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I.
Ueber
von
F. Boll
,
Prediger zu Neu=Brandenburg.
S chon oft ist den Gelehrten, welche mit der älteren Geschichte der slavischen Länder zwischen der Oder und Elbe an der Ostsee sich beschäftigt haben, die Erscheinung aufgefallen, daß, nachdem in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Mecklenburg, in den anstoßenden Marken, zum Theil in Pommern und auf Rügen das Heidenthum mit Waffengewalt war ausgerottet worden, in verhältnißmäßig kurzer Zeit die slavische Nationalität fast spurlos verschwunden ist und diese Länder so vollständig germanisirt erscheinen, daß die deutsche Sprache, und zwar niedersassischen Dialekts, in ihnen die herrschende ist. Früher suchte man diese Erscheinung einerseits durch eine geflissentliche Vertreibung und Ausrottung der Slaven, andrerseits durch Einwanderung deutscher Colonisten in die verödeten Länder zu erklären. Wenn nun auch eine solche absichtliche Vertilgung der Slaven und Einführung deutscher Ansiedler durch urkundliche Zeugnisse und Nachrichten gleichzeitiger Schriftsteller für gewisse Gegenden mit historischer Sicherheit feststeht: so ist doch beides nicht in dem Grade und der Ausdehnung nachzuweisen, ja auch nicht einmal als wahrscheinlich anzunehmen, daß hieraus allein schon hinreichend es sich erklären ließe, wie in diesen Provinzen die slavische Sprache so schnell bis auf geringe Ueberbleibsel aussterben und der niedersassische Dialekt dafür allgemein gebräuchlich werden konnte.
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Um diese Schwierigkeit zu beseitigen, hat man in neueren Zeiten eine Hypothese aufgestellt, die sich allerdings dadurch sehr empfiehlt, daß sie diese Schwierigkeit sehr einfach löset. Man hat das ganze Slaventhum des ehemaligen Obersachsens und des ostelbischen Niedersachsens, so wie es gewöhnlich verstanden wird, mit zu den vielen Fabeln gehörig erklärt, die sich in unsern Geschichtsbüchern von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt haben. Am Ende der sogenannten Völkerwanderung, sagt man, war das Land zwischen der Oder und Elbe von dem deutschen Volksstamme der Warner bewohnt. Im 6. Jahrhunderte kamen zwar diese Länder (Holstein, Meklenburg, Vorpommern, die Chur=Mark u. s. w.) unter die Botmäßigkeit der sich ausbreitenden Sachsen, welche die Warner unterjochten. Als aber die Sachsen mit ihren westlichen Nachbaren, den Franken, in Kampf geriethen, waren sie nicht im Stande, ihre östlichen Eroberungen hinlänglich zu schützen und so konnten von jenseits der Oder her, besonders im 8. Jahrhunderte, die Slaven in die von den Warnern bewohnten Länder eindringen und sich zu Herren derselben machen. Seitdem standen die Länder an der Südseite der Ostsee bis mitten in Holstein hinein unter slavischer (wendischer) Herrschaft; die slavischen Fürsten und Edlen vertheilten den Grundbesitz unter sich; nur in einzelnen Gegenden wurden auch slavische Unfreie, - meistens nur Hirten und Fischer, - angesiedelt. Aber der Hauptstock der Bevölkerung, die uralten Landbauer, war und blieb echt germanisch und bewahrte deutsche Sitte, Recht und Sprache. Immer mehr neigten sich die slavischen Herren dem Volksthume der Unterthanen zu, und als endlich das Christenthum dauernd eingeführt ward und die meklenburgischen, rügenschen und pommerschen Fürsten Stände des deutschen Reichs geworden waren, verschwand in kurzer Zeit auch die letzte Spur des Slaventhums. - Demnach hätten wir uns im Wendenlande ein ähnliches Verhältniß zu denken, wie heutiges Tages in Kurland und Liefland stattfindet. Der Adel auf dem Lande und die Bürger in den Städten sprechen deutsch, denn sie stammen von eingedrungenen Deutschen; das unterjochte Landvolk aber spricht noch nach Jahrhunderten die Sprache seiner lettischen Vorfahren; im Verkehr mit demselben bedienen sich die Herren der Sprache ihrer Unterthanen, denn hierin muß sich der Einzelne nach der Menge richten. Gleicherweise wäre denn auch im Wendenlande zwischen der Oder und Elbe die Sprache der herrschenden Adelsgeschlechter zwar die slavische gewesen, ihre deutschen Unterthanen hätten aber ihre deutsche Sprache behalten;
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natürlich müßten die slavischen Herren aber auch die deutsche Sprache gesprochen haben, denn sonst wäre eine Verständigung und Verkehr mit ihren Unterthanen unmöglich gewesen. Das rasche Verschwinden der slavischen Sprache nach Ausrottung des Heidenthums hätte dann in der That nichts Auffallendes mehr, denn nachdem mit dem Heidenthume auch die slavische Herrschaft gebrochen, wäre die deutsche Sprache nur in ihre alten Rechte wieder eingetreten.
Allerdings erklärt diese Hypothese die rasche Germanisirung des Wendenlandes auf eine leichte und genügende Weise. Das aber ist nach meiner Meinung auch Alles, was man von ihr rühmen kann. Allerdings ist es das Amt der Kritik, das Gebiet der Historie von Fabeln, die sich in den Geschichtsbüchern von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt haben, zu reinigen und aus dem Bereich der Geschichte wieder in das Gebiet der Mährchen zu verweisen. Aber es ist auch eben so sehr Pflicht der Kritik, das Gebiet der Geschichte von Hypothesen frei zu halten, welche vielfachen historischen Zeugnissen schnurstracks zuwider laufen.
