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I n dem 43. Jahrgange der Baltischen Studien befindet sich ein Aufsatz des Pastors Wiesener zu Brandshagen unter dem obigen Titel, leider der letzte aus der Feder des vortrefflichen Forschers. 1 ) Ein plötzlich erfolgender Tod hat ihn bald danach dem Wirken entrissen. Schon 1889 hatte er durch seine "Geschichte der christlichen Kirche in Pommern zur Wendenzeit" sich ein namhaftes Verdienst um die Geschichte des wendischen Nordens erworben. Auf Seite 194 ff. dieses Werkes ist schon die hier in Frage stehende Kamminer Diöcesangrenze behandelt, wenigstens die Kämpfe der Kamminer Kirche mit den Schweriner Bischöfen Berno und Brunward um die Grenzen ihrer Sprengel, die erst im Jahre 1247 (M. U.=B. 590) und 1260 (M. U.=B. 857, 858) ihren endgültigen Abschluß fanden.
"Seit 2 ) dieser Zeit bis zur Reformation sind die Grenzen (des Bisthums Kammin gegen das Bisthum Schwerin) unverändert geblieben. Aus den uns erhaltenen Urkunden läßt sich die Grenzlinie, wie folgt, näher bestimmen.
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Wie sich der Ryk in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts als Grenze zwischen Pommern und dem Fürstenthum Rügen herausbildete, so erscheint dieser Fluß auch als Grenze zwischen den Bisthümern Kammin und Schwerin. (Vergl. 1249 P. U.=B. 492, M. U.=B. 626; - 1256 M. U.=B. 773, 774, M. U.=B. 629; - 1285 M. U.=B. 1803.)
Vom Ryk ging die Grenze dann weiter in südwestlicher Richtung zwischen Neuendorf (Kammin) und Kaschow (Schwerin) hindurch - der Bach Kaschow bildete hier die Grenze des Landes Loiz (M. U.=B. 1405, 1666) und also, da, wie schon beim Ryk sich zeigte, Landesgrenze und Diöcesangrenze hier sich deckten, auch die kirchliche Grenze - nach Rakow, so daß dieses kamminisch war (Klempin, Dipl. Beitr. Reg. ep. Cam. Nr. 1026), Dönnie aber zu Schwerin gehörte (1307 Fabricius, Urk. des Fürstenth. Rügen IV, Nr. 572). Westlich von Rakow war der die Feldmark von Bretwisch durchschneidende, zur Iwitz fließende Bach zugleich die kirchliche (M. U.=B. 427, 470) wie die politische Grenze (M. U.=B. 408, 409).
Im Süden der Iwitz gehörte zu Kammin: Wotenitz mit seinen Filialen Nossendorf, Seedorf, Toitz und Volksdorf - ein uralter Besitz des Bischofs von Kammin und von diesem an Barnim I. (P. U.=B. 1060), sodann an Demmin abgetreten (P. U.=B. 1615, M. U.=B. 2177) - während die Parochien Glewitz und Medrow 1300 schwerinisch waren (Fabricius, Quellen II, S. 43).
Von hier wandte sich die Grenze nach Nordwest die Trebel hinauf bis zur Recknitz. Bestland (1235 M. U.=B. 439), Brudersdorf (1309 M. U.=B. 3298), Gr.=Methling (1312 M. U.=B. 3555), Wasdow (M. U.=B. 8428; M. Jahrb. XII, 34), Behren=Lübchin (bewiesen durch Nütschow 1282 M. U.=B. 1629) waren kamminisch. Die weitere Grenzlinie erkennen wir sodann aus folgenden urkundlichen Zeugnissen:
Zu Kammin gehörten:
Thelkow durch Stassow 1282 M. U.=B. 1629.
Vilz M. U.=B. 11269 n. und durch Kowalz 1282 M.
U.=B. 1629.
Basse 1364 M. U.=B. 9308; 1370
M. U.=B. 10106.
Walkendorf 1282 M. U.=B.
1629; 1289 M. U.=B. 2019.
Alt=Polchow 1282
M. U.=B. 1629.
Belitz 1282 M. U.=B. 1629;
1417 Schröder, Pap. Mecklb., S. 1796; 1450
Archiv zu Schwerin; 1501 M. Jahrb. XII, 383.
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Jahmen 1255 M. U.=B. 758.
Bützin 1235 M.
U.=B. 439; 1494 Klempin, Dipl. Beitr. Reg. ep.
Cam. Nr. 1023.
Warnkenhagen M. Jahrb. XII,
34.
Reinshagen 1380 M. U.=B. 11255; 1457
Archiv zu Schwerin.
Güstrow, Neustadt (d.
h. jetzige Stadt) mit der Gertrudenkapelle am
linken Ufer der Nebel. Visitation 1534.
Badendiek M. Jahrb. XII, 31.
Zehna 1298 M.
U.=B. 2511; 1341 M. U.=B. 6149.
Bellin
durch Kotekendorp 1303 M. U.=B. 2868; 1382 M.
U.=B. 11453; M. Jahrb. XII, 33, 34.
Krakow
1446 Archiv zu Schwerin.
Serrahn 1453
Archiv zu Schwerin.
Dobbin Visitation
1534.
Grubenhagen 1494 M. Jahrb. XXIV,
63.
Rambow 1271 M. U.=B. 1229 und durch
Marxhagen 1273 M. U.=B. 1292.
Schwinkendorf
1271 M. U.=B. 1229.
Zettemin 1282 M. U.=B.
1629.
Kittendorf M. Jahrb. XII, 33.
Sülten 1274 M. U.=B. 1309; 1349 M. U.=B. 6980.
Zu Schwerin dagegen gehörten:
Sülze 1355 M. U.=B. 8108 II.
Kölzow
Verzeichniß der Lehne. Wigger, Ann. S. 118, Anm.
10.
Tessin ebenso und 1373 M. U.=B. 10441,
10498.
Ridsenow 1340 M. U.=B. 6087, mit
Vipernitz 1288 M. U.=B. 1983.
Lage 1367 M.
U.=B. 9674.
Recknitz 1368 M. U.=B. 9728;
1375 M. U.=B. 10721.
Suckow 1258 M. U.=B.
826.
Lüssow 1270 M. U.=B. 1178; 1337 M.
U.=B. 4872.
Güstrow (alte Stadt) und die
St. Jürgenskapelle am rechten Ufer der Nebel
1258 M. U.=B. 826; 1270 M. U.=B. 1178; 1346 M.
U.=B. 6701.
Parum 1370 M. U.=B. 10045.
Karcheez 1234 M. U.=B. 425; 1370 M. U.=B.
10045.
Upahl 1367 M. U.=B. 8321.
Lohmen 1234 M. U.=B. 425.
Gr.=Poserin 1235
M. U.=B. 436. 1534 Filia von Kuppentin.
Visitation 1534.
Karow M. U.=B. Anm. zu
732. Boye war Archidiakon der Schweriner Kirche.
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Kieth Verzeichniß der Lehne. Wigger, Ann. S. 118,
Anm. 10.
Kirch=Lütgendorf 1304 M. U.=B.
2935.
Sommerstorf 1289 M. U.=B. 2016; 1357
M. U.=B. 8402.
Vielist 1264 M. U.=B.
1024.
Panschenhagen Verzeichniß der Lehne.
Wigger, a. a. O.
Rittermannshagen 1260 M.
U.=B. 857, 858.
Giewitz Verzeichniß der
Lehne. Wigger, Ann. S. 118, Anm. 10.
Varchentin ebenso.
Gr.=Varchow 1326 M.
U.=B. 4749.
Von dem zuletzt angegebenen Grenzpunkte nach Osten hin schloß sich nun als nächster Nachbar der Kamminer Diöcese das Bisthum Havelberg an. Grenzstreitigkeiten zwischen diesen beiden Bisthümern sind seit dem Versuche des Bischofs Anselm von Havelberg im Jahre 1147, sich mit Gewalt eines Theiles der pommerschen Diöcese zu bemächtigen, nicht vorgekommen, obwohl noch König Konrad III. 1150 und Kaiser Friedrich I. 1179 die schon von Otto I. 946 gegebene Ordnung bestätigten, wonach der Sprengel Havelbergs ost= und nordwärts bis zur Peene und zum rügischen Meere reichen sollte (M. U.=B. 14, 52, 130). In Folge der Bewidmung des Domstifts von Havelberg 1170 mit einer Anzahl von Gütern in den Ländern Tolenz und Raduir zur Anlegung eines Kloster in Broda (M. U.=B. 95), welche 1182 durch Bogislav I. in Gegenwart des Bischofs Konrad I. von Kammin und seines Propstes Siegfried bestätigt wurde (M. U.=B. 135), trat wohl eine friedliche Scheidung ein. Havelberg verzichtete auf die ihm zugesprochenen Distrikte in Pommern (Ploth, Mezerezs, Citne, Wanzlow und Wozrose), während ihm die ebenfalls noch unter der Herrschaft der Pommernherzöge stehenden Länder Tolenz und Raduir, das heutige Meklenburg=Strelitz, verblieben.
Urkundlich ist über die Grenzlinie bisher Folgendes ermittelt:
Zu Kammin gehörten:
Rosenow, Kastorf, Pinnow und Wrodow 1283 M. U.=B.
1666. Kastorf auch 1304 M. U.=B. 3004.
Gevezin 1313 M. N.=B. 3643.
Chemnitz 1305
M. U.=B. 3004.
Wildberg 1308 M. U.=B.
3233.
Gr.= und Kl.=Teetzleben Klempin a. a.
O. Nr. 331 und 974. Treptow 1308 M. U.=B. 3233;
Klempin a. a. O. Nr. 72, 84, 126, 177, 214, 328,
508, 529, 952, 974, 1022, 1030, 1032.
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Grischow 1283 M. U.=B. 1666; Klempin Nr.
1029.
Werder 1308 M. U.=B. 3233; Klempin a.
a. O. Nr. 900, 1031.
Bollenthin 1308 M.
U.=B. 3233.
Spantekow und Boldekow Klempin
a. a. O. Nr. 597.
Altwigshagen Klempin Nr. 512.
Sodann in der Ukermark:
Strasburg Klempin Nr. 661, 707, 971.
Lübbenow Klempin Nr. 67, 662.
Fürstenwerder
1358 M. U.=B. 8504.
Crewitz 1281 P. U.=B. 1205.
Havelbergisch dagegen waren:
Gr.=Lukow und Weitin 1170 M. U.=B. 95.
Penzlin und Wulkenzin 1339 M. U.=B. 5960.
Zierzow 1350 M. U.=B. 7061.
Neddemin,
welches zum Archidiakonate Friedland gehörte,
1325 M. U.=B. 4634, 8; 1385 M. U.=B. 11695.
Dieses Havelbergische Archidiakonat reichte nach Norden bis zum Landgraben, während seine Ostgrenze [im nördlichen Theile] ebenfalls wohl der heutigen Landesgrenze von Mecklenburg=Strelitz entsprach."
Bis hierher haben Wiesener's Ausführungen über die Kamminer Diöcesangrenze unmittelbares Interesse für Meklenburg, und eine durch Belegstellen vermehrte Wiedergabe an diesem Orte verlohnte sich. Die nun in Wiesener's Aufsatz folgenden Grenzen Kammins gegen das Bisthum Brandenburg sind von geringerer Bedeutung für Meklenburg und mag daher ein Auszug aus dem von Wiesener Gebotenen hier genügen.
Das Uckerland war bereits im Jahre 949 bei der Stiftung von Brandenburg diesem Bisthum zugetheilt, allein es war ihm nicht gelungen, in diesem streng heidnischen Lande Fuß zu fassen. Durch das Eindringen der Herzöge von Pommern in den meklenburgischen Südosten (bis zur Müritz) und in das Uckerland zog auch der Einfluß des Kamminer Bisthums in diese Landestheile mit ein. Das Vordringen der Markgrafen gegen Pommern im Anfange des 13. Jahrhunderts setzte auch diesem Streben nach geistlicher Machterweiterung ein Ziel. Der schon erwähnte Kampf des Bisthums Schwerin mit Kammin über ihre Grenzen wurde in gleicher Weise auch von den anderen an Kammin grenzenden Bisthümern Brandenburg, Lebus und Gnesen geführt. Dem Streben der brandenburger Bischöfe, sich auf Kosten der Kam=
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miner Diöcese zu bereichern, machte der Vertrag von 1250 ein Ende, durch den Barnim I. von Pommern die ganze Uckermark an die Markgrafen Johann I. und Otto III. von Brandenburg abtrat. Es wurden dabei die Rechte des Bischofs von Kammin an dem abgetretenen Landestheil im damaligen Umfange ausdrücklich vorbehalten (P. U.=B. 512). Die dadurch entstandene Grenze ist später unverändert beibehalten. Wiesener giebt sie a. a. O. S. 122 und 123 (unter Hinzufügung von Belegstellen) in folgender Weise an:
Kamminisch waren: Hardenbeck, Claushagen, Herzfeld, Petznick, Gerswalde, Flieth, Hessenhagen, Ringenwalde, Glambeck.
Die Nordgrenze von Brandenburg 1 ) dagegen ging von Feldberg über Läven, Carwitz, Thomsdorf, Brusenwalde, Rosenow, Warthe, 2 ) Jakobshagen, Klosterwalde, Milmersdorf, Götschendorf, Petersdorf, Libbesicke und Gollin. Von da ab bildete die Welse bis zu ihrem Einfluß in die Oder die Grenze, so daß Kerkow, Crüssow, Schönermark und Schwedt noch zu Brandenburg gehörten.
Die Grenzen des Kamminer Bisthums jenseits der Oder, die nun von Wiesener geschildert werden, mit Lebus, Posen, Gnesen und Cujavien sind für Meklenburg belanglos. Es genügt darauf hingewiesen zu haben.
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W ilhelm Ulenoge ist ein Zeit= und Schicksalsgenosse Alfonso Ceccarellis, 2 ) der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Italien die Urkundenfälschung gewerbsmäßig betrieb und im Jahre 1583 seine zahlreichen Verbrechen mit dem Tode büßen mußte. Wie bei Ceccarelli, so war es auch bei Ulenoge niedrige Gewinnsucht, die zur Hingabe an ein verbrecherisches Gewerbe geführt hatte. Aber zwischen der Thätigkeit beider besteht doch insofern ein Unterschied, als wohl für Ulenoge, nicht aber für Ceccarelli das Streben nach materiellem Vortheil allein die Gelegenheit zum ergiebigen Betriebe des Fälschergewerbes darbot. Das zu jener Zeit die italienischen Adeligen beherrschende Streben, den Ursprung ihrer Familien in möglichst frühe Zeit zurück zuverlegen, gab Ceccarelli die Handhabe, reichen Lohn zu ernten, indem er diesem Familienehrgeiz durch geschickt angelegte Fälschungen zu Hülfe kam. Was aber Ulenoge seine Kundschaft zuführte, war lediglich das Streben nach Besitz. Für das an Ceccarelli gespendete Gold erwarben die Betrogenen nur einen vorüber gehenden Glanz ihres Namens, sie büßten eine Modethorheit mit schweren Opfern; die Kunden Ulenoges wollten durch die geringsten Opfer möglichst großen materiellen Gewinn ernten. Auch wenn sie die Betrogenen waren, suchten sie die ausbedungene Bezahlung hinauszuschieben oder ganz zu umgehen. Waren sie
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aber Ulenoges Mitschuldige oder wußten um seine Verbrechen, so konnten sie ihn um sehr billigen Lohn für sich arbeiten lassen.
Ulenoges Lebensgeschichte liegt im Dunkeln. Wir wissen nur, daß er aus Westfalen stammte und in Rostock, wo er in kinderloser Ehe verheirathet war, den Beruf eines Notars ausübte. Ein Bruder von ihm, Georg mit Namen, war Bürger zu Stralsund.
Nur wenige Jahre hatte Ulenoge seine Fälschungen betrieben, als er durch einen Zufall entdeckt wurde: Mitte November 1569 war in Rostock der Graveur Lambrecht Albrechts, gebürtig aus Hasselt in Geldern, wegen Wahrsagerei und Zauberei verhaftet worden. Die bei ihm vorgenommene Haussuchung förderte die Abdrücke mehrerer alter herzoglich meklenburgischer Siegel zu Tage. Als man den verhafteten Graveur nach der Herkunft dieser Abdrücke fragte, bekannte er freiwillig, daß im vergangenen Sommer Wilhelm Ulenoge im Auftrage der Herzöge die entsprechenden Siegel bei ihm bestellt habe.
Der dadurch auf Ulenoge gelenkte schwere Verdacht wurde noch verstärkt durch die umlaufenden Gerüchte, nach denen Ulenoge an manche Adelige Briefe verkauft und im verflossenen Sommer durch vier Schreiber Pergament=Urkunden habe anfertigen lassen. Mehr aber noch als dies sprach gegen ihn der Umstand, daß er flüchtig geworden war. In Ribnitz, wo er sich angeblich aufhielt, war er für Bürgermeister und Rath zu Rostock nicht mehr erreichbar. Diese meldeten daher das Geschehene den Herzögen Johann Albrecht und Ulrich, die dann das Weitere zur Festnahme des Flüchtlings und zur Beschaffung des nöthigen Beweismaterials veranlaßten. Am 9. Dezember erging ein Befehl Herzog Ulrichs an den Rostocker Rath, Haus und Sachen des Notars Ulenoge zu versiegeln; und Tags darauf befahl Herzog Johann Albrecht dem Amtmann, sowie Bürgermeister, Stadtvogt und Gericht zu Ribnitz, in aller Stille Wilhelm Ulenoge gefänglich anzunehmen "vnd gebunden vnd wol verwart auf einem Wagen . . . anhero [nach Schwerin] zu pringen", auch nöthigenfalls für Geleitsleute zu sorgen.
Den eifrigen Nachforschungen, die jetzt auf Geheiß der Herzöge und durch die Stadt Rostock angestellt wurden, gelang es, einiges wichtige Material beizubringen: So konnten am 15. Dezember Bürgermeister und Rath zu Rostock dem Herzog Ulrich die Gefangennahme eines der Ulenogeschen Schreiber, des Nicolaus von Stade, berichten. Dieser hatte sofort gestanden, auf Veranlassung und nach den Konzepten Ulenoges für die
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Moltkes zu Teutenwinkel 18 bis 19 Urkunden auf Pergament geschrieben zu haben. Am 17. Dezember war Rostock bereits im Besitz einer weiteren hochwichtigen Nachricht, die es ermöglichte, die Spur des inzwischen aus Ribnitz entwichenen Ulenoge wieder aufzunehmen. Dieser sollte nach glaubwürdigem Berichte am Dienstag, den 13. Dezember, mit der verwittweten Frau von Moltke in Tüzen bei Neubukow gewesen sein und beabsichtigen, in seine westfälische Heimath zu entkommen.
Aber wie schon vorher die Ribnitzer Meldung, so führte auch diesmal die gute Nachricht nicht zur Ergreifung des Flüchtlings. Der Stadtvogt von Neubukow fand ihn nicht mehr in Tüzen vor und mußte sich mit der Festnahme des dortigen Vogtes Hans Arends begnügen, der dann allerdings wichtige Aussagen über die weitere Flucht Ulenoges und die ihm dabei gewordene Unterstützung machen konnte.
Während so alle Mittel in Bewegung gesetzt wurden, um des Flüchtlings habhaft zu werden, eilte dieser unstät von Ort zu Ort. Sowie die Ergreifung des Wappenschneiders Albrechts ihm zu Ohren kam, war er aus Rostock entflohen in der Meinung, dieser wäre seinetwegen gegriffen worden. Zunächst begab er sich nach Ribnitz. Aber hier litt es ihn nicht lange; schon am Abend des 18. November erschien er zu Teutenwinkel im Hause Elisabeths von Halberstadt, der Wittwe Carin Moltkes, angeblich durch ein Schreiben von deren Tochter Ilse Hand herbeigerufen. Tags darauf kehrte er schon wieder nach Ribnitz zurück, wo er im Hause Gottschalk Preens abstieg. Mit diesem fuhr er Montag, den 21. November, nach Wehnendorf zu Heinrich Preen, um einen Vertrag über die Preenschen Erbgüter vermitteln zu helfen. Am Mittwoch, den 23. November, traf er wieder in Teutenwinkel ein und stieg in Abwesenheit von Carin Moltkes Wittwe im Kruge ab; erst am Donnerstag Abend hatte er eine Unterredung mit ihr auf dem Hofe.
Carin Moltkes Wittwe hatte durch eine Magd zwei gefälschte Moltkesche Petschafte aus Ulenoges Schreiblade in Rostock holen lassen. Die Magd brachte auch Ulenoges Gattin mit, die nun zum ersten Male mit ihrem Manne seit dessen Flucht zusammentraf. Das Wiedersehen war nur von kurzer Dauer. Als Ulenoges Gattin begann, der Herrin von Teutenwinkel Vorwürfe zu machen, wurde ihr von dieser der Hof verboten.
Ulenoge selber fuhr am Freitag, den 25. November, wieder nach Ribnitz zu Gottschalk Preen, den er am Sonntag nach Pantlitz in Pommern begleitete, wo Angelegenheiten der Familie
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Steinkeller geregelt werden sollten. Mittwoch Abend kehrten sie mit einander nach Ribnitz zurück.
Am Donnerstag, den 1. Dezember, kam Ulenoges Bruder Georg, der Stralsunder Bürger, auf einer Reise von Lübeck durch Ribnitz und nahm den Flüchtigen am Freitag auf seinem Wagen mit nach Stralsund. Dort blieb Ulenoge nur Sonnabend und Sonntag und fuhr am Montag, den 5. Dezember, wieder nach Ribnitz und von dort, nachdem er wieder mit Gottschalk Preen zusammengekommen war, am Mittwoch wieder nach Teutenwinkel.
Bis dahin gewähren die im Zickzack unternommenen Reisen Ulenoges durchaus nicht das Ansehen einer Flucht. Indem er es vermied, Rostock zu berühren, aber sehr häufig in nächster Nähe der Stadt weilte, konnte er stets über die sich dort entwickelnden Dinge unterrichtet sein. Und diese hatten bis dahin für ihn noch keine ungünstige Wendung genommen. Die Verhaftung des Graveurs Lambrecht war nicht, wie Ulenoge vermuthet hatte, wegen dessen Mithülfe an den Fälschungen geschehen. Trotzdem war es durch die Vorsicht geboten, daß Ulenoge sich einstweilen an Orten aufhielt, an denen er nicht von den Rostocker Behörden ergriffen werden konnte. Denn so lange die Verhaftung und das Verhör des Graveurs andauerte, konnte jeder Tag zur Entdeckung der Geschäftsverbindung beider führen. Wurde der Graveur wieder auf freien Fuß gesetzt, ohne daß diese Angelegenheit zur Sprache kam, so konnte Ulenoge wie von einer längeren Geschäftsreise wieder nach Rostock zurückkehren. Andernfalls, scheint er gehofft zu haben, auch nach der Entdeckung seiner Fälschungen noch genügend Zeit zu haben, sich durch eine beschleunigte Flucht in Sicherheit zu bringen.
Von Mitte November bis in den Dezember hinein war er so von Rostock abwesend, aber doch noch nicht eigentlich auf der Flucht gewesen. Zweimal war er während dieser Zeit in Pommern und hätte, sich von dort wohl weiter helfen können, wenn er nicht an der Möglichkeit festgehalten hätte, noch unentdeckt zu bleiben. So war er wieder nach Meklenburg und in die Nähe von Rostock zurückgekehrt.
Aber jetzt nach seiner zweiten Rückkehr aus Pommern sollte für ihn die Entscheidung fallen. Als er am Mittwoch, den 7. Dezember, wieder in Teutenwinkel eintraf, war man in Rostock bereits auf die Spur seiner Uebelthaten gekommen. Am gleichen Tage hatten Bürgermeister und Rath von Rostock ihre Entdeckung den Herzögen von Meklenburg mitgetheilt, und von nun an war Ulenoge an keinem Orte des Landes mehr sicher. Jetzt wagte
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es auch Carin Moltkes Wittwe nicht länger, ihn in Teutenwinkel zu beherbergen. Schon am Donnerstag führte ihn nächtlicher Weile Ilse Moltke auf Geheiß ihrer Mutter in einem Wagen nach Neukirchen, wo sie Freitag Morgens auf dem Moltkeschen Hofe ankamen.
Am Sonntag kam Carin Moltkes Wittwe selber mit Ulenoges Gattin nach Neukirchen nach. Letztere versorgte ihren Mann mit den zur Fortsetzung der Flucht nöthigen Geldmitteln. Sie brachte ihm angeblich "104 stück golts vnd etlich muncz gelt biß in 3500 fl." Hier in Neukirchen sollen auch Kopieen falscher Briefe verbrannt worden sein. 1 ) Zur Fortsetzung der Flucht wurde wieder die Nacht benutzt. Carin Moltkes Wittwe führte selber Ulenoge zu Wagen in der Nacht von Montag auf Dienstag nach Mitternacht von Neukirchen fort. Etwa zwei Stunden vor Tagesanbruch kamen sie am Dienstag, den 13. Dezember, auf einem anderen Moltkeschen Gute, dem schon erwähnten Tüzen, an.
Während Ulenoge hier bis Sonnabend blieb, kehrte Carin Moltkes Wittwe sofort nach Neukirchen zurück. Erst am Sonnabend früh, am 17. Dezember, kam sie wieder nach Tüzen und brachte die Nachricht mit, daß ihr Schreiber unter dem Verdacht, mit Ulenoge Handlung gepflogen zu haben, und Ulenoges Gattin in Rostock verhaftet worden seien, daß man sogar ihr, der Wittwe, selber nachtrachtete. Für sie, die sich durch die mehrfache Beherbergung und Weiterhülfe des Flüchtlings schon schweren Verdacht zugezogen hatte, war es jetzt die höchste Zeit, sich Ulenoges zu entledigen.
Was zwischen beiden bei diesem letzten Zusammentreffen in der Freiheit vorgegangen, darüber besteht durch die sich ergänzenden Aussagen beider ziemliche Klarheit. Der einzige Ausweg, den Moltkes Wittwe noch wußte und Ulenoge anrieth, war sich das Leben zu nehmen. Als Ulenoge sich dessen weigerte, benutzte sie die letzten Stunden des Beisammenseins noch, um wenigstens ein Beweismittel zu erhalten, auf welches gestützt sie ihre Unschuld
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an den Ulenogeschen Verbrechen darthun zu können hoffte. Sie forderte und erhielt von Ulenoge eine schriftliche Erklärung des Inhalts, daß er für sie keine falschen Briefe gemacht hätte. Außerdem mußte er schwören, was auch mit ihm geschehen würde, sie nicht anzugeben.
Am Nachmittage desselben Sonnabends wurde Ulenoges Flucht fortgesetzt. Zunächst wurde er von dem Wagentreiber der Wittwe Moltke in einem kleinen Kahn über den Tüzer See gerudert. Ulenoge war durch das letzte Auftreten seiner Beschützerin so eingeschüchtert worden, daß er bestimmt glaubte, sie habe dem Knecht befohlen, ihn in den See zu werfen. Nachdem die angstvolle Seefahrt beendet war, wurde bis zum Anbruch der Nacht im Walde gewartet. Endlich kam ein Wagen, geführt vom Tüzer Vogt Hans Arendes, und nahm den Flüchtigen auf. Vorne im Wagen saßen Ilse Moltke und eine Nonne; Ulenoge nahm hinten im Dunkeln unter dem Wagentuch Platz. Carins Wittwe hatte selber dem Vogt Befehl gegeben, ihre Tochter nach Stück zu fahren.
Vier Pferde vor dem Wagen, hielten sie nicht die gewöhnliche Straße inne, sondern kamen nach einer Nachtfahrt auf Abwegen am Sonntag, den 18. Dezember, früh Morgens in Groß=Trebbow an, als die Leute gerade zur Kirche gingen. Im Kruge von Tarzow hatten sie während der Nacht eine kurze Rast gehalten.
In Groß=Trebbow wurde der Wagen mit Ulenoge in Christoph Rabens Scheune geführt und Ulenoge nicht aus der Scheune gelassen, "vnangesehen das er Kelte halben gerne zum feur gewesen". Bald erschien die aus Stück herbeigerufene Gattin Christoph Rabens. Sie war eine Schwester der Elisabeth Halberstadt, der Wittwe des Carin Moltke. Während mit ihr ein Imbiß eingenommen wurde und darnach eine kurze Unterredung zwischen ihr und Ilse Moltke stattfand, mußte Ulenoge allein in der Scheune warten.
Endlich wurde die Scheune wieder geöffnet; Christoffer Rabens Gattin trat zu Ulenoge herein und erklärte ihm nach einigen Fragen über die Veranlassung seiner Flucht, sie könne ihn nicht verbergen, denn sie säße dem Herzog Johann Albrecht zu nahe vor der Thür; aber sie habe zu Klein=Trebbow einen zuverlässigen Mann, der ihm schon weiter helfen würde.
Darauf wurde er wieder in dem dunklen Hintergrunde des Wagens verborgen, auf dem nun außer den früheren Reisegenossen noch Christoffer Rabens Gattin Platz nahm. In der Nähe von
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Klein=Trebbow wurde Halt gemacht und Ulenoge auf freiem Felde abgesetzt. Hier wurde er von dem erwähnten zuverlässigen Rabenschen Unterthan in Empfang genommen und sammt seinen in einem leinenen Sack verwahrten Habseligkeiten in dessen Behausung nach Klein=Trebbow geführt.
Dort blieb Ulenoge den Montag. Rabens Gattin sorgte für seine Beköstigung. Seinen dringenden Bitten, ihn nach Ratzeburg fahren zu lassen, wo er sicher zu sein hoffte, gab sie indessen wegen Unentbehrlichkeit der Pferde nicht nach. Endlich willigte sie ein, ihn bis Camin bei Wittenburg bringen zu lassen, was denn auch durch seinen Klein=Trebbower Gastfreund am Dienstag, den 20. Dezember, geschah.
In Camin kehrte Ulenoge beim Pfarrer ein, mit dem er durch seine Geschäfte mit dem dort begüterten Achim v. Halberstadt, dem Bruder von Carin Moltkes Wittwe, bekannt war. Hier, nicht mehr weit von der Grenze Meklenburgs, brach seine Thatkraft völlig zusammen. Daß er überhaupt bis dahin, fast durch ganz Meklenburg von Ost nach West, seine Flucht hatte glücklich bewerkstelligen können, dankte er wohl überhaupt weniger der eigenen Energie, als der entschlossenen Unterstützung einflußreicher Personen, denen alles daran gelegen sein mußte, ihn möglichst bald aus dem Gesichtskreis verschwinden zu lassen.
Im Caminer Pfarrhause fand er wohl eine mitleidige Aufnahme, aber eine thatkräftige Weiterhülfe, die ihn aus seiner dumpfen Niedergeschlagenheit aufgerüttelt hätte, konnte ihm hier, wo man die eigentliche Ursache seiner Flucht nicht kannte, nicht zu Theil werden. Auf sich selber gestellt, hatte er nicht mehr den Muth, seine Flucht fortzusetzen. Die namenlose Angst, die ihn nun schon so lange peinigte, hatte seine Phantasie so sehr erregt, daß überall, wo er nur hingesehen, "da hette ihn gedeucht, als were eithell waßer vnd feur fur ihm". So verschob er einen Tag um den andern die Fortsetzung seiner Flucht, bis er am Montag, den 26. Dezember, durch einen Knecht Halberstadts ergriffen und auf dessen Hof zu Camin gebracht wurde. Von hier wurde er am folgenden Tage durch einen Diener des Wittenburger Küchenmeisters abgeholt und weiter nach Schwerin befördert.
Am Donnerstag, den 29. Dezember, stand er zum ersten Male vor dem Gerichte des Herzogs Johann Albrecht in der Hofstube zu Schwerin und wurde vom Kanzler Husanus und von Andreas Mylius verhört. Auf die Einzelheiten dieses Verhörs und auf alle Wendungen des sich daran anschließenden langwierigen
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Prozesses näher einzugehen, würde zu weit führen. An der Hervorhebung der Hauptpunkte aus den Verhören und an einer Skizzirung des Ganges des Verfahrens mag es genug sein.
Das Bekenntniß, welches Ulenoge am 29. Dezember ablegte, war kein umfassendes und außerdem verdunkelt durch das Bestreben des Verbrechers, sein Thun durch erdichtete Beweggründe zu beschönigen. So leugnete er zwar keineswegs die Nachstechung der Siegel der drei Herzöge Albrecht III., Heinrich IV. und Magnus II.; aber diese Fälschung sei nicht von ihm ausgegangen, vielmehr habe der in Rostock gefänglich eingezogene Graveur ihn dazu verführt, diese drei Siegel nachstechen zu lassen. Diese habe er dann benutzt zur Besiegelung herzoglicher Briefe, die er zu Gunsten der Preene wider die Stadt Rostock über einige streitige Dörfer gefälscht hätte. Weitere Fälschungen habe er nicht vorgenommen und auch die genannten nur aus Haß gegen den Rostocker Rath, der ihn vor zwei Jahren aus dem Rathhause verwiesen habe, weil er kein Bürger sei und alles, was dort heimlich geschehe, den Herzögen offenbare. Ferner gab er gegen die Wahrheit an, er habe die gefälschten herzoglichen Petschafte auf seiner Flucht in die Recknitz geworfen.
Bald jedoch erkannte Ulenoge, daß er durch solche Beschönigungen und Erdichtungen die verdiente Strafe nicht abwenden konnte. Er gab mehrere schriftliche Erklärungen zu den Acten und ergänzte bezw. berichtigte durch sie die in dem ersten Verhör gethanen Aussagen. Vor allem gestand er jetzt rückhaltlos seine mit Carin Moltkes Wittwe unterhaltene verbrecherische Verbindung. Inzwischen waren von verschiedenen Seiten Mittheilungen eingegangen, durch die das Belastungsmaterial vervollständigt wurde. Auch gefälschte Briefe waren eingereicht worden. Um aber möglichst aller Ulenogeschen Fälschungen habhaft zu werden und sie so am besten unschädlich machen zu können, erließen beide Herzöge am 30. Januar 1570 von Güstrow aus an alle Prälaten, Herren von der Ritterschaft, Amtleute, Städte und alle Unterthanen bei Strafe des Verlustes der Lehen und Güter den scharfen Befehl, "das ein iglicher vnter euch, der jemals mit Vlenogen einiges briefes halben gehandelt oder deren einen oder mehr von Ihm erlanget, . . . . zwischen dato dises vnsers gepots vnd dem ersten schirstkunftigen tag Martii sich bei vns anzeige vnd vns den oder dieselbigen briefe in originali furlege." Die darauf eingegangenen falschen Urkunden bilden noch heute im Geh. und Hauptarchiv ein stattliches Bündel.
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Kurz vor Ablauf dieses Termins, am 23. Februar 1570, begann Husanus vor Johann Albrecht und dessen Rath das zweite Verhör Ulenoges "in der guthe, yedoch mitt bedrauwung der scherffe". Das Verhör wurde am folgenden Tage fortgesetzt. Ulenoge legte ein umfassendes Bekenntniß ab. Er gestand, daß die nachgemachten herzoglichen Petschafte nicht von ihm in die Recknitz geworfen seien, wie er bei dem ersten Verhör vorgegeben hatte, sondern daß sie sich in den Händen von Carin Moltkes Wittwe befänden. Er gestand ferner nach einem Versuche, seine frühere Aussage aufrecht zu erhalten, daß ihm die Nachstechung der drei herzoglichen Petschafte nicht von dem Graveur Lambert Albrechts nahegelegt worden sei, sondern daß er selber sie bei jenem bestellt habe. Nicht von dem Graveur, sondern von Carin Moltkes Wittwe sei er dazu angestiftet worden. Auch Ilse Moltke habe um die Fälschungen gewußt, sonst aber niemand aus der Familie.
Außer an Carin Moltkes Wittwe gestand er noch gefälschte Urkunden geliefert zu haben an Angehörige der Familien Vieregge, Schmecker, Behr zu Nustrow, Preen, Kardorff, Zepelin, Halberstadt und an die Stadt Sülze.
Sein Beruf als Notar brachte ihn mit weiten Kreisen des Landadels in Berührung. Und wie er es anstellte, an diese seine Erzeugnisse abzusetzen, hat Ulenoge bezüglich der Familie Preen schon im ersten Verhör auseinandergesetzt und in seinen späteren handschriftlichen Ergänzungen auch auf die meisten seiner sonstigen Kunden ausgedehnt. Bei den geschäftlichen Zusammenkünften, die er mit ihnen als Notar hatte, ließ er verlauten, ihm seien hier oder dort alte Urkunden zu Gesicht gekommen, deren Besitz ihnen und ihren Angehörigen von großem Nutzen sein würde. Durch seine Berufsthätigkeit war ihm genau bekannt, welche Güterstreitigkeiten zwischen den in weitem Umkreise angesessenen Adelsfamilien bestanden. Ging man auf seine Anregung ein, so war es ihm ein Leichtes, eine Kopie vorzulegen, deren Inhalt irgend einen Güteranspruch der betreffenden Familie stützte. Wurde dann auf Grund dieser angeblichen Kopie der Handel abgeschlossen, so fälschte Ulenoge darnach das Original und verkaufte es an die Interessenten. Von den Preens verdiente er auf diese Weise nach eigenem Geständniß 333 1/2 Thaler, von Matthias Vieregge 300 Thaler, von Schmecker 200 fl. Das wäre für die kurzen zwei Jahre, die Ulenoge als Fälscher thätig war, ein ganz ansehnlicher Verdienst, besonders wenn man bedenkt, daß er nur von dem kleineren Theile seiner Kundschaft herrührte und vor allem seine Hauptkundin bei dieser Aufstellung fehlt.
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In Wirklichkeit aber hat er wohl einen größeren Nutzen aus seiner Fälscherthätigkeit gezogen, als man aus obigen Zahlen schließen dürfte. Denn diese Zahlen scheinen erheblich zu niedrig gegriffen zu sein. Wenigstens wissen wir aus einem zu den Akten gegebenen Berichte von Angehörigen der Familie Preen über ihre Beziehungen zu Ulenoge, daß diesem für eine einzige falsche Urkunde 400 Thaler von ihnen bezahlt worden sind.
Alle die hier Genannten hatten, wie Ulenoge selber bekennt, ahnungslos ihr gutes Geld für einige Stücke beschriebenen Pergaments hingegeben, deren Werthlosigkeit sich nur zu bald herausstellen mußte. Vortheilhaft dagegen hatte Achim von Halberstadt gekauft. Der hatte Ulenoge für eine falsche Urkunde einen fetten Ochsen im Werthe von 12 Thalern versprochen, aber keine Zahlung geleistet. Er konnte das, denn, wenn man Ulenoges Aussage Glauben schenken darf, so hatte Halberstadt schon früher einmal, als er eine Urkunde bei Ulenoge bestellte, diesem die Arbeit erleichtert, indem er ihm ein altes von einer echten Urkunde abgeschnittenes Siegel in die Hand drückte.
Halberstadt ist der einzige von allen seinen Kunden, den Ulenoge der Mitwisserschaft und der Beihülfe zeiht, abgesehen natürlich von Carin Moltkes Wittwe mit ihrer Tochter Ilse. Diese beiden waren durch Ulenoges schriftliche wie mündliche Aussagen sehr schwer belastet. Der Moltkeschen Wittwe wollte Ulenoge nicht einmal die Erzeugnisse seiner Kunstfertigkeit angeboten haben; vielmehr behauptete er, von ihr zu seiner Fälscherthätigkeit angestiftet zu sein. Er habe nicht nur die oben genannten drei herzoglichen Siegel auf ihr Geheiß nachstechen lassen, sondern Moltkes Wittwe habe auch selbständig, ohne Ulenoges Vermittlung, die Siegel dreier Vettern ihres verstorbenen Gatten, des Lütke, Claus und Vicke, nachgraben lassen. Auf ihr Drängen habe er dann noch die Fälschung des Petschaftes von Gebert Moltke vermitteln müssen. Damit noch nicht genug, habe sie ihn heftig gedrängt, auch noch das kleine Siegel Herzog Albrechts, zwei bischöfliche und der Stadt Rostock Siegel nachstechen zu lassen. Das sei aber nicht mehr ins Werk gesetzt, "den mich das grauwen anginck".
So sei nicht nur der Anstoß zur Fälscherthätigkeit Ulenoges von Carin Moltkes Wittwe ausgegangen, sondern diese habe selber bei der Herstellung der Fälschungen mitgewirkt. Alle Entwürfe geplanter Fälschungen habe Ulenoge erst seiner Auftraggeberin einreichen müssen. Diese habe die Entwürfe bei sich behalten, genau bedacht, oft Aenderungen mit eigener Hand gemacht,
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darnach einen neuen Entwurf gefordert und oft erst nach mehrfachen Umarbeitungen die Ausfertigung genehmigt.
Endlich stände im Moltkeschen Hause ein "rodt nasch oder schrein", in dem viele alte Siegel verwahrt würden, die von alten Urkunden genommen seien; man habe sie gesammelt, um sie durch Anhängen an gefälschte Urkunden nutzbringend anwenden zu können. In dem genannten Schranke befänden sich auch die nachgestochenen Petschafte.
Diese Aussagen Ulenoges waren sämmtlich ohne Anwendung der Folter gemacht worden. Wollte man auch den Beschuldigungen eines entlarvten schweren Verbrechers kein zu großes Gewicht beilegen, so war doch klar, daß nicht alles aus der Luft gegriffen sein konnte. Und was den belastenden Aussagen Ulenoges ein besonderes Gewicht verlieh, war die Thatsache, daß Carin Moltkes Wittwe dem Flüchtigen nicht nur in ihren Gütern bereitwillig Aufnahme gewährt hatte, als die Kunde von seinen Frevelthaten schon in der ganzen Gegend erscholl und als die Herzöge schon Befehl gegeben hatten, ihn zu ergreifen; sondern sie hatte ihn sogar bei seiner Flucht auf das Nachdrücklichste unterstützt, indem sie ihn in ihrem eigenen Wagen und unter dem Schutz ihrer nächsten Angehörigen aus der Umgegend von Rostock bis nahe an die Westgrenze Meklenburgs befördern ließ.
Das alles waren unanfechtbare Thatsachen, die durch die Aussagen eines Bediensteten der Moltkeschen Wittwe selber, des Vogtes von Tüzen, nach jeder Richtung hin Bestätigung fanden. Dazu kam dann noch das Geständniß des Nicolaus von Stade, eines der Ulenogeschen Schreiber, aus dem mit aller Deutlichkeit hervorging, daß Karins Wittwe sogar mit den Gehülfen Ulenoges verkehrt, ihnen selber Geld für ihre Dienstleistungen bezahlt hatte, also jedenfalls mit dem ganzen Treiben im Hause des Fälschers vollständig vertraut war. Weiter hatte er bekundet, daß stets ein "kleiner Geselle" im Moltkeschen Haufe gesessen und dort für Ulenoge geschrieben hätte.
Dadurch war schon weit mehr geboten als bloße Verdachtsmomente; das alles enthielt schon nahezu die Gewißheit der Mitwisserschaft und der Mitschuld. Es war an der Zeit, daß die Herzöge auch Carin Moltkes Wittwe gegenüber die notwendigen Schritte thaten. Sie einigten sich bald dahin, die schwer Verdächtige durch beiderseits abgefertigte Diener gefangen zu nehmen und dem Rathe der Stadt Parchim zur Verwahrung zu übergeben. Aber kaum war sie am 6. März 1570 auf dem
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Wege nach Güstrow zu den dort versammelten Landständen wirklich gefangen genommen worden und der Befehl ergangen, sie am folgenden Tage nach Parchim weiter zu führen, als sofort ihre Freunde und Verwandten in größerer Zahl 1 ) für sie eintraten und darum baten, sie wo nicht frei, so doch zu Güstrow in der Herberge zu lassen, indem sie sich mit 20000 Thalern für sie verbürgten. Herzog Ulrich hatte darauf in Abwesenheit seines Bruders ihren einstweiligen Verbleib in Güstrow genehmigt; die Angelegenheit blieb bis zur Rückaußerung des sofort benachrichtigten Herzogs Johann Albrecht in der Schwebe.
Am 20. März wurde zum ersten Verhör der Wittwe Carin Moltkes geschritten. Es fand in der neuen Rathstube des fürstlichen Hauses zu Schwerin statt und wurde durch den Kanzler Heinrich Husanus unter Mitwirkung von Emmeran Zyrinck und Hubert Sieben geleitet.
Auf die erste Vorladung war Carins Wittwe nicht erschienen, sondern hatte sich begnügt, einige ihrer Verwandten zu senden, die sie vor dem Gericht vertreten sollten. Als sie sich endlich auf die bestimmt ausgesprochene Forderung des Gerichts herbeiließ, persönlich zu erscheinen, wurde sie mit einer langen Ansprache begrüßt, in welcher der Gerichtshof neben einer leichten Andeutung des gegen sie Vorliegenden sich in Wendungen des Bedauerns, gegen sie vorgehen zu müssen, erschöpfte. Nachdem die Richter sich hinter dem Befehl der abwesenden Herzöge verschanzt hatten, kamen sie endlich zum Schluß: "dem [herzoglichen Befehl] sie sich alß die vnderthenigen Diener gemeß verhalten müsten, freundtlich vor Ihre Person bittendt, Sie darin entschuldigt zu halten. Sie wolten doch nichts mehr thuen noch gegen Ihr vornhemen, dan soviel Inen zu thun auferlegt vnd befohlen were. Sie trügen auch mitt Ihr ain Christlich freundtlich mittleiden, möchten Ihr auch gern gönnen, das sie aller dieser Vlenogischen hendell vbrig vnd frey sein möchte. Weil sie aber gleichwoll also zu diesenn beschwerlichenn hendeln geraten, So müste man es Godt befehlen, vnd were woll ehe geschehen, das gute leute durch böse buben verfurt vnd in Ire vnfertige Hendel
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mitt eingemenget wehren worden. Vnd weil Sie dan hierüber mitt Ihr vnnd allen den Ihren, wie gehort, nicht allein deß schimpfs, sondern auch des schadens halben, so Ihr vnnd Ihren Kindern auß verderbung Ihrer brieflichen vrkunde zugestanden, ein mittleiden trügen. So hetten Sie befehlch, sie, die frawen, zum eingang zu fragen, Wie sie doch anfenglich mitt Vlenogen in den heimlichen vnnd vertrauten verstandt kommen, daß Er Ihr die alten brieffe also verbessert vnnd dermassen geendert vnd neu gemacht hefte, daß sie auf Irer Kinder seiten lauten vnd Ihnen zutreglich sein solten."
Für das mit dieser Frage endlich eingeleitete Verhör war in Folge der vielen unnützen Redereien nicht viel Zeit übrig geblieben. Es wurde am folgenden Tage wieder aufgenommen, indem der Beklagten die Ulenogeschen eigenhändigen Artikel vorgelesen wurden. Sie leugnete alles. Man schritt zur Konfrontation mit Ulenoge. Und als auch dies nichts half, wurde Ulenoge der Folter unterworfen.
Obwohl Ulenoge sich von vornherein wenig widerstandsfähig gegen körperlichen Schmerz zeigte, hielt er die Folter über drei Stunden lang aus, "biß ihm die hende gahr erschwartzet", wie das Protokoll mittheilt, ohne von seinen Artikeln abzugehen. Er blieb dabei, daß Carin Moltkes Wittwe ihn zu seinen Verbrechen angestiftet, daß sie um jede einzelne für sie gemachte Fälschung gewußt und ihm die Konzepte korrigirt habe. Ferner habe sie beim Anhängen alter echter Siegel an die gefälschten Urkunden, das durch Anschmelzen mit einem glühenden Eisen geschah; beim Besiegeln mit den nachgestochenen Petschaften, wobei dem Wachs etwas Kreide beigemischt wurde, um ihm ein älteres Aussehen zu verleihen; bei dem zu gleichem Zweck vorgenommenen Räuchern der Pergamente sehr häufig nebst ihrer Tochter Ilse mitgeholfen.
Carin Moltkes Wittwe blieb dem gegenüber dabei, Ulenoge als Verführer hinzustellen, gestand aber, bei der Besiegelung mehrerer Stücke mitgewirkt zu haben. Damit hatte sie ungefoltert ihre Mitschuld zugegeben und konnte nur noch auf die Zubilligung mildernder Umstände hoffen.
Auf den Bericht hiervon waren auch die abwesenden Herzöge der Ansicht, daß Carins Wittwe nicht unschuldig, sondern sich selber "des falsches theilhaftig gemacht" habe. Sie einigten sich brieflich, die Akten zur Rechtsbelehrung an die Juristenfakultäten zu Leipzig und Wittenberg zu senden und die unglückliche Frau
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gegen keinerlei Bürgschaft auf freien Fuß zu setzen, sondern sie der ursprünglichen Abrede gemäß nach Parchim in Verwahrsam bringen zu lassen. Obgleich die Moltkesche Freundschaft auch jetzt wieder sich ins Mittel legte und darum bat, die Wittwe "in ansehung Ihrer schwachheitt ond vngelegenheitt biß in ire behausung zu betagen", erging am 12. April 1570 ein gemeinsames Schreiben beider Herzöge an den Rath zu Parchim mit dem Befehle, Moltkes Wittwe in einem Gemach des Rathhauses zu verwahren, sie Tag und Nacht bewachen zu lassen, ihr keinerlei persönlichen oder brieflichen Verkehr zu gestatten und sie gegen Zahlung zu beköstigen.
Dabei war nur das nicht bedacht, daß sich Parchim zur Erfüllung dieses Auftrages sehr wenig eignete. Als die Gefangene dort ankam, fand sich im Rathhaus kein einziges Gemach, das geeignet gewesen wäre, sie aufzunehmen. Man half sich, indem man sie einstweilen in einer Herberge verwahrte. Aber das schien den Parchimer Stadtvätern nicht sicher genug zu sein; sie setzten alle Hebel in Bewegung, die ihnen aufgebürdete Verantwortung wieder von sich abzuwälzen, indem sie wiederholt erklärten, daß weder im Rathhaus noch sonstwo in Parchim ein zweckentsprechendes Gemach vorhanden wäre, und daher baten, die Gefangene an einen andern Ort zu bringen.
Dazwischen hinein kamen dann noch neue Anträge der Moltkeschen Verwandtschaft wegen Ansetzung eines öffentlichen Verhörs, Mittheilung der Akten, Aufhebung der Bewachung gegen Kaution. So schleppte sich der Prozeß endlos dahin; um nur seinem Abschluß etwas näher zu kommen, verhörte man Ulenoge hinsichtlich seiner weiteren Kundschaft.
Während dessen waren die erforderten Rechtsbelehrungen der Juristenfakultät zu Leipzig, des Hofgerichts zu Wittenberg und des Schöppenkollegiums beider Städte Brandenburg eingegangen. Sie erklärten einmüthig, daß bei dem vorzunehmenden ferneren Verhör wenn nöthig die Folter gegen Moltkes Wittwe angewandt werden dürfe. Das Leipziger Gutachten führte dann noch weiter aus, daß, selbst wenn die Beklagte nichts weiter bekennen sollte, sie doch wegen des schon Gestandenen mit Konfiszirung ihrer Güter und ewiger Landesverweisung zu bestrafen sei.
Diesem Leipziger Gutachten traten am 13. Oktober die herzoglichen Räthe bei. Die Aufstellung der Inquisitionsartikel wurde angeordnet, und am 7. Februar 1571 war die Angelegenheit endlich so weit gediehen, daß beide Herzöge Carin Moltkes
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Wittwe nebst Tochter wegen Anstiftung und Beihülfe zur Fälschung, Beherbergung und Forthülfe des Fälschers auf den 19. März nach Schwerin zitirten.
Carins Wittwe antwortete auf die Zitation, indem sie fünf Forderungen stellte. Sie verlangte:
Da die Herzöge jeden Schein eines übereilten und voreingenommenen Verfahrens meiden wollten, mußte auch wegen dieser fünf Forderungen wieder von auswärts Rechtsrath eingeholt werden. Dies übergroße Entgegenkommen äußerte denn auch sogleich seine Wirkung auf Carin Moltkes Wittwe, indem diese formell Einsprache dagegen erhob, daß den auswärtigen Kollegien als Material zur Ertheilung der Rechtsbelehrung das von ihr nicht ratifizirte Protokoll ihrer Bekenntnisse mit übersandt worden war.
Am 12. Juni 1571 endlich konnten die Herzöge auf Grund der inzwischen eingegangenen Rechtsbelehrungen verordnen, daß der Fiskal alsbald seine Anklageschrift übergeben und der Prozeß dann nach Maßgabe der genehmigten Punkte 4 und 5 der Moltkeschen Forderungen seinen Fortgang nehmen solle. Während dessen solle aber die Angeklagte in ihrer Haft bleiben.
Der zur Beantwortung der Anklageschrift gestellte monatliche Termin wurde auf Bitten der Beklagten und ihrer Verwandtschaft, die auch den Herzog Christoph, Administrator von Ratzeburg, für diese Sache zu interessiren gewußt hatte, noch mehrfach hinausgerückt und endlich auf den 24. Oktober festgesetzt.
Aber erst am 27. Oktober wurde die Antwort der Angeklagten übergeben. Sie bestand im Wesentlichen darin, daß Carins Wittwe alles, was sie vorher bereits gestanden hatte, ausdrücklich widerrief, da es nur "aus fräwlicher blödigkeitt vnd auß grossen schreckenn in beysein der Fronen vnd anderer Leute gescheen sey". Der Fiskal beantragte darauf, zur scharfen Frage überzugehen. Und nachdem die Verwandtschaft noch einmal um
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Freilassung der Angeklagten gebeten hatte, entschieden die Herzöge endlich am 17. März 1572 gemäß dem Antrage des Fiskals, daß mit der scharfen Frage gegen die Angeklagte vorzugehen sei, falls diese bei der Verleugnung ihrer früheren Geständnisse verharren sollte.
