch nochmals für den authorem vnser in offentlichen truck außgefertigten vnd der Rom. Kay. May. vnd den zu Regenspurg Ao. 1630 versambleten Chur= vnd Fürsten
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des Heil. Rom. Reichs vbergebener Apologiae rühmen vnd außgeben vnd vnß dessen wieder vnser, vnser Rähte vnd menniglichs wissen zu persuadiren Euch unterstehen dürfftet. Wir empfinden solches mit gantz vngnedigem mißfallen vnd erachten eure deßwegen eingeschickte weitleufftige vnnutze schrifft der würdigkeit nicht, daß sie von vnß beantwortet werden solte, Befehlen Euch derwegen hiemit gnedigs ernsts, daß Ihr obgenante vnsere von dem Ehren festen und Hochgelahrten vnserm geheimbten Raht Johan Cothman ohn einige eure hulff vnd zuthun loblich vnd wol außgefertigte Apologiam, wie nicht allein wir vnd vnsers freundlichen vielgeliebten Bruders L. vnd vnser beiderseits Rähte, sondern auch die vornembste gelahrte leute in Lübeck Ihme dessen ein ruhmbliches zeugnuß geben konnen, mit eurer vnnutzen feder vnd reden vnangefaßet laßet vnd euch davon daß geringste nicht zuschreibet, sondern dessen versichert seid, da es diesem vnserm mandato zuwieder vorsetzlich vnd ehrsuchtiger weise von euch ferner geschehen solte, daß wir solches dergestalt an euch zu anden vnd zu eiffern wissen werden, daß ihr darauß vnsern fürstlichen ernst zu erspuren haben sollet.
Was eure bestallung anbelanget, lassen wir es bei voriger vnser erklerung bewenden, Inmaßen euch auch in Vnser Regierungs=Cantzlei in euren Schuldforderungssachen auf gebuhrliches anhalten die Justitz nicht soll verweigert werden. Wornach ihr euch zu richten und geschieht hieran. Datum Schwerin den 24. Febr. Ao. 1634.
An
D. Christoph vom Hagen.
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10.
Ueber den Charakter des
Herzogs Christian I. Louis,
von
G. C. F. Lisch.
Der Charakter des Herzogs Christian I. Louis ist in vielen Beziehungen eben so auffallend, wie seine Stellung zum Lande einzig in ihrer Art in der Geschichte Meklenburgs dasteht. Sein Wirken ist wohl vertheidigt, da seine guten
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Absichten und ein guter Grundzug in seinem Willen nicht zu verkennen sind; aber seine Handlungsweise wirft stets wieder einen Schatten auf ihn, so oft und gerne man geneigt sein möchte, seine guten Absichten anzuerkennen; schon sein Verhältniß zu seinem Vater, dem ausgezeichneten Herzoge Adolph Friederich I, muß dahin führen, in der Beurtheilung seines Charakters sehr vorsichtig zu sein. Das Leben der Herzoge Christian I. Louis, Friederich Wilhelm, Carl Leopold und Christian Ludwig II. ist aber für die Geschichte und Verfassung des Vaterlandes von der allergrößten Wichtigkeit; bei der Schwierigkeit, das bedeutende Material zu ihrer Geschichte zu übewinden, und bei dem Mangel gründlicher und erschöpfender Darstellungen ihres Lebens muß jedoch jeder zuverlässige Fingerzeig als eine bedeutende Bereicherung unserer Geschichte betrachtet werden.
Eine solche Bereicherung gewährt die folgende Mittheilung, welche hier gemacht wird, da zu einer umfassenden Würdigung der Regierungszeit des Herzogs Christian Louis wohl fürs erste noch keine Aussicht vorhanden ist. In der so eben erschienenen (nur für die wenigen Subscribenten gedruckten) "Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart" (für den Abdruck seltener Geschichtsquellen), VI, 1843, S. 470, enthaltend die "Briefe der Princessin Elisabeth Charlotte von Orleans an die Raugräfin Louise, 1676-1722", herausgegeben von Wolfg. Menzel, steht ein Brief der Princessin Elisabeth Charlotte von Orleans, welche den Charakter des Herzogs Christian auf eine treffende Weise schildert. Die Princessin, eine Tochter des Kurfürsten Carl Ludwig von der Pfalz, war im J. 1671 gegen ihren Willen mit dem Herzoge Philipp von Orleans, Bruder des Königs Ludwig XIV. von Frankreich, vermählt und mußte in ihrer Stellung den Herzog genau kennen. W. Menzel sagt, S. VIII, über diese Princessin:
"Die Princessin besaß einen hellen Verstand und große Munterkeit. Sie war stets um die Person Ludwigs XIV, der sie hoch in Ehren hielt. Nach seinem Tode beherrschte ihr eigener Sohn als Prinz=Regent das französische Reich. Bei so viel Geist und in einer solchen Stellung war sie von allem unterrichtet, was am Hofe vorging. Ihre Schreibseligkeit aber bewog sie, von allen Hof= und Staatssachen an ihre Verwandten und Freunde, namentlich in Deutschland, zu schreiben, was ihr oft Unannehmlichkeiten zuzog".
Der Brief lautet also:
Der Hertzog Von mecklenburg wen Er In gedancken saß undt man Ihn fragte woran Er dächte sagte Er
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je donne audiance à mes pensées seine Zweyte gemahlin Konte Es beßer thun, den sie hatte mehr Verstandt als Er, Es war doch Eine wunderliche sach mitt dießem Herrn, Er war woll Erzogen, Konte über die maßen woll sprechen Man Konte Ihm Kein unrecht geben wen man Ihn hörte aber In alles was Er that war arger als Kein Kindt Von 6 Jahren thun Könte, Er Klagte mir Ein mahl sein leydt Ich andtwortete nichts drauff, Er fragte mich warumb Ich nicht andtwortete, Ich sagte blat herauß (waß solle Ich E. L. sagen sie sprechen über die Maßen woll, aber sie thun nicht wie sie reden undt ihre ganze conduitte ist Erbarmlich, undt machen In gantz frankreich außlachen) Er wurde böß undt ging weg, aber Ich sagte Ihm dießes weillen Er wenig tag Vorher dem König Eine audientz gefordert hatte der König meinte Er hatte von affairen mitt Ihm Zu tractiren, ließ Ihn In sein Cabinet allein Kommen so sicht Er den König ahn undt sagt sire je vous trouve cru depuis que je n'ay eüe l'honneur de vous voir der König andtwortete, je ne croyes pas estre en age de croitre (den der König war damahlen 35 Jahr alt) darnach sagte Er sire vous aVes bien bonne mine tout le monde trouve que je vous ressemble mais que j'ay encore mellieure mine que vous, der König lacht und sagt cela peust bien estre damit ging Er wider weg, war daß nicht Eine schönne audientz - - -
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:
A.
zur
Geschichte der Johanniter-Comthurei Nemerow.
Nr. I.
Der Markgraf Albrecht von Brandenburg verleiht dem Johanniter-Orden das befreiete Eigenthumsrecht des Dorfes Gnewitz (zur stargardischen Comthurei Gardow, später Nemerow) zu Händen der Comthurei Mirow.
D. d. Lychen. März 13. 1285.
Nach dem Originale im königl. Geh. Staats- und Cabinets-Archive zu Berlin
Albertus, Dei gratia marchio Brandenburgensis, uniuersis Christi fidelibus presentem paginam inspecturis salutem in domino sempiternam. Ad omnem boni operis consummationem adeo nobis expedit intendere vigilanter, ut, dum districtus iudex in die nouissimo cunctorum examinare venit actiones, non formidanda sint nobis gehenne supplicia pro delictis, sed quomodo eterne beatitudinis premia possimus pro bonis operibus adipisci. Hinc est quod notum esse volumus tam presentibus, quam futuris, quod nos proprietatem ville, que Gnewetiz dicitur, damus liberaliter seu donamus commendatori et fratribus s. domus hospitalis Jerosolimitani b. Johannis baptiste et eorum ordini pro remedio anime nostre et nostrorum progenitorum libere possidendam. Excipimus seu eximimus predictam [villam?] ab omni exactione seu petitione, angaria, parangaria, constructione urbium, pontium seu munitionum, et generaliter ab omni vexatione et molestia, quibus predicti fratres et eorum homines in predictis bonis a nobis vel a nostris here-
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dibus possent in perpetuum grauari vel aliqualiter impediri. Hec predicta bona cum proprietate et omni libertate et omni iusticia et iudicio et aduocatia et omni illo, quod vulgariter Recht vel Unrecht dicitur, cum omnibus terminis suis hucusque habitis, cum aquis, aquarum decursibus, molendinis, pratis, pascuis, terris cultis et incultis, et omnibus pertinentiis sibi adherentibus de consuetudine, gratia vel de iure, damus seu donamus antedictis commendatori et fratribus in Myrou ac eorum ordini perpetuo, quiete ac pacifice possidenda. Preterea exdudimus, quod in crastino b. Martini annis singulis nobis de domo villici predicte ville Gnewetiz duo talenta cum dimidio denariorum Brandenb. census nomine omni procul dubio persoluentur. Et ne hec nostra donatio a nostris successoribus vel a quibuslibet aliis in perpetuum valeat irritari, presentem paginam damus memoratis commendatori et fratribus sigilli nostri munimine roboratam. Acta sunt hec in Lychen anno domini M°CC°LXXXV°, III idus Martii, presentibus: domino Ludolpho de Plote, domino Henrico [Soneke?], domino Friderico et domino Chotemir Dargaz, domino J. et domino ... de Loweberch, domino Hermanno et domino ...., domino Friderico de Osterwalde et domino Wichmanno Glude .... aduocato, domino Johanne fratre ipsius et quam pluribus.
Die mit . . . . bezeichneten Stellen sind im Pergament der Urschrift vermodert. Gedruckt ist diese Urkunde auch in Gercken Cod. dipl. III, p. 82, und Jahrb. II, S. 232.
Nr. II.
Der Markgraf Albrecht von Brandenburg verleiht dem Johanniter-Orden das befreiete Eigenthumsrecht der Dörfer Dabelow und Kl. Karzstavel (zur stargardischen Comthurei Gardow, später Nemerow).
D. d. Werbelin. 1286. Dec. 17.
Aus einem Diplomatarium auf Papier aus dem 15. Jahrhundert im grossh. Haupt-Archive zu Schwerin.
In nomine domini Amon. Nos Albertus deigracia marchio Brandenburgensis omnibus in perpetuum.
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Humana memoria assidua mortis cogitacione negociorumque ac tractatuum multitudine infirmam mentem habet; ut adiuuetur vocibus testium ac testimonio litterarum, ad hoc ut acta mortalium robur alicuius obtineant firmitatis: hinc est quod notum esse volumus tam presentibus, quam futuris protestando, quod proprietatem villarum Dobelow et Karztauel minoris, quarum villarum possessio fuerat Chotemar et Ottonis fratrum, damus seu donamus liberaliter commendatori et fratribus sancte domus hospitalis Jherosolimitani beati Johannis baptiste et eorum ordini libere perpetuo possidendam. Excipimus seu eximimus predicta bona ab omni exactione seu petitione, angaria, parangaria constructione vrbium, poncium seu municionum, et generaliter ab omni vexacione uel molestia, quibus predicti fratres et eorum homines in predictis bonis a nobis uel a nostris heredibus possent in perpetuum grauari uel aliqualiter impediri. Hec predicta bona cum proprietate et omni libertate et omni iusticia et iudicio et aduocacia et omni illo, quod vulgariter Recht uel Vnrecht dicitur, cum omnibus terminis suis hucusque habitis, cum aquis, aquarum decursibus, molendinis, pratis, pascuis, lignis, terris cultis et incultis, et omnibus pertinenciis, sibi adherentibus de consuetudine, gracia uel de iure, damus seu donamus antedictis commendatori et fratribus in Mirow et eorum ordini perpetuo, quiete ac pacifice possidenda, illo tamen excluso pariter et excepto, quod de talento quolibet uel frusto duro nobis et nostris heredibus soluentur duo solidi denariorum Brandenb. in crastino beati Martini census nomine annuatim. [Ne] hec nostra donacio a nostris successoribus uel a quibtislibet aliis in perpetuum valeat irritari, presentem paginam damus memoratis commendatori et fratribus sigilli nostri munimine roboratam. Acta sunt hec in Werbelino anno domini M°CC°LXXXVI°, XV kal. Decembris, presentibus domino Henrico de Wildenhagen, Henrico de Sankow tunc temporis aduocato, et domino Chotemar Dargaz et aliis fide dignis.
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Nr. III.
Der Markgraf Albrecht von Brandenburg schenkt dem Comthur Ulrich Swave das freie Eigenthum der beiden Dörfer Gross= und Klein=Nemerow, welche dieser zur Stiftung einer Johanniter=Comthurei gekauft hat.
D. d. Soldin. 1298. Mai 15.
Nach dem Originale im königl. Geh. Staats= und Cabinets=Archive zu Berlin
[In nomine] sancte et indiuidue trinitatis. Amen. Cum rerum gestarum certissima representatio sit scriptura, que de verborum serie redactorum in ipsam nichil [minuit, neque] mutat, sapientum decreuit industria, vt ea, que aguntur debite, litterarum serie et fidelium testimonio roborentur, ne posteris dubium oriatur. Proinde nos Albertus [dei gartia m]archio Brandenburgensis recognoscimus et tenore presentium in publicam notitiam deuenire cupimus singulorum, quibus presentes fuerint recitate, quod miles noster strennuus et [fidelis He]rmannus de Warborch B. 1 ) dictus villas subscriptas, videlicet Magnam Nemerow et Paruam Nemerow, cum omnibus agris cultis et incultis, lignis, siluis, rubis, [aquis, mole]ndinis B. 2 ), ascuis, pratis, cum integris distinctionibus, et generaliter cum omnibus B. 3 ) ipsarum pertinentiis et iuribus sicut eas a nobis habuit, viris religiosis et in Christo reuerendis, [videlicet fratri] Vlrico Swaf dicto, commendatori domorum in Bruneswich et Gardow ordinis sancti Johannis hospitalis Iherosolimitani et omnibus suis confratribus eiusdem ordi[nis pro] sexcentis et triginta talentis Brandeburgensium denariorum cum nostro consensu vendidit et dimisit, et idem frater B. 4 ) Vlricus eadem sexcenta et triginta talenta [eidem] Hermanno persoluit, qui ea suscepit, et B. 5 ) dictas [villas] Nemerow et Nemerow nobis ad
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manus dicti fratris Vlrici et suorum confratrum eiusdem ordinis voluntarie et libere resignauit. Nos igitur attendentes dictorum fratrum [vitam cele]bem, bonorum operum frequentiam, ordinis sanctitatem, sperantesque in anima et corpore apud Deum piis ipsorum meritis adiuuari, ad laudem dei omnipotentis eiusque matris Marie virginis gloriose B. 6 ) et beati Johannis, pro salute animarum nostre videlicet et progenitorum ac filiorum et heredum ac successorum nostrorum, proprietatem eorumdem bonorum eidem fratri Vlrico et suis confratribus eiusdem ordinis dedimus et presentibus damus: ita quod easdem duas villas B. 7 ) cum omnibus suis pertinentiis libere perpetuo possidebunt, ab hominibus enim in eisdem bonis habitantibus ex nunc et deinceps per nos vel nostros successores, aut nostros aut ip[sorum aduo]catos vel bodellos, vel ipsorum nuncios, nunquam precaria, nunquam curruum vel alia seruicia requirentur, et ad custodienda propugnacula, vel viarum transitus, qui wlgariter [land]were dicuntur, nunquam de cetero tenebuntur, sed quicquid idem frater Vlrieus et sui confratres predicti cum ipsis hominibus fecerint, gratum tenebimus atque ratum. Insuper [qu]ia idem frater Vlricus, cum adhuc secularis esset, [nobis] exhibuit seruicia valde grata et ipsum in omnibus fidelem inuenimus et constantem, ipsum censemus B. 8 ) specialiter honorandum, ut ipsa bona regat et possideat ad [tempora vite] sue, nec ipsum absque suo consensu ab eisdem volumus aliquatenus amoueri, post mortem autem ipsius disponat magister [Ordinis de] illis, [sicut] de aliis bonis, prout [ordini nouerit] expedire. Ne igitur hec nostra gratia eidem fratri Vlrico vel ordini in posterum violari valeat vel infrin[gi, presentes inde conf]ectas sigil[li nostri appen]sione iussimus communiri. Testes etiam huius sunt: nobiles viri, videlicet dominus Heinricus Magnopolensis gener noster dilectus, [domi]n[us dux] O[tto] Stetynensis B. 9 ), gener noster dominus Nycholaus de Rozstoc B. 10 ), domicellus Nycholaus de Werle,
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incliti; reuerendus pater dominus Dythmarus abbas ecclesie C[olba]z[ensis], dominus Nycholaus prepositus in Vredeland, dominus Johannes prepositus in Soldyn B. 11 ), dominus Hermannus prepositus in Landesberghe, cappellani nostri; Reyneke [. . . . . . .]w B. 12 ), [Ro]dolfus de Lyeuendale, Albernus de Bruncow et Wernerus Splinter, milites, et quam plures alii fide digni. Actum et datum in Soldyn [per manum] Johannis nostri notarii, anno domini millesimo ducentesimo nonagesimo octauo, die ascensionis eiusdem B. 13 ).
Von dieser Urkunde sind zwei
Exemplare vorhanden:
A) Eine Urkunde
auf quadratischem Pergament, weitläuftig in
den Zeilen, in Minuskel geschrieben.
Angehängt ist eine grüne seidene Schnur, an
welcher aber kein Siegel mehr hängt; jedoch
sind noch geringe Spuren davon vorhanden.
Diese Urkunde war zusammengefaltet und durch
Moder so zusammen geklebt, dass die linke
Durchlöcherte Seite, sehr gelitten hat. Bei
sorgfältiger Entfaltung liessen sich jedoch
noch die einzelnen auseinanderfallenden
Stückchen zusammenstellen, und so die
Stellen durch Autopsie ergänzen, welche mit
[ ] bezeichnet sind. Alle diese Stellen habe
ich im Zusammenhange theils ganz, theils
stückweise noch gesehen; später wird eine
Entzifferung schwerlich mehr möglich
sein.
B) Das zweite Exemplar ist auf
gleichem Pergament mit gleicher Schrift
geschrieben, aber ohne Siegelband dieses
Pergament ist zwar nicht vermodert, aber
stark verschimmelt, jedoch noch zu
entziffern. Die oft bedeutenden Varianten
sind unter dem Texte mit B aufgeführt.
Nr. IV.
Die Burgmänner von Stargard treten der Johanniter-Comthurei Nemerow ein Stück Acker an dem Tollense-See ab, welches der Fürst Heinrich von Meklenburg an dieselbe verkauft hat.
