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Jahrbücher

des

Vereins für mecklenburgische Geschichte
und Altertumskunde,

 

gegründet von Friedrich Lisch,
fortgesetzt von Friedrich Wigger und Hermann Grotefend.

 


 

Zweiundneunzigster Jahrgang.

herausgegeben von

Staatsarchivdirektor Dr. F. Stuhr,

als 1. Sekretär des Vereins.

 

Mit angehängtem Jahresbericht.

 


 

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Schwerin, 1928.

Druck und Vertrieb der Bärensprungschen Hofbuchdruckerei..

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Inhalt des Jahrbuchs.

  Seite
I. Das Kanzleiwesen der Grafen von Schwerin und der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin im Mittelalter. Von Dr. Wilhelm Grohmann - Alt Meteln 1
II. Der Seehafen der Stadt Rostock in seiner geschichtlichen Entwickelung bis zum dreißigjährigen Kriege. Von Dr. Kuno Voß - Rostock 89
III. Schlußbericht über die Lage der Travemünder Reede. Von Staatsarchivrat Dr. Werner Strecker - Schwerin 173
IV. Friedrich Ludwig, Erbgroßherzog von Mecklenburg-Schwerin 1778 - 1819. Von Dr. Hugo Lübeß - Schwerin 201
V. Kleinere Beiträge und Mitteilungen
1. Ein Grabower Stadtbrand von 1499. Von Staatsarchivdirektor Dr. Friedrich Stuhr - Schwerin 303
2. Mecklenburgische Karten im Hannoverschen Staatsarchiv. Von Regierungsbaurat Dr. Kurt Fischer - Wismar 306
3. Über das älteste "Hotel du Nord" in Schwerin. Von Staatsarchivdirektor Dr. Friedrich Stuhr - Schwerin 311
VI. Die geschichtliche und landeskundliche Literatur Mecklenburgs 1927/28. Von Staatsarchivrat Dr. Werner Strecker - Schwerin 315
Jahresbericht (mit Anlagen A und B) 329
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I.

Das Kanzleiwesen der Grafen
von Schwerin und der Herzöge
von Mecklenburg=Schwerin
im Mittelalter

von

Wilhelm Grohmann.

 

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Inhaltsverzeichnis.

    Seite
Einleitung: Die Ordnung Mecklenburgs durch Heinrich den Löwen im Jahre 1167 4
I. Kapitel: Die Kanzlei der Grafen von Schwerin und der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin in ihrer geschichtlichen Entwicklung 5-48
§ 1. Entstehung und Geschichte der gräflich schwerinschen Kanzlei bis zur Vereinigung der Grafschaft mit dem Herzogtum Mecklenburg (1359) 5-17
§ 2. Entstehung und Geschichte der mecklenburgischen Kanzlei bis zur Vereinigung der Grafschaft Schwerin mit dem Herzogtum Mecklenburg (1359) 17-25
§ 3. Geschichte der mecklenburg-schwerinschen Kanzlei von 1359 bis zum Tode Heinrichs IV. (1477) 25-42
§ 4. Die mecklenburgische Kanzlei und die Verwaltungsreformen unter Herzog Magnus II. 42-48
II. Kapitel: Die Organisation der Kanzlei 48-64
§ 1. Amtsstufen, Titel, Zahl, Stand und Besoldung der Kanzleibeamten 48-55
§ 2. Kanzlei und Rat 55-64
1. Die Zugehörigkeit insbesondere der Kanzler zum landesfürstlichen Rat 55-58
2. Das Zusammenwirken von Kanzlei und Rat 58-64
III. Kapitel: Die Tätigkeit der Kanzlei 64-79
§ 1. Die Tätigkeit des Kanzlers und der Kanzleibeamten 64-71
§ 2. Die mecklenburgischen Kanzleibücher 71-79
1. Die Lehnsrolle der Grafen von Schwerin 72-73
2. Die Register der mecklenburgischen Herzöge 73-79
Anlage I: Zusammenstellung des Kanzleipersonals 80-83
A. Liste des Kanzleipersonals der Grafen von Schwerin 80-81
B. Liste des Kanzleipersonals der mecklenburgischen Fürsten und der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin 81-83
Anlage II: Zusammenstellung der Kanzleivermerke unter den Urkunden der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin 84-88
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Einleitung.

Die Grafschaft Schwerin ist eine Schöpfung Heinrichs des Löwen. Sie verdankt ihre Existenz der großzügigen Kolonisationspolitik des Sachsenherzogs, welche das Ziel verfolgte, die eroberten slavischen Gebiete rechts der unteren Elbe für das Deutschtum zu gewinnen. Zu diesem Zwecke richtete der Herzog längs der neuen Slavengrenze deutsche Grafschaften ein, deren Aufgabe es war, die eroberten Gebiete mit Deutschen zu besiedeln und zu germanisieren. Die Entstehung der Grafschaft Schwerin 1 ) fiel in ein Jahr, das für die Geschichte Mecklenburgs von entscheidender Bedeutung ist. Heinrich der Löwe sah sich im Jahre 1167 genötigt, mit den obotritischen Fürsten Frieden zu schließen. Er mußte sich den Rücken frei halten für den bevorstehenden Kampf mit seinen norddeutschen Standesgenossen, die sich in dieser Zeit, erbittert über seine rücksichtslose Politik, in offener Empörung gegen ihn befanden. Er ordnete die Dinge in den mecklenburgischen Landen in der Weise, daß er die obotritischen Fürsten in den größten Teil ihrer Besitzungen wieder einsetzte. Jedoch die südwestlichen Teile des ursprünglich obotritischen Herrschaftsgebietes, die um Schwerin liegenden und sich bis Hagenow und Boizenburg erstreckenden Gebiete, erhob er zu einer selbständigen Grafschaft und stellte an ihre Spitze seinen getreuen Lehnsmann, den aus dem Braunschweigischen stammenden Gunzelin v. Hagen, der schon früher mit der Statthalterschaft über ganz Obotritien betraut gewesen war. Mecklenburg bestand also jetzt, abgesehen von den beiden kurze Zeit vorher gegründeten Bistümern Ratzeburg und Schwerin, im wesentlichen aus zwei Territorien, der Grafschaft Schwerin und dem Fürstentum Mecklenburg. Durch die Regelung von 1167 wurden die mecklenburgischen Lande in den sächsischen Lehnsverband aufgenommen.

Nach dem Sturze Heinrichs des Löwen blieben die neuen, dem Slaventum entrissenen Gebiete ihrem Schicksal überlassen. Jedoch vermochte der Zusammenbruch der welfischen Machtstellung im Norden Deutschlands das Kolonisationswerk nicht zu hindern. Mit den deutschen Kolonisten dringt auch deutsches Wesen, deutsches Recht und deutsche Sitte in die mecklenburgischen Lande ein und scheint sich früher in der Grafschaft Schwerin als in der obotritischen Herrschaft Geltung verschafft zu haben.

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1) Vgl. Witte, Mecklenburgische Geschichte, 1909, Bd. 1 S. 76/77, 88.
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Kapitel I.

Die Kanzlei der Grafen von Schwerin
und der Herzöge von Mecklenburg=Schwerin
in ihrer geschichtlichen Entwicklung.

§ 1.

Entstehung und Geschichte der gräflich=schwerinschen Kanzlei bis zur Vereinigung der Grafschaft Schwerin mit dem Herzogtum Mecklenburg. (1359.)

Die Regierungsweise der Grafen von Schwerin zeichnet sich durch den persönlichen Charakter des Regimentes aus. Wie die Fürsten der deutschen Territorien im allgemeinen, so sind auch die Grafen von Schwerin Hauptorgan und Mittelpunkt der gesamten Verwaltung gewesen. Die Angelegenheiten der Verwaltung finden grundsätzlich ihre Erledigung dadurch, daß der Fürst sie persönlich prüft und die Entscheidung im einzelnen fällt.