Am 21. März wurde zum abschließenden Verhör der Wittwe Carin Moltkes und Ulenoges nach den 32 Artikeln des Fiskals geschritten. Die Wittwe leugnete ihrem letzten Widerruf gemäß alles, was sie irgend belasten konnte, während Ulenoge unter Angabe weiterer Einzelheiten bei seinen früheren Aussagen beharrte.
Nachdem Ulenoge seine Aussagen nochmals feierlich betheuert hatte, wurde er abgeführt und der Scharfrichter der Frau vorgestellt. Sein bloßer Anblick wirkte schon so viel, daß die Wittwe bekannte, Ulenoge befohlen zu haben, durch Umschreiben alter Briefe neue zu machen; sie sei auch dabei gewesen, wie die Siegel an die gefälschten Urkunden gehängt wurden, habe es aber nicht befohlen, noch auch dazu geholfen. Als ihr darauf für kurze Zeit eine Schraube auf ein Bein gesetzt wurde, ließ sie sich zu keinen weiteren Geständnissen herbei. -
Für Ulenoge waren inzwischen lange und qualvolle Monate dahin gegangen. Schon auf der Flucht war seine Tatkraft völlig erlahmt, so daß er sich nicht mehr dazu aufraffen konnte, die kurze Strecke von Camin bei Wittenburg bis über die Grenze zurückzulegen. Seine Ergreifung, die Verhöre und die strenge Haft hatten auch sein körperlicher Wohlbefinden untergraben. Von Anfang seiner Gefangenschaft an klagt er über Schwäche und Kopfschmerz.
Die schwere Folterung, die er am 21. März 1570 über drei Stunden lang erdulden mußte, hat er wohl nicht mehr völlig verwinden können. Wie sollte er sich in der harten Gefangenschaft erholen, in der es ihm an der allernöthigsten Pflege des Leibes gebrach? Als er am Tage nach seiner Folterung dem Kanzler Husanus noch einmal schriftlich seine Aussagen bekräftigte, sah er sich gedrungen, um Reichung eines seiner Hemden zu bitten, "damitt das mych die worm im lebendt nicht magk vortzerenn".
Als Ulenoge später erfuhr, daß Carins Wittwe ihre vorher gethanen Bekenntnisse widerrufen habe, betheuerte er in einem Schreiben vom 1. August 1571 den herzoglichen Räthen unter Anrufung der heiligen Dreifaltigkeit, daß sein Bekenntniß wahr sei. "Und so es nicht anderß sein kann" - fuhr er fort -
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"das ich nicht gnade magk erlangen, will ich den dott willich vnnd gerne darvmb leiden, dieweill sch doch durch grossen grham vnnd hefftige wehetage des haupts vnnd bedrengung meiner gefengknus offt meiner vornunfft beraubett werde." Daher bittet er um Christi Leiden willen, beim Herzog Fürsprache einzulegen, daß seine Pein gekürzt oder doch sein Gefangniß gelindert würde. Denn nicht einmal das Nöthigste würde ihm gereicht; bäte er um das ihm bewilligte Bier, "so lest mich der kellerknechtt enttbieten, Ich soll hellisch fewr sauffen . . . . der koch: will ichs nicht fressen, ich sols in den dranck stürtzen . . . . vnd wolt also Tausenttmhall lieber Todt sein dan leben".
Aber noch manche Monate sollten dahin gehen, bis endlich der erlösende Tod nahte. Nach dem letzten Verhör mit Carin Moltkes Wittwe, das am 21. März 1572 stattfand, wußte Ulenoge, daß nun seine Tage gezählt waren. Er betheuerte noch einmal, am 27. März, schriftlich seine Aussage, "welche ich will bekrefftigenn mitt meinem Thode vnnd blude, das es whar sei, darauff ich auch das whare leib vnnd bludtt vnsers hernn Jhesu Christi Empfahen will".
Als er diese seine letzten Worte niederschrieb, war sein Schicksal schon besiegelt. Tags zuvor bereits hatten beide Herzöge an Bürgermeister und Rath zu Güstrow geschrieben, daß sie am nächsten Freitag früh (den 28. März) "eine peinliche rechtfertigung vor der gemeinen Landtschafft alhier auf dem Marckt ergehen zu lassen entschlossen, zu dem behueff das Gericht mitten auf dem Marckt vnter dem offenen himmel bestellet, geheget vnd ettvas ansehenlicher vnd stadtlicher, dan sonst inn andern gemeinen Stadtgerichten gebreuchlich, besetzet werden soll vnd muß". Sie befehlen daher, zu den gewöhnlichen beiden Gerichtsschöppen, Simon Leupold und Jacob Krüger, noch zwei aus ihrer Mitte, nämlich Christian Klevenow und Joachim Kunnich zu verordnen; dazu aus der Bürgerschaft hundert bewaffnete Männer aufzubieten, "die alßdan in ihrer rüstung einen ringk schlagen vnd Platz halten".
Der Urtheilsspruch, an dessen Vollziehung die Stadt Güstrow in der eben beschriebenen Weise mitwirken sollte, hatte nachstehenden Wortlaut: "Nachdem Wilhelm Vlenoge, welcher sich ein Zeit langk in diesenn Landen für einenn Notarien gebrauchen lassen, etliche der durchleuchtigen hochgebornen fursten vnd hern hern Johans Albrecht vnd hernn Vlrichen gebrudern hertzogen zu Mecklnburgk vnser gnedigenn fursten vnd hernn seliger vorelter loblicher gedechtnus furstliche siegel nachgrabenn lassenn,
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viel falsche brieffe in mercklich grosser antzall
gemacht, die siegel darfur gehengt vnd vielen
vnderscheidlichen Personen vonn dem adel auch
andere ihre f. G. vnderthanenn verkaufft, alles
vnter dem schein, als hette er die selb eins
teils in klosternn, Eins teils aber bei einem
altenn Pfaffen zu Lübeck gefunden vnd an sich
gebracht, vnder welchem falschenn brieffen fast
in die 40 befunden worden, welche meistenn teils
mit den newen falschen siegelnn, etliche aber
mit Rechten wahrhafftigen alten siegeln ihr F.
G. vorfahrnn zum teil Kuniglichen, zum teil auch
furstlichen Insieglen behengt, so von andern
alten brieffen abgetzogen vnd mit der alten
sieden zu rugk inn new wachs an die falschenn
Newen briff angeklebt vnd angeschmeltzt seindt,
welche brieffe alle mit einander denn Moltken
zum Toitkenwinckel zugut vnd vorteil, aber
dagegen den Moltken zum Streitfelt vnd vielen
andern vom adel auch J. F. G. selbst, dem stifft
Swerinn vnd der stadt Rostock zu schadenn vnd
nachteil lauten, daran seligenn Carin Moltkens
nachgelassene witwe schuldig vnd teilhafftig,
von ihme angetzogenn worden, wie sie dan fur ihr
f. g. dartzu vorordenten Räten, Secretarien vnd
Notarien zum teil gestanden vnd vnter andern
bekandt laut daruber aufgerichtet Instrument vnd
vortzeichenter actenn; welches alles Wilhelm
Vlenoge mit allen seinen vmbstenden, wie
obgemelt nach der lenge, beides in der gutte vnd
peine beharlich vnd bestendiglich bekandt vnd
noch darauff bleibt vnd bestehet, Vnd also auß
seiner eigen friewilligen vnd beharlichen
bekentnuß solchenn abscheulichen vnd nicht uiel
gehortenn begangenen falsches vberzeugt ist, Als
Erkennen hiemit J. F. G., das er mit dem schwert
vom leben zum todt gerichtet, darnach in vier
teil zerschnitten auch dieselbige auff die vier
wegscheiden vor der stadt auffgehengt werden
soll. Von Rechs wegen. Vrkundtlich mit J. F. G.
Secreten besiegelt. "Actum Gustrow 28
Martii anno
. Lxxii."
Dies Urtheil wurde Freitag, den 28. März, zwischen 9 und 10 Uhr verlesen und auf öffentlichem Markt in Gustrow gemäß der herzoglichen Verfügung vollstreckt.
Das Verbrechen war durch die Hinrichtung Ulenoges nur theilweise gesühnt. Die Entscheidung darüber, was mit seiner Mitschuldigen geschehen sollte, war noch nicht gefallen. Sowie sich aber nach Ulenoges Tode diese Frage wieder in den Vordergrund drängte, erschien auch sogleich die Moltkesche Verwandtschaft wieder auf dem Plan. Jetzt allerdings wagte sie es nicht mehr, wie noch vor kurzem geschehen, von der Unschuld ihres Schützlings zu sprechen. Sie bat nur, das was Carins Wittwe gestanden
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und was sie "auß weiblicher blödigkeit, vnuorstande vnd vnwissenheitt gethan", ihr um Gottes Willen gnädig zu verzeihen und die langwierige Gefangenschaft dafür eine Strafe sein zu lassen.
Zur Hebung einer so weitgehenden Gnade waren die Herzöge jedoch nicht geneigt. Am 7. Juni 1572 erklärten sie zu Sternberg, da die Frau den Wahn zu verbreiten suche, "als hette sie so gar vbel nicht gehandelt" und seien die Fürsten zu rasch gegen sie verfahren, so wollten sie auf den Rath der Rechtsverständigen die wohlverdiente Strafe der Konfiskation ihrer eigenen Güter und der Landesverweisung gegen sie ergehen lassen.
Die Formulirung, Siegelung und Unterzeichnung des Urteils zog sich dann noch längere Zeit hin wegen einer Reise, die Herzog Ulrich um die Zeit nach Dänemark unternahm. Einen weiteren Aufschub bewirkten die Landtagsarbeiten. Endlich wurde Carin Moltkes Wittwe auf den 19. November 1572 vor das peinliche Gericht auf der Reitbahn vor der Schloßbrücke zu Schwerin zur Verkündigung und Vollstreckung des Urteils geladen.
Das Urtheil hatte folgenden Wortlaut: "In sachen begangenes Falsches vnd auff Rechtliche zuerkante auch angestelte, aber nicht wircklich volzogene peinliche frag vnd verhör der gefangenen Elisabeth Halberstadtin, seligen Carin Moltkens nachgelassener witwen, Erkennen von Gottes gnaden wir Johans Albrecht vnd Vlrich gebruedere, hertzogen zu Meckelburgk . . . (Titel) . . ., weil genante frau hiebeuor aus eigener bewegknus, ohne einige abschreckung oder bedrauhung die mit Wilhelm Vlenogen begangene landtkundige vnd offenbare verfälschung etlicher briefe vnd Siegel freiwillig bekent, auch in obberurter, zu sechs vnterschiedtlichen mahlen ihr in Recht zuerkanter, auch etlicher massen angestelter, aber wircklich nicht volzogener Tortur im grundt nicht vernainet, vilweniger vernainen kann, wie dan auch der gerechtfertigte Wilhelm Vlenoge darauf standhaftig verharret vnd vor einer gantzen Meckelburgischen Landtschaft gestorben, das demnach Sie die fraw alle ihre guter, So ihr vor ihre person eigenthumblich zustehen, vns verwirckt vnd vnserer lande vnd gepiete hiemit ewiglich vorwiesen sein vnd sich derselbigen bey vermeidung leibs vnd lebens straff enthalten soll. In massen wir dan solche ihre eigenthumbliche guter hiemit confiscieret vnd sie des landes ewiglich verwisen haben wöllen. Vonn Rechts wegen." Darunter die Siegel und eigenhändige Unterschriften der beiden Herzöge.
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Abgesehen von Ilse Moltke, deren Name in den Prozeßakten nicht mehr erwähnt wird, war jetzt Achim von Halberstadt, der Bruder von Carins Wittwe, der einzige, dem eine Mitschuld oder wenigstens ein Mitwissen an den Verbrechen Ulenoges zur Last gelegt werden konnte. Alle Uebrigen, denen Ulenoge mit seiner verderblichen Kunst gedient hatte, hatten nach des Fälschers eigener Aussage keine Kenntniß von der strafwürdigen Herstellung der von ihnen theuer bezahlten und für echt gehaltenen Dokumente.
Nur gegen Halberstadt bestand demnach die Möglichkeit eines gerichtlichen Einschreitens. Die Herzöge waren entschlossen, auch diesen Theil der Angelegenheit zu einem rechtlichen Abschluß zu bringen. Sie sandten zu diesem Zwecke am 22. März 1573 die gegen Halberstadt vorliegenden Verdachtsmomente in 5 Artikeln an die Leipziger Juristenfakultät mit der Anfrage, ob der Verdächtige nicht "gefenglich eingezogen vnd wider ine mitt der scharffen vnd peinlichen verhor verfahren oder zum weinigsten das Juramentum purgationis auferlegt werden muge".
Die Antwort der Leipziger Juristenfakultät lautete, daß "nicht sufficientia indicia wider Achim Halberstadt vorhanden" wären. Damit war die rechtliche Sühne der Ulenogeschen Verbrechen zum Abschluß gebracht.
Während dieser Prozeß nach mehrjähriger Dauer endlich zu entscheidenden Sprüchen geführt hatte, zog sich ein anderer, vor Jahrzehnten begonnen, noch mehrere Jahrzehnte vor dem Reichskammergericht zu Speier hin. Da er geeignet ist, einen Einblick in die Beweggründe zu eröffnen, die Carin Moltkes Wittwe verleiteten, den Weg des Verbrechens zu betreten und Schande auf eins der ersten Geschlechter des Landes zu häufen, muß er hier wenigstens kurz berührt werden.
Im Jahre 1543 hatten Gebhard und Carin Moltke vor dem Reichskammergericht wider Herzog Heinrich von Meklenburg Klage erhoben wegen der Lehndörfer Bahlen, Parkow, Passin und Penzin und wegen der Zehnten zu Stove, Niendorf und Warkstorf. 1 ) Nachdem sich der Prozeß länger als zwei Jahrzehnte hingeschleppt hatte, war immer noch kein Ende abzusehen.
Da trat plötzlich ein Ereigniß ein, das geeignet erschien, eine entscheidende Wendung herbeizuführen: der Moltkesche An=
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walt überreichte am 21. November 1567 dem Reichskammergericht eine Schrift, in der angezeigt wurde, "daß sich in kurtzer Zeitt begeben, daß weilandt Carin Moltken kinder vnd Erben sampt derselbigen vormunder eine Kaste mit siegell vnd brieffen, die in viel Jaren In ihren handen nit gewesen, Auch daruon kein wissenschafft gehabt", unter denen Urkunden von entscheidender Bedeutung für den schwebenden Prozeß, "widerumb bekhomen vnd erlanget". Wegen ihres großen Werthes könne man diese Urkunden nicht in den Originalausfertigungen einreichen und bäte daher, von Gerichts wegen Auftrag zur Vidimirung zu ertheilen.
Am 27. September 1568 wurden Moltkesche Artikel eingereicht, die mit Beziehung auf die angeblich neu gefundenen Urkunden die alten Moltkeschen Ansprüche mit der größten Entschiedenheit erneuerten. Die Sache der Herzöge schien längere Zeit hindurch auf sehr schwachen Füßen zu stehen, bis durch die Ergreifung Ulenoges und die Einlieferung seiner Fälschungen der Prozeß wieder auf den vorherigen Stand zurückgeführt wurde. Am 8. März 1571 konnte Herzog Ulrich seinem Anwalt mittheilen, daß unter den Briefen Ulenoges sich auch die gefälschten Originale über die mit den Moltkes streitigen Güter gefunden hätten. Und am 7. November desselben Jahres wurden endlich die"Responsiones" des Herzogs Ulrich auf die letzten Moltkeschen Artikel eingereicht. Sie legten dar, daß die Briefe, auf die sich die Moltkeschen Artikel von 1568 stützten, gefälscht seien. Ulenoge und Carin Moltkes Wittwe hätten es bereits in gütlichen Verhören eingestanden. Wenn somit die durch die Moltke=Ulenogeschen Fälschungen herbeigeführte Wendung des Prozesses infolge der baldigen Verhaftung und Entlarvung des Fälschers auch nur von kurzer Dauer war, so zog sich dessen ungeachtet der Prozeß doch noch bis ins Jahr 1598 hin.
Ihn weiter zu verfolgen, hat für uns kein Interesse mehr, nachdem die Fälschungen als solche erkannt waren und rechtliche Wirkungen von ihnen nicht mehr ausgehen konnten. Die Fälschungen waren unternommen, um in dem schon so lange schwebenden Prozeß eine Entscheidung zu Gunsten der Moltkes herbeizuführen. Die Ankündigung des Moltkeschen Anwalts von der Auffindung entscheidender Urkunden geschah Ende 1567, also genau um die Zeit, in der Ulenoge begann, sich dem Fälscherhandwerk zu widmen. Der vor dem Reichskammergericht schwebende, geldfressende Prozeß war es also, der bei Carin Moltkes Wittwe den Plan der Fälschung entstehen ließ und zur
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Reise brachte; die Beendigung des langwierigen Prozesses und damit zugleich der sichere Gewinn reicher Güter war es, was sie von den Fälschungen erhoffte. Nachdem dann Ulenoge für die Ausführung des Planes gewonnen war, blieb es nicht bei der Fälschung der für den Prozeß nöthigen Dokumente. Die einmal erlangte Hebung wurde benutzt, um auch für anderweitige alte Familienansprüche oder neue Wünsche rechtlich wirksame Grundlagen zu gewinnen.
Man sollte glauben, daß nach dem mißlungenen Versuche, die Ulenogeschen Fälschungen vor dem Reichskammergerichte zu verwerthen, die Sache von Moltkescher Seite nicht mehr angerührt werden würde. Weit gefehlt! Im Januar 1572, als der Ulenogesche Prozeß sich seinem Ende schon näherte, der Nachweis der Fälschungen schon lange erbracht war und Carin Moltkes Wittwe ihre bereits gethanen Eingeständnisse wieder zurückgenommen hatte, tagte in Güstrow der Landtag. Diesem Landtage wurden von Gebert und Carin Moltkes Lehnserben Beschwerden eingereicht, in denen neben anderm die im schwebenden Reichskammergerichtsprozeß streitigen Güter gefordert wurden. 1 )
Dies unerhörte Vorgehen wurde in der auf die gravamina der Landschaft ertheilten fürstlichen Erklärung auf das Schärfste zurückgewiesen. 2 ) Das ganze durch den Ulenogeschen Prozeß ans Licht gekommene Fälschungsunwesen wurde dem Landtage dargelegt und auch die versuchte Verwerthung der Fälschungen in dem Kammergerichtshandel mit schonungslosen Worten geoffenbart: "darauf sie [die Moltkes] auch mitt bosem vnuerschempten gewissen hochgedachten vnsern g. f. vnd herrn hertzogk Vlrichen sein herlich beschicken vnd verwarnen lassen, s. f. g. solten solche dorffer vnd hebungen viell lieber in der gutte abstehen vnd sich mitt clegern daruber vertragen, alß deß rechtlichen außtrags erwarten. Dan eß weren solche briefe gefunden worden vnd vorhanden (die falsche damitt mainende), darauß clerlich zu erweisen, das die guter Ihnen mitt allem rechten zukemen; wie sie dan auch am Kais. Camergericht auf dieselbige alß neugefundene Vrkunden sich beruffen, vnd also s. f. g. gern ein blauwen dunst vor die augen gemacht vnd dieselbige arglistiglich zu hindergehen vnd zu vberreden vnterstanden. Welches alleß s. f. g. dem geschlecht zu ehren vill lieber wolten verschwigen haben, wan sie s. f. g. mitt dieser
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vngerumpten suchung vber einer alberaitt rechthengigen sache vor der gantzen erbarn Landtschafft schrifftlich zu verclagen vnd anzugeben Ihresteilß auch verschonett hetten, vnd konnen sonsten s. f. g. dieser Ihrer bitt mitt nichten stadt geben, sondern wollen des rechtlichen ausganges gewarten.
Vber dis, vnd welche frechait hiebeuorn nicht viel erfaren sein magk, haben sich die Moltken solcher kuntbarer falschen brieffe nach offenbartem falsche vnd betrug auch wieder Ihr gewissen vnd s. f. g. geschwornen Lehenseid zu gebrauchen vnd dieselben in dieser sachen wider s. f. g. ganz neulicher weile zu articuliren nicht gescheuet, wie solches Ire vnlengst den geordenten Key. Commissarien vbergebene articuli clerlich außweisen. Ob nun solches den Moltken alß lehen leutten wider Iren Lehensherren vnd Landesfursten furzunemen Iren Pflichten nach getzimett vnd gebueret, geben s. f. g. ainer Erbarn Landtschafft zu erkennen. Darumb wollen s. f. g. Ihr die dardurch vorwirckte straff wider die Moltken hiermitt außdrucklich vorbehalten haben."
Diese Sprache und wohl mehr noch der Fortgang des Ulenogeschen Prozesses verfehlten ihre Wirkung nicht. Als am 25. März 1572, drei Tage vor der Hinrichtung Ulenoges, die Landschaft ihre Antwort einreichte, wurde von Punkt VIII der gravamina gleich auf Punkt X übergegangen. 1 ) Nur eine gleichzeitige Notiz von anderer Hand meldet lakonisch und bezeichnend: "Nota quod nonus articulus a Moltkianis silentio preteritus sit." Damit war die traurige Angelegenheit vor dem Landtage abgethan.
Bevor ich dazu schreite, die bei den Akten in Originalausfertigung, in Konzepten oder Kopieen befindlichen Ulenogeschen Fälschungen zusammenzustellen, seien mir noch einige wenige Vorbemerkungen gestattet.
Das Verfahren, durch welches die Ulenogeschen Fälschungen zu Stande kamen, bedarf keiner ausführlichen Darlegung mehr; es ist aus den Prozeßverhandlungen hinreichend bekannt. Wir wissen aus ihnen, um hier nur kurz zusammenzufassen, daß Ulenoge sich an vorhandene echte Urkunden anlehnte, indem er
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dieselben je nach dem Zwecke der Fälschung veränderte, dabei jedoch alles Formelhafte einfach übernahm.
Wir wissen, welche nachgestochenen Petschafte zur Fälschung der Siegel zu Gebote standen. Die Fälschung der herzoglichen Petschafte (Albrechts III., Heinrichs IV. und Magnus' II.) war keineswegs geschickt gemacht. Auf den ersten Blick kann man ihre Abdrücke wohl mit Originalsiegeln verwechseln. Aber sieht man sie neben solchen, so fallen sofort die verzerrten Linien und Figuren der Fälschung in die Augen. Auch in der Farbe sind die Fälschungen von den Originalsiegeln verschieden. Um den Schein des Alters hervorzurufen, hatte man - wie beim Verhör schon mitgetheilt - dem Wachs Kreide beigemischt. Das hatte aber eine Verschiedenheit der Farbe bewirkt; während die Originalsiegel ein schönes Roth zeigen, sind die Fälschungen rothbraun.
Mußten an eine gefälschte Urkunde Siegel gehängt werden, für die kein nachgestochenes Petschaft zur Verfügung stand, so half man sich, indem man die nothwendigen Siegel von echten Urkunden abschnitt und an die Pergamentstreifen der Fälschung mit Hilfe eines glühenden Eisens anschmolz. So geschah es z. B. mit dem Siegel der Stadt Rostock und den angewandten bischöflichen Siegeln. Auch hierbei ist nicht immer mit der gebotenen Vorsicht verfahren worden. Es kommt vor, daß der Pergamentstreifen, durch den das Siegel mit der echten Originalurkunde verbunden war, beim Befestigen an der Fälschung nicht entfernt worden ist.
Alle diese in den Verhörsprotokollen enthaltenen Einzelheiten der Herstellung wie auch die mit den Pergamenten vorgenommene Räucherung werden durch den Augenschein bestätigt, wenn man die große Zahl der noch vorhandenen Ulenogeschen Originale durchsieht. Weitere Einzelheiten sind bei den Regesten mitgetheilt.
Die Anforderungen seiner zahlreichen Kundschaft konnte Ulenoge allein nicht bewältigen. Mehrere Gehülfen dienten ihm dabei. Sein Haupthelfer scheint Nicolaus von Stade gewesen zu sein, den er beim ersten Verhör verschwieg. Er hatte hauptsächlich bei den Moltkeschen Fälschungen mitgeholfen. Außerdem dienten ihm "Zacharias Cölling, ein Student aus Pommern von Mordorp ein Meil vom Sunde, eins Pastoren Son", weiter Hans von Meideburg, ein Gerber zu Rostock, Claus Reincke "ein alt Cüster im Toitkenwinckel zu Dirkou" und endlich "Jochim Vedderow eines dieners sone bynnen Rostogk".
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Ein Verzeichniß sämmtlicher eingelieferten Ulenogeschen Fälschungen findet sich bei den Prozeßakten. Es enthält im Ganzen 89 Stücke, die fortlaufend nummerirt und mit Buchstaben bezeichnet sind. Den Anfang machen die Preenschen Fälschungen A 1 bis P 15, Q 16 folgt eine Schmeckersche Fälschung, R 17 bis T 19 wieder Preensche Fälschungen, V 20 und X 21 Halberstadtsche u. s. w., bis mit i 32 die Moltkeschen Fälschungen beginnen. Sie reichen bis fff 76, umfassen mithin 44 Nummern. Dann folgen wieder Preensche, Behrsche, Viereggesche Fälschungen in bunter Anordnung bis zur Schlußnummer ttt 89.
Bei der nun folgenden Zusammenstellung der Ulenogeschen Fälschungen habe ich mich nicht an dies bei den Akten befindliche Verzeichniß halten können, da die dort gegebenen Auszüge, besonders hinsichtlich der Datirung, meist sehr ungenau sind und die willkürliche Reihenfolge eine Uebebersicht sehr erschwert.
Ich habe die noch bei den Ulenogeschen Akten befindlichen Originale, Kopieen und Konzepte sämmtlich neu regestirt und lasse sie demnächst in chronologischer Anordnung folgen. Die in den Prozeßakten angewandten und auf jedem Original verzeichneten Registraturnummern AI-ttt 89 sind in der Schlußzeile der nachstehenden Regesten mitgetheilt.
Bei dieser umfassenden Neuregestirung ergab sich, daß eine Anzahl Nummern, die in der bei den Akten befindlichen Registratur der Ulenogeschen Briefe verzeichnet sind, jetzt nicht mehr vorhanden ist, weder in Originalausfertigung, noch im Konzept, noch in Abschrift. Da sich in diesen Fällen ein neues genau datirtes Regest nicht anfertigen ließ, habe ich die betreffenden Nummern aus der "Registratur" unverändert übernommen und sie in die chronologische Folge eingereiht. Um diese Nummern äußerlich kenntlich zu machen, ist ihnen ein †) beigesetzt worden.
Es sind die Registraturnummern
M | 12 | in | nachstehender | Sammlung | Nr. | 89†) |
T | 19 | " | " | " | " | 75†) |
c | 26 | " | " | " | " | 68†) |
h | 31, | " | " | " | " | 69†) |
i | 32, | " | " | " | " | 93†) |
o | 37, | " | " | " | " | 26†) |
q | 39, | " | " | " | " | 33†) |
e e | 51, | " | " | " | " | 45†) |
w w | 67, | " | " | " | " | 16†) |
y y | 69, | " | " | " | " | 107†) |
p p p | 85, | " | " | " | " | 22†) |
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Andrerseits fanden sich jedoch Stücke, meist Konzepte, aber auch einige Originale, die wahrscheinlich erst nach Abschluß der "Registratur" zu den Akten kamen und daher in ihr keine Aufnahme mehr finden konnten. Während die Konzepte alle schon durch die Handschrift dem Ulenogeschen Fälschungskreise zugewiesen werden, ist es bei einigen der Originale zweifelhaft, ob sie Ulenoge zur Last gelegt werden können, wenn sie sich auch deutlich genug als Fälschungen erkennen lassen. Ich habe alle diese in der "Registratur" nicht erwähnten Stücke durch einen. *) kenntlich gemacht. Es sind die Nummern 24*), 36*), 37*), 67*), 71*), 83*), 85*), 90*), 99*), 100*), 102*), 104*), 105*), 106*), 108*), im Ganzen 15 Stücke.
Endlich befinden sich bei den Ulenogeschen Fälschungen noch 5 die Familie v. Raben betreffende Originalausfertigungen. Auch sie sind nicht in der "Registratur" vermerkt. Auf den ersten Blick als Fälschungen kenntlich, sind sie wohl bei Gelegenheit des Ulenogeschen Handels eingeliefert worden, obwohl Ulenoge sicherlich nicht ihr Urheber gewesen ist. Siegel, für die Ulenoge bestimmt gesorgt haben würde, findet man an ihnen überhaupt nicht: nur Siegelstreifen und Einschnitte; ein sehr schwacher Versuch, den Stücken Glaubwürdigkeit zu verschaffen! Auch diese Stücke sind der chronologischen Ordnung eingefügt, unter Hinzusetzung von **) zur Nummer. Es sind die Nummern 17**), 56**), 63**), 94**) und 95**).
Durch diesen Zuwachs von zusammen 20 Stücken haben sich die in der "Registratur" vereinigten 89 Nummern auf 108 gesteigert. Daß es nicht 109 geworden sind, erklärt sich daraus, daß in der "Registratur" unter V 20 eine echte Urkunde, die bei den Fälschungen benutzt wurde, und unter dd 50 der von Ulenoge entworfene Stammbaum der Moltkes aufgeführt werden. In die nachfolgende Zusammenstellung der Regesten gefälschter Urkunden konnte natürlich keiner von diesen beiden Stücken aufgenommen werden. Andrerseits sind unter der Registraturnummer F 15 zwei Stücke zusammengefaßt, von denen in der nachfolgenden Regestensammlung jedes seine besondere Nummer erhalten mußte. So erklärt sich die Zahl 108.
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Nunmehr mögen die Regesten der Fälschungen folgen:
1. 1348. Juli 14. Rostock.
Herzog Albrecht II. zu Meklenburg bestätigt eine inserirte Urkunde Burwy III. (Rostock, 1262, Okt. 31), in der dieser dem Ritter Mattheus Moltke zu Strietfeld und Vogtshagen und Erben die Dorfer des Teutenwinkels, nämlich Teutenwinkel (Tötkendorp), Gehlsorf (Michelstorp), Oldendorf (Oldenkrummendorpe), Krummendorf (Nyenkrummendorpe), Lübbersdorf, Petersdorf, Peez (Petze), Nienhagen, Hinrichsdorf, Goorsdorf, Häschendorf (Heizckendorpe) und Dierkow (Deerkowe) verkauft hat.
Zeugen: her Vicke van Devitze, ridder, heren Bartoldo Raden unde Bernhardo Alkun.
tho Rostogk . . . 1348, deß anderen dageß nha Margreta der hilligen junckvrouwen.
Auf Pergament mit an Seidenschnüren hängendem Wachssiegel abgenutzter Platte, abgeb. M. U.=B. X, 7079. - Das Transsumpt ist ebenfalls gefälscht.
reg. Ulenoge zz 70.
2. 1358. September 12. Rostock.
Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, verleiht den Moltkeschen Brüdern Johann zu Teutenwinkel, Conrad zu Redebas und Vicke zu Strietfeld, nachdem sie das inserirte Münz=, Gerichts= und Lehenprivileg des Dänenkönigs Erich (1298, September 29) ihm zurückgegeben, das erbliche Recht, über ihre Lehengüter innerhalb der Familie frei zu verfügen, und daß immer der Aelteste Bannerherr und Erbmarschall im Lande Rostock sein soll.
Zeugen: her Arent Levetzow, ridder, Bertram Bere, unse cancelar, Grube Veregge und Henning Hobe, knapen.
tho Rostogk . . . 1358, des midtwekens na der gebort Marien . . .
Auf Pergament mit an Seidenschnur hängendem beschädigten Siegel, abgeb. M. U.=B. Titel zu Bd. XVI. - Das Transsumpt ist ebenfalls gefälscht.
Dazu beglaubigte Notariatsabschrift.
reg. Ulenoge eee 75.
3. 1358. September 12. [Rostock.]
Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, bestätigt den Moltkeschen Brüdern Johann zu Teutenwinkel, Conrad zu Redebas
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und Vicke zu Strietfeld, welche das dänische Münz= und Gerichtsprivileg über Stadt und Land Rostock niederlegen, die Fischerei auf Warnow und Breitling, das Geleit auf der Fähre zu Gehlsdorf und im ganzen Teutenwinkel, sowie das Strandrecht dortselbst.
Zeugen: her Arndt Levetzow, her Nicolaus Smeker, beide ridder, Bertram Bere, unse cantzelar, Grube Veregge und Henning Hobe, knapen.
[Rostock] 1358, des midtwekens na der gebordt Marien.
Auf Pergament mit Löchern und Einschnitten für 2 Siegel.
reg. Ulenoge s 41.
4. 1359. Juni 27. Rostock.
Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, belehnt den Ritter Heinrich Preen mit den drei [!] Dörfern Wolfsberg und Petschow, Niekrenz und Bruderstorf.
Zeugen: her Johan Fycke broder de Moltkenn tom Strythvelde, Ravenn van Borkenn, Hynryck van Stralendorpe, rydder, unde Bartram Bere, unse cantzelar.
tho Rostock . . . 1359 . . . donredages na des hyllygen lichammes dage.
Auf Pergament mit 2 Löchern für die Siegelschnüre.
Dazu Concept auf Papier.
reg. Ulenoge H 8.
5. 1359. August 24. Rostock.
Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, belehnt Henneke Behr mit Gramstorf bei Tessin.
Zeugen: her Vicke Moltke thome Strytvelde, Raven vann. Borkenn, Hynrick van Stralendorpe, ryddere, unde Bartram Bere, unse cantzelar.
tho Rostock . . . 1359, ann s. Bartolomeus . . . dage.
Auf Pergament mit 3 Siegellöchern.
Dazu Concept auf Papier.
reg. Ulenoge iii 79.
6. 1359. Dezember 8. Rostock.
Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, bestätigt die inserirte Beschenkung Heinrich Preens von Bandelstorf mit Wehnendorf, Teutendorf, Bohmhof (Wendeschen Repelynn) und Volkshagen (Volkedeshagen) durch Erich, König von Dänemark, (Rostock, 1302, Nov. 11) und schenkt seinerseits dem Heinrich und dessen Söhnen Heinrich und Goske dazu Schlage und
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Goldenitz sowie Oberhof=Sanitz (tome Have ymme kaspel tho Santze).
Zeugen: her Vicke Moltke rydder thome Strytfelde, Bartram Ber, unse kantzeler, Grube Veregge unde Hynrick Moltke, knapen.
tho Rostock . . . 1359, des sundages na dem feste Nyclai . . .
Auf Pergament; Bug mit Siegel abgeschnitten. - Das ebenfalls gefälschte Transsumpt wird in der Notiz M. U.=B. V, 2828 für echt gehalten.
reg. Ulenoge K 10.
7. 1359. Dezember 12. Rostock.
Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, bestätigt der Stadt Sülze den von Tribsees streitig gemachten Besitz des Sülzer Moors.
Zeugen: her Johan und Vicke broder de Moltken, . . . her Niclawes Smeker riddere thom Wostenvelde, Barttram Bere, unse cantzelar, Grube Veregge und Hinnk Moltke.
tho Rostock . . . 1359, des donnerdages na deme feste Nicolai des hilligen bisschoppes.
Concept auf Papier.
reg. Ulenoge d 27.
8. 1360. April 12. Rostock.
Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, belehnt den Ritter Heinrich Preen zu Bandelstorf mit Klein=Ridsenow (Lutken Ryddesenow), Spotendorf und der Hälfte von Lüssow.
Zeugen: Raven van Borken, Hynrick van Stralendorpe, rydder, unde Bartram Bere, unse cantzelar.
tho Rostock . . . 1360, des ersten sondages na paschen.
Auf Pergament mit 3 Löchern für die Siegelschnüre.
Dazu Concept auf Papier.
reg. Ulenoge G 7.
9. 1360. April 12. Rostock.
Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, belehnt die Brüder Nicolaus und Johann Schmecker zu Wüstenfelde mit Fahrenholz (Farneholte), Nienhusen und Elmenhorst (Grotenelmenhost) in Amt und Vogtei Schwaan.
Zeugen: her Johan unde Vicke broder de Moltken, Raven van Berkow, Hynrick van Stralendorp, rydder, Bertram Bere, unse kantzeler.
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tho Rostock . . . 1360, des ersten sondages na passchen.
Auf Pergament mit 3 Löchern für die Siegelschnüre.
reg. Ulenoge e 28.
10. 1364. August 15. Rostock.
Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, verkauft Vicke Moltke, Johann Moltke zu Vogtshagen und Strietfeld sowie Henneke Moltke zu Neukirchen wegen ihrer Dienste bei Einlösung des Landes Rostock Walkendorf, Stechow und Groß=Nikör sowie Basse, dazu Einkünfte und Rechte in Repnitz (Rethenisze) und Kowalz.
Zeugen: Luder Lutzow, Clawes Levetzow unde Claweß Smeker, riddere, unde Johanneß Swalenberch, unße cantzelar.
bynnen Rostock . . . 1364, ahm dage Marien hemmelvardtt, alße man dat krut, wygett.
Auf Pergament mit an Seidenschnüren hängendem Siegel.
(Originalsiegel Albrechts V.!! )
(Transsumirt mit dem Jahre 1374. Rudloff, Diplom.)
reg. Ulenoge aaa 71.
11. 1376. April 17. Wismar.
Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, belehnt Herrn Vicke Moltke, Ritter zu Strietfeld und Vogtshagen, mit Detershagen, Käterhagen (Koterhagen), Gericht und Bede zu Kröpelin, Hanshagen, Wendisch= und Deutsch=Mulsow und Uhlenbrock, alle in den Vogteien Schwaan und Bukow, dazu mit dem Kirchlehen zu Westenbrügge (Westkenbrügge) und Kröpelin.
Zeugen: her Niclaus Levetzow, her Niclaus Smeker, ridder, Johannes Swalenberch, unse cantzelar, Jasper Halverstadt, unse vaget tho Swaen, Grube Veregge und Henningk Hobe, knapen.
bynnen der Wysmar . . . 1376, des negesten donnerdages in den hilligen paschen.
Auf Pergament mit 2 Löchern für Siegelschnüre.
reg. Ulenoge xx 68.
12. 1385. Januar 21. Rostock.
Albrecht III., (Kg. v. Schweden), Herzog zu Meklenburg, schenkt dem Ritter Vicke Moltke zu Strietfeld, Johann Moltke zu Teutenwinkel (Totkendorpe)
. seine Güter und Rechte in Lübchin (Lutken Lubbechin) mit dem Kirchlehen zu Gr.=Methling (Groten Metelke), sowie Höfe zu "Grothen Lubbechin", Jördenstorf und die Mühle zu Walkendorf.
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Zeugen: her Henning van Stralendorpe, her Otto Veregge, her Werner Axkow, riddere, her Johan Bancklene, cantzelar, Marqvardt Beyenflete, Claweß Sperlinck, knapen.
tho Rostock . . . 1385, in s. Agneten daghe . . .
Auf Pergament mit an Seidenschnüren hängendem Siegel, abgeb. bei Teske Nr. 165, gefälschter Abdruck.
reg. Ulenoge fff 76.
13. 1386. September 29. Rostock.
Albrecht III., Herzog zu Meklenburg, belehnt den Ritter Vicke Moltke zu Vogtshagen und Strietfeld und dessen Linie mit dem Teutenwinkel, den er von Heinrich und Henneke Moltke zum Teutenwinkel erworben hatte.
Zeugen: Luder I.utzow, Clawes Levetzow und Clawes Smeker, ridder, und Hinricus Berhe, unse cancelar.
bynnen Rozstogk . . . 1386, ahm daghe Michaelis . . .
Auf Pergament mit 2 Löchern für Siegelschnüre.
reg. Ulenoge r 40.
14. 1409. März 17. Bützow.
Henneke Moltke zu Belitz und Neukirchen verkauft Herrn Vicke Moltkes Sohn, Herrn Dietrich Moltke zu Vogtshagen, Klein=Belitz (Lutken Belesse) und Neukirchen in der Vogtei Schwaan.
to Butzow . . . 1409, des sondages to midtvasten.
Auf Pergament mit 4 angehängten wächsernen leeren Siegelhüllen.
reg. Ulenoge pp 61.
15. 1411. Juni 23.
Henneke Moltke der alte, Bürgermeister, und Henneke Moltke der junge, Hauptmann zu Rostock, verkaufen Dietrich Moltke zu Vogtshagen die Dörfer Tatschow, Passin, Penzin (b. Bützow), Parkow und Bahlen und eine Kornrente zu Wahrstorf (Warstorpe), Gr.=Stove (Dudeschen Stove) und Niendorf in der Vogtei Schwaan.
1411, am avende s. Johannis des hilligen döpers.
Auf Pergament mit 4 angehängten wächsernen leeren Siegelhüllen.
reg. Ulenoge oo 60.
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16 †). 1411. Gnoien.
Dietrich, Friedrich und Johann Moltken zum Strietfelde und Vogtshagen Theilung ihrer Güter.
Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.
reg. Ulenoge ww 67 im Aktenband.
17**). 1418. April 24. Schwerin.
Johann IV., Herzog zu Meklenburg, bekundet, Heinrich Raven, Burgmann zu Schwerin, mit den von Claus von Oertzen gekauften Gütern zu Gr.=Stück, Kl.= und Gr.=Trebbow mit dem Patronatsrecht zu Kl.=Stück belehnt zu haben.
to Swerin . . . 1418, den sondach vor Filippi und Jacobi.
Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel.
Ulenoge ?
18. 1421. November 17. Bützow.
Everdt Moltke zu Drüsewitz verkauft mit Bewilligung seines Bruders Jochim, Kirchherrn zu S. Nicolaus in Rostock, dem Dietrich Moltke zu Vogtshagen seinen Wohnhof zu Tüzen (Tuetzen), das Dörfchen Goldberg und Güter zu Kambs und Letschow (Letzkow) in der Vogtei Schwaan und Bukow.
tho Butzow . . . 1421, den mandach na s. Martin . . .
Auf Pergament mit 4 anhängenden wächsernen leeren Siegelhüllen.
reg. Ulenoge l 34.
19. 1423. März 7. Schwerin.
Karsten Halberstadt, Knappe zu Brüsewitz (Lutken Bruseviße), zur Zeit Vogt zu Boizenburg, bekennt, den Beginen zum hl. Geist zu Schwerin 250 M. lübisch zu schulden, und verpfändet ihnen dafür seine Mühle zu Gottmannsförde.
tho Szwerin . . . 1423, deß ßondageß vor midtvasten.
Auf Pergament mit anhängendem Siegel. (Echtes Halberstadtsches Originalsiegel, dessen rechte Hälfte abgebrochen ist; von einem echten in der Registratur erwähnten Dokument V 20 entnommen.)
reg. Ulenoge X 21.
20. 1440. Juni 24. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß vor ihm Gottschalk Preen zu Oberhof=Sanitz (thom Have ym caspell tho Santze) Bestimmungen. über die Vererbung der
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seinen drei Töchtern (Margretha, Stoffe und Anna) zum Brautschatz für Clawes Storm, Clawes Goldenbogen und Yochim Yorck gegebenen Güter zu Oberhof=Sanitz getroffen hat.
tho Gůstraw . . . 1440, an s. Yohannes dage des hillyge dopers.
Auf Pergament mit anhängendem Siegel, Papierconcept vorhanden.
reg. Ulenoge E 5.
21. 1441. Juni 16. Rostock.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt den zwischen Johann Preen und Otto Moltke zum Strietfeld wegen Todtschlages dessen Brudersohnes Heinrich Moltke erfolgten Vergleich über 1000 M. sundisch, anstatt deren Johann Preen dem Otto Moltke das halbe Dorf Niekrenz versetzt.
tho Rostock . . . 1441, den ersten. frigdach nha des hilligen lichammes dage.
Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel. Papierconcept vorhanden.
reg.reg. Ulenoge hhh 78.
22†). 1442. Güstrow.
Hertzog Magnussen [!] zu Meckelnburg Bekentnus, das den Prenen zu Bandenstorff u. Dummerstorff alle der Prene zu Bandenstorff, Gubckow u. Wenendorff hierin specificirte Guter kegen Erlegung 3800 M. Sundisch Pfandtschillings erblich zur Helffte zu kommen und nach Erlegung der Summen dieselben auch zur Helffte abzutretten und ihnen volgen zu lassen schuldig sein.
Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.
reg. Ulenoge ppp 85 im Aktenband.
23. 1443. Juni 24. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt, daß Heinrich Preen zu Wenendorf (tho Wenendorpe ym caspell tho Santze) seinem Schwiegersohn Henneke Zepelin zu Wulfshagen anstatt eines Brautschatzes von 1200 Mark das Dorf Teutendorf (Totkendorp ym caspell tho Santze) verpfändet hat.
tho Gustraw . . . 1443, ahn s. Yohannes dage des hilligen dopers.
Auf Pergament mit anhängendem Siegel.
reg. Ulenoge O 14.
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24*). 1443. Juni 24. Ribnitz.
Bürgermeister und Rath zu Ribnitz bestätigen ihrem Bürger Joachim Krowell eine inserirte Urkunde des Gusloff Preen, in der dieser den Knappen "Joachime und Einwolde brodern genomet de Kröwele" sein Gut in Volkenshagen verkauft (1410, Oktober 28).
tho Ribbenitze . . . 1443, in mandage der achte dage des hilligen lichammmes.
Concept auf Papier. - Das Transsumpt ist ebenfalls gefälscht.
Ulenoge ohne Ziffer, fehlt in der "Registratur".
25. 1443. Juli 22. Gnoien.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Woldemar und Johann Moltke zum Strietfeld 48 Mk. Rente auf der Bede zu Walkendorf durch Zahlung von 600 Mk. an das Kloster Dargun abgelöst haben, und daß sie eine weitere Hebung des Klosters in Walkendorf und Stechow mit 600 Gulden ablösen können.
Zeugen: Otto Moltke thom Stridtvelde . . . Claweß Kerckdorp und Lutke Hane, unße vogede thom Kalande und Stavenhagen, Hanß Vlotow thom Sture und Vicke Veeregge tho Roßevitze.
tho Gn
yen . . . 1443, in s. Marien Magdalenenn dage.
Auf Pergament mit Einschnitten für Siegelstreifen.
reg. Ulenoge mm 58.
26†). 1443. Gnoien.
Ein Brief des Münsters zu Dargun ohne Siegel übergibt den Moltken zum Stritfelde, Johanns Söhnen, 48 Marck Bete aus dem Dorf zu Walbendorff (?).
Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.
reg. Ulenoge o 37 im Aktenband.
27. 1444. Januar 6. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt die Moltkes im Besitz von Tatschow, Passin, Penzin, Parkow und Bahlen sowie Wokrent, Gr.=Lukow, Wahrstorf, Stove und Niendorf gegen die Ansprüche der "Henneke Hasenk
p, Frederick Babbe, Heine und Frederick gebroder de Swerin anderß gen
met de Wulvekroge" mit inserirten Urkunden Heinrichs des Löwen (1334, Mai 18, Rostock)
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und Albrechts II. (1358, April 28). (Die ältere wird beschrieben als "am pergamein wat vormulschedt".)!!!
tho Gustrow . . . 1444, des mandages na des hilligen nyen jars dage.
Auf Pergament mit an Seidenschnur hängendem Siegel (nachgemachtes Petschaft). - Die Transsumpte sind ebenfalls gefälscht.
Dazu 2 begl. Notariatsabschriften auf Papier.
reg. Ulenoge m 35.
28. 1444. Juli 14. Bützow.
Hermann, Bischof zu Schwerin, bestätigt den Brüdern Johann und Henneke Moltke eine jährliche Kornhebung im Amt Warin mit inserirter Urkunde Bischof Rudolfs (1414, Mai 28, Bützow).
Zeugen: her Hinricus Raven, domhere to Szwerin, magister Johannes Robin, unse cantzelar, mag. Johannes Bilevelt, domhere to Butzow, Vicke van Bulow tho Tzibule und Otto Veeregge tho Wokrente.
tho Butzow . . . 1444, des anderen dages na Margaretae . . .
Auf Pergament mit Siegeleinschnitten. - Das Transsumpt ist ebenfalls gefälscht.
reg. Ulenoge rr 63.
29. 1445. August 24. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt Johann und Henneke Moltke
. den Besitz von Neukirchen, Kl.=Belitz, Tatschow, Passin, Penzin, Parkow und Bahlen sowie den Zehnten in Wahrstorf, Stove und Niendorf und giebt ihnen dazu den ganzen Neukircher See.
tho Gustrow . . . 1445, ahm dage Bartholomei . . .
Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgemachtes Petschaft).
reg. Ulenoge aa 47.
30. 1447. Juni 26. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt auf Bitten des Cordt Moltke zu Redebas, Jochim Moltke, Kirchherrn zu S. Nicolaus in Rostock, als Vormund Everdts und Friedrichs Moltke zu Drüsewitz, Woldemars und Johanns Moltke zu Strietfeld
., das inserirte Privilegium Albrechts II. von 1358, September 12, (Ulenoge eee 75; Nr. 2 dieser Sammlung).
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to Güstrow . . . 1447, des mandages na der gebort Johannis des hilligen dopers.
Auf Pergament ohne Siegel.
reg. Ulenoge y 45.
31. 1452. September 13. Gnoien.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß die Brüder Woldemar und Johann Moltke zum Strietfeld einer= und Otto Moltke zum Strietfeld anderseits sich gegenseitig das Vorkaufsrecht auf das Schloß Strietfeld verbrieft haben.
tho Gnoygen . . . 1452, ahm mydwekin nha Marien gebordt . . .
Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgemachtes Petschaft).
reg. Ulenoge k 33.
32. 1452. September 13. Gnoien.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Woldemar und Johann Moltke zu Strietfeld dem Kloster zu Dargun wegen der Dörfer Walkendorf und Stechow keine Bede schulden.
to Gnoeyen . . . 1452, ahm midweken na Marien gebordt . . .
Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgemachtes Petschaft).
reg. Ulenoge x 44.
33 †) 1452. Gnoien.
Heinrich des Jüngern, Hertzogen zu Meckelburg, Lehenbrief Woldemarn und Johan den Moltken aufm Streitfelde gegeben die Dörffer Wolken, gantz Selpin und die gantze Feltmarck Lütke Wolffesfeldt, wie die alle die Moltken von Ramelen pfandtsweis an sich bracht.
Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.
reg. Ulenoge q 39 im Aktenband.
34. 1453. Juni 25. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt den Moltke von Redebas, Drüsewitz, Strietfeld
. nach Aussterben der Teutenwinkeler Linie das inserirte Privileg Albrechts II. von 1358, September 12 (Ulenoge eee 75; Nr. 2 dieser Sammlung).
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tho Gustrow . . . 1453, des mandages na der gebordt Johannis des hilligen d
pers.
Auf Pergament mit 2 Löchern für Siegelschnüre. In der Registratur der Ulenogeschen Briefe in das Jahr 1450 gesetzt.
reg. Ulenoge ll 57.
35. 1453. August 31. Güstrow.
Katharina zu Sachsen, Herzogin zu Meklenburg, spricht in Abwesenheit ihres Sohnes, des Herzogs Heinrich IV., in Sachen Marten Bützow namens seiner Gattin Sophie Moltke, Reimar Leesten, Cordt Moltke zu Redebas, der Moltkes zu Mulsow
., der Vormünder und nächsten Agnaten des Claus Moltke, des Sohnes Woldemars zum Strietfeld, wider Otto Moltke daselbst zu Recht, daß Otto die weggenommene Kiste mit Urkunden zurückzugeben, über die angemaßten Einkünfte Rechenschaft abzulegen hat und in den genannten Gütern im Falle des Todes des unmündigen Claus erst nach den übrigen Moltkes erbberechtigt ist.
tho Gustrow, ahm vrygdaghe nha Bartholomei . . . 1453.
Auf Pergament mit Einschnitten für 7 Siegel.
reg. Ulenoge uu 66.
36*). 1458. Juni 2. Gnoien.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Erich van der Lypen seinem Schwiegersohn Henneke Kerckdorp zu Granzow, Vogt zu Gnoien, anstatt der verabredeten Mitgift das Dorf Schabow ganz und Böhlendorf zur Hälfte verpfändet hat. Beide Dörfer sind des jungen Claus Moltke zu Strietfeld Erbe.
tho Gnoigen . . . 1458, des fridages na des hilligen lichammes dage.
Concept auf Papier.
Ulenoge ohne Ziffer; im Aktenband. Fehlt in der "Registratur".
37*). 1458. Juni 3. Gnoien.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, entscheidet den Streit zwischen dem jungen Claus Moltke zu Strietfeld einer= und Henneke Kerckdorp zu Granzow anderseits über das Dorf Granzow dahin, daß Kardorff das Dorf noch 35 Jahre als Pfand innehaben, es dann aber dem Moltke gegen Zahlung des Pfandschillings zurückgeben soll.
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tho Gnoigen . . . 1458, des negesten sunavendes na des hilligen lichamines dage.
Concept auf Papier.
Ulenoge ohne Ziffer; im Aktenband. Fehlt in der "Registratur".
38. 1459. Dezember 4. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt, daß Johann Preen zu Bandelstorf
. (tho Bandenstorpe, Gubkow und Wenendorpe) seinem Schwager Lutke Hane, Vogt zu Stavenhagen, anstatt des Brautschatzes und einer Schuld (zusammen 2400 "stralemarck wendischer munthe") die Dörfer Klein=Ridsenow und Spotendorf (Lütken Ridsenow und Spotendorp) ganz und Lüssow zur Hälfte auf 30 Jahre verpfändet hat.
tho Güstrow . . . 1459 . . . dingstage nha s. Andreas des hilligen apostels dage.
Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel; dabei Concept auf Papier.
reg. Ulenoge B 2.
39. 1461. April 9. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß die Vettern Johann und Otto Preen zu Bandelstorf dem alten Heidenreich Thulendorf das ganze Dorf Petschow (Petzkow) und Neumühl (Nie Mole) mit Ausnahme des Kirchlehens für 1500 Mk. verpfändet haben.
tho Gustrow . . . 1461, den donnerdach in dhen hilligen passchen.
Auf Pergament mit anhängendem Siegel, Papierconcept vorhanden.
reg. Ulenoge J 9.
40. 1462. August 24. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Otto Preen zu Bandelstorf (tho Bandemstorp und Wenendorp) dem Henneke Zepelin zu Wulfshagen das diesem bereits verpfändete [1443, Juni 24] Teutendorf für 4000 Rostocker Mk. verkauft hat.
tho Gustraw . . . 1462, ahm dage s. Bartelmei des hilligen apostels.
Auf Pergament mit abgefallenem hängenden Siegel. Papierconcept vorhanden.
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reg. Ulenoge N. (Ist identisch mit N 13 der Registratur, wo aber in Uebereinstimmung mit der Rückseite der Urk. selber das falsche Jahr 1460 angegeben ist.)
41. 1463. Dezember 12. Bützow.
Werner, Bischof zu Schwerin, entscheidet eine Streitigkeit zwischen dem Ritter Heinrich von der Lühe zu Büttelkow und den Moltkes dahin, daß Stove, Wahrstorf und Niendorf kein stiftisches, sondern ein fürstliches Lehen ist und den Moltkes gehört, und daß die v. d. Lühe die Moltkes in der vom Stifte rührenden Hebung von 42 Drömpt Korn im Amt Warin nicht hindern sollen.
Zeugen: Hinrick van Bulow tho Zibule, Barttoldt Barse tho Rambow, her Hinrick Bentzin, prester, Lutke Bassevitze tho Malsow, her Cordt Moltke tho Redebarsse im lande tho Barthe . . . Gunther Fincke tho Karow, Joachim Plesse thom Steynhuse, her Godtschalck Buck, radtmann tho Rostock, und Clawes Smaeker tho Varenholte.
tho Butzow . . . 1463, ahn s. Lucien avende . . .
Auf Pergament mit Siegeleinschnitten. Dazu eine Kopie auf Papier.
reg. Ulenoge bb 48.
42. 1465. Juni 19. Schwerin.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, setzt fest, daß Wickendorf sich nur im Pfandbesitze des Domcapitels zu Schwerin befindet und demgemäß von Casten Halberstadt und Erben eingelöst werden kann.
tho Swerin . . . 1465, ahm negesten middewecken na des hilligen lichammes dage.
Auf Pergament mit anhängendem beschädigten (absichtlich ?) Siegel(nachgemachtes Petschaft). Papierconcept vorhanden.
reg. Ulenoge a 24.
43. 1465. Dezember 3. Gnoien.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, entscheidet einen Streit zwischen Henneke Kerckdorp zu Granzow und Hermann Kerckdorp zu Petersberg über des wailand Vogtes zu Gnoien, Radtke Kerckdorp, nachgelassenes Lehengut zu Wöpkendorf (Wobbekendorp) und Gnoien, indem er ihnen gleiche Rechte darauf zuerkennt.
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tho Gnoigen . . . 1465, des dingstedages na s. Andreas des hilligen apostels dage.
Concept auf Papier. (2 Exempl. mit Abweichungen in den Namen, z. B. Peterstorp.)
reg. Ulenoge t 42.
44. 1465. Dezember 4. Gnoien.
Otto Moltke zu Strietfeld bekennt, von Claus Moltke ebendort in Pfandbesitz zu haben Wolkow, Selpin, "lutken Wolpesvelt", Helmstorf, Nütschow, Viecheln, Samow. Basse, Repnitz, Kowalz, Gr.=Nieköhr, Walkendorf und Stechow zur Hälfte, sowie ganz Drüsewitz und Ridsenow.
tho Gnoigen . . . 1465, am middeweken nha s. Andreas . . .
Auf Pergament mit Bug, aber ohne Siegeleinschnitte.
reg. Ulenoge tt 65.
45†). 1465. Gnoien.
H. Heinrichs des Jüngern zu Meckelburg Vertrag zwischen den Moltken zum Streitfelde und den Moltken zur Nienkerken und Belitz von wegen Herr Friderich Moltkens Erbteils, nemblich des Guets Drusevitz und zugehörigen Dorffern.
Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.
reg. Ulenoge ee 51 im Aktenband.
46. 1466. Juni 11. Ribnitz.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, schlichtet eine Streitigkeit zwischen seiner Tochter Herzogin Elisabeth, Aebtissin und Convent zu Ribnitz einer= und Lorenz und Claus Preen zu Wehnendorf anderseits über das Dorf Volkshagen (Volkerdeshagen), indem er den Preen die Berechtigung zum Einlösen des Dorfes zuerkennt.
tho Rybbenitze . . . 1466, ahm middeweken na des hilligen lichames dage.
Auf Pergament mit ausgerissenem Siegel.
reg. Ulenoge rrr 87.
47. 1468. Februar 3.
Heinrich IV, Herzog zu Meklenburg, bestätigt mit Insertion einer Urk. Albrechts II. (Rostock, 1359, Dezember 12; vgl. oben Nr. 7) der Stadt Sülze den von Tribsees streitig gemachten Besitz
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des Sülzer Moors, wobei die Fähre von Tribsees als Lehen des Vicke Moltke und seiner Linie erwähnt wird.
1468, ahm middewecken nha deme feste purific. Marie virg.
Auf Pergament mit abgefallenem Siegel.
reg. Ulenoge Z 23.
48. 1468. April 20. Güstrow.
Lütke Moltke zu Strietfeld bekundet, von Claus Moltke ebendort Wesselstorf und Dienste zu Gr.=Ridsenow als Pfand erhalten zu haben.
to Gustrow . . . 1468, am mydtweken in den hilligen paschen.
Auf Pergament mit 2 Moltkeschen Siegeln und ebenso datirtem gesiegelten Transfix (nachgem. Petschaft) Heinrichs IV., in dem dieser die Verpfändung bestätigt. (Das Siegel Otto M.'s scheint nachgemacht zu sein nach einem Siegel Albrecht M.'s von 1455; aber die Umschrift trägt weit jüngeren Charakter. Lütkes Siegel ist in der Mitte durchgebrochen, auch hier jüngerer Schriftcharakter, dazu die viel spätere Form [S]treidtv[eld]).
reg. Ulenoge ff 52.
49. 1468. November 16. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt Lorenz und Claus Preen zu Wehnendorf und "Wendischen Repelyn", daß Oberhof=Sanitz ihr Lehen ist und sie es von St. Jürgen zu Rostock einlösen können; mit inserirter Urkunde Herzog Albrechts II. von 1359, Dezember 12 (im Ulenogeschen Original 1359, December 8, mit weiteren kleinen Abweichungen, vgl. oben Nr. 6).
tho Gustrow . . . 1468, ahm middeweken na s. Martini . . .
Concept auf Papier.
reg. Ulenoge ooo 84.
50. 1468. November 16. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt Lorenz und Claus Preen zu Wehnendorf und Wendisch=Reppelin, daß Oberhof=Sanitz ihr Lehen ist und sie es von St. Jürgen zu Rostock einlösen können. [Mit abweichend datirtem Inserat wie im Concept Ulenoge ooo 84.]
tho Güstrow . . . 1468, ahm middewecken na s. Martini . . .
Auf Pergament mit ausgerissenem Siegel. Original zu vorstehendem Concept mit Abweichungen im Wortlaut.
reg. Ulenoge F 6.
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51. 1469. Mai 31. Rostock.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt den Moltkes, daß Blankenhagen, Wulfshagen (Wulverdeshagen), Vogtshagen, Ikendorf und Dierkom (Derckow) dem Hl. Geist und St. Jürgen zu Rostock nur pfandweise gehören und von den Moltkes wieder eingelöst werden können.
tho Rostock . . . 1469, ahn des hilligen lichammes avendhe.
Auf Pergament mit Siegelstreifen für 2 fehlende Siegel.
reg. Ulenoge gg 53.
52. 1469. Juni 8. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Johann Preen zu Bandelstorf an den alten Heidenreich Thulendorf das Dorf Wolfsberg (Wulvesberge im caspell tho Pedtzkow) verpfändet hat.
tho Gustrow . . . 1469, ahm donnerdage na des hilligen lichams daghe.
Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel. Pavierconcept vorhanden.
reg. Ulenoge C 3.
53. 1469. Juli 22. Schwaan.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt einen Vergleich zwischen Prior und Convent von Marienehe einer= und Johann Schmecker zum Wüstenfelde anderseits über das Dorf Elmenhorst, dessen Einlösung den Schmecker zuerkannt wird.
tho Swaen . . . 1469, ahm dage Marien Maddalenen.
Concept auf Papier.
reg. Ulenoge Q 16.
54. 1470. Juli 25. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt den Moltkes zu Neukirch, Mulsow und Strietfeld, daß sie die Dörfer Gresenhorst und Wendorf von den Preen und Bützow einlösen dürfen.
tho Gustraw . . . 1470, ahn s. Yacobs des hilligen apostels dage.
Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgemachtes Petschaft).
reg. Ulenoge nn 59.
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55. 1471. Februar 10. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt den "olde Hinrick Bützow ridder tho Poppendorpe, Henneke Tzepelin, Yürges Hoge und Peter Thun" die inserirte von König Albrecht von Schweden gewährte (Rostock 1383, Februar 5) Erbverbrüderung.
Gustraw . . . 1471, ahm dage Scolastica . . .
Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel. Das Transsumpt ist ebenfalls gefälscht. (Pavierconcept vorhanden.)
reg. Ulenoge g 30.
56**). 1471. Mai 1.
"Matties und Hans gebroder de Schonevelde" verkaufen dem Knappen Jürgen Raven zu Gr.=Stück das Dorf Moltenow sowie Höfe in Wüstenmark bei Pampow.
1471, am dage Filippi und Jacobi.
Auf Pergament mit 4 Siegelstreifen und Einschnitten für 2 weitere Siegel.
Ulenoge?
57. 1471. Juni 29. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Tiedtke Kropelin, Rathmann zu Rostock, sein Lehengut Teschendorf (Teskendorp . . . ym caspell tho Kessin) an Otto und Heinrich Preen zu Bandelstorf verpfändet hat.
tho Gustraw . . . 1471, ahn s. Peter und Pawels der hilligen apostel dage.
Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel.
reg. Ulenoge qqq 86.
58. 1472. September 29. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Heinrich Schmecker zum Wüstenfelde die Dörfer Fahrenholz und Nienhusen von Bürgermeister und Rath zu Rostock einlösen kann.
tho Gusteraw . . . 1472, ahm dage Michaelis . . .
Auf Pergament mit ausgerissenem Siegel. (Papierconcept vorhanden.)
reg. Ulenoge b 25.
59. 1472. September 29. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Henneke Behr das Dorf Gramstorf bei Tessin von Bürgermeister und Rath zu Rostock einlösen kann.
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tho Gustrow . . . 1472, ahm dage Michaelis . . .
Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgemachtes Petschaft.) (Pavierconcept vorhanden.)
reg. Ulenoge nnn 83.
60. 1472. November 12. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt den Vergleich zwischen Bürgermeister und Rath zu Rostock einer= und Otto und Heinrich Preen anderseits wegen der Dörfer Göldenitz und Schlage, deren Einlösung den Preenen zuerkannt wird.
tho Gustrow . . . 1472, ahm donnerdage na Martini . . .
Concept auf Papier.
reg. Ulenoge S 18.
61. 1472. November 13. Güstrow.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Otto und Heinrich Preen zu Bandelstorf und Wehnendorf das Dorf Broderstorf (Broderdorp . . . im caspel tho Kessin) von Bürgermeister und Rath zu Rostock einlösen können.
tho Gustrow . . . 1472, ahm fridaghe nha Martini . . .
Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgemachtes Petschaft). (Papierconcept vorhanden.)
reg. Ulenoge R 17.
62. 1473. September 15.
Lütke Moltke zu Strietfeld bekundet, von "Trude Clawes Moltken nagelaten husfrouwe Gerdt Bassen dochter tho Dalvitze" die Hälfte von Strietfeld, von Nütschow, Breesen (bei Sülze), Warbelow, Viecheln, Samow, Gr.=Nieköhr, sowie das Kirchlehen zu Gr.=Methling, Basse u. s. w. als Pfand erworben zu haben.
1473, des negesten midtwekens na Marien gebordt.
Auf Pergament mit 4 anhängenden leeren Siegelhüllen. In der Registratur fälschlich ins Jahr 1470 gesetzt.
Ulenoge z 46.
63**). 1475. Januar 20. Schwerin.
Magnus II. und Balthasar, Herzöge zu Meklenburg, belehnen Jürgen Raven mit den von Matthias und Hans Schönevelde gekauften Dörfern Moltenow und Wüstemark.
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to Swerin, am frigdage na Antoni . . . 1475.
Auf Pergament mit 2 Siegelstreifen. (Wohl nicht von Ulenoge herrührend, da dieser ja das Petschaft Magnus II. hatte nachstechen lassen. Auch weicht sowohl Schrift wie Sprache und Formalitäten sehr von den Ulenogeschen Fälschungen ab.)
Ulenoge ?
64. 1476. Dezember 4. Ribnitz.
Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, schlichtet den Streit zwischen Herzogin Elisabeth Aebtissin und Convent zu Ribnitz einer= und Friedrich, Dietrich und Vicke Viereggen zu Wokrent und Rossewitz anderseits über das Dorf Bartelshagen dahin, daß die Vieregge dieses vom Kloster für 3500 Mk. einlösen dürfen.
tho Ribbenitze . . . 1476, ahm middewecken na s. Andreas dage . . .
Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgestochenes Petschaft). Beiliegend Concept auf Papier. (Ein weiteres bei den Prozeßakten.)
reg. Ulenoge lll 81. Echtes Vorbild Kl.=Ribnitz, Güter unter B.
65. 1483. Juni 24. Güstrow.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, bestätigt Johann Moltke zu Strietfeld, Heinrich und Vicke Moltke zu Neukirch und Belitz einer=, Matthias, Heinrich und Cordt Moltke zu Redebas und Divitz anderseits das Recht gegenteiliger Beerbung im Falle des Aussterbens einer der beiden Linien (samende handt) mit Aufzählung der Güter.
Zeugen: her Niclawes Hane, her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse riddere, Henneke Bassevitze, Johannes Sperlinck, Ewalt Veeregge.
tho Gustrow . . . 1483, ahm dage Johannes dess hilligenn dopers.
Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgestochenes Petschaft, dessen Abdruck sich besonders durch den neueren Charakter der Umschrift vom Originalsiegel des Magnus [pacta domus YY 15] unterscheidet).
reg. Ulenoge u 43.
66. 1487. August 1. Schwaan.
Magnus II. und Balthasar, Herzöge zu Meklenburg, versprechen., in ihrer Feindschaft mit Rostock den Teutenwinkel zu verschonen, und leihen ihn an Johann Moltke zu Strietfeld, Heinrich und Vicke Moltke zu Neukirchen und Belitz unter
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Ablehnung der entgegenstehenden Ansprüche der Brüder Lütke und Klaus Moltke zu Strietfeld.
Zeugen: her Niclawes Hane, her Hinrick van der Lühe, her Hinrick von Plesse,riddere, Henneke Bassevitze, Johannes Sperlingk, Ewalt Veeregge.
tho Swaan . . . 1487, am dage Vincula Petry.
Auf Pergament mit Löchern für 1 anzuhängendes Siegel.
reg. Ulenoge p 38.
67*). 1489. Juni 24. Güstrow.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, bestätigt Johann Moltke zu Strietfeld, Heinrich und Vicke Moltke zu Neukirchen und Belitz einer= und Matthias, Heinrich und Cordt Moltke zu Redebas das 1465 gewährte Recht der "samenden handt" (gegenseitiger Beerbung).
Zeugen: her Niclaus Hane, her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, riddere, Henneke Bassevitze, Johannes Sperlinck, Ewaltt Veregge.
tho Gustrow . . . 1489, ahm dage Johannes des hilligen dopers.
Concept auf Papier.
Ulenoge ohne Ziffer, fehlt in der "Registratur".
68†). 1489. Schwerin.
Vertrag Hertzog Magnussen zu Mekelburg zwischen den Schmekern und den Bassevitzen von wegen des Dorfs zu Brabberede [jetzt Prebberede].
Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.
reg. Ulenoge c 26 im Aktenband.
69†). 1490.
Hertzog Magnus Vertrag zu Meckelburg über der Vierecken Güter und ihre Erbteilungen, Pfandung, Ablösung
.
Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.
reg. Ulenoge h 31 im Aktenband.
70. 1491. Juli 14. Ribnitz.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, schlichtet den Streit zwischen Friedrich und Dietrich Viereggen zu Wokrent einer= und Herzogin Elisabeth Aebtissin und Convent zu Ribnitz anderseits über das Dorf Bartelshagen (im kaspell thom
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Kulrade), indem er es als Erbe der Viereggen erklärt, die es jederzeit vom Kloster einlösen können, ausgenommen den Wald mit 4 Höfen, die Johann Moltke als Pfand gehören.
Zeugen: her Niclawes Hane, her Hinrick vhan der Luhe, her Hinrick van Plesse, riddere, Johannes Sperlinck.
tho Ribbenitze . . . 1491, ahm negesten donnerdage nha s. Margretenn . . .
Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgestochenes Petschaft).
reg. Ulenoge mmm 82.
71*). 1491. Juli 14. Ribnitz.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, schlichtet den Streit zwischen Lorenz und Otto Preen einer= und Herzogin Elisabeth Aebtissin zu Ribnitz anderseits über das Dorf Volkenshagen (Volckernshagen im caspell thom Blanckenhagen), indem er den Preenen das Recht der Einlösung zuerkennt.
Zeugen: her Niclawes Hane, her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, riddere, Johannes Sperlingk, Ewaltt Veregge.
tho Ribbenitze . . . 1491, ahm negesten donnerdage na s. Margreten . . .
Concept auf Papier (durchstrichen).
Ulenoge ohne Ziffer, fehlt in der "Registratur".
72. 1492. August 24. Güstrow.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet, daß Bartolt Kerckhoff, Bürgermeister zu Rostock, und Tidtke Cropelin, Rathmann dortselbst, nach 25 Jahren Teschendorf von den Preenen einlösen können.
Zeugen: her Niclawes Hane, her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, ridder, Johannes Sperlinck, Ewaltt Veregge.
tho Gustraw . . . 1492, ahn s. Barttolomeus . . . dage.
Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel.
reg. Ulenoge sss 88.
73. 1492. Oktober 1. Güstrow.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, vergleicht Heinrich Preen zu Bandelstorf mit seinen Vettern Lorenz und Otto Preen wegen ihrer gemeinsamen Lehengüter zu Teschendorf, Gudow, Kl.=Schwarfs, Bandelstorf, Dummerstorf, Schlage
.
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Zeugen: her Niclaus Hane, her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, riddere, Helmett van Plesse, Vulratt Preen, Hans Preen, Johannes Sperlinck, Ewaltt Veregge.
tho Gustrow . . . 1492, des negesten mandages na s. Michaelis . . .
Concept auf Papier.
reg. Ulenoge P 15.
74. 1492. Oktober 2. Güstrow.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, bestätigt Heinrich, Lorenz und Otto Preen ihre gesammten Lehengüter, nämlich Bandelstorf, Kl.=Schwarfs (lutken Swervitze), Gudow, Dummerstorf, Schlage, Göldenitz, Petschow u. s. w. und einlösbare Pfandschaften. Zeugen wie in Nr. 73.
tho Gustrow . . . 1492, des negesten dingstedages na s. Michaelis . . .
Concept auf Papier. (Ein weiteres unter den Prozeßakten.)
reg. Ulenoge P 15.
75†). 1492. Schwerin.
Hertzog Magnus Vertrag auch über das Dorff Brudersdorf.
Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.
reg. Ulenoge T 19 im Aktenband.
76. 1493. Juni 7. Gnoien.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Johann Moltke zu Strietfeld, Heinrich und Vicke Moltke zu Neukirch dem Lorenz und Otto Preen sowie dem Heinrich Bützow die Dörfer Gresenhorst und Wendorf noch 25 Jahre als Pfand lassen wollen.
Zeugen: her Niclawes Hane, her Hinrick van der Luhe, her Hinrick vhan Plesse, riddere, Helmet vann Plesse, Johannes Sperlinck, Eewaltt Veeregge.
tho Gnoigenn . . . 1493, den frydach na der hilligen drevaldicheitt dage.
Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgestochenes Petschaft).
reg. Ulenoge cc 49.
77. 1493. Dezember 4. Schwerin.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet, daß Gramstorf bei Tessin des jungen Heine Beren zu Nustrow
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Erbe ist, und daß dieser es von der Stadt Rostock, die es weiter an den Herzog verpfändet hat, einlösen kann.
Zeugen: her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, her Niclawes Lutzow, riddere, Helmot van Plesse, Ludtke Moldtke.
tho Schwerin, ahm middewecken na s. Andreas . . . dage 1493.
Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgestochenes Petschaft).
Dazu Papierconcept Ulenoge Y 22.
reg. Ulenoge kkk 80.
78. 1493. Dezember 5. Schwerin.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet, daß die Dörfer Fahrenholz und Nienhusen des jungen Heinrich Schmecker zum Wüstenfelde Erbe sind, und daß dieser sie von der Stadt Rostock, die sie weiter an den Herzog verpfändet hat, einlösen kann.
Zeugen: her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, her Niclawes Lutzow, riddere, Helmett van Plesse, Lutke Moltke.
tho Swerin, ahm donnerdage na deme ersten sundage des adventes . . . 1493.
Concept auf Papier; zugleich Concept für voriges Stück
(Ulenoge kkk 80) durch Ueberschreibung der abweichenden Namen.
reg. Ulenoge Y 22.
79. 1493. Dezember 7.
Johann Moltke zu Strietfeld, Heinrich und Vicke Moltke zu Neukirchen und Belitz bezeugen, daß wailand Ritter Heinrich Moltke zu Teutenwinkel der Kirche dortselbst 2 Wiesen u. a. vermacht hat (inserirt von 1383, Dezember 27).
1493, in den achte dagen s. Andree . . .
Auf Pergament mit Siegelstreifen für 6 nicht vorhandene Siegel und Einschnitten für ein weiteres Siegel. Das Transsumpt ist ebenfalls gefälscht.
reg. Ulenoge n 36.
80. 1493. Dezember 19. Schwerin.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet den Streit zwischen Heinrich, Lorenz und Otto Preen einer= und dem Hospital St. Jürgen zu Rostock anderseits über die Dörfer
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Göldenitz und Schlage dahin, daß diese der Preene Erbe sind, die sie vom Hospital einlösen können.
Zeugen: her Hinrick van der Luhe, her Hinrick vhann Plesse, her Niclawes Lutzow, riddere, Ludtke Moltke, Johannes Sperlinck.
tho Schwerynn, ahm donnerdage na Lucie virginis . . . 1493.
Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel. (Papierconcept vorhanden.)
reg. Ulenoge ttt 89.
81. 1493. Dezember 19. Schwerin.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet den Streit zwischen Heinrich, Lorenz und Otto Preen einer= und dem Hospital St. Jürgen zu Rostock anderseits über das Dorf Oberhof=Sanitz, indem er den Preenen das Recht der Einlösung zuerkennt.
Zeugen: her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, her Niclawes Lutzow, riddere, Ludtke Moltke, Johannes Sperlinek.
tho Swerin, ahm donredage na Lucie virginis . . . 1493.
Concept auf Papier (durchstrichen).
reg. Ulenoge D 4.
82. 1493. Dezember 20. Schwerin.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet, daß Wolfshagen, Vogtshagen, Ikendorf und Dierkow der Moltke zu Strietfeld, Neukirchen und Belitz Erbe sind und daß diese die genannten Dörfer von den Hospitälern zu St. Jürgen und zum Hl. Geist in Rostock einlösen können.
Zeugen: her Hinrick vhan der Luhe, her Hynrick vhan Plesse, her Niclawes Lutzow, riddere, Ludtke Moltke, Johannes Sperlinck.
tho Schwerynn, ahm frydage na Lucie virginis . . . 1493.
Auf Pergament mit Einschnitten für Siegelstreifen.
reg. Ulenoge qq 62.
83*). 1493. Dezember 20. Schwerin.
Magnus II, Herzog zu Meklenburg, entscheidet den Streit zwischen Heinrich, Lorenz und Otto Preen einer= und der Stadt Rostock anderseits über Broderstorf, indem er den Preenen das Recht der Einlösung zuerkennt.
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Zeugen: her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, her Niclawes Lutzow, riddere, Ludtke Moltke, Johannes Sperlinck.
tho Swerin, ahm fridage na Lucie virginis . . . 1493.
Concept auf Papier.
Ulenoge ohne Ziffer, fehlt in der "Registratur".
84. 1496. Dezember 1. Schwerin.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet einen Streit zwischen Heinrich, Lorenz und Otto Preen und Diedrich Bevernitz zu Lüsewitz dahin, daß die Preene das Dorf Wolfsberg (Wulvesberge . . . im caspell tho Petzkow) von Bevernitz einlösen können.
tho Schweryn, ahm donnerdage na s. Andreas . . . dage . . . 1496.
Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel. (Papierconcept vorhanden.)
reg. Ulenoge L 11.
85*). 1496. Dezember 5. Gnoien.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, bezeugt einen Vergleich zwischen Henneke Kerckdorp zu Granzow einer= und Jacobus Abt und Convent zu Dargun anderseits wegen des Dorfes Penkow (Pennekow) mit der wüsten Feldmark Luchow, deren Einlösungsrecht denen v. Kardorff zuerkannt wird.
tno Gnoigen, ahm mandage na s. Andreas . . . 1496.
Concept auf Papier.
Ulenoge ohne Ziffer; im Aktenbande. Fehlt in der "Registratur".
86. 1496. Dezember 6. Schwerin.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet einen Streit zwischen Heinrich Preen zu Bandelstorf und Lüdtke und Claus Moltke zu Strietfeld dahin, daß die Preene das halbe Dorf Niekrenz von den Moltke einlösen können.
tho Schwerynn, ahm dingstedage na s. Andreas . . . 1496.
Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgestochenes Petschaft).
reg. Ulenoge ggg 77.
87. 1496. Dezember 7. Schwerin.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet einen Streit zwischen Heinrich Preen zu Bandelstorf einer= und
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Nicolaus Hahn, Ritter, und Hans Hahn zu Basedom anderseits dahin, daß die Preene die Dörfer Kl.=Ridsenow, Spotendorf und Lüssow von den Hahns einlösen können.
tho Schweryn, ahm negesten middeweken na s. Andreas . . . dage . . . 1496.
Auf Pergament mit ausgerissenem Siegel, (Papierconcept vorhanden.)
reg. Ulenoge A 1.
88. 1496. Dezember 15. Schwerin.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, bestätigt die Erbverbrüderung zwischen Cordt Bützow, Jurges Zepelin, Bartholdt Hoge und Peter Thun.
Zeugen: her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, her Niclawes Lutzow, riddere, Helmett van Plesse, Lutke Moltke.
tho Swerin, ahm donredage na Lucie virginis . . . 1496.
Concept auf Papier.
reg. Ulenoge f 29.
89†). 1496. Schwerin.
Ein Vertrag zwischen den Preenen von Wannensdorf [recte Bandelstorf] und Gubckow und Dietrich Beverneß von wegen der Mühlen zu Petzkom.
Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.
reg. Ulenoge M 12 im Aktenband.
90*). 1498. Mai 25. Güstrow.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet den Streit zwischen Johann Moltke zu Strietfeld und Henneke Kerckdorp zu Granzow wegen des Dorfes Schabow und der Hälfte von Böhlendorf dahin, daß Kerckdorp diese Güter nebst Granzow noch 30 Jahre als Pfand innehaben soll, darauf aber den Moltkes die Einlösung freisteht.
tho Gustrow, ahm negesten fridage na der hemmelvart Chrisi 1498.
Concept auf Papier.
Ulenoge ohne Ziffer; im Aktenband. Fehlt in der "Registratur".
91. 1498. Dezember 6. Wismar.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Heinrich, Lorenz und Otto Preen zu Gubkow, Bandelstorf und Wehnen=
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dorf von Diedrich Bevernitz zu Lüsewitz die Dörfer Petschow und Wolfsberg einlösen können, daß aber anderseits Bevernitz durch Zahlung von 1500 rheinischen Goldgulden an die Preene beide Dörfer als ewiger Erbe erwerben kann.
tho der Wysmer, ahm donnerdage na s. Andreas . . . 1498.
Auf Pergament; ein Theil des unteren Randes, an dem das Siegel gehangen haben kann, ist abgerissen. (Papierconcept vorhanden.)
reg. Ulenoge ss 64.
92. 1499. Februar 4. Schwerin.
Magnus II., Herzog zu Meklenburg, belehnt Diedrich Bevernisse zu Lüsewitz mit den Dörfern Petschow und Wolfsberg, nachdem dieser sie von Heinrich, Lorenz und Otto Preen eingelöst hatte.
tho Schwerin, ahm negesten mandage na Marien lichtmissen . . . 1499.
Concept auf Papier.
reg. Ulenoge kk 56.
93†). 1500.
Ein newer Brieff mit neun Siegeln, darin kein Wapen gedruckt, über den Stritfelt, eine Erbteilung zwischen den Moltken.
Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.
reg. Ulenoge i 32 im Aktenband.
94**). 1512. Dezember 19. Schwerin.
Achim Preen zu Wandrum verkauft dem Henneke Raven seinen Hof zu Gr.=Trebbow sowie seinen Antheil am dortigen See.
tho Swerin . . . des sondages vor dem hilligen Christe 1512.
Auf Pergament mit 3 Siegelstreifen und 3 ausgerissenen Siegeleinschnitten.
Ulenoge ?
95**). 1513. März 29. Schwerin.
Heinrich V. und Albrecht VII., Herzöge zu Meklenburg, bestätigen den Verkauf eines Hofes sowie eines Antheils am See von Gr.=Trebbow durch Achim Preen an Hennike Raven.
tho Swerinn, am dinstdage in dem paskenn . . . 1513.
Auf Pergament mit 2 Siegelstreifen.
Ulenoge ?
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96. 1520. Juni 25. Schwerin.
Heinrich V. und Albrecht VII., Herzöge zu Meklenburg, belehnen die Moltkes von Strietfeld, Neukirchen und Belitz mit dem von Rostock eingelösten Teutenwinkel unter Ablehnuug der Ansprüche des Ludtke Moltke zu Wesselstorf und seines Brudersohns Detlof Moltke zu Strietfeld.
Zue Schwerrynn . . . 1520, ahm mandage na Johannes des hilligen thoeffers.
Auf Pergament mit an Seidenschnüren hängendem Siegel (nachgestochenes Petschaft) Heinrichs und Bruchstücken der Rückseite des Siegels Albrechts.
reg. Ulenoge ddd 74.
97. 1531. November 15. Rostock.
Johann Moltke zu Teutenwinkel einer= und Lutke Moltke zu Wesselstorf mit seinen Bruderskindern Detlef und Gevert zu Strietfeld anderseits vertragen sich wegen Theilung der zum Strietfeld gehörigen Güter, in denen Lutke
. dem Johann und Erben (Carin) zur Erlangung der Hälfte behülflich sein wollen.
tho Rostock . . . 1531, ahm middewecken nha Martini . . .
Auf Pergament mit 10 Siegelstreifen, an deren 3 Siegel hängen.
reg. Ulenoge bbb 72.
98. 1532. Januar 17. Rostock.
Bürgermeister und Rath zu Rostock bestätigen den Gütervertrag zwischen Johann Moltke zu Teutenwinkel und den Moltkes zu Wesselstorf, Strietfeld und Drüsewitz mit Hinzufügung der Bestimmung, daß die Güter zu Redebas und Neukirchen dem Johann und Carin zugehören sollen.
Binnen Rostock up der schodtkhamer . . . 1532, ahm dage Antonii des hyllygen abbates ihm umbschlage.
Auf Pergament mit 5 anhängenden Siegeln. (Bei dem Rostocker Siegel ist eine echte Platte benutzt; die übrigen Siegel sind lauter Moltkes, daher dem Fälscher leicht zugänglich.)
reg. Ulenoge ccc 73.
99*). 1535. Januar 27. Güstrow.
Heinrich Levetzow bekennt Frau Anna, Wittwe des Hermann Bockling (oder Bockberch), 100 fl. zu schulden.
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to Gustrow . . . 1535, des myddewekens na conversionis Pauli.
Auf Pergament mit 5 angehängten Siegeln, von denen nur noch das des Schuldners, in Gestalt eines unförmlichen Wachsklumpens ohne Prägung, vorhanden ist.
Ulenoge (?) ohne Ziffer, fehlt in der "Registratur".
100*). 1541. Januar 22.
Vollrath von der Lühe bekennt 200 fl. dem Achim Preen (Brynn) zu schulden und stellt als Bürgen Achim Stralendorf "tom Preßberg", Heinrich Bülow zu Harkensee, "Vycke Bernnytt to Dorstorp", Bernhard Plessen (Blesße) zu Arpshagen.
1541, am tag sunnabenth nach Anthoni.
Auf Pergament mit 5 anhängenden Siegeln. (Es sind Originalsiegel benutzt und hinterklebt, wie die hier und da noch zum Vorschein kommenden Pergamentstreifen der erstmaligen Verwendung darthun. Daher sicher Fälschung. Aber ob von Ulenoge?)
Ulenoge (?) ohne Ziffer, fehlt in der "Registratur".
101. 1543. Februar 15. Rostock.
Johann Moltke zu Teutenwinkel erklärt die Ansprüche des Gebhard Moltke auf die Hälfte von Teutenwinkel, Neukirchen, Belitz, Mulsow, Tüzen, Redebas und Helmstorf für unberechtigt. .
Rostock 1543, donnerstages nach . . . Invocavit (15. Febr.).
Auf Pergament; Notariatsinstrument des Caspar Sümingk mit Handzeichen.
reg. Ulenoge hh 54.
102*). 1558. November 18. Rostock.
Mattheus Boddin wider Hans Lestkow, beide Bürger zu Gnoien, in Schuldangelegenheit.
1558 . . . ahm fridage na Martini (18. Nov.) . . . tho Rostogk.
Auf Pergament; Notariatsinstrument des Wilh. Ulenoge mit Handzeichen, eigenhändig mit Korrekturen. - Wohl nur als Beleg für die Handschrift Ulenoges zu den Fälschungen gekommen.
Ulenoge ohne Ziffer, fehlt in der "Registratur".
103. 1563. Juni 15. Lübeck.
Der Notar Henricus Myander zu Lübeck beurkundet eine Zeugenaussage, durch die bestätigt wird, daß der ver=
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storbene Helmuth Pilkrulle einer adeligen Familie entstamme, die in Lütkewitz auf der Rügenschen Halbinsel Wittow angesessen war.
1563 dienstag, 15. Juni, Lübeck.
Auf Pergament; Notariatsinstrument mit Handzeichen.
reg. Ulenoge ii 55.
104*). [15]62. Januar 22. Drewitz.
Gebert Moltke an Carin Moltke wegen der Schweinemast im Wolkower Holze.
Drenwitze, den 22. tagk januarii anno etc. 62.
Copie auf Papier.
Mit D gezeichnet, aber nicht in der "Registratur".
105*). [15]65. Juli 6. Rostock.
Asmus von der Lühe testirt zu Gunsten seiner Gattin Polite Preen und bittet die Herzöge Johann Albrecht und Ulrich um Bestätigung.
Zu Rostogk, ahm freittage nach Visitationis Marie anno 65.
Concept auf Papier.
Ulenoge ohne Ziffer; fehlt in der "Registratur".
106*. 1567. Februar 9. Güstrow.
Henning Balch, Bürger zu Rostock, vermacht seiner Gattin Margareta von Adram, Wittwe des Mathias v. Kardorff (Kerckdorffen), seine Güter in und bei Güstrow und fahrende Habe.
Zu Güstrow . . . 1567, ahm dage Esto mihi.
Concept auf Papier.
Ulenoge ohne Ziffer; fehlt in der "Registratur".
107†). 1569. Januar 11. Rostock.
Vertrag Otto und Balthasar Moltken zu Wolckow und Wesselstorff mit Wilhelm Ulenoge von wegen etzlicher Briefe.
Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.
reg. Ulenoge yy 69 im Aktenband.
108*). 1569. Januar 20. Rostock.
Elisabeth Halberstadt, Wittwe des Carin Moltke, deponirt den Pfandschilling für Einlösung des Stammlehens Wesselstorf
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mit Pflugdiensten zu Gr.=Ridsenow, dessen Annahme Otto Moltke zu Wolkow und die übrigen Inhaber des Pfandes verweigert hatten, bei dem Notar Ulenoge.
1569 . . . 20. Januar zu Rostock.
Notariatsinstrument auf Pergament mit abgerissenem unteren Rande; daher unvollständig und ohne Namen und Zeichen des Notars; gezeichnet 8, aber nicht in der "Registratur".
1) | 1262. | Oktober 31. Rostock. | siehe | Nr. | 1 |
2) | 1298. | September 29. | " | " | 2 u. 3 |
3) | 1302. | November 11. Rostock. | " | " | 6 |
4) | 1334. | Mai 18. | " | " | 27 |
5) | 1358. | April 28. | " | " | 27 |
6) | 1383. | Februar 5. Rostock. | " | " | 55 |
7) | 1383. | Dezember 27. | " | " | 79 |
8) | 1410. | Oktober 28. | " | " | 24 |
9) | 1414. | Mai 28. Bützow. | " | " | 28 |
Nachstehend sind die hauptsächlichsten in den Ulenogeschen Fälschungen vorkommenden Handschriften faksimilirt:
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N icht, wie es uns geläufig ist, durch Beschluß und Erlaß der Obrigkeiten sind in Vorzeiten die Straßen zu ihren Namen gekommen, und noch viel weniger haben sie ihre Benennung der Willkür Einzelner zu verdanken - denn Unternehmer, die ganze Straßenzüge erbauten, gabs ehedem nicht, und also konnten sie auch nicht ihren Namen an die Hinterseite anschlagen lassen und ihren Willen derhalben in der Zeitung bekannt geben 1 ) -: vielmehr haben hier recht eigentlich Volksgeist und Volksmund gewaltet. Vielfach lag die Sache so, daß, sobald das Bedürfnis einer Benennung hervortrat, der Name mehr als Einem sozusagen auf der Zunge schweben mußte, namentlich da, wo mehrere desselben Berufs alter Sitte gemäß zusammen wohnten, wie Krämer, Böttcher, Gerber, Weber, Altböter. Da konnte kein Bedenken sein: Krämer=Straße, Böttcher=Straße, Gerber=Straße waren flugs gebildet und in aller Munde. Derselben Art sind Papen=Straße (d. h. Pfaffen=Straße), Beginen=Straße (erst später durchgedrungen), Büttel=Straße (nach dem dort angesiedelten Büttel) und Bau=Straße (wenigstens wenn man die lateinischen Benennungen ansieht; der deutsche Ausdruck kann nur als Straße gedeutet werden, von wo aus Ackerbau betrieben wird. Bauleute sind Ackerbürger). Aehnlich, wenn eine Straße nach einem Hauptorte der Nachbarschaft hin führte. Da brauchte Niemand Alt=Wismarsche Straße, Lübsche Straße, Meklenburger Straße in Umlauf zu setzen, und diese Namen sind fast die einzigen, die, begünstigt noch durch die Stadterweiterung, ein Recht über größere Strecken erhielten. Die Burg=Straße (jetzt Schatterau),
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die man sich als einst beim Schmiedethor (s. da) ausmündend vorstellen muß, gieng auf die älteste fürstliche Burg zu. 1 ) Auch bei manchen Oertlichkeiten und hervorragenden Gebäuden konnte kein Zweifel statthaben. Markt und Kirchhöfe, Kirchen, Klöster, Schulen, Mühle, Fürstenhof, Rathhaus, Brücken, Thore, Gruben gaben die Namen von selbst an die Hand, freilich nicht alle mit gleicher Folge und Sicherheit. Geblieben sind außer Märkten und Kirchhöfen "hinterm Chor" (ehemals setzte man in Schriftstücken "St. Nicolai" hinzu), Mühlen=Straße, 2 ) "hinterm Rathhause", Schweinsbrücke, "vor dem Pölerthore", Schütting=Straße (nach dem Krämer=Schüttinge), die Grube oder Frische Grube, deren Endtheile man späterhin als Mühlen=Grube und Runde Grube abschied. "Bei der Klosterkirche" ist neueren Ursprungs. "Bei den Minderbrüdern", später Mönchen=Straße, hat mit der Umwandlung des Klosters in die Große Schule auch den Namen gewandelt: es ist jetzt die Schul=Straße. Ebenso haben "gegenüber dem Meklenburger Hofe", "gegenüber dem Tribunal", "vor dem Fürstenhofe" einander abgelöst. "Hinter den Minderbrüdern" ist jetzt die ABC=Straße, eine Benennung durchaus aus Volksmund nach den ersten der Buchstaben, mit denen die auf dem Grundstücke des Klosters 1574 und 1580 erbauten Buden gekennzeichnet waren. Hillen=Brücke, Radolfs=Brücke, Breite Brücke, Wage=Brücke sind vergessen oder haben neuen Namen das Feld geräumt. "Hinter den Schulen" oder "hinter der Schule", "hinter der alten Schule" konnte sich nicht halten, als dies Gebäude, die Alte Schule, die ehemals den beiden Kirchspielen St. Marien und St. Jürgens diente, zu Wohnungen eingerichtet war. Das hohe Haus, nach dem "hinter dem Rathhause" einst Hogehus genannt ward, lag an der Ecke der Krämer=Straße, es war eine Zeit lang im Besitze des Bürgermeisters Dietr. Wilde, später einmal übel berüchtigt. Von den Gruben ist die Faule Grube, ehedem die Vogts=Grube, vor fünfundzwanzig Jahren, man sicht nicht ein warum, in Wilhelms=Straße umgetauft worden. Salze Grube und heil. Geistes=Grube sind
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schon früh abgetreten, jene die Breite Straße, diese die Neustadt. Die Kuhle verdankt einem von der Metelstorfer Leitung gespeisten Brunnen ihren Namen, und man kann nur zweifeln, ob es ursprünglich vielleicht ein Ausbruch war. Nach dem anscheinend an der Ecke der Dankwarts=Straße belegen gewesenen Bliden=Hause 1 ), worin die Wurfgeschütze geborgen wurden, ist die Bliden=Straße genannt, die man mit Blei in Verbindung gebracht hat, als man von Bliden nichts mehr wußte, und seit lange ungehörig mit ie zu schreiben beliebt. Speicher=Straße und Keller=Straße sind offenbar nach einer Mehrzahl daran belegener Speicher und Wohnkeller benannt. Schwibbogen erklärt sich selbst. - Durchgängig jüngeren Datums sind Benennungen nach Gestalt und Eigenheiten, wie Schild, Breite Straße, Hohe Straße, früher auch im Sack. Der Name Dreck=Straße für die Schatterau ist nur kurze Zeit üblich gewesen und auch Schopenstele für das hintere, nach der Klosterkirche hin abbiegende Stück dieser Straße, das wohl einem Schöpfkellen=Stiele vergleichbar ist, früh in Vergessenheit gerathen. Grüne Straße, nach dem grünen Hofe benannt, gehört nicht hierher, wohl aber der Name Hege, den man freilich nicht von der jüngeren entstellten Namensform aus zu deuten unternehmen darf. Hege ist bekanntlich ein Zaun, eine Bezeichnung, die auf unsere enge Straße wohl anwendbar scheint, zumal wenn man sich ihrer Entstehung erinnert. Anfangs dehnte sich nämlich der Markt westwärts und nordwärts bis an die äußeren Häuserreihen von Hege und "hinterm Rathhause" aus, bevor für die hier ihre Waaren feilhaltenden Geschäftsleute feste Stände oder Buden errichtet wurden, die anscheinend im Anfange des vierzehnten Jahrhunderts erstanden und nachweislich seit 1319 von der Kämmerei vermiethet wurden. 2 ) Sie waren einheitlich gebaut und architektonisch reich und schön gestaltet. Langgestreckt, nicht zu hoch und sehr schmal, waren diese Reihen einer Hege ähnlich genug, namentlich an der Seite, der das Rathhaus nicht vorgelagert war, und wo die neue Straße enger ausfiel als die andere. Noch größere Enge und Lichtlosigkeit wird den verhältnismäßig jungen Namen "im Düstern" veranlaßt haben,
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wie die Verstecktheit eines hierzu gehörigen Winkels den Namen Hasenlager. 1 )
Nicht so leicht und glatt machte sich die Benennung nach hervorragenden Personen, die, wie wir annehmen müssen, in den betreffenden Straßen ihren Wohnsitz hatten. Da muß ebenso, wie in anderen Fällen, wo der Name von irgend welchen Zufälligkeiten hervorgerufen ist, vorausgesetzt werden, daß jemand mit seinem Einfalle, mochte er gut oder schlecht sein, das Glück hatte, Beifall zu finden. Das brauchte nicht ohne Weiteres zu geschehen. Einfall konnte gegen Einfall stehn, mehrere Namen eine Zeit lang neben einander herlaufen, bis endlich einer durchdrang. Mit vielen Orts= und Personennamen ist es grade so hergegangen, und Oekelnamen entstehn noch jeden Tag auf diese Weise.
Einmal läßt sich der Weg urkundlich verfolgen, der zurückzulegen war, ehe ein solcher Name mundgerecht war, ohne daß dabei eine Konkurrenz aufgetaucht wäre. Die erste Erwähnung im ältesten Stadtbuche zeigt handgreiflich eine Verlegenheit, worauf noch zurückzukommen sein wird. Der Stadtschreiber hat keinen Namen zur Hand, er umschreibt deshalb "die große Straße, auf der man an die Grube hinuntersteigt"; wenig später sagt er "die Straße gegenüber Bozen Hause". Hernach werden (worauf unter andern Umständen kein Gewicht zu legen wäre, da Bezeichnungen dieser Art auch neben den Straßennamen, weil vor der neuen Anordnung des Stadtbuchs unentbehrlich, die geläufigsten sind) des öftern Grundstücke als neben dem Erbe des Degenhard Boz belegen bezeichnet: sein auch begegnendes Häuschen in der Schulstraße bei dem Beginenhause wird ein Hinterhaus gewesen sein. Dann erst setzt sich der Name fest, um nur noch in der Form Abweichungen zu unterliegen, verderbt zu werden: Boostrate, Bostrate im vierzehnten Jahrhundert, im folgenden Boestrate, meist aber Botesstrate, gegen Ende desselben Jahrhunderts schon mehrfach Borstrate. Daneben halten sich die richtigeren Formen. Jetzt herrscht seit lange Borstraße, plattdeutsch allerdings noch weiter zu Burstrat verunstaltet. Gleichartig sind Dankwarts=Straße und Blücherstraße, auch diese Namen von der Länge der Zeit mehrfach angegriffen und verändert. Die erste ursprünglich Dangmar= oder Dangmerstrate geschrieben, dann 1448 zuerst Danquardstrate, seit dem sechszehnten Jahrhunderte meist
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Danckqwerthstrate, Danckwerstrate (auch etwas anders), daneben aber oft Danckwerderstrate, Danckwerterstrate und sogar Danckmeisterstrate. Der Name muß etwas Verfängliches haben, selbst noch in unserer Zeit des Schulzwanges und der Bildung zeugen die Straßenschilder dafür. Möglich wäre, daß der Schmied Tangmar, der bald nach 1250 ein Haus in der Neustadt erwarb, der Straße zu ihrem Namen verholfen hätte, wenigstens liegt die Schmiede in der Dankwarts= Straße im Bereiche der Neustadt (im ursprünglichen Sinne des Worts) und kommt ihr Name nicht früher vor. Aber nur von einer Möglichkeit darf man sprechen. Mehr Wahrscheinlichkeit dürfte die Annahme haben, daß die Blücher=Straße, in den letzten beiden Jahrhunderten vorübergehend Blüffel=Straße benannt, einem Herman Blücher, der vor 1429 in St. Nicolai eine Kapelle hatte, oder doch seiner Familie ihren Namen verdankte; dieser ist vor 1475 nicht zu belegen. Die Königs=Straße hat einen verwickelten Namenstausch durchgemacht. Johannis=Straße kommt erst i. J. 1572 auf. Andere derartige Namen haben sich früh verloren. Schürstrate (so noch jetzt plattdeutsch), nach der Familie Schüre, ist volksetymologisch in Scheuer=Straße verballhornt. Kröpelinen=Straße ist jetzt Bademutter=Straße, Wilden=Straße "im Düstern", Ladewigs=Straße, später Hahnrei, jetzt Zeughaus=Straße. Noch andere solche Namen tauchen nur auf, um sofort wieder zu verschwinden, und nur einem glücklichen Zufalle ist es zu danken, wenn wir herausbringen können, was gemeint ist. Ich nenne Friesen=Straße, Haker=Straße, strata Werneri Zetlud. Wieder bei andern ist nur ein Ansatz genommen, der Name aber nicht fertig geworden. Ich verweise auf die Uebersicht unter Dammenhusen, Krevet, Krukow, Plückeböter. Ebenso wenig haben sich Personennamen an Straßenecken und Brücken gehalten. Ich nenne Buxtehuden ort (ort heißt Ecke), Salomons ort, Wessels ort, Winterpols ort, Hillen=Brücke und Radolfs=Brücke. Auch Harolds=Thor kann hier angeführt werden. Selbstverständlich wurden die auf großen Grundstücken angelegten Gänge, die aus Hamburg und Lübek wohlbekannt sind und auch hierorts nicht ganz fehlten, nach den Eigenthümern benannt. Es sind aber nur wenige mit Namen überliefert: transitus Sassen, Heynonis Gyren, gangh Langemowe, Warnekengang.