Wir wollen uns nicht auf die mißliche Untersuchung über den Volksstamm der Warner und ihre Wohnsitze im Nord=Osten Deutschlands, so wie über ihr Verhältniß zu den Thüringern einlassen. Wir wollen auch nicht untersuchen, ob, als die Slaven von den Ländern zwischen der Oder und Elbe Besitz ergriffen, ein Theil der früheren deutschen Einwohner zurückgeblieben sei. Kann sein, kann auch nicht sein. Wer nein dazu sagt, hat wenigstens eben so viel Recht, als wer ja dazu spricht, denn an historischen Zeugnissen fehlt es so gut für das eine, wie für das andere. Das aber läßt sich durch genügende Zeugnisse gleichzeitiger und mit der Sachlage hinreichend bekannter Schriftsteller beweisen, daß, nachdem seit Karls d. Großen Eroberungszügen der Vorhang allmälig aufrollt, der bis dahin die Volksstämme zwischen der Elbe und Oder verbarg, bis zur Ausrottung des Heidenthums in diesen Ländern, die Muttersprache ihrer Einwohner ausschließlich die slavische war. Ich werde deßhalb zunächst diejenigen Beweisstellen beibringen, in denen von gleichzeitigen Geschichtschreibern den Volksstämmen zwischen der Oder und Elbe als ihre Sprache die slavische beigelegt wird. Damit man mir aber nicht einwende, daß sich diese Zeugnisse nur auf die Muttersprache der slavischen Herren bezöge, keineswegs aber dadurch bewiesen werde, daß nicht die Muttersprache ihrer Unterthanen fortwährend die deutsche geblieben sei: so werde ich Stellen in hinreichender Anzahl aufführen, aus denen unwiderleglich hervorgeht, daß die
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deutsche Sprache in diesen Ländern jener Zeiten eine gänzlich fremde war und nicht verstanden wurde, vielmehr die slavische Sprache allgemein herrschende Volkssprache, sowohl der herrschenden edlen Geschlechter, als auch ihrer Unterthanen war.
Meine Beweisführung beginne ich mit einer Stelle, in der man sonderbarer Weise eine Andeutung hat finden wollen, daß unter jenen in Ostdeutschland wohnenden Völkerschaften, obwohl wir sie zur slavischen Nation zu zählen pflegen, dennoch die deutsche Sprache die vorherrschende gewesen sei. Sie ist dem berühmtesten unter den ältern Geschichtsschreibern der Deutschen entlehnt, dem Einhard, aus der Lebensbeschreibung Karls d. Großen, der zuerst in die Länder am rechten Elbufer vordrang und die Volksstämme jener Gegenden seiner Botmäßigkeit unterwarf. Er zählt cap. 15. die Eroberungen auf, welche dieser Kaiser zum fränkischen Reiche hinzugefügt habe: Aquitanien, Wasconien, Spanien bis zum Ebro, dann ganz Italien, dann das große Sachsenland, dann Pannonien und die Länder südlich von der Donau bis zum Adriatischen Meere. Deinde, fährt er fort, omnes barbaras ac feras nationes, quae inter Renum ac Visulam fluvios, oceanumque ac Danubium positae, lingua quidem paene similes, moribus vero atque habitu valde dissimiles, Germaniam incolunt, ita perdomuit, ut eas tributarias efficeret. Inter quas fere praecipue sunt Welatabi, Sorabi, Aboditri, Boemanni - cum his namque bello conflixit - ; caeteras, quarum multo major est numerus, in deditionem suscepit. Offenbar versteht Einhard unter diesen barbaris ac feris nationibus slavische Stämme, und zwar nur sie allein, keinesweges aber begreift er deutsche Stämme mit darunter, denn die von Karl unterworfenen deutschen Stämme, die Sachsen, hatte er bereits erwähnt. Zwar ist in der Bestimmung "zwischen dem Rhein und der Weichsel" die Westgränze sehr ungenau angegeben, weil bis zum Rhein die Slaven sich niemals ausgedehnt haben, aber was ihn zu dieser vagen Bestimmung bewogen hat, ist nicht schwer einzusehn. Die Elbe konnte er nicht als Westgränze setzen, weil zu seiner Zeit die Slaven sich weit über diesen Strom hinaus dem Rheine zu erstreckten. Nicht allein die Sorben, die Böhmen wohnten noch westwärts der Elbe; auch die Gegend, wo später das Bisthum Bamberg entstand, war damals noch von Slaven bewohnt. Dadurch nun, daß er die Welataben (im östlichen Meklenburg und
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Vorpommern), Sorben (zwischen Elbe und Saale), Abodriten (im westlichen Meklenburg) und Böhmen als die vornehmsten unter diesen Völkerschaften aufzählt, bezeichnet er sie hinlänglich deutlich genug als die slavische Nation. Von diesen Völkerschaften nun versichert er ausdrücklich: sie sind lingua paene similes. Kann unter dieser Sprache eine andere als die slavische gemeint sein? Wie es möglich gewesen ist, in dieser Stelle eine Andeutung zu finden, daß die deutsche Sprache damals unter diesen Völkerschaften die herrschende gewesen sei, ist mir freilich unbegreiflich. Denn die Erwähnung der Boemanni hätte doch sogleich jeden Gedanken an deutsche Sprache niederschlagen sollen. Es zeigt sich hier vielmehr deutlich, daß die neue Hypothese offenbar über ihr eignes Ziel hinausreicht. Denn was für die andern Stämme zwischen der Oder und Elbe geltend gemacht wird, müßte auch eben so sehr für die Böhmen gelten. Auch hier müßte der Hauptstock der Bevölkerung deutsche Sitte und Sprache bewahrt haben, und auch in Böhmen heutiges Tages deutsch statt slavisch gesprochen werden. Denn warum es sich mit Böhmen allein anders verhalten solle, ist ohne Beweis nicht füglich abzusehen.