Die mittelalterliche Verwaltung des deutschen Fürstentums wird ferner charakterisiert durch das Fehlen von festen Residenzen. Die Urkunden der Grafen von Schwerin sind ein Zeugnis dafür, daß der Aufenthaltsort der Grafen und ihres Hofhaltes andauernd wechselte. Die Grafen zogen von Burg zu Burg. In Schwerin, Neustadt, Grabow, Wittenburg, Boizenburg usf. hatten sie ihre Schlösser, wo sie einen großen Teil ihrer Regierungshandlungen vollzogen. Durch diesen steten Wechsel ihres Aufenthaltsortes boten sie allen Untertanen Gelegenheit, sich mit Wünschen, Beschwerden und Forderungen aller Art persönlich an den Landesfürsten zu wenden. Es scheint sogar als Pflichtvernachlässigung gegolten zu haben, wenn die Fürsten es versäumten, die einzelnen Teile ihres Landes zu bereisen 1 ). Die unstete Art dieser von Ort


1) So haben die brandenburgischen Kurfürsten noch in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, als Berlin schon als die märkische Residenz zu gelten hatte, an der alten Sitte festgehalten, die einzelnen Provinzen ihres Landes zu bereisen. In den Anordnungen über die Hofeinrichtungen und Regimentsführung vom Jahre 1476 schreibt Albrecht Achill seinem Sohne vor, wieviel Wochen im Jahre er sich in den einzelnen Teilen der Mark aufhalten soll. Vgl. Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg, Leipzig 1908, S. 13 Anm. 3.
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zu Ort wandernden Hofhaltung war in den wirtschaftlichen und Verkehrsverhältnissen jener Zeit begründet. Die bei überwiegender Naturalwirtschaft hauptsächlich in Naturalien abgelieferten Einkünfte des Landes konnten wegen der mangelhaften Verkehrsverhältnisse nicht an einer zentralen Stelle gesammelt werden, sondern wurden in den einzelnen gräflichen Burgen abgeliefert. Hier war der natürliche Aufenthaltsort der Grafen samt ihrem Hofhalte.

Freilich gab es schon frühzeitig Lieblingsburgen, in denen sich die Grafen besonders häufig und länger aufhielten als anderswo. So scheinen sie mit Vorliebe in ihrer Schweriner Burg verweilt zu haben. Eine große Anzahl von Grafenurkunden, besonders aus den Jahren 1269 - 74, weist Schwerin als Ausstellungsort auf.

Die Grafen wurden in der Verwaltung ihres Landes unterstützt durch die Inhaber der Hofämter (Truchseß, Marschall, Kämmerer, Schenk) 1 ). Auch Geistliche und angesehene Vasallen des Landes (viri providi fideles et honesti) wurden um ihren Rat gefragt 2 ) und zu Regierungsgeschäften herangezogen. Diese ritterlichen Hofbeamten und angesehenen Vasallen des Landes verfügten wohl über wirtschaftliche Kenntnisse und besaßen meist gewiß praktischen Blick genug, um die Grafen in geeigneter Weise zu beraten und ihnen als ausführende Organe auf dem Gebiete der Verwaltung zu dienen. Aber sie waren in der Regel nicht im Besitze einer höheren geistigen Bildung und verfügten vor allem meist nicht über die notwendigen elementaren Kenntnisse des Lesens und Schreibens. Dagegen die zum gräflichen Gefolge gehörigen Hofgeistlichen beherrschten nicht nur die damalige Schriftsprache, das Lateinische, sondern besaßen auch wenigstens elementare Rechtskenntnisse, wodurch sie zu unentbehrlichen Beratern der Grafen wurden und für die Erledigung sämtlicher schriftlichen Angelegenheiten der Grafen geeignet waren. Die Entstehung einer geordneten Kanzlei gehört erst einer späteren Zeit an. Zunächst wurden die Hofgeistlichen, insbesondere die Kapläne,


1) Über die Hofämter bei den mecklenburgischen Fürsten und Grafen vgl. R. Küster, Die Verwaltungsorganisation von Mecklenburg im 13. und 14. Jahrhundert, Diss. Freiburg, 1908, Meckl. Jahrbücher (später abgekürzt M. J.-B.) 74 S. 115 ff. und Radloff, Das landesfürstliche Beamtentum Mecklenburgs im Mittelalter, Diss. Kiel, 1910, S. 6 ff. Zum erstenmal erscheint in Mecklenburg ein Hofbeamter, und zwar ein Truchseß, bei den Grafen von Schwerin im Jahre 1217. Vgl. Küster a. a. O. S. 116.
2) Vgl. Steinmann, Geschichte der mecklenburgischen Landessteuern und der Landstände bis zu der Neuordnung des Jahres 1555, M. J.-B. Bd. 88 S. 48.
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die durch ihre Funktion als Beichtväter der Grafen deren Vertrauen in besonderem Maße besaßen, gelegentlich oder dauernder dazu verwendet, das noch sehr wenig umfangreiche gräfliche Schreibewerk zu erledigen 1 ). Im 13. Jahrhundert wird, wie es scheint, das Amt eines gräflichen Notars oder Schreibers geschaffen. Der erste Notar der Schweriner Grafen begegnet uns im Jahre 1217 in der Person eines Hermann 2 ). Seit dieser Zeit scheint das Amt eines Notars am gräflichen Hofe ohne größere Unterbrechung bestanden zu haben.

Hofnotariat und Hofkapellanat sind eng miteinander verbunden gewesen. Ein großer Teil der gräflichen Hofnotare ist aus der gräflichen Kapelle hervorgegangen, ja, die als Hofnotare begegnenden Geistlichen sind meist zugleich auch noch Hofkapläne gewesen 3 ). Solange die Schweriner Grafen die Regierung über die Grafschaft gemeinsam führten, bedienten sie sich auch gemeinsamer Schreiber. Als aber 1274 Graf Gunzelin III. starb, einigten sich seine beiden Söhne Helmold III. und Nikolaus I. über die Erbschaft in der Weise, daß dieser die Lande Boizenburg, Wittenburg und Crivitz, jener dagegen Schwerin, Neustadt und Marnitz erhielt 4 ). Diese Regelung der Erbschaft brachte es mit sich, daß seit dem Jahre 1274 beide Linien besondere Schreiber beschäftigten. Infolge der Zerschlagung der Grafschaft und der damit verbundenen Trennung des ursprünglich gemeinsamen Hofhaltes konnte man sich um so länger mit einem geringen Schreiberpersonal begnügen.

Die gräflichen Hofnotare haben bald kürzere, bald längere Zeit das gräfliche Schreibewerk besorgt. Manche entschwinden sehr bald unseren Augen, andere dagegen, wie die Notare Giselbert oder Conrad, sind 15 bzw. 18 Jahre im gräflichen Hofdienst nachzuweisen. Nach Ablauf ihrer Amtstätigkeit begegnen sie


1) Über den Anteil der Hofkapläne an der Erledigung des landesfürstlichen Schreibwerkes in den übrigen Territorien, insbesondere über ihre Tätigkeit bei dem Beurkundungsgeschäft vgl. H. Breßlau, Hdb. der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, I. Bd. 2. Aufl. 1912, S. 604 ff. Über die Beziehungen der Hofkapelle zur Reichskanzlei vgl. G. Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 6, 2. Aufl. (besorgt von G. Seeliger), S. 345 ff.
2) Mecklenburgisches Urkundenbuch (später abgekürzt M. U.-B.) Bd. I, Nr. 230 (1217). Das M. U.-B. reicht bis zum Jahre 1400. Die im Staatsarchiv Schwerin angefertigten Regesten des 15. Jahrhunderts werden künftig S. A. Reg. zitiert werden.
3) So wird z. B. Giselbert bald "capellanus" (M. U.-B. I, 345), bald scriptor (M. U.-B. I, 426), bald notarius et capellanus (M. U.-B. I, 340) genannt.
4) Vgl. Jesse, Geschichte der Stadt Schwerin, Bd. I 1913, S. 15.
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dann in der Regel als Domherrn des Schweriner Stiftes oder als Inhaber von Pfarrstellen. Die Grafen scheinen bewährten Schreibern absichtlich Pfarrstellen gerade in den Ortschaften verschafft zu haben, wo sich eine gräfliche Burg befand. Sie mußten es als ein natürliches Bedürfnis empfinden, in der Nähe ihrer Burgen bewährte Persönlichkeiten zu wissen, die Erfahrung in Sachen des gräflichen Schreibewesens hatten.

Es liegt im Wesen der mittelalterlichen Verwaltung, daß die Persönlichkeit des Beamten ausschlaggebend ist für die Bedeutung seines Amtes. Das gilt für alle mittelalterlichen Hofbeamten 1 ). Ihre persönlichen Eigenschaften kommen ihrem Amte zugute. Denn es gibt an den mittelalterlichen Fürstenhöfen noch keine strenge Abgrenzung der Kompetenz für die einzelnen Hofämter. Deshalb müssen uns die Persönlichkeiten der Hofbeamten in besonderem Maße interessieren. Leider sind uns nur wenige und kurze Notizen über die ältesten gräflichen Hofnotare erhalten.