In all diesen Fällen können wir die Entstehung der Namen, wenn wir sie uns auch nicht immer zu erklären vermögen, so doch verstehn. Anderer Namen Ursprung liegt für uns ganz im Dunkeln, obwohl nach mancher frühem Vorkommen und
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andauerndem Bestande es an einem stark und sicher wirkenden Anlasse nicht gefehlt haben kann. Hier und da mag ein Merkmal eines Hauses, ein Volkswitz gewirkt haben, manchmal auch Analogie, da einige dieser Namen mehren Städten gemeinsam sind. Die bedeutendste Straße dieser Gattung heißt von Anfang an Spiegelberg (Spegelberch, mons speculi), ein Name, der sich auch in Sternberg und Wittenburg findet, während es in Soest ein Haus tho deme spegele gab. Noch räthselhafter klingt die Schatterau, anfangs Schaterowe, Schetterowe, früher und geraume Zeit neben dem neueren Namen her Burg=Straße geheißen, vorübergehend auch Dreckstraße genannt. Den Namen zu deuten, unterfange ich mich nicht, kann aber einen Hinweis auf ein gleichlautendes Wort nicht unterdrücken. Das ist scatrouwe, ein wiederholt behandeltes Wort, 1 ) das im Streite um die ursprüngliche Sprache des Sachsenspiegels seine Rolle spielt. Es bedeutet Lanzenruhe, Waffenruhe, Stillstand. Eine Verbindung etwa zu erdenken, überlasse ich reicherer Phantasie, die daran anknüpfen könnte, daß auf dem nahen Markte mehr denn einmal turnirt ist. Eine Hunde=Straße gibt es auch in Lübek, Greifswald, Stettin, Barth, Demmin. Was die Hunde mit diesen Straßen zu thun gehabt haben mögen, ist aber ebenso wenig aufgeklärt, wie auf einem andern Gebiete Ursprung und Wesen des Hundekorns und auf unserm die Beziehung zwischen dem Geschlechte der Schweine und der Schweinebrücke (nach der die gleichnamige Straße heißt) oder der Anlaß zur Benennung der Diebs=Straße. Dunkel ist auch der Name Stur, im Sture, womit ursprünglich der Theil der ABC=Straße zwischen Weber=Straße und Gerber=Straße, hernach die ganze Straße bezeichnet ward. Volkswitz liegt offensichtlich beim Glatten Aale und bei der Kyverwyverstrate (Straße der keifischen Weiber) zu Grunde. Für Krönkenhagen ist die älteste belegte Form Kromekenhagen. Ob eine Verbindung mit Peter Kromeke, der um 1290 begegnet, oder einem Namensvetter bestanden hat, wird kaum je auszumachen und darauf um so weniger zu bauen sein, als auch in Rostock und Stralsund 2 ) eine gleichnamige Straße bekannt ist und auch ein gleichlautender Gutsname vorkommt. Unwahrscheinlich ist die Ableitung von krumm, worauf man in Anbetracht der Windung der Straße und des lautlichen Anklangs verfallen könnte. Sie
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würde auch für Rostock nicht zutreffen. Kaum weiter kommt man mit Negenchören, einer zum Theile engen, zum Theile nur einseitig bebauten Gasse hinter dem Marienthurme. Der Name steht fest und davon läßt sich nichts abdingen. Zuerst 1431 juxta novem choros. Rund vierzig Jahre später nehmen die Schreiber der kleinen Wachtregister ihren Gang in de negen kore, de negen kore up; auch novem chori wird verzeichnet. Im Jahre 1485 wird ein Haus genannt belegen in den neghenkaren, mit einem Ablaute, der nur gegenüber dem jetzt im Plattdeutschen gebräuchlichen Negenküren das echte o sicherer stellt, indem man gleichzeitig für godes gades, für loven laven, für vlote vlate schrieb. In Falsterbo auf der Südspitze Schonens kennen wir aus dem Jahre 1497 die Bude eines deutschen Paternosterers mit dem Kennnamen to den negenkoeren, in Stralsund eine Straße in den seven koren (in der Nähe einer Kirche). Auf dem Greifswalder Stadtfelde ist ein Feldstück neghenmorgen bekannt, das jetzt 41 Morgen hält. Ich bin des Glaubens, daß ein in seinem Anlasse nicht mehr erkennbarer Volkswitz (etwa in Beziehung auf die Engelchöre) vorliegt. Leider läßt sich die Zahl der Buden, die im Mittelalter dort lagen, nicht ermitteln und nur sagen, daß um 1475 dort hauptsächlich Frauen wohnten und 1677 zwölf Buden gezählt wurden. Unerklärt lassen muß ich den Lohberg (nachweisbar seit 1444), insofern als sich keine Andeutung dafür erhalten hat, daß dort je Lohe gelagert ist: wir wissen nur von einem Steinhofe in dortiger Gegend. 1 ) Uebrigens wird die Oertlichkeit in einigen Registern um das Jahr 1475 als Heide bezeichnet, ein Name, den wir nochmals an anderer Stelle antreffen und der dort gehaftet hat, nur daß er ursprünglich auf die Strecke zwischen Beginen=Straße und Speicher=Straße beschränkt gewesen zu sein scheint, während die Fortsetzung damals "hinter dem heil. Geiste" benannt wird. Der Name selbst bedarf keiner Deutung. Spät erst erscheint Rosmarin=Straße, wofür anfangs eine Umschreibung gebraucht, hernach Enge Straße und vielleicht auch das schon erwähnte Kyverwyverstrate gesagt ward. Da die östliche Seite ehemals gänzlich von einem zum Schabbeltschen Hause (jetzt der Kochschen Brauerei) gehörigen Garten begrenzt war, so könnte es nahe liegend scheinen, an eine Besetzung mit ros marinus zu denken, wenn diese Pflanze durchwinterte, was sie schwerlich thut. In meiner Jugend war am Straßenschilde Rostmarien=Straße zu lesen. Haben wir beim
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Schopensiele die Beobachtung gemacht, daß der Straßenname sich später an ein daran gelegenes Grundstück heftete, so ergieng es umgekehrt mit dem Salzfäßchen, wie wir jetzt den schmalen Durchgang vom Markte nach der Hege, der Schüttings=Straße gegenüber, nennen. Wenigstens ist mir die von befreundeter Seite ausgesprochene Vermuthung höchst einleuchtend, daß man ursprünglich das an die alten Buden südwarts desselben dem Markte zu angebaute Häuschen (Markt Nr. 9) so genannt habe, indem dies in der That mit seinem an die höhere Mauer angelehnten Pultdache einem Salzfasse, wie man sie vordem in der Küche hatte, ähnlich genug sieht. Auch haben wir als willkommene Hülfe eine Aufzeichnung aus dem Jahre 1594, wonach die Kohlenmesser, deren an der Hege gelegene Amtswohnung 1858 in die heutige Hauptwache einbezogen ist, im soltvatken getrunken haben. Uebrigens begegnet siebzig Jahre früher ein anderes Salzfäßchen am Marien=Kirchhofe, und in entsprechender Weise war gemäß dem Concepte des Alten Stadtbuchs das Haus Hege 10 die Puderbüchse geheißen, nach der Form seines Giebels, wie alte Leute ihn noch gekannt haben.
Bei unbedeutenden und vielleicht wenig angebauten Straßen dauerte es oft eine ganze Weile, bevor ein Name erfunden ward und durchdrang. Da hatte dann der Stadtschreiber - das ist die Person, der am meisten an einer scharfen Bestimmung liegen mußte und die uns das meiste vermittelt, was wir von den Straßennamen der Vorzeit wissen - da hatte dann der Stadtschreiber über dem Stadtbuche seine Noth und mußte manchmal viel Worte daran wenden. Die platea magna qua descenditur ad fossam ist uns schon begegnet, und es sollen hier nur wenige dergleichen angeführt, im Uebrigen aber auf die beigefügte Uebersicht verwiesen werden. Die umständlichste Umschreibung ist bei einem Hause an der Beginen=Straße gebraucht, das lag in platea Lubicensi super acie parve platee cum itur ad conventum bagginarum Crucowen - noch etwas umständlicher als die Prinz August von Württemberg=Straße in Berlin, aber doch nicht so schön. Auch die Rosmarin=Straße hat Mühe verursacht. Von ihr überliefert Schröder folgende (z. Th. von ihm übersetzte) Umschreibung: parva platea qua itur ad s. Nicolaum, welche führet nach der rothen Brücke. Am häufigsten scheinen die kleinen auf den Marien=Kirchhof führenden Straßen dem Stadtschreiber zu schaffen gemacht zu haben, der dabei bald kürzern, bald längern Athem holte. Und doch ist es ihm nicht immer geglückt, sowohl bei diesen wie auch bei andern, der Nachwelt klar zu
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machen, was er meinte. Oft behalf man sich mit einer Angabe der Gegend, da gerade eine Straße zu nennen nicht nothwendig war. So finden wir vielfach beim heil. Geiste, gegenüber dem heil. Geiste, hinter dem heil. Geiste und Aehnliches. Es kommen aber auch bloße Andeutungen vor, wobei das Weitere den besonderen Umständen überlassen blieb, die spätern Geschlechtern das Räthsel nicht lösen helfen. Beispiele sind: hinter der Wedem und beim Kirchhofe, wie wir in gleicher Unbekümmertheit auch ein paar Mal einen Pfarrer von Wismar antreffen. In den Wachtregistern allerdings behebt auch uns der Zusammenhang den Zweifel über Einzeichnungen wie bei den Mönchen (statt bei den schwarzen Mönchen), bei der Grube (statt Vogts=Grube), Schild (wo der Ziegenmarkt gemeint ist). Uebrigens wird sich die tägliche Rede eine gleiche Kürze erlaubt und das Vorbild dafür abgegeben haben. Mag nun die eben beredete Unbestimmtheit ein Uebelstand gewesen sein, oder nicht, so war ihr Vorkommen unvermeidlich, solange die Benennung der Straßen dem Volke überlassen war. Es waren mit diesem Zustande aber noch zwei andere Eigenthümlichkeiten verknüpft, die fortfallen, wo die Obrigkeit die Sorge dafür übernimmt. Einmal eine Unsicherheit an den Enden und Scheiden, die noch im Alten Stadtbuche hier und da zu Tage tritt, wie beim Hopfenmarkt, beim Schilde, beim Ziegenmarkt, wozu jedesmal die anliegenden Straßen konkurriren. Desgleichen konnte die Heide mindestens zum Theile als Böttcher=Straße bezeichnet werden, die Keller=Straße auch als Grüne Straße, und die Altwismar=Straße ließ man mit der Lübschen zusammenstoßen, die Bau=Straße, insbesondere die kurze Bau=Straße, begriff auch die später "vorm Meklenburger Thore", jetzt "hinter dem Schilde" geheißene Fortsetzung. Namentlich in der Nähe der Thore ließ man, ähnlich wie wir es in der Gegend von Kirchen und Klöstern oder sonst hervorragenden Baulichkeiten beobachtet haben, die zuständigen Straßennamen häufig fallen und sagte lieber "vor dem Altwismar=Thor", "vor dem Meklenburger Thor", "vor dem Neuen Thor", und diese Begriffe dehnte man ziemlich weit und sogar in Querstraßen hinein aus, sodaß z. B. "vorm Pöler Thor" bis an die Grube reichen und in den Spiegelberg hineingreifen konnte. Daß unter dem Namen der Neustadt anfangs alle in diesem Stadttheile belegenen Grundstücke gefaßt werden konnten, ist eine andere Sache und sehr begreiflich.
Die andere Eigenthümlichkeit ist die, daß die Namen im Laufe der Zeit wiederholt gewechselt wurden. So hieß, von
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neuern Formen und Entstellungen abzusehen, die Bademutter=Straße einst Kröpelinen=Straße, die Altböter=Straße Juden=Straße, die Schatterau Burg=Straße, danach eine Weile auch Dreck=Straße, ein Stück Schopenstele, die Neustadt heil. Geistes=Grube, danach heil. Geistes=Straße. Für "im Düstern" gebrauchte man die Namen Wilden=Straße, Alfstraße, Hasenlager, um der derberen Benennungen zu schweigen. Der Ziegenmarkt war der Reihe nach bei der Radolfs=Brücke, beim Sode oder Pipensode, bei der Breiten Brücke, Schild, "gegenüber den Anker=Schmieden" benannt. Derartiges ließe sich noch Manches beibringen, falls Vollständigkeit nöthig wäre. Merkwürdiger ist ein Umtausch von Namen, der gleichfalls nachweisbar ist. Die Königs=Straße war ehedem die Kleine Hohe Straße, und das mit einem so ansehnlichen Namen (natürlich nach einem Personennamen) jetzt bezeichnete Endchen hieß sachgemäßer die Kleine Grützmacher=Straße. Den Vorgang hat man sich so zu denken, daß Hohe Straße als Name erst neben Königs=Straße trat und dann den älteren Namen verdrängte, daß dieser aber nicht ganz vergessen, sondern namentlich im Stadtbuche auf das anstoßende, von Häusern entblößte Stückchen übertragen ward, wobei das Eckgrundstück und Pertinenzien eine Rolle gespielt haben mögen. Klarer liegt der andere Fall bei der Schütting=Straße, die es lange nicht zu einem festen Namen bringen konnte und wo erst der fünfte gehaftet hat. Die erste dafür begegnende Bezeichnung ist Kleine Hege. Als hernach Riemenschneider=Straße aufkam und mehr gefiel, gerieth man, wie es scheint im 16. Jahrhundert, ob der Großen und Kleinen Hege in Verlegenheit, da man beides auf die Hege beziehen zu sollen glaubte, und schwankte, welchem Theile dieser man den einen oder den andern Namen zulegen wollte. Daher fand Dr. Anton Scheffel die widerstreitendsten Bezeichnungen vor und meinte die anfangs in seinem Alten Stadtbuche gewählten Ueberschriften grote Hege in lütke Hege und lütke Hege in grote Hege umwandeln zu müssen. Auch würde es ohne die Wachtregister kaum möglich gewesen sein, die echte Bedeutung des Namens der Kleinen Hege zu ermitteln. Ferner, was mit der Verlegung des Meklenburger Thors zusammenhängt, wird das unterste Ende der Dankwarts=Straße im Neuen Stadtbuche "vor dem Meklenburger Thor" benannt, während dieser Namen auf dem Paulischen Plane zum Alten Stadtbuche der Straße eignet, die wir "hinter dem Schilde" zu nennen gewohnt sind. Und endlich liegt eine gewisse Aehnlichkeit noch darin vor, daß die Staven=Straße des Alten Stadtbuchs
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im Neuen den unterdes beliebter gewordenen Namen Badstaven erhalten hat und der andere somit frei gewordene dem südlich vom Badstaven belegenen Durchgange von der Bau=Straße zur Wall=Straße zugewendet ist.
Es versteht sich, daß unter solchen Umständen, zumal bei den Verlusten, die das hiesige Archiv erlitten hat, manches im Dunkeln bleiben muß. Einige Schuld fällt dabei auch auf eine gewisse Unbekümmertheit, mit der unleugbar zuweilen die Eintragungen im Stadtbuche gemacht sind. Die Aufgabe des Schreibers war freilich nicht immer leicht. In Folge des Rückganges der Stadt wurden viele Grundstücke wüst und zu Gärten, es vereinigten sich zahlreiche in einer und derselben Hand, und um die Gebühren zu ersparen unterließen auch die neuen Besitzer (die Eximirten aus Prinzip) oft lange, die Umschreibung zu erwirken. Außerdem war der Schreiber nicht immer befähigt, die sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten zu überwinden und versah sein Amt nicht mit der Peinlichkeit, die seit Einführung der neuen Stadtbuchordnung (1838) mit Recht verlangt wird. So sind im Alten Stadtbuche Grundstücke zu finden, die seit hundertundfunfzig, ja seit zweihundert Jahren, also seit ihrer ersten Verzeichnung, nicht umgeschrieben sind, und andererseits hat man ins Neue Stadtbuch Grundstücke eintragen müssen, über die im Alten nichts vorzufinden war. Und da man leider ohne durchschlagenden Grund im Neuen Stadtbuche in Anschluß an den Stadtplan Glashoffs eine durchaus neue Anordnung der Grundstücke gewählt hat, so ist es in knifflichen Fällen nur unter Aufwendung beträchtlicher Zeit möglich, die Continuität der Eintragungen und die Identitat der Grundstücke festzustellen. Auf welche Schwierigkeiten man dabei stoßen kann, dafür nur Ein Beispiel. "Im Sack" ist eine längst vergessene Bezeichnung. Die Karte vor dem Alten Stadtbuche weist allerdings durch mehr als halb verloschene Ziffern das unterste Ende der Dankwarts=Straße als Sack nach: ganz zutreffend, denn bis 1688 war es eine Sackgasse, aber auf diesen Plan und seine Einzeichnungen ist nicht durchaus Verlaß, wenigstens ist die Ladewigs=Straße falsch eingetragen. Die im Alten Stadtbuche als "im Sack auf der Westseite" (eine Ostseite fehlt) eingetragenen drei Grundstücke aber haben seit 150 bis 200 Jahren offene Folien. Zum Glücke ist wie alle längeren Straßen die kreuzende Baustraße in verschiedene Stücke zerlegt und das letzte vom Sack an gerechnet. Danach mußte bei der Nachforschung das Augenmerk auf die Grundstücke der Baustraße in der Nähe des Sacks gerichtet werden. Dankwarts=Straße
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Nr. 63 (ich citire stets nach Polizeinummern) fand sich unschwer an der Ecke der Baustraße (vor dem Sacke). Das daran stoßende (dem Meklenburger Thore zu) war (als einziges zwischen unausgefüllten Folien) als in der "Baustraße vom Sack an" an der Nordseite belegen bezeichnet, die folgenden waren bei ihrer Eintragung ins Neue Stadtbuch im Alten nicht aufgefunden. In der "Baustraße vom Sack an" auf der Südseite war im Alten Stadtbuch als Nr. 1 bezeichnet Dankwarts=Straße Nr. 58, als Nr. 2 ebd. Nr. 56, als folgende Nummern unsere hinterm Schilde Nr. 1, 3, 5, 7 (die Polizeinummern sind so angeordnet, daß immer eine Seite der Straße die geraden, und die andere die ungeraden hat). Es ergibt sich, daß "Baustraße vom Sack an" jetzt im Wesentlichen "hinterm Schilde" ist und daß bei Grundstücken in kleinen Querstraßen damit gerechnet werden muß, daß unter Umständen von der Hauptstraße ein Abstecher dahin gemacht wird. Auch ist nicht immer die beabsichtigte Folge der Grundstücke von Nord nach Süd oder von Ost nach West eingehalten, wenigstens habe ich bei der Hege Eckgrundstücke verwechselt gefunden. Das sind natürlich Ausnahmen, aber sie kommen vor.
An der Festigung der Straßennamen, um die es gemäß den letzten Ausführungen ehedem schwach bestellt war, ist das eigentliche Verdienst dem bereits genannten Dr. Anton Scheffel zuzusprechen, der die Idee faßte und durchführte, neben den in alter Weise (nach Art der jetzigen Protokolle) chronologisch weiter zu führenden Stadtbüchern eine topographisch angeordnete auszügliche Uebersicht anzulegen, das Alte Stadtbuch. Konnte sich bis dahin der Schreiber der jeweils üblichen oder in ältern Schriften gebrauchten Namen zwanglos bei seinen dem Datum nach an einander gereihten Stadtbucheintragungen bedienen, so ward durch Scheffel ein für allemal ein festes Gerippe geschaffen, wo jedes Grundstück seinen gegebenen Platz hatte und nur die Namen der neuen Eigenthümer oder sonst Berechtigten einzufügen waren. Dabei mußten wohl oder übel die von Scheffel in den Ueberschriften fixirten Namen Stand halten. Freilich sind auch seither noch im Munde der Leute neue Namen aufgebracht und durchgedrungen und sowohl in den Plan Glashoffs wie in die Neuen Stadtbücher aufgenommen und dadurch mit dem amtlichen Siegel versehen, aber doch in geringerer Zahl. Erst durch den Anschlag der Namen an die Straßenecken ist solchen Neuerungen ein Riegel vorgeschoben, der voraussichtlich halten wird, wobei doch angemerkt zu werden verdient, daß die Namen des Stadt=
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buchs und der Polizei nicht durchaus übereinstimmen. In der Orthographie hat man aber Schreiber und Maler gewähren lassen. Den neuern Anschlägen kann man dabei das Zeugnis geben, daß sie besser gerathen sind als ihre Vorgänger. Eins jedoch will ich nicht mit Stillschweigen übergehn, was allerdings die letzten Generationen nicht verschuldet haben, sondern nur weiter schleppen. Es ist im Grunde eine ausbündige Dummheit. Man hatte die Schmiede=Straße und die Kleinschmiede=Straße. Was Kleinschmiede sind, nämlich Schlosser, Messerschmiede und Nagelschmiede, war vergessen. Die eine Straße war klein und eng, die andere groß und weit nach hiesigen Begriffen. Ein nur nach einer Seite hin zum Ausdruck gebrachter Unterschied wollte nicht genügend erscheinen, und deshalb bildete man nicht etwa kleine Schmiede=Straße und große Schmiede=Straße, was zwar nicht richtig (übrigens hier und da vorkommt, auch Kleinschmiede=Straße und Grobschmiede=Straße wäre angegangen), was aber erträglich gewesen sein würde, sondern man setzte neben die Kleinschmiede=Straße die Großschmiede=Straße. Das ist der einzige Fall, wo ich mich nicht habe entschließen können in der angeschlossenen Uebersicht der üblichen und amtlichen Ordnung zu folgen, ohne daß ich zu Hoffen wage, hierin bei den zuständigen Instanzen Beifall und Nachfolge zu finden. Sonst wäre noch der Wunsch erlaubt, auch das entstellte Hegede durch das echte und im Plattdeutschen noch lebendige Hege wieder ersetzt und Scheuer=Straße ebenfalls in Anschluß an die Volkssprache zu Schür=Straße berichtigt zu sehn. Die erste Beschlußfassung E. E. Raths über neue Straßennamen ist 1871 erfolgt. Angeschlagen sind die Namen zuerst 1803 und zwar auf Veranlassung des Herzogs Friedrich Franz. 1 ) Die Nummertafeln sind 1865 angebracht.
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Die beigegebene alphabetische nebersicht soll das erste Vorkommen jedes Namens verzeichnen und seine Geschichte verfolgen, soweit es möglich ist, im ganzen ohne Rücksicht auf orthographische Quisquilien. Das späteste Zeugnis für eine Namensform ist weit schwerer festzustellen und auch von minderer Wichtigkeit, darum sind Angaben darüber nur ausnahmsweise gemacht, wie ich mich überhaupt möglichster Kürze befleißigt habe. Wo andere Nachweise fehlen, ist aus Stillschweigen zu schließen, daß ich die jetzt übliche Namensform einstweilen zu frühest aus dem Neuen Stadtbuche belegen kann. Die ältern Bezeichnungen sind der Regel nach unter den modernen Namen eingereiht, aber mit Verweisungen an ihrer Stelle dem Alphabete nach verzeichnet. Nicht mehr gebrauchte und nicht localisirbare Namen sind, soweit sie nicht von vornherein als vergangenen Zeiten angehörig erkennbar sind, in Klammern geschlossen; ebenso sind unsichere Nachweise älterer Namen eingeklammert. Mehrdeutige Bezeichnungen wie "beim heil. Geiste", "bei den Predigerbrüdern" konnten nicht etwa unter Lübsche Straße oder Neustadt, Meklenburger Straße oder Kleinschmiede=Straße vermerkt werden, wenn auch bei der Schulstraße in dieser Hinsicht eine Ausnahme gerechtfertigt schien. Voran geht eine nicht durchaus vollständige Zusammenstellung von Umschreibungen, die sich nach Bedürfnis aus der Uebersicht ergänzen läßt. Angehängt sind Uebersichten über die Thore, Berchfrite, Brücken.
An Quellen ist bis auf einen unbedeutenden Rest, in dem sich Wesentliches nicht erwarten ließ, das gesamte Material des Wismarschen Rathsarchivs bis zum Jahre 1500 herangezogen und außerdem sind die Stadtbücher und die Auszüge daraus ausgenutzt, soweit sie erhalten sind, endlich die ältern Wasserleitungsakten und die paar Pläne. Was ich sonst habe anführen können, danke ich zum Theile dem Zufalle, das Beste aber meinem väterlichen Freunde Dr. Crull, der mich auch im Einzelnen berathen hat.
Zur Erklärung der meist abgekürzt gegebenen Anführungen diene Folgendes. Was gedruckt ist, ist nach den Drucken citirt.
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A ist Stadtbuch A,
B ist Stadtbuch B,
II, IX, XII ist Stadtbuch II, IX, XII, über die Meklb. Urk.=Buch I, S. XLVIII ff., Auskunft gibt. Die ersten beiden sind nach Seiten, II ist nach Folien angeführt. Von den letzten sind lediglich ein paar Blätter erhalten.
A. Stb. heißt Altes Stadtbuch, s. S. 74. 76. Im Concept beendet 1677, im Mundum 1680.
N. Stb. heißt Neues Stadtbuch, s. S. 75.
geistl. Stbchschr. bedeutet die im Jahre 1535 verfertigten und bis zum Jahre 1583 vervollständigten Auszüge der geistliches Gut betreffenden Stadtbuchschriften (sonst auch citirt als: geistl. Renten=Reg.).
Die Stbch.=Auszüge des 16. Jahrhunderts oder die Elmhoffs sind wenig umfangreich.
Verzeichnis 1601 bedeutet: Vertzeichnus - aller - Haubtsummen vnd - Zinsen, so den - Gottesheusern - bey der Chemmerey - verschrieben.
lib. miss. heißt liber missarum, dessen vollständiger Titel Jahrb. 43, S. 169 Anm. angegeben ist.
Zb. heißt Zeugebuch oder kleines Stadtbuch (I, nach Folien citirt, begreift mit Lücken die Jahre 1328-1431; II, nach Seiten citirt, die Jahre 1433-1490).
lib. proscr., liber proscriptorum von 1353 bis 1429.
Ger. Inv., gerichtliches Inventar über Nachlässe und gepfändete Güter 1438-1548.
Wachtreg. f. hansische Geschichtsblätter 19, S. 87.
Reg. C s. ebd. S. 87, Anm. 1.
Urtheilsbuch C bedeutet die dritte Abtheilung des ersten 1547 beginnenden Gerichtsprotokollbuches.
Cop. Mar.=Gertr.=Brüdersch. heißt Copiar der Marien=Gertruden=Brüderschaft (um 1575).
Reg. par. Mar., parrochiae Mariae registrum, Uebersicht über die Einnahmen von S. Marien, angelegt 1518.
S. M[arien]=Geb[äude]=Reg[ister], Kirchenrechnungen von S. Marien.
Schröder A. B., Schröder Ausführl. Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar. Handschrift. S. Mekl. Urk.=Buch I, S. XLVIII oder Jahrb. 43, S. 166.
Schröder P. M., Schröder Kirchengeschichte des pavistischen Mecklenburg.
M. U.=B., Meklenburgisches Urkunden=Buch.
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Paulis Plan, Plan der Stadt von dem "seiner guten Wißenschafft in Mathesi wegen ehrenwehrten" Subrector Andr. Pauli (1653-1675) entworfen (vor dem Alten Stadtbuche).
Wasserleitungskarte, Stadtplan mit dem Netze der Wasserleitung (mit Andeutung der Fassaden der Häuser). Original (auf Pergament) und Copie im Besitze von Dr. Crull. Beide mögen der Zeit von 1700 bis 1750 angehören. In der Copie sind die Namenseintragungen fast alle wohl um 1800 nachgezogen, einzelne aber erst damals eingezeichnet.
Glashoffs Index, Glashoffs Index über die auf seinem großen Stadtplane verzeichneten Grundstücke. 1833.
platea magna, qua descenditur ad fossam (A, S. 18), Bor=Straße.
in pl. I.ubicensi super acie parve platee cum itur ad conventum bagginarum Crucowen (M. U.=B. 4456), Beginen=Straße.
parva pl. antiquae macellae carnium dicta (Schröder A. B. 1325).
parva pl. qua itur ad predicatores (geistl. Stbchschr. f. 12 r ), Kleinschmiede=Straße.
super acie parve platee in pl. I.ubicensi cum itur ad cimiterium sce. Marie (II, f. 37 r ), Johannis=Straße.
parva pl. cum itur ad ecclesiam sce. Marie (II, f. 4 r . 12 v ).
p. pl. juxta cimiterium sce. Marie (M. U.=B. 4662).
p. pl. cum itur versus cimiterium sce. Marie apud Plvckeboteren (II, f. 60 r ).
in pl. Dangmari super acie parve platee retro dotem bte. virginis (II, f. 15 r ), Grüne=Straße.
acies parve platee circa forum equorum (II, f 64 r ), Schatterau?
juxta consistorium super acie parve platee (II, f. 60 r ).
p. pl. qua itur ad s. Nicolaum, welche führet nach der rothen brücke (Schröder A. B. 1325), Rosmarin=Straße.
p. pl. cum itur versus valvam fabrorum (II, f. 13 v . 18 v ), Schatterau.
p. pl. penes monasterium fratrum ordinis predicatorum (XII), Kleinschmiede=Straße.
p. pl. retro Hinricum Dammenhusen (II, f. 26 v ), Schatterau.
area . . . in pl. Dangmari super acie parve platee que Cancro pertinebat (II, f. 23 r ).
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p. pl. apud Pluckeboteren (H, f. 13 r . 16 v ). Vgl. oben.
p. pl. infra Johem. Stetyn et Johem. Walmerstorp (II, f. 48 r ).
arta platea qua itur de cimiterio bti. Nicolai versus Spegelbergh (1435, Urk.), alzeme gheyt van deme Speghelberghe na der groven (1463, Urk.), Blücher=Straße.
in pl. dolificum super acie arte platee (II, f. 66 v Büttel=Straße.
pl. arta, qua itur ad fratres predicatores (Zb. I, f. 197 r . 205 r ), Kleinschmiede=Straße.
arcta pl. retro dotem bte. Marie virginis (Schröder A. B. 1363), Grüne Straße.
a. pl. retro Radolphum Hate prope Beyendorpe (Zb. I, f. 199 v ).
in der engen straten, alse me geyt van vnser Leven fruwen kerkhave (geistl. Stbschr. fol. 62 v , 1467), Johannis=Straße?
arta illa platea qua itur de cimiterio bti. Nicolai versus barvotos (Bürgersprachen), Rosmarin=Straße.
nova platea bei dem Garten des heil. Geistes (M. U.=B. 2263), Speicher=Straße?
pl. qua itur de ponte Radolfi ad pontem Hillen (Schröder A. B. 1325, ohne Zeit und Sonstiges).
pl. qua itur de macellis panum ad ecclesiam b. Marie virginis (Schröder A. B. 1362), Sargmacher=Straße.
in angulo quo itur de foro ad dominam nostram (B 222), Sargmacher=Straße.
pl. apud domum Jacobi de Slawestorp ad murum protendens (M. U.=B. 2291), bei der Klosterkirche.
strata que vadit ad murum (M. U.=B. 2321).
super acie contra aciem Conradi Lubekeruar, cum itur ad fratres minores (II, f. 51 r ), Schul=Straße?
pl. que tendit sursum a domo dni. Henrici de Brakele versus ecclesiam bti. Georgii (M. U.=B. 1883), Hohe Straße.
strata in qua Hasso de Gauvecov moratur (B 226).
str. Verneri Citelut (B 230).
vicus, qui protenditur de pl. Lubicensi ad cimiterium bte. Virginis (M. U.=B. 2144), Johannis=Straße.
domus angularis sita in pl. Tagmari super vico, quo itur ad ecclesiam bte. Virginis (B 172), Sargmacher=Straße.
v. quo itur ad dominam nostram (B 194).
hereditas in vico, ubi moratur domina Edhela (B 153).
v. retro hereditatem dni. Hassonis de Crucowe (B 182).
in vico apud domum Wlfardi (B 178).
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ABC=Straße:
retro fratres 1279 (B 18),
retro fratres minores [1280] (B 23), retro
minores 1326 (M. U.=B. 4731), retro barvotes
1435 (geistl. Stbchschr. f. 45
r
),
retro chorum minorum apud Seeveneeken 1358. 1371
(geistl. Stbchschr. f. 8
v
.
11
r
; hereditas Andree Soveneken in
pl. molendinorum 1373 f. 12
v
).
hereditas im st
r 1461 (geistl. Stbchschr. f.
61
r
). Um 1475 wird in den
Wachtregistern der untere Theil bis an die
Weber=Straße retro minores, achter den grauen
monken, nur in Einem Stur genannt; den weiteren
Theil benennen sie übereinstimmend in den Stur,
in dem Sture. 1677 im Stüer oder ABC (A. Stb.).
Erst in den siebziger und achtziger Jahren des
sechszehnten Jahrhunderts wurden an der
Westseite die Buden gebaut, die vermöge ihrer
Bezeichnung nach dem Abc der Straße zu ihrem
neuen Namen verholfen haben. Vgl. Crain, zur
Geschichte des Grauen Klosters S. 10 f.
Aleffsstrate s. Düstern.
Altböter=Straße: pl. Judeorum 1342 (M. U =B. 6195), Jodenstrate um 1475 (Wachtregister; auch noch 1573), oltboterstrate um 1470 (Ger. Inv. f. 84 r ; um 1475 ebenfalls in einem Wachtregister). Oltböter ist Altschuster, Flickschuster. In Rostock hat man aus Altböter=Straße Altbettelmönch=Straße gemacht.
Alt=Küter=Straße s. Küter=Straße.
Alt=Weber=Straße s. Weber=Straße.
Alt=Wismar=Straße: pl. Antique Wismarie zwischen 1250 und 1258 (A 8), auch antiqua pl. Wismarie (A 17) und mit den Abwechslungen, denen der Name Wismar ausgesetzt ist. Olde-Wismerstrate 1490 (Urk.). Im dreizehnten und Anfang des vierzehnten Jahrhunderts des öftern einfach pl. Wismarie oder ähnlich (z. B. A 88, B 11, hier besonders häufig). Alt=Wismarsche Straße (A. Stb.). Man ließ sie ehedem mit der Lübschen Straße zusammenstoßen. Vgl. Hinter dem Rathhause.
bei der Ankerschmiede s. Ziegenmarkt.
Bademutter=Straße: pl. Krøpelini 1323 (II f. 16 r apud dnm. Johem. Cropelyn. f. 56 v lapidea hereditas des H. Joh. Kröpelin neben H. Hinr. Ricquerstorp). pl. Crøpelynes (Zb. I f. 185 v ). Noch 1569 Kroplinsche Str. (geistl. Stbchschr. f. 118 r ). pl. bademo. 1365 (Schröder P. M. S. 1425, M. U.=B. 9319 mit Anm.). pl. obstetricum 1443 ! (Zb. II S. 32). bademomenstrate um 1440
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(Ger. Inv. f. 6 r ). In den Wachtregistern um 1475 beide Namen neben einander, bademmolenstr. 1580 (geistl. Stbchschr. f. 129 r ). Bademomen olim Kröpelinsche Straß (A. Stb.). Daß beide Straßen identisch sind, ergeben die Wachtregister mit Sicherheit, und es hat Dr. Crull nur an einer Gelegenheit gefehlt, den M. U.=B. 5840n. ausgesprochenen Zweifel daran für unbegründet zu erklären. Irrthümlich nehmen vier Wachtregister die Nordseite mit der Schul=Straße zusammen unter dem Namen monnekestrate. Bademutter ist Hebamme.
Badstaven: nova stuba, de stafen, in de stavenstrate um 1475 (Wachtregister). Stavenstraß (A. Stb., Schröder A. B. 1324). Nach einer Badestube benannt. Vgl. S. 74 f.
Bahnhof=Straße 1881, Aug. 25. Früher "hinter der Mauer". Der Mühle und Grube gegenüberliegende Theil hieß bis dahin die Wüste Stätte. Als woste stede werden in den geistl. Stbchschr. mehrere Plätze bezeichnet, ohne daß es zu einem Namen gediehen wäre. Hubert Noppen woste stede bi der Groven, die 1571 in den geistl. Stbchschr. vorkommt, lag weit ab, zwischen der Königs=Straße und der Runden Grube (A. Stb.). Auch in Greifswald hatte man einen wüsten Platz, jetzt Rubenow=Platz (Pyl, Gesch. der Greifswalder Kirchen I, S. 125).
beim Bauhofe s. Bauhof=Straße.
Bauhof=Straße: ex opposito stabuli civitatis 1294 (M. U.=B. 2266). hereditas et 10 bode in pl. cerdonum econtra stabulum consulum 1412 (geistl. Stbchschr. f. 29 r ). bey der hern stalle 1412 (Stadtbuchauszug Elmhofs). beim Hern stall (A. Stb.). Hinter dem Herrenstalle. Vgl. in pl. fabrorum prope stabulum consulum 1328 (M. U.=B. 4990). Der unterste Theil wird im A. Stb. "beim Bauhofe" benannt, teghen dem holthave, oder nur holthoff um 1475 (Wachtregg.). Der Bauhof lag neben dem Wasserthurm bei der Einmündung der Grube. 1876, Aug. 24 wurden beide Theile unter dem neuen Namen vereinigt.
Bau=Straße: platea colonum 1290 (B 160) in buntem Wechsel mit pl. colonorum, worin es B 184(1292) geändert und wonach es ebd. in pl. culture verbessert ist. Diese letzte genaue Uebersetzung des deutschen Namens hat keinen Beifall gefunden, bwenstrata 1295 oder 1296 (M. U.=B. 2320), bustrate und pl. que dicitur b%strate 1296 (B 229. 233), buwstrate 1463 (Urk.), buustrate neben buuwestrate
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(Bau=Straße)
um 1475 (Wachtregister). Das A. Stb.
überliefert für den der Lübschen Straße zunächst
liegenden Theil als älteren Namen kleine
Baustraß (1535; gleichzeitig lutke bowstrate
Ger. Inv. f. 177
v
) und benennt den
Theil von der Papen=Straße an als kurtze
Baustraß. Ehemals und noch im Alten Stadtbuche
belegte man die nunmehr "Hinter dem
Schilde" geheißene Fortsetzung mit
demselben Namen. So schon 1653 korthe bauwstraße
(Acten zur Wasserleitung) und 1540 "vor
deme Mekelenborger dor in der bowstraten"
(Ger. Inv. f. 233
r
). Vgl.
Fuhrleute=Straße und S. 65.
Beginen=Straße: hereditas in vico apud baginas (Wurtzins für die Hausfrau Radolfs von Krukow) 1292 (B 184). Vgl. M. U.=B. 1660. (vicus retro hereditatem dni. Hassonis de Crucowe 1292, B 182). in pl. Lubhicensi super acie parve platee, cum itur ad conventum bagginarum Crucowen 1323 (M. U.=B. 4456). pl. begwinarum 1424. 1430 (Bürgersprachen, bei Burmeister S. 53. 58; an erster Stelle nachgetragen). bagginenstrate 1475 (Wachtreg.). begwinenstrate 1.515 (Urk.). Beginenstraß (A. Stb.).
Berg=Straße 1899, Decbr. 19.
Bleicherweg 1882, Mai 31.
Bliden=Straße: pl. bliden 1385 (geistl. Stbchschr. f. 15 v ), pl. machinarum 1401 (ebd. f. 21 r ). blidenstrate 1426 (lib. proscript. S. 104). Die korte blidestrate (1499, Urk.) mag das dem Fürstenhofe zu liegende Stück meinen, sicher thut das die kleyne blidenstr. um 1560 (Cop. der Mar.=Gertr.=Brüdersch. f. 24 v ). Nach dem A. Stb. ward dies Stück auch Pfaffenstraß genannt (unter Berufung auf eine Schrift von 1605, Jubilate). blyenstraße 1653 (Acten zur Wasserleitung). Auch in Stralsund (jetzt aber Blei=Straße. Hans. Gesch.=Bl. 9, S. XXXIII). Vgl. S. 67.
(Blojer=Str.) nennt Schröder A. B. 1325, ohne über ihre Lage etwas angeben zu können.
Blücher=Straße: arta platea qua itur de cimiterio bti. Nicolai versus Spegelbergh 1435 (Urk.). alzeme gheyt van deme Speghelberghe na der groven 1463 (Urk.). Blucherstrate um 1475 (Wachtreg.). Blücherstraß (A. Stb.). Blüffelstr. (Schröder A. B. 1322). Richtig im Neuen Stadtbuche, während der Index Glashoffs die verderbte Form bietet, die aus dem Adreßkalender erst im Jahre 1891 verschwunden, aber kürzlich noch neu angeschlagen ist. Vgl. S. 69.
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Bor=Straße: pl. magna qua descenditur ad fossam kurz vor 1258 (A 18). pl. erga domum Bozzonis um 1260 (A 27). Boostrata 1327 (II f. 66 v ), Bostrate 1327 (II f. 72 r ), Boestrate 1421 (Urk.), platea Botesstrate 1404 (lib. miss. f. 27 v pl. Botes 1414 (Zb. I f. 211 r ) und so vorwiegend im 15. Jahrh., Borstrate um 1475 (einige Wachtreg.), Bohrstr. 1565 (geistl. Stbchschr. f. 113 r ), Beerstraße 1565 (lib. miss. f. 122 r ), Bothstrate um 1575 (Cop. der Mar.=Gertr.=Brüdersch. f. 138 r ), Borthstrate 1581 (geistl. Stbchschr. f. 129 v ), Bordestraße 1653 (Acten zur Wasserleitung), Bohrstraße olim Bohttstrasse (A. Stb.), Bortestraß (wenn nicht das e ein Abkürzungszeichen sein soll, A. Stb. f. 79). Plattdeutsch: Burstrat, dem entsprechend schon um 1750 eine Copie der Wasserleitungskarte Bauer=Straße hat. Vgl. bei der Wage, Wagebrücke. Vgl. S. 68.
Bostrate s. Bor=Straße.
Böttcher=Straße: pl. dolificum bald nach 1260 (A 27), bodekariorum um 1265 (A 35), doleatorum 1287 (B 138), doliatorum 1288 (B 141 und oft), boddekerstrate 1475 (Wachtreg.), Böddekerstrasse, Bötticherstr. (A. Stb.). In den Wachtregg. heißt das Stück zwischen Beginen=Straße und Speicher=Straße: Heide. Das A. Stb. läßt die Grenze zweifelhaft. Stb. B bezeugt mehrfach Böttcher in dieser Straße.
bei der Breiten Brücke s. Ziegenmarkt und am Platz.
Breite Straße: salsa fovea zw. 1250 und 1258 (M. U.=B. 649), salsa fossa 1258 (A 20) und später oft. soltegrove um 1260 (Einlage zu A 20), salsata fossa um 1270 (A 69), solttengruve 1295 (B 225). fossa piscatorum 1307 (M. U.=B. 6671n.), vyschergrove 1346 (M. U.=B. 6671). Vgl. die Anm. zu M. U.=B. 6671; nur wird an den Ziegenmarkt nicht zu denken sein. Zu warnen ist vor der leicht sich anbietenden Annahme eines directen Zusammenhangs zw. den Namen Fischer=Grube und Fischer=Reihe. pl. ampla supra fossam salsam 1374 (M. U.=B. 10587). brede strate 1400 (lib. proscr. S. 49). An der Identität der Straßen ist nicht zu zweifeln. Man vgl. folgende von Schröder A. B. S. 1314 und S. 1316 mitgetheilte Stadtbuchauszüge: hereditas tendens a salsa fovea usque ad recentem (1317), domus frumenticea . . inter foveas recentem et salsam sita (1337), hereditas sita super acie salse fosse in opposito fori humuli (1319); dazu noch:
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(Breite=Straße)
hereditas sicut a platea dolificum usque
super salsa fossa 1325 (H f. 39
r
).
Ueber die Benennung des Stückes zwischen
Speicher=Straße und Neustadt ist das A. Stb.
nicht ganz sicher (vgl. Ziegenmarkt). Vgl. S. 67
und unter Hillen=Brücke (S. 114 f.).
(bei den Brotscharren): apud macellos panum 1274 (B 98). pl. qua itur de macellis panum ad ecclesiam b. Marie virginis 1316 (Schröder A. B. 1362). juxta novas macellas panum 1325 (II f. 39 v ). Vgl. M. U.=B. 4672. Wohl an der Südseite des Marktes.
(bei der Burg): ante castrum bald nach 1260 (M. U.=B. 888), prope c. um 1288 (B 142), area nova juxta novum murum prope c. 1296 (M. U.=B. 2406). Die Lage dieser Burg ist nicht auszumachen. Sie dürfte mit einiger Wahrscheinlichkeit in der Gegend der Eisengießerei zu suchen sein. Unerklärlich aber ist die in einem der Wachtregister für das zwischen Fischer=Straße und Pöler Thor liegende Stück des Spiegelbergs angewendete Bezeichnung up der borch.
Burgstraße s. Schatterau.
Bustrate s. Bau=Straße.
Büttel=Straße: parva pl. preconum 1323 (H f. 19 v . in pl. dolificum super acie arte platee 1327 (II f. 66 ). in pl. doleatorum sive acie platee bedellorum 1368 (M. U.=B. 9834). bodelstrate 1446 (Urk.). Zu Schröders Zeit auch als Enge Straße (A. B. 1322).
Buxtehuden ort um 1475 in einem Wachtreg., anscheinend zwischen Meklenburger Straße und Dankwarts=Straße zu suchen, in S. Jürgens Kirchspiel.
hinter dem Chor: retro chorum ecclesie bti. Nicolai 1293 (M. U.=B. 2220), retro chorum sancti Nicolai 1357 (geistl. Stbchtchr. f. 8 r ), achter s. Niclas chore 1548 (geistl. Stbchschr. f. 100 r ). hinterm cohr oder furm Pohler thor, auch hinter st. Niclaus cohr (A. Stb.). In den Wachtregg.: Poler dor.
pl. que Cancro pertinebat s. Krevets=Straße.
pl. carbonistarum s. Kohlenmesser=Straße.
pl. carnificum s. Knochenhauer=Straße.
pl. colonum s. Bau=Straße.
Dahlmanus=Straße 1881, Decbr. 1.
parva pl. . . . retro Hinricum Dammenhusen s. Schatterau.
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Dankwarts=Straße: pl. Danckmari bald nach 1260 (A 25). Der Name wird recht verschieden geschrieben: Dancgmari, Dancmari, Dhangmari, Damgmari (B 226), Thangmari, Tangmari, Dagmari, Tagmari, Dangmeri (1431, Urk.; regelmäßig im 15. Jahrh.). Dangmerstrate 1419 (Urk.). Danquardstrate 1448 (Ger. Inv. f. 32 v ) und ebenso 1486 (Zb. II S. 249), Danckquardesstrate 1487 (Urk.), Danckqwerthstrate 1520 (urkundl. Notiz), Danckwerstr., Danckquarstr., Danckwarsstr., Danckworstr. (16. Jahrh., Jahrb. 55, S. 104). Danckwerther oder Dangnerstr. (A. Stb.). Dankwadestr. 1475 (in einem Wachtreg.). Danckmeisterstrate 1558 (angeführt im A. Stb.). in platea Dangmari ante valvam Magnopolensem 1368 (Zb. I f. 184 v ). Winterpols ort, anscheinend in der Gegend des Schildes zwischen Dankwarts= und Meklenburger Straße (einige Wachtregg.; acies Johis. W. in pl. Dangmeri 1439, geistl. Stbchschr. f. 48 r ; her Johan Wynterpols boden up dem schilde [1448], Ger. Inv. f. 31 v ). Das unterste Ende hieß ehemals "im Sack", und heißt im Stadtbuche "vor dem Meklenburger Thor"). Vgl. S. 75 f.
Diebs=Straße: pl. furum 1429 (geistl. Stbchschr. f. 39 r ), devestrate 1475 (Wachtreg.; in einem verschrieben jodeuestr.). Diebestraß (A. Stb., auch noch N. Stb.). Diebes=Str. (Glashoffs Index). Auch in Rostock und Lübek (Zeitschr. f. Lüb. Gesch. 6, S. 37 unter Petristegel). In Stralsund Gr. und Kl. Diebsteig (hans. Gesch.=Bl. 9, S. XXXIV).
Dreck=Straße s. Schatterau.
im Düstern: her Dyrk Wilden boden in der erskernen 1446 (Ger. Inv. f. 17 r , ob u oder n nicht unterscheidbar; kerne ist eine Nebenform von kerve), plathea Wilden um 1475 (Wachtreg.), gleichzeitig de kerne, in der kernnen, in de kernen (ebenfalls einige Wachtregg.), by der vulen groven up dem orde by der Aleffsstraten edder erskerne anders genomet 1551 (Urtheilsbuch C f. XI r ), erskarn 1564 (angeführt im Reg. zum A. Stb.), im Düstern 1653 (Acten zur Wasserleitung. A. Stb.). Arnstcarbestrasse um 1750 (Wasserleitungskarte). 1408 erwarb H. Dietr. Wilde von Nic. Düsterhus Besitz an der Neustadt mit Armen=Wohnungen (Schröder P. M. 1747). Die Ausbuchtung in der Mitte heißt im N. Stb. Hasenleger. Ob dieser Name schon früher darauf gieng, wie es nach einem Wachtreg. scheint, oder sich auf das Ganze erstreckte, erhellt nicht.
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(im Düstern)
hasenleger um 1475 (ein Wachtreg.),
hasenlager 1633 (Anführung des A. Stb.),
Schröder A. B. 1323. Arschkerbe, erschkarne auch
in Lübek und Stralsund (Zeitschr. für Lüb.
Gesch. 6, S. 39 unter Sack II; hans. Gesch.=Bl.
9, S. XL).
hereditas in vico , ubi moratur domina Edhela 1290 (B 153).
(Enge Straße) 1397 (lib. proscr. S. 44). In einem Wachtreg. eine Nebenstraße der Bau=Straße der Mauer zu. Vgl. Büttel=Straße, Kleinschmiede=Straße, Rosmarin=Straße.
Englische Grube: bey dem zeughause . . . der marcktvoigt habe ihm gesagte dass hier vordem die englische grube gewesen (Raths=Protokolle 1747, S. 186). Zeughaus=Straße? In Lübek eine bekannte Straße.
im Erskarn s. Düstern.
Faule Grube s. Wilhels=Straße.
Fischer=Grube s. Breite Straße.
bi der visscher muren um 1475, in der Gegend des Großen Wasserthors (Wachtregg.).
Fischer=Reihe: ante novam valvam penes curiam lignorum 1450 (geistl. Stbchschr. f. 56 r ). na dem pipensode 1475 (ein Wachtreg., andere nova valva). vorm nien dhore 1498 (geistl. Stbchschr. f. 73 r ). fürm neuenthor, sonst auch beim pipensode (A. Stb.). Der Name galt erst von der Neustadt an. Vgl. Breite Straße.
Fischer=Straße: pl. piscatorum 1428 (geistl. Stbchschr. f. 38 r ), fisscherstrate 1475 (Wachtregg.), apud murum (ein Wachtreg.).
(bei den Fleischscharren): hereditas apud antiquos macellos carnium 1272 (B 4), retro macellas carnium 1324 (M. U.=B. 4528, ein Vergleich mit 4601 erweist es als die Hege, was wir nach unsern sonstigen Kenntnissen hätten annehmen müssen), econtra macellos carnificum 1412 (geistl. Stbchschr. f. 29 v ). in atie oppositi ! macellarum 1482 (ebd. f. 66 r ). Schröder führt noch an "parva platea antiquae macelle carnium dicta", ohne Weiteres zu geben (A. B. 1325).
retro fratres s. ABC=Straße.
(Friesen=Straße) . Schröder, der allein sie anführt (A. B. 1325), wußte nicht, wo sie zu suchen sei.
Frische Grube s. Grube.
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(Fuhrleute=Straße): pl. vectorum 1409 und 1415 (geistl. Stbchschr. f. 26 v . 32 r ). Schröder (A. B. 1325) wußte sie auch nicht zu localisiren. Wohl Bau=Straße.
vor dem Fürstenhofe: apud curiam dni. nostri Magnopolensis 1326 (II, f. 55 v econtra curia[m] dni. Magnopolensis 1394 (Zb. I, f. 199 r ). gegen dem Meckelburger hofe (A. Stb.). gegen dem Tribunal (Schröder A. B. 1325).
Garten=Straß e 1899, Decbr. 19.
strata in qua Hasso de Gauvecov (st. Gawetzow) moratur 1295 (B 226).
(beim heil. Geiste): erga domum sancti Spiritus um 1265 (A 31), apud sanctum Spiritum um 1270 (A 39, des öftern in B), ex opposito domus sancti Spiritus um 1290 (B 209). Es wird sich fast ausnahmelos um die Lübsche Straße handeln. - retro sanctum Spiritum, super ortum domus sci. Spiritus s. Heide, pl. sci. Spiritus, h. Geistes Grube s. Neustadt.
Georgen=Kirchhof: apud btm. Georgium vor 1270 (A 37), retro turrim sci. Georgii 1287 (B 137; könnte auch Bau=Straße sein), retro ecclesiam bti. Georgii um 1290 (B 167), econtra cimiterium bti. Georgii 1425 (Zb I, f. 218 v ).
Gerber=Straße: strata cerdorum bald nach 1260 (A 29), pl. cerdonum 1272 (B 3), pl. loren 1282 (B 44), pl. serdonum 1290 (B 158), pl. lore, loere 1297 (B 241. 243), pl. sardonum 1322 (II, f. 2 r ), gherverstrate 1475 (Wachtreg.), gerwerstrate 1483 (Cop. des mind. Kalandes f. 74 v ), garverstraß (A. Stb.). Gerber sind dort vielfach nachweisbar.
(beim Gewölbe): acies et bode econtra testudinem ante aquas 1406 (geistl. Stbchschr. f. 23 v ). by deme welfte 1423 (lib. proscr. S. 97). up dem welfte oder over dem welfte oder welffte in den Wachtregg.
transitus Heynonis Gyren 1434 (Zb. II, S. 15).
Glatter Aal: im gladen ale, by deme gladen ale 1454 (geistl. Stbchschr. f. 57 v . Buch des Großen Kalandes f. 46 r . apud transitum um 1475 (ein Wachtreg.). Auch in Rostock. Vgl. S. 70.
mons Golberge um 1270 (M. U.=B. 885).
bei den Grauen Mönchen s. Schul=Straße.
hinter den Grauen Mönchen s. ABC=Straße.
Großschmiede=Straße s. Schmiede=Straße.
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Grube: recens fossa um 1255 (A 11), fovea r. 1258 (M. U.=B. 813), fossa um 1260 (M. U.=B. 890), fovea 1295 (B 223), grove 1326 (M. U.=B. 4706), prope grovas 1464 (Urk.), grova recens 1468 (Urk.), bi der fersschen ghroven 1475 (Wachtreg.). Oft waren bei der Länge der Grube genauere Bezeichnungen wünschenswerth, was im Laufe der Zeit zur Unterscheidung in Frische, Mühlen= und Runde Grube geführt hat; seit wann, ist nicht zu sagen. Noch 1498 jeghen deme welfte by der verschen groven (Urk.). fossa molendinorum 1379 (geistl. Stbchschr. f. 14), fossa molendini 1398 (Zb. I, f. 205 ! ), fossatum molendini 1444 (Stadtbuchauszüge des 16. Jahrh.), molengrowe [zw. 1455 und 1460] (Ger. Inv. f. 54 r ), der molre grove 1478 (Urk.), apud molendinum 1500 (Urk.), bey der grube mühle (A. Stb.). runde grube 1653 (Acten zur Wasserleitung. A. Stb.). teghen dem benhus und porticus (dieser=likhus, südl. Halle von S. Nicolai) 1475 (Wachtregg.), gegen St. Nicolai kirchoff (A. Stb.). teghen der wessche oder nur wessche 1475 (Wachtregg.), bey der wasche (A. Stb.). Vgl. Gewölbe, Wage, Wippe, Ziegenmarkt, die z. Th. hier einbezogen werden könnten. - Fischer= und Salze Grube s. Breite Straße. heil. Geistes=Grube s. Neustadt. Vogts= und Faule Grube s. Wilhelms=Straße. Englische Grube.
Grüne Straße: retro dotem sce. Marie 1282 (B 46). in pl. Dangmari super acie parve platee retro dotem bte. Virginis 1323 (II, f. 15 r ). ghrone strate 1475 (Wachtregg.), pl. viridis 1480 (Zb. II, S. 180). Benannt nach dem Grünen Hofe. Vgl. M. U.=B. 5563 mit Anm. Zeugnisse über dessen Lage: area . . in pl. clericorum apud gronenhove 1345 (geistl. Stbchschr. f. 5 r ). in viridi curia et bodis . . achter unser Leven [vrouwen] wedeme 1433 (ebd. f. 42 v ). curia viridis in arcta platea retro dotem b. Marie virginis 1434 (Schröder A. B. 1363). de grůne hoff myt sinen boden . . uppe der papenstraten orde 1434 (Urk.). Grüne Str. nach dem A. Stb. 1602 für "hinter der Alten Schule" (Keller=Straße) gebraucht.
