zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 115 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

IV.

Neue steinzeitliche Funde in Meklenburg.

Von
Dr. Robert Beltz.
~~~~~~~

B ei der letzten Behandlung, welche steinzeitliche Funde und Fundstellen in Meklenburg gefunden haben (Jahrb. 64, S. 78 ff.), konnte neben dem Bedauern, daß die große Masse der einst vorhandenen Denkmäler achtlos verwüstet ist, doch der Erwartung Ausdruck gegeben werden, daß eine größere Aufmerksamkeit und sorgsamere Behandlung der noch vorhandenen Reste immer noch zu werthvollen Ergebnissen führen würde. Die folgenden Mittheilungen mögen das bestätigen. Sie behandeln einige seitdem bekannt gewordene Denkmäler, aus denen hervorgeht einmal, daß unser Boden noch lange nicht erschöpft ist, sondern noch immer neue Erscheinungen bringt (Gresse, Wiligrad), sodann daß auch Gräber, die äußerlich den Anschein der Zerstörung gewähren, sehr wohl noch recht ergiebig für die Alterthumskunde werden können (Cramon).


zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen
Hünengrab von Cramon (bei Malchow).
Katalog=Nummer des Großherzogl. Museums St. 116-124. E. 1375. 1376.)

Die Kies= und Sandebene, welche dem Endmoränengürtel Blücherhof-Krevtsee nach Westen zu in der Richtung nach Krakow

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 116 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

und Plau vorlagert, gehört zu den in der Steinzeit stärker besiedelten Gebieten im Lande. Bei Blücherhof, dann bei Alt= und Neu=Gaarz, Dobbin, Serrahn sind schon seit langem Hünengräberbekannt geworden und zum Theil ausgebeutet (die Nachweise s. Jahrb. 64, S. 97 und 105, über ein Grab bei Hallalit s. unten S. 125). Neuerdings ist auch bei Cramon ein Hünengrab bekannt geworden und am 20. April 1900 mit entgegenkommendster Unterstützung des Herrn Oekonomierath Junghans zu Cramon

Das Grabinnere von Südosten.
Das Grabinnere von Südosten.

durch Herrn Senator Geist in Waren und Verfasser ausgegraben. Die Steinblöcke, welche die Grabkammer bildeten, sind unberührt geblieben und sollen erhalten werden, um ein Bild des Innern einer steinzeitlichen Grabanlage zu geben, wie man es leider nur noch sehr selten findet. Das Grab liegt 1,3 Kilometer nördlich vom Hofe rechts von dem Wege nach Liepen, gegenüber der Spitze des Orthsees auf der Höhe einer sanften Bodenerhebung, welche wohl als Rand des Thals eines alten Gletscherstroms aufzufassen ist, in dem heute die Nebel ihren Weg nimmt. Das Grab ist demnach weithin sichtbar.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 117 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Bei Beginn der Ausgrabung stellte es sich als Erdhügel dar, aus dem einige Steine wenig herausragten. Die Decksteine fehlten, sie sind wohl seit längerer Zeit entfernt. Die Ausgrabung ergab, daß der ganze Hügel aufgetragen war, und zwar aus lehmigem Boden und Sammelsteinen, während der Grundboden kiesig ist. Die Blöcke der Steinkammer waren in den natürlichen Boden hineingelassen. Die Grabkammer bildete ein Rechteck in der Richtung von Norden nach Süden mit kleiner Abweichung nach Osten, von dem die ganze Länge etwa 5 m, und Breite 2,50 m betrug. Am Rande des Hügels sind noch einige stark überwachsene Umfassungssteine erkennbar, die von den äußern Rändern des Grabes 4,50 bis 5 m entfernt waren. Der Durch=

Skizze zum Grab
(Die Zahlen beziehen sich auf umstehenden Text.)

messer des Hügels betrug demnach etwa 10 m nordsüdlich, 7,50 m ostwestlich. Von den Umfassungssteinen her waren Erde und Steine gegen die Tragsteine geworfen in der Höhe von etwa 1,20 m; dieses ist also die Höhe des Hügels, über den einst die Deckplatten des Grabes herausragten. Soweit das äußere Bild.

Die Grabkammer bildet einen Raum von 3,80 m Länge, 1,65-1,70 m Breite und 1,40 m Höhe. Sie war geformt aus starken, aufrecht stehenden Blöcken mit glatter Innenwand; an der Westseite stehen drei Blöcke, der mittlere z. B. 1,80 m hoch, davon 30 cm im Boden eingegraben, oben 90 cm lang, 55 cm breit, die andere etwas kleiner. Die Fugen zwischen den Steinen sind mit flachen, über einander gelegten Platten und Keilsteinen genau geschlossen ("verzwickt"). Am Nordende sind zwei Träger,

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 118 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

an der Ostseite nur zwei; an Stelle des dritten liegt an der Südostecke eine mauerartige Schichtung von rundlichen Steinen (etwa 15 cm Durchm.). Abweichungen zeigt auch die Südseite: hier stehen ein länglicher, ganz gerade abschneidender Stein von nur 25 cm Höhe und 75 cm Länge und ein Block, der nur 60 cm hoch ist. Offenbar liegt hier der Eingang und der niedrigste Stein ist die Schwelle. Vor dem Eingange auf dem Urboden lag ein Block, der auf den beiden Eingangssteinen aufgelegen haben mag und der bei der Oeffnung der Kammer, die, wie wir sehen werden, schon in vorgeschichtlicher Zeit stattgefunden hat, abgewälzt sein wird.

Die ganze Grabkammer war mit Erde und Findlingssteinen gefüllt. Die große Mehrzahl sind sicher regellos hineingeworfene Sammelsteine, wie sie auch die Oberfläche des ganzen Hügels bedeckten. Ein Theil aber war offenbar geschichtet. Auch die Lehmfüllung muß ursprünglich sein, denn in der Nachbarschaft des Grabes findet sich kein Lehm, sondern dieser kann nur zu dem Zweck der Füllung weit hergeholt sein. In der Tiefe auf dem Urboden fand sich ein ganz regelmäßiges Steinpflaster, bestehend aus flachen, etwa 2 cm starken Platten, überzogen mit einer festen Lehmdiele. Dieses Pflaster nahm aber nicht den ganzen Raum ein, sondern ließ im Norden und Osten eine Strecke frei (vgl. Skizze). Auf der Diele hatte die Beisetzung stattgefunden. Reste der Gebeine waren erhalten, und die Richtung der Leichen ließ sich danach bestimmen. Diese waren anscheinend sitzend an der Westwand, also nach Osten blickend, bestattet. Drei solcher Bestattungen waren deutlich:

Steinaxt

I. Im südlichen Theile. Etwa 25 cm von der Westwand fanden sich rechts eine Steinaxt, links ein Steinkeil; weiter nach Osten die Scherben eines verzierten Thongefäßes; als ob dem Todten eine Axt in die rechte, ein Keil in die linke Hand gegeben und ein Gefäß zu Füßen gesetzt wäre. In der ausgeworfenen Erde wurden gesammelt vier Feuersteinsplitter, darunter eine querschneidige Pfeilspitze. Die Steinaxt, aus einem feinkörnigen, grauen Gestein, anscheinend Diorit, bestehend, ist

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 119 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

ungemein sauber gearbeitet; sie ist schlank, rundlich, die Schneide leicht nach unten gebogen; das Bahnende verschmälert sich zu einer glatt abschneidenden, ovalen Fläche. Länge 16 cm, größte Breite 5,5 cm. Höhe (im Schaftloch) 4 cm. Es ist der Jahrb. 63, S. 66 unter II 1 b α beschriebene Typus (vgl. unten S. 120).