D. d. (13..).
Nach dem Originale im königl. Geh. Staats- und Cabinets-Archive zu Berlin
Nos milites et armigeri castellani Stargardenses recognoscimus et ad pupplicam noticiam cupimus
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deuenire singulorum, quibus presentes littere fuerint recitate, quod nobilis dominus noster Henricus Magnopolensis proprietatem agro rum a stagno dicto Tholenze, prout dominus Borchardus de Dolle et dominus Echardus de Dewisz ore domini nostri Henrici Magnopolensis et nostro co[n]sensu assignando distinctiones diffinierunt, cum lignis, pascuis, pratis, agris cultis et incultis et cum omnibus attinenciis suis, sicuti iacent sub certis distinctionibus, cum omni libertate et utilitate, sacre domui hospitalis sancti Johannis Jerosolimitani et fratribus in Nemerow pro X marcis argenti vendidit et nostra bona uoluntate dimisit, perpetuis temporibus duraturam, verum eciam predictos a gros cum lignis et attinenciis suis coram nobili domino nostro Henrico Magnopolensi ad manus predictorum fratrum uoluntarie resignauimus et manifeste, ita ut predicti fratres a nobis et a nostris successoribus nunc et in euum in predictis agris, lignis, pascuis non debeant molestari, sed quidquid cum eisdem agris fecerint et ordinauerint, gratum tenebimus atque ratum. Vt autem hec recognitio et nostra resignatio inconuulsa permaneat et ne ad irritum a nobis et a nostris successoribus reuocetur, sigilla nostra nos
Hier hört diese merkwürdige Urkunde plötzlich auf. Dennoch ist sie gewiss vollzogen gewesen. Denn es sind acht Siegelbänder von Pergament angehängt, welche zwar keine Siegel mehr tragen, aber doch alle noch Spuren von Siegeln und Wachs haben. Die Schrift ist eine gewöhnliche Minuskel des 14. Jahrhunderts.
Nr. V.
Der Fürst Heinrich von Meklenburg schenkt der Johanniter-Comthurei Nemerow das Patronatrecht über die Pfarr-Kirche der Stadt Lichen.
D. d. Wismar. 1302. Jan. 30.
Nach dem Originale im königl. Geh. Staats- und Cabinets-Archive zu Berlin.
In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Omnibus Christi fidelibus presencia visuris seu audituris Hinricus deigratia dominus Magnopolensis, salutem in domino sempiternam. Quoniam diuersiflue rerum occupaciones, humanum animum inuoluentes, necnon con-
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tinue temporum reuoluciones cogunt aliquando acta iam pridem nota a memoria hominum relabi et euanere, dignum duximus, acta nostra memorie digno proborum virorum testimonio et priuilegii nostri patrocinio apud memorias hominum perpetuo conseruare. Reco noscimus igitur, quod, sano corpore, prouido ducti consilio, anime nostre et anime uxoris nostre, domine Beatricis, eterne salutis viam preparare volentes, et celibem vitam sacri ordinis fratrum sacre domus hospitalis sancti Johannis Baptiste Jherosolimitani deuotis mentibus intuentes, pro remedio animarum parentum nostrorum et domini nostri karissimi marchionis Alberti pie memorie, necnon pro remedio anime nostre et anime uxoris nostre domine Beatricis iam dicte, ius patronatus ecclesie ciuitatis Lichen cum omnibus suis attinenciis, sicut nos habuimus, reuerendis viris fratri Ulrico Swaf ceterisque predicti ordinis fratribus perpetuis temporibus habendum pure donauimus propter deum, et etiam vt in oracionibus suis omnium nostrum iam dictorum sint memores et vt oracionum, ieiuniorum, missarum, elemosinarum, castigacionum et omnium sanctorum operum simus apud deum participes, que sepedicti ordinis fratres perpetuis temporibus per mundum exercent seu faciunt vniuersum. Ut autem hec nostra donacio, corde procedens a deuoto, perpetua et inuiolabilis perseueret, dedimus eiusdem ordinis fratribus presens priuilegium inde confectum sigillo et tytulo nostri nominis et vasallorum nostrorum nominibus, qui huic donacioni nostre affuerant, insignitum. Nomina militum sunt: Johannes decernin, Marquardus de Loo, Conr[adus] Wlf, Busso de Dolla, Hermannus de Modentin, Vikko Mund, Tedwicus de Oriz et Hermannus de Oriz; nomina famulorum sunt: Vikko et Wedego de Plothe, et alii quam plures clerici etlayci fide digni. Datum Wismarie anno domini M°CCC°II°, tercia kalendarum Februarii.
Die Urkunde ist auf Pergament in einer kräftigen Minuskel geschrieben, aber durch Fettigkeiten so verdorben, dass die Schrift sehr verblichen und aufgelöst ist. Angehängt ist eine dicke, rothe seidene Schnur, welcher jedoch das Siegel fehlt.
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Nr. VI.
Der Markgraf Hermann von Brandenburg bestätigt der Johanniter-Comthurei Nemerow den Besitz des Patronatrechts über die Pfarre der Stadt Lichen.
D. d. Spandow. 1302. Aug. 14.
Nach dem Originale im königl. Geh. Staats- und Cabinets-Archive zu Berlin.
In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Amen. Hermannus dei gracia marchio Brandeburgensis omnibus, ad quos presentes peruenerint, in perpetuum. Quum ex fragilitate condicionis humane memoria hominum sit labilis, vita brevis, expedit, ut ea, que aguntur debite et debent memorie commendari, litterarum serie et fidelium testimonio roborentur. Recognoscimus igitur presentibus publice protestantes, quod vir honorabilis frater Ulricus Swaf dictus, commendator domorum ordinis hospitalis sancti Johannis Jherosol[omitani] in Brunswich, Nemerow et Gardow, familiaris nobis specialiter et dilectus, nos veraciter exp[osuit], quod vir nobilis dominus Heinricus Magnopolensis inclitus, sororius noster dilectus, ius patronatus ecclesie parochialis ciuitatis Lychen dicto ordini seu fratribus ordinis sancti Johannis fid[e] pur[e] propter deum [d]ed[erit] perpetuis temporibus possidendum; et quia dictus noster sororius dominus Heinricus Magnopolensis terram et ciuitatem Lychen predictam a nobis tenet in feodo, idem frater Ulricus Swaf, volens sibi et suo ordini predicto, sinistra veludsapiens, dubia precauere, donationem ipsam a nobis petiit confirmari, cuius precibus inclinati, ad laudem dei omnipotentis einsque matris Marie virginis perpetue et sancti Johannis, ad salutem quoque animarum nostre videlicet ac patris nostri et patrui aliorumque progenitorum ac successorum nostrorum, dictam donationem dicti nostri sororii, si facta est debite, presentibus confirmamus, et si dicta ciuitas Lychen ad nos processu temporis diuoluta fuerit, donationem ipsam gratam tenebimus atque ratam. In cuius rei testimonium sigillum nostrum presentibus est appensum. Testes quoque huius sunt: Gheuehardus senior de Aluensleue, Lodewicus de Wantsleue, Boldewinus Stormer et Droy-
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seko tunc curie dapifer et plures alii fide digni. Datum Spandow, anno domini millesimo tricentesimo secundo, vigilia annunciationis, per manum Conradi.
Die Urkunde ist auf Pergament mit sehr kleiner Schrift geschrieben und sehr verblichen, daher schwer zu entziffern. Für das Siegelband sind 2 Löcher eingeschnitten, in welchen aber kein Siegel mehr hängt.
Nr. VII.
Der Markgraf Hermann von Brandenburg bestätigt dem Comthur Ulrich Swave die Stiftung der Johanniter-Comthurei Nemerow und bestimmt für die Zukunft dieselbe für einen Comthur und drei Priester des Ordens.
D. d. Werbelin. 1302. Nov. 8.
Nach einer Abschrift im
grossherzogl. Geh. u. Haupt-Archive zu
Schwerin.
(Original im königl.
Archive zu Berlin.)
In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Amen. Hermannus dei gracia Brandeburgensis marchio et dominus de Henneberg omnibus Christi fidelibus presentes litteras inspecturis seu audituris salutem in perpetuum. Gloria et honor dei viuentis in seculo est, inter tot mundi pericula in valle huius miserie fideles suos in suo seruicio confortare. Recognoscimus igitur presentium serie litterarum ac publice protestamur, quod, inclinati donis dei omnipotentis meritisque sancte matris Marie virginis perpetue et sancti Johannis hospitalis Jherosolimitani, ad preces eciam fidelis nostri secretarii fratris Olrici dicti Swaf, commendatoris domus in Nemerow, qui nobis et nostris progenitoribus multimoda sepius inpendit seruicia, propter que ipsum et ordinem ipsius prosequi cupientes speciali stipendio gratiarum, curiam seu domum dicti ordinis in Nemerow cum omnibus habitatoribus et possessionibus suis promouebimus et ad queque prospera dirigemus, volentes enim eandem curiam et fratres cum proprietatibus et libertatibus eorum singulis in vigore stabili perpetuo permanere, omnia ipsorum bona mobilia seu
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immobilia per illustrem marchionem Albertum Brandeburgensem, nostrum patruum, clare memorie, ipsi et suis confratribus data et concessa, in terra domini Magnopolensis sita, necnon omnia et singula priuilegia eisdem pernos uel per patrem nostrum Ottonem uel dictum patruum nostrum Albertum uel alios nostros progenitores seu predecessores nostros quoscumque super lignis, siluis, pratis, pascuis, nemoribus, paludibus, aquis, aquarum decursibus, stagnis, piscacionibus, molendinis, agris cultis et incultis et generaliter omnibus vsufructibus, donacionibus seu concessionibus quibuscumque data vel concessa duracione perpetua liberaliter in nomine domini presentibus confirmamus, et quod institucionem seu fundacionem dicte curie seu elemosine in Nemerow idem frater olricus noster specialis apredicto patruo nostro Alberto inclito et confirmacionem eiusdem anobis fieri suis seruiciis et meritis procurat, statuimus, volentes omnimode, ut nullus magistrorum ordinis predicti ipsum fratrem Olricum a dicta amoueat curia, sed ipse cum elemosinarum largicione et trium sacer dotum ordinis diuini officii celebracione eandem regat cum libertatibus curiam quiete temporibus vite sue, cum autem decesserit ab hac luce, tunc magister et successores sui diuinum officium per tres sacerdotes ordinis et elemosinam eodem modo obseruare perpetuo tenebuntur, sicut idem frater Swaf suis temporibus tenuit et possedit. Testes huius sunt: Hinricus de Aluensleue et Geuehardus senior de Aluensleue, Bernhardus de Ploczke, Droyseko nostre curie dapifer, Gerekinus de Molendorp, nostri milites, et alii plures fide digni. Actum et datum in Werbelino, anno domini M°CCC° secundo, quinta feria ante festum beati Martini episcopi.
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Nr. VIII.
Der Fürst Heinrich von Meklenburg schenkt der Johanniter-Comthurei Nemerow die Freiheit des Dorfes Staven und das Eigenthumsrecht von 8 Hufen in demselben Dorfe, mit Bede, Gericht und Diensten.
D. d. Stargard. 1303. Junii 23.
Nach dem Originale im königl. Geh. Staats- und Cabinets-Archive zu Berlin.
In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Amen. Hinricus dei gracia Magnopolensis Stargardieque dominus vniuersis Christi fidelibus presencia visuris vel audituris salutem in domino sempiternam. Humanarum multitudo et varietates actionum angustias nostre mentis excedit; propterea ita ordinauit sapiencium prouidencia, vt, quod in nobis memoria capere non potest, ad firmam futurorum noticiam eueniret. Quapropter notum esse volumus vniuersis presentibus et futuris, quod nos, cum maturo consilio discretorum consiliariorum nostrorum, ob remissionem peccaminum nostrorum progenitorum simul et nostrorum, dimisimus, dedimus, contulimus et donauimus viro prediscreto nobis sincere predilecto domino Vlrico dicto Swaf, fratri sacre domus hospitalis Iherosolimitanorum ordinis sancti Johannis, commendatori domus Nemerow, necnon eius successoribus commendatoribus predicte domus et omnibus fratribus ordinis et domus eiusdem pure propter deum omnem libertatem et vtilitatem, necnon et proprietatem in octo mansis cum eorum curiis in nostro domineo ville Stouen, quos habent prout nunc et possident Hennighus et Hartmannus fratres dicti de Stouen in isto latere, sicut aduenitur de opido dicto Vredeland in Stouen villam predictam, cum omnibus eorum attinentiis et prouentibus, cum precaria maiori et minori, scilicet in festo beati Martini episcopi de quolibet manso viginti quatuor solidos leuium denariorum, duos modios siliginis, duos modios ordei et duos modios auene, et in festo beate Walburge virginis de quolibet manso duodecim solidos predictorum denariorum, vnum modium siliginis, vnum modium ordei et vnum modium auene, cum omni iure
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maiori et minori, manus et colli, cum omni seruicio et angario libere perpetuis temporibus possidendam. Iniungimus eciam nostris successoribus et heredibus firmiter et committimus, vt, quod per nos est ordinatum et adictum, dictis commendatori et fratribus domus Nemerow teneant gratum atque ratum. Testes sunt: Johannes de Cernyn, Busso de Dolla, Wyllekynus Zoneke et Vycko Munt, milites nostri, et Hermannus de Ortze, noster marschalkus, et alii fide digni. In cuius rei euidens testimonium nostrum sigillum presentibus duximus apponendum. Datum et actum in nostro castro Stargardia, anno domini M°CCC° tercio, in vigilia natiuitatis sancti Johannis baptiste.
Auf Pergament in einer flüchtigen cursivischen Minuskel. An dem Siegelbande von Pergament hängt ein Drittheil des Siegels des Fürsten Heinrich.
Nr. IX.
Der Fürst Heinrich von Meklenburg versichert für die Zahlung einer ausserordentlichen Geldhülfe den Johanniter-Comthureien Nemerow und Gardow die Befreiung ihrer Güter von aller Bedezahlung, obgleich die Comthureien ihre Güter schon zu voller Freiheit besitzen.
D. d. Lychen. 1304. April 3.
Nach dem Originale im königl. Geh. Staats- u. Cabinets-Archive zu Berlin.
Hinricus dei gracia dominus Magnopulensis omnibus Christi fidelibus presens scriptum visuris seu audituris salutem in domino sempiternam. Facta memorie digna scriptis commendare decreuit antiquitas, ne ea obliuione vel aliqua temeritate futuris temporibus contingat in dubium reuocari. Nouerint igitur presentes et posteri, quod preillibati fratres sacre domus hospitalis Jerosolimitani de Nemerowe et de Gardowe omnia bona villarum seu mansorum et eorum cum omni iure, proprietate et libertate, terris cultis et incultis, lignis, paludibus, aquis aquarumque decursibus, molendinis, piscationibus, pratis et pascuis, cum
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suis pertinenciis, sub certis terminationibus sicut iacent, ad nos absque precaria perduxerunt; cum autem necessitas debitorum magna ex parte illustris principis marchionis Hermanni nobis incumberet, iam dicti fratres in subsidium de bonis eorum quadraginta marcas argenti nobis animo beniuolo donauerunt, quam donacionem argenti nec modo in presenti, nec vnquam in futuro nos et nostri heredes seu successores reputare volumus pro iure, set pro gratie et beneficii inpensione. Preterea nos dictorum fratrum considerantes vitam celibem, bonorum operum frequenciam, ordinis sanctitatem, sperantes in anima et corpore apud deum ipsorum deuotis precibus adiuuari, ad laudem dei omnipotentis et beate Marie, pro salute anime nostre et vxoris nostre ac progenitorum et successorum nostrorum, damus eisdem fratribus, nunc presentibus et futuris, bona in maiori Nemerowe et in slauicali Nemerowe, necnon in Gardowe et cetera bona in dominio nostro sita, ad iam dictas duas domos pertinencia, sicut ea ad nos perduxerunt, per nos et nostros heredes seu successores a precaria libera et exempta. Vt autem omnia predicta a nobis et a nostris successoribus perpetua maneant et inconwlsa, dedimus sepedictis fratribus hospitalis Jerosolimitani de Nemerowe et Gardowe et omnibus eorum subditis presentem paginam nostri sigilli munimine firmiter roboratam. Testes sunt milites nostri: Busso de Dolla, Willekinus Soneke, Ekhardus de Dewiz, Hinricus Soneke, Krowel aduocatus, Vikko Munt et Henninghus de Plawe, Rodolfus de Dolla, Rodolfus de Wodensweghe, et famuli: Vikko et Wedeko de Plote, Hinricus de Heydebrake, Hermannus de Reberghe et quam plures alii fide digni. Datum Lychen, anno domini M°CCC° quarto, non. Aprilis III.
Auf Pergament in einer etwas verblichenen und flüchtigen, cursivischen Minuskel. An einem Pergamentstreifen hängt das schon beschädigte Siegel des Fürsten Heinrich; Umschrift:
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Nr. X.
Das Kloster Broda vergleicht sich mit dem Kloster Wanzka über die Zahlung des Restes des Kaufgeldes für die von jenem an dieses verkauften Dörfer Klein-Nemerow, Mechow und Küssow.
D. d. 1306. Aug. 15.
Nach dem Originale im grossherzogl. Geh. u. Haupt-Archive zu Schwerin.
Cunctis Christi fidelibus tam presentibus, quam futuris presens scriptum inspecturis 1 ) Walwanus dei gracia prepositus in Broda atque conuentus generalis cenobii eiusdem oraciones in domino sempiternas. Datur intelligi aperte uiris ydoneis vniuersis, quod facta est multa temporis petericio, dum vendidimus bona nostra claustro Wanceke nominato, scilicet uillam Nemerowe minorem, uillam Mechowe et octo mansos in uilla Cussowe, cum omni iure, pro centum talentis monete Brandeburgensis; de huiusmodi denariis nunc sunt vigenti quinque talenta persoluta, denarii autem residui nobis adhuc debent persolui secundum hunc modum, quod quolibet anno quinque talenta nobis debent in octaua apostolorum Philippi et Jacobi finaliter presentari, quousque illa summa plenarie fuerit terminata. Datum anno domini M°CCC°VI, in assumptione beate virginis Marie, ad cuius manifestationem presens scriptum nostrorum sigillorum munimine fecimus communiri.
Auf Pergament in einer grossen
kräftigen Minuskel. An Pergamentstreifen
hangen zwei Siegel:
1) des Propstes von
Broda rundes Siegel: vor einem links
stehenden Altar, auf dem ein Kelch steht,
knieet rechts eine betende Person; hinter
dem Rücken derselben stehen die Buchstaben:
OD[I], vor dem Gesichte derselben der
Buchstabe: S., - welche Buchstaben, da sie
in der Folge hinter einander stehen, den
Schluss der unvollendeten Umschrift bilden,
welche lautet:
Der Name des Klosters
BBO│DI│S│steht in den
Anfangsbuchstaben BR am Ende der Umschrift
vor dem
, die Buchstaben: ODI│S
sind, wie oben angegeben, in das Siegelfeld gesetzt.