Ein gleiches Zeugniß wie Einhard legen für die Herrschaft der slavischen Sprache im Wendenlande die beiden Männer ab, die unter allen Geschichtschreibern des Mittelalters mit den Volksstämmen dieser Gegenden am genauesten bekannt waren, ich meine Adam von Bremen und Helmold. Adam theilt uns in seiner Geschichte des Erzbisthums Hamburg, zu welchem die nördlichen Slaven bis gegen die Oder hin gehörten, sehr genaue Nachrichten über diese Volksstämme mit. An dem Orte, wo er am ausführlichsten von ihnen handelt, lib. II, cap. 10, schreibt er: nos autem, quoniam mentio Slavorum totiens incidit, non ab re arbitramur, si de natura et gentibus Slavaniae historico aliquid dicamus compendio, eo quod Slavi eo tempore studio pontificis nostri Adaldagi ad Christianam fere sint omnes religionem conversi. Slavania igitur amplissima Germaniae provincia a Winulis incolitur, qui olim dicti sunt Wandali, dec ies major esse dicitur, quam nostra Saxonia, praesertim si Boëmiam et eos, qui trans Oddoram sunt, Polanos, quia nec habitu, nec lingua discrepant, in partem adjeceris Slavaniae. - Wo ist nun hier eine Spur davon, daß der Haupttheil der Bevölkerung dieser Länder der deutschen Nation angehörte und deutsch redete? Es sind Wenden, in Sprache und Tracht nicht verschieden von den Böhmen und Polen, also die Sprache bei ihnen eben sowohl die slavische,
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wie bei den Böhmen und Polen. Einhard erklärte zwar Sitten und Tracht unter den einzelnen Völkerschaften für sehr verschieden, nur in der Sprache seien sie sich fast ähnlich, durch welchen Ausdruck offenbar die dialektischen Verschiedenheiten bezeichnet werden. Was aber die abweichende Angabe über ihre Tracht bei Einhard und Adam betrifft, so müssen wir entweder annehmen, daß in den drittehalb Jahrhunderten, die zwischen beiden liegen, eine größere Ausgleichung in der Tracht unter den verschiedenen Stämmen stattgefunden habe, oder lieber, daß Adam die Verschiedenheit der Tracht bei den verschiedenen Stämmen nicht in Anschlag brachte, insofern der allgemeine Typus ihrer Tracht die Wenden von den Deutschen unterschied.
Die vollständigste Bestätigung erhält Adams Angabe durch Helmold, der eben zu der Zeit schrieb, als Herzog Heinrich der Löwe, Markgraf Albrecht der Bär und König Waldemar mit seinem streitbaren Bischof Absalon ihre vereinten Kräfte aufboten, um dem Heidenthum und der Freiheit der Slaven ein Ende zu machen, und der uns in seiner Slaven=Chronik eine ausführliche Schilderung dieses düstern Dramas hinterlassen hat. Er lebte unter einer slavischen Völkerschaft (in Wagrien), als schon Waffengewalt dem Christenthum bei derselben den Sieg verschafft hatte, und geflissentlich durch deutsche Colonisation das Slaventhum unterdrückt ward 1 ). Er entwirft zu Eingang seiner Chronik eine Uebersicht der slavischen Völkerschaften, meistens nur Adams Angaben wiederholend, zum Beweise, daß er ihre Richtigkeit anerkannte. Dani siquidem, schreibt er, ac Sueones, quos Northmannos vocamus, septentrionale littus (Baltici maris) et omnes in eo obtinent insulas. At littus australe Slavorum incolunt nationes, quorum ob oriente primi sunt Ruzi, deinde Poloni, habentes a septentrione Pruzos, ab austro Bojemos et eos, qui dicuntur Morahi sive Carinthi, atque Sorabi. Quod si adjeceris Ungariam in partem Slavoniae, ut quidam volunt, quia nec habitu nec lingua discrepat, eo us que latitudo Slavi cae linguae succrescit, ut paene careat aestimatione.
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Diese drei Auctoritäten, Einhard, Adam und Helmold, wären nun eigentlich hinreichend, um die Herrschaft der slavischen Sprache im Wendenlande zwischen der Oder und Elbe zu beweisen, denn sie legen den hier sitzenden Volksstämmen die slavische Sprache ohne alle Einschränkung bei. Wie hätten sie dieses thun dürfen, wenn der Hauptstock der Bevölkerung nur deutsch redete, und die deutsche Sprache deßhalb auch den slavischen Herren des Landes nicht fremd war!
Aber auch dafür, daß die deutsche Sprache im Wendenlande wirklich eine gänzlich fremde war und von der gesammten Bevölkerung nicht verstanden ward 1 ), die slavische Sprache dagegen die ausschließlich herrschende Muttersprache dieser Völkerschaften war, lassen sich Beweisstellen in genügender Anzahl aufführen.