Hermann. Der erste Notar der Schweriner Grafen ist, wie schon erwähnt, Hermann. Daß er zugleich auch Kanonikus des Schweriner Domstiftes war, ist nicht auffällig, war doch die Schweriner Burg, der Lieblingssitz der Grafen, kaum 15 Minuten entfernt von dem geistlichen Mittelpunkt der mecklenburgischen Lande. Wir werden noch oft darauf aufmerksam machen müssen, daß das Schweriner Domstift eine beträchtliche Anzahl der geistlichen Hofbeamten gestellt hat 2 ). Von Hermann, dem ersten gräflichen Hofnotar 3 ), erfahren wir mehr über seine geistliche Laufbahn als über seine Stellung im Hofleben. Vom Diakon 4 ) bringt er es zum Kustos 5 ) des Schweriner Stiftes.

Giselbert. Der nächste Notar ist Giselbert, ebenfalls Schweriner Kanonikus und Subdiakon 6 ). Kurze Zeit vor der


1) Vgl. Sickel, Acta Karolingorum I, 102.
2) Es liegt auf der Hand, daß diese Beziehungen zwischen Bischofssitz und Grafenburg sich auch im Urkundenwesen dieser beiden Lebenskreise bemerkbar machen. Vgl. darüber Buchwald, Bischofs- und Fürstenurkunden des 12. und 13. Jahrhunderts, Rostock 1882, S. 227 f., besonders S. 257 ff.
3) Als solcher taucht er nur M. U.-B. I, 230 auf, und zwar als Zeuge: "Hermanus tunc notarius". Die ungenaue Datierung der Urkunde und das eigentümliche "tunc" bei der Erwähnung Hermanns scheinen dafür zu sprechen, daß die Urkunde erst eine beträchtliche Zeit nach der Handlung ausgefertigt ist. Unter diesen Umständen müßte Hermann also bald nach der der Ausfertigung der Urkunde vorangegangenen Handlung aus seinem Amte als Hofnotar ausgeschieden sein.
4) M. U.-B. I, 235 (2. 7. 1217).
5) M. U.-B. I, 278 (24. 11. 1221).
6) M. U.-B. I, 270 (14. 12. 1220).
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Schlacht bei Bornhöved im Jahre 1227 1 ) findet er sich als Notar und Kaplan der Schweriner Grafen 2 ). 15 Jahre lang, von 1227 bis 1242, ist Giselbert oder Gesico, wie er gelegentlich 3 ) genannt wird, am Schweriner Grafenhofe nachzuweisen.

Albert. In den folgenden Jahren begegnet uns kein Schreiber. Von 1251 bis 1255 hat der Notar Albert die Schreibgeschäfte des Grafen Gunzelin III. besorgt. Er erscheint bald als Skriptor 4 ), bald als Notarius 5 ).

Hoger. Von 1270 bis 1275 ist Hogerus als Notar und Kaplan der Schweriner Grafen nachweisbar. Hoger muß uns deshalb besonders interessieren, weil er uns zunächst im Hofdienst der Dannenberger Grafen begegnet, von wo aus er dann später an den Hof der Schweriner Grafen gelangt. Diese Tatsache ist insofern von Bedeutung, da man damit rechnen muß, daß durch den Übertritt aus den Hofdiensten des einen Grafen in die des anderen Sitten und Gewohnheiten mit übernommen werden, die sich vor allem im Urkundenwesen bemerkbar machen können. Hoger ist zunächst Kaplan 6 ), dann Notar 7 ) des Grafen Adolf von Dannenberg gewesen. Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Grafenhäusern, die ihren Ausdruck fanden in einem Heirats- und Freundschaftsvertrag 8 ), mögen die Veranlassung gegeben haben für den Übertritt Hogers in den Hofdienst der Schweriner Grafen. Hier ist er zunächst Kaplan 9 ), bald aber auch Notar 10 ) gewesen. Später wurde Hoger Pfarrer von Grabow 11 ), blieb aber trotzdem als Hofkaplan in gräflichen Diensten. Er taucht dann noch einmal als Hofkaplan des Grafen Volrath von Dannenberg auf 12 ).

Werenbert. Neben Hoger ist auch Werenbert als Notar des Grafen Gunzelin III. und seiner Söhne tätig, und zwar scheint er der eigentliche Hofnotar dieser Zeit bei den Grafen gewesen zu sein, da er mehrfach ausdrücklich "notarius" neben


1) Die für die Geschichte Mecklenburgs so überaus wichtige Schlacht bei Bornhöved fand am 22. 7. 1227 statt.
2) M. U.-B. I, 340 (23. 6. 1227).
3) M. U.-B. I, 340 (23. 6. 1227).
4) M. U.-B. II, 667 (1251).
5) M. U.-B. II, 755 (22. 7. 1255).
6) M. U.-B. II, 845 (10. 8. 1259).
7) M. U.-B. II, 990 (15. 5. 1263).
8) M. U.-B. II, 1089 (9. 6. 1266).
9) M. U.-B. II, 1186 (19. 3. 1270).
10) M. U.-B. II, 1201 (28. 9. 1270).
11) M. U.-B. II, 1336 (12. 7. 1274).
12) M. U.-B. III, 1795 (1. 5. 1285).
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dem "capellanus" Hoger genannt wird 1 ). Als nach dem Tode des Grafen Gunzelin III. im Jahre 1274 die beiden Linien Schwerin und Wittenburg-Boizenburg begründet wurden, ging er in den Dienst der Wittenburger Linie über und scheint dem Grafen Nikolaus I. noch eine Reihe von Jahren Schreiberdienste geleistet zu haben. Auch als Pfarrer von Boizenburg 2 ) schied er nicht aus dem Hofdienst aus, sondern blieb zum mindesten noch Kaplan beim Grafen Nikolaus I. 3 ). In den folgenden Jahrzehnten haben sowohl die Schweriner wie auch die Wittenburger Grafen ihre besonderen Schreiber gehabt. Zunächst möge die Aufzählung der am Hofe der Schweriner Linie beschäftigten Schreiber folgen.

Conrad. Von 1282 bis etwa 1300 ist bei Helmold III. und seinem Sohn Gunzelin V. der schon neben Hoger als gräflicher Kaplan 4 ) auftretende Conrad tätig gewesen. Auch er war als Notar zugleich auch Angehöriger des Schweriner Domstiftes 5 ) und mag mit dem Schweriner Propst Conrad 6 ) identisch sein. 1281 erscheint er ausnahmsweise als Kaplan der Grafen beider Linien 7 ), seit 1282 8 ) ist er ausschließlich im Hofdienst der Schweriner Linie nachzuweisen.

Johann v. Warsow. Neben ihm tritt uns Johann v. Warsow zunächst als Kaplan des Schweriner Grafen Helmold III. entgegen. Beide, Conrad und Johann, bleiben auch nach Helmolds Tode (1295) unter dessen Sohn Gunzelin V. in ihrem Amte. Um 1300 sind beide noch im Hofdienst beschäftigt 9 ).

Borchard v. Crivitz. 1304 10 ) ist bei Gunzelin V. von Schwerin ein Borchard von Crivitz Notar gewesen, der noch 1307 in einer Urkunde als Kleriker Gunzelins auftritt 11 ). In diesem Jahre stirbt der Graf. Sein Bruder Heinrich III. beschäftigt um


1) z. B. M. U.-B. II, 1293 (7. 8. 1273).
2) M. U.-B. IV, 2448 (28. 4. 1297).
3) M. U.-B. IV, 2464 (11. 11. 1297). - Daß Werenbert nach der Erbschaftsregelung von 1274 wohl ausschließlich in den Diensten des Wittenburgers Nikolaus I. gestanden hat, geht auch daraus hervor, daß er nur in der Zeugenliste der Urkunde Nikolaus' I. erwähnt wird, während die bis auf die selbstverständlichen Abweichungen gleichlautende Ausfertigung Gunzelins V. (Schweriner Linie) ihn in der Zeugenliste ausläßt.
4) M. U.-B. II, 1358 (8. 5. 1275).
5) M. U.-B. II, 1472 (3. 12. 1278).
6) M. U.-B. IV, 2537 (13. 1. 1299).
7) M. U.-B. III, 1579 (21. 5. 1281).
8) M. U.-B. III, 1650 (8. 12. 1282).
9) M. U.-B. IV, 2611 (15. 5. 1300).
10) M. U.-B. V, 2929 (15. 5. 1304).
11) M. U.-B. V, 3175 (25. 7. 1307).
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1332 einen Petrus 1 ) und 1333 einen Lambertus Rochow 2 ) als Hofnotare. Ob einer dieser beiden Schreiber identisch ist mit einem ungenannten Notar, den Graf Heinrich III. um 1330 nach Lübeck zu schicken beabsichtigte, um mit den Lübeckern wegen der Mißhandlung eines gräflichen Dieners zu verhandeln, läßt sich nicht ausmachen. Jedenfalls war dieser ungenannte Schreiber "rector ecclesie" in Boizenburg 3 ).