Feuersteinkeil

Der Feuersteinkeil ist ein sehr zierliches Stück, von der Jahrb. 63, S. 16 beschriebenen Grundform B I, und zwar ist die eine Schneidefläche konkav ("Hohlkeil"), die Farbe ist grauweiß, beide Breitseiten gut geschliffen, die Schmalseiten mit muscheliger Vorarbeitung. Länge 8 cm, Breite oben 1,5 cm, unten 3 cm, größte Dicke (3,5 cm von oben) 1,5 cm.

querschneidige Pfeilspitze

Die querschneidige Pfeilspitze; ein dünner Feuersteinsplitter von 2 cm Länge mit konkaver Schneide. Ueber diese kleinen eigenthümlichen Spitzen ist in den Jahrb. zuletzt 64, S. 186 gesprochen; nicht nur in Dänemark, sondern auch in Aegypten sind sie in der That mit Schaft gefunden und also als Pfeilspitzen gesichert (vgl. Evans, Ancient stone implements 2. Aufl. 1897, S. 369 und 409 und Wilson, Arrowpoints u. s. w. S. 937); in neolithischen Grabhöhlen des Marnegebietes hat man sie sogar in der Wirbelsäule steckend, also in der Ausübung ihrer Funktion angetroffen (vgl. Cartailhac, la France préhistorique, S. 254). Zu chronologischen Bestimmungen sind sie nicht zu verwenden, da sie von den Anfängen der nordischen Steinzeit bis an das Ende unter den wechselndsten Verhältnissen vorkommen. Auch in Meklenburg sind gleiche Stücke schon in Gräbern gefunden, so in dem Hünenbette von Rosenberg (vgl. Friderico-Francisceum Text S. 76).

II. In der Mitte. Auf der Diele hatte offenbar Feuer gebrannt; sie war an einer Stelle ganz roth, auch lagen dort noch einige Kohlen. In den Lehm der Diele eingebettet und schwer zu erkennen lagen ostwestlich gerichtet die Reste einiger Röhrenknochen und mehrerer Gefäße, auch Feuersteinsplitter, vor dem westlichen Stein der Schmelz eines Zahnes. Die Splittern haben die Form der "prismatischen Messer" und mögen zum Theil

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 120 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Zufallsbildungen sein; eines aber hat sicher als Messer gedient. - Ueber die Thongefäße s. unten S. 122.

III. Der nördliche Theil enthielt eine Scherbe von einem Henkelgefäße und mehrere Feuersteine, weiß und mit Sprüngen, wie sie beim Brande zu entstehen pflegen. Um diese Feuersteine als Pflaster auffassen zu dürfen, wie man es in anderen Fällen, wo sie beobachtet sind, wohl gethan hat, waren es zu wenige. Auch im nördlichen Theile fanden sich Knochenspuren und zwar in der Richtung der Fuge zwischen dem nördlichen und dem mittleren Tragstein.

So weit die Beobachtungen auf dem Grunde der Grabkammer. In höheren Schichten fanden sich nun aber auch Gegenstände ganz anderer Art. Am nördlichen Ende lag auf einem Damm, etwa 30 cm über dem Urboden, ein eisernes Geräth; flach, leicht gebogen, am breiten Ende abgebrochen, 10 cm lang und an der Bruchstelle 2 cm breit. Es scheint eine Messerklinge mit geradem Rücken und leicht gewölbter, sich zuspitzender Schneide zu sein; der Griff ist abgebrochen und die Spitze gebogen. Aehnliche Formen sind aus wendischen Skelettgräbern und Burgwällen bekannt (vgl. Jahrb. 58, S. 219).

Am südlichen Ende fand sich zwischen den Steinen eine starke Brandschicht, welche schon 50 cm unterhalb der oberen Kante der Tragsteine begann und fast bis auf die Lehmdiele hinabging, auch über den Grabraum hinauf sich in die aufgeschichtete Wandung hinzog. In dieser Brandschicht lagen Scherben eines stark gebrannten Gefäßes, das mit Horizontalriefeln verziert war und einen nach außen gebogenen Rand hatte, in dem unverkennbaren Charakter wendischer Keramik. Auf der Schicht lagen die ziemlich recent aussehenden Knochen eines Pferdes. Nun erklärt sich die Gestaltung des südlichen Theils. Um in die Kammer gelangen zu können, wurde der Eingangsstein herabgewälzt und sodann auch durch Entfernung des südöstlichen Tragsteins mehr Raum geschaffen, der wohl auch zum Entweichen des Rauches nöthig war. Wahrscheinlich diente die Kammer jenen Wenden nur zum Aufenthalte, nicht als Grabraum, wenigstens sind menschliche Gebeine nicht beobachtet. Die Decksteine sind damals wohl unberührt geblieben und erst in neuerer Zeit entfernt, denn ein neben der Kammer liegender Block, ebenso ein Tragstein, zeigen Sprenglöcher.

Um dem Grabe seine Stellung unter den meklenburgischenSteinzeitfunden anzuweisen, betrachten wir zunächst die

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 121 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Geräthtypen. Die Art ist von einer Form, wie sie sich gleich oder sehr ähnlich in Hünengräbern mehrfach findet. Wir haben sie von Tatschow, Dobbin, Vietlübbe, Malchin und Stuer, auch das unten zu besprechende Stück von Blengow ist nahe verwandt. So weit die Fundberichte ein Urtheil gestatten (die meisten jener Funde entstammen Gräbern, die nicht sachgemäß ausgebeutet sind), gehören die Gräber alle in dieselbe Kategorie wie das besprochene, die der megalithischen Steinkammer.

Die Grundform ist weit verbreitet: es gehören hierhin die dänischen Formen S. Müller, Ordning I, 107, und Madsen, Aarbøer 1891, S. 310 und 311. 1 ) Daß dieser Typus eine Weiterentwickelung eines älteren scharfkantigen (S. Müller, Ordning, 72-75) ist und in eine jüngere Periode, die besonders durch die jütischen Einzelgräber, Gruppe III, charakterisirt wird, fällt, hat Müller, Aarbøer 1898, S. 245, ausgeführt. In Schleswig=Holstein findet er sich ebenfalls in gut charakterisirten jungsteinzeitlischen Muldengräbern und Ansiedlungen (Mestorf, Mitth. d. anthrop. Gesellsch. von Schleswig=Holstein, Hefte 5 und 12). Aus der Provinz Brandenburg (West=Havelland) stammt ein ähnliches Stück (Voß=Stimming, Vorgesch. Alterth. von Brandenburg I, 3, Abth. 2), und auch der Axthammer des Brandgrabes von Warnitz i. d. Neumark (Goetze, Ztschr. f. Ethnol. 1892, S. 178) steht der Form nahe; 2 ) in Bylan in Böhmen ist ein gleicher in "liegenden Hocker"=Gräbern mit "thüringischen" Amphoren und Schnurbechern, in denen aber auch schon Kupferringe auftraten, gefunden (Pic, Cechy predhistorické, Tafel III, 11). Diese Funde stimmen darin zusammen, daß sie stets einem jüngeren Abschnitte der Steinzeitkultur des betreffenden Landes angehören. Dem verführerischen Gedanken, daß sie einem Volke oder doch einer Kulturbewegung angehören, die die Flachgräber nach dem Norden gebracht hat, wollen wir hier nicht nachgehen; auf die große Aehnlichkeit des Cramoner Grabes in der Ausstattung mit den jütischen Einzelgräbern (Axt, Keil, querschneidige Pfeilspitzen, S. Müller, a. a. O. S. 215) sei aber doch hingewiesen, und diese dänischen Gräber schließen sich durch Axtform und Keramik (Weiter=


1) Noch genauer wie das Cramoner Stück entspricht die Axt aus einem zerstörten Hünengrabe bei Dobbin (2124, Jahrb. 11, S. 347) dem dänischen Typus.