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2) des Convents rundes Siegel:
unter einem dreifachen runden Bogen sitzt
der Apostel Petrus mit dem Schlüssel in der
rechten Hand; zu seiner Linken steht:
S.│P
T│RVS│ in drei
Zeilen; Umschrift:
Nr. XI.
Der Johanniter-Orden verschreibt dem Fürsten Heinrich von Meklenburg den Wiederkauf von 37 1/2 Hufen im Dorfe Staven innerhalb zweier Jahre.
D. d. Neu=Brandenburg. 1322. Mai 24.
Nach dem Originale im grossherzogl. Geh. u. Haupt-Archive zu Schwerin.
Nos frater Gheuehardus de Wantzleue, domini fratris Pauli de Mutina locum tenens per Slauiam et Marchiam, frater Hinricus de Wesenberch commendator in Myrow, necnon frater Georgius de Kercow commendator in Nemerow vniuersis, quibus presens referetur scriptum, cognoscimus esse notum: si dominus Magnopolensis proprietatem, quam ordini sacre domus hospitalis supra triginta septem mansos cum dimidio dimisit in villa Stouen, pro centum et quinquaginta marcis argenti Stendaliensis infra duos annos, scilicet a festo penthecostes nunc proximo venturo vltra ad duos annos redemerit, uel ab ista parte Albie vbicumque elegerint, fratribus eiusdem ordinis talem proprietatem demonstrauerit uel demonstrari fecerit, uel pecuniam premissam finaliter exposuerit, extunc predicta proprietas illorum mansorum vna cum litteris suis super hiis confectis ad manus et vsus dicti nobilis viri domini Magnopolensis reueniet velud prius. In cuius rei testimonium sigilla nostra presentibus sunt appensa. Data Noua Brandenborch anno domini M°CCCXXII°, feria secunda ante festum penthecostes.
Auf Pergament in kleiner, cursivischer Minuskel. Die Siegel, welche an drei aus der Charte geschnittenen Pergamentstreifen hingen, sind abgerissen.
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Nr. XII.
Der Fürst Albrecht von Meklenburg schenkt den Johanniter-Rittern (zu Nemerow) das Eigenthumsrecht und den Zins von ihren Gütern Gnewitz, Wokuhl, Dabelow, verwandelt jedoch den Zins aus Dabelow in eine Abgabe an die Pfarre zu Lychen.
D. d. Stargard. 1337. October 10.
Nach dem Originale im königl. Geh. Staats- und Cabinets-Archive zu Berlin.
We Albrecht von der gnàde godes ên here thu Mekelenborch, thů Stargharde vnde thů Rostok, beghêren ôppenbare thů wesen alle den, dhe nů syn vnd noch thů cômen môghen, dat we met râde vser wîsen riddere, dorch dhe sâlicheit vser elderen sêle vnd dorch êwighes lônes, des we vnd vse erfnamen warden syn, lůterliken dorch dhe lêue godes hebben ghegheuen vnd gheuen den êrbaren gheistliken lůden den brûderen des ordenes sente Johannes des hospitalis von Jherusalem vnd eren orden den êghendôm vnd den tyns, von iôwelker hůue ênen brandebůrgeschen scilling, in eren dorpen thů Wůcůlen, thů Gnewize vnd thu Dobelowe, dâr se inne hebben den êghendům, vnd vortygen al des rechtes, al der plicht vnd al des dênestes, den we went an desse tyd dâr an hebben ghehat, dat we vnd vse bruder Johannes, de vns lêf is in Gode vnd noch vmmundich is, noch vse erfnâmen, dhe na vs cômen, noch nênerlege ammachtman von vns nênerleyge plicht, noch recht dâran êschen môghe; vnde dhe tyns, also he hîr vôre bescreuen ist, von dem dorpe thů Dobelowe, dhe scal blîuen thů der wedemen thů Lychen. Alle desse vôrscreuene dinc vnd iôwelk stůcke besunderen, de bestede we êwelichen thů besitten sunder allerleyge hinder vnd allerleyge weddersprâke met ganzer macht den vôrbenômeden brůderen vnd orden. Dat alle desse dinc, de hîr vôrebesereuen syn, stede vnde vast blîuen, so hebbe we vse ingheseghel ghehangen an dessen gygenwordyghen brief. Tûghe alle desser vôrbescreuen dinge synt: her Gercke von Berthecowe, her Vritze syn sône,
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her Lyppolt Bere, Vicke Munt, riddere, vnd ander êrbare lûde ghenůch, de des ghewerdich weren. Desse brief is ghegheuen op dem hûs thů Stargharde vnder den iâren godes dûsent iâr drêhundert iâr in dem sêuenen dritteghesten iâre, in dem neysten vrîdaghe na sente Dyonysius dâghe.
Charte: Pergament.
Schrift:
wie gewöhnlich im 14. Jahrh.
Siegelband: ein Pergamentstreifen.
Siegel: von runder Form, noch halb
vorhanden. Auf einem Schilde steht der
gekrönte Stierkopf. Von der Umschrift ist
noch vorhanden:
Das grössere Siegel hat ein Rücksiegel: ein rundes Feld mit Sternen besäet; in der Mitte ein Helm. Umschrift:
Nr. XIII.
Hermann von Warberg, Präceptor des Johanniter-Ordens im östlichen Niederdeutschland, nimmt den Convent des Klosters Wanzka in die Fraternität des Johanniter-Ordens auf.
D. d. 1347. Sept. 29.
Nach dem Originale im grossherzogl. Geh. u. Haupt-Archive zu Schwerin.
Frater Hermannus de Werberghe, preceptor generalis per Saxoniam, Marchiam, Slauiam ac Pomeraniam ordinis sacre domus hospitalis sancti Johannis Jherosolimitani, dilectis sibi in Christo sanctimonialibus Engelradi de Lubeke abbatisse, Alheydi de Lychen priorisse totique conuentui monasterii in Wantzeke ordinis Cysterciensis salutem et pacem in domino sempiternam. Deuocionem ac dilectionem, quam ob dei reuerenciam ad ordinem nostrum didiscimus vobis habere, cupientes refundere vicissitudine salutari, recepimus vos in fraternitatem nostram, dantes vobis plenam participacionem missarum, vigiliarum, oracionum, castigacionum, sanguinis effusionum ac omnium aliorum bonorum operum, que per totum ordinem nostrum fieri permiserit et concesserit clemencia
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saluatoris, addicientes eciam, quod, quandocumque obitus vester nobis nunciatus fuerit, pro vobis fiet, sicut pro fratribus nostris defunctis fieri est consuetum in officiis diuinis. In huius rei firmius testimonium sigillum domus Nemerowe ex sciencia omnium inibi fratrum presentibus est appensum. Datum anno domini M°CCCXLVII°, ipso die beati Michaelis archangeli.
Auf Pergament in einer kleinen, festen Minuskel. An einem Pergamentstreifen hängt ein kleines, 1 1/2 Zoll langes, elliptisches Siegel, mit eingelegter rother Wachsplatte: im leeren Siegelfelde steht St. Johannes der Täufer und neben ihm das Lamm; Umschrift:
Nr. XIV.
Der Herzog Johann von Meklenburg verkauft an die Johanniter-Comthurei Nemerow ein Holz zwischen Rowa, Stargard und der Tollense (später die Burgkavel genannt), mit Beden, Eigenthum, Gericht, Weide und allen andern Rechten.
D. d. Stargard 1355. Aug. 19.
Nach dem Originale im königl. Geh. Staats- und Cabinets-Archive zu Berlin.
Wy Johan van der gnâde godes hertoghe tů Mekellenborch, tu Stargard vnd Rozstok bekennen vnde betûghen ôpenbar in desseme ieghenwardighen brîue, dat wy mit râde vnser trûwen râtgheuen vnd mit gantzer vulbort hebben vorkoft den gheystlyken lûden brûder Adolphe van Swalenberghe deme kummeldûre vnde deme couente tu Nemerow der brůdere des ordens des hilleghen hûses des hospitales sunte Johannes tu Jerusalem, dat holt vnde dy stede des suluen holtes, dat dar licht tusschen ereme holte vnde tusschen Heydenrykes holte van Werbende, vnses borchmannes des hûses tu Stargard, vnde der see der Tollense vnde der marcscheydinge des dorpes tů Růue mit alleme eyghendůme, vryheyt, richte, in deme hôghesten vnde in deme sydesten, vnde mit aller nůt, vnde bynâmen
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mit der weyde, alse wy vnde vnse olderen in gûder dechtnisse it vryest ghehat hebben vnde beseten, âne iênnygherleye ansprâke, êne hůue vôr vyf mark vnde hundert wendesscher penningh, dy uns dy vôrsprôkene kummeldůr vnd dy brûdere redeleken betâlet hebben. Wêret âuer dat dâr mêr ghevůnden worde, wen men dat vôrbenûmede holt vnde dy stede des holtes mête, so schal de kummeldůr vnd dy brůdere vôr yslike morghen also vele betâlen, alse he ghůlde an der hůue. Hîr vmme vorsâke wy des vôrsprôkenen holtes vnde syner stede vnde vorlâtent in desseme ieghenwardighen brîue den vôrsprôkenen kummeldůre vnde brûderen tu erer hant vnde behûue, vnde lôuen en ôk in desseme brîue, dat wy willen wêren en vnd vthstân vp vnse koste alle recht vnde ansprâke, wôr vnd wenne vnd vôr weme dat vôrbenůmed holt vnde syne stede anghesprôken wert. Wy hebben ôk den suluen kummeldůr vnde brûdern lâten wysen vnde synt ghewyset in de wêre des vôrbenûmeden holtes vnde der stede van den êrbaren lûden Dedewyghe van Ortze vnde Heydenrike van Werbende, vnsen mannen, dy sy van vnseme heyte ghewyset hebben in dat vôrbenûmede holt vnde in dy stede des suluen holtes, dat sy dy besitten vnde hebben schôlen, alse wy dy beseten vnde ghehat hebben an eyghendůme vnde an richte in deme hôghesten vnde in deme sydesten myt aller nůt, also vôrgheschreuen is. Dat wy vnde vnse eruen desse vôrbenůmeden stucke vast, ganz vnd vntůbrôken scôlen vnd willen holden, so hebbe wy vnse yngheseghel an dessen brîf lâten hengen tu êner grôteren betûghinghe. Tûghe desser dingh sint vnse trůwen: greue Otte van Vorstenberghe, Albrecht vnd Herman Wareborch, Lyppold Bere vnde Vicke Munt, riddere, Herman van Gudensweghe, Enghelke vnde Albrecht Warborch, knapen, vnde meer lůde nůch dy lôuen werdich syn. Desse brîf is ghegheuen vnde gheschreuen tů Stargarde na godes bôrt drůtteyn hundert iâr in deme vyf vnde veftyghesten iâre, des nêghesten middewekens [n]a der hemmeluârt unser lêuen [urû]wen.
Auf Pergament in einer kleinen cursivischen Minuskel, welche an mehrern Stellen verblichen ist. Das Siegelband ist von grüner Seide; das Siegel fehlt. Nach einem Urkunden-Protocolle ward im 17. Jahrhundert das Holz Burgkafel genannt.
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Nr. XV.
Der Herzog Johann von Meklenburg verleiht der Johanniter-Comthurei Nemerow das Dorf Rowa, welches diese von der Stadt Neu-Brandenburg gekauft hat, mit denselben Rechten, mit denen es die Stadt besass, und mit Befreiung von allen Lasten.
D. d. Neu-Brandenburg. 1356. Jan. 4.
Aus einem Diplomatarium auf Papier aus dem 15. Jahrhundert im grossherzogl. Geh. und Haupt-Archive zu Schwerin.
Vniuersis Christi fidelibus presencia visuris uel audituris. Nos Johannes, dei gracia dux Magnopolensis, Stargardie ac Rotstok, salutem in domino sempiternam. Tenore presencium publice recognoscimus protestantes, quod constituti in nostra presencia dilecti nostri consules ciuitatis Noue Brandenborch de consensu et beneplacito omnium suorum, quorum intererat uel interesse poterat, et matura deliberatione prehabita , iusta vendicione vendiderunt coram nobis resignando commendabilibus viris ac dominis fratribus conuentus domus Nemerow fratrum ordinis domus hospitalis beati Johannis Jerosolimitani totam villam Ruue, prout in suis distinctis terminis existit situata, cum iudicio supremo, videlicet manus et colli, et imo, cum precariis omnibus et omnibus pertinenciis, cumomni iure et fructu, vtilitate, libertate et cum omni proprietate, quibus predicti consules antedictam villam a patre nostro pie memorie et nobis liberius hucusque noscimus habuisse, sicut eciam in littera patris nostri antedicti super hoc confecta lucidius continetur. Nosque vendicioni ac resignacioni predictorum consentientes atque litteram predicti patris nostri iam tactam gratificantes et ratificantes, villam prefatam cum omnibus condicionibus prescriptis, precibus parcium vtrarumque inclinati, fratribus antedicte domus Nemerow fratrum antedicti ordinis donauimus et dimisimus, et presentibus donamus et dimittimus, sine omni impedimento nostri uel successorumnostrorum, aduocatorum uel officialium nostrorum, qui pro tempore fuerint, et sine onerequocumque, perpetuis tem-
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poribus pacifice possidendum. In cuius rei euidenciam pleniorem sigillum nostrum presentibus duximus appendendum, presentibus nostris fidelibus: domino Ottone comite de Vorstenberge, Alberto Warborch, Lippolto Beren, Viccone Munt, Alberto de Peccatil, militibus, Enghelkino et Alberto fratribus dictis de Warborch, et aliis pluribus fide dignis. Datum Brandenborch anno domini M°CCC° quinquagesimo sexto, feria secunda proxima ante festum Epiphanie domini nostri Jesu Cristi.
Nr. XVI.
Der Herzog Johann von Meklenburg verkauft der Johanniter-Comthurei Nemerow das Eigenthumsrecht über 9 1/2 Hufen und den Krug im Dorfe Staven mit hoher und niederer Gerichtsbarkeit, Bede und Dienst und allen andern Rechten.
D. d. 1358. Jan. 25.
Nach dem Originale im königl. Staats- und Cabinets-Archive zu Berlin.
Wy Johan van der genâde godes hertoge to
Mekelenborch, to Stargarde vnde to Rozstocke
bekennen vnde betûgen ôpenbar in desseme
iegenwardigen brêue, dat wy myt râde vnser
trûwen râtgheuen vnde myt gantzer vůlbort
hebben verkoft den geystliken lûden dem orden
des hylgen hûses des hospitalis sente Johannis
to Jherusalem, den brôderen des hûses to
Nemerowe, den êgend
m ôuer teyndehalue hôuen, de dâr
licgen binnen vnser herschap in dem dorpe to
Stouen, der seluen hôuen heft de schulte vêre
vnde sestehalue hebben de bûre dârsulues, vnde
den krôch, de her Vicke van Gudenswegen heft van
vns to lêne gehat vnde vôr uns verlàten heft dem
vôrsprôken orden vnde brôderen to Nemerowe.
Desse vôrbeschreuenen hôuen schôlen desse
vôrebenômeden brôdere hebben vnde besitten
êwilken myt alleme êghene, myt alleme rechte,
myt dem hôgesten richte vndemyt deme sydesten,
myt bêde, myt dêneste, mit beschattinghe, myt
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manschap, vnde vertygen aller herschap, de wy an den vôrsprôkenen hôuen gehat hebben vnde vnse elderen vôr uns dàr an hebben gehat. Hyr vôre hebben se vns gegeuen vnde rêde betâlet twê hundert marc vnde anderhalue marc vnde vêrtich vinkenôgen penninghe. Ok schôlen se vnser elderen vnde vns, hertogen Albrechte vnde hertogen Johan brůdere, vnde alle vnse elderen vnde nakômelinghe in êner êwighen dechtnisse hebben. Vnde desser brêue hebbe wy entwê besegelet ghegheuen in êner wys. Vppe dat alle desse vôrbeschreuenen dinc stede, vast vnde vntobrôken blîuen, so hebbe vnse ingesegel an dessen brêf ghehenget. Dêdinges lûde desser vôrsprôkenen stucke hebben gewest: brôder Olrik van Regensten, cummendur to Nemerowe, vnde greue Otte van Vorstenbergher vnde her Lyppolt Bere. Tûghe desser dinghe sint: her Albrech t Waborch, her Vicke Munt, her Jacob van Dewiz, riddere, her Jan Woldecker vnde her Klawes van Arneborch, prystere, her Tzanderus vnde Hinricus Rode, vnse schrîuere, vnde anderer gûden lûde vele, den to gelôuende is. Desse brèf is ghegheuen na godes bôrt dûsent iàr drêhundert iàr in deme achte vnde veftigesten iàre, in deme dâge der bekêringhe sente Paules des hylgen apostoles.
Auf einem oblongen Pergament in einer fetten, grossen Minuskel; das Siegel ist von dem Pergament-Siegelbande abgefallen. Auch der zweiten ähnlichen Original-Ausfertigung fehlt das Siegel.
Nr. XVII.
Der Johanniter-Orden, und im besondern die Ordens-Comthurei Mirow, verkauft den Brüdern Wedege und Henning Plate die Mühle zu Wesenberg zu einem rechten Erblehn.
D. d. Quartzan. 1376. Nov. 9.
Nach einer alten Copie im grossherzogl. Geh. u. HauptArchive zu Schwerin.