Über das Schreiberpersonal der Wittenburger ist ebenfalls nur sehr wenig bekannt. Wir hatten gesehen, daß Werenbert nach der Erbschaftsregelung von 1274 bei Nikolaus I. von Wittenburg tätig war.

Nikolaus, Luderus. Um 1289 muß ein Nikolaus 4 ) und 1296 ein Luderus 5 ) am Hofe der Wittenburger Linie als Schreiber beschäftigt gewesen sein. Auch Hofkapläne haben gelegentlich bei der Beurkundung von Rechtsgeschäften mitgewirkt 6 ). 1323 stirbt Nikolaus I. Unter seinem Sohne Nikolaus II. begegnen um 1331 ein Martinus 7 ), 1335 ein Johannes 8 ), 1348 Bernhard Parzow 9 ) und 1349 Helmold 10 ) als Notare und Schreiber der Wittenburger Grafen.

Die Tätigkeit der eben genannten Notare wird grundsätzlich das gesamte Schreibwesen, wahrscheinlich auch das Rechnungswesen der Schweriner Grafen umfaßt haben. Außer den Urkunden sind uns nur sehr wenige schriftliche Erzeugnisse der gräflichen Verwaltung erhalten. Die in den 90er Jahren des 13. Jahrhunderts angelegte Lehnsrolle der Grafen von Schwerin über ihre linkselbischen Besitzungen, die den Bedürfnissen der Grundherrschaft und der territorialen Verwaltung entsprungen ist, wird sicherlich von einem gräflichen Schreiber angefertigt worden sein 11 ).

Auch an dem Beurkundungsgeschäft sind die Schreiber beteiligt gewesen. Die Herstellung der Urkunden lag während des 12. und 13. Jahrhunderts auch in Mecklenburg, insbesondere in der Grafschaft Schwerin, noch vorwiegend, jedoch nicht grundsätz-


1) M. U.-B. VIII, 5363 (20. 10. 1332).
2) M. U.-B. VIII, 5464 (30. 11. 1333).
3) M. U.-B. VIII, 5195 (um 1330).
4) M. U.-B. III, 2013 (15. 2. 1289).
5) M. U.-B. III, 2395 (13. 5. 1296).
6) So weist M. U.-B. V, 3050 (21. 12. 1305) folgende Aushändigungsformel auf: "datum per manus Ludolphi capellani nostri".
7) M. U.-B. VIII, 5242 (6. 5. 1331).
8) M. U.-B. VIII, 5599 (12. 6. 1335).
9) M. U.-B. X, 6824 (16. 2. 1348).
10) M. U.-B. X, 6947 (13. 3. 1349).
11) Vgl. unten Kap. 3 § 2 S. 72 f.
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lich in den Händen der Empfänger 1 ). Da ein großer Teil der Urkunden für Geistliche, bzw. für geistliche Institute ausgestellt wurde, so lag es nahe, daß die Herstellung der Urkunden sehr häufig von den schriftkundigen Empfängern besorgt wurde. Die Bittsteller reichten ausgefertigte Urkunden bei den Grafen ein und legten sie zur Besiegelung vor 2 ). Oder sie trugen ihre Anliegen den Landesfürsten vor, welche ihrerseits nach vorausgegangener Verhandlung die Empfänger mit der Ausfertigung der Urkunde beauftragten 3 ).

Die Hofnotare hatten, falls die Urkunden vom Empfänger hergestellt waren, die Aufgabe, darüber zu wachen, daß der Inhalt der ausgefertigten Urkunde mit dem übereinstimmte, was in der vorhergehenden Verhandlung gräflicherseits bestimmt worden war. Sie mußten die Grafen vor Fälschungen und Erschleichungen seitens der Empfänger schützen, die eingereichten Entwürfe auf ihre rechtlichen Konsequenzen prüfen, gegebenenfalls korrigieren oder ganz neu ausarbeiten.

Auf dieses Geschäft der Überprüfung scheint sich auch die


1) Seitdem sich das Interesse mehr und mehr dem Studium der Privaturkunden zugewandt hat, ist diese Beobachtung immer wieder gemacht worden. Für die Urkunden der Wettiner hat Posse, Die Lehre von den Privaturkunden, 1887, S. 11 ff., Empfängerherstellung nachgewiesen; für die der Merseburger Bischöfe Kehr, Merseburger Urkundenbuch Bd. I, Einl., S. 60 ff.; für die der schwäbischen Grafen Schneider, Zur Lehre von der schwäbischen Privaturkunde des 13. Jahrhunderts, Archivalische Zeitschrift, Bd. XI, 1886, S. 7 ff.; für die der Herzöge von Pommerellen Perlbach, Die Urkunden Mestwins II. von Pommerellen (1264 - 1295), Preuß.-Polnische Studien II usf. Mit besonderem Nachdruck betont diese Tatsache G. v. Buchwald für die Urkunden norddeutscher Erzbischöfe und weltlicher Territorialherren (a. a. O. S. 1 ff.). Vgl. auch die Handbücher der Urkundenlehre von Breßlau a. a. O. S. 606 Anm. 3; O. Redlich, Die Privaturkunden des Mittelalters, III. Teil der Urkundenlehre von Erben, Schmitz-Kallenberg und Redlich, 1911, S. 125 ff., und Steinacker, Die Lehre von den nichtköniglichen (Privat-) Urkunden, vornehmlich des deutschen Mittelalters, in A. Meisters Grundriß der Geschichtswissenschaften, Bd. I, 1906, S. 261 ff.
2) Vgl. z. B. Buchwald a. a. O. S. 255/6.
3) Ein recht einleuchtendes Beispiel für Empfängerherstellung ist M. U.-B. III, 2284 (1294). Diese Urkunde, welche als Aussteller die Schweriner Grafen Helmold und Nikolaus, als Empfänger den Verdener Bischof nennt, schließt mit folgender Bemerkung: "hanc dictionem vestram approbamus". Wir müssen annehmen, daß das ",approbamus" sich auf die Schweriner Grafen bezieht. Ist diese Deutung richtig, so wäre die "dictio" der Urkunde von seiten des Empfängers gemacht. Und da das Original durchgehends von einer Hand geschrieben zu sein scheint, ist es wahrscheinlich, daß die Urkunde nach der Handlung von der Hand des Empfängers ausgefertigt ist.
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datum-per-manus-Formel zu beziehen 1 ). Sie erscheint in Urkunden vieler deutscher Fürsten, "besonders häufig und regelmäßig in den Urkunden Heinrichs des Löwen und der Bischöfe und Fürsten des Nordostens im 13. Jahrhundert" 2 ). In Urkunden der Schweriner Grafen findet sie sich meines Wissens zuerst 1227 3 ), bei den mecklenburgischen Fürsten zum erstenmal 1219 in Verbindung mit dem ersten uns bekannten mecklenburgischen Notar Eustachius 4 ). Die datum-per-manus-Formel scheint mit Vorliebe in einer Zeit Verwendung gefunden zu haben, als es noch keine organisierte Kanzleien gab. Sie verschwindet seit Anfang des 14. Jahrhunderts aus den Urkunden der Schweriner Grafen wie auch der mecklenburgischen Fürsten 5 ). Über die Bedeutung dieser Formel herrscht in der Literatur im wesentlichen Übereinstimmung. Sie beweist nicht die Mundierung oder Konzipierung, "sondern nur Prüfung und Beglaubigung der betreffenden Urkunde durch den Datar, der dafür die Verantwortlichkeit seinem Herrn und anderen gegenüber übernimmt" 6 ), und bedeutet bei Empfängerherstellung im Munde der Hofnotare "geradezu die Garantie für die Richtigkeit der Urkunde im Sinne des Ausstellers" 7 ). Wir können diese Formel nur unter der Bedingung Aushändigungsformel nennen, daß wir den Begriff der