2) Fast ganz gleich der Warnitzer ist eine Axt von Gnoien (1097, Jahrb. 8 B., S. 33) "aus einem Hünengrabe", leider ohne genauere Fundangabe.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 122 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

entwickelung des Schnurbechers), durch das Bindeglied des Warnitzer Grabes der thüringischen Schnurkeramik an.

Folgen wir der Montelius'schen Eintheilung der Steinzeit, (Månadsblad 1893), so würde der Typus seiner Periode III angehören.

Daß die Form des Feuersteinkeils die gewöhnliche in den Steinzeitgräbern ist, ist bekannt (s. u. a. Jahrb. 63, S. 34 und Goetze, Berliner Ztschrft. für Ethnologie 1900, Verhandlungen S. 153. 1 ) Sie bestehen auch fast immer aus demselben grauen Gestein; daß auch diese Geräthform im Wesentlichen jüngeren Abschnitten der neolithischen Periode angehört, hat für Dänemark Sophus Müller, für Norddeutschland Goetze (a. a. O.) wahrscheinlich gemacht.

Die Thongefäße. Leider ist die Anzahl nur gering, und es sind von keinem so viele Reste erhalten, daß eine Zusammensetzung möglich wäre; ja, nach der Erhaltung scheint es, daß die Gefäße gar nicht vollständig dem Beerdigten mitgegeben sind, sondern es sich nur um Scherben handelt, die bei der Grabceremonie eine Rolle gespielt haben. Bei der hohen Bedeutung, welche gerade die Keramik als Bestimmungsmittel für zeitliche Zusammenhänge hat, rechtfertigt sich ein genaueres eingehen.

Scherbe mit Verzierung

a) Aus dem ersten (südlichen) Begräbnisse: eine größere Scherbe; Randstück, schwarzbraun. Unterhalb des Randes ist ein dreifaches Band von spitzwinkligen Zickzackdoppellinien, welche in Tiefstich ausgeführt sind. Für die Form des Gefäßes bietet die Scherbe keinen Anhalt; die Verzierung ist in den Megalithgräbern häufig. Vgl. die Nachweise Jahrb. 63, S. 80 und 64, S. 113 und sehr zahlreiche Beispiele aus Ganggräbern bei Madsen, Gravhøje fra Stenalderen.


1) Den Ausdruck "Hacken" für die sehr häufigen unsymmetrisch gestalteten kann ich mir aber nicht aneignen, da die Form der Schneide darauf hinweist, daß diese Geräthe zum großen Theil als Schab= oder Glättinstrumente benutzt sind.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 123 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Scherbe mit Verzierung

b) Aus dem mittleren: eine Anzahl einfacher und formloser Scherben brauner Färbung; außerdem ein größeres Randstück, hellbraun, verziert mit einer Doppelreihe von kleinen, halbmondförmigen Einstichen, von denen in Abständen von 2cm Streifen von paarweisen Halbmonden senkrecht nach unten gehen. Auch dieses Ornament ist nicht neu, sondern kommt sehr ähnlich auch sonst in unsern Megalithgräbern vor, so in dem unserm Grabe auch sonst ähnelnden von Remlin, ebenso wie in der dänischen Ganggräberkeramik (z. B. Madsen, Gravhøje XI, aa).

c) Aus dem nördlichen Begräbnisse: Der Rest eines Henkelgefäßes mit leicht eingezogenem Rande und scharfer Kante zwischen Rand und Wandung; diese biegt sich in starker Wölbung nach unten; unter dem Rande sitzt ein Henkel; unverziert; braun. Die Form ist sehr wahrscheinlich die im Jahrb. 63, S. 80 und 81 besprochene Schalenform, wie wir sie aus dem Hünengrabe von Tatschow und von der Ostorfer Seeinsel haben (vgl. auch unten S. 128, das zweite Gefäß von Blengow). In Dänemark finden sich sehr ähnliche Schalen in den "Ganggräbern" (S. Müller, Ordning I, 220 und 222); bei Lübeck in dem berühmten Grabe von Waldhusen (Freund, Lübecker Festschrift 1897, Tafel II, Fig. 5); in Hannover in Megalithkammern (z. B. Haltern bei Osnabrück; Müller und Reimers, Alterthümer der Provinz Hannover IV, 35). Analogien mit brandenburger und schlesischen Funden giebt Goetze a. a. O. 1900, S. 170, aus denen sich auch die Zeitstellung jener Schalen als (ältere? Genossen der "Bernburger" und "Rössener" keramischen Gruppe ergiebt. Das stimmt durchaus mit den Beobachtungen in Dänemark überein, denn auch die Ganggräber gehören in einen späteren Abschnitt der neolithischen Periode, ebenso wie die von Goetze besprochenen Typen.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 124 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Die Grabform ist die bei weitem häufigste unter unseren Hünengräbern, die große (mit mehreren Decksteinen versehene) Grabkammer mit einem Eingange an einer Seite und ohne Gang. Der Erdauftrag ging fast bis zur Höhe der Tragsteine und diente dazu, sie in ihrer Lage zu halten. Zu der oft ausgesprochenen 1 ) Annahme, daß der Erdmantel auch die Decksteine bedeckt hätte, liegt hier ebenso wenig ein Grund vor, wie in den zahlreichen anderen Fällen, von denen hier nur auf die sehr ähnlichen Gräber von Alt=Sammit (Jahrb. 26, S. 115 flgd.) und Zarnewanz I (Jahrb. 64, S. 111) hingewiesen sein mag; die in einem Hügel gelegenen, ganz bedeckten Gräber, wie die unten zu besprechenden von Blengow und Gresse, gehören späteren Perioden an. Der Mangel ausreichender Untersuchungen drängt sich bei solchen Versuchen, eine fachliche und zeitliche Ordnung unserer Denkmäler vorzunehmen, immer wieder auf; es kann also nur als Vermuthung gelten, wenn wir folgende Reihenfolge als wahrscheinlich voraussetzen: I. Einfache Steinkammer im Boden mit freiliegendem Deckstein (z. B. Zarnewanz II; Jahrb. 64, S. 116). 2. Große Steinkammer, freistehend auf dem Urboden mit frei liegenden Decksteinen (Cramon u. s. w.). 3. Steinkammer, überdeckt von einem Hügel (Blengow u. s. w.), dem Typus der Ganggräber entsprechend. Durch das Fehlen des Ganges unterscheiden sich die großen meklenburgischen Hünengräber von den großen skandinavischen Grabbauten, den dänischen "Riesenstuben" (jättestuer), bei denen der aus großen Blöcken geschaffene Eingang einen so wesentlichen Bestandtheil bildet, daß die schwedischen Archäologen sie als "Ganggräber" (ganggrifter) zu bezeichnen pflegen. Anlage und Ausstattung der meklenburgischen Hünengräber aber stimmt so mit den nordischen Ganggräbern überein, daß eine zeitliche Zusammengehörigkeit zweifellos ist. Doch auch hier finden sich charakteristische Unterschiede: in Meklenburg sind in Megalithgräbern viel häufiger als in Dänemark durchbohrte Aexte aus Diorit oder ähnlichem Gestein, fehlen dagegen die künstlichen Dolche und Messer aus Feuerstein noch ganz. Wenn demnach die große Masse unserer Megalithgräber


1) So versichert Cartailhac, la France préhistorique S. 181 u. flgd. bestimmt, daß die französischen Dolmen sämmtlich eine Erd= und Steinbedeckung gehabt hätten, führt aber keine Beweise an. Ich glaube, daß es für jeden, der selbst auf dem festgefügten, ganz freistehenden Steinhause von Crucunno (Bretagne, Morbihan) gestanden hat, sehr starker Beweise bedürfen wird, nicht an die Ursprünglichkeit solcher Anlagen zu glauben.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 125 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

der nordischen Periode der Ganggräber entspricht und in Montelius, Periode III der Steinzeit (Manadsblad 1893) fallen wird, so deckt die mecklenburgische Steinkammerzeit sich doch nicht mit dieser skandinavischen Periode (dort sind gerade die Dolche eine Charakterform der Ganggräber), sondern scheint etwas älter zu sein. Wollen wir die relativen Begriffe "alt" und "jung" anwenden, so werden wir aber immerhin die Gräber des Cramoner Typus als jungneolithisch bezeichnen müssen. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß sie an das Ende gehören. Wir werden über noch jüngere, aber immer noch steinzeitliche Gräber unten bei Gresse und Wiligrad zu reden haben.