Grützmacher=Straße: pl. pultificum 1408 (geistl. Stbchschr. f. 25 r ), ghruttemakerstrate 1475 (Wachtregg.). grosse Grützmacher-Str. (A. Stb.).
Kleine Grützmacher=Straße s. Königs=Straße.
Hahnrei s. Zeughaus=Straße.
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(Hakerstrate) 1475 in einem Wachtreg., in einem andern: na Hakers berchfrede. Beim jetzigen Meklenburger Thore.
Harolds=Thor s. Pöler Thor.
Hasenleger s. Düstern.
arta platea retro Radolphum Hate prope Beyendorpe 1395 (Zb. I, f. 199 ).
Hege: hereditas angularis in platea Lubicensi apud forum 1292 (B 184), um 1295 (B 205. 212). hega 1325 (M. U.=B. 4601), heegha 1349 (Zb. I, 116 r ), major hega 1399 (geistl. Stbchschr. f. 20 v ), magna hega 1404 (ebd. f. 22 r ), grote hege 1516 (geistl. Stbchschr. f. 86 v ). Im 16. Jahrh. bezog man auch lutke hege auf die Hege und gebrauchte dafür kleyne hege, und in Folge davon notirt das A. Stb. beides und bezieht das eine auf den obern, das andere auf den untern Theil der Straße, wobei es aber hin und her schwankt und nicht zu einem klaren Ergebnisse kommt. Die S. 74 ausgesprochene Ansicht hätte etwas weniger bestimmt formulirt werden sollen. In den Wachtregistern wird der Name entweder als heghe, hega oder als hegha major gegeben. Daß darunter aber beide Theile zu verstehen sind, geht stricte nur aus einem einzigen hervor, das nach einander verzeichnet hega major, arta, hega major. Demnach fehlt es für die kleine Hege hier an Raum. Die arta ist die Schüttings=Straße. lutke hege kommt in den Wachtregg. nicht vor. Der Name "hinter den Fleischscharren" hätte hierher gezogen werden können. Uebrigens geht die Ostseite in den Wachtregg. unter der Bezeichnung "by dem markede", 1653 in Acten zur Wasserleitung: lowenbuden. Ich notire noch: nove et antique bode civitatis site inter forum et hegham apud currus caulium 1414 (Auszug aus einer Stbchschr. im Verzeichnis 1601 f. 16 r ). in domo angulari vulgariter de heghe versus plateam Lubicensem 1448 (Urk.). Der Name erscheint noch bei Schröder (A. B. 1323) richtig und wird im Plattdeutschen auch heutzutage so gesprochen; in Wasserleitungsacten zum Jahre 1653 begegnet schon das entstellte Hegede, das im N. Stb. den amtlichen Stempel erhalten hat, während das A. Stb. das Richtige bot und nur beiläufig hegde verzeichnete (aus dem Jahre 1541). Auch in Rostock. Vgl. S. 67.
Heide: area protendens a nova platea super ortum domus sci. Spiritus 1294 (M. U.=B. 2263). In den Wachtregistern heißt die Straße westlich von der Speicher=Straße (zum
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(Heide)
Kirchspiele St. Jürgens gehörig) achter dem
hilghen Gheste oder retro sanctum Spiritum,
während das Ende zwischen Beginen=Straße und
Speicher=Straße (zum Kirchspiele St. Marien
gehörig) by der beide oder up der beide oder
heyda benannt wird. 4 boden in der boddeker
straten bi der heiden und Jochim Burowen belegen
1518 (geistl. Stbchschr. f. 87
v
). Das
A. Stb. vollzieht die Scheidung von der
Böttcher=Straße nicht mit voller Sicherheit,
vgl. dort unter Beginen=Straße, Böttcher=Straße, Speicher=Straße.
hinter dem Herrenstalle s. Bauhof=Straße.
(Hillen=Brücke): hereditas . . . apud pontem Hillonis 1272 (A 87), hereditas apud Hillenbrugge 1286 (B 134), hereditas . . . ante Hillenbrugge 1325 (II f. 47 r ), zuletzt in dieser Art 1380 (geistl. Stbchschr. f. 14 v ). Undatirt ist die Anführung Schröders "pl. qua itur de ponte Radolfi ad pontem Hillen" (A. B. 1325). Vgl. die Ausführung bei der Zusammenstellung der Brücken (S. 114 f.).
Hogehus s. hinter dem Rathhause.
Hohe Straße, große: pl. que tendit sursum a domo dni. Henrici de Brakele versus ecclesiam bti. Georgii [1287] (M. U.=B. 1883). alta pl. qua itur de cimiterio bti. Georgii versus plateam Lubicensem 1421 (Bürgersprache, bei Burmeister S. 48 f.). alta pl. apud scm. Georgium 1430 (ebd. S. 58). hoge strate 1441 (Urk.). hoge strate by sunte Jwrghen 1448 (Ger. Inv. f. 30 r ). pl. alta 1457 (geistl. Stbchschr. f. 58 v ). Hogestraet in St. Georgi (A. Stb.).
Hohe Straße, kleine: pl. Regum 1443 (Stbch.=Auszug des 16. Jhs.), hoge strate by dem vatere um 1465 (Ger. Inv. f. 79 v ), hoghe strate um 1475 (einige Wachtregg.), pl. Regum um 1475 (andere Wachtregg.), hogestraße in s. Niclauß kirspel 1477 (Stadtbuchauszug Elmhoffs). Hogestraß in St. Nicolai olim de Konigsstraß (A. Stb. mit Beziehung auf eine Schrift von 1605 Matthaei). Vgl. S. 74.
Holzhof s. Bauhof.
Hopfenmarkt: forum in der Nähe der salsa fossa 1286 (B 136). forum humuli 1319 (Stbch.=Auszug bei Schröder A. B. 1314). hoppenmarcket 1508 (geistl. Stbchschr. f. 81 r ). Das A. Stb. konnte auf keiner festen Abgrenzung gegen Bademutter=Straße und Krämer=Straße fußen. Vgl. M. U.=B. 10663. Auch in Rostock.
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Hunde=Straße: hundestrata 1323 (M. U.=B. 4415), pl. canum 1324 (II f. 21 v ), hunstrata 1327 (II f. 64 r ), pl. canina 1343 (geistl. Stbchschr. f. 4 v ), hundesstrate 1516 (Ger. Inv. f. 116 r ). Auch in Lübek, Greifswald, Stettin, Barth, Demmin. S. Pyl, Gesch. der Greifswalder Kirchen I, S. 102.
Johannis=Straße: vicus qui protenditur de pl. Lubicensi ad cimiterium bte. Virginis 1292 (M. U.=B. 2144). Auch die spätern Umschreibungen - alle in Beziehung zu St. Marien oder St. Marien=Kirchhof - sind nicht bestimmter; in den Wachtreg. fehlt die Straße oder Name und Abgrenzung. Johannis=Str. 1572 (St. Marien Geb.=Reg.).
Juden=Straße s. Altböter=Straße.
beim Kayser, gegen dem Kayser s. Ulmen=Straße.
Katersteig oder Katthagen benennt man den neuen Durchgang von der Meklenburger Straße nach der Linden=Straße (bei der preußischen Barmherzigkeit).
Keller=Straße: retro scolas 1289 (B 152), apud scolas 1289 (B 153), achter der schole 1475 (Wachtregg.), hinter der alten schule 1569 (Anführung des A. Stb.), so auch noch Schröder. Nach dem A. Stb. wäre die Str. auch unter dem Namen Grüne Straße einbegriffen worden (z. B. 1602). Hinter der küsterey um 1750 (Wasserleitungskarte). Keller=Straße um 1800 (neuere Eintragung in die Copie der Wasserleitungskarte). Vgl. S. 66.
Kerbe s. Düstern.
(beim Kirchhofe): cimiterium 1273 f. 1277 (B 9. 16. 51). Welcher gemeint sein mag, ist uns verborgen.
(Kyverwyverstrate) 1578 f. (St. Nicolai=Gebäude=Register). Wahrscheinlich die Rosmarin=Straße.
Kleinschmiede= Straße: parva pl. qua itur ad predicatores 1372 (geistl. Stbchschr. f. 12 r ), pl. arta qua itur ad fratres pr. 1393 (Zb. I, f. 197 r ), parva pl. versus pr. 1399 (geistl. Stbchschr. f. 20 v ), p. pl. econtra pr. 1416 (geistl. Stbchschr. f. 33 v ), pl. cleensmede 1440 (ebd. f. 49 v ), pl. parva fabrorum 1468 (Reg. C), arta platea um 1475 (fast alle Wachtregg.), mestmakerstr., mesmakerstr., meskenstr., klensmedestr., klinsmedestr. um 1475 (einzelne Wachtregg.), in de[r] lutken smedestraten 1537 (Ger. Inv. f. 194 v ). Kleine Schmiede=Straße(Glashoffs Index). Einzelne Messerschmiede und Schlosser sind dort im M.=A. nachzuweisen, Nagelschmiede noch im 19. Jahrh. Vgl. S. 77.
Klivenhoff s. Wilhelms=Straße.
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bei der Klosterkirche: pl. apud domum Jacobi de Slawestorp ad murum protendens 1294 (M. U.=B. 2291), (apud pro-dicatores 1294, B 209, juxta fratres predicatores 1295, B 223), circa predicatores versus aquilonem 1324 (II, f. 35 v ), achter den monken, retro predicatores, by der monke kerkhave um 1475 (einzelne Wachtregg), parva pl. penes monasterium fratrum ordinis predicatorum 1504 (XII), wyntstrate 1518 (reg. parr. sce. Mar. f. XV. A. Stb., Schröder A. B. 1325), beim Schwarzen Kloster (N. Stb). Die eingeklammerten Bezeichnungen sind unsicher. Vgl. auch Kleinschmiede=Straße.
(Knochenhauer=Straße): pl. carnificum 1328 (M. U.=B. 4922, S. 544). Weiter nicht genannt.
(Kohlenmesser=Straße?): pl. carbonistarum nur von Schröder (A. B. 1325) angeführt, der selbst nichts Näheres wußte. Daß meine Uebersetzung sprachlich ihre Bedenken hat, verhehle ich nicht.
Königs=Straße: hereditatem penes fossam recentem . . . necnon tres bodas sitas retro prescriptam hereditatem cum tribus cellariis in pl. pultificum 1494 (Schröder P. M. 2554). In den Wachtregistern wahrscheinlich unter den Namen ghruttemakerstrate einbegriffen, von der sie in andern Stellen gar nicht zu unterscheiden ist. kleine grutmacherstr., kleine Grützmacherstr. (A. Stb.). Unter pl. Regum ist die kl. Hohe=Straße zu verstehn (s. da). Auch in Rostock und Lübek. Vgl. S. 74.
lutke korfmakerstrate s. Schüttings=Straße.
(Krevets=Straße): area . . . in pl. Dangmari super acie parve platee, que Cancro pertinebat 1324 (II f. 23 r ). Die porta Cancri (M. U.=B. 4831) kann nichts damit zu thun haben.
Krämer=Straße: pl. institorum bald nach 1260 (A 27), kremerstrate 1467 (Urk.), kramerstrate um 1540 (Randnotiz zu geistl. Stadtbchschr. f. 57 r ). Krämer sind dort nachweisbar. Es ist anzumerken, daß im Plattdeutschen Kremerstrat mit demjenigen e gesprochen wird, das sonst nur da erscheint, wo es aus ei geworden ist oder damit dialektisch in Beziehung steht, also wie Lehm; Hege mit dem andern wie in nehmen, legen. Der Unterschied, den Jakob Grimm (Gramm. I, 3. Aufl., S. 220) bemerkt, wird bei uns zu Lande nicht empfunden.
Krönkenhagen:
Kr
mekenhagen 1410 (Stbch.=Auszug
Elmhoffs), Kromekenhagen 1411. 1472 (geistl.
Stbchschr. f. 28
r
, Urk.),
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Kromkehagen, Kromkenhagen, Kromenhaghen um 1475 (Wachtregg.), Krunkenhaghen 1500 (Urk.), Krömckenhagen auch Krönichenhagen (A. Stb.). Auch in Rostock. Vgl. S. 70.
pl. Kropelines s. Bademutter=Straße.
vicus retro hereditatem dni. Hassonis de Crucowe 1292 (B 182) wohl die Beginen=Straße.
an der Kuhle: die Kuhle um 1750 (Copie der Wasserleitungskarte). Fehlt im A. Stb. Die Anwohner hatten Wasser aus der K. in dabei aufgestellte Kufen und Balgen geschöpft und gleichsam eine eigne Wäsche angelegt. Dagegen ergieng 1803 ein Verbot, weil der Wasserkunst dadurch Wasser entzogen werde (Wismarsche Zeitung d. J. Nr. 63). Das Wasser entsprang der Metelstorfer Leitung. Uebrigens schon 1560 dath huß in der Mekelenburger straten am orde na dem Meckelborger dore yegen dem sode (Reg. par. Mar. f. 99 v ). Vgl. Küter=Straße.
to den kuterboden s. Küter=Straße.
beim Küterhofe s. bi de rackemuren.
(Küter=Straße): antiqua pl. kuterum 1277 (B 48), granarium apud murum in fine platee antiq. fartorum 1281 (B 39), pl. fartorum 1287 (B 142). Ein in der Anordnung allein stehendes und nicht datirbares, schwerlich aber von 1475 weit abstehendes Wachtreg. läßt auf einander folgen: by der monke kerkhave, to sik by de muren, wedder to den kuterboden. Hiermit sind alle Stellen angegeben. In der Gegend des alten Schlachthauses, das jetzt von beiden Zugängen des Katthagens umfaßt wird. Vgl. an der Kuhle.
pl. Ladewiges s. Zeughaus=Straße.
(Lange Straße): pl. longa, einzige Anführung bei Schröder (A. B. 1325), der sie nicht zu bestimmen wußte.
in dem ganghe Langemowe 1448 (Ger. Inv. f. 28 r ).
Linden=Straße: 1887, Nov. 22. Die Strecke, die etwa beim alten Meklenburger Thore begann und über Katthagen um einiges hinausreichte, hieß ehedem die preußische Barmherzigkeit, nach den alten Linden, die bei der Schleifung der Festungswerke i. J. 1717 von den Preußen geschont waren, während die Dänen deren ganze Schiffe voll nach Kopenhagen überführten. Schröder, A. B. 1088. Vgl. Kurtze Beschreibung, S. 276, 525 (im Neudrucke S. 272, 519), Crain, Beiträge S. 31. Diese ehrwürdigen Linden sind inzwischen bis auf ein paar abseits stehende weggeräumt.
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Lohberg: supra Loberge 1437 (geistl. Stbchschr. f. 46 r ), up dem Loberger vor dem steinhove 1469 (Verzeichnis der Schlüsselbewahrer), up der heide um 1475 (wenige Wachtregg., eins verbessert up dem Loberghe, das die meisten bieten), jegen deme steynhafe 1545 (Ger. Inv. f. 254 r ). Vgl. S. 71.
Lübsche Straße: pl. Lubicensis bald nach 1260 (A 29), Lubekerstrate 1285 (B 122; einzige Stelle). Wann der uralte und in der Kürzung noch übliche Name Lubesche strate zuerst belegt ist, habe ich nicht notirt.
(bei S. Marien): unter "retro dominam nostram scam. Mariam" um 1270 (A 70) scheint die Dankwarts=Straße verstanden werden zu müssen, vicus quo itur ad dominam nostram 1293 (B 194). Vgl. Johannis=Straße und Negenchören.
Marien=Kirchhof: cimiterium bte. Marie 1272 (B 2), juxta btam. Virginem 1295 od. 1296 (B 226), erga dotem bte. Virginis 1290 (B 166), ein Stück: by der sclole (st. schole) in einem Wachtreg. Für die nördliche Ecke der Ostseite wird im A. Stb. der Name "die scheven hören" angeführt.
retro dotem sce. Marie s. Grüne Straße.
Markt: forum um 1255 (A 9). Theile: ex opposito consistorii 1295 (B 215), contra consistorium 1323 (II, f. 8 r ), retro mediastinum 1457 (geistl. Stbchschr. f. 58 r ), achter dem kake 1562 (ebd. f. 109 r ). Wahrscheinlich auch soltfätchen (s. Salzfäßchen). Vgl. Pferdemarkt, Hopfenmarkt, Ziegenmarkt.
(bei der Mauer): apud plancas 1294 (M. U.=B. 2263), strata que vadit ad murum 1295 oder 1296 (M. U.=B. 2321). Unter "apud murum" um 1475 (in einem Wachtreg.) ist die Fischer=Straße zu verstehn. Vgl. Fischer=Mauer, bi de rackemuren, bei der Klosterkirche.
hinter der Mauer s. Bahnhofs=Straße, Thurm=Straße, Ulmen=Straße, Wall=Straße, Wasser=Straße.
gegen dem Meckelburger hofe s. vor dem Fürstenhofe.
Meklenburger=Straße: pl. Magnopolensis bald nach 1250 (A 4), pl. Mekelenborg um 1260 (A 22), Mekelingeburgestrate 1280 (B 31), pl. Makelenburgensis 1285 (B 128), pl. Mekelburgh 1290 (B 160), Mechelburgc 1295 oder 1296 (B 228), Mekelenburgensis 1297 (M. U.=B. 2440), Meckelbürger Strasse (A. Stb.).
tegen dem messe s. am Platz.
>Mestmaker Str. s. Kleinschmiede=Straße.
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(pl. militum Christi) nur von Schröder (A. B. 1325) angeführt, ohne daß er Näheres zu geben wußte, pl. militum 1385 (geistl. Stbchschr. f. 15 v ).
apud (fratres) minores s. Schul=Straße, vgl. Mönchen=Kirchhof.
retro (fratres) minores s. ABC=Straße und Schul=Straße.
Mönchen=Kirchhof: ehemals bei den Minderbrüdern (s. Schul=Straße), by der monke kerkhave (in einem Wachtreg.) meint den Kh. des Schwarzen Klosters s. bei der Klosterkirche.
Mönchen=Straße s. Schul=Straße.
Mühlen=Grube s. Grube.
Mühlen=Straße: pl. molendini 1272 (A 87), molenstrate 1272 (B 3), molestrate 1280 (B 25), strata molendinorum 1295 (B 227; später fast regelmäßig). Vereinzelt: pl. molendinatorum 1460 (geistl. Stbchschr. f. 60 v ). Vgl. S. 66.
Negenchören: econtra cimiterium bte. Marie virginis juxta novem choros 1431 (Zb. I, f. 231 v ), in de neghen kore, de 9 kore up, novem chori um 1475 (Wachtregg., in den ersten Stellen im Accusativ), in den negen koren 1480 ? (Rückseite einer Urk.), in de[n] neghen karen 1485 (Zb. II, S. 238), negen cöhr (A. Stb.), plattdeutsch: negenküren. In Falsterbo werden 1497 Buden genannt to den negen koeren. In Stralsund gab es: in den seven koren (hans. Gesch.=Bl. 9, S. XLVIII f.). Vgl. S. 71.
vor dem Neuen Thore s. Fischer=Reihe.
Neustadt: fossa sancti Spiritus 1289 (M. U.=B. 1994). fovea sci. Sp. 1326 (II, f. 58 r zuletzt 1327 (II, f. 64 r ). area super salsa fossa et granarium super f. sci. Sp. (B 189), granarium et curia . . que jacet infra foveas domus s. Sp. et advocati (1322, Schröder A. B. 1314), granarium cum curia adjacente super fossa advocati et sci. Sp. 1324 (II, f. 31 v ). platea sancti Spiritus 1346. 1379 (geistl. Stbchschr. f. 5 r . 14 v ). 1396 (Zb. I, f. 200 r , während dasselbe Grundstück i. J. 1393 ebd. f. 197 v supra nova civitate angeführt wird), nova civitas bald nach 1250 (A 4) und in der Folge häufig, aber wohl fast ein Jahrhundert lang im eigentlichen Sinne gebraucht und erst dann auf die jetzt so genannte Straße an der Grenze der Neustadt beschränkt, nova civitas 1330 f. 1387. 1401 (M. U.=B. 5189 n. 5202. geistl. Stbchschr. f. 16 r . 21 r ). Vgl. Crull, Jahrb. 41, S. 130 Anm. M. U.=B. 650 n. Es ist zu beachten, daß von den in Betracht kommenden Straßen (Lübsche Straße, Dankwarts=Straße, Meklenburger Straße,
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(Neustadt)
Breite Straße, Grüne Straße, Keller=Straße
scheiden aus, weil sie auch zur Altstadt
gehören) vier allerdings schon vorher genannt
oder beschrieben sind (Wilhelms=Straße 1270,
Hohe Straße 1287, Baustraße 1290, Papen=Straße
1318), nicht dagegen vorkommen Bliden=Straße
(1385), Zeughaus Straße (1408), Badstaven
(1475). up der nyenstad 1459 (Urkunde), acies
von S. Jacobs super novam civitatem retro
sanctum Spiritum 1470 (Wachstafeln). Nienstadt
(A. Stb.).
Nicolai=Kirchhof: apud scm. Nicolaum 1272 (A 88) und öfter, aber seiten sicher zu bestimmen, cimiterium bti. Nicolai 1279 (B 22). (prope oder circa dotem sei. Nicolai 1292. 1324, B 176, II f. 32 r kann auch Spiegelberg sein). kerkhof to sunte Nicolaus oder nur achter sunte Nicolaus um 1475 (Wachtregg.).
beim Nothstalle s. Schatterau.
pl. obstetricum s. Bademutter=Straße.
Papen= Straße: pl. clericorum 1318 (M. U.=B. 4012). sacerdotum 1379 (geistl. Stbchschr. f. 14 v papenstrate 1434 (Urk.), pl. presbiterorum 1468 (Urk.), presterstrate 1500 (Urk.). Der Name deckte theilweise mehr. Vgl. Bliden=Straße. Wegen der Fortsetzung nach der Stadtmauer hin, s. rackemur. Geistliche sind hier vielfach nachzuweisen. Auch in Greifswald (Pyl, Gesch. der Gr. Kirchen I, S. 96 f.) und Stralsund (hans. Gesch.=Bl. 9, S. XLV).
(Pferde=Markt): perdhemarket 1273 (M. U.=B. 1270), forum equinum 1325 (II f. 43 v ), f. equorum 1327 (II f. 64 r , zuletzt 1441 (geistl. Stbchschr. f. 51 r ). Vgl. M. U.=B. 11082 n. Schröder (A. B. 1338) dachte ihn sich, wenn ich ihn recht verstehe, als den zw. Rathskeller und Hirschapotheke liegenden Theil des Marktes und erschloß die Lage "aus alten Urkunden, in welchen man von einem consistorio oder Rathhause am Pferdemarkt etwas findet". Diese Urkunden können wir leider nicht mehr verificiren; jedoch ist dasselbe Grundstück, das 1327 als acies parve platee circa f. e. auftritt (II f. 64 r ), kurz vorher (II f. 60 r ) als juxta consistorium super acie parve platee bezeichnet. Ferner wird 1378 das Erbe Heinr. Wessels angegeben als gelegen apud kornehus et forum equorum (M. U.=B. 11082), Schröder aber überliefert zum Jahre 1332 granarium Joh. Stalkopers quod situm juxta lapideam domum frumenticeam circa aciem parve platee cum itur
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versus valvam fabrorum (A. B. 1317) und Besitz des Joh. Stalköpere ist nochmals am forum equorum apud cuprifabrum bezeugt 1325 (II. f. 43 v ). Auch lag nach II f. 73 v (1327) das Erbe des Joh. v. Kalsow que cuprifabro pertinebat am f. e. Endlich finden wir noch im Jahre 1440 das Erbe des Schusters Herm. Lyndeman econtra f. e. penes Johem. Losen (IX), im Jahre 1459 aber 6 bode acies et horreum Jois. Loßen penes smedehuseken, das mit der valva fabrorum aufs engste verbunden gewesen sein muß (geistl. Stbchschr. f. 60 r ). Sonach mag es nicht für unwahrscheinlich befunden werden, daß der Pferdemarkt hinter der Wasserkunst der Meklenburger= und Schmiede=Straße zu lag. Denn daß jene kleine Straße nur die Schatterau sein kann, erscheint zweifellos. Hiermit gelangen wir noch zu einer ndern Erkenntnis, daß nämlich die bisher durch keinen Beweis gestützte Behauptung Schröders (Kurtze Beschreibung S. 279), ein älteres Rathhaus (es muß aber entgegen der Schröderschen Ansicht das 1350 in Flammen aufgegangene gewesen sein) habe östlich vom jetzigen gelegen, doch ihren Grund hat. Und damit würde sich der sonst so auffällige Umstand erklären, daß die Häuser an der Ostseite des Marktes nach hinten so wenig Zubehör haben.
Pipensot s. Ziegenmarkt und Platz.
am Platz: (teghen dem messe um 1475, ein Wachtreg.). "ostwerts furm Neuenthor" oder "beim hintersten Piepensode", auch wohl "bey der Breitenbrugge strandwerts" (1609) A. Stb. Platz um 1750 (Copie der Wasserleitungskarte).
parva platea apud
Pl
ckeboteren
1323 (II f.
13
r
. 16
v
), p. pl. cum itur
versus cimiterium sce. Marie apud P. 1326 (II f.
60
r
). Vgl. Jahrb. 29, S. 81 f.
vor dem Pöler Thor: ante portam Haroldi bald nach 1250 (M. U.=B. 652), ante portam Hadheleri Haroldes 1273 (B 11), ante portam Haroldi 1279 (B 18) und so oft, zuletzt 1359 (M.U.=B. 8643), nach Schröder (A. B. 1319) vereinzelt noch 1412, in einem Wachtreg. 1475 irrthümlich statt Helleporte. ante valvam Polensem 1388 (geistl. Stbchschr. f. 17 r ). vor dem Polredore vor 1460 (Ger. Inv. f. 56 v ). In einem Wachtreg. bis an die Schweinsbrücke gerechnet, ein Gebrauch, den noch das A. Stb. vorfand.
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apud predicatores oder ähnlich s. bei der Klosterkirche. Es kann auch einen Theil der Meklenburger Straße oder der Kleinschmiede=Straße bezeichnen.
bi de rakkemuren um 1475 in einem Wachtreg. die Gegend bei der Stadtmauer Ausgangs der Papen=Straße bezeichnend, die im N. Stb. als erster Gang von der Bau=Straße zur Mauer (jetzt zur Wall=Straße) auftritt. Im Paulischen Plane: beim Küterhofe. Noch im 19. Jahrh. war dort die Wohnung des Schinders (racker). Möglicherweise könnte auch "by der rackkerige in der borch" 1541 (Ger. Inv. f. 237 r ) hierher zielen, wenn unter borch berchvrit zu verstehn wäre. Rackerei ehemals auch in Stralsund (hans. Gesch.=Bl. 9, S. XLVII).
apud pontem Radolfi 1291 (B 162), in fine recentis fosse ap. p. R. 1291 (M. U.=B. 2094), noch öfter erwähnt, zuletzt 1294 (B 202). Undatirt ist die Anführung Schröders: pl. qua itur de ponte Radolfi ad pontem Hillen (A. B. 1325), womit wahrscheinlich der Ziegenmarkt gemeint sein wird. Vgl. S. 113 f.
beim Rathhause, gegenüber dem Rh. wird meist am Markte zu suchen sein.
hinterm Rathhause: retro consistorium 1293 (B 194), retro pretorium 1356 (geistl. Stbchschr. f. 8 r ). Ob die hereditas Hans Holstendorps prope altam domum (1433, geistl. Stbchschr. f. 42 v ) hinterm Rh. oder in der Krämer=Straße gelegen gewesen, entzieht sich der Kenntnis: dies hohe Haus, dat hoge huß (1464 vom Bgm. Dietr. Wilde erworben) war eben das Eckhaus. In der Folge ward aber die in Rede stehende Straße danach benannt: Hoghehus um 1475 (Wachtregg.). Gleichzeitig jedoch (in einem Wachtreg.) und noch weit später (z. B. 1580 hereditas Zacharias Snor - jetzt Nr. 17 - in der Olde-Wismarschen straten by der stadt nigen huße - jetzt Nr. 15 -, geistl. Stbchschr. f. 128 v ), vermuthlich erst recht in der Vorzeit gieng sie unter dem Namen Olde-Wismerstrate mit. Außerdem muß noch "bi dat market" und "prope apotecam" (in zwei einzelnen Wachtregg.) darauf bezogen werden. Alt-Wismarsche hinterm rathhause olim daß hohe haus (A. Stb.). In einer der Ueberschriften für die Südseite des Marktes ist im A. Stb. fälschlich angegeben "heisset auch hinterm rathhause" wo es heißen sollte "hinterm kaack".
Riemenschneider=Straße s. Schüttings=Straße.
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(Ritter=Straße): pl. militum 1385 (geistl. Stbchschr. f. 15 v ). Schröder citirt: pl. militum Christi (A. B. 1325), ohne Näheres zu wissen.
Rosmarin=Straße: arta illa platea qua itur de cimiterio bti. Nicolai versus barvotos 1421 (Bürgersprachen, bei Burmeister S. 48), de enghe strate oder de egghe str. oder arta um 1475 (Wachtregg.), engestrass (A. Stb.). Schröder führt ohne nähere Angaben an: parva pl. qua itur ad s. Nicolaum welche führet nach der rothen brücke (A.B. 1325). Rosmarienstr. um 1750 (Wasserleitungskarte). Wahrscheinlich gemeint mit Kyverwyverstrate, die 1578 f. in St. Nicolai=Gebäude=Register vorkommt. Vgl. S. 71.
Runde Grube s. Grube.
(im Sack) A. Stb., Stadtplan Andr. Paulis, Schröder (A. B. 1321), Copie der Wasserleitungskarte. Es ist das unterste Ende der Dankwarts=Straße, im Stadtbuche jetzt "vor dem Meklenburger Thor". Die Bezeichnung stammt aus der Zeit, als der jetzige Ausgang geschlossen und das Thor sich mehr östlich befand. Ehedem auch in Lübek (Zeitschr. f. Lüb. Gesch. 6, S. 39). Vgl. S. 75 f.
(Salomons orth) in einem Wachtreg. die ersten Häuser vom Krönkenhagen bezeichnend.
Salze Grube s. Breite Straße.
>Salzfäßchen: soltfätchen (A. Stb.). Vgl. S. 72.
Sargmacher=Straße: domus angularis sita in pl. Tagmari super vico quo itur ad ecclesiam bte. Virginis 1291 (B 172). hereditas in angulo quo itur de foro ad dominam nostram 1296 (B 222). (pl. qua itur de macellis panum ad ecclesiam b. Marie virginis 1316, Schröder A. B. 1362). in acie in pl. Dangmari apud parvam plateam qua itur ad ecclesiam bte. Marie virginis 1345 (M. U.=B. 6502). pl. sarckmaker 1367 (geistl. Stbchschr. f. 10 v , zarkmakerstrate 1371 (M. U.=B. 10182). Verderbt: pl. Serckmari 1423 (geistl. Stbchschr. f. 36 r ).
transitus Sassen s. Schatterau.
Schatterau: Hinr. Dammenhusen emit . . hereditatem . . in pl. fabrorum super acie qua itur ad valvam fabrorum 1319 (Schröder A. B. 1320). parva pl. cum itur versus valvam fabrorum 1323 (II f. 13 r ). parva pl. . . . retro Hinr. Dammenhusen 1324 (II f. 26 v ). parva pl. qua itur versus smededor 1338 (Schröder A. B. 1317). pl. parva
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(Schatterau)
qua itur ad smedehuse 1400 (geistl.
Stbchschr. f. 20
v
). pl. qua itur nha
dem smedehuseken 1401. (ebd. f. 21
r
),
pl. urbium 1444 (Stb.=Auszug des 16. Jahrh.;
noch um 1550). borchstrate 1466 (Wachstafeln;
nach dem A. Stb. noch 1609 angewendet), de
schaterowe um 1465 (Ger. Inv. f.
78
r
), de schetterouue, schetterowe um
1475, auch 1537 (in zwei Wachtregg., Ger. Inv.
f. 191
r
), in der schattrow 1503
(geistl. Stbchschr. f. 77
v
uff der
schatterowen ordte 1586 (lib. miss. f.
127
r
). Das hintere Stück wird in
Wachtregg., die von der Schmiede=Straße ausgehn,
transitus Sassen, de schopenstele, transitus
benannt, und vermöge des A. Stb. läßt sich
feststellen, daß damit in der That die einem
Braukellenstiele vergleichbare Abzweigung der
Windpforte zu gemeint ist, indem dort die
hintere Pertinenz zu Meklenburger Straße Nr. 20
- einem Theile des Poftgrundstückes -, ehemals
eine Scheune, als schopenstele bezeichnet ist.
Uebrigens wird "prope secretum",
"apud secretum" (B 92. 161 um 1290)
auf die Gegend um das "smedehuseken"
zielen, dessen Lage in der Stadtmauer etwa beim
Eingange der jetzigen Berg=Straße für das 15.
Jahrh. mit ziemlicher Sicherheit nachweisbar
ist. In früheren Zeiten hieß es auch necessarium
fabrorum. Dreck=Straße (Register zum A. Stb,
Schröder A. B. 1322.) Vgl. S. 70.
Scheuer=Straße: schurstrate 1410 (geistl. Stbchschr. f. 27 r ), schuerstrate 1424 (Zb. I f. 218 r ). Scheurstraße 1555 (lib. miss. f. 118 v ). Schürstrasse (A. Stb.). In zwei Wachtregg. irrthümlich noch als Borstrate. Die Grundstücke an der Ecke der Grube zu mögen auch als bei der Wage oder Wagebrücke gelegen bezeichnet sein.. Vgl. S. 69, 77.
am Schilde: Reynerus de schilde 1359 (Zb. I f. 160 r ), econtra clipeum 1413 (geistl. Stbchschr. f. 29 v ), by deme schilde undatirt (roth. Buch der Krämer S. 46), up dem schilde [1448] (Ger. Inv. f. 31 r ), auffm schilde 1562 (lib. miss. f. 120 r . Schild (A. Stb.). Begreift im N. Stb. auch "hinter dem Schilde". Auch in Rostock und früher in Lübek (Zeitschr. f. Lüb. Gesch. 6, S. 40). Vgl. Ziegenmarkt. Vgl. S. 67.
hinter dem Schilde: hinter den Schill um 1750 (Wasserleitungskarte). Im A. Stb. unter dem Namen: [Kurtze] Bau=Straße, auf dem Paulischen Plane: fürm Meckelburger Thor, im N. Stb. unter "am Schild" einbegriffen. Vgl. S. 74, 76.
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beim Schmiedehäuschen s. Schatterau.
Schmiede=Straße: pl. fabrorum bald nach 1260 (A. 27), fabrarum um 1272 (A 73), fabrum 1284 (B 113). apud fabros 1280 (B 32). Smedestrasze um 1375 (M. U.=B. 3714 n.), smedestrate 1395 (lib. proscr. S. 43). Smiedestraß (A. Stb.). Großschmiede=Straße (Schröder A. B. 1315, N. Stb.), die Grodt Schm[idt]=Straße um 1750 (Wasserleitungskarte). Große Schmiede=Straße (Glashoffs Index). Vgl. S. 77.
de schopenstele s. Schatterau.
hinter der Schule s. Keller=Straße.
Schul=Straße: apud fratres um 1258 (A 19), ap. fr. minores 1284 (B 112), juxta minores 1295 oder 1296 (B 228), hereditas super acie . . . cum itur ad fratres minores 1326 (II f. 51'), pl. monachorum 1373 (geistl. Stbchschr. f. 12 v econtra minores 1411 (ebd. f. 28 r ), (juxta barvotes 1436, ebd. f. 45 r , (by den grawen monken 1449, Ger. Inv. f. 38 r ), achter den monken, retro minores um 1475 (wenige Wachtregg), monnekestr. (andere, aber den Namen zu früh, schon bei der Bademutter=Straße setzend). Schul=Straße olim Münch=Straße (A. Stb.). Die Ecke am Krönkenhagen heißt in ein paar Wachtregg. Wessels orth. Vgl. S. 66.
Schürstrate s. Scheuer=Straße.
Schüttings=Straße: Buden in hega apud Arnoldum Remensnider 1392 (geistl. Stbchschr. f. 18). (parva hege 1408, ebd. f. 25 r ). arta platea que dicitur de remensniderstrate 1452 (roth. Buch der Krämer S. 16 f.). de remensniderstrate. In den Wachtregistern entweder remensniderstrate oder arta. Vgl. unter Hege. in der lutken korfmakerstraten efte de lutke hege prope cimiterium ecclesie bte. Virginis 1484 (Buch des gr. Kalandes f. 47 r ), huseken oder bode . . in der remensniderstraten negst dem kramerschuttinge 1583 (geistl. Stbchschr. f. 131 r ). Schütting oder Riemensneiderstraß (A. Stb.). Der Krämer=Schütting (jetzt Nr. 2) kommt nach dem A. Stb. schon 1532 vor als kremerkrug. In diesem Haufe scheint eine geistl. Stiftung für das Krämer=Amt im Jahre 1415 fundirt zu sein (rothes Buch S. 21) und im. Jahre 1497 mußte das Amt daran bauen (ebd. S. 29). Toffelmacher-Strasse um 1750 (Wasserleitungskarte). - Welche Bewandtnis es mit der
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(Schütting=Straße)
acies platee Dangquardi et parve hege qua
itur ad b. Virginem (1429, geistl. Stbchschr. f.
38
v
) hat, lasse ich dahin gestellt.
Vgl. S. 74.
Schützenweg 1897 Dec. 14.
beim Schwarzen Kloster, bei den Schwarzen Mönchen s. b. d. Klosterkirche. Vgl. Kleinschmiede=Straße. Auch Stücke der Meklenburger=Straße können gemeint sein.
Schweinsbrücke: boven der zwinebruggen 1400 (Urk.), swienbrügge (A. Stb.). Eine swynebruge, aber nicht als Straßenname, findet sich auch in Greifswald (Pomm. Geschichts=Denkmäler II S. 172). Vgl. S. 70.
Schwibbogen: econtra swibagen oder swigbogen 1444 (Stbchauszug des 16. Jahrhunderts, geistl. Stbchschr. f. 52 v ). Auch in Rostock.
prope secretum s. Schatterau.
smedehüseken s. Schatterau.
Speicher=Straße: spikerstrate 1357 (geistl. Stbchschr. f. 8). Ob gemeint in area protendens a nova platea super ortum domus sci. Spiritus 1294 (M. U.=B. 2263) pl. granariorum 1416 (Verzeichnis 1601 f. 17 v , geistl. Stbchschr. f. 35 r ).
Spiegelberg: mons speculi um 1250 (A 6) und in der Folge oft, m. speculum 1296 (B 234, sonst nicht), spegelberg 1275 (B 105). Auch in Wittenburg und Sternberg. In Soest wird im Jahe 1378 ein Haus "tho dem spegele" benannt (Hans. Geschichtsblätter 27 S. 119 Anm.). Das zwischen der Fischer=Straße und dem Pöler Thor liegende Stück heißt in einem Wachtreg. "up der borch", das dem Gr. Wasserthore zunächst belegene ante helleporten 1408 (geistl. Stbchschr. f. 25 v , entsprechend noch im A. Stb.). Wenn, was wahrscheinlich ist, die Wedem von S. Nicolai sich stets bis dahin erstreckte, so gehören auch Bezeichnungen wie prope dotem sci. Nicolai (1292, 1296: B 176. 234) und circa dotem sci. N. (1324, II f. 32 r ) hierher. Vgl. S. 70.
Staven=Straße heißt im N. Stb. die südlich vom Badstaven diesem parallel laufende Verbindungsstraße zwischen Bau=Straße und Wall=Straße (im Glashoffschen Index: Stamer=Straße, auf dem Dolbergschen Plane: Staben=Straße). Im Jahre 1900 bebaut und mit der Promenade in Verbindung gesetzt. Die alte, echte Staven=Straße s. unter Badstaven.
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parva platea infra Johem. Stetyn et Johem. Walmerstorp 1326 (II f. 48 r ).
gegenüber dem Steinhofe s. Lohberg.
Stur s. ABC=Straße.
Thurm=Straße * ) 1894, Jan. 16. Früher "hinter der Mauer".
(Tittentaster=Straße) 1621, Octbr. 1 soll durch ein Gitter geschlossen werden (Notiz Dr. Crulls), ein kleiner Durchgang vom Markt nach der Diebes=Straße, jetz geschlossen, Schröder (A. B. 1325). In das Grundstück von "Stadt Hamburg" einbezogen. Ehemals auch in Lübek (Zeitschr. f. Lüb. Gesch. 6, S. 27, dunkler Krambuden).
Toffelmacher=Straß e s. Schüttings=Straße.
(Tredemölen-Str.) nur von Schröder (A. B. 1325) genannt, ohne daß er Näheres wußte.
gegen dem Tribunal s. vor dem Fürstenhofe.
Ulmen=Straße 1876, Mai 24. Das Stück zwischen der Lübschen und der Zeughaus=Straße heißt im A. Stb. gegen dem Kayser, beim Kayser nach dem mittelsten der drei 1699 in die Luft geflogenen Pulverthürme (Schröder, Kurtze Beschreibung S. 645, Neudruck S. 615). Später "hinter der Mauer".
pl. vectorum s. Fuhrleute=Straße.
Vogts=Grube s. Wilhelms=Straße.
(bei der Wage): juxta wagham 1324 (II f. 32 v to der olden wage um 1475 (Wachtreg.). Die Wage befand sich über der Grube neben der Wagebrücke.
apud waghebr
gge
1322 (II f.
3
r
), penes wagebrugge 1444
(Stbchauszug des 16. Jahrh.). Brücke über die
Grube zwischen der Bor= und der Scheuer=Straße.
Wall=Straße 1876, Mai 24. Früher "hinter der Mauer". 1901, Jan. 22. ist davon die Neue Wall=Straße abgetrennt.
(Warneken=Gang) , welcher als eine Gasse in Schoßregg. bezeichnet wird mit vielen Wohnungen (1600. 1619). Joch. W.,Wollenweber (Dankwarts=Straße 37/39 wohnhaft) hatte die Wohnungen für seine Knappen erbaut. Nach dem A. Stb. (bei der Papen=Straße). J. W. ward 1541 Meister, 1566 Beisitzer im Amte.
bei der Wäsche s. Grube.
Wasser=Straße 1876, Mai 24. Früher "hinter der Mauer" Eine ältere, nicht localisirbare Wasser=Straße führt Schröder an (A. B. 1325).
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pl. textorum 1273 (B 13), weverstrate 1400
(Urk). Ob auch pl. antiquorum textorum 1273 (B
10) hierauf zielt?
(hinter der Wedem): retro dotem 1324 (II f. 32 r ), welche gemeint sei, ergibt sich nicht.
Wessels ort s. Schul=Straße.
Wilden=Straße s. Düstern.
Wilhelms=Straße: fossa advocati um 1270 (M. U.=B. 883), fovea advocati 1326 (II f. 57 v ), voghedes grove 1318 (M. U.=B. 3977). pur diese Benennung citirt das A. Stb. noch eine Schrift vom Jahre 1582. - by des voghedes groven anders ghenomet de vule grove 1400 (Urk.). by der vulen grove 1406 (Urk.), fossa putrida 1462 (Zb. II S. 99), f. fetida 1465 (Zb. II S. 112), (feda fons 1455, geistl. Stbchschr. f. 58 r ). In den Wachtregg.: apud fossam, bi der groven. Alte Leute haben Schröder erzählt, sie sei ca. 1620 noch einigermaßen im Stande gewesen; gepflastert ist sie 1690 (Schröder A. B. 1314). Wilhelms=Straße seit 1875, Febr. 11. Eine merkwürdige Uebereinstimmung zeigt sich darin, daß in Hamburg die Grafen= oder Vogts=Twiete später Fuhlentwiete genannt ist (Koppmann, kl. Beiträge II S. 34). In der Gegend des Düstern führt das A. Stb. einen Platz an "der klivenhoff" genannt. In der ältesten Zeit sind mehrfach Holzhöfe an dieser Gr. bezeugt.
Wind=Straße s. bei der Klosterkirche.
Winterpols ort s. Dankwarts=Straße.
(Wippe): hereditas . . . juxta wippam 1411 (geistl. Stbchschr. s. 28 r ). Krahn beim Ausflusse der Grube. Davon Wippebrücke, jetzt entstellt: Witt Brügg, Weiße Brücke. Also an der Runden Grube.
platea Wysmer s. Alt=Wismar=Straße.
vicus apud domum Wlfardi 1292 (B 178).
Wüste Stätte s. Bahnhofs=Straße.
strata Verneri Citelvt 1296 (B 230).
Zeughaus=Straße: pl. Ladewici 1408 (geistl. Stbchschr. f. 24 v ), pl. Ladewiges 1425 (Zb. I f. 218 r ), Ladewigstrate 1449 (geistl. Stbchschr. f. 56 r ). Die Wachtregg. haben theils hanreigerstrate, hanreggerstrat, hanrēstrate, theils und zwar die meisten pl. Ladowici. Hahnreyerstrasse (A. Stb.). Nach Schröder (A. B. 1323) auch im Düstern. Hahnrei bis 1871, Juni 10, wo auf Betreiben
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des weil. Adv. Gabr. Lembke die Straße ihren neuen Namen erhielt. Vgl. englische Grube.
Ziegenmarkt: (apud pontem Radolfi um 1290, A 93). aput fontem 1357 (M. U.=B. 8427, S. 240). econtra pipensodt 1422 (geistl. Stbchschr. f 36 r , beim piepensade 1650 nach dem A. Stb.). apud bredebrugge 1435 (geistl. Stbchschr. f. 44 v ). penes amplam pontem 1489 (ebd. f. 68 r ; das A. Stb. citirt: bey der bredenbrugge 1569). by dem schilde econtra fontem 1461 (geistl. Stbchschr. f. 61 r ). In den Wachtregg. meist "schilt", vereinzelt "teghen den ankkersmeden" und pipensot. kegen der anckerschmiede 1653 (Acten zur Wasserleitung). A. Stb.: bey der Anckersmiede, heist auch bey der Bredenbrugge, heist auch beim Piepensade. Zehgenmarck um 1750 (Wasserleitungskarte). Ein Ziegenmarkt auch in Rostock. pipensot ist ein von Röhren aus gespeister Soot. Auch die Bezeichnung pl. qua itur de ponte Radolfi ad pontem Hillen (Schröder A. B. 1325) wird hierauf zu beziehen sein. Vgl. S. 113 f.
Alt=Wismar=Thor: Johannes Cocus custos porte Antique Wismarie . . . pro palude que jacet ante portam Wismarie Antique apud fossatam 1278 (M. U.=B. 1458). valva A. W. um 1290 (B 88). porta Wismer 1287 (B 139). valva Wismariensis 1393 (Zb. I f. 197 r ). Das alte Thor ward 1813, Aug. 30, von den Franzosen eingeäschert. (Crain) Wismars Schicksale S. 27. Francke, Mecklenburgs Noth u. Kampf S. 269 f.
curia sita ultra moor extra valvam Hardighes 1316 (Schröder A. B. 1320). einzige Anführung; nicht zu bestimmen.
Haroldi valva s. Pöler Thor.
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Helleporte s. Gr. Wasser=Thor.
von der Heringspforten , vor welcher ao. 1413 ein holtzhof gewesen . . (Schröder A. B. 1320). Wohl in der Gegend des Heringhauses zu suchen, also beim Einflusse der Grube dem Wasser=Thurme zu. porta vulgariter dicta Herinkporte 1414 (Lübeker Urkb. V, S. 526).
via trans foveam advocati ad portandum wordinge juxta portam Cancri 1327 (M. U.=B. 4831). Vielleicht das Neue Thor. Krevets=Straße kann nichts damit zu thun haben.
Lübsches Thor: porta Lubicensis 1284 (B 111), valva L. um 1300 (A 41). Im Jahre 1456 bewohnt (chronistische Aufzeichnung, Einlage zu Schröder A. B. 1402). pons ante valvam L. 1330 (M. U.=B. 5143). Der an Stelle des 1699 durch die Explosion der benachbarten Pulverthürme vernichteten ansehnlichen Thors (Schröder, Kurtze Beschreibung S. 647, Neudruck S. 616. Vgl. auch die älteren Stadtansichten) errichtete Durchgang ward im Jahre 1869 abgebrochen.
Meklenburger Thor: valva Magnipolensis 1272 (A 79), v. Mekelburg 1273 (B 7), porta Mekelenburgh im letzten Viertel des 13. Jahrhs. (M. U.=B. 1264). velbr[uslash]gge Magnopolensis valve 1330 (M. U.=B. 5143). Im Jahre 1483 und 1489 wird dat nige doer vorme Mekelenborger dore urkundlich erwähnt, nach alten Abbildungen ein thurmartiger Bau. Zum Jahre 1602 schreibt Friedr. Gerschow: weil . . . wohl 5 thore hinter einander, dass man den thorwechter [von außen her] nicht erwecken möge. Jahrb. 58, S. 87. Das neue am Ausgange der Dankwarts=Straße errichtete Thor hatte die Inschrift: nos tegIt eXCeLsVs nos serVat DeXtra IehoVa et portas fIrMat roborat atqVe seras, wonach es im Jahre 1693 erbaut ist (Schröder A. B. 1320). Dagegen bietet eine andere noch erhaltene Inschrifttafel 1688. Dies Thor ist im Jahre 1869 gefallen, die letzten Reste des alten (am Ausgange der Meklenburger Straße) im Jahre 1894.
valva Monachorum 1307 (M. U.=B. 4415 n.), wirtt ao. 1316 in einer schrifft gedacht nach dem Webercamp (Stbchauszug Elmhoffs), zuletzt 1339 (M. U.=B. 4415 n. 2312 n). Wohl die Windpforte.
Neues Thor: nova valva 1450 (geistl. Stbchschr. f. 56 r ). Wenn Schröder (A. B. 1320) von einem neuen Stadtthor in der
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Breiten=Straße . . . 1440 zu berichten weiß, so hat er wahrscheinlich einen Irrthum in eben diese Schrift hineingetragen, vorm nien dhore 1498 (ebd. f. 73 r ). Ausgangs der Breiten=Straße. Vgl. Krevets=Thor. Die Windpforte gieng im letzten Jahrh. unter demselben Namen.
Pöler Thor: porta Haroldi bald nach 1250 (M. U.=B. 652), p. Hadheleri Haroldes 1273 (B 11), domus frumenti . . . apud molendinum prope Haroldes dore 1276 (B 109), granarium et horreum . . . inter portam Haroldi et molendinum 1291 (B 170), valva Haroldi um 1300 (A 42). propugnaculum pontis ante valvam Haroldi 1327 (M. U.=B. 4831). Noch 1359 (M. U.=B. 8643) nach Schröder (A. B. 1319) noch 1412. valva Polensis 1388 (geistl. Stbchschr. f. 17 r ). Abgebrochen 1870. dat nighe dore vor deme Polre dore vor der velbrugghe ward 1498 erbaut, nachdem lange vorher die Fundamente dazu gelegt waren (Kopmans Chronik, Jahrb. 47, S. 80).
Valva fabrorum: hereditas in pl. fabrorum super acie qua itur ad valvam fabrorum 1319 (Schröder A. B. 1320). ager situs super Weverkamp ante valvam fabrorum 1323 (ebd.). Zuletzt 1342 (M.U.=B. 6195). Etwa, wo jetzt die Berg=Straße ausmündet. Vgl. unter Schatterau.
(Wasser=Thor): porta aque in ponte Stephani 1327 (M. U.=B. 4831). ad ampliandum propugnaculum waterporte 1330 (M. U.=B. 5143). pratum extra valvas aquarum 1392 (geistl. Stbchschr. f. 18 r ). Nicht bestimmbar, vielleicht allerdings das Gr. Wasserthor. buten deme waterdore 1465 (Lottregister) wird auf das Neue Thor zu beziehen sein. Vgl. S. 114.
Großes Wasserthor: Helleporte 1408 (geistl. Stbchschr. f. 25 v ) und wiederholt im 15. Jahrh., in Abschriften des 16. Jahrh. auch Hellenporte und Helporte (Jahrb. 55, S. 97). im Ger. Inv. f. 236 r vor der hellen dor (1541). Hellepfort vel potius Hillenpfort (A. Stb unter Berufung auf eine Schrift vom Jahre 1617). Das dem Thore in den 70er Jahren des 19. Jahrh. zugedachte Schicksal, abgebrochen zu werden, ist glücklicher Weise abgewendet worden. Es ist das einzige erhaltene Thorgebäude. Wenn der Name nicht durch Volksetymologie corrumpirt ist, wird er als Höllenpforte zu deuten sein. Vgl. unter Hillen=Brücke (S. 113 f.).
Windpforte. Vgl. valva monachorum und Wind=Straße. Geöffnet im Jahre 1851. Auch Neues Thor genannt.