1) Über die datum-per-manus-Formel vgl. Breßlau a. a. O. I, S. 608; Redlich a. a. O. S. 138 f. und 157; Friedrich Philippi, Zur Geschichte der deutschen Reichskanzlei unter den letzten Staufern, Münster 1885, S. 18; Harald Steinacker a. a. O. S. 261; W. Erben, Urkundenlehre, I. Teil, 1907, S. 322 f.
2) Redlich a. a. O. S. 139.
3) M. U.-B. I, 340 (23. 6. 1227): "datum per manum Geselberti (et) canonici in Zwerin curie capellani feliciter. Amen."
4) M. U.-B. I, 260: "data per manum Eustachii notarii nostri feliciter. Amen."
5) Gelegentlich taucht diese Formel in der Kanzlei der mecklenburgischen Fürsten um die Mitte des 14. Jahrhunderts wieder auf, aber nur vereinzelt und in Verbindung mit ganz bestimmten Kanzleibeamten, dreimal mit Erwähnung des Notars Gottfried (1340 - 1345), M. U.-B. IX, 6084; 6328; 6448; fünfmal mit dem Notar Johannes Raboden (1346 - 1350), M. U.-B. X, 6626; 6747; 7036; 7037; 7038. Auch die Formel scriptum per manus kommt in Verbindung mit diesen beiden Notaren vor, M. U.-B. IX, 6458; X, 7008; 7124. 1366 heißt es unter einer Urkunde der mecklenburgischen Fürsten (M. U.-B. XVI, 9541) m. W. zum letztenmal: "per manus Henrici Sluz, notari nostri dilecti". In den Urkunden der Grafen von Schwerin erscheint die datum-per-manus-Formel, soviel ich weiß, nur noch zweimal im 14. Jahrhundert, M. U.-B. V, 3050 (21. 12. 1305) und M. U.-B. VIII, 5464 (30. 11. 1333).
6) Breßlau a. a. O. Bd. 1, S. 608.
7) Redlich a. a. O. S. 139. Vgl. auch ebenda S. 138 Anm. 6.
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Aushändigung nicht zu eng fassen und auch die vorausgehende Überprüfung und Besiegelung darunter begreifen 1 ). Wie die datum-per-manus-Formel selbst eine Nachahmung der päpstlichen Schlußformel zu sein scheint 2 ), so will sie auch nicht mehr als diese sagen und bildet einen Ersatz für die in anderen Urkundengebieten namentlich bei den königlichen Urkunden häufiger vorkommende Rekognitionszeile 3 ). Dabei ist zu beachten, daß sie keinen notwendigen Bestandteil der Urkunde bildet. Auch läßt sich nicht erweisen, daß die Formel bei bestimmten Situationen, etwa bei Abwesenheit der Fürsten, von dem beglaubigenden Notar hinzugefügt wurde, um damit zum Ausdruck zu bringen, daß der Regierungsakt nicht auf speziellen Befehl des Landesfürsten vorgenommen wurde 4 ). Allgemein läßt sich nur sagen, daß man bei wichtigen und feierlich vollzogenen Rechtshandlungen sich dieser Formel mit Vorliebe bediente.

Auch die Besiegelung der Urkunden wird zu dem Aufgabenkreis der Notare gehört haben. Ferner war der Notar verantwortlich dafür, daß das Siegel seines Herrn nicht mißbraucht wurde, ja, er wird sogar das gräfliche Siegel in Verwahrung gehabt haben. Jedoch die Tätigkeit der Hofnotare bei dem Beurkundungsgeschäft erstreckte sich nicht allein auf die Überprüfung, Korrektur und Besiegelung der von den Empfängern eingereichten Urkunden, sondern oftmals ist auch die ganze Urkundenherstellung von ihnen besorgt worden. Die Urkunden sind wohl niemals ausschließlich von Empfängern hergestellt. Je mehr die Empfängerausstellung zurücktrat, desto mehr erweiterte sich der Anteil der Notare am Beurkundungsgeschäft. Seit den letzten Jahrzehnten des 13. Jahr-


1) Ein einziges Mal ist mir in den mecklenburgischen Urkunden eine Formel begegnet, die folgenden Wortlaut hat: "datum in Campo Solis septimo idus Junii in manus fratrum sancti Antonii Rigardi et Wilhelmi" (M. U.-B. I, 282). Diese Formel bezieht sich, wie mir scheint, nur auf die Aushändigung. Sie nennt die Empfänger, aber nicht, wie die datum-per-manus-Formel, den ausfertigenden Schreiber des Ausstellers.
2) Redlich a. a. O. S. 138.
3) Redlich a. a. O. S. 139.
4) Diese Ansicht vertritt Posse a. a. O. S. 173 ff. Für die Grafschaft Schwerin, wie auch für das Fürstentum Mecklenburg ist diese Annahme unwahrscheinlich, ja unmöglich, da die Formel recht häufig vorkommt. Es läßt sich nachweisen, daß der Schweriner Graf bei der Ausstellung einer Urkunde, welche die datum-per-manus-Formel aufweist, zugegen gewesen ist. M. U.-B. I, 340 (23. 6. 1227) findet sich diese Formel. In die Zeugenliste derselben Urkunde wird Graf Heinrich mit folgenden Worten eingeführt: "ego Henricus donator, qui et recognitor".
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hunderts beobachtet auch Buchwald 1 ) eine "ordnende Hand" über den Schweriner Grafenurkunden.

Die Grafen von Schwerin haben in der älteren Zeit Gelegenheitsschreiber und ständige Notare verwendet, um das noch geringe Schreibwesen zu bewältigen. Sie haben sich anscheinend lange darauf beschränken können, einen oder höchstens zwei Schreiber zu beschäftigen. Ihr Territorium war von verhältnismäßig geringem Umfang, besonders seit der Erbschaftsregelung von 1274. Daraus ist es vielleicht zu erklären, daß wir erst um die Mitte des 14. Jahrhunderts die ersten Spuren einer organisierten Kanzlei entdecken können, während in anderen deutschen Territorien geistlicher und weltlicher Fürsten bereits im 13. Jahrhundert, bald früher, bald später, organisierte Kanzleien nachzuweisen sind 2 ). Das erste sichere Anzeichen für das Bestehen einer organisierten Kanzlei bei den Schweriner Grafen stammt aus dem Jahre 1354, in dem zum erstenmal ein Protonotar des Grafen Otto I. von Schwerin in der Person des Johann von Schepelitz genannt wird 3 ). Ein Kanzler erscheint zuerst 1357 bei dem Grafen Nikolaus III. von Wittenburg 4 ). Mit der Einrichtung des Amtes eines Protonotars bzw. eines Kanzlers ist eine Amtsstufenfolge geschaffen, die ein sicheres Kennzeichen dafür bietet, daß die Kanzlei organisiert ist.

Die Gründe für die Entstehung einer organisierten Kanzlei sind offenbar zum Teil in der Zunahme der allgemeinen Verwaltungstätigkeit und speziell des Beurkundungsgeschäftes zu suchen. Die Schriftlichkeit des gräflichen Geschäfts-, Verwaltungs- und Rechtslebens und die Gewohnheit der Untertanen, sich Besitz und Rechte durch Privilegien verbriefen zu lassen, bürgerten sich auch in der Grafschaft Schwerin mehr und mehr ein und steigerten die Arbeitslast der einzelnen Hofnotare. Hinzu kam das allmähliche Zurücktreten der Empfängerherstellung. Um den neuen Anforderungen zu genügen, bedurfte es der Einrichtung eines organisierten technischen Hilfsorgans der gesamten Verwaltung, mit dessen Hilfe eine festere Regelung des Geschäftsverfahrens ermöglicht wurde. Deshalb war vor allem eine Personalvermehrung und die Schaffung einer ausgeprägten Amtsstufenfolge ein dringendes Erfordernis.