Es erübrigt noch ein sekundäres Vorkommniß zu erwähnen. Am Ende der Kammer fehlte, wie schon gesagt, der Kragstein, und es fand sich eine wendische Kulturschicht. Wir haben hier also ein Beispiel für die Benutzung eines steinzeitlichen Grabes in sehr viel späterer Zeit; anscheinend ist hier ein Tragstein entfernt und so der Zugang geschaffen. Der Grund des Grabes ist, wie die Ausgrabung zeigte, unberührt geblieben. Aehmliche Verhältnisse haben sich bei dem Hünengrabe von Remlin und einem der Moltzower gezeigt. Daß es noch immer nicht genügt, derartige an sich ja ganz selbstverständliche Erscheinungen, wie die späterer Benutzung einer steinzeitlichen Grabanlage, hier also in der Wendenzeit, einfach zu registriren, hat erst vor kurzem die Behandlung gezeigt, welche in den Bonner Jahrbüchern die westphälischen Hünengräber gefunden haben.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen
Hünengrab von Hallalit (bei Teterow).

Nur 3,75 Kilometer von dem oben beschriebenen Megalithgrabe von Cramon entfernt, findet sich ein Hünengrab, das, so weit ich ehen kann, bisher unbekannt geblieben ist und welches ich, Dank der Freundlichkeit des Herrn von Tiele=Winckler auf Vollrathsruhe, am 8. Juni 1900 besichtigen konnte.

Das Grab liegt 0,75 Kilometer westlich vom Orte, im Gebiete der Endmoräne, in einem Bestande junger Tannen auf einer flachen, länglichen Erhebung. Es ist zum großen Theile schon zerstört; erkennbar sind noch die großen Umfassungssteine, die den Hügel in einem länglichen Oval umgaben. Die Blöcke der Grabkammer sind gesprengt, doch ist deren Lage nahe dem östlichen Ende des Hügels noch erkennbar. Bei dem Aufräumen

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 126 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

der Steine ist ein Keil von grauweißem Feuerstein gefunden, von jener flachen, schlanken Form, die in den steinzeitlichen Gräbern die gewöhnliche ist (B I); weitere Beigaben sind nicht beobachtet. Der Keil befindet sich in der Sammlung des Herrn von Tiele=Winckler auf Vollrathsruhe.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen
Hünengrab von Blengow (bei Neubukow).
(Kat.=Nr. 4323-4328. St. 11-14. 111-114.)

Im Jahre 1871 ist bei Blengow auf dem Voßberge eine sehr interessante Steinkammer ausgeräumt, über deren Befund Jahrb. 30, S. 193 ff., von Lisch berichtet ist. Das Grab, eine "kleine unterirdische Steinkammer" mit einem ungeheuren Deckstein, ist in seiner Form erhalten geblieben, die Fundstücke sind damals zum Theil in die Schweriner Sammlung gekommen, zum Theil in Blengow in der Sammlung des Herrn Berthold Beste geblieben, zum Theil in die Hände des Herrn Baumeister Thormann in Wismar gelangt. Die letzteren sind vor einigen Jahren, die andern mit der ganzen schönen Sammlung als Schenkung des Herrn Anton Beste Dezember 1899 der Großherzoglichen Sammlung zugegangen, sodaß nunmehr das gesammte Grabinventar, soweit es erhalten ist, hier vereinigt ist. Damit ergeben sich einige Berichtigungen gegen die Darstellung in den Jahrbüchern. Nach dieser sind gefunden an der Westwand eine sitzende Leiche, zu Füßen eine Pfeilspitze; an der Nordwand zwei sitzende Leichen, eine mit Axt, eine mit Feuersteinkeil; eine dritte schien vergangen zu sein, zu ihren Füßen ein Hängegefäß. Unbestimmbar war die Zugehörigkeit einer Pfeilspitze, einiger Feuersteinsplitter und eines zweiten (zerbrochenen) Thongefäßes.

In der Schweriner Sammlung befinden sich jetzt:

1. Eine durchbohrte Axt aus graugrünem, dioritartigem Gestein von der Jahrb. 63, S. 67, als II 2 b beschriebenen Grundform; die obere und untere Seite leicht vertieft; das Bahnende rechteckig (mit Spuren der Abnutzung),

Axt
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 127 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

die Schneide nicht so hoch wie das Bahnende. Länge 10,5 cm, größte Breite 4 cm, Höhe 3,25-4 cm, Durchmesser des Schaftlochs 2 cm. Die Form ist weit verbreitet und ähnelt der oben bei dem Grabe von Cramon besprochenen, unterscheidet sich aber von dieser wesentlich dadurch, daß sie nicht gebogen ist und nähert sich dadurch dem Typus Müller, Ordning 72, in dem dieser die Urform der ganzen Reihe sieht. Zu chronologischen Bestimmungen reicht, so weit ich sehen kann, die einfache Form nicht aus. In Böhmen sind sie z. B. noch in altbronzezeitlichen Gräbern gefunden (Pic, Cechy predhistorické IX., 25).

2. Ein Feuersteinkeil, zerbrochen, erhalten nur der untere Theil, grauweißes Gestein mit hellbraunen Flecken, schmal, gut geschliffen, Länge noch 5 cm (ursprünglich 7-8 cm). Breite der Schneide 4,5 cm, Dicke nur 0,5 cm. Die Grundform ist dieJahrb. 63, S. 17, besprochene B I, welcher ja die große Mehrzahl der in Hünengräbern gefundenen Keile angehört.

3. 4. Zwei flache "prismatische Messer" von 7 und 6,5 cm Länge.

Soweit die Steinsachen; es fehlen also die in dem Berichte erwähnten Pfeilspitzen.

Dagegen ist die Zahl der Thongefäße größer, nämlich:

5. Ein Hängegefäß (Kat.=Nr. 4327, vgl. Jahrb. 37, S. 195), am oberen Theile stark beschädigt, graubraun, dickwandig, unverziert; schmale rundliche Bodenfläche (3 cm Durchm.), starker horizontaler Wulst am Halsansatz, eingezogener Hals (der Rand fehlt); ursprüngliche Höhe etwa 10 cm. Auf dem Wulste sind, einander gegenüber, je zwei kleine, von oben nach unten durchbohrte Oesen, welche das Gefäß als Hängegefäß charakterisiren. Hängegefäße, wenn auch etwas anderer Form, gehören in Dänemark den Ganggräbern (Montelius, Periode III der jüngern Steinzeit) an, auch das Montelius, Antiquités suédoises 95 abgebildete, dem unsern nahestehende Hängegefäß gehört in einen jüngern Abschnitt der Steinzeit.

Hängegefäß
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 128 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Scherbe mit Verzierung

6. Ein Randstück (Kat.=Nr. 4326), leicht nach innen gewölbt, verziert oben mit sich kreuzenden, tief eingestochenen Linien, ein Ornament, das der nordischen Keramik im allgemeinen fremd ist.