Der Bischof Thietmar von Merseburg hatte seinen Sprengel in einer Gegend, deren Bewohner Slaven (Sorben) waren, die das Christenthum erst unlängst angenommen hatten. Er erzählt uns in seiner Chronik, lib. II, cap. 23, daß seinem Vorgänger im Amte, dem Bischof Boso, quiä in Oriente innumeram Christo plebem predicacione assidua et baptismate vendicavit, der Kaiser die Wahl zwischen 3 Bisthümern im Slavenlande gelassen habe, zwischen Meißen, Zeitz und Merseburg. Pre hiis omnibus, eo quod pacifica erat, Merseburgensem ab Augusto exposcens aecclesiam, quamdiu vixit, studiose eandem rexit. Hic ut sibi commissos eo facilius instrueret, Sclavonica scripserat verba, et eos Kirieleison cantare rogavit, exponens eis hujus utilitatem. Qui vecordes hoc in malum irrisorie mutabant Ukrivolsa, quod nostra lingua dicitur: Aeleri stat in frutectum; dicentes: sic locutus est Boso, cum ille aliter dixerit. Also auch in diesen Gegenden, in denen wenige Generationen später die deutsche Sprache die allein herrschende ist, war damals die slavische die Volkssprache, denn nicht deutsch, sondern slavisch hatte Boso geschrieben, um ihnen das Christenthum leichter zugänglich zu machen; nicht deutsch, sondern slavisch war die verspottende Verdrehung des Kyrieleison. Wie kam es, daß hier die slavische Sprache so rasch der deutschen wich, da eine gewaltsame Ausrottung der slavischen Nationalität in diesen Gegenden weder statt fand, noch nöthig war, weil keine gewaltsame Reactionen gegen die
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Einführung des christlichen Kirchenthums seit jener Zeit unter ihnen mehr vorkamen? So viel ist wenigstens klar, durch jene neue Hypothese kann diese Erscheinung nicht erklärt werden. - Weiter erzählt Thietmar lib. VII, cap. 44, daß der Kaiser auf einem Feldzuge gegen Bolizlav von Polen im Jahre 1017 gekommen sei ad urbem Nemzi 1 ), eo quod a nostris olim sit condita dictam, wozu Herr Archivar Lappenberg, der Herausgeber des Thietmar in den Monumentis Germaniae die Anmerkung macht: vox Niemez Slavis est mutus sive peregrinus, qui eorum linguam non intelligit, ideoque praesertim Teutonicus, wie denn heutiges Tages noch die Russen mit diesem Namen die Deutschen bezeichnen. So hieß also eine Colonie, welche die Deutschen früher, wahrscheinlich auf einem ihrer Feldzüge gegen die Polen, als Grenzfeste, angelegt hatten. Wie paßt das zu der Hypothese, nach welcher der Hauptstock der Bevölkerung dieses Landes aus Deutschen bestand?
Zu den Zeiten Adams von Bremen herrschte Godschalk über die Abodriten und war ein vertrauter Freund seines Erzbischofs. Er hatte die sogenannten nördlichen Slavenstämme bis zur Peene seiner Herrschaft unterworfen und war eifrig bemüht, das Christenthum unter ihnen auszubreiten; bekannt ist es, daß er seinen Eifer für das Christenthum mit dem Märtyrertode büßte. Von ihm schreibt Adam lib. III, cap. 22: tanto religionis exarsit studio, ut ordinis sui oblitus, frequenter in ecclesia sermonem exhortationis ad populum fecerit, ea quae mystice (lateinisch) ab episcopis et presbyteris dicebantur, Slavanicis verbis cupiens reddere planiora 2 ). Wäre die, Hypothese richtig, nach welcher der Hauptstock der Bevölkerung deutsch sprach, hätte nicht auch Goldschalk in seinen Ermahnungen an das Volk sich der deutschen Sprache bedienen müssen? Geht nicht viel mehr klärlich aus dieser Stelle hervor, daß, weil Godschalk sich zu diesem Zwecke, um nämlich die Reden der Geistlichen dem Volke verständlich zu machen, der slavischen Sprache bediente, eben diese und nicht die deutsche die herrschende Volkssprache war?
Auch Helmold liefert uns für unsern Zweck sehr schlagende Beweisstellen. Er erzählt, lib. I, cap. 25, wie die nordalbingischen Sachsen, d. i. die Holsaten, Stormarn und Dietmarsen, dem slavischen Fürsten Buthue, Godschalks Sohn, der von seinen eigenen Landsleuten und Unterthanen unter Krukos An=
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führung in Plön belagert ward, zu Hülfe zogen; cumque pervenissent ad rivulum, qui dicitur Suale, quique disterminat Saxones a Slavis, praemiserunt virum gnarum Slavi caelinguae, qui exploraret, quid Slavi agerent, aut qualiter expugnationi urbis instarent. - Lib. I, cap. 83 berichtet er, wie Bischof Gerold von Oldenburg das dortige Bisthum wieder herstellte, welches bei der Empörung unter Godschalk zerstört worden. Gerold beruft den Bruno, der früher den Vicelin bei seiner Bekehrung der Slaven begleitet, dorthin; eine Kirche zu Oldenburg wird wieder aufgebaut und im Beisein des Grafen Adolph von Schauenburg durch Gerold am Tage Johannis des Täufers 1156 eingeweiht. Et praecepit Comes populo Slavorum, ut transferrent mortuos suos tumulandos in atrium ecclesiae et ut convenirent in solennitatibus ad ecclesiam, audire verbum dei. Quibus et sacerdos dei Bruno juxta creditam sibi legationem sufficienter administravit verbum dei, habens sermones conscriptos verbis slavicis, quos populo pronunciaret opportune. - Wozu braucht man einen Kundschafter, welcher die slavische Sprache verstand, wenn das gemeine Volk deutsch sprach? Wie konnte Bruno seine Predigten dadurch dem Volke verständlich machen, daß er sie slavisch hielt, wenn die Muttersprache desselben die deutsche war?