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Ein Verzeichnis derer, die im Jahre 1469 die Schlüssel zu den Thoren und Pforten in Verwahrung hatten, zählt der Reihe nach folgende Thore und Pforten auf. Abweichungen eines der Zeit nach nahestehenden undatirten (nach 1473) gleichartigen Verzeichnisses in der andern Kolumne.
to dem Mekelnborger | |
to dem Lubicen dore | to der Lubsken porte. Hiermit beginnend. |
to dem ersten hecke | to der Vulen grove |
to dem Nyen dore | |
to den molenstene . . . to II porten 1 ) | to der porten by dem welfte . . . to II porten. |
to dem hecke | to dem hecke under dem welfte. |
vor Weytgaten porten | to der porten vor der Weygatsken dore. |
up dem Loberger II d[ore] | de porten twisken dem welfte unde dem steenhave. |
to dem stenhave | |
to der Heleporten | to der Helleporten. |
achter h. Reyneke van Leyden | de porte daer by, de lutte |
to dem Poler dore | |
bii der groven molen | to der singelen. |
vor dem Olden-Wismer dore |
Aller guten Dinge sind drei, und so ist noch ein drittes gleichzeitiges Verzeichnis in einem Rechnungsbuche erhalten, von dem ich das Wesentliche mittheile. Dies geht aber in anderer Richtung, to der Helleporten. - to der porten negest dem stenhave. - to der porten 2 ) Oldendorpes doren. - to den II porten tusken den welfte unde den molenstene. - neg[est] den welffte to dem molensteyne ward. - to den
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waterporten. - to dem Nien dore. - to dem hecke up [der] vulen groven. - to der porten achter den holthave negest den Lub[schen] dore. - to den Lub[schen] dore. - to den Mekelnborger [dore]. - to dem Olden Wisserdore. - vor den Poller dore.
item. I berchfrede, dor want de prame swen inne.
item. dat smedehuseken, dar mot I up slapen.
item. I clen berchfrede, dar want Hovyngesche inne.
item. I berchfrede: Curd Scroder habet, dorde, gud gemak.
item. de verde: Engele, de verde, schone gemak.
item. de veffte, dar want Crud ! de swen.
item. de soste, heff Budsow, IIII mr.
item. Warendorp, IIII mr.
item. Wilken Haker habet, hir lach wachte to unde gaff IIII mr.
item. de IX: Jacop Ludke, de hadde wachtegeld.
item. de X, dar want Anckelam inne.
item. de XI: Peter Swarte.
item. de XII: Boldeke habet.
item. de XIII: heff Hemmelryke.
item. de XIIII: heff Smach[t]hagen bove.
item. de XV habet Balow unde ward de gaten.
(item. I clen berchfrede, dar want de Lunynk inne: XVI.) Diese Reihe ist gestrichen.
item. I berchfrede, dar want Regensten inne: XVII. Hennynk Malde: XVIII.
item. de XIX: blynde Clawes.
item. up der Fulen groven: XX. de grever unde ballastdreger.
item. de XXI: Hans Gerwen. Lunyk dar bii.
item. Stubbe de XXII.
Swarte up dem dore.
item. de XXIII: Peter Plate.
item. de XXIIII: Duskow.
item. de XXV: de ballastdregere.
item. de XXVI: Ryder; de maket de gaten reyne.
item. de XXVII: Vos.
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item. XXVIII, woste.
item. de XXIX: Hinrik Molre.
item. den swen byn Poler dore.
item. Vlege.
item. Bouwer: XXX.
item. XXXI: Ilow.
item. XXXII: Wemors, non.
item. XXXIII: Wullenpunt.
item. XXXIIII: La[b]bun.
item. XXXV: koherde.
Dies Verzeichnis wird um 1470 angesetzt werden können. Es beginnt zwischen dem Alt=Wismarthore und der Windpforte und geht rechts herum in der Richtung auf das Meklenburger Thor zu. Da auf dem Merianschen Plane nach den Beobachtungen, die Dr. Crull noch an der Stadtmauer machen konnte, die Berchfrite zwischen dem Pöler= und dem Alt=Wismarthore annähernd genau verzeichnet sind, so würde, wenn wir Vlege auf ein Vorwerk vor das Pölerthor setzen, der Kuhhirt auf das zunächst vor dem A.=Wismar=Thore liegende Berchfrit kommen und, da dies Thor nicht verzeichnet ist, das erste Bfr. der noch stehende Gefangenthurm sein. Das Schmiedehäuschen muß in der Gegend des Ausgangs der Bergstraße gesucht werden (vgl. unter Schatterau * ). Das Folgende ist uncontrollirbar. Wilken Haker jedoch hatte aller Wahrscheinlichkeit nach das Bfr. beim jetzigen Meklenburger Thore inne (vgl. Hakerstrate). Das 20. Bfr. ist bestimmt. Das Thor zwischen dem 22. und 23. Bfr. wird das Neue Thor sein. Das Gr. Wasserthor ist übergangen, wie die meisten Hauptthore. Die Vertheilung der Bfr. auf die Strecken zwischen den Thoren scheint also ziemlich gleichmäßig gewesen zu sein und nur der von Natur stärkste Theil zwischen Alt=Wismar=Thor und Klosterkirche etwa minder befestigt gewesen zu sein. Eine Auszählung in Anhalt des Merianschen Plans (der an der eben erwähnten Stelle durchaus
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phantastisch ist) ist nicht möglich. Schröder (K. B. 274) weiß nur von 28 Weichhäusern. Das propugnaculum pontis ante valvam Haroldi (1327, M. U.=B. 4831) gehört nicht in die Reihe und das 1408 vor dem Alt=Wismarthore urkundlich bezeugte berchvrit ist gemäß einer andern Anführung die Kritzower=Burg.
Da die Daten meist bei den Straßennamen gegeben
sind, genügt eine Uebersicht mit Verweisung.
Sicher bestimmt oder bestimmbar sind, wenn wir
die Grube abwärts gehn: die Schweinsbrücke (s.
da, zuerst im Jahre 1400), die rothe Brücke, das
Brückchen vor der Rosmarin=Straße (s. da, Name
aus Schröders Zeit?), die Wagebrücke (bei der
Bor=Straße, zuerst 1322), Radolfs=Brücke (um
1290, s. da, auch unter Ziegenmarkt), später
Breite Brücke benannt (s. Ziegenmarkt, zuerst
1435). Die Wippe=Brücke (s. Wippe) außerhalb der
Stadt ist mir im Ma. nicht vorgekommen. Die
Steffens=Brücke (porta aque in ponte Stephani
1327, M. U.=B. 4831) schwebt für uns ziemlich in
der Luft. Fallbrücken sind 1327 oder 1330 vor
dem Pölerthor, dem Meklenburger= und
Lübschen=Thor bezeugt. Wegen der Hillen=Brücke
aber vernothwendigt sich noch eine längere
Auseinandersetzung. Die ältesten Belege, soweit
sie sich auf Grundstücke innerhalb der Stadt
beziehen, sind auf S. 92 mitgetheilt. Außerdem
prata ante Hillenbr
gge 1328 (M. U.=B. 4922, S. 543);
sortes sunt . . . extra Hillenbrůgghe VII
1345 (M. U.=B. 6525). Da die Witwe eines Bürgers
Hille für das Jahr 1281 als auf dem Spiegelberge
wohnhaft bezeugt ist (B 41) und das Große
Wasserthor namentlich im 15. Jahrh. (zuerst
1408) Helleporte heißt, so war es zu verlockend
dies zu combiniren, als daß man dem Reize hätte
widerstehn können (Crain, Beiträge S. 13), und
auch ich bin bis vor kurzem des Glaubens
gewesen, daß das richtig sein werde. Indessen
überwiegen die aus der Sache entspringenden
Bedenken. Thor und Brücke wollen sich nicht
räumlich vereinigen lassen, und nur in der
Verzweiflung kann man sich entschließen
anzunehmen, daß das Thor erst nach dem Eingehn
der etwa an seiner Stelle gelegen gewesenen
Brücke erbaut und benannt sei. Ist nun aus
diesem Grunde einerseits die Lage der
Hillen=Brücke Ausgangs des Spiegelbergs
unwahrscheinlich, so kann sie andererseits nicht
über die Grube geführt haben,
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was schon wegen jener von Schröder glücklicherweise angeführten Straße unmöglich ist. Während aber die Hauptbrücken über die Grube alle ihre festen Namen haben, vermissen wir den einer Brücke über die Salze Grube (jetzt Fischerreihe und Breite Straße). Man kann allerdings über deren untern Lauf zweifeln, ob sie geradeaus in der Richtung der Straße gegangen sei, oder sich über den Ziegenmarkt erstreckend, sich mit der Runden Grube vereinigt habe. Wahrscheinlicher jedoch ist die erste Annahme, indem im andern Falle die Grube kaum salzig gewesen wäre und schwerlich die Harolds=Brücke (später die Breite Brücke) Platz gefunden hätte. Hatte aber die Salze Grube die angenommene Richtung, so kann eine Brücke darüber in der Gegend der Neustadt nicht gut gefehlt haben, selbst wenn diese in ihrem untern Theile wirklich Grube gewesen sein sollte, als welche sie genannt wird. (Vgl. Crull, Jahrb. 41, S. 139 Anm.) Auf diese Brücke würde dann der in Frage stehende Name zu beziehen sein, die Straße aber, die sie und die Radolfs=Brücke verband, für den Ziegenmarkt gebucht werden müssen. Hierzu stimmt gut, daß ziemlich gleichzeitig die Namen Salze Grube und Hillen=Brücke verschwinden, daß, seit die Salze Grube Breite Straße heißt, die Brücke nicht mehr erwähnt wird. Die Herrenlötte vor der Hillen Brücke, die ersichtlich dieselben sind, die 1465 buten deme waterdore achten nettestaken, im 16. Jahrh. (1538. 1542. 1546. 1555) aber kurzweg nettestaken benannt werden, würden auf der Koppel gelegen gewesen sein müssen, wo noch heutzutage die Fischer ihre Netze trocknen und in Stand setzen. Gegen die irre führende Combination endlich mit Hille auf dem Spiegelberge und der Hellenporte wäre noch der Einwand zu erheben, daß alle alten Zeugnisse übereinstimmend Helleporte oder Hellenporte oder Helporte geben und einzig aus dem Jahre 1617 im Alten Stadtbuche Hillenpforte überliefert ist. Und dieser Einwand ist, dünkt mich, auch nicht ungewichtig.
Berichtigung: Die Knochenhauer=Straße (pl. carnificum) ist zu streichen. Es handelt sich a. a. O. augenscheinlich um die Fleischhauer=Straße in Lübeck.
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B ei der letzten Behandlung, welche steinzeitliche Funde und Fundstellen in Meklenburg gefunden haben (Jahrb. 64, S. 78 ff.), konnte neben dem Bedauern, daß die große Masse der einst vorhandenen Denkmäler achtlos verwüstet ist, doch der Erwartung Ausdruck gegeben werden, daß eine größere Aufmerksamkeit und sorgsamere Behandlung der noch vorhandenen Reste immer noch zu werthvollen Ergebnissen führen würde. Die folgenden Mittheilungen mögen das bestätigen. Sie behandeln einige seitdem bekannt gewordene Denkmäler, aus denen hervorgeht einmal, daß unser Boden noch lange nicht erschöpft ist, sondern noch immer neue Erscheinungen bringt (Gresse, Wiligrad), sodann daß auch Gräber, die äußerlich den Anschein der Zerstörung gewähren, sehr wohl noch recht ergiebig für die Alterthumskunde werden können (Cramon).
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Die Kies= und Sandebene, welche dem Endmoränengürtel Blücherhof-Krevtsee nach Westen zu in der Richtung nach Krakow
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und Plau vorlagert, gehört zu den in der Steinzeit stärker besiedelten Gebieten im Lande. Bei Blücherhof, dann bei Alt= und Neu=Gaarz, Dobbin, Serrahn sind schon seit langem Hünengräberbekannt geworden und zum Theil ausgebeutet (die Nachweise s. Jahrb. 64, S. 97 und 105, über ein Grab bei Hallalit s. unten S. 125). Neuerdings ist auch bei Cramon ein Hünengrab bekannt geworden und am 20. April 1900 mit entgegenkommendster Unterstützung des Herrn Oekonomierath Junghans zu Cramon
durch Herrn Senator Geist in Waren und Verfasser ausgegraben. Die Steinblöcke, welche die Grabkammer bildeten, sind unberührt geblieben und sollen erhalten werden, um ein Bild des Innern einer steinzeitlichen Grabanlage zu geben, wie man es leider nur noch sehr selten findet. Das Grab liegt 1,3 Kilometer nördlich vom Hofe rechts von dem Wege nach Liepen, gegenüber der Spitze des Orthsees auf der Höhe einer sanften Bodenerhebung, welche wohl als Rand des Thals eines alten Gletscherstroms aufzufassen ist, in dem heute die Nebel ihren Weg nimmt. Das Grab ist demnach weithin sichtbar.
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Bei Beginn der Ausgrabung stellte es sich als Erdhügel dar, aus dem einige Steine wenig herausragten. Die Decksteine fehlten, sie sind wohl seit längerer Zeit entfernt. Die Ausgrabung ergab, daß der ganze Hügel aufgetragen war, und zwar aus lehmigem Boden und Sammelsteinen, während der Grundboden kiesig ist. Die Blöcke der Steinkammer waren in den natürlichen Boden hineingelassen. Die Grabkammer bildete ein Rechteck in der Richtung von Norden nach Süden mit kleiner Abweichung nach Osten, von dem die ganze Länge etwa 5 m, und Breite 2,50 m betrug. Am Rande des Hügels sind noch einige stark überwachsene Umfassungssteine erkennbar, die von den äußern Rändern des Grabes 4,50 bis 5 m entfernt waren. Der Durch=
messer des Hügels betrug demnach etwa 10 m nordsüdlich, 7,50 m ostwestlich. Von den Umfassungssteinen her waren Erde und Steine gegen die Tragsteine geworfen in der Höhe von etwa 1,20 m; dieses ist also die Höhe des Hügels, über den einst die Deckplatten des Grabes herausragten. Soweit das äußere Bild.
Die Grabkammer bildet einen Raum von 3,80 m Länge, 1,65-1,70 m Breite und 1,40 m Höhe. Sie war geformt aus starken, aufrecht stehenden Blöcken mit glatter Innenwand; an der Westseite stehen drei Blöcke, der mittlere z. B. 1,80 m hoch, davon 30 cm im Boden eingegraben, oben 90 cm lang, 55 cm breit, die andere etwas kleiner. Die Fugen zwischen den Steinen sind mit flachen, über einander gelegten Platten und Keilsteinen genau geschlossen ("verzwickt"). Am Nordende sind zwei Träger,
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an der Ostseite nur zwei; an Stelle des dritten liegt an der Südostecke eine mauerartige Schichtung von rundlichen Steinen (etwa 15 cm Durchm.). Abweichungen zeigt auch die Südseite: hier stehen ein länglicher, ganz gerade abschneidender Stein von nur 25 cm Höhe und 75 cm Länge und ein Block, der nur 60 cm hoch ist. Offenbar liegt hier der Eingang und der niedrigste Stein ist die Schwelle. Vor dem Eingange auf dem Urboden lag ein Block, der auf den beiden Eingangssteinen aufgelegen haben mag und der bei der Oeffnung der Kammer, die, wie wir sehen werden, schon in vorgeschichtlicher Zeit stattgefunden hat, abgewälzt sein wird.
Die ganze Grabkammer war mit Erde und Findlingssteinen gefüllt. Die große Mehrzahl sind sicher regellos hineingeworfene Sammelsteine, wie sie auch die Oberfläche des ganzen Hügels bedeckten. Ein Theil aber war offenbar geschichtet. Auch die Lehmfüllung muß ursprünglich sein, denn in der Nachbarschaft des Grabes findet sich kein Lehm, sondern dieser kann nur zu dem Zweck der Füllung weit hergeholt sein. In der Tiefe auf dem Urboden fand sich ein ganz regelmäßiges Steinpflaster, bestehend aus flachen, etwa 2 cm starken Platten, überzogen mit einer festen Lehmdiele. Dieses Pflaster nahm aber nicht den ganzen Raum ein, sondern ließ im Norden und Osten eine Strecke frei (vgl. Skizze). Auf der Diele hatte die Beisetzung stattgefunden. Reste der Gebeine waren erhalten, und die Richtung der Leichen ließ sich danach bestimmen. Diese waren anscheinend sitzend an der Westwand, also nach Osten blickend, bestattet. Drei solcher Bestattungen waren deutlich:
I. Im südlichen Theile. Etwa 25 cm von der Westwand fanden sich rechts eine Steinaxt, links ein Steinkeil; weiter nach Osten die Scherben eines verzierten Thongefäßes; als ob dem Todten eine Axt in die rechte, ein Keil in die linke Hand gegeben und ein Gefäß zu Füßen gesetzt wäre. In der ausgeworfenen Erde wurden gesammelt vier Feuersteinsplitter, darunter eine querschneidige Pfeilspitze. Die Steinaxt, aus einem feinkörnigen, grauen Gestein, anscheinend Diorit, bestehend, ist
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ungemein sauber gearbeitet; sie ist schlank, rundlich, die Schneide leicht nach unten gebogen; das Bahnende verschmälert sich zu einer glatt abschneidenden, ovalen Fläche. Länge 16 cm, größte Breite 5,5 cm. Höhe (im Schaftloch) 4 cm. Es ist der Jahrb. 63, S. 66 unter II 1 b α beschriebene Typus (vgl. unten S. 120).
Der Feuersteinkeil ist ein sehr zierliches Stück, von der Jahrb. 63, S. 16 beschriebenen Grundform B I, und zwar ist die eine Schneidefläche konkav ("Hohlkeil"), die Farbe ist grauweiß, beide Breitseiten gut geschliffen, die Schmalseiten mit muscheliger Vorarbeitung. Länge 8 cm, Breite oben 1,5 cm, unten 3 cm, größte Dicke (3,5 cm von oben) 1,5 cm.
Die querschneidige Pfeilspitze; ein dünner Feuersteinsplitter von 2 cm Länge mit konkaver Schneide. Ueber diese kleinen eigenthümlichen Spitzen ist in den Jahrb. zuletzt 64, S. 186 gesprochen; nicht nur in Dänemark, sondern auch in Aegypten sind sie in der That mit Schaft gefunden und also als Pfeilspitzen gesichert (vgl. Evans, Ancient stone implements 2. Aufl. 1897, S. 369 und 409 und Wilson, Arrowpoints u. s. w. S. 937); in neolithischen Grabhöhlen des Marnegebietes hat man sie sogar in der Wirbelsäule steckend, also in der Ausübung ihrer Funktion angetroffen (vgl. Cartailhac, la France préhistorique, S. 254). Zu chronologischen Bestimmungen sind sie nicht zu verwenden, da sie von den Anfängen der nordischen Steinzeit bis an das Ende unter den wechselndsten Verhältnissen vorkommen. Auch in Meklenburg sind gleiche Stücke schon in Gräbern gefunden, so in dem Hünenbette von Rosenberg (vgl. Friderico-Francisceum Text S. 76).
II. In der Mitte. Auf der Diele hatte offenbar Feuer gebrannt; sie war an einer Stelle ganz roth, auch lagen dort noch einige Kohlen. In den Lehm der Diele eingebettet und schwer zu erkennen lagen ostwestlich gerichtet die Reste einiger Röhrenknochen und mehrerer Gefäße, auch Feuersteinsplitter, vor dem westlichen Stein der Schmelz eines Zahnes. Die Splittern haben die Form der "prismatischen Messer" und mögen zum Theil
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Zufallsbildungen sein; eines aber hat sicher als Messer gedient. - Ueber die Thongefäße s. unten S. 122.
III. Der nördliche Theil enthielt eine Scherbe von einem Henkelgefäße und mehrere Feuersteine, weiß und mit Sprüngen, wie sie beim Brande zu entstehen pflegen. Um diese Feuersteine als Pflaster auffassen zu dürfen, wie man es in anderen Fällen, wo sie beobachtet sind, wohl gethan hat, waren es zu wenige. Auch im nördlichen Theile fanden sich Knochenspuren und zwar in der Richtung der Fuge zwischen dem nördlichen und dem mittleren Tragstein.
So weit die Beobachtungen auf dem Grunde der Grabkammer. In höheren Schichten fanden sich nun aber auch Gegenstände ganz anderer Art. Am nördlichen Ende lag auf einem Damm, etwa 30 cm über dem Urboden, ein eisernes Geräth; flach, leicht gebogen, am breiten Ende abgebrochen, 10 cm lang und an der Bruchstelle 2 cm breit. Es scheint eine Messerklinge mit geradem Rücken und leicht gewölbter, sich zuspitzender Schneide zu sein; der Griff ist abgebrochen und die Spitze gebogen. Aehnliche Formen sind aus wendischen Skelettgräbern und Burgwällen bekannt (vgl. Jahrb. 58, S. 219).
Am südlichen Ende fand sich zwischen den Steinen eine starke Brandschicht, welche schon 50 cm unterhalb der oberen Kante der Tragsteine begann und fast bis auf die Lehmdiele hinabging, auch über den Grabraum hinauf sich in die aufgeschichtete Wandung hinzog. In dieser Brandschicht lagen Scherben eines stark gebrannten Gefäßes, das mit Horizontalriefeln verziert war und einen nach außen gebogenen Rand hatte, in dem unverkennbaren Charakter wendischer Keramik. Auf der Schicht lagen die ziemlich recent aussehenden Knochen eines Pferdes. Nun erklärt sich die Gestaltung des südlichen Theils. Um in die Kammer gelangen zu können, wurde der Eingangsstein herabgewälzt und sodann auch durch Entfernung des südöstlichen Tragsteins mehr Raum geschaffen, der wohl auch zum Entweichen des Rauches nöthig war. Wahrscheinlich diente die Kammer jenen Wenden nur zum Aufenthalte, nicht als Grabraum, wenigstens sind menschliche Gebeine nicht beobachtet. Die Decksteine sind damals wohl unberührt geblieben und erst in neuerer Zeit entfernt, denn ein neben der Kammer liegender Block, ebenso ein Tragstein, zeigen Sprenglöcher.
Um dem Grabe seine Stellung unter den meklenburgischenSteinzeitfunden anzuweisen, betrachten wir zunächst die
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Geräthtypen. Die Art ist von einer Form, wie sie sich gleich oder sehr ähnlich in Hünengräbern mehrfach findet. Wir haben sie von Tatschow, Dobbin, Vietlübbe, Malchin und Stuer, auch das unten zu besprechende Stück von Blengow ist nahe verwandt. So weit die Fundberichte ein Urtheil gestatten (die meisten jener Funde entstammen Gräbern, die nicht sachgemäß ausgebeutet sind), gehören die Gräber alle in dieselbe Kategorie wie das besprochene, die der megalithischen Steinkammer.
Die Grundform ist weit verbreitet: es gehören hierhin die dänischen Formen S. Müller, Ordning I, 107, und Madsen, Aarbøer 1891, S. 310 und 311. 1 ) Daß dieser Typus eine Weiterentwickelung eines älteren scharfkantigen (S. Müller, Ordning, 72-75) ist und in eine jüngere Periode, die besonders durch die jütischen Einzelgräber, Gruppe III, charakterisirt wird, fällt, hat Müller, Aarbøer 1898, S. 245, ausgeführt. In Schleswig=Holstein findet er sich ebenfalls in gut charakterisirten jungsteinzeitlischen Muldengräbern und Ansiedlungen (Mestorf, Mitth. d. anthrop. Gesellsch. von Schleswig=Holstein, Hefte 5 und 12). Aus der Provinz Brandenburg (West=Havelland) stammt ein ähnliches Stück (Voß=Stimming, Vorgesch. Alterth. von Brandenburg I, 3, Abth. 2), und auch der Axthammer des Brandgrabes von Warnitz i. d. Neumark (Goetze, Ztschr. f. Ethnol. 1892, S. 178) steht der Form nahe; 2 ) in Bylan in Böhmen ist ein gleicher in "liegenden Hocker"=Gräbern mit "thüringischen" Amphoren und Schnurbechern, in denen aber auch schon Kupferringe auftraten, gefunden (Pic, Cechy predhistorické, Tafel III, 11). Diese Funde stimmen darin zusammen, daß sie stets einem jüngeren Abschnitte der Steinzeitkultur des betreffenden Landes angehören. Dem verführerischen Gedanken, daß sie einem Volke oder doch einer Kulturbewegung angehören, die die Flachgräber nach dem Norden gebracht hat, wollen wir hier nicht nachgehen; auf die große Aehnlichkeit des Cramoner Grabes in der Ausstattung mit den jütischen Einzelgräbern (Axt, Keil, querschneidige Pfeilspitzen, S. Müller, a. a. O. S. 215) sei aber doch hingewiesen, und diese dänischen Gräber schließen sich durch Axtform und Keramik (Weiter=
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entwickelung des Schnurbechers), durch das Bindeglied des Warnitzer Grabes der thüringischen Schnurkeramik an.
Folgen wir der Montelius'schen Eintheilung der Steinzeit, (Månadsblad 1893), so würde der Typus seiner Periode III angehören.
Daß die Form des Feuersteinkeils die gewöhnliche in den Steinzeitgräbern ist, ist bekannt (s. u. a. Jahrb. 63, S. 34 und Goetze, Berliner Ztschrft. für Ethnologie 1900, Verhandlungen S. 153. 1 ) Sie bestehen auch fast immer aus demselben grauen Gestein; daß auch diese Geräthform im Wesentlichen jüngeren Abschnitten der neolithischen Periode angehört, hat für Dänemark Sophus Müller, für Norddeutschland Goetze (a. a. O.) wahrscheinlich gemacht.
Die Thongefäße. Leider ist die Anzahl nur gering, und es sind von keinem so viele Reste erhalten, daß eine Zusammensetzung möglich wäre; ja, nach der Erhaltung scheint es, daß die Gefäße gar nicht vollständig dem Beerdigten mitgegeben sind, sondern es sich nur um Scherben handelt, die bei der Grabceremonie eine Rolle gespielt haben. Bei der hohen Bedeutung, welche gerade die Keramik als Bestimmungsmittel für zeitliche Zusammenhänge hat, rechtfertigt sich ein genaueres eingehen.
a) Aus dem ersten (südlichen) Begräbnisse: eine größere Scherbe; Randstück, schwarzbraun. Unterhalb des Randes ist ein dreifaches Band von spitzwinkligen Zickzackdoppellinien, welche in Tiefstich ausgeführt sind. Für die Form des Gefäßes bietet die Scherbe keinen Anhalt; die Verzierung ist in den Megalithgräbern häufig. Vgl. die Nachweise Jahrb. 63, S. 80 und 64, S. 113 und sehr zahlreiche Beispiele aus Ganggräbern bei Madsen, Gravhøje fra Stenalderen.
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b) Aus dem mittleren: eine Anzahl einfacher und formloser Scherben brauner Färbung; außerdem ein größeres Randstück, hellbraun, verziert mit einer Doppelreihe von kleinen, halbmondförmigen Einstichen, von denen in Abständen von 2cm Streifen von paarweisen Halbmonden senkrecht nach unten gehen. Auch dieses Ornament ist nicht neu, sondern kommt sehr ähnlich auch sonst in unsern Megalithgräbern vor, so in dem unserm Grabe auch sonst ähnelnden von Remlin, ebenso wie in der dänischen Ganggräberkeramik (z. B. Madsen, Gravhøje XI, aa).
c) Aus dem nördlichen Begräbnisse: Der Rest eines Henkelgefäßes mit leicht eingezogenem Rande und scharfer Kante zwischen Rand und Wandung; diese biegt sich in starker Wölbung nach unten; unter dem Rande sitzt ein Henkel; unverziert; braun. Die Form ist sehr wahrscheinlich die im Jahrb. 63, S. 80 und 81 besprochene Schalenform, wie wir sie aus dem Hünengrabe von Tatschow und von der Ostorfer Seeinsel haben (vgl. auch unten S. 128, das zweite Gefäß von Blengow). In Dänemark finden sich sehr ähnliche Schalen in den "Ganggräbern" (S. Müller, Ordning I, 220 und 222); bei Lübeck in dem berühmten Grabe von Waldhusen (Freund, Lübecker Festschrift 1897, Tafel II, Fig. 5); in Hannover in Megalithkammern (z. B. Haltern bei Osnabrück; Müller und Reimers, Alterthümer der Provinz Hannover IV, 35). Analogien mit brandenburger und schlesischen Funden giebt Goetze a. a. O. 1900, S. 170, aus denen sich auch die Zeitstellung jener Schalen als (ältere? Genossen der "Bernburger" und "Rössener" keramischen Gruppe ergiebt. Das stimmt durchaus mit den Beobachtungen in Dänemark überein, denn auch die Ganggräber gehören in einen späteren Abschnitt der neolithischen Periode, ebenso wie die von Goetze besprochenen Typen.
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Die Grabform ist die bei weitem häufigste unter unseren Hünengräbern, die große (mit mehreren Decksteinen versehene) Grabkammer mit einem Eingange an einer Seite und ohne Gang. Der Erdauftrag ging fast bis zur Höhe der Tragsteine und diente dazu, sie in ihrer Lage zu halten. Zu der oft ausgesprochenen 1 ) Annahme, daß der Erdmantel auch die Decksteine bedeckt hätte, liegt hier ebenso wenig ein Grund vor, wie in den zahlreichen anderen Fällen, von denen hier nur auf die sehr ähnlichen Gräber von Alt=Sammit (Jahrb. 26, S. 115 flgd.) und Zarnewanz I (Jahrb. 64, S. 111) hingewiesen sein mag; die in einem Hügel gelegenen, ganz bedeckten Gräber, wie die unten zu besprechenden von Blengow und Gresse, gehören späteren Perioden an. Der Mangel ausreichender Untersuchungen drängt sich bei solchen Versuchen, eine fachliche und zeitliche Ordnung unserer Denkmäler vorzunehmen, immer wieder auf; es kann also nur als Vermuthung gelten, wenn wir folgende Reihenfolge als wahrscheinlich voraussetzen: I. Einfache Steinkammer im Boden mit freiliegendem Deckstein (z. B. Zarnewanz II; Jahrb. 64, S. 116). 2. Große Steinkammer, freistehend auf dem Urboden mit frei liegenden Decksteinen (Cramon u. s. w.). 3. Steinkammer, überdeckt von einem Hügel (Blengow u. s. w.), dem Typus der Ganggräber entsprechend. Durch das Fehlen des Ganges unterscheiden sich die großen meklenburgischen Hünengräber von den großen skandinavischen Grabbauten, den dänischen "Riesenstuben" (jättestuer), bei denen der aus großen Blöcken geschaffene Eingang einen so wesentlichen Bestandtheil bildet, daß die schwedischen Archäologen sie als "Ganggräber" (ganggrifter) zu bezeichnen pflegen. Anlage und Ausstattung der meklenburgischen Hünengräber aber stimmt so mit den nordischen Ganggräbern überein, daß eine zeitliche Zusammengehörigkeit zweifellos ist. Doch auch hier finden sich charakteristische Unterschiede: in Meklenburg sind in Megalithgräbern viel häufiger als in Dänemark durchbohrte Aexte aus Diorit oder ähnlichem Gestein, fehlen dagegen die künstlichen Dolche und Messer aus Feuerstein noch ganz. Wenn demnach die große Masse unserer Megalithgräber
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der nordischen Periode der Ganggräber entspricht und in Montelius, Periode III der Steinzeit (Manadsblad 1893) fallen wird, so deckt die mecklenburgische Steinkammerzeit sich doch nicht mit dieser skandinavischen Periode (dort sind gerade die Dolche eine Charakterform der Ganggräber), sondern scheint etwas älter zu sein. Wollen wir die relativen Begriffe "alt" und "jung" anwenden, so werden wir aber immerhin die Gräber des Cramoner Typus als jungneolithisch bezeichnen müssen. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß sie an das Ende gehören. Wir werden über noch jüngere, aber immer noch steinzeitliche Gräber unten bei Gresse und Wiligrad zu reden haben.
Es erübrigt noch ein sekundäres Vorkommniß zu erwähnen. Am Ende der Kammer fehlte, wie schon gesagt, der Kragstein, und es fand sich eine wendische Kulturschicht. Wir haben hier also ein Beispiel für die Benutzung eines steinzeitlichen Grabes in sehr viel späterer Zeit; anscheinend ist hier ein Tragstein entfernt und so der Zugang geschaffen. Der Grund des Grabes ist, wie die Ausgrabung zeigte, unberührt geblieben. Aehmliche Verhältnisse haben sich bei dem Hünengrabe von Remlin und einem der Moltzower gezeigt. Daß es noch immer nicht genügt, derartige an sich ja ganz selbstverständliche Erscheinungen, wie die späterer Benutzung einer steinzeitlichen Grabanlage, hier also in der Wendenzeit, einfach zu registriren, hat erst vor kurzem die Behandlung gezeigt, welche in den Bonner Jahrbüchern die westphälischen Hünengräber gefunden haben.
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Nur 3,75 Kilometer von dem oben beschriebenen Megalithgrabe von Cramon entfernt, findet sich ein Hünengrab, das, so weit ich ehen kann, bisher unbekannt geblieben ist und welches ich, Dank der Freundlichkeit des Herrn von Tiele=Winckler auf Vollrathsruhe, am 8. Juni 1900 besichtigen konnte.
Das Grab liegt 0,75 Kilometer westlich vom Orte, im Gebiete der Endmoräne, in einem Bestande junger Tannen auf einer flachen, länglichen Erhebung. Es ist zum großen Theile schon zerstört; erkennbar sind noch die großen Umfassungssteine, die den Hügel in einem länglichen Oval umgaben. Die Blöcke der Grabkammer sind gesprengt, doch ist deren Lage nahe dem östlichen Ende des Hügels noch erkennbar. Bei dem Aufräumen
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der Steine ist ein Keil von grauweißem Feuerstein gefunden, von jener flachen, schlanken Form, die in den steinzeitlichen Gräbern die gewöhnliche ist (B I); weitere Beigaben sind nicht beobachtet. Der Keil befindet sich in der Sammlung des Herrn von Tiele=Winckler auf Vollrathsruhe.
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Im Jahre 1871 ist bei Blengow auf dem Voßberge eine sehr interessante Steinkammer ausgeräumt, über deren Befund Jahrb. 30, S. 193 ff., von Lisch berichtet ist. Das Grab, eine "kleine unterirdische Steinkammer" mit einem ungeheuren Deckstein, ist in seiner Form erhalten geblieben, die Fundstücke sind damals zum Theil in die Schweriner Sammlung gekommen, zum Theil in Blengow in der Sammlung des Herrn Berthold Beste geblieben, zum Theil in die Hände des Herrn Baumeister Thormann in Wismar gelangt. Die letzteren sind vor einigen Jahren, die andern mit der ganzen schönen Sammlung als Schenkung des Herrn Anton Beste Dezember 1899 der Großherzoglichen Sammlung zugegangen, sodaß nunmehr das gesammte Grabinventar, soweit es erhalten ist, hier vereinigt ist. Damit ergeben sich einige Berichtigungen gegen die Darstellung in den Jahrbüchern. Nach dieser sind gefunden an der Westwand eine sitzende Leiche, zu Füßen eine Pfeilspitze; an der Nordwand zwei sitzende Leichen, eine mit Axt, eine mit Feuersteinkeil; eine dritte schien vergangen zu sein, zu ihren Füßen ein Hängegefäß. Unbestimmbar war die Zugehörigkeit einer Pfeilspitze, einiger Feuersteinsplitter und eines zweiten (zerbrochenen) Thongefäßes.
In der Schweriner Sammlung befinden sich jetzt:
1. Eine durchbohrte Axt aus graugrünem, dioritartigem Gestein von der Jahrb. 63, S. 67, als II 2 b beschriebenen Grundform; die obere und untere Seite leicht vertieft; das Bahnende rechteckig (mit Spuren der Abnutzung),
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die Schneide nicht so hoch wie das Bahnende. Länge 10,5 cm, größte Breite 4 cm, Höhe 3,25-4 cm, Durchmesser des Schaftlochs 2 cm. Die Form ist weit verbreitet und ähnelt der oben bei dem Grabe von Cramon besprochenen, unterscheidet sich aber von dieser wesentlich dadurch, daß sie nicht gebogen ist und nähert sich dadurch dem Typus Müller, Ordning 72, in dem dieser die Urform der ganzen Reihe sieht. Zu chronologischen Bestimmungen reicht, so weit ich sehen kann, die einfache Form nicht aus. In Böhmen sind sie z. B. noch in altbronzezeitlichen Gräbern gefunden (Pic, Cechy predhistorické IX., 25).
2. Ein Feuersteinkeil, zerbrochen, erhalten nur der untere Theil, grauweißes Gestein mit hellbraunen Flecken, schmal, gut geschliffen, Länge noch 5 cm (ursprünglich 7-8 cm). Breite der Schneide 4,5 cm, Dicke nur 0,5 cm. Die Grundform ist dieJahrb. 63, S. 17, besprochene B I, welcher ja die große Mehrzahl der in Hünengräbern gefundenen Keile angehört.
3. 4. Zwei flache "prismatische Messer" von 7 und 6,5 cm Länge.
Soweit die Steinsachen; es fehlen also die in dem Berichte erwähnten Pfeilspitzen.
Dagegen ist die Zahl der Thongefäße größer, nämlich:
5. Ein Hängegefäß (Kat.=Nr. 4327, vgl. Jahrb. 37, S. 195), am oberen Theile stark beschädigt, graubraun, dickwandig, unverziert; schmale rundliche Bodenfläche (3 cm Durchm.), starker horizontaler Wulst am Halsansatz, eingezogener Hals (der Rand fehlt); ursprüngliche Höhe etwa 10 cm. Auf dem Wulste sind, einander gegenüber, je zwei kleine, von oben nach unten durchbohrte Oesen, welche das Gefäß als Hängegefäß charakterisiren. Hängegefäße, wenn auch etwas anderer Form, gehören in Dänemark den Ganggräbern (Montelius, Periode III der jüngern Steinzeit) an, auch das Montelius, Antiquités suédoises 95 abgebildete, dem unsern nahestehende Hängegefäß gehört in einen jüngern Abschnitt der Steinzeit.
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6. Ein Randstück (Kat.=Nr. 4326), leicht nach innen gewölbt, verziert oben mit sich kreuzenden, tief eingestochenen Linien, ein Ornament, das der nordischen Keramik im allgemeinen fremd ist.
7. Kleiner Topf (Kat.=Nr. St. 11) mit absetzendem
Bauchrand und mit Henkeln (vgl. Jahrb. 63, S. 82
oben); in der Abbildung tritt die Rundung des
Bodens nicht genügend hervor. Daß das Gefäß zu
den Hängegefäßen zu zählen ist, ergiebt die
Vergleichung mit den sehr ähnlichen bei S.
Müller, a. a. O. 231, zu dem ein Deckel mit
vertikal durchbohrten Oesen gehört; vgl. auch
die sehr ähnlichen Gefäße bei Madsen, Gravhøje
., Tafel 18 aus dem Ganggrabe von
Udby bei Holbaek.
8. Topf mit leicht gewölbter Wandung (Kat.=Nr. St. 12, vgl. Jahrb. 63, S. 81) und leicht eingezogenem Halse, ähnlich dem bei Madsen, Gravhøje Tafel 28, Fig. hh abgebildeten Gefäße aus einem Ganggrabe.
9. Topf mit wulstigem hochliegendem Bauchrande (Kat. = Nr. St. 14), eingezogenem Halse, zwei Henkeln, schmaler Standfläche; unverziert; der Form nach also sehr ähnlich den Schalen von Ostorf, Jahrb. 63, S. 80, und mehrerer der bei Mestorf, Vorgeschichtl. Alterth. von Schleswig = Holstein, Tafel XVII, abgebildeten.
Wenn so die Keramik des Blengower Grabes sich der der nordischen "Ganggräber" anschließt, so stimmt
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damit der Bau des Grabes sehr gut überein. Es ist eines der wenigen Graber, deren Deckstein unter dem Boden lag und zwar innerhalb eines Hügels, ferner hatte es vor dem Eingange einen, wenn auch nur kleinen Gang. Es kommt also dem Typus der "Ganggräber" wesentlich näher wie die große Mehrzahl unserer Steinkammergräber und nimmt eine Zwischenstellung zwischen dem oben beschriebenen Grabe von Cramon und dem unten zu behandelnden von Gresse ein.
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In der Uebersicht über die Vertheilung der meklenburgischen Hünengräber Jahrb. 64, S. 92 ist als die südwestlichste Gruppe eine Anzahl von Gräbern bei Wittenburg und Boizenburg zusammengefaßt, an deren Gebiet sich dann die gräberleere Thalsandheide anschloß. Am weitesten vorgeschoben erschienen einige Gräber bei Granzin. Seitdem ist ein neuer Grabfund bekannt geworden, der unmittelbar an dem alten Abfallsufer zum großen Elbthal hin gelegen ist und der nach seiner ganzen Anlage ein besonderes Interesse beanspruchen darf. Verfasser hat das Grab unter freundlicher Führung des Herrn Freiherrn von Ohlendorff am 23. Mai 1900 besichtigt. Etwa 800 m nordöstlich von Schloß Gresse liegt auf ebenem Gelände ein sehr auffallender, mit alten Bäumen bestandener Hügel von etwa 6 m Höhe und 25 m Durchmesser, der sog. Finkenberg. Herr Freiherr von Ohlendorff auf Gresse hat im Frühjahr 1899 den Hügel von der Höhe und der Nordseite her angraben lassen und eine große Grabkammer im Innern frei gelegt. Diese Kammer ist nach Möglichkeit erhalten, indem die Steinwände, so weit angängig, in ihrer ursprünglichen Lage gelassen sind, oben durch eine Wölbung geschlossen und mit Oberlicht versehen. Ein ausgemauerter Gang, zu dem die Steinmassen des Grabes benutzt sind, führt jetzt in den Grabraum, in dem die hier gemachten Funde aufbewahrt werden. So ist eine bedeutungsvolle und in ihrer Art einzige Anlage dauernd geschützt und der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht.
Die Grabkammer lag gerade in der Mitte des Hügels und bildete einen unregelmäßig vierseitigen Raum mit gerundeten Ecken von etwa 4 m Durchmesser und 2 m Höhe. Die Wände bestanden nicht aus großen, stehenden Steinblöcken, wie bei den Hünengräbern, sondern aus wagerecht gelegten, geschichteten
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Steinen von durchschnittisch 30 cm Länge. Sie war auch nicht überwölbt mit den üblichen massiven Felsen, sondern die Decke bestand aus denselben Steinen, wie die Wände. Eine Holzüberdeckung ist nicht beobachtet, es hatte den Anschein, als ob die Steine oben ein Gewölbe bildeten. Natürlich kann dieses nur ein sog. "falsches Gewölbe", d. h. ein durch Ueberkragen der Steine gebildeter oberer Abschluß gewesen sein. Im Innern der Kammer fand man an einer Stelle eine starke Brandschicht von 1 m Länge und 30 cm Stärke. Die Beerdigung hat an der Westwand stattgefunden. Beobachtet sind:
1. Reste eines (oder mehrerer?) unverbrannten Leichnams.
2. Eine Axt, anscheinend aus Gneis, länglich und unregelmäßig, ähnlich dem in Jahrb. 63, S. 60 abgebildeten Stück, Grundform A, 19 cm lang, 4 cm hoch.
3. Eine Axt, anscheinend aus Diorit, von der a. a. O., S. 61 abgebildeten Form, Grundform B I a, 13 cm lang, 5 cm hoch.
4. Ein "Arbeitskeil" aus Feuerstein, gleich Jahrb. 63, S. 21. Grundform C b I, 12 cm lang.
5. Ein "Hohlteil" aus Feuerstein, der Form nach dem vorigen gleichend, 11 cm lang.
6. Ein Keil "mit geschweifter Schneide" von Feuerstein, ähnlich dem a. a. O. S. 19 abgebildeten Stück, Uebergangsform von B zu C, 11 cm lang.
7. Ein flacher, unregelmäßig geformter Keil (oder Axt) aus einem schiefrigen Gestein, ungefähr 8 cm lang.
8. Ein Dolch aus Feuerstein; gleich der Abbildung a. a. O. S. 49, Grundform II C 2, prachtvoll gearbeitet, mit gekröselten Seiten und feiner paralleler Muschelung der Klinge; leider ist der größere Theil der Klinge abgebrochen. Länge noch 14,5 cm.
Die steinzeitlichen Grabformen sind Jahrb. 64, S. 79 flgd. besprochen. Keiner schließt sich das von Gresse an. Von allen in Meklenburg bekannt gewordenen Hünengräbern unterscheidet sich das besprochene in verschiedenen sehr wesentlichen Punkten. einmal durch seine Lage in der Tiefe eines Hügels, der in seiner ganzen Anlage genau den bronzezeitlichen Gräbern gleicht. sodann durch seine Schichtung aus Steinen, während die Grabkammern
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sonst aus aufrecht stehenden Blöcken oder Platten gebildet werden. Der erste Punkt findet seine Analogien in den "Riesenstuben" von Schweden, Dänemark und Schleswig=Holstein, die ja auch oft von sehr bedeutenden, zu Hügeln geschichteten Erdmassen umgeben sind; in S. Müllers Nordischer Alterthumskunde S. 77 flgd. ist das Material übersichtlich zusammengefaßt. - Eigenthümlich diesen Riesenstuben aber ist der Gang, der hier anscheinend fehlt, und keine zeigt die aufgemauerten Wandungen. In diesem Punkte entfernt sich das Gresser Grab von den nordischen Hünengräbern und schließt sich an jene "Kuppelgräber" an, deren bekanntester Vertreter das "Schatzhaus des Atreus" in Mykene ist. Derartiges findet sich erst in weiteren Entfernungen von uns.
Dahin gehören, um zunächst einige Beispiele anzuführen, die dem Verfasser aus eigener Anschauung bekannt sind, mehrere der großartigen Gräber in der Bretagne (Dep. Morbihan), so der Mané-er-Hroèg bei Locmariaquer, ein 12 m hoher Hügel, auf dessen Grunde sich die aus platten Steinen aufgesetzte und mit starken Platten überdeckte Grabkammer (4x3x1,5 m) fand, zum Theil auch der mächtige St. Michel bei Carnac, wo wenigstens eine Seite der Grabkammer aus einer Trockenmauer bestand, das Grab von Tumiac bei Arzon, kurz, gerade die größten und ergebnißreichsten Gräber jener klassischen Gegend. (Die Belege s. bei Mortillet, Musée préhistorique Tafel 59, Cartailhac, la France préhistorique S. 204 flgd. u. s. w.)
Auch über Grabhügel an der Westküste Frankreichs (z. B. St. Amand, Dep. Charente) liegen gute Untersuchungen, besonders von Chauvet, vor. Diese werden folgendermaßen beschrieben (Cartailhac, S. 214 ff.): einige der Hügel schlossen echte Megalithgräber ein, andere bargen Trockenmauern aus flachen Bruchsteinen, mit Wiederlagern aufrecht gestellter Blöcke, die Zweidrittel oder Dreiviertel der Höhe erreichten. Die Kammer war rechteckig, polygonal, besonders aber rund. Erhalten waren Theile der Bedachung in Form über einander gelegter Platten, ein System einfachster Wölbung [das sog. "falsche Gewölbe"], wie es noch jetzt bei den Hütten der Hirten in den Kalksteinplateaus. von Südfrankreich in Gebrauch ist. Mehrere hatten enge und lange Eingänge. Endlich war meist der Boden mit einer rothen Lehmdiele bedeckt, auf der die Reste der Beerdigten mit ihren Beigaben lagen. Ärmliche Beobachtungen sind in einer Nekropole bei Fouqueure gemacht. In beiden Fällen handelte es sich um neolithische Begräbnisse.
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Ebenso sind in Süd = Frankreich Grabkammern aus Trockenmauern mit Erdauftrag bekannt, die zum Theil schon Kupfer (oder Bronze) ergeben haben; so ein großes Grab von La Roquette bei St. Pargoire (Dép. Herault), wo 26 Leichen mit Feuersteinklingen, Bernstein, Kupferzierrath u. s. w. gefunden sind und zu dem der Entdecker, Cazalis de Fondouce, Analogien aus Sardinien anführt (Cartailhac, a. a. O., S. 220).
Auf weitere Beispiele aus Frankreich bezieht sich Montelius, Orient und Europa I, 1899, S. 58 ff., wo ebenfalls S. 70 ff. Beschreibungen und Abbildungen zahlreicher gleicher Anlagen aus Irland und auch einige aus Schottland gegeben werden. Aus den Ausführungen von Montelius ergiebt sich, wie ähnliche Bauten mit ähnlicher Ausstattung in Kleinasien (besonders Karien), Sardinien, Spanien bekannt geworden sind (a. a. O., S. 36. 60. 75. 89 u. s. w.).
Ob unser Gresser Grab einen inneren Zusammenhang mit jenen Kuppelgräbern hat, die von Spanien bis Schottland sich hinziehen und zwar unverkennbar die Küste entlang, bleibe noch dahingestellt. Denkbar ist ein solcher sehr wohl. Alle jene Gräber liegen der Küste nahe. Auch das Gresser Grab liegt am alten Elbthal, etwa 140 Kilometer von der Elbmündung entfernt. Wenn jene Gräber, wie man jetzt meist annimmt, ihre Entstehung einer die Küsten entlang sich bewegenden "orientalischen" Beeinflussung verdanken, so kann diese sich auch nach Deutschland erstreckt haben, ebenso gut wie die jung=steinzeitlichen Thonbecher und alten Metallgegenstände in identischen Formen sich nicht nur auf dem ganzen Verbreitungsgebiete der Kuppelgräber in Europa, sondern auch in Deutschland finden. Zunächst aber, ehe weitere Beobachtungen vorliegen, wollen wir uns mit dem Nachweise begnügen, daß das Grab von Gresse in seiner Bauart nicht nur, sondern auch in seiner zeitlichen Stellung sich einer Gruppe von Gräbern anschließt, die bisher besonders hauptsächlich im westlichen Europa bekannt geworden sind und auf unserem Boden, im Gebiete der nordischen Steinzeit, sich noch durchaus fremdartig ausnehmen.
Die Ausstattung des Grabes gleicht der unserer megalithischen Kammern, der typischen Hünengräber. Auffallend ist nur das Vorkommen des Dolches in einer Form, die, soweit ich das Material übersehen kann, in den älteren steinzeitlichen Gräbern überhaupt nicht, sondern bei uns wenigstens erst am Ende der
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Steinperiode, besonders in Flachgräbern, vorkommt, so in den Flachgräbern von Basedow) (vgl. Jahrb. 64, S. 124). Auch der Keil mit geschweifter Schneide gehört erst in die jüngsten Abschnitte der Steinzeit.
Daraus ergiebt sich die zeitliche Stellung unseres Grabes. Dieses gehört sichtlich einer ganz jungen Periode der Steinzeit an, entsprechend Montelius' Periode IV der jüngern Steinzeit, (Månadsblad 1893). Die Grabform führt schon zu der Bronzezeit hinüber. Aber die Form der Grabkammer ist noch nicht aufgegeben, nur wird sie anders gebildet wie in den früheren Perioden. Das Bild, welches wir von der Entwickelung der steinzeitlichen Grabformen entwerfen konnten (Jahrb. 64, S. 82 ff.), erhält hierdurch einen neuen Zug, der mit den andern nicht so ohne weiteres vereinbar ist. Wir sahen dort, wie aus der Steinkammer, mit der Abart des steinkammerlosen Hünenbettes, die Steinkiste 1 ) wurde. In diesen Gang läßt sich die Grabform, deren einziger Vertreter auf dem Gebiete der nordischen Steinzeit bisher das Grab von Gresse ist, nicht einreihen, wir werden in ihm eine jener mannigfachen auswärtigen Einwirkungen zu sehen haben, die schon in der Steinzeit bestimmend in den einheimischen Formenkreis eingriffen.
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Im Parke zu Wiligrad, dem früheren Lübstorfer Holze, ist man im Januar 1900 beim Kiesfahren auf eine alte, äußerlich nicht erkennbare Begräbnißstelle gestoßen. Etwa 1 km nordöstlich vom Anhalte Wiligrad entfernt, liegt rechts von der neuen zum Schlosse führenden Chaussee ein rundlicher Kieshügel in natürlicher Schichtung. Bei der Abtragung fand man etwa 60 cm unter der Oberfläche eine Anzahl Gebeine. Eine Untersuchung des Fundortes durch Verfasser am 18. Januar v. Js. und ein Verhör des Chausseewärters Dube, welcher die Aufsicht bei den Arbeiten geführt und einen Theil der Gebeine in Verwahrung genommen hatte, ergab Folgendes:
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Die Skelette lagen in einer rahmenförmigen Steinsetzung aus mittelgroßen Steinen (20-30 cm Durchm.); diese war durch Querschichten kleiner Steine in fünf Abtheilungen getheilt.
Der innere Raum der ganzen Steinsetzung betrug in der Länge 2, in der Breite etwa 1 m; die Richtung war nord=südlich. In jedem der fünf Räume lagen die Gebeine frei im Boden, über jedem Schädel fand sich ein größerer Stein. Der Raum für jede Leiche war nach dem Gesagten sehr klein (1 m x 30 cm), die Gebeine lagen durch und auf einander, zerdrückt und gebogen; an einer Stelle lagen Rippe, Schlüsselbein, Oberschenkelkopf neben einander, die fünf Schädel aber lagen alle in der Mitte des Grabraums und standen alle aufrecht ("stuhr uppsätt", sagte mein Gewährsmann). Brandspuren, Scherben oder Beigaben irgend welcher Art sind nicht beobachtet. - Die meisten Schädel waren sehr mürbe und zerfielen, erhalten geblieben ist nur einer; dieser ist auf Höchsten Befehl Seiner Hoheit des Herzog=Regenten dem Großherzoglichen Museum überwiesen.