7. Kleiner Topf (Kat.=Nr. St. 11) mit absetzendem Bauchrand und mit Henkeln (vgl. Jahrb. 63, S. 82 oben); in der Abbildung tritt die Rundung des Bodens nicht genügend hervor. Daß das Gefäß zu den Hängegefäßen zu zählen ist, ergiebt die Vergleichung mit den sehr ähnlichen bei S. Müller, a. a. O. 231, zu dem ein Deckel mit vertikal durchbohrten Oesen gehört; vgl. auch die sehr ähnlichen Gefäße bei Madsen, Gravhøje etc. ., Tafel 18 aus dem Ganggrabe von Udby bei Holbaek.

Topf

8. Topf mit leicht gewölbter Wandung (Kat.=Nr. St. 12, vgl. Jahrb. 63, S. 81) und leicht eingezogenem Halse, ähnlich dem bei Madsen, Gravhøje Tafel 28, Fig. hh abgebildeten Gefäße aus einem Ganggrabe.

9. Topf mit wulstigem hochliegendem Bauchrande (Kat. = Nr. St. 14), eingezogenem Halse, zwei Henkeln, schmaler Standfläche; unverziert; der Form nach also sehr ähnlich den Schalen von Ostorf, Jahrb. 63, S. 80, und mehrerer der bei Mestorf, Vorgeschichtl. Alterth. von Schleswig = Holstein, Tafel XVII, abgebildeten.

Topf

Wenn so die Keramik des Blengower Grabes sich der der nordischen "Ganggräber" anschließt, so stimmt

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 129 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

damit der Bau des Grabes sehr gut überein. Es ist eines der wenigen Graber, deren Deckstein unter dem Boden lag und zwar innerhalb eines Hügels, ferner hatte es vor dem Eingange einen, wenn auch nur kleinen Gang. Es kommt also dem Typus der "Ganggräber" wesentlich näher wie die große Mehrzahl unserer Steinkammergräber und nimmt eine Zwischenstellung zwischen dem oben beschriebenen Grabe von Cramon und dem unten zu behandelnden von Gresse ein.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen
Hünengrab von Gresse (bei Boizenburg).

In der Uebersicht über die Vertheilung der meklenburgischen Hünengräber Jahrb. 64, S. 92 ist als die südwestlichste Gruppe eine Anzahl von Gräbern bei Wittenburg und Boizenburg zusammengefaßt, an deren Gebiet sich dann die gräberleere Thalsandheide anschloß. Am weitesten vorgeschoben erschienen einige Gräber bei Granzin. Seitdem ist ein neuer Grabfund bekannt geworden, der unmittelbar an dem alten Abfallsufer zum großen Elbthal hin gelegen ist und der nach seiner ganzen Anlage ein besonderes Interesse beanspruchen darf. Verfasser hat das Grab unter freundlicher Führung des Herrn Freiherrn von Ohlendorff am 23. Mai 1900 besichtigt. Etwa 800 m nordöstlich von Schloß Gresse liegt auf ebenem Gelände ein sehr auffallender, mit alten Bäumen bestandener Hügel von etwa 6 m Höhe und 25 m Durchmesser, der sog. Finkenberg. Herr Freiherr von Ohlendorff auf Gresse hat im Frühjahr 1899 den Hügel von der Höhe und der Nordseite her angraben lassen und eine große Grabkammer im Innern frei gelegt. Diese Kammer ist nach Möglichkeit erhalten, indem die Steinwände, so weit angängig, in ihrer ursprünglichen Lage gelassen sind, oben durch eine Wölbung geschlossen und mit Oberlicht versehen. Ein ausgemauerter Gang, zu dem die Steinmassen des Grabes benutzt sind, führt jetzt in den Grabraum, in dem die hier gemachten Funde aufbewahrt werden. So ist eine bedeutungsvolle und in ihrer Art einzige Anlage dauernd geschützt und der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die Grabkammer lag gerade in der Mitte des Hügels und bildete einen unregelmäßig vierseitigen Raum mit gerundeten Ecken von etwa 4 m Durchmesser und 2 m Höhe. Die Wände bestanden nicht aus großen, stehenden Steinblöcken, wie bei den Hünengräbern, sondern aus wagerecht gelegten, geschichteten

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 130 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Steinen von durchschnittisch 30 cm Länge. Sie war auch nicht überwölbt mit den üblichen massiven Felsen, sondern die Decke bestand aus denselben Steinen, wie die Wände. Eine Holzüberdeckung ist nicht beobachtet, es hatte den Anschein, als ob die Steine oben ein Gewölbe bildeten. Natürlich kann dieses nur ein sog. "falsches Gewölbe", d. h. ein durch Ueberkragen der Steine gebildeter oberer Abschluß gewesen sein. Im Innern der Kammer fand man an einer Stelle eine starke Brandschicht von 1 m Länge und 30 cm Stärke. Die Beerdigung hat an der Westwand stattgefunden. Beobachtet sind:

1. Reste eines (oder mehrerer?) unverbrannten Leichnams.

2. Eine Axt, anscheinend aus Gneis, länglich und unregelmäßig, ähnlich dem in Jahrb. 63, S. 60 abgebildeten Stück, Grundform A, 19 cm lang, 4 cm hoch.

3. Eine Axt, anscheinend aus Diorit, von der a. a. O., S. 61 abgebildeten Form, Grundform B I a, 13 cm lang, 5 cm hoch.

4. Ein "Arbeitskeil" aus Feuerstein, gleich Jahrb. 63, S. 21. Grundform C b I, 12 cm lang.

5. Ein "Hohlteil" aus Feuerstein, der Form nach dem vorigen gleichend, 11 cm lang.

6. Ein Keil "mit geschweifter Schneide" von Feuerstein, ähnlich dem a. a. O. S. 19 abgebildeten Stück, Uebergangsform von B zu C, 11 cm lang.

7. Ein flacher, unregelmäßig geformter Keil (oder Axt) aus einem schiefrigen Gestein, ungefähr 8 cm lang.

8. Ein Dolch aus Feuerstein; gleich der Abbildung a. a. O. S. 49, Grundform II C 2, prachtvoll gearbeitet, mit gekröselten Seiten und feiner paralleler Muschelung der Klinge; leider ist der größere Theil der Klinge abgebrochen. Länge noch 14,5 cm.

Die steinzeitlichen Grabformen sind Jahrb. 64, S. 79 flgd. besprochen. Keiner schließt sich das von Gresse an. Von allen in Meklenburg bekannt gewordenen Hünengräbern unterscheidet sich das besprochene in verschiedenen sehr wesentlichen Punkten. einmal durch seine Lage in der Tiefe eines Hügels, der in seiner ganzen Anlage genau den bronzezeitlichen Gräbern gleicht. sodann durch seine Schichtung aus Steinen, während die Grabkammern

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 131 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

sonst aus aufrecht stehenden Blöcken oder Platten gebildet werden. Der erste Punkt findet seine Analogien in den "Riesenstuben" von Schweden, Dänemark und Schleswig=Holstein, die ja auch oft von sehr bedeutenden, zu Hügeln geschichteten Erdmassen umgeben sind; in S. Müllers Nordischer Alterthumskunde S. 77 flgd. ist das Material übersichtlich zusammengefaßt. - Eigenthümlich diesen Riesenstuben aber ist der Gang, der hier anscheinend fehlt, und keine zeigt die aufgemauerten Wandungen. In diesem Punkte entfernt sich das Gresser Grab von den nordischen Hünengräbern und schließt sich an jene "Kuppelgräber" an, deren bekanntester Vertreter das "Schatzhaus des Atreus" in Mykene ist. Derartiges findet sich erst in weiteren Entfernungen von uns.