1) Buchwald a. a. O. S. 324.
2) Vgl. Redlich a. a. O. S. 154. Einzelarbeiten über fürstliche Kanzleien des späteren Mittelalters sind nahezu vollständig aufgeführt bei Breßlau a. a. O. Bd. I, S. 615 Anm. 1.
3) M. U.-B. XIII, 7975 (8. 8. 1354).
4) M. U.-B. XIV, 8391 (9. 9. 1357).
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Der Unterschied zwischen Hofnotariat und Kanzlei ist offenbar mehr ein gradueller als ein prinzipieller gewesen. Während Steinacker 1 ) einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Hofnotariat und organisierter Kanzlei macht, betont Breßlau 2 ), wie mir scheint, mit Recht, daß die Funktionen der Hofnotare dieselben gewesen sind wie die der Beamten einer organisierten Kanzlei. Durch die Organisation der Kanzlei wird eine ältere Einrichtung, das Hofnotariat, weiter ausgebildet und vervollkommnet.

Der erste uns bekannte Vorstand der organisierten gräflichen Kanzlei ist der bereits erwähnte Protonotar des Grafen Otto I. von Schwerin, der Stendaler Domherr Johann v. Schepelitz 3 ), gewesen. Nach dem Tode Ottos I. im Jahre 1356 und der im gleichen Jahre erfolgten Wiedervereinigung der beiden gräflichen Linien Wittenburg-Boizenburg und Schwerin wurde Johann v. Schepelitz von Nikolaus III. und Otto II., Bruder und Neffen Ottos I., übernommen. In den Urkunden dieser beiden letzten Schweriner Grafen begegnet er 1356 gelegentlich als "ouerster scriuer" und gräflicher Rat 4 ). In demselben Jahre wird er zum Pfarrer von Wittenburg präsentiert 5 ) und ist als solcher noch in der gräflichen Kanzlei beschäftigt gewesen 6 ). 1368 vertauschte er seine Wittenburger Pfarre mit der Pfarre zu Rathenow, anscheinend um in seine ursprüngliche Heimat, die Mark, zurückzukehren 7 ). Das Amt eines Kanzleivorstandes hat Johann von Schepelitz als Pfarrer von Wittenburg offenbar nur noch kurze Zeit bekleidet. 1357 begegnet uns als Kanzler des Grafen Nikolaus III. der anscheinend aus der Grafschaft Tecklenburg stammende Werner Struwe, Pfarrherr zu Tecklenburg 8 ), welcher später bei den Verhandlungen über die Zahlungen des Kaufgeldes


1) a. a. O. S. 261: "Notariat und Kanzlei als festorganisierte Amtsstelle für die Urkundenherstellung sind eben zweierlei."
2) a. a. O. Bd. I, S. 606 Anm. 3.
3) M. U.-B. XIII, 7975 (8. 8. 1354); 8037 (10. 2. 1355).
4) M. U.-B. XIV, 8263 (30. 9. 1356). Die gräflichen Ratgeber werden hier "sworen rad" genannt. Dieser Ausdruck, der in den mecklenburgischen Urkunden äußerst selten, vielleicht hier das einzige Mal begegnet, setzt zweifellos einen Ratseid voraus, wodurch sich die consiliarii von ihren unmittelbaren Vorläufern, den an den Hof gezogenen angesehensten Vasallen des Landes (viri providi et honesti), unterscheiden. Vgl. Steinmann, M. J.-B. Bd. 88 S. 57.
5) M. U.-B. XIV, 8265 (9. 10. 1356).
6) M. U.-B. XIV, 8306 (13. 1. 1357).
7) M. U.-B. XVI, 9793 (27. 5. 1368).
8) M. U.-B. XIV, 8391 (9. 9. 1357).
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für die Grafschaft Schwerin eine bedeutende Rolle gespielt hat 1 ). Werner Struwe ist der letzte Vorstand der selbständigen Schweriner Kanzlei gewesen. Da die Schweriner Kanzlei seit der Vereinigung der Grafschaft mit dem Herzogtum Mecklenburg im Jahre 1359 in die mecklenburgische Kanzlei aufging, ist es erforderlich, die Geschichte der mecklenburgischen Kanzlei zunächst gesondert zu behandeln.

§ 2.

Entstehung und Geschichte der mecklenburgischen Kanzlei bis zur Vereinigung der Grafschaft Schwerin mit dem Herzogtum Mecklenburg im Jahre 1359.

Seit dem 13. Jahrhundert besteht auch in dem Fürstentum Mecklenburg eine Lokal- und Zentralverwaltung nach dem Vorbild anderer deutscher Fürstentümer 2 ). Deutsche Rechtsanschauungen, deutsches Lehnswesen, deutsche Sitten und Gebräuche konnten in das mecklenburgische Territorium eindringen, seitdem die obotritischen Fürsten im Anfang des 13. Jahrhunderts die Grenzen ihres Landes den nach Nord und Ost drängenden deutschen Kolonisten mehr und mehr öffneten 3 ). Auch der Brauch, über Vorgänge rechtlicher Natur Urkunden auszustellen, und die Gewohnheit der Untertanen, sich Privilegien und Rechte von den Landesfürsten verbriefen zu lassen, bürgerten sich sehr bald in Mecklenburg ein.

Das Amt eines Notars, eines ständigen Schreibers, ist am Hofe der mecklenburgischen Fürsten ungefähr um dieselbe Zeit eingerichtet worden wie bei den Grafen von Schwerin. Die Fürsten bedurften eines Beamten an ihrem Hofe, der imstande war, die fürstliche Korrespondenz und die gesamten Schreibgeschäfte der fürstlichen Verwaltung zu erledigen. 1218 erscheint in den Urkunden der mecklenburgischen Fürsten zum erstenmal ein Notar 4 ), jedoch bleibt uns sein Name verschwiegen. Vielleicht ist dieser unbenannte Notar identisch mit Eustachius, der seit 1219 5 ) als


1) Vgl. W. Strecker, Die äußere Politik Albrechts II. von Mecklenburg, M. J.-B. Bd. 78 S. 107. Quellenbelege ebenda S. 281 ff.
2) Vgl. Küster a. a. O. S. 115 ff.
3) Vgl. Witte a. a. O. Bd. 1 S. 123 ff.
4) M. U.-B. I, 244 (24. 6. 1218).
5) M. U.-B. I, 260 (1219).
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Hofnotar der mecklenburgischen Fürsten nachweisbar ist und bis zum Jahre 1233 als Schreiber beschäftigt war. Seit dem Jahre 1219 bzw. 1218 hat das Amt eines Notars ohne jegliche Unterbrechung am Hofe der mecklenburgischen Fürsten bestanden. Durchweg sind die einzelnen Notare recht lange im Hofdienst beschäftigt gewesen. So ist der Notar Rudolf von 1231 bis 1246 1 ), Arnold von 1231 bis 1242 2 ), Heinrich von 1244 bis 1269 3 ) und Gottschalk von 1266 bis 1282 4 ) nachzuweisen. Häufig sind zwei oder drei Schreiber nebeneinander tätig gewesen. Wie bei den Grafen von Schwerin, so sind auch am Hofe der mecklenburgischen Fürsten Beziehungen zwischen Hofnotariat und fürstlicher Kapelle nachweisbar. Der bereits erwähnte Heinrich war lange Zeit, bevor er zum erstenmal als "notarius" erwähnt wird, fürstlicher Kaplan und wird auch später gelegentlich "capellanus et notarius" genannt 5 ). Auch Rudolf war als Notar zugleich Kaplan 6 ).