Wii b(e)ruder Bernd van der Schulenborgh, ordens sunte Johannes des hilgen hûses des hospitals van Jerusalem, meyne bidiger in Sassen,
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in der Marke, in Wentlande vnde in Pamern, bokenne vôr al, de dessen brêff anseen edder hôren lesen, dat wii hebben angeseen mennichvaldigen grôten dênst, den de êrnbarn knechte Wedeghe Plate vnde Henninck syn brôder vnse vorvàren sêlige vnsen orden vnde vns dicke gedàn hebben vnde sunderliken dem hûse to Myrow vnde noch dûn môgen, na gantzem râde vnde vulbort brûder Hinrick van Heynborg vnde der meynen brûdere to Myrow vnde alle vnser cumpter, de bii vns wêren in vnsen gespreke, dat wii hêlden in vnses orden hûse to deme Quartzan des mândages vnde in der weken vôr sunte Martens dâge in deme nascreuen iâre: Hinrick van Wedel to Lagow, Henningh van Wedel to deme Quartzan, Henninck van Guntersberge to Tzocham, Hinrick van deme Kruge to Nemerow, Hinrick van Aluenscleueto Tempelborch, Wilhelmus Holsten to den Rorik, Ditleues van Walmedento der Litzen, Albrechtes van Werbergheto Supplenborch, Hinrick Dossekento Tempelhaue, Reyneke Trammen to Brak 1 ), vnde hebben en vorkofft rekkelken vnde redelken vnse molne to Wesemberghe myt aller tobehôringe, vrîheit, nuth vnd aller rechticheit, also wii vnde vnse orde de wente an dessen iegenwerdigen dagh beseten vnde gehat hebben, to eyneme rechten erfflêne vôr drêhundert brandeborgesche mark suluers, der twêhundert mark gekâmen is in de schult to Myrow vnde hundert to deme gelde, dat wii den meyster van dûdesschen lande geuen musten, vnde hebben gensliken van der vôrgenanten mâlen gelâten vnde lâten âue myt dessem brêue van aller rechticheit, frucht, nuth, vnde tobehôringe de wii vnde vnse orde dàr ane gehat hebben, sunder dat wii vns vnde alle vnsen nakâmeren hebben bohalden dat leen der vôrscreuen mâlen êwichliken to lîende, also dat vôrgenante Wedego vnde Hennink syn brûder vnde ere rechte eruen de vôrgnante molne schâlen entfân to leyne van vns edder alle vnsen nakâmern, wo dicke see des boderuen vnde id em van rechte nôt is, vnde Willen vnde schâlen ender vôrgenanten
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mâlen eyn recht gewêre syn vôr al den gênnen, de sick dâr myt rechte to teen môgen. Ok schal de vôrgerôrte mâlen der vôrgenanten Wedigens, Henninck synes brûders vnde erre rechten eruen êwighe rechte sàmende hant blîuen vnde schal nynerleye dêlinge, noch gesundert rôk offte brôt dâr ane hinderen, krenken edder de sâmede hant tobreken, dâr wii edder alle vnse nakâmern sii edder ere eruen iummer vmme bodêdingen, boschuldigen edder anverdigen môgen. Wêre ôck dat de vôrgenante Wedegho vnde Henninck syn brôder edder ere eruen de vôrgerôrte mâlen vorkôpen wolden dorch nôt edder dorch ênger ander sâke willen, so schâlen see vns edder al vnsen nakâmern den kôp kundigen vnde âpenbârn; wôr see denne de vôrgerôrte mâlen andern lûden vmme geuen, dâr schôle wii edder alle vnse nakâmern de vôrgerôrte mâlen wedder vmme kôpen, offte wii willen; wêr âuer offte wii edder vnse nakâmern den weddercôp nicht endôn mochten edder dôn wolden, so schâle wii de vôrscreuen mâlen lyen, weme sy see vorkôpen myt sodânem rechte, also hîr vôr screuen is. Vnde hebben dorch eyner gantzen vasticheit vnde vnbrekelken to holden, alle vôrscreuen stucke van vns vnde alle vnsen nakâmern vnde dorch eyner mêr botûgunge vnde gantser bokentsnisse dessen brêff bosegelt myt vnsen ingesegelen vnde des hûses to Myrow vnde myt al vnser vôrscreuen cummedûre vnde is gegeuen na gâdes bôrt dûsent iâre drêhundert in deme sos vnde sêuentichsten iâre, des sôndâges vôr sunte Mertens dâge des hilgen bigtegers.
Auf Papier in einer ungefähr gleichzeitigen Abschrift.
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Nr. XVIII.
Der Herzog Ulrich von Meklenburg verleiht der Johanniter-Comthurei Nemerow das Schulzengericht zu Bargenstorf, welches diese von den von Oertzen wiederkäuflich gekauft hat.
D. d. 1409. Febr. 2.
Nach einer Abschrift aus dem 17. Jahrh. im grossherzogl. Geh. und Haupt-Archive zu Schwerin.
Wy Vlrick van godes gnâden hertoge to Mecklenborch, Stargarde vnde Rostock der lande here bekennen âpenbahr in dissem brêve, dat Clawes van Ortzen vnde [sîne sôns] Hermen, Dreves, Ficke êndrechtiglick vôr vns hebben vorlâten dat schultenrichte to Bargenstorp mit richte vnde dênste hôgeste vndt sîdeste vnde mit soss marck pacht, so idt licht in sînen enden vnde schêden mit veer hûfen vnde aller gerechticheit, nich dâvan to beholdende, allêne den wedderkôp. Dit gerichte hebbe wy vort vorlênt, wo bâwen berôrt, na erer bede vndt willen den gadeshûszlûden [to] Nemerow, de nu sunt vnde nakâmende sunt, to êner lampe vndt to deme lichte, dat me holden vnde hebben schall dârsulvest vor hilligem lichenam vnde in de ehre gâdes vnde sîner lêuen môder vnde de ehre Johannis Baptistae, also mede beschêden, dat de van Ortzen vôrbenômt vndt ere eruen macht hebben schôlen, dat vôrbenômede schultenrichte mit sînen pechten vndt aller gerechticheit wedder to kôpende vndt tho lôsen van den vôrbenômden heren tho Nemerow vôr sostig mark vinkenôgen penninge, welkere munte als de heren van Nemerow dâr vôr hebben gegeben vnde hebben des to ênem anwîser geven Berent Beren vnsern man. To thûge vndt tho mêr bewâringe, so hebbe wy vnse ingesegel hengen lâten vôr dissen brêff, de geven vndt schreven isz dûsent iahr veerhundert dârna in dem negeden iahr, in dem sunnâvende vnser lêven frûwen lichtmisz.
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Nr. XIX.
Der Herzog Heinrich von Meklenburg verpfändet der Johanniter-Comthurei Nemerow für 250 rheinische Gulden die Bede aus dem Comthurei-Dorfe Gr. Nemerow.
D. d. Neu-Brandenburg. 1474. Jan. 5.
Nach dem Originale im grossherzogl. Geb. und Haupt-Archive zu Schwerin.
Wy Hinryk van godes gnâden hertoge to
Mekelenborch, forste to Wenden, greue to Swerin,
Rostock vnd Stargarde etc. der lande here
bokennen âpenbare, betûgende vôr vns, vnse eruen
vnde vôr alsweme, dat wy rechter witliker schult
schuldich sint deme strengen, êrbaren vnde
duchtigen vnsem lêuen getrûwen her Jochim
Wagenschutten, comptor to Mirow vnde to Nemerow,
druddehalfh
ndert v
lwichtige rînsche gulden, de he
vns rêde an rêden golde gelênet vnde an eyneme
summen berêt vnde âuergetellet heft, de wii vort
in vnse vnde vnser eruen nůth vnde frâmen
vnde in vnser lande beste gekêrt hebben, dâr vôr
wii eme settet vnde vorpandet hebben, vorsetten
vnde vorpanden eme ieghenwardigen vnse bêde alse
hůndert mark vinkenôgen des gadeshûses
dorpe to Groten Nemerow to êneme brûckliken
pande in kraft desses brêues, so dat de genante
her Jochim, alle syne nakômelinge des gadeshûses
to Nemerow vnde de gantze orden sodâne h
ndert marck bêde rouweliken alle
iâr van iâren to iâren so qwît so vrîgh vpheuen,
hebben, brûken vnde bositten schôlen vnde môgen,
alse de hôchgebârnen fursten zêligen here
Hinrick vnde here Olrick vnse lêuen vedderen,
den god gnêdich sy, vorheen vnde wii nâ bethe
hêrtho de alderquîtest vnde frîgest gehath,
gebrûket vnde boseten hebben, vns edder vnsen
eruen dâr nichtes ane to beholdende, vnde wy
edder vnse eruen schôlen vnde willen deme
genanten her Jochim, synen nakômelingen des
gadeshûses to Nemerow vnde deme gantzen orden
sunte Johannes baptisten der bêde eyn gantze
wêre wesen vôr alle ansprâke geystliker edder
werliker persônen, de vôr recht
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kâmen, recht geuen vnde nemen willen; doch hebbe
wy vns vnde vnsen eruen beholden den wedderkôp,
alse wannêr wii edder vnse eruen de lôsen
willen, so schôle wii eme edder synen
nakômelingen toseggen vp ênen sunte Johannis
baptisten dach, vnde gheuen eme edder synen
nakômelingen denne sodâne druddehalfh
ndert gûde vulwichtige rînsche
gulden myt der bedâgheden bêde wedder vppe den
nêgest folgeden sunte Martens dach ofte in den
achte dâgen to sunte Marten an êneme summen
bynnen Brandenborch edder vpp eyner andern stede
in deme lande to Stargarde, wôr id eme edder
synen nakômelingen alderboquêmest is; vnde desse
vôrgescreuen bêde schal vnde mach de genante her
Jochim edder syne nakômelinghe panden edder
panden lâten, so vâkene en des nôth vnde behôff
dônde wert sunder brôke der herschopp vnde
vorbêdynghe vnser edder vnser eruen amptmannen
vnde vogeden, vnde we dessen brêff heft myt des
êrbenômeden her Jochimes edder syner nakômelinge
willen, deme schal he so behulplick sîn de bêde
to bôrende, gelîck ift he eme van worden to
worden togescreuen wêre. Hiir an vnde âuer sint
gewesen de strenge vnde duchtige her Lutke Hane
ritter vnde Herman Haghenow vnde de êrsame vnde
werdige Hermen Glineke borgermeister to
Brandenborch vnde Laurencius Stoltenborch vnse
scrîuer. Alle desse bâuenscreuen stucke vnde
articule vnde eyn îslik by sick lâuen wii
vpgenante here vnde furste vôr vns vnde vnse
eruen deme obgenanten her Jochim Wagenschutten,
alle synen nakômelingen, deme gantzen orden vnde
deme hebbere desses brêues myt ereme willen in
gûden trûwen stede vnde vaste wol to holdende
sunder argelist vnde alle gefêrde, vnde hebben
des to ôrkunde vnse secrete ingesegel witliken
hengen hêten an dessen brêff. Geuen vnde screuen
to Brandenborch na Cristi gehôrt
vy
e
rteyn hundert iâr dâr na amme vêr
vnde sôuentigesten iâre, ame âuende der hilgen
drîer kôninghe.
Auf Pergament mit schlechter Schrift. An einem Pergamentstreifen hängt des Herzogs Heinrich dreischildiges Siegel mit eingelegter rother Wachsplatte. Die Urkunde ist zum Zeichen der Einlösung durchschnitten.
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Nr. XX.
Die Herzoge Magnus und Balthasar von Meklenburg entscheiden die Streitigkeiten des Klosters Himmelpfort und der Johanniter-Comthurei Nemerow über die Seen von Dabelow, Brengentin und Linow dahin, dass das Kloster Himmelpfort dieselben auch fernerhin in ungestörtem Besitze behalten soll.
D. d. Friedland. 1480. Julii 9.
Nach dem Concept im grossherzogl. Geh. und Haupt-Archive zu Schwerin.
Wy Magnus vnnd Baltzar gebrûdere vonn gotes gnnâden hertogenn to Meckelenborg, furstenn to Wenden, grauen tho Zwerin, Rostock vnnd Stargarde etc. der lande herenn, dônn kundt vnnde bekennen ôpenbar, dy dessen vnsern ôpen brîff sehen oder hôren lesin, also denn de wirdige vnnde andechtige her Johann abbeth des clôsters Hemmelporte vnnde er Hinrick Bust comptor des hûses vnnd hôues Nemerow, vnse getrûwenn, vmme ethlike stânde wâtere vnnde sêhe benômeliken den sêhee to Dabelow, sêhe Brengentin vnde dy sêhe Lynow langetîde lang in twydracht vnnde erdom gestân hebben, hebben wy dy vôrgnanten an beiden parten vôr vns vnnde in iegenwardicheith vnser rêde so vôrschreuen vnnde enthricht na vtwîsunge erer vôrsegelden bryue an beiden parten vôr vnns getôget, also dath dy vôrgemelten her Johann abbeth des clôsters Hemmelporte vnnde syne nakômelinge sodâne vôrbenômeden dree sêhen vredesam beroweliken vnnd vnuorhinderth gebrûken schâlen, in mâthen so sy van olders gebrûket vnnd in wêrunge gehardt hebben, ôck so des ere vorsegelde bryue inholden vnnde vthwysen. Hîr by an vnnd ôuer synth gewesth dy gestrengen vnnd duchtigen vnnse rede vnnd lîuen getrûwen: er Nicolaus Hane ritter, Ludeke Moltzan marscalk, Hinrick vnnde Vicke gnanth dy Riben vnnde Hans van Hellppte. Geschên bynnen vnser stadt Fredelande vnnder der octauen visitacionis vnder vnsem vpgedruckeden ingesegel vorsegelt anno etc. LXXX°.
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Nr. XXI.
Der Herzog Johann Albrecht von Meklenburg giebt seinem Lehnmann Joachim Holstein die Comthurei Nemerow auf drei Jahre.
D. d. 1552. März 14.
Nach einer Abschrift im grossherzogl. Geb. und Haupt-Archive zu Schwerin.
Von gottes gnaden Wir Johans Albrecht hertzogk zu Meckelnburgk etc. Bekennen hiemit offentlich, das wir dem erbarn vnserm Lehenmann vnd lieben getrewen Joachim Holstein in betrachtunge seiner getrewen dienste, die er vns bereits geleistet vnd gethan, auch hinfurter noch thun kan, soll vnd will, das haus vnd Comptorey Nemerow mit alle seiner ein- vnd zubehorunge, vfkommen vnd nutzung drei Jhar lang die nechstfolgenden eingethan haben, Thuen auch dasselbe hiemit in kraft vnd macht dieses vnsers brieues wissentlich, Doch haben wir vns vnser gewonliche ablager vnd Ritterdienst darhan vorbehalten. Dess zu vrkundt mit vnserm vfgedruckten Pitzschir vorsiegelt vnd geben zu Schwerin den vierzehenden tagk Martii Anno etc. 1552.
Nr. XXII.
Thomas Runge, Meister des Johanniter-Ordens zu Sonnenberg, verleiht dem Joachim von Holstein die Comthurei Nemerow, das Priorat Braunschweig und die Anwartschaft auf das Priorat Goslar.
D. d. Sonnenberg. 1553. April 17.
Nach einer vidimirten Abschrift im grossherzogl. Geh. und Haupt-Archive zu Schwerin.
Wir bruder Thomas Runge sant Johans ordens des heiligen hauses hospitals zu Jerusalem in der Marcke, Sachsen, Pommern vnnd Wendtlandt meister vnnd gemein gebietiger Bekennen in diesem vnnsernn offenen brieff vor vnns vnnd vnsere nachkom-
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mende meister vnd orden vnnd sonst iedermenniglich, Demnach wir hiebeuorn vnserm lieben gehorsamen, dem wirdigen vnd erenvesten Ern Joachim Holstein vff sein vleissigs bitten für ein gliedtmass vnsers ritterlichen ordens haben vffgenomen vnd inen nach geleisteter pflicht, alten hergebrachten gebrauch vnnd vnsers ritterlichen Ordens Stabiliment ordenunge nach haben eingekleidet, Als habenn wir ime zu erhaltunge dieses seines angenomenen standts vnnsers ritterlichen ordens haus vnd Compturei Nemerau sampt dem priorat zu Brunschwigk vnd nach absterben Ern Hansen Rohr das priorat zu Goslar mit allen iren ein vnnd zubehorunge, in massenn wie sie von Alters dem orden zustendigk vnd von den vorigen Ern Comptore besessen vnnd innegehabt, vorliehen, eingereumbt vnnd eingethan, Vorleihen, einreumen vnnd thun ein vorgemelten dem von Holstein obberurte Compturei vnd priorath wie vorerwent, für vnns vnd vnsere nachkommen meister vnnd gantzen Orden in Crafft dieses Brieffs, also das nuhe vnnd hinfurtt ehr als ein volmechtiger regierender vnd bestettigter Compter aller, herligkeitt vnd nutzunge gedachter Compturei vnnd priorats des zu Brunschweigk, auch vff den fall der vorledigunge des priorats zu Gosslar vnserm Ritterlichen Orden vnd sich selbst zu Ehrenn vnnd besten, vff Zeitt vnnd Lauff seins lebens gebrauchen vnd geniessen soll vnnd magk, Jedoch mit dieser Condition vnnd vorbehaltunge, das ehr sich gegen vnns, vnsern nachkommenden Meistern vnd gantzem Orden schuldigs gehorsams nach gethaner vorwandtnus vorhalte vnnd gelebe, sein schuldigk Respons ahm volwichtigenn reinischen golde jerlichen vff Johans Baptista gehn der Sonnenburgk zur Stedte vorordne, der Compturei vnd Priorats getreulichen vnnd woll vorstehe, die armen Leute, so darzu gehörigk, wieder alt herkommen nicht beschwere, noch belestige, auch die gebeuden in baulichen wirden vnnd wesen erhalte vnnd sonsten alles das jenige, was einem Rittermessigen gehorsamen Comptorn gegen seinen vbern vnd gantzem Orden zu thune eigent vnd geburtt, leiste vnnd pflege. Alles getreulich vnd ohn alle gefehrde. Des in vrkundt haben wir vnser Insiegil hier vntenn anhangen lassen vnnd gegeben zur Sonnenburgk nach Christi vnsers
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lieben hern geburt im funffzehen hundersten vnd drey vnd funffzigsten jare, montags nach Misericordias domini.
Praesentem hanc copiam cum suo vero ac sigillato originali de verbo ad verbum concordare, Ego Jacobus Kroegerus S. Imp. auctoritate Notarius publicus propria hac mea subscriptione attestor.
Nr. XXIII.
Der Herzog Ulrich von Meklenburg verleiht dem Joachim von Holstein die Comthurei Nemerow.
D. d. Bützow. 1555. Febr. 3.
Nach einer vidimirten Abschrift im grossherzogl. Geb. u. Haupt-Archive zu Schwerin.