Wenn wir das Grab hier bei den steinzeitlichen Funden behandeln, so geschieht das natürlich nur als Vermuthung, zumal die gute Erhaltung des Schädels in so geringer Tiefe eine wesentlich jüngere Zeit wahrscheinlich machen würde; da alle Beigaben fehlen, die Schädelformen allein aber noch nicht als zeitliches Bestimmungsmittel vorgeschichtlicher Begebenheiten verwendbar sind, so bleibt ja nur die Grabform über. Diese ist aber so eigenartig, daß meines Wissens keine andere vorgeschichtliche Periode Analogie bietet als die Steinzeit. Der enge Raum, auf dem die Gebeine beigesetzt sind, und die unnatürliche Stellung des Schädels weisen dahin, daß hier ein Beispiel einer Bestattungssitte vorliegt, wo der Leichnam erst nach Entfernung der Fleischtheile seine letzte Ruhestätte gefunden hat; zahlreiche Beobachtungen auf sehr verschiedenen Gebieten, besonders auch die noch bestehenden Sitten mancher primitiven Völkerstämme machen es wahrscheinlich, daß in solchen Fällen der Leichnam zunächst eine vorübergehende Aufbewahrung gefunden und erst in macerirtem Zustande dem endgültigen Grabe übergeben ist. Es sei dafür auf
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die eingehenden Ausführungen von Cartailhac in dessen la France prehistorique verwiesen, wo S. 257 aus neolithischen Grabhöhlen der Champagne Beispiele einer derartigen Behandlung der Leichen und aufrechter Schädelstellung angeführt sind; vgl. dazu auch Virchow in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie 1898, S. 283. Ebenda 1900, S. 146 erwähnt Goetze ein jung=neolithisches "Hockergrab" aus der Uckermark, in dem der Schädel ganz wie bei dem unseren aufgesetzt war; auch der Fund aus einem steinzeitlichen Hügelgrabe von Tensfeld im östlichen Holstein, wo die Gebeinreste von zehn Personen auf einem Raum von 0,70x1,15 m zusammengedrängt gefunden wurden, sei hier erwähnt. (Vgl. Mestorf, Mitth. d. anthrop. Vereins in Schleswig=Holstein 12, S. 30.)
Zur Grabform selbst. Steinzeitliche Flachgräber ohne wesentlichen Steinschutz sind in den letzten Jahren sehr in den Vordergrund gerückt worden. Auf Grund eines sehr bedeutenden Materials hat Sophus Müller, Aarbøger 1898, S. 157 flgd. nachgewiesen,. daß die besonders auf der Westseite von Jütland häufigen "Einzelgräber" in mehrere zeitlich zu trennende Gruppen zerfallen, von denen die älteste den "Riesenstuben" gleichzeitig, aber in der ganzen Ausstattung verschieden ist, während die jüngste, den Steinkistengräbern gleichaltrig ist und sich auch in der Ausstattung nähert; Müller sieht in den Einzelgräbern die Bestattung eines neu eingedrungenen, den Erbauern der Hünengräber stammfremden Volkes. Aehnliche Gräber mit ähnlichem Inhalte finden sich in Schleswig=Holstein, Meklenburg, den nördlichen Theilen von Brandenburg und im Gebiete der unteren Oder, und man nimmt an, daß diese Begräbnißform fremd, in einem jüngeren Abschnitte der neolithischen Periode von Süden her eingedrungen ist. (Schumann, Nachr. über deutsche Alterthumsfunde 1898, S. 89.) Die wenigen bisher in Meklenburg bekannt gewordenen Beispiele sind Jahrb. 64, S. 88 besprochen. Ueberall stnd es überwiegend gestreckt gebettete Leichen, doch kommen auch liegende Hocker (z. B. in Ketzin Ost=Havelland, Goetze a. a. O.) oder regellos beigesetzte Gebeine in der Art der Wiligrader vor. Eine so überzeugende Gliederung dieser Grabformen, wie sie für Jütland gelungen ist, ist auf deutschem Boden noch nirgends möglich; eine völlige Analogie für die Form des Wiligrader Grabes weiß ich nirgends nachzuweisen; wir müssen uns begnügen, es in diesem Zusammenhange aufzuführen, genauere Auskunft von weiterer Erforschung des Landes erwartend.
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Das einzige Fundstück, welches erhalten geblieben ist, ist der Schädel. Die folgenden Maaße desselben sind gegeben nach den Messungen des Herrn Dr. Asmus in Teterow, welcher sie uns zu diesem Zwecke mit dankenswerther Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellt hat. Gerade Länge 179 mm, größte Länge 181 mm, Intertuberal=Länge 177,5 mm. - Größte Breite
143,5 mm, Stirnbreite 101,5 mm, Ohrbreite 129 mm, Hinterhauptsbreite 115 mm. - Länge der Schädelbasis 103 mm. Breite der Schädelbasis 104,5 mm. - Ganze Höhe 139 mm, Ohrhöhe 118 mm. - Horizontalumfang 530 mm. - Stirnbogen 135 mm, Scheitelbogen 135 mm. - Vertikaler Querumfang 325 mm.- Gesichtslänge 117 mm, Obergesichtslänge 68 mm, Jochbreite 134,5 mm, Gesichtsbreite 94 mm. Foramen magnum bis Oberkiefer 87,5 mm, F. m. bis Kinn 108 mm, Augenhöhe 31 mm, Augenbreite 41,5 mm, Nasenhöhe 53 mm, Nasenbreite 27,5 mm,
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Gaumenlänge 48 mm. Gaumenbreite 45 mm, Unterkieferwinkelbreite 108 mm, Astbreite des Unterkiefers 35 mm, Kinnhöhe 31 mm. - Indices: Längenbreitenindex 79,3, Längenhöhenindex 76,8, Breitenhöhen 96,9, Gesichtsindex nach Kollmann 86,9, Obergesichtsindex nach Kollmann 50,6, Gesichtsindex nach Virchow 124,5, Obergesichtsindex nach Virchow 172,3, Nasenindex 51,9, Augenindex 74,4, Gaumenindex 93,7.
Das Geschlecht bestimmt Herr Dr. Asmus als männlich, das Alter auf etwa 30 Jahre.
Der Schädel ist ziemlich fest, gut erhalten bis auf einige Verletzungen, die er bei der Entnahme aus dem Boden davon getragen hat. Die Zähne sind gut und vollständig bis auf drei nach der Auffindung verlorne, die Nähte beginnen zu verknöchern.
Nach den oben gegebenen Maaßen ist der Schädel als hochgradig mesocephal, fast brachycephal (breitköpfig), hypsicephal und mittelhoch zu bezeichnen; die Hohe ist bedeutend für einen so breiten Schädel. Der Typus nähert sich ziemlich dem meklenburgischen Wendenschädel, wie ihn neuerdings Asmus ("Die Schädelformen der altwendischen Bevölkerung Meklenburgs", S. 9) festgestellt hat, unterscheidet sich aber durch größere Annäherung an Brachycephalie und durch Länge des Gesichtes.
Ueber steinzeitliche Schädel aus Meklenburg fehlt noch eine zusammenfassende, alle erforderlichen Momente berücksichtigende Untersuchung; die von Brückner (26. Jahresbericht des Museums von Neubrandenburg 1898) behandelt sie nur nach dem Verhältniß des Längenbreitenindex; danach sind die aus neolithischen Steinkammern stammenden Schädel durchweg dolichocephal; eine zweite Gruppe sehr alter Schädel ("Torfschädel" und Schädel aus "Urvolkgräbern") dagegen überwiegend brachycephal. Das stimmt durchaus mit den Beobachtungen in den skandinavischen Ländern, wo neben vorwiegender Dolichocephalie ein starker Procentsatz brachycephaler Schädel in der Steinzeit beobachtet ist. Dagegen würde, nach gefälliger Mittheilung des Herrn Dr. Schumann in Löcknitz, in Pommern ein Schädel von so hochgradiger Mesocephalie, wie der Wiligrader, eine Ausnahmestellung einnehmen. Danach würde also der besprochene Schädel sich in die Reihe der altwendischen Schädel leichter einreihen lassen als in die der steinzeitlichen, aber seine Zugehörigkeit zu der letzteren ist doch sehr wohl möglich.
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In der Nähe des Jahrb. 64, S. 119 besprochenen Hünengrabes von Garvsmühlen befindet sich eine kiesige Erhöhung, auf der Abfälle von Feuersteingeräthen, Splitter, Messer u. s. w. in Masse gefunden sind. Bei der Schenkung der Sammlung des Herrn Beste auf Blengow an das Großherzogliche Museum sind auch folgende von dort stammende Stücke hierher gelangt:
1. Sechs "prismatische Messer" von der bekannten Form (untere Seite glatt, leicht konkav, obere Seite mit einer, oder häufiger, zwei scharfen Kanten), charakteristische Stücke aus weißgrauem, schwarzgrauem oder gelbbraunem Stein; 9-4 cm lang.
2. Zwei "löffelförmige Schaber"; der eine aus dunklem Feuerstein ist auf der oberen Seite nur an den Rändern bearbeitet und zeigt sonst die ursprüngliche, kreidige Oberfläche, die untere Seite ist ganz glatt (ohne sekundäre Bearbeitung) und an der Schneide löffelartig konkav; auf der oberen Seite zeigt der Griff eine hohe Kante, alle Ränder sind scharf zugeschlagen; Länge 11 cm. Das zweite Stück (beistehend abgebildet) unterscheidet sich durch die Farbe (grauweiß), eine stärkere Biegung der Schabfläche und einen stärkeren Mittelgrat; Länge 9,5 cm.
Es ist das erste Mal, daß derartige Geräthe in unsere Sammlung kommen; auch sonst scheinen sie in Deutschland selten zu sein; eines aus Schleswig=Holstein bildet Virchow in der Zeitschrift für Ethnologie 1894, Verhandlg. S. 356, ab. Etwas häufiger sind sie in den skandinavischen Ländern; vgl. S. Müller,vOrdning I, 148, Montelius, Antiquités suédoises 70, aus einem Moorfunde in Uppland, wo acht solche Geräthe zusammen gefunden sind und Rygh, Norske Oldsager 48, ebenfalls aus einem Moorfunde (bei Drontheim); über einzelne in England gefundene Exemplare dieser "spoon-shapeds scrapers" s. Evans, The ancient stone implements, 2. Aufl., S. 308 und 310. In Frankreich, wo die Schaber (grattoirs) ungemein häufig sind, finden sich einzelne recht ähnliche Formen. Dort gehören sie zu einer Gruppe von Altsachen, die man als den Anfang der neolithischen Periode oder auch als die Uebergangszeit zwischen
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paläolithischer und neolithischer Periode bezeichnet, das Campignien Salmons. Es ist im wesentlichen dieselbe Stufe, der in Dänemark die Kjökkenmöddingindustrie in ihrer späteren Entwickelung entspricht. 1 ) (Montelius' 2. Periode des älteren Steinalters.) S. Müller behandelt Aarbøger 1896, S. 343, einige Geräthe, die unserm "Löffel" durch Biegung und dreiteiligen Querschnitt ähnlich werden und in denen er Formen aus dem Ende der Kjökkenmöddingzeit oder Anfang der Dolmenzeit sieht. Auch unsere Schaber werden also in einen sehr frühen Abschnitt der nordischen Steinzeit zu setzen sein.
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Daß die Ostseeküste, besonders in der Gegend bei Wismar, einen außerordentlichen Reichthum steinzeitlicher Gegenstände birgt,
ist seit langem bekannt: Krusenhagen, Redentin, Wismar selbst, Gägelow, Beckerwitz gehören zu unseren ergiebigsten Fundstellen. Dagegen hielt man die westlichen Küstenstriche bis Lübeck hin für verhältnißmäßig arm. Nach neueren Beobachtungen wird es wahrscheinlich, daß dieser Mangel nur ein scheinbarer ist und es hier früher nur an dem erforderlichen Sammeleifer gefehlt hat. So haben neuerdings die Feldmarken von Elmenhorst und Warnkenhagen eine ganze Anzahl besonders schöner Feuersteingeräthe ergeben, von denen wir ein interessantes bei Warnkenhagen gefundenes Stück dem Herrn Pastor Ehlers in Federow (bis vor kurzem in Elmenhorst) verdanken. Der Stein ist weißgrau, mit zahlreichen braunen Flecken. Die Form ist eine ganz ungewöhnliche, nämlich eine gebogene längliche Klinge, mit spitzovalem Durchschnitt; die Länge beträgt, gemessen auf der Oberfläche 17 cm, zwischen den Endpunkten 16 cm; unten ist das Geräth 2 cm breit, weitet sich dann allmählich zu 3 cm und endet in einer Spitze; die Dicke ist nicht gleich=
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mäßig, sondern wächst von den scharfen Rändern zu 1,5 cm. Das Messer ist kleinmuschlig geschlagen und an den Seiten zu einer zackigen Schneide nachgedengelt.
Vollständig gleiche Stücke sind mir nicht bekannt. Es schließt sich an die Jahrb. 63, S. 42 behandelte Grundform I a der Klingen, die überwiegend als Dolche oder Lanzen gedient haben werden. Daß solche Klingen auch gelegentlich als Messer benutzt sind, zeigen Stücke wie Sophus Müller, Ordning I, 150, wo die beiden Seiten unsymmetrisch geformt sind; noch deutlicher ist die Messerform bei den von Evans, The ancient stone implements 2. Aufl. S. 356 flgd. behandelten englischen Stücken. Von den gekrümmten Stücken der älteren Zeit der Steinperiode, wie wir sie oben bei dem Schaber von Garvsmühlen zu besprechen hatten, sind sie sicher zu trennen.
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Religiöse Toleranz war dem 17. Jahrhundert und dem Anfang des 18. im Allgemeinen fremd. Cujus regio, ejus religio war der fast überall herrschende Grundsatz. Nur die niederländische Republik machte hierin eine Ausnahme. Abgesehen von der kurzen Zeit der Unduldsamkeit gegen den Arminianismus, konnte wohl jede religiöse Meinung sich hier ungestört entfalten und Anhänger gewinnen. So geschah es, daß die Niederlande fast ein Tummelplatz von allerlei unruhigen Geistern und wunderlichen Heiligen wurden. Labadie und die Schürmann, Poiret, Giftheil, Breckling, Gichtel, die Cevennenpropheten u. ä. trieben hier ihr Wesen. Die zuletzt genannten sind auch für Deutschland von einiger Bedeutung geworden. Denn von ihnen sind die sogenannten Inspirirten ausgegangen. Gruber und Rock waren im mittleren Deutschland die bedeutendsten Vertreter derselben. Ihre Niederlassung in der Wetterau und ihr Verhältniß zu Zinzendorf haben sie bekannt gemacht. Unbekannter sind dagegen Inspirirte in Norddeutschland. Bei der hier herrschenden ruhigeren Gemüthsart ist eine nennenswerthe Ausbreitung einer krankhaft über=
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spannten mystischen Richtung von vornherein nicht so sehr zu erwarten. Hinzu aber kommt wohl, daß hier in den größeren Territorien das Gefüge der Kirche fester war, als in dem zerstückelten Mitteldeutschland. Wenigstens finde ich, daß in Meklenburg Staats= und Kirchengewalt sofort energisch Hand in Hand gegen das "fanatische Gift" einschreiten und den bescheidensten Anfang einer Sektenbildung schon im kleinsten Keime ersticken. Aus dem Archiv des Geistlichen Ministeriums zu Rostock läßt sich eine ziemlich lückenlose Darstellung der Maßregeln gegen die Inspirirten, so viel oder vielmehr so wenig deren in Rostock aufgetreten sind, entnehmen. Eine solche sei im Folgenden versucht.
Der Superintendent von Krakewitz erhielt, - die Zeit kann ich nicht bestimmen - ein Reskript des Herzogs Karl Leopold, in dem seine Aufmerksamkeit auf diese Leute gelenkt wurde. 1 ) Es war nämlich ein Kapitän Bernhardt in Bützow wegen Schwärmerei in Haft gebracht und bei ihm ein Brief des aus Berlin stammenden 2 ) Porträtmalers Joachim Georg Rhete in Rostock gefunden worden, aus dem hervorging, daß dieser Rhete und ein Schuster Joachim Schönfeld zu derselben Sekte mit Bernhardt gehörten. Der Herzog befahl nun Krakewitz, diese Leute "zu vermahnen und ihnen ihre Thorheit gebührend unter die Augen zu stellen". Krakewitz übergab die Sache dem Professor Dr. Engelcken, dem damaligen Dekan der theologischen Fakultät. Da Rhete verreist war, ließ Engelcken den Schuster Schönfeld zu sich kommen und ermahnte ihn, von seinen Verkehrtheiten abzulassen. Er hatte zuerst die Absicht, in Gegenwart der Fakultät damit fortzufahren; als er aber erwogen, daß die Angelegenheit vor allem vor die Rostocker Prediger gehöre, übergab er sie dem Geistlichen Ministerium.
Das Ministerium beschloß 3 ) "die von Christo selbst vorgeschriebenen gradus brüderlicher admonition und Bestrafung sorgfältigst zu observiren" und beauftragte deshalb die Spezialbeichtväter Rhetes und Schönfelds, mit denselben zu sprechen, sie zu verhören, zu unterrichten u. s. w. Infolgedessen zitirte der Pastor an St. Marien Dr. J. J. Weidner 4 ) auf den 10. Januar 1718
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den Schuster Schönfeld vor sich. 5 ) Dieser erschien Nachmittags 3 Uhr. Weidner stellte ihm zuerst seine tiefe Bekümmerniß über die groben Irrthümer seines Beichtkindes vor und begann dann das eigentliche Verhör mit der Frage nach seinem Verhältniß zu dem Kapitän Bernhardt. Schönfeld gab zu, daß er denselben nicht nur kenne und, meist durch Vermittelung von Soldaten, mit ihm korrespondire, sondern ihn auch für einen Bekenner und Märtyrer der Wahrheit halte. Gefragt, was für eine Wahrheit denn das sei, bekannte er offen, Bernhardt lehre, daß Christus bald kommen werde zum tausendjährigen Reiche und alle Bosheit und Ungerechtigkeit der Welt ausrotten, und zwar werde er das alles hinausführen in dem König von Schweden, Karl XII. Wann dieses Reich kommen werde, das stehe bei dem Herrn. Dabei berief er sich auf Apoc. XX. und Jerem. XXX. Obwohl Weidner ihm vorstellte, wie ungereimt es sei, den König von Schweden für den Messias zu halten, blieb er hartnäckig bei seiner Meinung und suchte sie aus der Schrift zu beweisen. Als Aufgabe desselben stellte er hin, Babel zu zerstören, und unter diesem Namen befaßte er Rom, den Papst, alle Heiden, überhaupt alle Abgötterei und Sünde, endlich die Gottlosen auch in unserer Kirche. Gegen letzteres legte Weidner großes Gewicht darauf, daß diese Gottlosen doch Erkenntniß des dreieinigen Gottes, des Mittlers Jesus und der Mittel des Heils besäßen, und suchte zu beweisen, daß sie darum doch nicht zu Babel gerechnet werden dürften. Schönfeld aber meinte, auch die eigentlichen Heiden hätten wohl Erkenntniß Gottes, denn Christus erleuchte sie auch. Entrüstet fragte Weidner, ob er denn glaube, daß so gotteslästerliche Rede Gott gefallen könne. Die Antwort war, er sei festiglich der göttlichen Gnade versichert, und Gott werde schon offenbaren, daß er nicht irre.
Bei diesem Gespräch kam also nichts heraus, und in seinem Bericht an das Geistliche Ministerium räth deshalb Weidner, man möge die Leute vor gesammtem Ministerium noch einmal verwarnen, alles wohl zu Papier bringen und die Sache der Obrigkeit übergeben. Er wollte also kurzen Prozeß machen. Zu überzeugen seien solche Menschen doch nicht, meint er, wenn sie auch zuerst nach "erfolgter Schärfe" ihren Irrthum aufzugeben schienen; freilich könne Gott in seiner Allmacht auch sie bekehren.
Von viel größerer Begabung als dieser ziemlich unbedeutende Schönfeld war augenscheinlich der Porträtmaler
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Joachim Georg Rhete. Ihn lud der Archidiakonus 1 ) Petrus Becker an St. Marien zu sich. Am 14. Januar 1718 fand das Verhör desselben statt. Rhete erklärte sich willig, seinen Glauben zu bekennen, und erlaubte auch, daß Frage und Antwort aufgeschrieben würden. Gleich von vornherein betonte er aber feierlichst, er sei kein Lehrer, die Streitfragen nicht gewohnt, lasse sich also mit keinem Menschen in Disput ein; er werde alles anhören, aber nichts glauben, bis er innerlich in seinem Herzen vom Geist der Wahrheit überführt sei. Becker sagt in seinem Bericht 2 ): wenn ihm etwas aus Gottes Wort entgegengehalten worden sei, so habe er geantwortet: "das sage ich, das meine ich, nach meiner Erklärung"; er wolle bei dem innerlichen Spruch des Geistes bleiben, es gehe ihm wie es wolle. Aus Beckers Bericht geht hervor, daß Rhete mit Bernhardt 1716 bei Gelegenheit der Feuersbrunst in Bützow bekannt geworden war. Ueber seine Lehrmeinungen gab er freimüthig Auskunft. Nicht allen Lehrsätzen Bernhardts messe er Glauben bei, aber das Fundament, darauf sich dessen Glaube gründe, glaube er steif und fest. Dieses Fundament sei, daß der Herr Christus vor dem jüngsten Gericht kommen werde, auf Erden das tausendjährige Reich aufrichten und also seine zerstreuten Gläubigen unter seinen Hirtenstab zusammenbringen. Die Art, die Zeit, der Ort sei ihm nicht bekannt; Grund dieser Lehre sei die Heilige Schrift, sonderlich die Offenbarung Johannis. Becker suchte ihm "ordentlich, weitläufig, gründlich" zu demonstriren, daß die betreffenden Worte der Apokalypse nicht so zu verstehen seien, und bat ihn, er möge sich doch besinnen und sich bedeuten lassen. Aber vergebens. Rhete entgegnete, er disputire nicht, er könne alles anhören, aber nicht alles glauben; er bleibe bei seinem Glauben, man sage, was man wolle. Ebenso wie Schönfeld behauptete er, der König von Schweden sei der Messias; derselbe werde Herr werden über die ganze Welt. Auf Beckers Einwurf, wie es denn möglich sein solle, daß Christus, wahrer Gott und Mensch, in den König von Schweden fahren könne, meinte er, wenn der Sohn Gottes Fleisch und Blut annehmen könne aus dem Leibe der Jungfrau Maria, warum denn auch dies nicht solle geschehen können? Auf weitere Fragen bekannte er, daß er in Holland von einem
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guten Freunde zu den Inspirirten geführt sei; vorher habe er von ihnen nichts gehört, noch von Inspiration gewußt. Nach der Zeit hätten sie ihm wohl "Ansprachen" zugesandt; diese verdeutsche er jetzt, wenn er Zeit habe.
Darauf kam Becker auf den Hauptpunkt und fragte, ob Rhete diese Aussprachen für göttliche Offenbarung halte, und welchen Grund er habe, dies zu thun. Dieselben müßten von Gott sein, lautete die Antwort, weil er noch nie auf der Welt Menschen gefunden habe, die so wie jene in der Furcht Gottes und in der Liebe wandelten. Im übrigen entgegnete er fast stets, die Fragen Beckers liefen auf Disputation hinaus, damit wolle man ihn verschonen.
Natürlich lag Becker viel daran, die Verbreitung der Sekte zu erkunden. Aus Rhetes Antworten, die sich hierauf beziehen, erfahren wir nur, daß er einen in dem Briefe an Bernhardt erwähnten "Bruder" nicht hat nennen wollen und bestritten hat, daß er versucht habe, andere in seine Gemeinschaft hinüberzuziehen. Zu dem sog. Gesicht der Debora von Vilvorden, 1 ) das seine und Bernhardts hohe Stellung bei den holländischen Inspirirten deutlich bezeugt, bekannte er sich ausdrücklich. Er gab an, Debora sei eine holländische Buchhalterfrau, die das Gesicht dem Bernhardt "communiciret" habe; auf des letzteren Verlangen sei es von ihm ins Deutsche übersetzt. Da Rhete keiner Belehrung zugänglich war, blieb auch diese Unterredung ohne jeden Erfolg.
Einige Tage darauf, am 21. Jan. 1718, richtete Rhete ein Schreiben an Petrus Becker, in welchem er sich wieder ausdrücklich zu seinen Ansichten bekannte und sich bereit erklärte, vor dem Geistlichen Ministerium, vor dem Landesfürsten, ja vor Papst, Türken, Kaiser und der ganzen Welt seinen Glauben zu bezeugen, wie seine Genossen in Amsterdam am 7. März 1717 vor Sr. Czarischen Majestät 3 Stunden lang gethan. 2 ) Er fügte aber hinzu: weil er fürchte, daß die Prediger sich arg ver=
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sündigen würden, wenn sie behaupteten wie Petrus Becker, daß die lutherische Kirche die Inspirirten verdamme, so bitte er, man möge ihn und seine Genossen in Ruhe lassen, sie hätten ihrerseits niemanden beunruhigt; wenn man etwas thun wolle, so möge man Bernhardts Schriften widerlegen.
Aber man meinte, ihn nicht in Ruhe lassen zu dürfen. Rhete wurde auf den 18. Februar vor das Geistliche Ministerium zitirt. Er erklärte am 17. brieflich 1 ) seine Bereitwilligkeit, zu erscheinen, sagte aber dabei, er sei des unnützen Streitens überhoben, weil der höchste Gott des unnöthigen Disputirens bald ein Ende machen werde. Auch Schönfeld wurde auf denselben Tag geladen.
Um 10 Uhr Morgens trat das Ministerium zusammen unter dem Vorsitz des Director ministerii Magister Zeidler, Pastors an St. Petri. 2 ) Schönfeld wurde zuerst vorgefordert und ermahnt, auf die gestellten Fragen klare und aufrichtige Antwort zu geben. Die erste Frage, die Zeidler an ihn richtete, betraf den Punkt, um den es sich hauptsächlich handelte: ob er glaube, daß es auch jetzt noch, nachdem wir die Heilige Schrift hätten, unmittelbare Offenbarungen Gottes gebe. Schönfeld wich aus und sagte: er glaube, daß die Bibel Gottes Wort, aber nicht der Geist sei, sondern Gottes Wort sei der Same, durch den der Geist in uns erweckt werde; der Geist sei schon in dem natürlichen Menschen, ehe er Gottes Wort angenommen, als ein Stück von Gott, das nachmals durch die Worte der Heiligen Schrift in uns entzündet und angeflammt werde. Zum Beweise berief er sich auf Röm. 2, 14. Aber Zeidler fragte wiederum, ob es denn heute noch unmittelbare Offenbarungen gebe, und nun bejahte Schönfeld ohne Weiteres. Daß sie von Gott kämen, das wisse er aus eigener Ueberzeugung und Erfahrung; der Schriftbeweis stehe Phil. 3. Aus den Offenbarungen der ersten christlichen Zeit schloß er, daß es solche auch in der letzten geben müsse, sonderlich, wenn der Herr zum tausendjährigen Reich komme, um den Antichristen zu vernichten. Dieter letztere sitze schon jetzt im Tempel Gottes, bei allen Sekten, ja auch bei den Lutheranern. Endlich könne Gott doch thun, was er wolle, mithin auch neue Offenbarungen geben. Da Schönfeld sich auf ein deutliches Schriftwort hierfür nicht berufen konnte, erklärte ihm Zeidler "mit weitläufigen, schönen Umständen", daß die Zeit
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der Offenbarung mit dem letzten Apostel aufgehört habe, erzielte jedoch keinen Eindruck. Den Zweck der angeblichen Offenbarungen setzte Schönfeld darein, daß das Evangelium Christi verdunkelt sei und, da es sich nicht selbst aufdecken könnte, der liebe Gott Leute durch Offenbarungen ausrüsten müsse, die dazu geschickter wären als die Unwiedergeborenen. Als man ihn nun fragte, ob denn nach seiner Meinung alle unwiedergeboren seien, die solchen Offenbarungen widersprachen, antwortete er mit einem klaren Ja! Da drang Zeidler in ihn, zu erfahren, ob er denn sämmtliche Prediger in Rostock für unwiedergeboren halte. Er erwiderte jedoch vorsichtig, das wisse er nicht, ein Richter sei er nicht; wenn sie aber die Offenbarungen für Gräuel, ja für Teufelslehre hielten, so könne er sie nicht als wiedergeboren anerkennen; demnach könnten sie nicht nach Gottes Willen gültig predigen, taufen und Abendmahl verrichten. Bei diesen Aussagen entspann sich eine Erörterung über das Wesen der Taufe. Schönfeld lehrte, daß dieselbe die Wiedergeburt nicht schenke, da sie den Glauben nicht gebe, sie sei der Bund eines guten Gewissens mit Gott.
Zeidler lenkte nun wieder auf den Hauptpunkt zurück und fragte, ob denn Gottes Wort an sich nicht klar und demnach einer besonderen Offenbarung bedürftig sei. Die Heilige Schrift sei allerdings an sich klar, meinte Schönfeld, aber wenn die Menschen sich durch das eine Mittel nicht ziehen ließen, so brauche Gott das andere; woher aber jene Einsprachen kämen, das könne ein Mensch nicht aussprechen. Auf weiteres Befragen sagte er aus, er habe sich nicht halten können, als er in der Kirche Dinge vom Priester gehört, die er besser wisse, namentlich, als Dr. Weidner am 8. p. Tr. über die falschen Propheten gepredigt; gesagt habe er aber niemandem von diesem seinem innerlichen Triebe, es vielmehr Gott übergeben, ob und wann er es offenbar machen wolle. Seit der Zeit sei er bei Weidner nicht zur Beichte und zum Abendmahl gekommen, sondern in eine andere Kirche gegangen. Zeidler: Ob er denn wirklich glaube, daß Christus in den König von Schweden gefahren sei? Schönfeld: Das habe er nie gesagt, das seien Bernhardts Sätze. Wohl aber glaube er, daß der König von Schweden sei aus dem Samen Abrahams nach dem Fleisch; dieser sei der, von dem geschrieben stehe, daß er mit eiserner Ruthe die Gottlosen zerschlagen werde, auf den die Worte gingen: Du bist mein Sohn, heute habe ich Dich gezeuget; er sei der Messias, auf den die Juden hofften, u. s. w. Als man ihm nun deutlich machte,
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daß dies mit der Lehre von der Trinität Gottes nicht stimme, und man ihn fragte, ob er denn glaube, daß Christus die zweite Person der Gottheit sei, gab er zur Antwort: die Gottheit Christi glaube er, von einer Person wisse er aber nichts; Gott sei ein unbegreifliches Wesen, von drei Personen stehe nichts in der Bibel. Darauf wurde er entlassen.
Am 21. Februar wurde das Verhör fortgesetzt. 1 ) Zeidler suchte Schönfeld die kirchliche Lehre von der Trinität deutlich und glaubhaft zu machen. Wie zu erwarten war, gelang dies nicht, und der Schuster bat schließlich, man möge ihn verschonen, was er glaube, das wisse er von Gott. Mit demselben Mißerfolge wurde über das natürliche Vermögen des Menschen und über die neuen Offenbarungen hin= und hergeredet. Als zum Schluß Zeidler auf Karl XII. zurückkam und fragte, ob Schönfeld denn meine, daß derselbe sich selbst für den Messias halte, erhielt er die Antwort: wenn jener vor ihm stünde und es leugnete und sagte: Ich bin es nicht, so wolle er doch sagen: Du bist es, und wenn er ihm den Kopf wegschlagen ließe. Da die Entgegnungen der Prediger keinen Eingang bei ihm fanden, 2 ) wurde er mit dem Spruche: "Hütet euch vor eurem Geist" entlassen.
Rhete war ebenfalls auf den 18. Februar geladen worden, aber nicht vorgekommen. Am folgenden Tage schrieb er in seiner heftigen Art einen Brief an Petrus Becker und beschwerte sich hierüber mit allerlei "ungebührlichen und lästerlichen Redensarten". Am 23. Februar sollte mit ihm verhandelt werden. In einer vorläufigen Unterredung mit Zeidler weigerte er sich aber "mit ungestümen Worten" zu kommen, und als im Auftrage des Ministeriums ihn Becker "mit Vorstellung allerhand freundlicher conditiones einladen und heranziehen" wollte, war er schon früh Morgens "hinaus aufs Land" gereist. So wurde nichts aus der Konferenz des Ministeriums mit Rhete.
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Inzwischen war diese Angelegenheit in der Stadt vielfach besprochen und natürlich auch zu den Ohren des Raths gekommen. Derselbe war mit dem Vorgehen der Prediger nicht einverstanden. Vielleicht empfand er es sehr, daß Karl XII., der ein Freund des mit der Stadt in Streit befindlichen Herzogs Karl Leopold war, solche Sympathien in Rostock genoß, und glaubte wohl bei der bekannten Zuneigung der Geistlichen für den Herzog auf jeden Fall sicherer zu gehen, wenn er diesen die Regelung der Sache nicht allein überließ. Jedenfalls aber fühlte er sich in seinen Rechten verletzt. Und zwar nicht ohne Grund, denn nach dem Erbvertrage von 1584 1 ) (§§ 4-6) sollten Bürger und Einwohner der Stadt, die in den Verdacht irriger Lehre gekommen seien, zuerst von den zuständigen Predigern, wenn dies aber nichts helfe, von dem Rath und dem Ministerium gemeinsam vermahnt werden; führe auch dies nicht zum Ziele, so sollte Rath und Ministerium an den Landesfürsten berichten und dieser durch das Konsistorium in Rostock oder andere Theologen das Urteil fällen, dessen Exekution dem Rath zustehe. Darum wandte sich der Rath mit einer Beschwerde an das Geistliche Ministerium, und dieses erkannte an, daß es seine Kompetenz überschritten hatte, indem es in einen mit dem Rathe gemeinsamen Konvent willigte. 2 )
Freitag, den 25. Februar 1718, Vormittags 11 Uhr, versammelten sich im Amtszimmer des Geistlichen Ministeriums die Deputirten beider Kollegien. Der Rath hatte den Bürgermeister Tielke und die Senatoren Müller und Dr. Meier abgeordnet, das Ministerium die Pastoren der Hauptkirchen, Zeidler, Petrus Becker, Weidner und Lehmann. 3 ) Rhete hatte seinen harten Sinn erweicht und war auf die Vorladung erschienen. Die Untersuchung drehte sich um dieselben Punkte wie früher. Aber Rhete blieb standhaft bei seinen Ansichten. So kam eigentlich nichts Neues zum Vorschein. Nur Weniges verdient erwähnt zu werden. Man erkundigte sich bei ihm nach seiner Bekanntschaft mit dem Monsieur Schack. Rhete sagte aus, er kenne ihn seit etwa 5 Wochen, derselbe habe ihm einen Brief von Bernhardt überbracht und speise jetzt alle Tage bei ihm; sie läsen
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ein Kapitel aus der Bibel, erbauten sich und examinirten einander, ob sie noch "was Sündliches an sich hätten", vom tausendjährigen Reich sprächen sie nicht. Die Ursache der Anwesenheit des Schack behauptete er nicht zu kennen. Auch seine Bekanntschaft mit dem Pastor Vanter zu Kuhlrade (bei Ribnitz) gab er zu und bekannte, an denselben Briefe befördert zu haben. 1 ) Darauf wurde auch Schönfeld gerufen. Man verhandelte jedoch nicht weiter, sondern befahl beiden sub poena carceris, sich aller Zusammenkünfte zu enthalten und ihre gefährlichen Irrthümer nicht weiter auszubreiten. Mit dem Versprechen, sie später wieder vorzuladen, entließ man sie. Darauf beschloß die Deputation, bei den folgenden Sessionen beide ad protocollum zu vernehmen, ihnen ausführlich ihre Irrthümer zu widerlegen und erst, wenn das erfolglos bleibe, die Akten nebst Relation an den Herzog zu weiterer Verordnung zu senden.
Schon am 1. März wurde Schönfeld wieder verhört. Aus den Akten ist darüber nichts wesentlich Neues zu entnehmen, nur daß er angab, von Rhete einige holländische Aussprachen erhalten zu haben, unter anderen ein Buch mit dem Titel "Allarmgeschrei"; jener erhalte solche Dinge durch Knechte und Mägde in Holland, die er dort kennen gelernt habe. 2 ) Am 27. Oktober folgte noch eine Besprechung mit ihm, aber wieder ohne Erfolg.
Der oben erwähnte, durch den Erbvertrag gewiesene modus procedendi wurde jedoch nicht ergriffen, sondern man wandte alle Mühe an, Schönfeld privatim von seiner Irrlehre abzubringen. Weidner und Becker gelang es endlich, ihn zum Nachgeben zu bestimmen. Wie sehr in Aussicht gestellte Strafen mitgewirkt haben, den Schuster mürbe zu machen, entzieht sich unserer Kenntniß. Leicht wird diese Bekehrung jedenfalls nicht gewesen sein. Denn erst am 24. Oktober 1719, also nach einem
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Jahre, konnte der Bürgermeister Tielke der versammelten gemeinsamen Deputation die frohe Kunde mittheilen, daß jener widerrufen wolle. 1 ) Der Schuster wurde vorgefordert und bekannte sich zu einem völlig rechtgläubigen "Bekenntniß", das Becker entworfen und eingehend mit ihm durchgesprochen hatte und in dem alle Irrthümer zurückgenommen wurden, mit Ausnahme seiner Ansicht über das tausendjährige Reich, in Betreff dessen er sein Urtheil sich vorbehielt. Die Deputirten gaben ihrer Freude über den guten Erfolg Ausdruck und kündigten Schönfeld an, daß man ihn nun wieder ad sacra admittire, daß jedoch an dem Sonntage, an dem er zum ersten Male das Abendmahl empfange, von der Kanzel der Marienkirche, bei der er eingepfarrt war, der Gemeinde ohne Nennung seines Namens angezeigt werden solle, daß ein Verirrter zu der Wahrheit zurück gekehrt sei. Wegen des tausendjährigen Reiches wies man ihn an seinen Beichtvater und forderte schließlich von ihm, daß er auch seine Frau zu bekehren suche, was er auch versprach.
Die letzte Vernehmung Rhetes hatte am 25. Februar 1718 stattgefunden. Auf Dienstag, den 2. November 1718, wurde er wieder geladen. 2 ) Inzwischen hatte er in einem Briefe an den Bürgermeister die Prediger sehr mitgenommen, sie Ungläubige genannt und gesagt, die Gemeinde habe im Gotteshause gefragt: "Wo sind die Priester? Wir wollen sie zu Tode steinigen." Im Verhör bekannte er sich zu diesem Briefe. Als man ihn dann hart anließ, wie er die Prediger so habe schelten können, vertheidigte er sich damit, daß er sagte, sie hätten nicht glauben wollen, daß Karl XII. der Messias sei, da doch Gott ihm solches zu schreiben eingegeben, also seien sie Ungläubige. Daß er damit denselben an ihre Ehre gegriffen hätte, wollte er nicht zugeben. Wegen des Redens der Gemeinde in der Kirche bezog er sich auf das Zeugniß der beiden Schönfeld, des Schusters und des Schulmeisters; die hätten ihm gesagt, daß besonders die gemeinen Leute so geredet hätten. Namen zu nennen weigerte er sich, wollte auch über den Glaubensstand des Lehrers nichts wissen. Eingehender war die Untersuchung über eine von ihm herrührende (wohl holländische) Uebersetzung der Aussagen von Propheten, die 1717 in Rostock gewesen waren. 3 ) Er
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gab vor, diese Schrift wäre in der Stadt allgemein im Schwange gewesen, er habe sie vor etwa einem Jahre von Pastor Vanter in Kuhlrade erhalten und sie, wohl in der Uebersetzung, durch den Kaufmann Benedix Hein am Schilde mit einem Briefe nach Holland zu schicken versucht, weil die dort hätten die Wunder hören wollen, die am hiesigen Orte geschehen seien. Sie durch Hinwerfen auf den Straßen in Rostock verbreitet zu haben, bestritt er entschieden. Bei dieser Gelegenheit kam auch zur Sprache, daß Rhete seine Kunst als Maler benützt hatte, um seine Ansichten zu verbreiten. Er hatte das tausendjährige Reich bildlich dargestellt und je ein Exemplar seines Gemäldes an den Obersten von Vietinghof nach Schweden, an den Wismarschen Superintendenten und an den Superintendenten Schumann in Schwerin gesendet. Von den beiden letzteren war ihm sein Bild zurückgeschickt worden. Getrieben sei er, so gab er an, zu diesen Schritten durch eine Stimme, die ihm beständig zugerufen: "Verflucht sei, wer des Herrn Werk nachlässig treibt".
Da er durchaus zu einem Widerruf nicht zu bewegen war, mußte man unverrichteter Sache auseinandergehen. Zur weiteren Verhandlung wurde aber ein ausführliches Schriftstück aufgesetzt, nach dem Rhete examinirt werden sollte. Am 22. November 1718 wurde er wieder vorgefordert; jedoch abermals ohne den geringsten Erfolg. Man verzichtete deshalb auf ein ausführliches Verhör und beschloß, nach Maßgabe der Erbverträge die Sache an Serenissimus abzugeben.
Daß letzteres wirklich geschehen sei, kann ich aus den Akten nicht nachweisen. Vielmehr spricht alles dagegen. Aber von weiteren Verhandlungen mit Rhete vernimmt man auch nichts. Auch scheint man den Weg privater Belehrung desselben nicht beschritten zu haben. Augenscheinlich hat man die Sache einfach ruhen lassen. Aber warum? Die Hoffnung, den Mann überzeugen oder überreden zu können, hatte man wohl aufgegeben, während man bei dem unbedeutenderen und von Rhete nur verführten Schönfeld auf diesem Wege zum Ziele zu kommen hoffen durfte. An den Herzog die Sache abgeben, wie man ja hätte thun sollen, wird aber der Rath nicht gewollt haben. Denn der Stadt, die in Verbindung mit der Ritterschaft, dem Kaiser, Hannover u. s. w. mit Karl Leopold im heftigsten Streite lag, konnte nicht erwünscht sein, daß demselben eine Handhabe geboten wurde, sich in die städtischen Angelegenheiten ein=
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zumischen. Auch wenn die Prediger anders dachten, so konnten sie nicht mit ihrer Meinung durchdringen, da der Bürgermeister in der gemeinsamen Deputation den Vorsitz führte.
Am 11. Dezember 1718 aber ging Rhetes Messias, Karl XII., den Weg alles Fleisches und starb. Wir dürfen wohl vermuthen, daß dies auf den erregten Mann beruhigend gewirkt und ihn zur Selbstbesinnung geführt hat. Jedenfalls aber ist er durch den Tod seiner Frau, der ungefähr in diese Zeit fällt, dazu getrieben worden, das abgebrochene Verhältniß zur Kirche wiederherzustellen. Rhete war nämlich, wie Schönfeld, vom Abendmahl abgewiesen worden und hatte, in Erregung hierüber, als seine Frau ihrem Ende entgegenging, keinen Prediger zu ihr rufen lassen. Diese Unterlassung bedrückte ihn nachträglich, und da er selbst die Entbehrung des Sakraments schmerzlich empfand, richtete er am 13. Dezember 1721 ein Schreiben an Zeidler, den Director ministerii, 1 ) in dem er die Schuld dafür, daß seine Frau ohne geistlichen Trost gestorben sei, auf seinen Beichtvater schob, weil derselbe ihn abgewiesen habe und wo der Mann, da auch die Frau sein müsse. Ferner bat er, ihn wieder zum Abendmahl zuzulassen mit Vermeidung aller unnützen Disputationen. Werde jedoch seine Bitte nicht gewährt, so müsse er an den Herzog appelliren, fügte er hinzu; er versehe sich aber eines gütigen liebreichen Vergleiches. Zugleich überreichte er eine Schrift: "Einfältig Bekenntnis nach der Heiligen Schrift". In derselben legte er nicht nur ein vollkommen rechtgläubiges Bekenntniß ab, sondern erkannte auch die Prediger der Stadt als ordentlich berufene Lehrer an, die man nicht lästern dürfe. Einen eigentlichen Widerruf seiner früher aufgestellten Sonderlehren gab er jedoch nicht; die Lehre vom tausendjährigen Reiche überging er ganz.
Dieses Bekenntniß wurde aber als nicht genügend erachtet, und die Verhandlungen begannen wieder. Es lohnt sich jedoch nicht der Mühe, dieselben hier weiter zu verfolgen. Sie schleppten sich noch 4 Jahre hin. Unter den Akten findet sich unter dem 19. September 1725 ein eigenhändiges Bekenntniß Rhetes als "endliche Konfession" desselben. 2 ) In 10 Sätzen wiederholt er
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hier zuerst sein Bekenntniß vom Dezember 1721 und fügt dann noch zwei weitere Sätze hinzu, in denen er seine Sonderlehren widerruft, seine Ausfälle gegen die Prediger zurücknimmt und verspricht, bei etwaigen "Skrupeln" in Glaubenssachen sich zu dem von Gott verordneten Predigtamte, insonderheit zu seinem Beichtvater, zu halten und von demselben Unterricht aus Gottes Wort zu suchen. Er schließt mit der Erklärung, daß sein Beichtvater dieses seines Bekenntnisses auf der Kanzel gedenken dürfe, "nachdem er es nötig erachtet".
Damit wird die ganze Sache erledigt gewesen sein.
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B eim Siebmacher ist das Wappenbild der von Levetzow als ein Feuerwedel dargestellt 1 ) und vermuthlich auf Grund dieser Abbildung von M. J. Beehr als flabellum bezeichnet. 2 ) Auch von Meding nennt es einen Feuerwedel 3 ) und von Retberg führt neben den Pommerschen Weyher und von Obelitz, zu denen er noch die Bernevür und die Holsteinischen Stake hätte fügen können, die von Levetzow als solche auf, die einen Wedel im Schilde führten, sagt aber freilich an einer anderen Stelle, daß die von Levetzow und die Westfälischen Schele ein Gatter, und zwar ein Fallgatter, als Schildfigur hätten, welches manchmal oben mit drei Ringen versehen sei, eine Behauptung, die bezüglich der von Levetzow durchaus irrtümlich ist. 4 ) Als ein Fallgatter, ein gestürztes, bestehend aus queren und spitz auslaufenden aufrechten Stangen, Schienen oder Pfählen, mit einem Kolben, Fuß, oder wie man es nennen will, am Obertheile, also unten, versehen, bildete auch Masch die Schildfigur ab 5 ) und von Lehsten sagt, dieselbe sei ein Fallgatter von fünf in die Quere und fünf in die Länge gelegten Balken, welch letztere oben in Spitzen ausliefen, unten durch einen "breiten Fuß" zusammengehalten
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würden. 1 ) In seinem Wörterbuch der heraldischen Terminologie nennt es von Querfurth ein Schutzgatter oder Fallgatter, oben mit fünf Spitzen versehen, unten auf einem Postament stehend. 2 ) Endlich giebt Hefner an: aufrecht gestellt ein rothes Fallgatter (alias Bratrost, noch wahrscheinlicher aber ein Feuerwedel . . .), und bildet eine rostähnliche Figur ab, die für von Lehstens "breiten Fuß" einen in einen Ring auslaufenden kurzen Stiel hat, während eine zweite Darstellung geradezu einen Feuerwedel zeigt. 3 ) Masch ist dem schon entgegengetreten und hat versichert, das von Levetzow'sche Wappenbild sei ein Fallgatter. 4 )
Schwerlich ist dies Wappenbild in neueren Zeiten, und vielleicht niemals, M. J. Beehr ausgenommen, von Jemandem innerhalb Landes für einen Feuerwedel oder gar Bratrost angesehen worden und vielmehr wohl allgemein als Fallgatter betrachtet, ohne freilich zu fragen, was an einem solchen von Lehstens "breiter Fuß" zu thun habe; daß derselbe das Gatter zusammenhalten solle, erscheint als bloße Verlegenheitsphrase und besagt durchaus gar nichts, da ein Gatter durch Niete oder Nägel zusammengehalten wird. Ein "Fuß" würde dazu gänzlich überflüssig sein und dem Gebrauche des Fallgatters hindernd in den Weg treten, denn ein solches, aus einem Gitter von Eisenstangen oder Pfählen bestehend, ist mittelst Ringe an Ketten oder Tauen aufgehängt, die über eine Walze laufen, so daß das Gatter, welches in einem Falze der Thorleibung auf= oder abwärts sich bewegt, je nach Umständen aufgezogen und niedergelassen werden kann. Wenn nun aber jener "Fuß" für ein Fallgatter ebenso hinderlich wie unnöthig ist, aber auf keinem von Levetzow'schen Siegel u. s. w. fehlt, so liegt die Schlußfolgerung nahe, daß die Schildfigur kein Fallgatter, sondern etwas Anderes sei.
Um zu klarer Erkenntniß des Thatbestandes zu gelangen, ist es geboten, die Siegel aus guter Zeit zu fragen, aus jener Zeit, wo Schild und Helm noch im öffentlichen Leben in Wirklichkeit sich zeigten, nicht bloß gemalt, geschnitzt, gegraben, gestickt wurden, wo die Heraldik noch etwas Lebendiges war. Bis zum Jahre 1385 sind zwölf verschiedene Siegel der von Levetzow bekannt geworden und davon drei im M. U.=B. abgebildet,
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nämlich das älteste, das des Ritters Günther von 1313 zu Nr. 3654, das Günthers von Willershagen von 1329 zu Nr. 5014 und dasjenige Arnds (Helm=Siegel) von 1356 zu Nr. 8202, während nur verzeichnet und beschrieben sind die Siegel zu Nr. 6821, 9325, 9939 A, 9998, 10183 und 10459. Hätte man diese sämmtlich vor Augen, so dürfte die Feststellung der Schildfigur leichter und zuverlässiger sein, da aber jenes nicht thunlich, so müssen die abgebildeten Siegel genügen, und das dürften sie auch in der That.
1. |
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1. Siegel von 1313; auf einem massiven Sockel, dessen Breite ungefähr der halben Breite der ganzen Structur gleich ist und dessen Höhe fast drei Viertel seiner Breite mißt, ist ein Ständer aufgerichtet, der im ersten und zweiten Drittel seiner Höhe von Querstücken gekreuzt wird, deren oberes beiderseits weiter hinaustritt als das untere. Auf letzterem stehen jederseits von dem stumpf endigenden Ständer drei Stangen, Latten oder dgl., welche, in gleicher Höhe mit dem Ständer, spitz auszulaufen scheinen.
2. |
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2. Siegel von 1329: aus rechtwinkligen Stützen gebildeter Fuß, von ziemlich denselben Verhältnissen wie am ersten Siegel, trägt einen kurzen Ständer, auf dem sieben Latten oder Stangen auf einem Querstücke stehen, welche, spitz auslaufend, in zwei Drittel ihrer Höhe durch ein Querstück verbunden sind, welches jedoch nicht wie beim ersten Siegel vorsteht.
3. |
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3. Siegel von 1356; auf einem getreppten Sockel ein kurzer Ständer, der ein Querstück trägt, auf welchem fünf Pfähle gleicher Stärke mit jenem stehen. Gleich stark ist auch das die Pfähle dicht unter deren Ende zusammenhaltende Riegelband.
Ohne Voreingenommenheit wird Niemand diese Wappenbilder für Fallgatter ansehen können. Dieser Ueberzeugung war auch Dr. Lisch, welcher, durch jene Siegel bewogen, nach einer anderen Deutung der Schildfigur aussah und solche für einen Kerzenrechen erklärte, dem er zur Erläuterung, wie es scheint, noch "Siebenarmiger Leuchter" in Parenthese hinzusetzte. Lisch gab diese Ansicht zuerst kund in der Anmerkung zu M. U.=B. Nr. 3654 und begründete dieselbe in einem kurzen Aufsatze im Jahrbuche von 1871 näher, in welchem er sich auf den Artikel herse s. f. râtelier bei Viollet=le=Duc 1 ) bezieht. Die Bezeichnung als Kerzenrechen ist dann im M. U.=B. beibehalten, während der Zusatz fünfarmiger Leuchter nur noch zu Nr. 10183 wiederkehrt. Ich selbst habe in meiner heraldischen Arbeit im Jahrbuche von 1887 auf Lisch's Autorität hin als die von Levetzow'sche Schildfigur einen Kerzenrechen angegeben, eine Bezeichnung, welche
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mir einleuchtete, von der ich aber inzwischen zurückgekommen bin und zwar auf Grund nachstehender Erwägungen.
Die zwischen Lettner und Altar aufgestellten
großen Leuchter mit mehreren Armen, z. B. mit
dreien wie zu Halberstadt, mit fünfen wie zu
Perleberg und Werben, mit sieben wie in Mölln
und Kolberg,
1
)
bestehen aus einem stärkeren Ständer, von dem
beiderseits in gleicher Flucht und bis zu
gleicher Höhe mit jenem die Arme abgehen, die
sich bei den älteren concentrisch
emporschwingen, bei den jüngeren
förmige Gestaltung mit
Verlängerung des lichttragenden Schenkels haben.
Sämmtlich bestehen sie aus Bronze oder Messing,
sind Gußwerke, und weder in der einschlägigen
Literatur verlautet etwas von mehrarmigen
Leuchtern aus Holz oder aus Eisen, noch sind
solche irgendwo aufgefunden worden. Das von
Levetzow'sche Wappenbild ist aber nach Maßgabe
besonders des ältesten, dann aber auch aller
folgenden Siegel auf keinen Fall ein Gußwerk,
sondern offenbar eine Holzstructur, nicht einmal
Eisenarbeit, und es wird mit Sicherheit
behauptet werden dürfen, daß dieselbe keinen
siebenarmigen Leuchter vorstelle, um so weniger,
als außer einem Siegel - zu Nr. 9998 -, welches
sechs Pfosten hat, sämmtliche Siegel des 14.