Die Tätigkeit der mecklenburgischen Hofnotare wird im wesentlichen dieselbe gewesen sein wie die der Schreiber am Schweriner Grafenhofe. Sie hatten das gesamte Schreibwesen, wahrscheinlich auch das Rechnungswesen der Fürsten zu erledigen. Im besonderen haben sie bei dem Beurkundungsgeschäft mitgewirkt. Daß im 13. Jahrhundert auch in Mecklenburg die Urkunden zum großen Teil von Empfängerhand hergestellt worden sind, betont nicht nur Buchwald, sondern auch Kunkel 7 ). Bei Empfängerherstellung lag es den Notaren ob, die von den Bitt-


1) Vgl. Buchwald a. a. O. S. 332.
2) Vgl. Buchwald a. a. O. S. 333.
3) Vgl. Buchwald S. 334.
4) Vgl. Buchwald a. a. O. S. 338. - Eine vollständige Zusammenstellung und eingehende Besprechung der einzelnen mecklenburgischen Hofnotare bis zum Ende des 13. Jahrhunderts findet sich bei Buchwald a. a. O. S. 326 - 343.
5) M. U.-B. II, 788 (1257); II, 791 (17. 3. 1257). Vgl. auch Buchwald a. a. O. S. 334 ff.
6) Vgl. Buchwald a. a. O. S. 332.
7) Vgl. Buchwald a. a. O. S. 331: "Wie oft ich zwei Urkunden mit einem Scriptor oder Notar begegnete, so oft beinahe fand ich auch zwei Handschriften". Ähnlich heißt es bei Kunkel, Stiftungsbriefe für das mecklenburgisch-pommersche Cisterzienser-Kloster Dargun, Archiv für Urkundenforschung III. Bd., 1. Heft, 1910, S. 37: "Daß die Urkunden in der Schreibstube des Empfängers geschrieben worden sind, ist stets am wahrscheinlichsten. Das ganze 13. Jahrhundert hindurch hatten z. B. die Herren von Mecklenburg noch keine organisierte Kanzlei." Breßlau a. a. O. Bd. 1 S. 606 - 614 erhebt, wie mir scheint, mit Recht Bedenken gegen Verallgemeinerungen betreffs der Empfängerherstellung.
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stellern eingereichten Entwürfe zu überprüfen und zu korrigieren. Auf dieses Geschäft der Überprüfung werden wir auch hier die schon besprochene datum-per-manus-Formel beziehen dürfen 1 ). Gelegentlich wird aber auch die ganze Urkundenherstellung von den fürstlichen Schreibern besorgt worden sein. Auch die Besiegelung der Urkunden scheint in der Regel Sache der Hofnotare gewesen zu sein. Ein Fall ist mir bekannt, wo in der corroboratio einer Urkunde des Fürsten Borwin von Mecklenburg aus dem Jahre 1218 ein Notar mit der Ausführung der Besiegelung ausdrücklich betraut wird 2 ).

Die Hauptlandesteilung, welche nach dem Tode des Fürsten Heinrich Burwy (1227) von dessen Enkeln durchgeführt wurde und die Teilherrschaften Rostock, Werle und Parchim begründete, ist für die Entwicklung des Kanzleiwesens der Fürsten von Mecklenburg von großer Bedeutung gewesen. Während sich die Herrschaft Parchim nur wenige Jahrzehnte behaupten konnte 3 ), hat sich am Hofe der Fürsten von Rostock und Werle ein selbständiges Kanzleiwesen entwickelt. Sowohl die Fürsten von Rostock wie die werleschen Fürsten haben ihre eigenen Schreiber gehabt 4 ). Der vor der Landesteilung von den mecklenburgischen Fürsten gemeinsam verwendete Schreiber Conrad ist später in den Dienst des Fürsten Nikolaus, Stammvaters der werleschen Linie, übergegangen 5 ). Am Hofe der werleschen Fürsten hat sich dann nicht viel später als bei den Fürsten von Mecklenburg eine selbständige, organisierte Kanzlei entwickelt 6 ). Die


1) Vgl. oben S. 13 ff.
2) M. U.-B. I, 244 (24. 6. 1218): "Hanc cartam inde conscriptam mandato nostro, ut infra videtur, corroborantes sigilli nostri [munimine] notario iussimus insigniri."
3) Vgl. Witte a. a. O. Bd. I S. 166 - 68.
4) Eine Zusammenstellung der Notare der Werleschen und Rostocker Fürsten bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts findet sich bei Buchwald a. a. O. S. 344 ff.; S. 368 ff.
5) Buchwald a. a. O. S. 330.
6) Küsters Ansicht über das Kanzleiwesen der werleschen Fürsten ist, wie mir scheint, unzutreffend. Er behauptet a. a. O. S. 136, daß das Kanzleramt in den werleschen Landen bis gegen die letzten Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts noch nicht ausgebildet sei, und fährt dann fort: "Ja, wir sind wohl berechtigt anzunehmen, daß die werleschen Fürsten bis zum Jahre 1371, wo - bis auf eine Ausnahme - zum erstenmal ein Kanzler bei ihnen vorkommt, sich der mecklenburgischen Kanzler bedient haben." Er begründet seine Vermutung mit dem Hinweis darauf, daß die werleschen und mecklenburgischen Fürsten durch enge verwandtschaftliche Bande verbunden gewesen seien. Das ist nicht nur an sich unwahrscheinlich, da das Verhältnis beider Linien nicht immer als freundschaftlich bezeichnet werden kann, sondern widerspricht
(  ...  )
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Herrschaft Mecklenburg war durch die Erbschaftsregelung nach dem Tode Heinrich Burwys beträchtlich verkleinert worden. Sie umfaßte im wesentlichen nur noch die nordwestlichen Gebiete des heutigen Mecklenburg, deshalb haben die Kräfte einzelner Schreiber verhältnismäßig lange ausgereicht, um das fürstliche Schreibewerk zu bewältigen, zumal die Mündlichkeit des Verfahrens und die Sitte, Rechtshandlungen durch symbolische Akte zu vollziehen, ferner die Empfängerherstellung zunächst vorgeherrscht haben werden und ein regelrechtes Schreibbüro unnötig machten.

Das erste sichere Anzeichen für das Bestehen einer organisierten Kanzlei am Hofe der mecklenburgischen Fürsten tritt uns etwa drei Jahrzehnte früher als bei den Grafen von Schwerin im Jahre 1323 1 ) entgegen, in dem zuerst ein Protonotar des Fürsten Heinrich II. nachweisbar ist. Rothgerus war der erste Kanzleivorstand 2 ). Unter ihm haben in den Jahren 1326 - 1329 nicht weniger als 6 bzw. 7 Notare oder Schreiber z. T. nebeneinander Schreiberdienste verrichtet 3 ). Der Kanzlertitel erscheint zum erstenmal 1337 4 ).


(  ...  ) auch den Quellen. Nicht viel später als bei den mecklenburgischen Fürsten ist auch bei den werleschen Fürsten eine Amtsstufenfolge des Schreiberpersonals zu beobachten. So wird M. U.-B. VIII, 5624 (22. 11. 1335) der sonst als notarius erwähnte Michael "archinotarius", M. U.-B. IX, 6006 (1339) Johannes Sternberg als Kanzler, M. U.-B. XIII, 7573 (1. 2. 1352) Sabellius Molenbeke als "archinotarius", M. U.-B. XIV, 8454 (15. 5. 1358) Gerhard v. Stunken als "prothonotarius" betitelt usw. Es ist also durchaus unrichtig, daß die werleschen Fürsten sich der mecklenburgischen Kanzler, d. h. doch wohl der mecklenburgischen Kanzlei, für ihre Verwaltungszwecke bedient haben. Sogar die einzelnen werleschen Linien (Werle-Güstrow, Werle-Waren) scheinen ihr eigenes Schreiberpersonal gehabt zu haben. Vgl. M. U.-B. XIX, Personenregister S. 81.
1) M. U.-B. VII, 4490 (7. 12. 1323).
2) Radloff a. a. O. S. 24 irrt, wenn er das Jahr 1337 für die erstmalige Erwähnung eines Protonotars ansetzt. Rothgerus wird ausdrücklich dreimal, nicht einmal, wie Küster a. a. O. S. 135 annimmt, "prothonotarius" genannt. M. U.-B. VII, 4490 (17. 12. 1323); 4563 (9. 10. 1324); 4934 (12. 6. 1328).
3) 1324 - 1326 Heinrich Frauenburg (oder Krauenburg); 1326 - 29 Heinrich; 1327 - 29 Johannes v. Prenzlau; 1327 - 29 Meinhard; 1327 - 29 Antonius v. Plessen; 1328 Nikolaus Manteuffel (Manduuel); 1329 Hilaricus.
4) Küster a. a. O. S. 135 und ihm folgend Breßlau a. a. O. Bd. I S. 606 Anm. 1 verlegt die erste Erwähnung eines mecklenburgischen Kanzlers fälschlich in das Jahr 1320. Die betreffende Urkunde aus diesem Jahre (M. U.-B. VI, 4154), wo Berthold Rode den Kanzlertitel führt, ist als Fälschung anzusehen (vgl. Registerband des M. U. -B. Bd. XI S. 534 unter "Rode" Nr. 40). Der Fälscher hat die Amtstätig-
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Es ist vielleicht kein Zufall, daß nicht lange nach der Erwerbung der Lande Stargard, Wesenberg, Lychen und der Herrschaft Rostock durch Heinrich II., dem Begründer der mecklenburgischen Einigungspolitik 1 ), die ersten Spuren einer organisierten Kanzlei wahrnehmbar sind. Durch diese Erwerbungen wurde das mecklenburgische Territorium nahezu verdreifacht. In demselben Maße wuchsen die Anforderungen, die die Verwaltung des Landes an das Schreiberpersonal der Fürsten stellte. Auch der Rückgang der Empfängerherstellung und die Zunahme des schriftlichen Verkehrs mögen mitgewirkt haben, das Geschäftsverfahren fester zu regeln, das Schreiberpersonal zu vermehren und so die Kanzlei mit einem Kanzleivorstand an der Spitze zu organisieren.