Dahin gehören, um zunächst einige Beispiele anzuführen, die dem Verfasser aus eigener Anschauung bekannt sind, mehrere der großartigen Gräber in der Bretagne (Dep. Morbihan), so der Mané-er-Hroèg bei Locmariaquer, ein 12 m hoher Hügel, auf dessen Grunde sich die aus platten Steinen aufgesetzte und mit starken Platten überdeckte Grabkammer (4x3x1,5 m) fand, zum Theil auch der mächtige St. Michel bei Carnac, wo wenigstens eine Seite der Grabkammer aus einer Trockenmauer bestand, das Grab von Tumiac bei Arzon, kurz, gerade die größten und ergebnißreichsten Gräber jener klassischen Gegend. (Die Belege s. bei Mortillet, Musée préhistorique Tafel 59, Cartailhac, la France préhistorique S. 204 flgd. u. s. w.)

Auch über Grabhügel an der Westküste Frankreichs (z. B. St. Amand, Dep. Charente) liegen gute Untersuchungen, besonders von Chauvet, vor. Diese werden folgendermaßen beschrieben (Cartailhac, S. 214 ff.): einige der Hügel schlossen echte Megalithgräber ein, andere bargen Trockenmauern aus flachen Bruchsteinen, mit Wiederlagern aufrecht gestellter Blöcke, die Zweidrittel oder Dreiviertel der Höhe erreichten. Die Kammer war rechteckig, polygonal, besonders aber rund. Erhalten waren Theile der Bedachung in Form über einander gelegter Platten, ein System einfachster Wölbung [das sog. "falsche Gewölbe"], wie es noch jetzt bei den Hütten der Hirten in den Kalksteinplateaus. von Südfrankreich in Gebrauch ist. Mehrere hatten enge und lange Eingänge. Endlich war meist der Boden mit einer rothen Lehmdiele bedeckt, auf der die Reste der Beerdigten mit ihren Beigaben lagen. Ärmliche Beobachtungen sind in einer Nekropole bei Fouqueure gemacht. In beiden Fällen handelte es sich um neolithische Begräbnisse.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 132 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Ebenso sind in Süd = Frankreich Grabkammern aus Trockenmauern mit Erdauftrag bekannt, die zum Theil schon Kupfer (oder Bronze) ergeben haben; so ein großes Grab von La Roquette bei St. Pargoire (Dép. Herault), wo 26 Leichen mit Feuersteinklingen, Bernstein, Kupferzierrath u. s. w. gefunden sind und zu dem der Entdecker, Cazalis de Fondouce, Analogien aus Sardinien anführt (Cartailhac, a. a. O., S. 220).

Auf weitere Beispiele aus Frankreich bezieht sich Montelius, Orient und Europa I, 1899, S. 58 ff., wo ebenfalls S. 70 ff. Beschreibungen und Abbildungen zahlreicher gleicher Anlagen aus Irland und auch einige aus Schottland gegeben werden. Aus den Ausführungen von Montelius ergiebt sich, wie ähnliche Bauten mit ähnlicher Ausstattung in Kleinasien (besonders Karien), Sardinien, Spanien bekannt geworden sind (a. a. O., S. 36. 60. 75. 89 u. s. w.).

Ob unser Gresser Grab einen inneren Zusammenhang mit jenen Kuppelgräbern hat, die von Spanien bis Schottland sich hinziehen und zwar unverkennbar die Küste entlang, bleibe noch dahingestellt. Denkbar ist ein solcher sehr wohl. Alle jene Gräber liegen der Küste nahe. Auch das Gresser Grab liegt am alten Elbthal, etwa 140 Kilometer von der Elbmündung entfernt. Wenn jene Gräber, wie man jetzt meist annimmt, ihre Entstehung einer die Küsten entlang sich bewegenden "orientalischen" Beeinflussung verdanken, so kann diese sich auch nach Deutschland erstreckt haben, ebenso gut wie die jung=steinzeitlichen Thonbecher und alten Metallgegenstände in identischen Formen sich nicht nur auf dem ganzen Verbreitungsgebiete der Kuppelgräber in Europa, sondern auch in Deutschland finden. Zunächst aber, ehe weitere Beobachtungen vorliegen, wollen wir uns mit dem Nachweise begnügen, daß das Grab von Gresse in seiner Bauart nicht nur, sondern auch in seiner zeitlichen Stellung sich einer Gruppe von Gräbern anschließt, die bisher besonders hauptsächlich im westlichen Europa bekannt geworden sind und auf unserem Boden, im Gebiete der nordischen Steinzeit, sich noch durchaus fremdartig ausnehmen.

Die Ausstattung des Grabes gleicht der unserer megalithischen Kammern, der typischen Hünengräber. Auffallend ist nur das Vorkommen des Dolches in einer Form, die, soweit ich das Material übersehen kann, in den älteren steinzeitlichen Gräbern überhaupt nicht, sondern bei uns wenigstens erst am Ende der

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 133 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Steinperiode, besonders in Flachgräbern, vorkommt, so in den Flachgräbern von Basedow) (vgl. Jahrb. 64, S. 124). Auch der Keil mit geschweifter Schneide gehört erst in die jüngsten Abschnitte der Steinzeit.

Daraus ergiebt sich die zeitliche Stellung unseres Grabes. Dieses gehört sichtlich einer ganz jungen Periode der Steinzeit an, entsprechend Montelius' Periode IV der jüngern Steinzeit, (Månadsblad 1893). Die Grabform führt schon zu der Bronzezeit hinüber. Aber die Form der Grabkammer ist noch nicht aufgegeben, nur wird sie anders gebildet wie in den früheren Perioden. Das Bild, welches wir von der Entwickelung der steinzeitlichen Grabformen entwerfen konnten (Jahrb. 64, S. 82 ff.), erhält hierdurch einen neuen Zug, der mit den andern nicht so ohne weiteres vereinbar ist. Wir sahen dort, wie aus der Steinkammer, mit der Abart des steinkammerlosen Hünenbettes, die Steinkiste 1 ) wurde. In diesen Gang läßt sich die Grabform, deren einziger Vertreter auf dem Gebiete der nordischen Steinzeit bisher das Grab von Gresse ist, nicht einreihen, wir werden in ihm eine jener mannigfachen auswärtigen Einwirkungen zu sehen haben, die schon in der Steinzeit bestimmend in den einheimischen Formenkreis eingriffen.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen
Flachgrab von Wiligrad (bei Schwerin).
(Kat.=Nr. St. 115.)

Im Parke zu Wiligrad, dem früheren Lübstorfer Holze, ist man im Januar 1900 beim Kiesfahren auf eine alte, äußerlich nicht erkennbare Begräbnißstelle gestoßen. Etwa 1 km nordöstlich vom Anhalte Wiligrad entfernt, liegt rechts von der neuen zum Schlosse führenden Chaussee ein rundlicher Kieshügel in natürlicher Schichtung. Bei der Abtragung fand man etwa 60 cm unter der Oberfläche eine Anzahl Gebeine. Eine Untersuchung des Fundortes durch Verfasser am 18. Januar v. Js. und ein Verhör des Chausseewärters Dube, welcher die Aufsicht bei den Arbeiten geführt und einen Theil der Gebeine in Verwahrung genommen hatte, ergab Folgendes:


1) Das Flachgrab scheint nicht auf nordischem Boden aus der Steinkiste hervorgegangen, sondern aus fremden (südlichen) Einflüssen entstanden zu sein.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 134 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Die Skelette lagen in einer rahmenförmigen Steinsetzung aus mittelgroßen Steinen (20-30 cm Durchm.); diese war durch Querschichten kleiner Steine in fünf Abtheilungen getheilt.