Von Gottes gnaden Wir Ulrich, hertzogk zu Meckelenburgk etc. Bekennen unnd thun kundt hiemit offentlich, als uns der erbar, vnser lieber getreuer Achim Holstein vnderthenig berichten lassen, wie das ime der erwirdiger vnser besonder lieber herr Thomas Runge, sanct Johans Ordens in der Marcke, Pommern vnnd Wendland meister, die compturei Nemerow die zeit seins lebens sich der zu gebrauchen vnnd zu geniessen, inmassen seine vorfarn daselbst die Comptorn dieselben auch innegehat vnnd genossen, vermuge derhalben auffgerichteter vnnd ime gegebener vorschreibunge, belehnet vnd vorschrieben, mit vndertheniger pitt, das wir als der Landesfurst, darunter dieselbe berurte Compturei inn, vnserm lande zu Stargart gelegen, unsere, bewilligunge vnd Consens Brieff ime darüber auch, jedoch ihn allewege vnsernn daran habenden ablegern vnnd alt hergebrachten gerechtigkeiten vnabbruchlich, gnediglich mitteilen wolten: Demnach so haben wir solche seine vnderthenige pit als zimlich, in gleichen auch seine vnderthenige treuhe dinste, die ehr vns kunfftiglich wol thun kan, sol vnd wil, erwogen vnnd ime darauff dissen vnsernn offentlichen wille brief gnediglichen gegeben, Bewilligen vnnd befulboren kraft desselbigen hiemit offentlichen ime solche vorberurte compturei zu Nemerau in der bestendigsten form, masse vnd weise, als solchs am krefftigsten zu rechte oder nach art vnnd natur dieses handels ge-
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schehen sol, kan oder magk, dieselbigen vorgemelten compturei Nemerow die zeit seines lebens als seine vorfarn die Comptorn die auch gehat, ohne einigen vnsern eintragk oder vorhinderunge geruiglich vnnd friedesam zu besitzenn, zu geniessen vnd zu gebrauchen, jedoch vns an vnsernn geburlichen ablegern vnnd gerechtigkeiten volkomlichen vnd in aller massen, was die vnsere freuntliche liebe hernn vater vnnd vetter, her Albrecht vnd herr Heinrich, gebruder, weilandt hertzogen zu Meckelnburg etc. loblicher milter gedechtnus, vnnd vnsere lobliche vorfarn, die hertzogen zu Meckelnburg etc. daran allenthalben gehabt vnd vf vns gefellet vnd gebracht, die wir vns hiemit austrucklichen vorbehalten, vnnd auch einem jedernn an seiner gerechtigkeit vnschedtlich. Vrkundtlichen mit vnserm Pitzschier in rechter wissenschaft versiegeltt. Datum Butzau den dritten Februarii na Cristi vnsers lieben hern geburt der weniger Zall im fünf und funftzigsten jare.
Quod hoc praesens Exemplar cum suo uero subcripto ut patet ac sigillato originali de uerbo ad uerbum concordat, go Jacobus Kroegerus S. Caesarea auctoritate publicus Tabellio propria hac mea subscriptione affirmo.
Nr. XXIV.
Martin Graf von Hohenstein, Meister des Johanniter-Ordens zu Sonnenburg, reversirt sich gegen den Herzog Ulrich von Meklenburg, diesem die Nomination zur Comthurei Nemerow für den nächsten Erledigungsfall zu überlassen und die landesherrlichen Gerechtsame an der Comthurei anzuerkennen.
D. d. Sonnenburg. 1573. Aug. 30.
Nach einer Abschrift im grossherzogl. Geh. u. Haupt-Archive zu Schwerin.
Wir Martin Graffe von Honstein, her zu Vierradenn vnnd Schwedt, des Ritterlichen S. Johans Ordens, in der Marck, Sachsen, Pommern vnnd Wenden Landen Meister, Bekennen an diesem Brieffe vor vns, vnsere Nachkommen am Ritterlichen Orden
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Meister, dass wir vff gnediges ersuchen des durchlauchtigen, hochgebornen Fürsten und hern hern Vlrichen hertzogen zu Meckelenburg, Fürsten zu Wenden, Grauen zu Schwerin, der Lande Rostock und Stargardt hern, gewilliget haben, auff absterben des itzigenn hern Comptors zu Nemerow Jorgen von Rebekens einem andern die Comptorei Nemerow einzuthun, domit zu begnaden vnd vor einen Cumpter auffzunehmen, welchen s. f. g. benennen wirdt, doch sol solche zu diesem mhal beschehene bewilligung vns vnd dem Ritterlichenn Orden zu keiner einfürung oder nachteil gereichen, sondern wir sollen nach wie vor doselbst so wol als in andern Cumptereien einen Cumpter zu setzen vnd domit zu begnadenn haben, wie vor alters, vnnd was zu diesem mhal geschicht, soll keinen andern verstandt haben, dan das es vff vorbit des kurfürsten zu Brandenburg etc. hochgedachtem hertzogen Vlrichen zu vnderdienstlichem gefallenn geschehen. Wan nhun s. f. g. innerhalb sechs monaten ein benennen vnd vns darauff ersuchen werden, denselben vff des itzigen Cumpters Georg von Rebecken Todesfal domit zu begnaden vnd derselbig zu solcher Cumptereien wie sichs gebürt gnugsam qualificirt sein wirdet, so wollen wir denselben domit begnaden, doch dass ehr sich alsbaldt einkleiden lasse vnd dem orden mit Pflichten verwant mache, auch sich verpflichte, wan ehr die Compterei wircklichen einbekombt, als dan vns, vnsern Nachkommen vnd dem Ritterlichen Orden mit verreichung der Respons vnd Anderm gepürlichen gehorsam zu leisten. Wan dan auch hochgedachter hertzog Vlrich darüber begert, s. f. g. bei alle demjennigen, so dieselbige als der Landesfürst an solcher Comptorei, nemblich an Jacht, Ablager, Rossdienst, Steur vnd Landtfolge vnnd das der Cumpter s. f. g. mit ratspflicht verwant, befugt, geruiglichen bleiben zu lassen vnd solches an ihme selbst pillich, wir auch nie gemeint gewest, seiner f. g. etwas zu entziehen oder durch inhabende Cumptores entziehen zu lassen, dass s. f. g. befugt sein, sein f. g. vnnd derselben Vorforn in Besitz gehabt vnnd hergebracht: So wollen wir vns desselben zum vberfluss hiemit auch erclert vnd verpflichtet habenn, auch so viel an vns ist vnd vns gepuren will, keine verhinderung
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thun, dass auch die Cumpterei Crakow in vorigen standt kommen moge. Alles getreulich vnnd ohne gefher. Zu Vrkundt habenn wir die Recognition mit vnsers Ritterlich Ordens Insiegell becrefftigett vnd mit eigen handen vnderschrieben. Datum Sonnenburg den 30. Augusti Anno etc. LXXIII.
Martin Graff von Honstein, her zu Vierraden vnd Schwedt, des Ritterlichen S. Johans Ordens etc. Meister, mein handt.
Nr. XXV.
Der Comthur Georg von Ribbeck zu Nemerow verleiht dem Hans Röggelin das Schulzengericht zu Gudendorf.
D. d. Nemerow. 1583. Mai 25.
Nach einer Abschrift im grossherzogl. Geh. u. Haupt-Archive zu Schwerin.
Ick Georg von Ribbeck comthor tho Nemerow, orden sancti Johannis, bekenne vor my, mynem gantzen orden nakamenden idermenniglich, das ich angesehen vnde erkandt habe meinige truwe flitige denste, die de ersame Hans Röchelin my, mynen vorfahren sehlige vnd minem orden gedahn hefft vnd noch woll dohn schall vnd mag, derhaluen vnd van besundriger gunst wegen hebbe ick dem genanten Hans Röchelin vnd sinen rechtun liues lehns eruen dat Schultzengerichte zu Minnow (to disser tidt Godendorff geheten) gelegen mit allen vnd iglichen sinen thobehorigen vnd gerechtigkeiten, als nemlichen mit 8 Hofen Landes, ock eine Grasswische, lande vnd holte, de dar heth de Thoneize hinder sienen hafe belegen, alse dat ehme nemandt darinne an grase, korne vnd holte hindern edder schaden tofugen schal, id si einem dat mit des vorgenanten Hans Rochelin weten vndt willen vergunt vnd togelaten worden, dartho ock ein wurde achten dem herdenkaten belegen. Furder befrige ick Georg von Ribbeck comptor tho Nemerow gedachten Hans Rochelin vnd sine erben mit einer freien wehr vor dem Broelschen dicke sambt frien Fischereyen vff des ordens watern vmme
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Minnow belegen, ock die kruchlage by dem Schultzengerichte quit vnd frei, Darneuenst ock dat ick en gerne gebetert sehe, hebbe ick en vnd sine liues lehns eruen tho wolfart vnd beterunge des haues dat Rohr vp dem Rohrpuele vnd tho erhaldinge siner timmer vnd thune thelikeholtunge 1 ) frei gelehnt, alse solcke alle sine oldenvader, grotevader vnd vader quit vnd fri siedes beseten vnd im gebruch gehat hebben, vnd liehe ock solches alles dem vehlgenomeden Hans Rochelin vnd sinen rechten liues lehns eruen ick Georg von Ribbeck comptor tho Nemerow jegenwerdiglich vnd in crafft dieses briefes in aller mathen vnd form, so lehens recht is, vor my, mynem orden, nakamlingen vnd sonsten vor idermenniglichen vngehindert, doch my, minen Orden vnd einen jedermanne vnschetlichen an sinen rechten. Hiuor schall vndt will my, minem orden vnd nakamelingen de offt gemelte Hans Rochelin vnd sine eruen alle jahr iedes vnd alwege vff den ersten sondach na sanct Dionysii vngefehrlich geuen vnd thor nuge woll bethalen vehr marck Finckenogen 2 ) gangkhafftiger müntze vor ein Lehnpferdt. Des tho vrkundt, vester haltunge vnd wahrer bekentnusse hebbe auergedachter Georg von Ribbeck min angeborne Insiegell vnden an dissen breff dahn hangen, de gegeuen vnd geschreuen is tho Nemrow im jahr dusent viff hundert vnd dre vnd achtig, am dage Urbani.
Diese Urkunde ist wohl eine der letztern der in niederdeutscher Sprache ausgefertigten.
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Nr. XXVI.
Der Comthur Ludewig von der Gröben von Nemerow leistet dem Herzoge Ulrich von Meklenburg den Rathseid.
D. d. Güstrow. 1593. Nov. 17.
Nach dem Originale im grossherzogl. Geh. u. Haupt-Archive zu Schwerin.
Ich schwere dem durchleuchtigenn, hochgebornenn Fursten vnnd hernn hernn Ulrichenn, hertzogenn zu Meckelnburgk etc., meinem gnedigen Fursten vnnd hernn, Nachdem ich durch ordentliche mittel zu einem Commendor zu Nemerow ewehlet vnd eingesetzet werden soll, vnd desswegen s. f. g. als dem fürstlichen meckelburgischen Landesfürsten für dero Interesse vorwandt vnd schuldig worden, raetspflicht zu leisten, Dass s. f. g. ich getreu, holdt vnd raetspflichtig sein will, seiner f. g. frommen vnd bestes jederzeitt wissen vnd vortsetzen, Derselben schaden vnnd nachteill meines eussersten vermugens hindern, abwehrenn vnd verwarnenn, will mich der radtschlege, so wider s. f. g. sein vnd dagegen ergehen mochten, enthalten vnd eussern, auch keinesweges dar in gehelfen, Wass mir auch von s. f. g. Radtsweise vnd auff geheim vertrawet, ohne vorwissen s. f. g. Niemandts offenbaren, sondernn solchs bey mir bis inn meine gruebe verschwiegenn behalten, s. f. g. auch von obgedachter Compterei alle vnd jede gebuer, inmassenn solche denn Landtsfürsten vonn alters gebüret, zu idertzeitt nach muglichen leisten vnd folgen lassenn vnd mich durchaus in solcher raetspflicht gegen s. f. g., wie einem ehrliebenden eigenen rad wol anstehet, verhalten, Als mir Godt helffe vnd sein heiligs wordt.
Diesen vorhergehenden Eidt hat Ludowig von der Groben von wegen der Comptorei Nemerow vnserm gnedigen Fursten vnd Herrn Hertzogk Ulrichen zu Meckelnnburgk In dero Vorgemach alhie zu Güstrow in beisein s. f. g. Räthe Herrn Hinrici Bergii vnd Herrn Laurentii Müllers, beide der Rechte Doctoren, vnd fast aller anwesenden Hoffjunckern vnderthenig geleistet. Signatum et Actum Güstrow 17. Nouembris Ao. 1593. L. Mörder.
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Nr. XXVII.
Der Comthur Ludwig von der Gröben zu Nemerow leistet dem Heermeister zu Sonnenburg den Ordenseid.
D. d. Nemerow. 1593. Nov. 24.
Nach einer Abschrift im grossherzogl. Geh. u. Haupt-Archive zu Schwerin.
Ich Ludewig von der Gröben der jünger, Comptor zue Nemerow, bekenne an diesem Briefe vor mich, meine Erben vnndt Erbnehmen, kegen iedermenniglich, Nachdem der hochwürdige, wohlgeborne vndt edle herr, herr Martin Graff von Hoenstein, des Ritterlichen Sanct Johannis Ordens in der Mark, Sachsen, Pommern vndt Wendlandt Meister, herr zue Vierahden, vnndt Schwedt, mein gnediger herr, auf mein vnterthenigk anhalten vnd bitten nicht allein gnedig consentiret, dass mir Andreas Huenicke zue Eckstedt Erbsessen sein jus vnndt Gerechtigkeit, so er vf des durchlauchtigen, hochgebornen Fürsten vnd Herrn, Herrn Vlrichen, Herzogen zue Meckelnburgk etc., meines gnedigen Fürsten vnndt Herrn, gnedige Intercession, im vorschienen vier vnndt siebenzigsten jahre von S. G. an der Comtorei erlanget, mihr cediren vnd resigniren muegen, sondern mich auch in den Ritterlichen Orden gnediglich auf und angenommen vnd mir auf meines vorfahren an dieser Comptorey herrn Georgen von Ribbecks sehligen todtlichen Abgang solche Comptorey gnediglich conferiret vnnd vorschrieben, mich auch ferner durch S. G. Cantzler Balthasar Römern, wie im Orden herbracht, immittiren, einweisen vnd im Besitz derselben constituiren vnndt setzen lassen, davor dan S. G. ich vnterthenig danckbahr bin, Das ich demnach zuegesaget vnndt vorsprochen, zuesage vnnd vorspreche auch hiermit in krafft dieses meines Reverses uor mich, meine Erben vnndt Erbnehmen, hochgedachten meinen gnedigen Herrn S. G. nachkommenden Meistern vnndt Ritterlichen Orden getrew, gehorsam vnnd gewertigk zue sein, S. G. vnnd des Ritterlichen Ordens ehre, nutz vnnd bestes zue wissen, schaden vnd nachtheill zuewenden, mich auch auff S. G. vnndt dero Nachkommen am Ritterlichen Orden erfordern iederzeit gehorsamblich einzue-
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stellen vnd das zu leisten vnndt zue thuen, was einem gehorsamen vndt getreuwen Ritter vnnd Ordenssbruder zu thuen eigenet vndt gebühret, S. G. auch meinen schuldigen Responss, alls jährlichen Zwei vndt Dreissigk Reinische Goldtgulden, allewege auf den Tagk Jhohannis Baptistae in des Ordens residenz zu erlegen, Vnndt weill solche Comtorey gantz bawfelligk befunden, von dato innerhalb zweyer Jahresfrist darein fünf hundert Thlr. zu uerbawen vnd solche gebeude am Hause, Vorwergen, Schäffereien, Stellen, Scheunen vnndt Mühlen nicht allein in Bawlichen wirden zu erhalten, sondern auch von Jahren zue Jahren zu vorbessern, die Vnterhanen darzue wieder alt herkommen nicht zue beschwehren, noch zue belestigen, oder von andern beschweren oder belestigen lassen, vnd alles das bei der Comptorei zu lassen, was das Inventarium, darauff mihr die Comptorei eingeandtwortet, besaget, Do auch einiger Mangell nach meinen Absterben befunden wurde, so sollen meine Erben vnnd Erbnehmen dem Anschlage nach alles, das an solchem Inventario mangelln würde, gelten vnndt zahlen, Da ich mich dan vor mich vnndt meine Erben bey verpfändung meiner Lehen, Haab vnndt gueter, das ich vor alles das wie obengemeldet hafften soll vnd will, vnnd das dem Allem aufrichtigk soll gelebet werden, hiemit vorpflichte, vnndt das alles bey adelichen Ehren vnnd Truwen, stet, fest vnd vnvorbruchlich zu halten vnnd dahin zu geleben, vor mich vnndt meine Erben will vorsprochen haben. Zue vhrkundt habe ich diese vorpflichtung mit meinem angebohrnem Pitschaft besiegelt vnnd mit eigenen Handen vnterschrieben. Geschehen vnd gegeben zu Nemerow den 24. Nouembris Ao. 93.
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Nr. XXVIII.
Der König Gustav Adolph von Schweden schenkt dem Obersten Melchior Wurmbrand die Comthurei Nemerow.
D. d. Stralsund. 1630. Nov. 7.
Nach einer Abschrift im grossherzogl. Geh. u. Haupt-Archive zu Schwerin.
Wir Gustav Adolph von Gottes gnaden der Schweden, Gothen vndt Wenden Könningk, Grossfürst in Finlandt, hertzogk zu Ehesten vndt Carelen, Herr ober Ingermanlandt, thun kundt hiemit vnd bekennen, allse vnser konnigl. Hocheidt nichtes mehr gezimen will, allse diejenige, so sich vmb vns vnd vnsere Crone woll meritiren, hinwidervmb vnsere konningl. niegung zu erweisen, das wir demnach in ansehung der guten vnd getreuen dienste, so vns vnd vnsere Crone der Wollgeborne vnser Obrister und lieber getreuwer Melcher Wurmbrandt, Freyher, des Johanniters Ordens Ritter, ein Zeitthero gethan vnd weiters thun sol, kan vnd magk, ihm besagten Obristen aus sonderbahrer konninglichen bewegnus vnd gnaden die Comptorey Nemerow, bey Neuwenbrandeburgk belegen, gegönnet, verehret vnd geschencket, massen wir ihme solche, zumahlen weill er für diesen von vnseren widerwertigen seiner eingehapten Compterey wider alle billickeitt vnd fug entsetzet worden vnd er hiezu ritterlichen zuspruch zu haben vermeinet, hiemit vnd in Crafft dieses mit allen pertinentien vnd dependirten rechten vnd gerechtigkeiten, wie die Nahmen haben mügen, nichtes dauon ausgenommen vnde allermassen die vorige Commendatores solche eingehapt, genützet vnd gebrauchet haben, zu possediren, zu nützen vnd zu gebrauchen gegönnen, vberlassen, gechenken vnd verehren wollen, ihm auch dessen ein sicher gewehr prestiren. Vhrkundt haben wir dieses mit eigener handt vnterschrieben vnd konniglichen Insigell beglaubigtt. Signatum Stralsundt den 7. 9bris 1630.
(L. S.) Gustavus Adolphus.
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:
B.
zur
Geschichte der Kirche zu Doberan.
Nr. XXIX.
Der Bischof Brunward von Schwerin bestätigt dem Kloster Doberan die vom Bischofe Berno verliehenen Zehnten und geistlichen Gerechtsame und schenkt demselben die Zehnten aus den Dörfern Glin, Stäbelow, Redentin, Polas, Farpen, Schulenberg und Conardam bei Gelegenheit der Einweihung der Kirche zu Doberan.