Von außerordentlicher Wichtigkeit für die Kenntniß der nordöstlichen Slaven sind die Lebensbeschreibungen des Pommern=Apostels, Bischofs Otto von Bamberg, über deren Werth und Gebrauch ich mich hier zunächst etwas ausführlicher verbreiten muß. Mir sind diejenigen zugänglich, welche Ludewig im ersten Theile seiner Scriptorum rerum Germanicarum mitgetheilt hat. - Im Jahre 1487 verfaßte Andreas, Abt des Michaelisklosters zu Bamberg, eine Lebensbeschreibung Ottos. Er legte 2 Quellen dabei zu Grunde: 1) das Leben Ottos von dem Mönche Ebbo, der es nach der Erzählung des Priesters Udalrich aufgezeichnet hatte. Diesen Priester Udalrich hatte sich Otto schon, als er das erste Mal nach Pommern ging, zu seinem Begleiter erkoren, aber Udalrich erkrankte und mußte damals zurückbleiben. Allein als Otto 1128 seine zweite Reise nach Pommern unternahm, begleitete ihn Udalrich und spielte so zu sagen als Bekehrer der Pommern die zweite Rolle. 2) Einen Dialog zwischen Sefried oder Sifried und Tiemo, und wahrscheinlich von dem ersteren concipirt. Sefried begleitete den Otto auf Udalrichs Empfehlung als eine Art Cancellist auf beiden Reisen, und erzählt in diesem Dialog dem Tiemo ihre
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Begegnisse im Pommerlande. - Diese beiden Quellen hat, wie gesagt, Andreas zum Grunde gelegt, indem er den Styl etwas besserte. Er war dazu von Johann Makarius, Guardian des Convents zu Bamberg, und dem Bischofe Benedict von Camin aufgefordert, und erklärt sich über die Abfassung seines Buches in 2 Zuschriften an diese Männer. Es heißt in der ersten: quia id mihi maxime fuit studii in opere isto, ut sententiam eandem verbis apertioribus proferrem, exceptis his, quae ob suam difficultatem et obscuritatem investigare penitus nequivi. In tantum autem, faciliora sequebar, ut, sicuti probari potest, alicubi eadem verba ponerem. Und in der zweiten: quocirca, beatissime pater, vobis placuit, bujusmodi onus mihi imponere, ut inter utrosque medius incedens etc. - Jener Dialog ist noch vorhanden und bei Ludewig pag. 632 seqq. abgedruckt; viele Capitel daraus hat Andreas fast wörtlich aufgenommen. Dasselbe hat er denn auch ohne Zweifel mit dem aus Udalrichs Erzählung entstandenen Werke Ebbos gethan, besonders da, wo Udalrich als mithandelnde Person der zuverlässigste Referent war, nämlich bei den Zurüstungen zur ersten Reise und über die zweite Reise. Diese wird vom 3ten Buche an mit Ebbos eigenen Worten erzählt, wie denn auch Ebbo auf dem Rande immer als Quelle angegeben ist. Das 3te Buch beginnt: cum infatigabilem domini ac patris nostri, pii Ottonis episcopi affectum, quo gloriam et cultum Christi non solum in Teutonicis, sed et in remotis barbarorum finibus euangelizando propagavit, assidua meditatione revolverem, nefas judicavi, tam laudabilia ejus gesta in fructuoso tegi silentio; unde non praesumptionis, sed potius intimae charitatis spiritu ductus, de secundo ejus apostolatu in Pomerania, sicut fidelis cooperator ejus Udalricus presbyter S. Aegidii mihi innotuit, scripto tradere curavi. Das können nicht des Andreas Worte, sondern nur Ebbos Worte sein. Ich werde also Zeugnisse von 2 Begleitern Ottos beibringen können, vom Sefried im Dialog und vom Udalrich in der nach seiner Erzählung von Ebbo aufgesetzten und vom Andreas seinem Buche einverleibten Lebensgeschichte Ottos.
Otto hatte, nachdem er seine Studien vollendet, längere Jahre in Polen zugebracht und dort die Landessprache erlernt: Dial. pag. 632: linguam quoque terrae illius apprehendit. Er ward hier Capellan des polnischen Herzogs Wladislav, der mit der Schwester Kaiser Heinrichs IV. verheirathet war, und ward oft zu Sendungen an den Kaiser gebraucht, der
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ihn später ebenfalls als Capellan in seine Dienste nahm, und endlich zum Bischofe von Bamberg erhob. Als nun Bolislav, der seit 1102 seinem Vater Wladislav als Herzog von Polen gefolgt war, die Pommern besiegt hatte, wandte er sich an Otto mit der Aufforderung, sich der Bekehrung der Pommern zu unterziehen, weil unter den Geistlichen seines Landes keiner diese gefährliche Aufgabe übernehmen wollte (Dial. p. 653). Otto war bereit dazu, und sah sich nach passenden Begleitern bei dieser Unternehmung um. Er forderte den Udalrich dazu auf: Andreas pag. 465: ad quod praecipue te, frater compresbyter carissime, idoneum esse censeo necnon et Werinherum, sacerdotem de Erenbach, virum sapientia et pietate ornatum, Adelbertum quoque, linguae barbaricae sciolum, interpretem habere possumus. Udalrich schlug noch den Sifrid vor: Andreas p. 466: tunc Udalricus