Jahrhunderts von 1348 (Nr. 6821) an nur fünf
Pfosten zeigen, und als die bekannten Siegel des
15. Jahrhunderts bis auf eines von 1493, das
sieben Pfosten hat, ebenfalls nur fünf Pfosten aufweisen.
Wie ist es aber nun mit dem " Kerzenrechen"? Ein Kerzenrechen, hercia, rastrum, pergula, ist eine Vorrichtung, mehrere Kerzen beliebiger Zahl neben einander zu tragen, sei es 1. daß eine Balkune oder eine Planke, die auf Knaggen an der Wand ruht, die Lichtschalen aufnimmt, sei es 2. daß jene auf festen freistehenden Stützen ruhen, sei es 3. daß eine Tragevorrichtung quer über dem Chore u. s. w. angebracht ist, sei es endlich 4. daß ein Querstück, auf ein oder zwei beweglichen Stützen ruhend, eine Mehrzahl einzelner Kerzenträger vertritt, wie sie um die Katafalke gestellt werden. Von der Vorrichtung 1. hat sich nur ein Beispiel in der Frauen=Kirche zu Nürnberg erhalten, jedoch modificirt, insofern leuchtertragende Engel die Stelle von Lichtschalen vertreten, von der 2. giebt eine Abbildung bei
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Viollet=le=Duc, die er einem alten Drucke entnahm, eine Kunde, von der 3. aber existirt noch ein Beispiel in der Collegiatkirche zu Xanten und die Nachricht von einem solchen in der Kathedrale zu Bourges, 1 ) aber von der 4. Vorrichtung giebt es weder eine Abbildung, noch sind Exemplare von dergleichen bekannt. Wenn das nun gleich der Fall ist, so darf man doch als sicher annehmen, daß das Querstück zur Aufnahme der Leuchterschalen die Hauptsache bei den Kerzenrechen ist, nicht die Unterstützung, und daß das Querstück, weil es die Kerzen trägt, der oberste Theil der Vorrichtung sein muß. Ganz verschieden davon stellt sich das von Levetzow'sche Wappenbild dar, denn bei diesem ragen die Stäbe oder Pfosten, welche das Querstück doch tragen sollten, mehr oder minder über dasselbe hinaus, so daß auf selbigem kein Platz zur Anbringung von Kerzenträgern oder Lichtschalen ist. Endlich ist von solchen auf keinem der Siegel eine Spur zu sehen, wie es sein müßte, wenn ein Kerzenrechen, dessen Characteristicum sie doch sind, nicht das Gestell, gemeint wäre.
Wenn nun überall keine Rede davon sein kann, die fragliche Figur als Feuerwedel oder als Bratrost anzusprechen, und ich dargethan zu haben glaube, daß sie ebensowenig ein Fallgatter oder einen Kerzenrechen darstellen könne, so fragt es sich, für was sonst man sie dann anzusehen habe. Allerdings scheint es nach dem Grafendiplom für Christian Rave auf Stük von 1734, 2 ) daß das Fallgatter die letzten beiden Jahrhunderte Familien=Tradition gewesen ist, 3 ) doch ist mir nicht bekannt, ob sie etwa noch weiter zurückreichen möchte. Keinesfalls bestand sie schon in der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts, wie das an einem Stuhl in der Kirche zu Basse befindliche von Levetzow'sche Wappen 4 ) beweist, da hier die Figur sich in Nichts von den=
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jenigen der alten Siegel unterscheidet und namentlich der Fuß eine bei weitem bedeutendere Größe hat, als auf den Fallgatter
Siegeln. Gänzlich zu verwerfen ist aber die Tradition nicht, denn wenn sie auch durch die nähere Bezeichnung "Fallgatter" irrt, so trifft sie doch meines Erachtens das Richtige, indem sie die Figur als "Gatter" bezeichnet, kurz, ich sehe in derselben eben ein "Gatter", welches entweder um seine Mitte beweglich - von Retberg nennt solche "Drillgatter" - Fuhrwerken und Vieh einen Weg versperrt, oder unbeweglich auch Menschen von solchem abhält; das älteste Siegel spricht mehr für jene Art, die übrigen für die andere. Ein folches Gatter, begleitet von
zwei Rosen, ist auch die Schildfigur der von Hasbergen 1 ), während eine ähnliche Vorrichtung, ein Heck, von denen von Haxthausen im Schilde geführt wird.
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Ein solches Drillgatter oder Drehthor, allerdings den größeren Verhältnissen nach in etwas anderer, festerer Konstruktion, zeigt eine Abbildung von 1493 in Hartmann Schedels Weltchronik, wo bei der Darstellung von Sagatz dieses Drehthor den Abschluß einer Brückenbefestigung durch Wehrzäune bildet.
Ich bin dem Geh. Archivrath Grotefend für den Hinweis auf dieses Beispiel zu Dank verbunden.
Es ist das einzige bekannte Bild einer solchen Vorrichtung aus dem Mittelalter und wohl geeignet, die Richtigkeit der Bezeichnung "Drillgatter" für das von Levetzowsche Wappen zu erhärten.
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W er ist der Verfasser der Hymne "Gott segne Friedrich Franz", und wann ist sie entstanden? Eine von interessirter Seite jüngst so gestellte Frage brachte einmal allgemein zum Bewußtsein, daß der Ursprung unserer Volkshymne, die Zeit ihrer Entstehung und der Name des Autors in weitesten Kreisen vollständig unbekannt war. Ja, es scheint, man hatte sich kaum je die Frage nach dem Ursprung ernstlich gestellt, obwohl das Lied Jahr für Jahr an Großherzogs Geburtstag gesungen wurde und seine Weise und sein Inhalt jedem Kind bekannt und vertraut war. Etwas Ueberraschendes und Außergewöhnliches hat dieses gänzliche Vergessenwerden an sich ja nicht. Die Volkstümlichkeit eines Liedes, einer Weise ist ihrem Verfasser von je her gefährlich geworden: je weiter ein Lied verbreitet ward, je allgemeiner es aufgenommen, gesagt und gesungen wurde, um so mehr eigene Persönlichkeit gewissermaßen gewann es, die sich mit dem Namen des Autors nicht mehr zu decken brauchte, die vielmehr in sich selber Gültigkeit und Werth hatte. Und fragte man einmal nach der Herkunft des göttlichen, vaterlos gewordenen Liedes, so schien es, als habe das ganze Volk seinen Theil daran gehabt, als sei es aus dem Volk entstanden, aus der gemeinsamen fröhlichen Schaffenskraft vieler, als habe nur wieder das Volk auch ein Recht dazu, es zu modeln und zu bilden, wie es ihm gefalle. Es war Allgemeingut geworden und darüber vergaß man, daß es schließlich doch das Werk eines einzelnen war, und den Namen dieses Einzelnen. So auch unser Lied "Gott segne
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Friedrich Franz". Auch in ihm steckt ein gut Stück von dem Allgemeincharakter der Volkspoesie und fast gleichgültig möchte es scheinen, ob man versuchen solle oder nicht, den Schleier zu lüften, der über seinem Ursprung liegt. Man könnte zufrieden sein, es als das zu nehmen, was es ist, als den Ausdruck der Liebe und Verehrung eines Volkes für ein Fürstenhaus, das es lange und glücklich regiert hat. Denn was kann der Name des Autors uns groß sagen? Lied und Dichter sind einander fremd geworden; es ist der Berührung mit ihm entwachsen und heute doch mehr als der Ausdruck persönlichen Empfindens dessen, der es verfaßte. Aber da die Frage einmal aufgeworfen war, machte sich der Zauber, den alles Unbekannte auf den menschlichen Forschungstrieb ausübt, auch hier geltend; es reizte, das Dunkel zu lichten, den Ursprung des Liedes aufzudecken und forschend den Weg nachzugehen, den es ging, um zu werden, was es geworden ist. Was es an kundigen Leuten in Meklenburg gab, ward zur Beihülfe aufgerufen: an die Erinnerung alter Herren ward appellirt, der Vorrath alter Zeitungen, Gedichte und Festlieder durchstöbert, und was als Ergebniß dieser Durchforschung mündlicher und schriftlicher Aufzeichnung gewonnen ward, mögen die folgenden Zeilen dem Leser verrathen.
Von vornherein schien es nicht zweifelhaft, daß der Ursprung des Liedes sich bis in die Zeit Friedrich Franz I. werde zurückverfolgen lassen, und da wieder lag es am nächsten, als Ausgangspunkte der Untersuchung sich einmal erst die beiden wichtigsten Ereignisse seiner Regierung, die, wie man wußte, unter allgemeiner großer Betheiligung gefeiert waren, herauszugreifen und in den dabei veranstalteten Festlichkeiten nach Spuren unseres Liedes zu suchen. Wenn bei einer Gelegenheit, so schien es, mußte es bei einer von diesen gesungen sein. Es waren das die Rückkehr des Herzogs nach seiner Vertreibung durch die Franzosen im Jahre 1807 und die 50jährige Regierungsjubelfeier 1835. Für 1807 war das Suchen umsonst; es fand sich nichts. Dagegen ließ sich das Lied genau in der Fassung, wie wir es heute noch kennen, 1835 nachweisen; es wurde bei der am 27. April im Gymnasium Fridericianum zu Schwerin gehaltenen Schulfeier gesungen und steht abgedruckt in der Einladungsschrift des Direktors Wex 1 ) zu dem Festakt als letzte
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Nummer (Nr. E) der für die Feier gewählten Gesänge. Damit war ein fester Punkt bestimmt. Aber ich stand da zugleich auch vor einer neuen Frage: war unser Lied der besonderen Jubelstimmung des Jahres 1835 entsprungen, hatte ich also hier sein erstes Auftreten entdeckt? oder aber lag sein Ursprung weiter zurück und kam es hier nur wieder zum Vortrag, weil es sich schon eine Position errungen? Ein Blick in die voraufgehende Zeit mußte das entscheiden; man mußte sich da überzeugen können, ob und wie weit sich etwa noch ein früheres Vorkommen nachweisen lasse. An Material, um das klar zu stellen, konnte es nicht fehlen. Man feierte schon damals bei uns Großherzogs Geburtstag, und in den Nachrichten über diese Feier durfte man sicher sein, die eine oder andere Notiz zu finden. Aber damit nicht genug. Noch ein anderer Tag spielte im Leben Friedrich Franz I. eine Rolle, der 10. August, der Tag seiner ersten Wiederkehr nach dem geliebten Doberan im Jahre 1807. Jahr für Jahr feierte man am Damm das Erscheinen dieses glücklichen Tages, und bei den Toasten und Festaufführungen, war zu vermuthen, mangelte es nicht an Gedichten, die vorgetragen, an Liedern, die gesungen wurden. Schritt für Schritt rückwärts schreitend, war ich auch bald so glücklich, weitere Spuren zu finden und diese führten mich schließlich hinauf bis 1818. Wieder war es eine Schweriner Schulfeier des 10. Dezember, verbunden mit der Einweihung eines neuen großen Hörsaales, bei der ich unser "Gott segne Friedrich Franz" nachweisen konnte. Aber noch mehr: in dem Bericht über diese Feier, den das Freimüthige Abendblatt brachte, fand ich auch den Namen des Verfassers genannt. Am Schluß seiner Festrede, heißt es darin, rief der Direktor der Anstalt, damals Görenz, "das Publikum auf zur Begleitung des passenden Arresto'schen Gesanges "Gott segne Friedrich Franz" - welchen dasselbe voll herzlicher Theilnahme nach besonders gedruckten Exemplaren mitsang". Der hier genannte Arresto aber, das ist mir ganz zweifellos, kann nur der als Schauspieler und Lustspieldichter bekannt gewordene Christlieb Georg Heinrich Arresto sein, der geboren zu Schwerin 1768 als Sohn des Geh. Kanzlisten Carl Rudolf Arresto am 22. Juli 1817 als meklenburgischer Hofschauspieldirektor zu Doberan starb. 1 )
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Mit der Auffindung des Namens des Verfassers war der eine Theil der gestellten Frage gelöst, und der andere, die zeitliche Festlegung der Entstehung unseres Liedes, doch der Lösung bedeutend näher geführt. Auch mit dem Jahre 1818 hatte ich den äußersten Punkt nicht erreicht. Wenn Arresto 1817 starb, konnte das Lied nicht gut später gedichtet sein, und die Grenzen, innerhalb deren sein Ursprung gesucht werden mußte, waren die Grenzen dieses Menschenlebens. Aber der Kreis ließ sich noch enger ziehen. Arresto brachte einen großen Theil seines Lebens außerhalb Meklenburgs zu. 1 ) Er laßt sich hier nachweisen bis 1779, dann von 1786-1789, Januar-März 1801 und schließlich noch von Februar 1813 bis zu seinem Ende. In den Zwischenzeiten, namentlich von 179I-1801, wo er in Holland desertirte und, anfangs gar noch unter falschem Namen, in Süddeutschland und Hannover als Schauspieler thätig war, ferner während seines Aufenthalts in Hamburg 1801-1804 und in Rußland 1804-1811, konnte er, meiner Ansicht nach, wenig Neigung und Anregung gefunden haben, zu Ehren seines angestammten Fürsten ein Nationallied zu schreiben. Ich glaubte die Grenzen großer Wahrscheinlichkeit nicht zu überschreiten, wenn ich dem Verfasser die Möglichkeit, "Gott segne Friedrich Franz" zu dichten, auf die Zeit einschränkte, wo er in Meklenburg sich aufhielt. Davon schied wieder die Jugend, also die erste Periode bis 1779, aus, und es blieben die Jahre 1786 bis 1789, 1801, 1813-1817, die demnach allein noch in Frage kommen konnten. Unter diesen aber schien mir die Wahl auf die Zeit seines längeren letzten Weilens im Lande fallen zu müssen. Es sprachen dafür eine Reihe von Gründen, die, jeder für sich betrachtet, vielleicht von wenig entscheidender Bedeutung waren, denen ich in ihrer Gesammtheit und Gesammtwirkung aber doch ein nicht zu unterschätzendes Gewicht beilegen durfte.
Zunächst hatte ich den Eindruck, als ob das Lied, als es 1818 in Schwerin auftauchte, neu und noch nicht lange bekannt gewesen sei. Es wurde in der Versammlung in besonders gedruckten Exemplaren vertheilt, gewiß doch ein Zeichen, daß man annahm, der Wortlaut sei nicht Jedermann genügend geläufig. Und wieder konnte es damals nicht allzu alt sein, da man darauf hinwies, als auf ein etwas, das noch in Jedermanns Erinnerung sei. Es war, ließe sich denken, unlängst einmal bei irgend einer Festlichkeit gesungen worden und hatte Anklang ge=
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funden, und jetzt, da man bei der besonderen Feier der Einweihung des neuen Hörsaals, verbunden mit der des fürstlichen Geburtstages, sich nach einem passenden Liede umsah, nahm man es wieder auf. Ja, die Schweriner Schulfeier von 1818 mag nicht nur die erste gewesen sein, in der es erwähnt, sondern auch die erste, in der es wieder gesungen worden. Es ist das, wie gesagt, nur der Eindruck, den ich hatte, dessen Wahrheit nicht sicher zu beweisen ist; aber ich denke, man wird ihn nicht als ganz bedeutungslos ablehnen dürfen. Wir sind ja leider in der üblen Lage, hier häufiger auf Vermuthungen zurückgreifen zu müssen. Die Lückenhaftigkeit des Quellenmaterials vor 1818 nöthigt uns dazu. Die Schulprogramme, aus denen man in erster Linie schöpfen möchte, sind noch von einer Dürftigkeit, daß sie für unsern Zweck nahezu ganz ausfallen, und die Zeitungen - - nun, man weiß, wie es mit ihnen bestellt ist. Der Zustand der laufenden Berichterstattung über meklenburgische Verhältnisse ist bis zum Erscheinen des Freimüthigen Abendblattes (1818) der traurigste, den man sich denken kann. Ausschließlich die Ereignisse der hohen Politik finden Berücksichtigung in den heimischen Zeitungen. Was in Konstantinopel, Madrid, Paris, London, Berlin sich ereignet, bringen sie treulich, sucht man aber nach Nachrichten über das, was im engern Vaterlande geschah, nach einer Kunde über das Leben und Treiben unseres Volkes, so durchblättert man sie umsonst. Da mag noch manches geschehen sein, von dem wir nichts mehr wissen.
Für meine Annahme dürfte sodann sprechen, daß "Gott segne Friedrich Franz" 1807 bei der Rückkehr des Herzogs in sein Land noch nicht bekannt gewesen zu sein scheint. Wir sind gerade über dieses Ereigniß einmal ganz ausnahmsweise gut unterrichtet. Wir besitzen den Text einer großen Anzahl von Ansprachen gereimten und ungereimten Inhalts, die an verschiedenen Orten zur Bewillkommnung des fürstlichen Paars gehalten, von Gedichten, die überreicht wurden, und wir besitzen eine genaue Beschreibung der Feierlichkeiten, die man bei dem Einzug in Schwerin veranstaltete. 1 ) Das Außergewöhnlichste in Poesie und Prosa wurde bei dieser Gelegenheit geleistet, um der Freude über das Wiedersehen des Landesherrn Ausdruck zu
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geben; aber auch hier, wo die leicht singbare Melodie und der einfach volkstümliche, für den Fall wie geschaffene Text des Liedes sich geradezu dazu hätte aufdrängen müssen, gesungen zu werden, findet man keine Spur davon. Das beweist an sich nichts, gewiß. Es ist leichtfertig, aus dem Nichtwissen von einer Sache auf deren Nichtsein zu schließen. Ich bin weit davon entfernt, das zu thun. Aber wo es sich darum handelte, das Material zu sammeln, das meine oben dargelegte Ansicht stützen könnte, durfte dieser Punkt nicht fehlen.
Endlich mag hier eine allgemeine Betrachtung Platz finden, die, wenn sie mich auch nicht zu meiner Ansicht führte, mich doch wesentlich in ihr bestärkte. 1806 veröffentlichte der bekannte Georg Gabriel Friedrich Küffner, der später Pastor in Gnoyen ward, unter dem Pseudonym Philopatros im Mecklenburgischen Journal ein "Vaterlandslied der Mecklenburger für die hohen Feste des Volkes, besonders den 10. Dec. und 10. Oct.", zu singen nach der Melodie "Freut Euch des Lebens". 1 ) Er wollte damit augenscheinlich einem Bedürfniß entgegenkommen, das sich fühlbar zu machen begann und das, seiner Meinung nach, bisher eine genügende Befriedigung nicht gefunden hatte. Er vermißte ein Lied im Volkston, das bei feierlichen Gelegenheiten als Ausdruck vaterländischer Gesinnung und Empfindung hätte gesungen werden können, und da er den Beruf in sich spürte, Meklenburgs Volksdichter zu werden, schuf er ihm eine Hymne. Nun hat ja dieses Lied insofern seinen besonderen Charakter gegenüber "Gott segne Friedrich Franz", als es für beide Meklenburg, Schwerin und Strelitz, bestimmt war. Man könnte also denken, daß Küffner gerade das Fehlen dieser gemeinsamen Beziehung als Mangel der vorhandenen patriotischen Lyrik seines Vaterlandes empfunden und darum auch unser Lied, dessen Dasein vorausgesetzt, nicht als vollwerthig angesehen habe. Aber
Alle: |
Heil, Land der
Freiheit!
Heil, Mecklenburger Dir! Wo ist auf Erden Ein Volk wie Wir? |
Einer: |
Zwar strahlt in
Deutschlands Fürstenrath
Durch Heeresmacht nicht unser Staat; Doch ist des Kaisers Unterthan Nicht glücklicher als Wir. |
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ich glaube das nicht. Ich glaube vielmehr, daß er damals noch ganz freies Feld vor sich hatte, daß es eine Konkurrenz irgend welcher Art überhaupt für ihn noch nicht gab, daß thatsächlich das Bedürfniß nach einem Vaterlandsliede vorhanden und noch zu befriedigen war. Und das will ich ein wenig eingehender begründen.
Das, was wir ein patriotisches Volkslied nennen, gab es bis zum Ende des 18. Jahrhunderts bei uns nicht. Die dichterischen Erzeugnisse jener Zeit, die zu Ehr und Preis des Fürstenhauses bei Thronbesteigungen, Geburtstagen und ähnlichen Gelegenheiten entstanden, gedruckt und gewidmet wurden, hatten doch einen wesentlich anderen Charakter. Diese Art Festpoesie, mit Vorliebe im höhern Ton der Ode gehalten und häufig antikem Versmaß angepaßt, sollte nach der Absicht der Verfasser gar nicht volkstümlich sein, und in ihrer getragenen, schwerfällig=feierlichen Ausdrucksweise, ihrem mit Anspielungen und Beziehungen auf den griechisch=römischen Olymp oft reich gespicktem Inhalt mußte sie der großen Masse auch immer unverständlich bleiben. War aber einmal ein Dichter, der einfach und derb im Volkston zu seinem Fürsten sprechen wollte, er kam doch über eine gekünstelte Anlehnung an das Volksthümliche nicht hinaus, und der poetische Gehalt litt nun erst gar; es sind grausam nüchterne und trockene Produkte, die aus solchem Bestreben hervorgewachsen sind. Und was die Hauptsache, der Liedcharakter fehlte der ganzen Gattung. Wohl kannte man Cantaten, die kunstvoll aufgebaut, in kunstvolle Musik gekleidet, an festlichen Tagen zur Aufführung kamen. Das Volk aber will Lieder, die es singen kann, will einen einfachen Text, den es versteht und leicht fließende, ansprechende Melodie. Nun sang das Volk gewiß auch im 18. Jahrhundert; es hatte seine Weisen, die es liebte und an denen es im fröhlichen Kreise sich ergötzte. Man hatte Wein=, Trink=, gesellige Lieder. Aber das Vaterlandslied fehlte uns, wie an der Wende des Jahrhunderts dem ganzen übrigen Deutschland.
Erst in den 90er Jahren und dann auch vereinzelt noch, erschienen in der Monatsschrift für Meklenburg dichterische Versuche, die ein frischeres nationales Leben athmeten, die, von einem bemerkenswerthen Selbstgefühl getragen, das Keimen eines kräftigen Volksbewußtseins verriethen. Wir standen im Beginn der französischen Revolution. Die mächtige Volksbewegung, die Frankreich zur Revolution geführt, fing auch in Deutschland an,
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Regungen der Volksseele zu wecken. Es gährte und zuckte allüberall; es ging durch das Land wie ein Schwirren und Klingen, vergleichbar dem leisen Zittern des Lebens, mit dem der Morgen nach der Nacht den Tag heraufführt. Eine wunderbare Stimmung, die wir noch ahnen können aus den Aufzeichnungen der Männer, die sie selber mit durchlebten und in späteren ruhigen Tagen, da Urtheil und Gefühl geklärt, noch einmal durch Sinn und Seele gehen ließen! Das Volk erwachte. Aber doch wie anders der Charakter dieser Bewegung bei uns als in Frankreich. Wohl sympathisirte man im Anfang mit den Revolutionsmännern in Paris, die die Bahn freigemacht hatten für die neue Zeit; als dann aber Blutnachricht auf Blutnachricht von jenseits des Rheins eintraf, trat eine Ernüchterung ein, die von dieser Art von Beglückung nichts mehr wissen wollte. Man hatte die Predigt von den hohen unveräußerlichen Gütern der Menschheit begeistert aufgenommen; aber man besann, sich rechtzeitig auf den Gegensatz von deutscher und romanischer Eigenart, um sich noch vor der Verwässerung in kosmopolitischen Idealismus retten zu können. Dazu kam, daß ein stark monarchisches Gefühl uns noch nicht erlaubte, die Liebe zu Freiheit und Vaterland von der Liebe zum Fürstenhause zu trennen, und beide verknüpften sich zu einem Nationalgefühl, das in ganz anderen Klängen sich aussprechen mußte, als es die Marseillaise that. Allerdings, wie die Bewegung bei uns ruhiger und gemessener, man könnte sagen, loyaler verlief, fehlte ihren Liedern auch wieder der Dichter, der ihnen den berauschenden hinreißenden Schwung hätte verleihen können wie Rouget de Lisle.
Von Liedern aber, die dem erwachenden Nationalgefühl Ausdruck verleihen sollten, erwuchs bei uns in Deutschland eine reiche Saat. Ihr Charakter war Anfangs ein allgemein deutscher. Der Gegensatz, der sich geltend gemacht, war ein Gegensatz von Volk zu Volk gewesen; nicht als Bürger der engern kleinen Landschaft, als Angehöriger des großen weiten Vaterlandes stand man in Protest gegen Frankreich und fremden Volkes Art. Auch die Zeitlyrik der 90er Jahre in Meklenburg legt Zeugniß davon ab, und ich will als Beispiel dafür einige der Gedichte anführen, auf die ich oben hinwies. So veröffentlichte 1791 ein Th. Bühring ein Gedicht "Das Vaterland", von dem ich die drei letzten Strophen hier folgen lasse. Sie können eine Idee von dem Charakter und der Tendenz dieser Poesie geben; es sind das Dinge, die sich mehr durch Lesen empfinden, als durch Beschreiben mittheilen lassen. Es heißt darin:
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Vaterland! Vaterland!
Wars der geschmeid'ge Franzmann nicht,
den Du erwektest, jedem Volk,
vom Joch der Tirannei zerquetscht,
zu sein ein Beispiel für und für!
Vaterland! Vaterland!
Wohl mir, daß ich ein Deutscher bin,
Gott und Gesetz nur unterthan,
frei wie der Adler in der Luft,
frei wie der Fisch im Ozean. -
Vaterland! Vaterland!
Dem stolzen Britten weich' ich nicht,
dem edlen, kühnen Schweitzer nicht,
denn Deutschland ist mein Vaterland; -
Thuiskons, Hermanns Sohn bin ich!!
Man lese dazu noch "Empfindungen eines Podagristen am Geburtstage seines Fürsten, 10. Dec. 1792" von dem Stadt= und Kreisphysikus Ebeling in Parchim, "Freiheit und Gleichheit im eigentlichen Verstande" von P. (1793), das "Trinklied für freie Deutsche" von Fr. Simonis (1793), das Gedicht von Fr. Hempel:
"Die Zeiten Brüder sind nicht mehr,
Wo Jacobiner täuschten." (1795.)
und "Lied im Frühjahr 1799 gesungen"
(nach der Melodie: "Bekränzt mit Laub
.") von J. G.
Lorentz.
1
) Man wird
hier bestätigt finden, was ich sagte: ein
Patriotismus, der sich als ein stetig steigendes
Abweisen der französischen Beglückungspraxis
äußerte, ein Betonen des Deutschthums gegenüber
französischer Art und jedes andern Volkes Art.
Das alles in einer Sprache gesagt, wie man sie
bisher nicht kannte, und schon gesellte sich dem
Wort die Melodie.
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Aus dieser hohen Stimmung befruchtete sich dann bald auch der Stammespatriotismus. Sang man Lieder zu Ehr und Preis des großen Vaterlandes, warum sollte nicht die engere Heimath ihren Antheil daran haben? Es ist immer so gewesen: sobald wir uns einmal mit gewaltigem Ansturm in einer großen deutschen Sache begeistert hatten, wir kehrten, ein jeder in seine Landschaft, zurück, um nun erst, was wir von da draußen mitgebracht, in landesübliche Münze umzuprägen. Die Stimmung wurde reif für das Entstehen von Landeshymnen. Den Anfang damit machte bekanntlich Schleswig, damals dänische Provinz, oder vielmehr deutsches Land unter dänischem Oberherrn, der als Herzog von Schleswig=Holstein deutscher Reichsfürst war. Am 27. Januar 1790 erschien im Flensburger Wochenblatt, von dem Herausgeber der Zeitung, cand. theol. Harries, verfaßt, ein "Lied für den dänischen Unterthan an seines Königs Geburtstag zu singen", gesetzt nach der Melodie des bekannten englischen Volkssangs "God save the king". Das Lied ist interessant als das erste Auftreten der Landeshymne auf deutschem Boden. Aber interessanter ist es vielleicht noch dadurch, daß es, wenige Jahre nach seinem erscheinen, Vorbild für eine andere Hymne geworden, die weitaus größere Bedeutung gewonnen hat. "Das Lied für den dänischen Unterthan" wurde 1793 nach Berlin importirt und tauchte hier, um zwei Strophen verkürzt und im Uebrigen ganz unwesentlich verändert, als "Berliner Volksgesang" wieder auf. Es ist das "Heil Dir im Siegerkranz", das preußische Nationallied.
In unserm engern Vaterlande zeigten sich die ersten Spuren einer ähnlichen Bildung schon in den "Empfindungen eines Podagristen" (1792). 1806 dann folgte Küffner's Vaterlandslied, 1812 (in Doberan am 10. August gesungen) ein "Heil unserm Friedrich Franz", das in bemerkenswerthem Grade den Einfluß von "Heil Dir im Siegerkranz" verräth, ja eigentlich nur eine den meklenburgischen Verhältnissen angepaßte Umdichtung davon ist, und in die Jahre darauf wird man den Ursprung von "Gott segne Friedrich Franz" setzen müssen.
Ganz außer Berücksichtigung habe ich bisher in dieser Betrachtung die Frage nach Art und Wahl der Melodie gelassen. Sie kann aber auch noch ein gewichtiges Wort in der Sache mitsprechen. Die Melodie unseres Lieder ist, gleich der des "Heil Dir im Siegerkranz" dem englischen "God save the king" entnommen. Text und Weise dieses Liedes aber sind nach der glaubwürdigsten Annahme Werk des Henry Carey; es ist
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wahrscheinlich um 1740 entstanden und 1745 im Druck erschienen. Als Volkssang wurde es schnell beliebt und früh gesungen und wird von England bald seinen Weg auch nach Hannover, das damals mit England in Personalunion stand, gefunden haben. Von hier aus war sein Eindringen in Deutschland nicht schwierig. Wir können seine Melodie zuerst in einem Studentenliede des Jahres 1781 wieder nachweisen, dem "Landesvater" des Kieler August Niemann, dem ein sechsstrophiger Passus "Heil, Kaiser Joseph, Heil", Mel.: "God save great George the king" eingefügt war. Diese ihre Verwendung im "Landesvater" blieb längere Zeit noch vereinzelt, und wenn man nach einer Erklärung dafür suchen will, so liegt sie nicht so fern: in die Eigenart studentischen Kommersgesanges gezwängt, mußte sie weitern Kreisen mehr oder weniger fremd bleiben. 1790 folgte das "Lied für den dänischen Unterthan", und damit erst, daß dieses Lied 1793 nach Berlin übernommen und preußische Volkshymne wurde, ward die Melodie in Deutschland populär. Das bahnte ihr den Weg und gab der Nachahmung Antrieb, sie immer wieder aufzunehmen. 1 )
In Meklenburg finde ich sie zuerst 1812 in dem oben erwähnten, in Doberan gesungenen Liede, und ich glaube nicht, daß bei uns früher von ihr Gebrauch gemacht ist. Allerdings, ein Schluß ex silentio will auch hier wenig beweisen, und aus dem Vorkommen anderer Melodien in unsern patriotischen Liedern, wie "Bekränzt mit Laub" (1799, oder wie es auch heißt: "Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsere Reben", 1802 und 1809), "Freut Euch des Lebens (1806) u. s. w. schließen zu wollen, daß nur diese bekannt gewesen, wäre thöricht; aber wenn man weiß, wie jene Melodie "God save the king" seit ihrem Auftauchen 1812 lange Zeit bei uns geradezu vorherrschend geworden ist für alle Versuche gereimter nationaler Begeisterung, wie alle anderen daneben weit zurücktraten und nur ganz vereinzelt zur Verwendung kamen, als habe man auf sie, als die einzig mögliche und singbare Volkshymnenmelodie, gewartet, dann mag man doch
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nachdenklich werden. Dieser Stimmung kam die Bekanntschaft Arresto's mit der Melodie, die er nach Meklenburg schon mitbrachte, entgegen. Er war 1798 und 1799 in Hannover engagirt gewesen und hatte das "God save the king" dort genügend kennen gelernt, es oft und zuweilen wohl mehr, als ihm lieb war, fingen hören. 1 ) Die Weise klang ihm in den Ohren fort, als der musikalische Ausdruck eines starken, wenn auch vielfach sportsmäßig überreizten nationalen Gefühls und treu ergebener Loyalität. 1801, als er nur flüchtig, für die Dauer von ein paar Monaten, wieder in der Heimath weilte, hatte er keine Gelegenheit, sie zu verwerthen. Aber als er dann aus Rußland zurückgekehrt war und 1813 auf Neue in Meklenburg erschien, in der Zeit, da die Volksbegeisterung hoch ging, in der Zeit der Freiheitskriege, da wird ihm sein Lied aus der Feder geflossen sein, nach der Melodie, die ihm von alten Tagen her vertraut war, und die jetzt begann, sich ihren Weg durch Deutschland zu bahnen.
Allerdings, eine sichere, einwandfreie Bestätigung meiner Ansicht suchte ich vergebens; ich habe nicht herausfinden können, wann und wo unser Lied zuerst erschienen, noch wann und bei welcher Gelegenheit es zuerst zum Vortrag gekommen. Ich habe die Zeitungen jener Jahre durchstöbert, die Dichtungen Arresto's, so weit sie in Betracht kommen konnten und mir zur Hand waren, eingesehen, und das war eine hübsche Anzahl von Prologen und Festgedichten; alles umsonst. Zuletzt wurde ich durch das Verzeichniß der meklenburgischen Literatur im Staatskalender von 1816 auf ein Schriftchen Arresto's aufmerksam gemacht, das ich noch nicht kannte und das mir durch die Veranlassung, bei der es entstanden, beachtenswerth schien. Es war das ein
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Vorspiel, das er zur Feier der Annahme der Großherzoglichen Würde durch Friedrich Franz I. im Jahre 1815 gedichtet, betitelt "Das Fest der Freude". Aber hier wollte das Unglück, daß trotz aller Nachforschungen und Nachfragen sich nirgends mehr ein Exemplar davon auftreiben ließ. Vielleicht wäre darin etwas zu finden gewesen; eine bessere Gelegenheit hätte der Dichter sich ja nicht wünschen können, sein Festlied anzubringen. Aber das Bedenken bleibt: benützte er die Gelegenheit? Der Vermuthung ist nur zu viel Spielraum gegeben, wo die Beweise fehlen. Wir müssen uns schon damit genügen lassen, die Zeitgrenzen, innerhalb deren unser Lied entstanden sein muß, so eng als möglich gesteckt zu haben; die weitere Lösung mag einem glücklichen Zufall vorbehalten bleiben, an den ich übrigens, aufrichtig gesagt, nicht glaube.
Eine Frage wäre aber noch zu beantworten: ist das Lied, wie Arresto es dichtete, identisch mit dem Liede, wie wir es kennen? Der Eingang "Gott segne Friedrich Franz" ist heute noch der alte, aber damit ist nicht gesagt, daß auch der ganze weitere Wortlaut unverändert geblieben. Die Beispiele sind nicht selten, daß ein Liedtext nach Fall und Gelegenheit umgemodelt ward und der umgemodelte Text vorübergehend oder dauernd an die Stelle des Originals trat. Könnte nicht von Wandlungen, die auch unser Lied durchgemacht, etwas an ihm hängen geblieben sein? Die Lösung dieser Frage ist freilich dadurch erschwert, daß eins der beiden Vergleichsobjekte fehlt. Der älteste uns bekannte, sicher datirte Text stammt von 1825. Er beweist allerdings eine konservative Ueberlieferung für die letzten 75 Jahre; er läßt aber für die Jahre vorher die Frage offen. Doch denke ich auch für diese Zeit den Sachverhalt bis zu einem gewissen Grade der Wahrscheinlichkeit klar stellen zu können.
Wir besitzen in den Sammlungen der Großherzoglichen Regierungsbibliothek zu Schwerin einen Einblattdruck von "Gott segne Friedrich Franz", undatirt, den ich aber nach Druck und Papier noch bis in die Zeit vor 1820 zurückverweisen möchte. Ich will sogar glauben, daß wir in ihm ein Exemplar der Sonderabdrücke vor uns haben, die, wie das Freimüthige Abendblatt zu erzählen weiß, zu der Schulfeier des Schweriner Gymnasium im Jahre 1818 hergestellt wurden. Ist das richtig, so haben wir schließlich doch einen Text, der, wenn er auch nicht das Original ist, uns doch dieses ersetzen kann; er steht zeitlich jenem außerordentlich nahe, und die Bezeichnung "Arresto'sches Lied", die ihm das Freimüthige Abendblatt giebt, muß, so lange
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nicht das Gegentheil festgestellt ist, beweisen, daß er auch den Wortlaut des Originals wiedergiebt. Bis auf ganz geringfügige Abweichungen ist aber der Wortlaut dieses Textes genau derselbe wie der, den wir heute noch kennen.
Ich schließe diese Erörterung mit einigen Bemerkungen über die Vorlage unseres Liedes. Ist "Gott segne Friedrich Franz" selbständige Dichtung, oder hat es eine Vorlage gehabt, und wenn das der Fall, welche? Die Antwort müßte sich aus der Vergleichung mit den bekannteren ähnlichen Texten ergeben, und in Frage dafür konnten zunächst, meiner Ansicht nach, nur "God save the king" und "Heil Dir im Siegerkranz" kommen. Eine eingehende Vergleichung mit diesen beiden aber hatte folgendes Resultat. Einmal die Melodie. Sie ist allen drei gemeinsam, so daß eine Prüfung nach dieser Seite hin ziemlich überflüssig erscheinen mochte; aber unser Einblattdruck hat am Kopf seines Textes einen Melodieenvermerk, und dieser Vermerk "Einstimmiger Gesang nach der Melodie: "God save the king" deutet doch darauf hin, daß unser Autor bei seiner Nachdichtung an das englische .Volkslied gedacht hat. Das tritt noch mehr hervor bei Betrachtung und Vergleichung des Wortlauts. Schon der Eingang "Gott segne Friedrich Franz" klingt an "God save the king" an, und sachlich, z. T. sogar wörtlich übereinstimmend ist dann fast der ganze weitere Inhalt. Ich vermerke als besonders bezeichnend: 1 )
"Long to reign over us." | "Bis in die fernste Zeit." |
Str. 1. | Str. 1. |
"Thy choicest gifts in store | "Ueber Sein Fürstenhaus |
On George be pleas'd to pour" | Schütte dein Füllhorn aus" |
Str. 2. | Str. 2. |
"O grant him long to see | "Der Eintracht schönes Band |
Friendship and unity". | Bleib zwischen Thron und Land |
Str. 4. | Stets unverletzt." |
Str. 3. |
Anklänge an "Heil Dir im Siegerkranz" finden sich dagegen gar nicht. Somit kann es nicht zweifelhaft sein, daß "Gott segne Friedrich Franz" in bestimmtem und bewußtem Anschluß an "God save the king" entstanden ist, und die weiter oben
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gemachte Bemerkung, daß Arresto die Anregung zu der Ausgestaltung seines Liedes seinem Aufenthalt in Hannover verdanke, erweist sich als gut begründet; nicht nur die Melodie nahm er herüber, sondern auch den Ideengang des Textes mit zum Theil recht enger Anlehnung an das Original.
So viel über den Ursprung von "Gott segne Friedrich Franz". Ich will nun versuchen, es auf seinem Wege vorwärts zu begleiten, von seinem Eintritt in die Welt bis zu dem Zeitpunkt, wo es Gemeingut des ganzen Volkes geworden ist. Und das ist ein weiter Weg. Man würde sich gewaltig irren, wenn man glauben wollte, daß es sogleich, nachdem es gedichtet, nun auch schon seinen Triumphzug durch das Land genommen, überall populär geworden und allüberall gesungen sei, wo festesfreudige Menschen sich zu patriotischer Feier zusammengethan hätten. Nichts von dem. Es hat eine geraume Zeit gedauert, bis es die Stellung sich erzwang, die es heute einnimmt.
Zuerst scheint es in Schwerin rezipirt zu sein für die Schulfeier des Gymnasiums am 10. Dezember; ich finde es außer 1818 noch erwähnt 1820, 1825, 1828, 1829, 1830, 1834. 1 ) Das ist eine stattliche Reihe sicher überlieferter Daten, die an sich schon darthun, daß "Gott segne Friedrich Franz" seit 1818 dort mit einer gewissen Regelmäßigkeit am 10. Dezember gesungen wurde. Man rechne dazu, daß die Berichte über die einzelnen Jahre durchaus nicht alle gleich genau und eingehend sind; häufiger sind Festlieder gar nicht angeführt, und es mag wohl sein, daß unser Lied das eine oder das andere Mal nicht erwähnt, aber doch gesungen ist. Das würde die Reihe noch enger schließen. Ausnahmen giebt es; aber ich kenne deren bis 1835 nur 3. 1827 ward die Feier geschlossen mit einer Arie für 4 Stimmen, komponirt von Pompilius (?), arrangirt von Monich, 2 ) 1831 mit "Heil Dir im Siegerkranz", wenn hier im Bericht Melodie und Text nicht verwechselt ist, 1833 mit einem lateinischen Liede nach der Melodie: "God save the king". Eine Fortwirkung der Gewohnheit des Gymnasiums, am 10. Dezember "Gott segne Friedrich Franz" zu singen, war vielleicht schon, daß es 1823 auch in einer Nachfeier des fürstlichen Geburtstages, die der Schweriner Gesangverein am 13. Dezember veranstaltete, vierstimmig von
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Lührß 1 ) arrangirt, zum Vortrag kam und 1825 am 29. September bei der Grundsteinlegung des neuen Regierungsgebäudes gesungen wurde.
Außerhalb Schwerin, aber später, kann ich es nachweisen in Parchim und auch hier für die Schulfeier des Gymnasiums an Großherzogs Geburtstag, zuerst 1832. Nach mündlicher Mittheilung soll es schon um die Mitte der 20er Jahre, mit Eintritt Zehlicke's in das Direktorat (1827), dort eingeführt und seitdem regelmäßig am 10. Dezember gesungen sein. In den Schulprogrammen begegnet es das erste Mal 1833 und fortan Jahr für Jahr bis zum Schluß der Regierungszeit Friedrich Franz I.
Sonst habe ich das Lied nur noch in einer Ludwigsluster Seminarfeier gefunden, es wurde dort 1831 bei der Einweihung des neuen Seminargebäudes, die man mit der Begehung des fürstlichen Geburtstages am 10. Dezember zusammenfallen ließ, unter andern Liedern mit gesungen. Ich weiß aber nicht, ob es damals zuerst aufgenommen worden, oder ob es in alter Tradition, wie in Schwerin und Parchim, als feststehender Festsang für den 10. Dezember schon eingebürgert war; ebenso fehlt mir auch jede Nachricht über den Usus der nächstfolgenden Jahre, so daß es zweifelhaft bleiben muß, wann es dort endgültig rezipirt ist. Im übrigen Meklenburg ist "Gott segne Friedrich Franz" vor 1835 nicht nachweisbar; durchweg, so weit Berichte vorliegen, sind zur Feier des 10. Dezember und bei sonstigen passenden Gelegenheiten andere Lieder gesungen worden. 2 ) Vorherrschend war aber auch bei diesen die Melodie "God save the king". So entstand in Rostock zur Universitätsjubelfeier am 12. November 1819 ein "Fürstenlied", das nicht nur mit dem Eingang "Heil sei dem Fürsten! Heil!", sondern auch mit dem weitern Inhalt leicht an "Heil Dir im Siegerkranz" anklang. Es fand viel Beifall und wurde im folgenden Jahre, 1820, bei der Geburtstags=Vorfeier in der Societé am 9. Dezember wiederholt. 1822 fanden zur festlichen Begehung des 10. Dezember in Rostock zwei gesellige Vereinigungen statt, die eine in der Societé, die andere im Schleuder'schen Saal. Bei beiden kamen eigens für den Fall gedichtete Festgesänge zum Vortrag; aber wir wissen nur von dem zweiten, daß es nach der Melodie
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"God save the king" verfaßt war und, ähnlich dem "Fürstenliede", den Eingang hatte "Heil unserm Fürsten, Heil!" Der Text ist leider nicht erhalten. 1826 am 10. Dezember morgens zog Militärmusik durch die Straßen und spielte "Godsave the king" und "Freut Euch des Lebens". 1827 im Juni besuchte Friedrich Franz Rostock. Man arrangirte zu Ehren dieses Besuches glänzende Festlichkeiten, und bei einer der hierbei sich bietenden Gelegenheiten, am 13. Juni abends im Theater, in Anwesenheit des Fürsten, ward ein "Mecklenburgisches Volkslied": "Heil unserm Friedrich Franz!" gesungen, eine Auffrischung des alten Doberaner Sangs von 1812 mit theilweise sehr starker Anlehnung an das Original. Der 10. Dezember dieses Jahres brachte ein "Festlied": "Heil sey dem Fürsten! Heil!, als dessen Verfasser der Advokat Crull genannt wird, das aber im wesentlichen, wie schon der Eingang zeigt, eine wenig veränderte Bearbeitung des "Fürstenliedes" von 1819 ist. 1831 gab man am 10. Dezember ein Abendfestkonzert. Als Nr. 7 des Programms führte man die Schneider'sche 1 ) Ouvertüre über "God save the king" auf, und aus voller Brust, schreibt der Berichterstatter, sang die zahlreiche Versammlung das Schlußlied mit: "Heil unserm Fürsten! Heil!" Bedauerlicher Weise kann ich auch hier wieder nicht feststellen, welches Lied gemeint ist; es könnte aber eine Wiederholung des von 1822 gewesen sein. 1832 hören wir, daß die Studenten am 9. Dezember abends einen Fackelzug veranstalteten, vor dem Großherzoglichen Palais 3 Lebehoch ausbrachten und zwei Strophen "des bekannten deutschen nach dem Englischen des "God save the king" gedichteten und komponirten Liedes" sangen. Haben wir auch hier noch "Heil unserm Fürsten! Heil! oder gar "Heil Dir im Siegerkranz"? Die unbestimmte Angabe verbietet uns abermals, mehr als eine Vermuthung auszusprechen. Die Universität begann nach einer längern Pause (seit 1759) erst 1829 wieder, den Geburtstag des Landesfürsten mit einem Festakt zu begehen; soweit ich aber sehen kann, wurde die Feier dort regelmäßig mit "Nun danket
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alle Gott" beschlossen. Auch über eine Schulfeier in Rostock ist mir aus älterer Zeit nichts bekannt geworden. In den Programmen findet sich eine solche zuerst 1866 erwähnt, doch deutet hier der Wortlaut, in dem davon gesprochen wird, an, daß damals schon eine Gewohnheit bestand. Wie es scheint, beschränkte sich die Feier auf Freigabe der Schule um 10 Uhr.
Ueber Wismar sind die Berichte spärlich und wenig eingehend. Aus den kurzen Notizen, die wir über festliche Begehungen von Großherzogs Geburtstag dort haben, ersehen wir nur, daß Bankette und Bälle stattfanden, aber nicht, daß dieses oder jenes Festlied dabei zum Vortrag gekommen wäre. Nur zum Jahre 1826 ist auch hier erwähnt, daß Morgens Militärmusik durch die Straßen zog und "God save the king" spielte. Daß eine besondere Schulfeier an diesem Tage veranstaltet worden, darüber finde ich keine Nachricht.
Etwas reicher sind die Nachrichten aus den Landstädten; aber nirgends zeigt sich bis 1835 eine Spur, daß "Gott segne Friedrich Franz" am 10. Dezember oder sonst gesungen wäre. In Güstrow ließ der Rath zu des Fürsten Geburtstag alljährlich vom Rathhause "Nun danket alle Gott" blasen. 1 ) Im Laufe des Tages fanden dann Festessen und Festbälle statt, und einmal bei einer solchen Gelegenheit, 1832, sehe ich, ward "Heil Dir im Siegerkranz" gesungen. Von einer Schulfeier wissen wir auch hier wenig, aber doch etwas mehr als von denen in Rostock und Wismar. 1794 beging man den 10. Dezember durch einen solennen Akt im großen Hörsaal der Domschule; Festreden wurden von den Zöglingen gehalten und die Güstrower musikalische Gesellschaft und der Singchor trugen eine Cantate vor. 2 ) Für 1796 führt Raspe in seinem Verzeichniß der Güstrowschen Schulschriften eine Einladung von Fuchs zum Geburtstage des Herzogs an, die ich nicht kenne. 3 ) Von da aber bis zum Tode Friedrich Franz I. sucht man umsonst nach einer weitern Notiz. In Bützow finde ich 1822 "Heil Dir im
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Siegerkranz", dasselbe 1824 in Neustadt. In Wittenburg feierte man den 10. Dezember 1824 mit einem großen Ball, der bis zum andern Morgen 4 Uhr dauerte, und eine Stunde darauf, um 5 Uhr, ward in der Hauptstraße der Stadt "das beliebte Volkslied "Heil unserm Fürsten! Heil!" mit Blase=Instrumenten vorgetragen". Leider fehlt wieder der Text, und es bleibt der Vermuthung ein freies Spiel, zu entscheiden, ob unter dem "beliebten Volkslied" das Rostocker "Fürstenlied", das allerdings einen etwas abweichenden Eingang hat, oder das Rostocker Lied von 1822, das auch mit "Heil unserm Fürsten! Heil!" beginnt, oder irgend ein anderes zu verstehen sei. Merkwürdiger Weise ward in demselben Jahre am 10. Dezember in Ludwigslust bei dem Festmahl in der Sozietat ein von der Frau von Montenglaut 1 ) als Impromptu niedergeschriebenes Lied gesungen, das gleichfalls mit "Heil unserm Fürsten! Heil!" anhub; aber ich kann mir nicht denken, daß dieses "Impromptu" schon so bekannt gewesen sei, daß es zu gleicher Zeit in Wittenburg als Volkslied hätte auftreten können. Den Ludwigsluster Text hat das Freimüthige Abendblatt aufbewahrt. Besonders sangeslustig oder besonders mittheilungsfreudig scheint man in Malchin gewesen zu sein; hier werden Festlieder 1830, 1832 und 1833 erwähnt. 1830 sang man "Heil Dir im Siegerkranz", 1832 eine vom Rektor Bülch dort verfertigte Umdichtung des "God save the king", 1833 "Heil Friedrich Franz", vermuthlich eine Wiederholung des Liedes von 1832, dessen Text wir wieder einmal nicht kennen. Für Ribnitz merke ich 1828 an "Laut hall im Jubelklang", das am 10. August desselben Jahrs auch schon in Doberan vorgetragen war, für Boizenburg 1830 ein besonders gedrucktes Lied, das, wie es in dem Berichte heißt, beim Festmahl unter die Versammlung vertheilt und von derselben mit Jubel und Freude abgesungen wurde. Von diesem wie von jenem ist der Wortlaut nicht überliefert. Aus Teterow endlich bringe ich für 1831 ein Lied nach der Melodie "Schier dreißig Jahre" mit dem Eingang: "Schon mehr als vierzig Jahre, Warst unser Vater Du".
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Eine eigene Stellung nahm Doberan ein. Seit der Gründung des Bades 1793 kam Friedrich Franz, der für diese seine Schöpfung ein ganz besonderes, stets reges Interesse zeigte, fast Jahr für Jahr dahin, um die Sommermonate am Strande zu verleben. Eine so regelmäßige Wiederkehr gab dem Ort und dem Badeleben natürlich sein Gepräge. Aber es war das nicht das Gepräge steifer Formen und zeremonieller, abgrenzender Etikette; der Fürst liebte, sich hier als Mensch zu geben, und seine Leutseligkeit, die auch für den gewöhnlichen Sterblichen ein liebenswürdiges Wort hatte, schuf Raum für eine weitgehende Annäherung zwischen der Badegesellschaft und dem Hofe. Blieb der Hof einmal aus, so war es, als fehlte etwas. Man lebte dort das Leben einer großen Familie, deren Mittelpunkt und Haupt der Fürst war. Früh fing man hier an, bei Tafel Lieder zum Preise des Herzogs zu singen. Das früheste, das ich nachweisen kann, stammt aus dem Jahre 1802. Am 11. Juli war's, beim ersten Mahl in dem neuen Saale, da hatte ein Fremder ein Gedicht drucken lassen und unter Zustimmung der Musik wurde es von der ganzen Tischgesellschaft abgesungen. Es war gesetzt nach der Melodie "Am Rhein, am Rhein" und begann:
Heut paart sich froh zum schäumenden Pokale
Der Tonkunst Harmonie;
Heut würzt Apoll im freudenreichen Saale
Mit süßer Melodie.
und schloß mit: "Es leb' der Herzog, hoch!!!" Die Rückkehr des Fürsten aus der Verbannung und sein Wiedererscheinen in Doberan am 10. August 1807 ward mit Jubel gefeiert; ich lese aber nichts von besonderen Festliedern. Bedeutungsvoll wurde, daß seitdem der 10. August für Doberan ein Festtag ward, ein Gedenktag, an dem die Badegesellschaft sich zu heiterm Mahl vereinigte und mit Toast und Sang dem geliebten Herrscher ihre Verehrung darbrachte. Doch auch die Doberaner Sänger gingen ihre eigenen Wege; ich finde nicht, daß nur einmal während der Regierungszeit Friedrich Franz I. "Gott segne Friedrich Franz" dort gesungen wäre. Für 1809 hat uns Vogel das Lied überliefert; es war wie das von 1802 nach der Melodie "Am Rhein, am Rhein" gedichtet und begann: "Es rauscht dahin - der rasche Strom der Zeiten!" 1812 gab man eine Festvorstellung; sie wurde mit einem Vorspiel mit Gesang, verfaßt von dem Schauspieler Diestel, eingeleitet, das mit dem "Volkslied nach
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