D. d. Doberan. 1232. Oct. 3.
In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Brunwardus dei gracia Zwerinensis episcopus omnibus in perpetuum. Ex iniuncto nobis episcopatus officio cum ipsarum ecclesiarum profectu tanta cura nos prospicere condecet et inuigilare, quatinus et in nobis crescant spiritalibus et progressum habeant in mundanis: sanelicet hec ipsa vigilantia et sollicitudo ad omnium profectum spectet ecclesiarum et subditorum omnibusque generalis esse debeat et communis, altiori tamen consilio et quadam beniuolentia singulari illorum vtilitati potissimum prospicere tenetur et profectui, qui uel maiori officio caritatis, seu humanitatis studio sunt intenti, quippe qui etiam preter uictum simplicem et uestitum omnia sua hospitalitati et aliis piis operibus officiosissime tribuunt et exponunt. Considerans igitur nostre sollicitudinis discretio per Marthe sollicitudinem prouidendum esse Marie quieti, vt orantis Marie suffragiis satagentis Marthe sollicitudo ministerii iuuaretur,
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ne alicuius temeritatis incursus sancte contemplacionis otium perturbaret, sicut ex apostolice sedis indulgentia monasteriis et fratribus Cysterciensis ordinis, per vniuersam ecclesiam constitutis, salubriter in multis et racionabiliter est prouisum, taliter et nos dyocesis nostre dilectis filiis eiusdem ordinis abbati Doberanensi eiusque fratribus tam presentibus, quam futuris, regularem vitam professis, in posterum prouidemus presentis auctoritate priuilegii et banno pontificali, quascumque possessiones, quecumnque bona in presentiarum possident, aut in futurum concessione pontificum, largitione regum uel principum, oblatione fidelium seu aliis iustis modis procurante domino poterunt adipisci, vt sibi suisque successoribus firma et illibata permaneant in uirtute sancti spiritus confirmantes. Preterea libertates omnes et inmunitates, a Romanis pontificibus ordini eorum concessas, necnon libertates et exemptiones secularium exactionum, a dominis et principibus uel aliis fidelibus rationabiliter ipsis indultas, auctoritate pontificali, qua fungimur, confirmamus et presentis scripti priuilegio communimus, nolentes alicuius modi uexationibus eorum sabbati amaricari quietem, sed vt securi sint et liberi a perturbatione hominum et dolore pro statu totius ecclesie nostraque salute, eo deuotius, quo securius domino offerant suorum uitulos labiorum; sed et ea specialiter, que in primordio eidem monasterio succrescenti predecessoris nostri felicis memorie domini Bernonis episcopi munificentia sunt oblata, sicut in ipsius priuilegio pretlicti monasterii fratribus concesso plenius continetur et etiam a nobis inferius describetur, inviolabili cautione vna nobiscum a successoribus nostris, ecclesie Zuerinensis episcopis, eiusque canonicis ob diuinam reueremmtiam et mutuam in Christo caritatem fratribus exhibendam rata haberi volumus et conseruari perhenniter inconcussa. Nam cum Pribslaus, Slauie dominus et princeps Magnopolensis, iam dicti pontificis consilio et instinctu, pro suorum qualitate delictorum ad dei omnipotentis seruitiunt eiusque piissime genitricis famulatum abbatie Doberan construende circumquaque possessiones et predia designasset, quoniam ad episcopum decime spectabant et iura ecclesiastica, pro uoluntate pii principis Heinrici ducis Saxonie et consensu ecclesie Zwerinensis de prediis et possessionibus decimas obtulit, tali nimirum
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interposita cautione, si forte processu temporis quicquam ex ipsis prediis abalienari contingeret, decime tamen fratribus et iura ecclesiastica perpetuo permanerent, in quibus hec propriis uocabulis duximus exprimenda: decimam loci ipsius, in quo prefatum monasterium situm est, cum omnibus pertinentiis suis; decimam Doberan, Domastiz, Parkentin, Wlisne, Putechowe, Stvlouwe, Radekle, decimam quatuor villarum in Cobanze, scilicet Crupelin, Brusouwe, et duarum uillarum Brunonis, estque terminus ad occidentem collis, que slauica lingua dicitur Dobimerigorca, ad aquilonem terminum facit mare; ecclesiarum vero dispositio infra terminos constitutos et sacerdotum constitutio uel baptismus et ius synodale, quod bannum uocant, ad abbatis prouidentiam pertinebit. At nos memorato pontifici diuina fauente gratia succedentes, quia predictos fratres speciali prerogativa dilectionis et gratie amplexamur, utpote qui iugitur offerentes deo holocaustum propiciationis et sacrificium laudis non solum nobis, sed etiam uniuersali ecclesie piis intercessionibus suffragantur, ipsorum vtilitati et indigentie libenter, prout possumus, prouidemus, predecessoris nostri exemplo prouocati, in quorundam decimis pred iorum eis curauimus subuenire, exinde illi complacere propensius nos credentes, qui, quod vni exminimis suis fit, sibi reputat esse factum; prediorum autem ista sunt uocabula: Glyne, Stubolowe, Radentin, Polas, Verpene, Sculenberch, Conardam, cum omnibus pertinentiis et finibus suis. Decernimus ergo, ut nulli hominum liceat prefatum monasterium temere perturbare aut eius possessiones auferre uel ablatas retinere, minuere seu quibuslibet uexacionibus fatigare, sed omnia integra conseruentur eorum vsibus, pro quorum gubernatione ac sustentatione concessa sunt, omnimodis profutura. Si qua igitur in futurum ecclesiastica secularisue persona hanc nostre confirmationis et constitutionis paginam sciens contra eam venire temptauerit uel contra tenorem apostolicorum priuilegiorum et indulgentiarum uel huius auctentici de predictorum fratrum possessionibus uel prediis iam descriptis decimas exigere uel extorquere presumpserit, nisi condigne de reatu suo iam dictis fratribus satisfaciat, omnipotentis domini iudicio et beatorum apostolorum Petri et Pauli et domni pape Gregorii et nostro anathe-
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mati subiacebit; sed qui eidem monasterio iura sua seruauerit, in sanctorum numero conscribatur et eterna beatitudine perfruatur. Ego Brunwardus, Zwerinensis episcopus, hoc decretum manu mea confirmavi et sigilli mei munimine roboraui, ad maius stabilimentum testibus etiam infra appositis personis nobilibus, quarum ista nomina sunt: domnus Balduinus, Semigalliensis episcopus et Romane curie legatus, domnus Johannes, Lubecensis episcopus, domnus Godescalcus, Raceburgensis episcopus, domnus Thetmarus, abbas dergu domnus Theodericus, abbas de Dunemunde, domnus Johannes, abbas de Lubeke, Jerizlaus, prepositus in Tribuses, P(r)etrus, prepositus in Raceburch, Daniel, prepositus in Dymin, Sifridus, decanus in Zwerin, Petrus, sacerdos in Bntzvowe, Walterus, sacerdos in Rotstoc, Pertolldus, sacerdos in Siuuan; laici: milite: Johannes de Magnopoli, Nycolaus et Heinricus de Roztoc, principes et fratres, Tethlephus de Godebuz, Heinricus dapifer, Johannes de Snakenborg, Brunwardus, Bertrammus, Heinricus Grubo et alii quamplures.
Datum Doberan die consecrationis eiusdem ecclesie, V to nonas Octobris, per manum Petri, capellani et notarii nostri, indictione V a , incarnationis dominice anno M°CC°XXX°II, pontificatus vero nostri anno XL°II°, domno Fredherico Romanum imperium et regnum Sycilie feliciter gubernante.
Die Urkunde ist auf einem grossen
Pergament in einer sehr schönen Minuskel
geschrieben. Angehängt sind 4 Schnüre von
weissen linnenen Fäden, von denen die letzte
das Siegel verloren hat; die drei ersten
Siegel sind:
1) ein kleines
elliptisches Siegel mit einem stehenden
Bischofe mit der segnenden Rechten und mit
dem Stabe in der linken Hand; Umschrift:
2) ein grösseres elliptisches Siegel mit einem auf einem Sessel mit Hundsköpfen sitzenden Bischofe mit der geöffneten Bibel in der Rechten und dem Stabe in der Linken; Umschrift:
3) ein elliptisches Siegel mit einem auf einem nicht verzierten Sessel ohne Rücklehne sitzenden Bischofe mit dem Stabe in der
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Rechten und der geschlossenen Bibel in der ausgestreckten Linken; Umschrift:
Dies ist ein drittes, bisher unbekanntes Siegel des Bischofs Brunward von Schwerin, welches in Jahrb. VIII, S. 11, nicht aufgeführt ist: auf dem ältesten Siegel Brunwards ist der Bischof sitzend mit dem Buche auf den Knieen, auf dem jüngsten stehend mit dem Buche auf der linken Brust, hier aber mit dem Buche in der ausgestreckten Linken dargestellt; dieses Siegel fällt also zwischen das erste und letzte.
Nr. XXX.
Der Fürst Heinrich der Löwe von Meklenburg schenkt dem Kloster Doberan mehrere Hebungen von der Insel Poel zu einer ewigen Wachskerze auf seinem Grabe, zu zwei Spenden, jede von 10 Mark, an den Kloster-Convent und zur Erbauung eines Messaltars und anständiger Fenster in der Begräbniss-Kapelle seiner Vorfahren.
D. d. Wismar. 1302. Jan. 18.
Nach dem Original-Transsumte im grossherzogl. Geh. u. Haupt=Archive zu Schwerin.
Omnibus Christi fidelibus presencia conspecturis consules vniuersi ciuitatis Rozstok salutem in domino. Recognoscimus tenore presencium publice protestantes, nos vidisse ac diligenti auscultatione peraudiuisse priuilegium nobilis domini Hynrici Magnopolensis et Stargardie non cancellatum, non abolitum, non rasum, nec in aliqua sui parte viciatum, sed perfectum et integrum, in hec verba:
In nomine sancte et indiuidue trinitatis Amen. Hynricus dei gracia dominus Magnopolensis omni generacioni que ventura est in perpetuum. Quoniam omnes morimur et quasi aque dilabimur in terram, ideoque actiones hominum a memoria excidunt, nisi sigillorum et testium subcriptionibus roborentur: notum igitur facimus tam presentibus, quam futuris, quod nos de mera liberalitate animi nostri heredurn ac fidelium
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militum nostrorum consilio et assensu mediante, pro salute animarum nostrarum, scilicet predilecti patris nostri domini Hynrici Magnopolensis felicis memorie et matris nostre domine Anastasie et nostre vxorisque nostre domine Beatricis ceterorumque heredum nostrorum contulimus ecclesie Doberanensi in terra Půle redditus et prouentus infra distinctos cum omni proprietate ac libertate iure perpetuo possidendos, scilicet in villa Malchowe triginta tremodia siliginis et ordei et viginti vnunm tremodium auene et quatuor marcas et dimidiam denarioum de peticione porcorum, item in villa Wanghere decem et nouem tremodia ordei et siliginis et viginti tremodia auene et sex modios et tres modios pise et duas marcas et quatuor solidos denariorum de porcorum peticione, item in villa, Theymmendorpe viginti tremodia et quatuor modios siliginis et ordei et quindecim tremodia auene et quatuor modios et septem modios pise et Sex marcas denariorum, de peticione porcorum. Omnes hos redditus in redempcionem peccatorum nostrorum sinceriter ac deuote obtulimus omnipotenti deo et gloriose virgini Marie et ecclesie Doberanensi, vt ipsa eisdem redditibus, eo iure ac iudicio, quo cetera abbacie sue hactenus possedit, pacifice iugiter perfruater, hoc addicientes, quod de omni pecuniaria satisfactione capitalis sentencie abbas Doberanensis terciam tollat partem, tali nichilominus nostra ordinacione mediante: volumus enim et inuiolabiliter ordinamus, quod de iam dictis redditibus ardens cereus et perpetuus in loco sepulture nostre a domino abbate Doberanensi fideliter procuretur; insuper duo seruicia conuentui, vnumquodque de decem marcis denariorum, annis singulis laudabiliter ministrentur; preterea vnum altare cum omnibus necessariis inmissarum celebracione et fenestras laudabiles in capella vbi progenitores nostri requiescunt, abbas de prelibata annua pensione tenebitur studiosius comparare. Reliquos vero redditus ecclesia Doberanensiss pro omni dampno suo, quod recepit a nobis siue a nostris, et de castro Rethcekowe habebit in restaurum. Vt autem hec nostra racionabilis donacio, quam fecimus annuente nobis nobili ac dilecto nostroconsanguineo Nycolao domino de Werle perpetua, rata et inconwlsa per-
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seueret, ipsi ecclesie Doberanensi presentem paginam munimine sigillorum nostrum dedimus roboratam. Huius rei testes sunt: Johannes de Cernyn, Hynricus de Stralendorpe, Hynricus de Stenhus, Otto de Lu, milites, et alii quamplures fide digni. Datum in Wismaria anno domini millesimo trecentesimo secundo, quintodecimo kalendas Februarii.
Auf einem kurzen und breiten Pergament in einer gedrängten, kräftigen Minuskel aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts.
Nr. XXXI.
Das Kloster Doberan verpflichtet sich zur Entrichtung der Einkünfte dreier Altäre, welche aus den Einkünften des von Peter Wise für das Kloster Doberan eingelöseten Dorfes Adamshagen gestiftet sind.
D. d. Doberan. 1341. Oct. 23.
Nach dem Originale im grossherzogl. Geh. u. Haupt-Archive zu Schwerin.
In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Amen. Nos frater Jacobus abbas totusque conuentus monasterii Doberanensis vniuersis Christi fidelibus presens scriptum visuris inperpetuum. Memorie hominum, que fragilis est, prouide consulitur, dum res gesta scriptis autenticis commendatur, ut mortalium deficiente recordacione scriptura testimonium perhibeat veritati. Ad noticiam igitur singulorum tam presencium, quam futurorum litteris presentibus cupimus peruenire, quod dilecti nobis in Christo confratres nostri Johannes et Hinricus dicti Sapientes, nostri monasterii sacerdotes et monachi, debonis, que Petrus Sapiens, ciuis Lubicensis, germanus ipsorum, in morte sua eis in elemosinis conuertenda dereliquit, indaginem nostram Adammeshaghen dictam ab ecclesia nostra pro mille marcis Rozstoccensibus expositam domino Arnoldo dicto Copman, proconsuli in Rozstok, libere redemerunt ad manus nostras et nostrorum successorum, mediantibus condicionibus infrascriptis, videlicet vt de antedicta indagine Adammeshaghen sorori
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eorum Gertrudi redditus XXII marcarum Lubicensium denariorum, quamdiu vixerit, expedite annis singulis ab eclesia nostra tribuantur ac in remissionem pecca torum fratris ipsorum prenominati Petri ceterorumque progenitorum suorum et parentum ac consangwineorum tria seruicia in anniuersariis dedicacionis trium altarium, que in monasterio nostro fundauerunt, scilicet vndecim virginum, corporis Christi et Andree, conuentui per subcellerarium, qui pro tempore fuerit constitutus, perpetuis temporibus seruiantur, ita quod quodlibet seruicium ad minus de decem marcis denariorum Rozstokcensibus habeatur, quas semper ille frater, qui bursarius fuerit, presentare tenebitur, subcellerario de prouentibus sepedicte indaginis ad octo dierum spacium ante quocienscunque aliquod dictorumu trium seruiciorum extitit seruiendum. Nos insuper eciam propter predicta seruicia conseruanda et in suo robore perpetue perduranda astrinximus nos et nostros successeres presentibus astringimus sub anathemate gehennali, vt nulli nostrorum quoquo modo liceat antedictam indaginem Adammeshaghen deinceps obligare uel alienare aut ipsa seruicia aliis bonis adaptare. Ut autem hec inconuulsa perpetue maneant et illesa, presentem paginam inde confectam sigilli nostri et sigilli conuentus nostri municionibus fecimus roborari. Testes premissorum nominatim sunt isti fratres nostri sacerdotes et monachi: Johannes Braghen, prior, Hinricus de Tremonia, camerarius, Hermanus Puella, cellerarius, Johannes Abnehusen, Jacobus de Brunswich, cantor, Hermanus Pape, magister hospitalis, Wedego de Oldendorp, Tymnio de Brunswich, Johannes de Zwerin, subcellerarius, Thidericus Leo, magister conuersorum, Hermanus Lasche, supprior, Ludolphus et Johannes de Tremonia cum aliis vniuersis. Datum Doberan, anno domini M ° C ° C ° C ° XL primo, decimo Kal. Nouembris.
Nach dem Originale auf Pergament
in einer kleinen, festen Minuskel. An
Pergamentstreifen hangen zwei Siegel mit
aufgelegten Platten aus grünem Wachs:
1) das elliptische Siegel des Abtes Jacob
von Doberan mit der Figur eines Abtes in
einer Nische; Umschrift:
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2) das runde Siegel des Convents von Doberan, mit einem sitzenden Marienbilde; links daneben steht das Christkind auf dem Stuhle; rechts hat der Stuhl eine thurmartige Seitenlehne, an welcher ein Weihrauchfass, wie es scheint, hängt: Umschrift:
Nr. XXXII.
Der Bischof Friederich von Schwerin weihet die Kirche zu Doberan und verleihet derselben und der Heil. Bluts-Kapelle daselbst Ablass.
D. d. Doberan. 1368. Junii 4.
Nach dem Originale im grossherzogl. Geh. u. Haupt-Archive zu Schwerin.