est, inquit, adolescens, officio clericus, nomine Sifridus, ingenio acutus, strenuus et fidelis, qui etiam chartis in itinere, cum necesse est, scribendis promptus et impiger erit. Hunc meo judicio idoneum huic peregrinationi, tuae, pater, dilectioni offero. - Man könnte nun fragen, wozu gebrauchte Otto einen interpres, wenn er selbst die slavische Sprache verstand? War sie ihm vielleicht in dem langen Zeitraume, seitdem er Polen verlassen, außer Uebung gekommen? Dieses muß der Fall gewesen sein, wenn es überhaupt mit seiner früheren Erlernung der slavischen Sprache viel auf sich hatte. Denn als Otto, vom Hauptmann Paulitius, den ihm der Polenherzog zum Schutze beigesellt, geleitet, am Ufer des Flusses, der die südliche Grenze Pommerns bildete, lagerte und ihm hier der Pommernherzog Wartizlav zu seiner Begrüßung entgegen kam, hatten beide eine geheime Unterredung in Beisein eines Dolmetschers: Episcopo antem et duce cum interprete et Paulitio seorsum in colloquio demorantibus etc., Dialog. p. 656. Erst später, bei seiner zweiten Anwesenheit in Pommern, scheint Otto die slavische Sprache wieder soweit in seiner Gewalt bekommen zu haben, daß er zu Stettin auf der Straße spielende Knaben sich grüßen und mit ihnen sich unterreden konnte, Dialog. p. 713. Auch scheint er seine Reden an das pommersche Volk in der klerikalischen, d. i. lateinischen Sprache, gehalten zu haben, denn es wird an mehreren Stellen erwähnt, daß er sich dabei eines Dolmetschers bedient habe. So bei seiner ersten Predigt an die Pommern, als er bei Piritz an 4000 Menschen zur Feier eines heidnischen Festes aus der Umgegend versammelt fand, Dialo. 6 9: d e loco editiori populum cupientem
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ore alloquitur interpretis, ita dicens etc. Desgleichen, als Otto bei seiner zweiten Anwesenheit zu Stettin auf öffentlichem Markte von einer Stiege herab eine Anrede hält, um die Einwohner, die in das Heidenthum zurückgefallen waren, zu strafen, bedient er sich wieder eines Dolmetschers. Ein heidnischer Priester unterbricht ihn, Dialog. p. 712: dein clamore magno et verbis nescio quibus contumeliose prolatis, silentium mandat loquenti, suaeque vocis gras situdine magnum tonans, sermonem interpretis et episcopi pariter oppressit.
Um aber überhaupt dem Otto und seinen Begleitern (er trat schon diese erste Reise mit einer großen Gefolgschaft an, Dial. p. 653 und 654) ihr Unternehmen und namentlich den Verkehr mit den Pommern so viel als möglich zu erleichtern, hatte ihnen Boleslav, als sie bei ihm zu Gnesen eingetroffen waren, Begleiter mitgegeben, die sowohl slavisch, als deutsch sprachen, Dial. p. 655: Deditque domino meo de gente illa tam Sclavicae, quam Teutonicae linguae gnaros satellites ad diversa ejus ministeria, ne quid incommoditatis per linguae ignorantiam in gente extrema pateretur. . . . Tres etiam sacerdotes capellanos de latere suo princeps episcopo sociavit coadjutores verbi, et centurionem quendam nomine Paulitium, virum strenuum et catholicum, qui etiam naturali facundia idoneus esset concionari ad populum. Die Absicht Boleslavs kann nur gewesen sein, durch diese Dolmetscher zwischen Otto's Begleitern, die deutsch sprachen, und den Pommern, die slavisch sprachen, eine Verständigung möglich zu machen. Wäre die Hypothese richtig, nach welcher der Mehrtheil der Bevölkerung von den Pommern deutsch redete, diese Sprache also auch von den slavischen Herren wenigstens verstanden ward: so wären diese Dolmetscher ganz unnütz gewesen. - Auch in der Rede, die Otto zum Abschiede hielt, als er von Pyritz weiter zog, kommt eine Aeußerung vor, die in Bezug auf unsere Untersuchung sehr wichtig ist. Unde, heißt es im Dial. p. 665, adhortor vos et invito, quia cogere non debeo, ut de liberis vestris ad clericatum tradatis liberalibus studiis prius diligenter instructos, ut ipsi per vos, sicut aliae gentes, de lingua vestra latinitatis conscios possitis habere clericos et sacerdotes, d. h. sie sollen von ihren Kindern einige zum Klerikat bestimmen, damit sie ebenfalls, so wie die andern Völker, aus ihrer eigenen Sprache des Lateins kundige Priester haben. Hätte er dazu auffordern können,
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wenn das eigentliche Volk nicht slavisch, sondern deutsch sprach? Hätte es dann Sinn gehabt, von ihnen zu verlangen, sie sollten sich aus ihrer eigenen Sprache Priester erziehen lassen, die Lateinisch verständen? Ich halte diese Stelle für eine der einleuchtendsten, um daraus zu beweisen, daß die slavische Sprache allein und ausschließlich die Muttersprache der Pommern war.