Skizze  zur Steinsetzung

Der innere Raum der ganzen Steinsetzung betrug in der Länge 2, in der Breite etwa 1 m; die Richtung war nord=südlich. In jedem der fünf Räume lagen die Gebeine frei im Boden, über jedem Schädel fand sich ein größerer Stein. Der Raum für jede Leiche war nach dem Gesagten sehr klein (1 m x 30 cm), die Gebeine lagen durch und auf einander, zerdrückt und gebogen; an einer Stelle lagen Rippe, Schlüsselbein, Oberschenkelkopf neben einander, die fünf Schädel aber lagen alle in der Mitte des Grabraums und standen alle aufrecht ("stuhr uppsätt", sagte mein Gewährsmann). Brandspuren, Scherben oder Beigaben irgend welcher Art sind nicht beobachtet. - Die meisten Schädel waren sehr mürbe und zerfielen, erhalten geblieben ist nur einer; dieser ist auf Höchsten Befehl Seiner Hoheit des Herzog=Regenten dem Großherzoglichen Museum überwiesen.

Wenn wir das Grab hier bei den steinzeitlichen Funden behandeln, so geschieht das natürlich nur als Vermuthung, zumal die gute Erhaltung des Schädels in so geringer Tiefe eine wesentlich jüngere Zeit wahrscheinlich machen würde; da alle Beigaben fehlen, die Schädelformen allein aber noch nicht als zeitliches Bestimmungsmittel vorgeschichtlicher Begebenheiten verwendbar sind, so bleibt ja nur die Grabform über. Diese ist aber so eigenartig, daß meines Wissens keine andere vorgeschichtliche Periode Analogie bietet als die Steinzeit. Der enge Raum, auf dem die Gebeine beigesetzt sind, und die unnatürliche Stellung des Schädels weisen dahin, daß hier ein Beispiel einer Bestattungssitte vorliegt, wo der Leichnam erst nach Entfernung der Fleischtheile seine letzte Ruhestätte gefunden hat; zahlreiche Beobachtungen auf sehr verschiedenen Gebieten, besonders auch die noch bestehenden Sitten mancher primitiven Völkerstämme machen es wahrscheinlich, daß in solchen Fällen der Leichnam zunächst eine vorübergehende Aufbewahrung gefunden und erst in macerirtem Zustande dem endgültigen Grabe übergeben ist. Es sei dafür auf

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 135 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

die eingehenden Ausführungen von Cartailhac in dessen la France prehistorique verwiesen, wo S. 257 aus neolithischen Grabhöhlen der Champagne Beispiele einer derartigen Behandlung der Leichen und aufrechter Schädelstellung angeführt sind; vgl. dazu auch Virchow in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie 1898, S. 283. Ebenda 1900, S. 146 erwähnt Goetze ein jung=neolithisches "Hockergrab" aus der Uckermark, in dem der Schädel ganz wie bei dem unseren aufgesetzt war; auch der Fund aus einem steinzeitlichen Hügelgrabe von Tensfeld im östlichen Holstein, wo die Gebeinreste von zehn Personen auf einem Raum von 0,70x1,15 m zusammengedrängt gefunden wurden, sei hier erwähnt. (Vgl. Mestorf, Mitth. d. anthrop. Vereins in Schleswig=Holstein 12, S. 30.)

Zur Grabform selbst. Steinzeitliche Flachgräber ohne wesentlichen Steinschutz sind in den letzten Jahren sehr in den Vordergrund gerückt worden. Auf Grund eines sehr bedeutenden Materials hat Sophus Müller, Aarbøger 1898, S. 157 flgd. nachgewiesen,. daß die besonders auf der Westseite von Jütland häufigen "Einzelgräber" in mehrere zeitlich zu trennende Gruppen zerfallen, von denen die älteste den "Riesenstuben" gleichzeitig, aber in der ganzen Ausstattung verschieden ist, während die jüngste, den Steinkistengräbern gleichaltrig ist und sich auch in der Ausstattung nähert; Müller sieht in den Einzelgräbern die Bestattung eines neu eingedrungenen, den Erbauern der Hünengräber stammfremden Volkes. Aehnliche Gräber mit ähnlichem Inhalte finden sich in Schleswig=Holstein, Meklenburg, den nördlichen Theilen von Brandenburg und im Gebiete der unteren Oder, und man nimmt an, daß diese Begräbnißform fremd, in einem jüngeren Abschnitte der neolithischen Periode von Süden her eingedrungen ist. (Schumann, Nachr. über deutsche Alterthumsfunde 1898, S. 89.) Die wenigen bisher in Meklenburg bekannt gewordenen Beispiele sind Jahrb. 64, S. 88 besprochen. Ueberall stnd es überwiegend gestreckt gebettete Leichen, doch kommen auch liegende Hocker (z. B. in Ketzin Ost=Havelland, Goetze a. a. O.) oder regellos beigesetzte Gebeine in der Art der Wiligrader vor. Eine so überzeugende Gliederung dieser Grabformen, wie sie für Jütland gelungen ist, ist auf deutschem Boden noch nirgends möglich; eine völlige Analogie für die Form des Wiligrader Grabes weiß ich nirgends nachzuweisen; wir müssen uns begnügen, es in diesem Zusammenhange aufzuführen, genauere Auskunft von weiterer Erforschung des Landes erwartend.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 136 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Das einzige Fundstück, welches erhalten geblieben ist, ist der Schädel. Die folgenden Maaße desselben sind gegeben nach den Messungen des Herrn Dr. Asmus in Teterow, welcher sie uns zu diesem Zwecke mit dankenswerther Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellt hat. Gerade Länge 179 mm, größte Länge 181 mm, Intertuberal=Länge 177,5 mm. - Größte Breite

Schädel

143,5 mm, Stirnbreite 101,5 mm, Ohrbreite 129 mm, Hinterhauptsbreite 115 mm. - Länge der Schädelbasis 103 mm. Breite der Schädelbasis 104,5 mm. - Ganze Höhe 139 mm, Ohrhöhe 118 mm. - Horizontalumfang 530 mm. - Stirnbogen 135 mm, Scheitelbogen 135 mm. - Vertikaler Querumfang 325 mm.- Gesichtslänge 117 mm, Obergesichtslänge 68 mm, Jochbreite 134,5 mm, Gesichtsbreite 94 mm. Foramen magnum bis Oberkiefer 87,5 mm, F. m. bis Kinn 108 mm, Augenhöhe 31 mm, Augenbreite 41,5 mm, Nasenhöhe 53 mm, Nasenbreite 27,5 mm,

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 137 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Gaumenlänge 48 mm. Gaumenbreite 45 mm, Unterkieferwinkelbreite 108 mm, Astbreite des Unterkiefers 35 mm, Kinnhöhe 31 mm. - Indices: Längenbreitenindex 79,3, Längenhöhenindex 76,8, Breitenhöhen 96,9, Gesichtsindex nach Kollmann 86,9, Obergesichtsindex nach Kollmann 50,6, Gesichtsindex nach Virchow 124,5, Obergesichtsindex nach Virchow 172,3, Nasenindex 51,9, Augenindex 74,4, Gaumenindex 93,7.

Das Geschlecht bestimmt Herr Dr. Asmus als männlich, das Alter auf etwa 30 Jahre.

Der Schädel ist ziemlich fest, gut erhalten bis auf einige Verletzungen, die er bei der Entnahme aus dem Boden davon getragen hat. Die Zähne sind gut und vollständig bis auf drei nach der Auffindung verlorne, die Nähte beginnen zu verknöchern.

Nach den oben gegebenen Maaßen ist der Schädel als hochgradig mesocephal, fast brachycephal (breitköpfig), hypsicephal und mittelhoch zu bezeichnen; die Hohe ist bedeutend für einen so breiten Schädel. Der Typus nähert sich ziemlich dem meklenburgischen Wendenschädel, wie ihn neuerdings Asmus ("Die Schädelformen der altwendischen Bevölkerung Meklenburgs", S. 9) festgestellt hat, unterscheidet sich aber durch größere Annäherung an Brachycephalie und durch Länge des Gesichtes.