Fredericus miseracione diuina de Bulowen genere quartus Zwerinensis episcopus vniuersis Christi fidelibus, ad quos presentes littere perueniunt, salutem in omnium saluatore. Ne de vite gestis temporis processu obliuio dubiumve veniat aut vertetur, fidelium mos laudabilis consueuit ea scripti testimonio perhennare; quocirca presentes nouerint et futuri, quod nos ad eius illibate virginis et matris, que de latere crucifixi profluxit, ecclesie, cum materialis ecclesia typum gerat ecclesiarum tam militantis, quam triumphantis, quarum quidem fundamentum et superedificatorum parietum capud, connexio, lapis angularis ab hominibus reprobatus, a deo autem electus, sacerdos sacrificium, pontifex et consecrator est mediator dei et hominum Christus Jhesus deus et dominus noster, qui valido clamore emisso cum lacrimis in omnibus exauditus est pro sua reuerencia, semel per sacrosanctum sangwinem suum introiens in sancta eterna redempcione imouenta, decorem ac laudem et gloriam eiusdem domini nostri Jhesu Christi ac in honorem perpetue virginis genitricis dei Marie sanctorumque Johannis Baptiste, Johannis ewangeliste, Fabiani et Sebastiani martirum, Benedicti et Bernardi confessorum, ecclesie Doberanensis, ordinis Cysterciensis, nostre Zwerinensis diocesis, bene fundate et edificiis perfecte sub anno eiusdem domini millesimo tricentesimo sexagesimo octauo, in festo sancte trinitatis occurrente, in presenciarum mensis Junii
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die quarta, principibus illustribus Alberto patre ac Hinrico filio eius, ducibus Magnopolensibus, Rozstokcensem et Stargardensem terras ac comiciam Zwerinensem tenentibus, venerabilique patre domino Godschalco abbaciam in Doberan laudabiliter gubernante, eiusdem domini nostri Jhesu Christi auctoritate et adiutorio et nostro humilitatis ministerio munus consecracionis impendimus gloriosum, assistentibus nobis et presentibus reuerendissimo in Christo patre et domino domino Gozwino Euelonensis ecclesie episcopo ac venerabilibus patribus ac dominis Enghelhardo de Amelunghesborne, Godschalco de Doberan pretacto, Hermanno de Betzsingherode, monasteriorum abbatibus, Johanne magistro et Alberto Foysan, in Parchim et Warne archidiaconis, Godzwino, thezaurario in ecclesia Zwerinensi, Bernardo, preposito monasterii monialium in Runa, magistro Hinrico de Reuele, decretorum doctore, magistro Johann Borghermester, canonico ecclesie Butzowensis, ac aliorum clericorum et populorum multi tudine copiosa. Insuper ex causis statuimus, volumus et ordinamus, vt anniuersarius dedicacionis dies prefate Doberanensis ecclesie acvisitacio sacramenti, que in capella porte monasterii Doberanensis feria secunda post festum penthecostes fieri consueuit, singulis annis in dominica infra octauam festuitatis corporis Christi occurrente, in quam huius dedicacionis et visitacionis diem presentibus transferimus, perpetuis temporibus celebretur. Et vt huius anniuersarius dies maiore deuocione fidelium frequentetur, omnibus vere penitentibus, contritis et confessis, qui in dicto anniuersario prefatas ecclesiam Doberanensem et capellam uisitauerint, ac eis feminis in porta remanentibus, que de more et obseruancia Cysterciensis ordinis maiorem non intrant ecclesiam, XLa dierum indulgencias de iniunctis ipsis penitenciis in domino misericorditer relaxamus. In quorum testimonium presentes litteras per Albertum Leoni[s], notarium nostrum, conscribi fecimus sigilloque nostro sigillari. Datum et actum Doberan anno et die mensis, quibus supra.
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Auf einem grossen Pergament in einer sehr grossen, fetten Minuskel. An einer Schnur von gelber Seide hängt das in Jahrb. VIII, Tab. II, Fig. 2 abgebildete Siegel des Bischofs Friederich von Schwerin.
Nr. XXXIII.
Der Abt Gerhard von Clairvaux, als päpstlicher Commissarius, giebt Erlaubniss, dass am Kirchweihfeste und bei dem Begräbnisse vornehmer Personen edle und anständige Frauen Kirche und Kloster zu Doberan auf Erlaubniss des Abtes betreten können.
D. d. 1385. Sept. 18.
Gerardus permissione diuina abbas monasteriorum Clareuallis et Bodelo, commissarius apostolicus, venerabilibus in Christo nobis dilectis abbati et conuentui monasterii de Doberan salutem et in sancte religionis feruore continuum incrementum. Ad ea libenter intendimus, per que paci vestri monasterii salubriter prouidetur ac eciam deuotio Christi fidelium excitatur; cum itaque, sicut accepimus, exequie nobilium et potentum in vestro monasterio sepius fiant et in eisdem exequiis nonnulle mulieres nobiles ac alie interesse volent, vestrum monasterium, et ecclesiam interdum introire presumpserint per violentiam et minas secularium personarum; cupientes igitur premissa aliqualiter moderare, ne ex predictis violentiis aut similibus maiora scandala in posterum oriantur, vt tempore dedicationis ecclesie in primis et secundis vesperis ac in missa, necnon in exequiis dominorum temporalium seu nobilium aut potentum, de quibus abbati cum suo consilio visum fuit, mulieres nobiles ac honeste deuotionis causa monasterium et ecclesiam ingredi valeant de licentia dicti abbatis seu locum eius tenentis, vobis concedimus auctoritate generalis capituli presentium facultatem, non obstantibus diffinitionibus et statutis in contrarium editis quibuscunque. Datum
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sub nostri appensione sigilli anno domini millesimo CCC°LXXX° quinto, die XVIIIa mensis Septembris.
Auf Pergament in einer kleinen, scharfen Minuskel. Das an einen Pergamentstreifen angehängt gewesene Siegel ist abgerissen.
Nr. XXXIV.
Der Bischof Rudolph von Schwerin, Herzog von Meklenburg, verleiht für das Kloster Doberan Ablass, indem er zu seinem Begräbnisse das Begräbniss seiner Vorfahren in der Klosterkirche erwählt.
D. d. Bützow. 1400. Nov. 15.
Nach dem Originale im grossherzogl. Geh. u. Haupt-Archive zu Schwerin.
Uniuersis et singulis sancte matris ecclesie filiis presentes litteras intuentibus Rodolphus dei et apostolice sedis gracia ecclesie Zwerinensis episcopus duxque Magnopolensis graciam in presenti et in futuro consequi gloriam felicium eternorum. Etsi omnibus, presertim fidei domesticis simus ad benefaciendum ex iniuncto nobis nostri pastoratus officio debitores, potissime tamen illis spiritualem thezaurum nobis creditum tenemur habundancius impartire, quos propria virtutum merita ac loci insignitas preferunt et extollunt. Sane interne contemplacionis oculo profundius considerantes, quanta militari fortitudine alma illa congregacio personarum scilicet conuentualium monasterii in Doberan, Cisterciensis ordinis, nostre diocesis, velut ad bella doctissima contra spiritales et tenebrarum potestates dimicat et procedit, quarum plerumque acies in fugam conuertit, sysaram ultimo tradit exterminio ac versipelles phylistimorum insidias a finibus Israel procul eicit et repellit, elemosinis quoque et oracionibus, hospitalitati ac aliis piis et pietatis operibus indesinenter deseruit, laudibus inhiat diuinis ipsamque tocius religionis et sanctimonie magnificat et amplectitur inclita celsitudo, cuius siquidem bono odore tracti, nostri patres et progenitores mox vt primum de ferrea formace Babilonice gentilitatis ac egip-
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tiaca ydolorum seruitute egredi et ad illam incircumspectibilem orthodoxe fidei lucem peruenire meruerunt, apud eandem congregacionem, que quasi nouella plantacio et iniciatrix Christiane religionis in terra horroris et vaste solitudinis extiterat, vepres viciorum seu spinas ydolatrice supersticionis surculosque errorum radicitus euulserat, sibi locum Doberan in ius sepulture proinde elegerunt, ex quibus quidem nostris patribus postmodum dilatata posteritas principum ac dominorum Obotricie, Circipanie, Kytune, Magnopolitanie atque tocius Slauie vigore electionis huiusmodi in dicto loco communiter meruit inhumari, prout et nos prestolaturi aduentum futuri iudicis ibidem penes eosdem nostros progenitores, quibus altissimi clemencia requiem et lucem perpetuam largiatur, elegimus et presentibus eligimus sepeliri. Non inmerito premissorum intuitu adeo insignem et dilectum nobis locum Doberan intima karitate amplectimur, fauore precipuo prosequimur et in domino iugiter confouemus, desiderantes igitur, ut dictus locus Doberan, quem taliter dominus in benedictione preuenit, ad laudem et gloriam omnipotentis dei ac gloriose genitricis eius virginis Marie, necnon omnium sanctorum et presertim eorum, quorum venerande reliquie illic recondite continentur, ampliori gracia et donis spiritualibus augeatur turbeque fidelium eo auidius ad dictum monasterium Doberan visitandum et frequentandum et ad preciosa stipendia spiritualis thezauri promerenda propensius inuitentur, vniuersis et singulis Christi fidelibus vere penitentibus, corde contritis et ore confessis, qui spe consequende gracie dictum locum accesserint ipsamque ecclesiam diebus quibuslibet festiuitatum aut dedicacionis aliisve sanctorum nataliciis seu sollempnitatibus aut simplicibus feriatis diebus per anni circulum occurrentibus deuote visitauerint vel sermonem diuinum audierint aut dictum monasterium eiusque personas inibi altissimo famulantes, necnon possessiones, res et bona ad dictum monasterium spectantes et spectantia protexerint, seu eos aut eorum res, possessiones, aut bona inuadentibus seu vastantibus se gracia protexionis obiecerint et opposuerint et qui ad dicti loci et structure conseruacionem manus porrexerint adiutrices, elemosinas suas erogauerint aut quociens cimiterium dicti
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monasterii aliqui circuierint aut ante aliquod altare dicte ecclesie in honorem domini nostri Jhesu Christi et suorum sanctorum intitulatum humiliter orando et qum hora serotina campana pulsabitur venialis genua flexerint, totiens quotiens aliquod premissorum deuote fecerint, quadraginta dies indulgenciarum vna cum vna karena de iniunctis eis in confessione penitenitiis de omnipotentis dei misericordia et beatorum apostolorum eius Petri et Pauli auctoritate confisi in domino misericorditer relaxamus, similes eciam indulgencias illis de qualibet particula reliquiarum inibi copiose contentarum, qui ad eandem pro venerandis huiusmodi sanctorum reliquiis accesserint, modo vt premittitur, misericorditer indulgemus. In quorum omnium euidenciam sigillum nostrum presentibus est appensum. Datum in castro nostro Butzowe anno gracie millesimo quadringentesimo, feria secunda post festum beati Brictii, confessoris domini gloriosi.
Das Original ist in einer festen Minuskel auf Pergament geschrieben. An einer Schnur von rother Seide hängt des Bischofs kleineres, rundes Siegel: zwischen zwei Nischen, in welchen Engel stehen, der rechts gelehnte meklenburgische Schild mit dem meklenburgischen Helme darüber; Umschrift:
Nr. XXXV.
Der Knappe Sivert von Oertzen zu Roggow macht vor seiner Reise in das gelobte Land sein Testament für das Kloster Doberan, indem er 200 lüb. Mark Capital in Detershagen oder Zwedorf zu Seelenmessen und Almosen fundirt und sein Begräbniss im Kloster bedingt.
D. d. 1431. Dec. 21.
Nach dem Originale im grossherzogl. Geh. u. Haupt-Archive zu Schwerin.
Ik Zyuerd van Ortzen, knape, wânachtich to Roggowe, bekenne vnde betûghe ôpenbare an desseme brêue vôr allesweme, dat ik myt mynen
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rechten eruen na râde vnde na vulbort alle der
yênnen, der ere râd vnde vulbort van rechtes
weghene hîr to êschende was, hebbe reckelliken
rechtuerdighen rechtuerdigher ghâue gheuen vnde
vorlâten, vorlâte vnde vorgheue yeghenwardighen
deme gheystliken yn god vâdere vnde heren hern
Bernd ahbete vnde deme ghantzen conuente des
munsters Dobberan vnde eren nakômelinghen to
zêligher, êwigher dachtnisse twêhundert lubische
mark lubischer penninghe, de ik hebbe ghedâen to
der nûghe Henneke Moltken, wânachtich to der
Nyghenkerken, vppe dat ghûd to deme
Deterdeshaghen to sunderghen, de ze schôlen
hebben vthe deme alderrêdesten ghûde na
vtwynsinghe des brêues, den my Henneke Moltke
vôrbenômet dâr vp heft ghegheuen. Vôr desse
twêhundert lubische mark lubischer penninghe
schal de abbet to Dobberan vnde dat conuent
dârsulues alle iâr iârliker renthe vpbôren vt
dessen êrbenômeden alderrêdesten gûderen
twintich lubische mark lubischer penninghe, dâr
ze alle iâr schôlen mede tûghen strazeborgher to
monnike kaghelen, dâr me gôde missen ane lest,
vmme der sâlicheit willen myner zêle vnde myner
olderen. Vortmer zo schal vnde wil de abbet to
Dobberan dâr af tûghen ên grawe lâken alle iâr,
dat he schal gheuen armelûden an de êre godes,
den des n
t vnde behûff is, vmme de lêue
godes. Ok zo schal vnde wil de abbet dâr af
tûghen lâten zo vele nygher pâ
e
r
schô
e
, alse me vmmme êne lubische
mark lubischer penninghe kan tûghen, vnde lâten
deme portheren de gheuen armen lûden efte
pelegrymen an de êre godes. Vurdermer so schal
vnde wyl de êrbenômede here vnde abbet to
Dobberan edder syne nakômelinge dâr af tûghen II
tunne Butzowesches bêrs syme conuente, wannêr
dat my dat couent begheyt mit vyllien vnde mit
zêlemissen to twên tiiden yn deme iâre, I tunne
schal he gheuen dem couente, wen se my vyllie
zynghen yn myner iârverst, de anderen schal he
gheuen dem couente, wen my dat couent to deme
anderen mâle begheyt yn deme suluen iâre mit
vyllien vnde myt zêlemissen vmme de tiid, als
myne eruen mit deme abbete vnde couente dâr vmme
êndregen. Vortmer den brêf, den
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my Henneke Moltke vôrbenômet heft ghegeuen vnde vôrantwardet vppe dat vôrscreuen, gûd to deme Deterdeshaghen vôr desse êrbenômede twêhundert lubische mark lubischer penninghe vnde XX lubische mark iârliker renthe der suluen munthe, den hebbe ik ghegeuen vnde vôrantwardet vnde gheue ieghenwardighen deme gheistliken yn god vâdere vnde heren hern Bernd abbete vnde deme gantzen couente to Dobberan myt aller kraft vnde macht, alse he is screuen vnde bezeghelt mit aller ynholdinghe an al synen worden vnde articulen, vnde mâke den heren abbet to Dobberan vnde syn couent to vullenkômenen hôuetlûden desses vôrbenômeden brêues, se dâr mede to mânende, to dônde vnde to lâtende yn aller macht, na vtwysinghe des brêues, lyke alse my suluen, also langhe wen Henneke Moltke vôrbenômet edder syne rechten eruen de twêhundert lubische mark lubischer penninghe vnde XX lubische mark der suluen munthe iârliker renthe dem abbete vnde couente to Dobberan wedder gheuen vnde to êner nûghe, na vtwysinghe des êrbenômeden brêues, de vppe dyt vôrbenômede gûd to deme Deterdeshaghen is sprekende vnde vtwysende, wol to der nôghe heft berêth, vppe êne tiid, sunder schâden vnde hynder. Vurdermêr wannêr dat Henneke Moltken, to der Nyghenkerken wânachtich, edder syne rechten eruen na vtwîsinghe des vôrbenômeden brêues, den ik van em hebbe entfanghen, desse vôrscreuen twêhundert lubische mark lubischer penninghe vnde XX lubische mark iârliker renthe wedder lôsen, zo schal vnde wil de abbet to Dobberan vnde couent dârsulues, de denne synt to der tiid, desse vôrbenômede twêhundert lubische mark lubischer penninge wedderlegghen vnde êwighen stedighen an de gûdere to den Twendorpen vppe deme Bughe, dâr ze deme couente to Dobberan êwich schôlen blyuen, van welken vôrbenômeden twênhundert lubischen marken lubischer penninghe denne an den tiiden de abbet to Dobberan, dede denne to der tiid ys, alle iâr dar vor schal vnde wyl vtgheuen XV lubische mark lubischer penninghe êwigher renthe vthe den Twendorpen êwigher zeligher dachtnisse to gôde myner zêle vnde myner olderen, alsodâner wyse, alse hîr na screuen steyt: to deme ersten male so schal vnde wyl de here abbet to Dobberan alle iâr
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zyneme couente gheuen VIII lubische mark
lubischer penninghe êwigher iârliker renthe, dâr
me mede schal tûghen strazeborgher to monnike
koghelen, dâr me gôde missen ane lest; vortmer
zo schal vnde wil de êrbenômede here abbet to
Dobberan syme couente gheuen hîr af II tunne
Butzowesches bêres, wen my dat couent dârzulues
begheyt myt vyllyen vnde mit zêlemissen, twye
des iâres, êne tunne to der ênen tiid vnde de
anderen to der anderen tiid, wem my dat couent
villye vnde zêlemissen zinget des zuluen iâres,
wente myne andachtlike gheistlike boghêringhe
also is to gode, dat my dat couent to Dobberan
des iâres twye boghaa mit villyen vnde mit
zêlemissen, dat ze my also dat schôlen êwighen
holden; vurdermer so schal vnde wil de abbet to
Dobberan IIII lubische mark lubischer penninge
êwiger iârliker renthe legghen yn dat ampt des
kâmerhôues to Dobberan, dâr schal de
kâmermeyster alle iâr vôr gheuen I grâwe lâken,
dat schal de porthere to Dobberan mit willen des
heren abbetes to Dobberan armen, nôttroftighen,
krancken lûden dêlen vnde gheuen yn de êre
godes, den des alderbest bohûf is; ôk zo schal
vnde wil de abbet vâkenghenômet van dessen
suluen vôrbenômeden XV lubischen marken
lubischer penninghe iârliker êwigher renthe deme
schômeyster to Dobberan alle iâr gheuen êne
lubische mark lubischer penninghe, dâr schal de
êrbenômede schômêster vôr gheuen yn de porten
alle iâr VI pâr nygher sch
, de de porthere schal gheuen
armen lûden edder pelegrymen, den des is bohûf
na râde des heren abbetes to Dobberan vmme
zâlicheit willen myner zêle vnde myner olderen.
Vnde desse vôrscreuene ghâue vnde almissen
schôlen myne eruen to êwigen tiiden nummer
krenken edder hynderen, men io dâr behulpelik to
wesende, ze mede to beschermende, vppe dat dat
myner zêle de êwighe zêlighe dachtnisse vnde
myner olderen to gode nicht werde krencket ofte
hyndert. Ysset ôk zâke, dat ik Zyuerd vôrbenomed
vormyddelst hulpe vnde gnâde des almechtighen
godes wedder kôme van desser zâlighen reyse to
hûs, zo schal desse brêf mit der vôrscreuenen
ghâue vnmechtich, qwyd vnde lôes wesen alse
verne, alse yd myn wille ys, vnde ik Zyuerd van
Ortzen êrbenômet
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dat nicht wedder êske van deme heren abbete to Dobberan vnde van syme couente. Vurdermer wen ik na der schikkinghe godes vorsterue van desser vorengliken werlde vnde dat schûde bynnen deme lande der heren to Mekelenborch, zo schal vnde wyl de abbet vnde couent to Dobberan my hâlen lâten yn ere klôster mit ereme wâghen vnde eren perden vppe myne kosten vnde vppe myn gûd, wes ik nâlâte mynen eruen: alle west dat kostet, dat schôlen myne nêghesten eruen gantzelken bekostighen vnde vtrêden vnde nicht dat godeshus. Wêret ôk sâke, dat my god almechtich my Zyuerd van Ortzen vormiddelst syner gotliken gnâde nême van deme myddele desser vorghengliken werld, also dat ik na der schikkinghe godes storue vppe desser reyse, zo schal desse ieghenwardighe brêff yn al syner ynholdinghe vnde bezeghlinge êwighen mechtich vnde vast blyuen vnde nummer to brekende van den mynen edder van mynen eruen an nynerleye wîse gheistliken efte werliken. Alle desse vôrscreuen stucke vnde ên iêwelk articul bysunderghen lôue vnde segghe ik Zyuerd van Ortzen myt mynen rechten eruen deme heren abbete vnde couente to Dobberan stede vnde vast to holdende an ghûden trûwen sunder iênigherleie arghelist, ze syn gheistlik efte werlik. To hôgher betûchenisse vnde mêrer bewâringhe aller desser vôrscreuen dinghe zo hebbe ik Zyuerd van Ortzen mit mynen rechten eruen, alse Hermen van Ortzen, myn brôder, vnde Clawes van Ortzen, knapen, her Mathias Axkowe, ridder, vnse inghezeghele witliken henghen lâten an dessen brêf, de gheuen vnde screuen ys na godes bôrt vêrteynhundert iâr dar na yn deme ên vnde dortighesten iâre, yn deme dâghe sunte Thomas, des hilghen aposteles.