Als Otto zum zweiten Male in Pommern war, scheint er noch mit größerem Gefolge dorthin gegangen zu sein; dieses mal begleitete ihn auch Udalrich, und hatte nächst Otto die meisten Verdienste um die Bekehrung der Pommern. Jetzt kommen sogar 2 Dolmetscher vor, deren sich Otto bediente, nämlich außer Adelbert noch ein Priester Albinus. Andreas lib. III, cap. 4: affirmante domino Albino, interprete viri Dei, paganorum Luticensium adesse catervam. Ibid. cap. 6: Udalricus, religiosus presbyter S. Aegidii, et supradictus Albinus, interpres viri Dei, opulentissimam civitatem Hologast dictam adierunt. Vergleiche damit Dial. lib. III, cap. 4: contigit ergo Udalricum et Albuinum duos, presbiteros simul pergentes Hologastam intrare . . . . Albuinus Sclavicae linguae gnarus matronae adhuc ignoranti rem omnem secreto aperit etc., aus welcher Vergleichung deutlich hervorgeht, daß unter dem interpres ein der slavischen Sprache Kundiger zu verstehen sei. - Andreas, lib III, cap. 10, erzählt, wie Otto zu Chozegowa (Gützkow) im Beisein des Häuptlings des Ortes, mit Namen Mizlav, eine Kirche einweihte: his eum beatus pontifex verbis per interpretem suum Adelbertum postea episcopum allocutus est etc. Er fordert den Mizlav auf, seine Gefangenen loszugeben; dieser verspricht es und giebt auch einige Dänen los. Udalrich, der Asche zur Weihung des Altars sucht, findet an einem verborgenen Orte noch einen gefesselten Mann, et accersito interprete haec ab eo audivit, und weiter: Udalricus itaque assumpto interprete suo Adalberto de turba eduxit Mizlaum principem, et primum pacis Christi verbum salutans requirit, si omnes captivi ejus relaxati essent? quo dicente etiam Adalbertus interpres: cur fallere conaris Christum, qui falli non potest etc. - Ibid. cap. 12 wird erzählt, wie Udalrich zu Uznoim (Usedom) vom Otto Erlaubniß erhält, unter den Veranen auf Rügen das Christenthum zu predigen: Adalbertus autem viri Dei interpres tunc non aderat, sed postea haec addiscens, dominum episcopum omnino ab hac
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intentione conabatur avertere. Udalrich hat in der Nacht vor seinem Aufbruch einen Traum, quod cum expergefactus Adalberto interpreti retulisset etc. Servus autem Dei nullo modo . . . a bono proposito revocari consensit, sed mane facto . . . . navi cum comitibus suis et interprete quodam Poloniense religioso viro impositus . . . . navigium est aggressus, muß aber, durch Sturm an der Ueberfahrt gehindert, sein Unternehmen aufgeben. Auch der Dialog lib. III, cap. 11, erwähnt, daß Adalbert das Beginnen Udalrichs gemißbilligt mit den Worten: Adalbertus autem interpres, cui maxime factum displicuerat etc. - Im folgenden cap. erzählt Ebbo (Andreas lib. III, cap. 13), wie Otto nach Stettin ziehen will, wo das Christenthum bei dem größten Theile der Einwohner dem Heidenthume wieder hatte Platz machen müssen, wie aber seine Begleiter ihn von diesem Unternehmen abzurathen suchen. Otto verläßt sie nun heimlich des Nachts, um sich allein nach Stettin zu begeben. Als aber am Morgen seine Entfernung von den Seinigen bemerkt wird, eilen sie ihm nach, und holen ihn zurück: illi pernici cursu eum insequuntur, primusque Adelbertus interpres eum comprehendens etc. Sie begeben sich darauf mit ihm zusammen nach der Stadt, und zunächst in die Kirche, die er bei seiner ersten Anwesenheit auf einem freien Platze vor dem Thore hatte bauen lassen (Dial. lib. III, cap. 13). Einige aus der Stadt erspähen ihn und rufen ihre Mitbürger zu den Waffen, um ihre Götter an Otto zu rächen: Quod famulus Dei cum per interpretem agnovisset, intrepidus ac calore fidei armatus crucis vexillum erexit etc. - Endlich wird noch Adalbertus interpres bei Ebbo erwähnt (Andreas lib. III, cap. 16), als Otto zu Stettin einen einem Götzen geweihten Nußbaum umhauen will. Der Besitzer des Grundstücks schlägt mit einer Streitaxt nach ihm, fehlt ihn aber: Quo viso Adelbertus interpres nimio terrore concussus perniciter frantiseam barbari manibus eripit etc.
Absichtlich habe ich alle diese Stellen 1 ) aus den Lebensbeschreibern Ottos gesammelt, weil sie meiner Ansicht nach keinen Zweifel darüber lassen, daß zu den Zeiten, als Otto den Pommern das Christenthum predigte, die slavische Sprache hier die ausschließliche Sprache des Volkes war. Grade für Pommern und Rügen hat es die meiste Schwierigkeit, die Ein=
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führung der deutschen Sprache zu erklären, weil für diese Länder eine Colonisation durch Deutsche sich am wenigsten nachweisen läßt. Und doch muß eine solche angenommen werden, weil ohne dieselbe es nicht möglich gewesen wäre, daß auch hier so bald der niedersassische Dialect zur Herrschaft gelangte. Einzelne Beläge für die Colonisation durch Deutsche sind aber auch für diese Länder vorhanden. Dahin rechne ich die merkwürdige Urkunde bei Dreger Cod. diplom. No. 55 (Schröder's papistisches Mecklenburg, pag. 2911), die Uebereinkunft des Fürsten Wisicßlav von Rügen mit dem schweriner Bischofe wegen des Landes Tribsees. Zwar hat man grade diese Urkunde dazu benutzen wollen, um das Vorhanden sein einer deutschen Bevölkerung unter slavischer Herrschaft in Pommern daraus zu erhärten, aber dabei einen Umstand über sehen, der diese Auslegung unmöglich macht. Die in dieser