Ueber steinzeitliche Schädel aus Meklenburg fehlt noch eine zusammenfassende, alle erforderlichen Momente berücksichtigende Untersuchung; die von Brückner (26. Jahresbericht des Museums von Neubrandenburg 1898) behandelt sie nur nach dem Verhältniß des Längenbreitenindex; danach sind die aus neolithischen Steinkammern stammenden Schädel durchweg dolichocephal; eine zweite Gruppe sehr alter Schädel ("Torfschädel" und Schädel aus "Urvolkgräbern") dagegen überwiegend brachycephal. Das stimmt durchaus mit den Beobachtungen in den skandinavischen Ländern, wo neben vorwiegender Dolichocephalie ein starker Procentsatz brachycephaler Schädel in der Steinzeit beobachtet ist. Dagegen würde, nach gefälliger Mittheilung des Herrn Dr. Schumann in Löcknitz, in Pommern ein Schädel von so hochgradiger Mesocephalie, wie der Wiligrader, eine Ausnahmestellung einnehmen. Danach würde also der besprochene Schädel sich in die Reihe der altwendischen Schädel leichter einreihen lassen als in die der steinzeitlichen, aber seine Zugehörigkeit zu der letzteren ist doch sehr wohl möglich.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 138 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen
Feuersteinmanufaktur von Garvsmühlen (bei Neubukow).
(Kat.=Nr. St. 109. 110.)

In der Nähe des Jahrb. 64, S. 119 besprochenen Hünengrabes von Garvsmühlen befindet sich eine kiesige Erhöhung, auf der Abfälle von Feuersteingeräthen, Splitter, Messer u. s. w. in Masse gefunden sind. Bei der Schenkung der Sammlung des Herrn Beste auf Blengow an das Großherzogliche Museum sind auch folgende von dort stammende Stücke hierher gelangt:

1. Sechs "prismatische Messer" von der bekannten Form (untere Seite glatt, leicht konkav, obere Seite mit einer, oder häufiger, zwei scharfen Kanten), charakteristische Stücke aus weißgrauem, schwarzgrauem oder gelbbraunem Stein; 9-4 cm lang.

2. Zwei "löffelförmige Schaber"; der eine aus dunklem Feuerstein ist auf der oberen Seite nur an den Rändern bearbeitet und zeigt sonst die ursprüngliche, kreidige Oberfläche, die untere Seite ist ganz glatt (ohne sekundäre Bearbeitung) und an der Schneide löffelartig konkav; auf der oberen Seite zeigt der Griff eine hohe Kante, alle Ränder sind scharf zugeschlagen; Länge 11 cm. Das zweite Stück (beistehend abgebildet) unterscheidet sich durch die Farbe (grauweiß), eine stärkere Biegung der Schabfläche und einen stärkeren Mittelgrat; Länge 9,5 cm.

Schaber

Es ist das erste Mal, daß derartige Geräthe in unsere Sammlung kommen; auch sonst scheinen sie in Deutschland selten zu sein; eines aus Schleswig=Holstein bildet Virchow in der Zeitschrift für Ethnologie 1894, Verhandlg. S. 356, ab. Etwas häufiger sind sie in den skandinavischen Ländern; vgl. S. Müller,vOrdning I, 148, Montelius, Antiquités suédoises 70, aus einem Moorfunde in Uppland, wo acht solche Geräthe zusammen gefunden sind und Rygh, Norske Oldsager 48, ebenfalls aus einem Moorfunde (bei Drontheim); über einzelne in England gefundene Exemplare dieser "spoon-shapeds scrapers" s. Evans, The ancient stone implements, 2. Aufl., S. 308 und 310. In Frankreich, wo die Schaber (grattoirs) ungemein häufig sind, finden sich einzelne recht ähnliche Formen. Dort gehören sie zu einer Gruppe von Altsachen, die man als den Anfang der neolithischen Periode oder auch als die Uebergangszeit zwischen

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 139 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

paläolithischer und neolithischer Periode bezeichnet, das Campignien Salmons. Es ist im wesentlichen dieselbe Stufe, der in Dänemark die Kjökkenmöddingindustrie in ihrer späteren Entwickelung entspricht. 1 ) (Montelius' 2. Periode des älteren Steinalters.) S. Müller behandelt Aarbøger 1896, S. 343, einige Geräthe, die unserm "Löffel" durch Biegung und dreiteiligen Querschnitt ähnlich werden und in denen er Formen aus dem Ende der Kjökkenmöddingzeit oder Anfang der Dolmenzeit sieht. Auch unsere Schaber werden also in einen sehr frühen Abschnitt der nordischen Steinzeit zu setzen sein.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen
Messer von Warnkenhagen (bei Grevesmühlen).
(Kat.=Nr. Gl. III c 121.)

Daß die Ostseeküste, besonders in der Gegend bei Wismar, einen außerordentlichen Reichthum steinzeitlicher Gegenstände birgt,

gebogene längliche Klinge, mit spitzovalem Durchschnitt

ist seit langem bekannt: Krusenhagen, Redentin, Wismar selbst, Gägelow, Beckerwitz gehören zu unseren ergiebigsten Fundstellen. Dagegen hielt man die westlichen Küstenstriche bis Lübeck hin für verhältnißmäßig arm. Nach neueren Beobachtungen wird es wahrscheinlich, daß dieser Mangel nur ein scheinbarer ist und es hier früher nur an dem erforderlichen Sammeleifer gefehlt hat. So haben neuerdings die Feldmarken von Elmenhorst und Warnkenhagen eine ganze Anzahl besonders schöner Feuersteingeräthe ergeben, von denen wir ein interessantes bei Warnkenhagen gefundenes Stück dem Herrn Pastor Ehlers in Federow (bis vor kurzem in Elmenhorst) verdanken. Der Stein ist weißgrau, mit zahlreichen braunen Flecken. Die Form ist eine ganz ungewöhnliche, nämlich eine gebogene längliche Klinge, mit spitzovalem Durchschnitt; die Länge beträgt, gemessen auf der Oberfläche 17 cm, zwischen den Endpunkten 16 cm; unten ist das Geräth 2 cm breit, weitet sich dann allmählich zu 3 cm und endet in einer Spitze; die Dicke ist nicht gleich=


1) In dem neuen großen Werke über die "Kjökkenmöddings" Madsen, Müller u. s. w. Affaldsdynger fra Stenalderen i Danmark 1900 sind Tafel V eine Anzahl ähnliche, aber typologisch ältere Stücke angeführt.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 140 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

mäßig, sondern wächst von den scharfen Rändern zu 1,5 cm. Das Messer ist kleinmuschlig geschlagen und an den Seiten zu einer zackigen Schneide nachgedengelt.

Vollständig gleiche Stücke sind mir nicht bekannt. Es schließt sich an die Jahrb. 63, S. 42 behandelte Grundform I a der Klingen, die überwiegend als Dolche oder Lanzen gedient haben werden. Daß solche Klingen auch gelegentlich als Messer benutzt sind, zeigen Stücke wie Sophus Müller, Ordning I, 150, wo die beiden Seiten unsymmetrisch geformt sind; noch deutlicher ist die Messerform bei den von Evans, The ancient stone implements 2. Aufl. S. 356 flgd. behandelten englischen Stücken. Von den gekrümmten Stücken der älteren Zeit der Steinperiode, wie wir sie oben bei dem Schaber von Garvsmühlen zu besprechen hatten, sind sie sicher zu trennen.

Vignette