Auf einem grossen Pergament, in
einer festen Minuskel. An Pergamentstreifen
hangen 3 Siegel mit eingelegten grünen
Wachsplatten:
1) ein Siegel mit dem von
örtzenschen Schilde und der Umschrift:
2) ein Siegel mit dem von
axekowschen und
3) ein Siegel mit dem
von örtzenschen Schilde, beide mit
zerbrochener und unleserlicher
Umschrift.
Vgl. Urk. vom 4. März 1441.
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Nr. XXXVI.
Der Knappe Siverd von Oertzen d. A. zu Roggow bestellt für den Fall, dass er von seiner Wallfahrt nicht heimkehrte, den Abt Bernhard von Doberan und den Ritter Matthias von Axecow zu Testamentsvollstreckern, giebt dem Abte sein Geld und seine Urkunden in Verwahrung und stiftet Almosen in Folge seines Testaments und eine ewige Lampe im Kreuzgange.
D. d. Roggow. 1441. März 4.
Nach dem Originale im grossherzogl. Geh. und Haupt-Archive zu Schwerin.
Ik Syuerd van Ortzen de older, knâpe, wônaftich to Rogghowe, bekenne, vôr alle den iênnen, de dessen brêff seen edder hôren lesen, vôr my vnde myne eruen, dat ik an trûwen vnde vppe lôuen hebbe vorantwordet deme êrwerdighen in god vâdere vnde heren heren Bernde, abbete to Dobberan, dessen naghescreuen summen goldes vnde gheldes, meer nicht ôk myn nicht, alze sos nobelen, hundert lubesche gulden, sostich rînsche gulden, vêrtich arnamesche gulden, sos biscoppes gulden, hundert lubesche marc gûder munte vnde viif vnde vêrtich marc lubesche munthe an golde vnde lubeschen ghelde, vnde myne lâden myd mynen brêuen, dâr dit vôrghescreuen gold vnde pennynghe inne beslâten sint. Vorbat beghêre ik Syuerd van Ortzen vôrbonômet, hôchliken biddende den êrghenanten heren Bernde, abbete to Dobberan, vnde den strenghen ridder her Mathias Axkowen vmme godes willen, wêre id dat ik nach deme willen godes nablêue vppe der reysen, de ik an der schikkinghe vnses heren godes denke to důnde, dat se van desseme vôrghescreuen summen goldes vnde gheldes betâlen myne schuld, so verne alze dâr borst vnde brôke worde an mynen eruen, so dat se er nicht betâlen konden ofte wolden, vnde dâr nêghest schal de vôrbenômede her abbet vnde sîn conuent van deme golde, dat dâr blift na der betâleden schuld, so vele afftellen vnde nemen, dâr men môghelken mede holden mach vnde schal de almissen, de ik
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ghemâket hebbe mid deme suluen heren Bernde abbete vnde sîneme conuente, de dâr scheen schôlen an de êre godes vmme myner zêlen zâlicheit an deme godeshûse to Dobberan to êwighen tîden, alze dat clârliken holt de brêff, den ik en dâr vp ghegheuen hebbe. Ok schal de sulue her Bernd, abbet, vnde sîn conuent van desseme suluen golde afftellen vnde hebben druttich lubesche mare lubescher pennynghe to den veftich lubeschen marken, de ik en gantzliken vppelâten hebbe vnde lâte se en vpp ieghenwardich vnde wîse se dâr an in craft desses brêues, so dat se alle iâr môghen mânen vnde bôren de rente vnde pacht der vôrbonômeden veftich marken lubesch vte deme Deterdeshaghen na lûde Clawes Moltken brêue, den ik en dâr vpp vorantwerdet hebbe mid myneme gantzen willen vnde wittscop vulmechtighen, lîkederwîse oft he en van worde to worde toghescreuen wêre vnde lůdde, dâr se mede schôlen holden êne êwighe lampen in der brôder ganghe vôr deme parlore se an to stikkende alle nacht to der metten vnde vt to důnde, wan alle missen vte sint des dâghes, in deme suluen godeshûse to Dobberan. Vortmer wes dâr ôuer blift van desseme vôrgherôreden golde vnde pennynghen beuele ik gantzliken den vôrbonômeden heren Bernde abbete vnde her Mathias Axkowen riddere vnde gheue en vulkômene macht in craft desses brêues, dat se dat gheuen an de hende der armen, alze en dat aldernůttest důnket. Desse vorantwerdinghe is ghescheen an des vâkenghenanten heren Berndes abbetes hende to Dobberan vppe sîner kemmenade. Dâr an vnde ôuer wêren de ghêstliken heren: Andreas Bukowe kelre, Johannes Hasselbeke bursarius to Dobberan vnde de beschêdene man Nicolaus Smyd, des suluen heren abbetes notarius, den ik dat sulue gold vnde gheld totellede vppe des heren abbetes hôue to Dobberan in synes kôkenmesters kâmeren, des êrsten vrydâghes in der vasten, na den iâren vnses heren dûsent vêrhundert in deme ênvndevêrtighesten iâre. To hôghere bekantnisse alle desser vôrscreuen stukke vnde vulkômener witscopp mynes beghêres hebbe ik myn ingheseghel henghen lâten mit wittscop vôr dessen brêff, gheuen vnde screuen to Rogghowe
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an deme vôrghescreuen iâre der bôrd Cristi, des êrsten sonâuendes in der vasten.
Das Original ist auf Pergament in einer festen Minuskel geschrieben. An einem Pergamentstreifen hängt ein rundes Siegel mit zwei Armen, welche einen Schild halten: Umschrift:
Auf der Rückseite steht:
Computacio testamentariorum ex parte Sifridi
de Ortzen. Siegfried von Oertzen starb am 1.
Julii 1449 im gelobten Lande und ward auf
dem Berge Zion bei den Franziskanern
begraben; vgl. unten sein Kenotaph in den
"Blättern zur Geschichte der Kirche zu
Doberan".
Vgl. Urk. vom 21. Dec. 1431.
Nr. XXXVII.
Der Ritter Matthias Axecow stiftet für sich und sein Geschlecht Seelenmessen und Almissen in dem Kloster Doberan mit 39 Mk. 4 Sch. lüb. Hebungen aus den Dörfern Redewisch, Steinbeck und Nienhagen.
D. d. Doberan. 1439. Febr. 2.
Nach dem Originale im grossherzogl. Geh. u. Haupt-Archive zu Schwerin.
Ik Mathias Axcowe ridder bekenne vnde betûghe âpenbar vôr my, myne hûsfrôwen Ghezen vnde myne rechten eruen an desseme iêghenwardeghen brêue vôr alsweme, de ene zût ofte hôret lezen, dat yk by myneme zunde wolmechteghen lîue myt vrighen, wolbedachten, berâdenen môde, myt vulbôrd der vôrgherûrden myner nêghesten eruen vmme heyls vnde zâlecheyt wyllen myner zêle vnde myner lêuen olderen: heren Werners Axcowen rydders, mynes vâders, vor Greten, myner môder, heren Johannes vnde Vredrekkes, ôk ryddere, Karles, Werners vnde Clawezes, knâpen, myner brôdere, alle hêten Axcowe, vor Gheze, myner hûsfrôwen, vor Bheken vnde Rikkarde, myner zustere, heren Heydenrik Bibowen ridders, myner hûsfrôwen vâders, vor Abelen Bibowen, erer môder, Helmold vnde Hans Bibowen, knâpen, erer brôdere, Beaten, erer zuster,
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vor Ghezen, ôk wandâghes myner hûsfrôwen, vnde al
vnzer kindere, vrunde vnde naghebâren, vns allen
to heile, trôste vnde vorlâtynghe vnzer zunde,
deme êwerdeghen an god vâdere vnde heren hern
Bernde abbete vnde gantzen conuente tho Dobbran
vnde allen eren nakômelinghen hebbe
thoghetêkent, lâten vnde gheuen, lâte vnde gheue
iêghenwardych an craft desses brêues
neghenvndedrothech mark lubesch, alzo bynnen
Lubek vnde der Wismer ghenghe vnde gheue zynt,
vnde vêr schillynghe der zuluen můnte
iârlikes ingheldes vnde rente herenbêde an
dessen nascreuen gûderen, alzo thôr Redewysch
vefteyen mark lubesch myn vêr schillinghe, tôr
Stenbeke twelf mark lubesch vnde tôme
Nigenhaghene dortyendehalue mark lubesch
vôrscreuener munte, myt zodâner vryheyt vnde
êghendôme, alzo my vnde mynen rechten eruen de
vôrscreuen neghenvndedorthech mark lubesch vnde
vêr schillinghe iârlikes yngheldes van den
erluchteden hôchgebâren vrôwen vnde heren,
vrôwen Katherinen herteghinnen, heren Hinrike
vnde Johanne, herteghen to Mekelenborch,
vorstinnen vnde fforsten to Wenden, greuinne
vnde greuen to Zwerin, der lande Stargharde vnde
Rostok vrôwen vnde heren, de aldervrighest
vorêghent vnde vorseghelt zynt an der bêde
bynnen den vôrbenômeden gûderen, my edder mynen
eruen ofte nêmende nycht myt alle, âne den heren
wedderkôp, dâr ane to beholdende, na lûde vnde
inholdynghe erer brêue, welleker brêue ik her
Mathias Axcow ridder vôrbenômet deme heren
abbete vnde zyneme conuente to Dobbran myt
vulkâmen wyllen hebbe vorantwardet, en zo
hulpelik, brůkelik vnde nutte to wesende,
ofte ze en van worden to worden, lîkerwis alzo
ze my vnde mynen eruen to lůden, wêren
toscreuen, vnde hebbe ze v
rt anghewîset myt den zuluen
brêuen an brûkelke besittinghe vnde bôrynghe der
vôrbenômeden rente. Desse zuluen
neghenvndedortech mark lubesch vnde vêr
schillinghe iârlikes ingheldes vnde rente schal
me anlegghen vnde schikken to almissen to deme
dênste godes vnde zâlecheyt der êrbenômeden
zêlen an desse nabescreuen wyze, zo dat de
kelre, de tôr tiid ys, van den XIX marken vnde
vêr schillinghen alle iâr êweghen to twên tiiden
an deme iâre, alzo to sunte Mathias dâghe vnde
sunte Thomas dâghe, der twyer apostele dâghe
ns iêwelken schal schikken vnde êr-
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liken vorseen deme conuente myt ême dênste myt
vêr gûden richten vnde myt dr
n tunnen gûdes Butzowesches bêrs,
dâr vôr schôlen de heren vnzer zêlen denken myt
villyen vnde myt zêlenmyssen vnde êrliken
beghâ
e
n myt eren andachtigen beden
vmme verlâtinghe aller zunde; vortmer XX mark
lubesch schôlen denne des godeshûs kinderen to
kaghelen van berwer, Strâseborgher efte Ysenak,
wes me geddelisch to kôpe kan vinden. Vortmer
ofte de herschop desse rente vôrscreuen to
tokamen tiiden lôzen willen vnde lôzen na lûde
erer brêue, zo schal de here abbet vnde conuent,
de tôr tiid zynt, dâr ghelt wedder anlegghen
vnde zodâne wisse rente mede mâken vnde desse
vôrscreuen stucke to êweghen tiiden dâr van
holden, my ofte mynen eruen edder nêmande dâr
vurder vp to zâkende. Alle desse artikele
vôrscreuen vnde ên êslik by zyk lâue ik Mathias
Axcow ridder vôr my vnde myne hûsfrôwen Gheze
vôrbenômet vnde myne rechten erue stede vnde
vast wol to holdende an gûden trôwen, zunder
alle arch. To grôterme lôuen vnde bewâringhe
hebbe ik myn inghezeghel vôr my, myne hûsfrôwen
vnde mynen rechten eruen vnde wy Henneke tôme
Gnemere vnde Kersten to Blizekowe wânaftich,
ghenômet Axcowen, vedderen, vnde Hans
Stralendorp tôme Gammel hebben vnze ingheseghele
to tûchnysse vnde wytlicheit myt wyllen vnde
vullenkâmener wêtenheyt henghen hêten vnde lâten
vôr dessen brêff, gheuen vnde screuen to Dobbran
na godes b
rt dûsentvêrhundert an deme
neghenvndedrutteghesten iâre, an vnzer lêuen
vrôwen dâghe to lichtmissen.
Auf Pergament in einer festen Minuskel. An Pergamentstreifen hangen 4 etwas undeutlich gewordene Siegel, die ersten mit dem axecowschen, das vierte mit dem stralendorfschen Wappen.
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Nr. XXXVIII.
Der Ritter Matthias Axecow stiftet für sich und sein Geschlecht Seelenmessen in dem Kloster Doberan mit 8 Mk. lüb. Hebungen aus dem Dorfe Brusow.
D. d. Doberan 1445. März 25.
Nach dem Originale im grossherzogl. Geh. u. Haupt-Archive zu Schwerin.
Ik Mathias Axcow rydder bekenne vnde betûghe vôr
my vnde myne hûsffrôwen vor Ghesen vnde myne
rechte eruen âpenbar an dessem iêghenwardighen
brêue vor alsweme, dat yk by myneme zunden
wolmechtighen lyue, myd vrygeme, wolbedachteme,
berâdenem môde, myd vulbord der vôrgher
rden myner nêghesten, vmme heyles
vnde sâlycheyd wyllen myner zêle vnde myner
lêuen olderen, heren Werners rydders, mynes
vâders, vor Greten myner môder, heren Johannis
vnde Ffrederikes, ôk ryddere, Kareles vnde
Claweses, knâpen, myner brôdere, alle hêten
Axcowen, vor Ghezen myner husfrowen, vôr Beken
vnde Rycardien, myner sustere, heren Heydenrikes
Bybowen, rydders, myner hûsfrôwen vâder, vor
Abelen, erer môder, Helmold vnde Hanses Bybowen,
knapen, der genanten myner husfrowen brôdere,
Beaten erer suster, vor Ghesen, ôk wandâghes
myne hûsfrôwe, vnde alle vnser kyndere, vrunde
vnde naghebôren, vns allen to tr
ste vnde vorlâtynge vnser zunde,
deme êrwerdighen vâdere an ghod vnde heren hern
Johanni abbete vnde der ghemeynen zâmmelinge to
Dobberan vnde allen eren nakômen hebbe
toghetêkent, lâten vnde gheuen, lâte vnde gheue
ieghenwardich an krafft desses brêues achte mark
lubesch, alze bynnen Lubek vnde der Wismer
ghenghe vnde gheue zynt, iârlikes ingheldes vnde
bôrynge an der heren bêde bynnen deme dorpe tôr
Brusow myd zodâner vrygheyd vnde êghendôme, alze
my vnde mynen rechten eruen de vôrscreuen achte
mark gheldes von den hôghgebôren vrowen vnde
heren, vrowen Katherynen herteghynnen, heren
Hinrike vnde Johanne, herteghen to Mekelenborgh, ffurstynnen
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vnde ffursten to Wenden, greuynnen vnde greuen to
Sweryn, der lande Stargarde vnde Rostok vrowen
vnde heren, de aldervrygest vorêghend vnde
vorsegheld zynd an den êrbenômeden bêde vnde
dorpe, my, mynen eruen edder iêmande nicht myd
alle dâr ane to beholdende, sunder allênen den
heren den wedderkôp, na lûde erer brêue, welkere
brêue ik Mathias Axcow rydder vôrbenômed deme
heren abbete vnde clôster myd vulkâmenen wyllen
hebbe vorantwerdet, en zo hulplyk, br
klyk vnde nutte to wesende, alze
my suluen vnde mynen rechten eruen, vnde hebbe
ze vord anghewysed myd den suluen brêuen an
brûkelke besyttynge vnde bôrynge der êrbenômeden
bêde myd zodâner vnderschêde, de here abbet ze
schal anleggen vnde schycken t
r êre ghodes vnde zâlycheyt der
vpgenanten zêlen, nâmelken deme conuente ênen
ghûden dênst myd veer rychten vnde twên tunnen
Butzowesches bêrs vppe sunte Jacobes dach des
hillighen apostels; dar v
r schal dat sulue conuent myner
vnde der vpgenanten zêlen innyghen denken myd
vigilien vnde zêlmissen vnde êrlyken beghâen,
alze ik en des betrûwe. Vurdermeer wen de
herschop zodâne bêde vnde bôrynge lôzet na lûde
erer brêue, schal de here abbet zodâne gheld
wedder anleggen vnde wysse renthe mede mâken
vnde dat vôrbenômede zêlgherede dâr aff holden
to êwyghen tiiden. Alle desse artikele bôuen
vnde na screuen vnde ên yslyk by syk lâue ik
Mathias Axcow rydder vôr my, myne hûsfrôwen
Ghesen êrbenômed vnde myne rechten eruen stede
vnde vast wol to holdende sunder alle argh an
ghûden trûwen. To grôterem lôuen hebbe ik
Mathias Axcow rydder vôr my, myne hûsfrôwen vnde
myne rechten eruen myn ingheseghel, alze en
hôuetman, vnde wy Ffrederik, Henneke vnde
Kersten, alle nômet Axcowe, vedderen, vnde Hans
Stralendorp, Vicken zône, tôme Gammele, hebben
ôk vnse ingeseghele alle alze witschoppes vnde
tûgheslûde myd vulkâmenem wyllen hengen hêten
vôr dessen brêff, gheuen vnde screuen to
Dobberan dûsent veerhundert amme viif vnde
veertighesten iâre, amme ghûden wytten
donredaghe na der bôrd Christi vnses heren.
Auf Pergament in einer festen Minuskel. Die Siegel sind von den 5 Pergamentstreifen sämmtlich abgefallen.
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