Urkunde erwähnten Theutonici coloni sollen nicht deutsche Einwanderer, sondern die unter der slavischen Herrschaft im Lande seßhaften deutschen Bauern bedeuten. Nun heißt es aber in der Urkunde: "Praeterea dominus episcopus de collectura Slavorum, qui Biscopounizha dicitur, illorum videlicet qui Theutonicis agros illos colentibus cesserunt ex alia parte castri Tribuzes, tertiam partem decime pheodali jure mihi concessit. Illorum autem, qui adhuc cum Theutonicis resident, tota decima in usus cedet domini episcopi memorati. Si vero sinistro succedente casu, quod Deus avertat, terra pretaxata in pristinum fuerit statum reversa, ita quod Theutonicis expulsis recolere terram Slavi incipiant, censum, qui Biscopounizha dicitur, episcopo persolvant totaliter, sicut ante." Hier sollen die Slavi qui Theutonicis agros illos colentibus cesserunt die slavischen Herren sein, die vertrieben worden und deren Aecker nun ihren früheren unterthänigen deutschen Bauern zu Theil geworden; illi qui adhuc cum Theutonicis resident sollen die slavischen Herren bedeuten, die sich noch im Besitz ihrer Güter und ihrer Herrschaft über die deutschen Bauern erhalten haben. Wie paßt dazu aber der Schluß: "wenn aber durch unglückliche Umstände, was Gott verhüten möge, das vorbenannte Land in seinen alten Zustand zurückkehren sollte, so daß nach Vertreibung der Deutschen die Slaven wieder anfingen das Land zu bebauen" u. s. w.? Wenn nur die slavischen Herren die Zurückkehrenden wären, warum sollten dann die deutschen Bauern vertrieben werden? Sollten dann etwa die Herren mit höchsteigener Hand den
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Acker bauen? Vielmehr geht aus diesen Worten deutlich hervor, daß durch Theutonici coloni eigentliche deutsche Colonisten, so wie unter Slavi die eigentliche slavische Bevölkerung zu verstehen sei. - Einen andern Belag geben zwei zusammengehörige Urkunden bei Ludewig script. rer. Germanic. Tom. I, p. 1130 vom Bischofe Sigfried von Kamin vom Jahre 1187 und seinem Nachfolger Sigwin, aus denen erhellt, daß damals schon ein großer Theil der Einwohner von Stettin aus Deutschen bestand, von denen doch bei den Lebensbeschreibern Ottos noch keine Spur zu finden ist. Ein gewisser Beringer in civitate Bambergensi bene natus, sed multo tempore in nostro castro Stetin honeste conversatus hatte mit Erlaubniß des Bischofs Conrad (von 1158-85) und des Herzogs Boguzlav eine Kirche außerhalb der Stadt erbaut. Idem vero Beringerus eandem ecclesiam assensu nostro et optimatum terrae nostrae pro salute animae suae coram eisdem optimatibus, multo populo Teutonicorum et Sclauorum coram posito, Deo et b. Michaeli archangelo in Bamberg obtulit etc., sie ward deshalb auch nach Sigwins Urkunde die ecclesia Teutonicorum genannt. - Mehr Beläge für Einführung deutscher Ansiedler in Pommern sind mir aus Urkunden nicht bekannt; doch gestehe ich auch gerne, daß ich mit den zur pommerschen Geschichte gehörigen Urkunden wenig vertraut bin. Nur so viel erinnere ich noch, das die ältern Geschichtschreiber Pommerns eine Colonisation des von Slaven entvölkerten Landes durch Deutsche unbedenklich annahmen.
Völlig nichtig ist endlich dasjenige, was man aus den deutschen Namen slavischer Orte u. s. w. zu Gunsten jener Hypothese hat argumentiren wollen; selbst die mächtige Slavenburg sagt man, von welcher späterhin das ganze Obotritenland benannt ward, Meklenburg, führt einen rein deutschen Namen. Aber es ist gar nicht ausgemacht, daß diese Orte bei den Slaven wirklich jene deutschen Namen geführt haben. Bei der mehrere Jahrhunderte hindurch bald feindlichen, bald friedlichen Berührung der Deutschen mit den Slaven hatten sich für Völkerschaften und Ortschaften Doppelnamen gebildet, die Slaven hatten ihre slavischen, die Deutschen ihre deutschen Namen. Beläge dafür sind in Menge vorhanden. Thietmar lib. I, 2: "provintiam, quam nos teutonice Deleminci vocamus, Sclavi autem Glomaci aappellant"; idem IV, 20: Stoderaniam, quae Hevellun dicitur. Coll. annal. Quedlinburg. ad annum 997: Zodoraniam, quam vulgo Heveldum vocant. Helmold nennt gewöhnlich den Hauptort des slavischen Landes Wagrien
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Aldenburg, aber lib. I, 12 sagt er ausdrücklich: est autem Aldenburg ea , quae Slavica lingua Starigart, h. e. antiquar civitas, dicitur. Idem I, 58 in proximo oppido, quod Slavice Cuzalina, Teutonice Hagerestorp dicitur etc. Eine ähnliche Bewandtniß wird es denn auch wohl mit Meklenburg haben. Adam v. Bremen nennt sie bald mit dem lateinisch=griechischen Namen: lib. I, 11: deinde sequuntur Obodriti, qui altero nomine Reregi vocantur, et civitas eorum Magnopolis; idem III, 22: in Magnopoli vero, quae est civitas Obodritorum, tres deo servientium dicuntur fuisse congregationes; idem lib. IV, 12: episcopus senex cum caeteris christianis in civitate Magnopoli servabatur ad triumphum, und bald darauf in demselben Capitel mit dem deutschen Namen: filia regis Danorum apud Michilinburg, civitatem Obodritorum, inventa etc. Auch Helmold schreibt abwechselnd Miklinburgk und Magnopolis. Wahrscheinlich war der slavische Name des Ortes: Miklegard, wie sie bei Opitz ad poet. anon. not. 9 (Frisch Lex. s. v. Michel) wirklich heißt, oder wenn Mikle nicht für slavisch gelten darf, Welikogard.