Auf die Geschichte der mecklenburgischen Kanzlei seit der Erwähnung des ersten Protonotars bis zur Vereinigung des Herzogtums mit der Grafschaft Schwerin im Jahre 1359 sind die politischen Ereignisse dieser Jahre nicht ohne Einfluß geblieben. Der Tod Heinrichs II. (1329) bedeutete für das Kanzleiwesen einen offensichtlichen Rückschlag. Da Heinrich keine mündigen Erben hinterließ, wurde eine Vormundschaft eingesetzt, die bis zum Jahre 1336 für die unmündigen Söhne Heinrichs, Albrecht und Johann, die Regierung führte 2 ). Für das Bestehen einer festgegliederten Kanzlei während dieser Vormundschaftsregierung sind keinerlei Spuren vorhanden. Rothgerus, der Protonotar Heinrichs II., erscheint zwar noch gelegentlich in den Urkunden 3 ), hat aber offenbar das Amt eines Protonotars nicht mehr bekleidet. Auch von den zahlreichen Schreibern, die uns gerade unmittelbar vor dem Tode Heinrichs II. entgegentreten, verschwinden die meisten aus dem Hofdienst und gehen zum Teil zurück in den ausschließlichen Dienst der Kirche und ihrer Institutionen 4 ). Nur


(  ...  ) keit des späteren Kanzlers Berthold Rode anscheinend fälschlicherweise zurückdatiert. Vor 1337 findet sich in den mecklenburgischen Urkunden keine Spur von Berthold Rode.
1) Vgl. Witte a. a. O. Bd. I S. 202. Einen kurzen Überblick über die Erwerbungen Heinrichs II. in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts gibt Strecker a. a. O. S. 4 ff.
2) Witte a. a. O. Bd. I S. 202.
3) M. U.-B. VIII (5. 6. 1330) befindet er sich unter den Zeugen einer von der Vormundschaftsregierung im Namen Albrechts ausgestellten Urkunde, jedoch steht er hier außerhalb der Reihe der consiliarii.
4) Nikolaus Manteuffel als Pfarrer v. Barth (M. U.-B. VIII, 5315 S. 267); Antonius v. Plessen als Lübecker Domherr (M. U.-B. VIII, 5428, 4. 6. 1333; 5530 Nr. 15) und Meinhard als Scholastikus an St. Marien zu Rostock (M. U.-B. VIII, 5243, 9. 5. 1331), später Pfarrer zu Schwaan und Kaplan Albrechts II. (M. U.-B. IX, 5778; 6252 usw.). Im Registerband des M. U.-B. XI, S. 436 Nr. 52 wird die Ansicht vertreten,
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Johannes von Prenzlau hat nachweislich im Dienste der Vormundschaft gestanden. Er wird gelegentlich von Wipert von Lützow, einem Mitglied der Vormundschaftsregierung, bei dem Lübecker Rat beglaubigt 1 ). Die Vermutung, daß in diesen Jahren eine festorganisierte Kanzlei vielleicht gar nicht existiert hat, wird gestützt durch die Beobachtung, daß der Wismarer Stadtschreiber Heinrich von Eimbeck in dieser Zeit gelegentlich mit der Urkundenherstellung. betraut wurde 2 ).

Das mecklenburgische Kanzleiwesen wurde wieder neu belebt, als Albrecht II., der 1336 großjährig geworden war, bald nach der Übernahme der Regierung Berthold Rode an die Spitze der Kanzlei berief. Bis 1352 führte Albrecht mit seinem jüngeren Bruder Johann die Regierung gemeinsam. Bis zu diesem Jahre haben beide Fürsten sich anscheinend auch einer gemeinsamen Kanzlei bedient. Sowohl in den Urkunden Albrechts wie Johanns wie auch in denen, welche von beiden gemeinsam ausgestellt sind, finden wir durchweg dieselben Kanzleibeamten 3 ). Auf Drängen Johanns, der 1348, wie sein älterer Bruder, zum Herzog erhoben war, wurde am 25. November 1352 eine Teilung des Landes Mecklenburg durchgeführt, wobei Johann den weit geringeren Anteil, nämlich die östlichen Gebiete Mecklenburgs, Stargard und dessen Nebenländer, sowie die Länder Sternberg und Eldenburg erhielt 4 ). Durch diese Teilung zweigte sich von der mecklenburgischen Kanzlei eine besondere mecklenburg-stargardische Kanzlei ab. Ein Teil des ursprünglich von beiden Brüdern gemeinsam ver-

Z. B. M. U.-B. IX, 5373 (19. 4. 1338). Von dieser Urkunde existieren zwei Ausfertigungen, welche nach der Anmerkung des Herausgebers des M. U.-B. von dem Wismarer Stadtschreiber Nikolaus Zwerk geschrieben sind. Wismar ist bekanntlich ein bevorzugter Aufenthaltsort der mecklenburgischen Fürsten gewesen. Daraus mögen sich die Beziehungen der fürstlichen Geschäftsverwaltung zur Ratsstube der Stadt Wismar erklären.


(  ...  ) daß dieser Meinhard identisch sei mit dem um 1345 bei Albrecht als Schreiber begegnenden Markwart. Tatsächlich begegnet Meinhard 1344 (M. U.-B. IX, 6451) als Hofkaplan Albrechts II. Falls Meinhard und Markwart ein und dieselbe Person wären, hätte also Albrecht II. einen Schreiber seines Vaters später wieder zum Hofdienst herangezogen.
1) M. U.-B. VIII, 5062 (1329 - 1336).
2) M. U.-B. VIII, 5585 (1. 5. 1335). Vgl. die Anmerkung des Herausgebers des M. U.-B. Auch in der ersten Zeit Albrechts II. sind gelegentlich Urkunden von dem Wismarer Stadtschreiber gefertigt worden.
3) Wenn auch der Kanzler dieser Jahre einmal von Johann als "cancellarius fratris mei" (M. U.-B. X, 6944 Anm.) bezeichnet wird, so begegnet er doch in den meisten Urkunden Johanns als "cancellarius noster" (M. U.-B. XIII, 7496 usw.).
4) Vgl. Witte a. a. O. S. 204 f.
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wendeten Kanzleipersonals findet sich nach der Durchführung der Landesteilung ausschließlich im Hofdienst des Stargarder Herzogs Johann. So ist z. B. der seit 1349 in der mecklenburgischen Kanzlei beschäftigte Schreiber Heinrich Rode an den Stargarder Hof übergetreten. Herzog Johann wie auch die späteren Stargarder Fürsten haben bis zur Wiedervereinigung Stargards mit Mecklenburg-Schwerin im Jahre 1471 anscheinend durchweg ihre eigenen Schreiber gehabt, und nicht selten wird ein Kanzler oder Protonotar genannt, so daß die Kanzlei am Stargarder Hof vermutlich organisiert gewesen ist 1 ).

Drei Persönlichkeiten haben in der Zeit von 1323 bis 1359 an der Spitze der mecklenburgischen Kanzlei gestanden: von 1323 bis 1329 der bereits erwähnte Rothgerus, von 1337 bis 1351 Berthold Rode und seit 1352 Bertram Behr. Als Rothgerus zum erstenmal als Protonotar begegnet, konnte er schon auf eine lange Tätigkeit im Hofdienst zurückblicken. Seit 1310 ist er als Schreiber und Hofkaplan 2 ) des Fürsten Heinrich II. nachweisbar. Zugleich war er Pfarrer an St. Nikolai zu Wismar 3 ), Schweriner Domherr 4 ) und seit 1323 Rektor der Marienkirche zu Rostock 5 ). Diese Stellung bekleidete er auch noch nach seiner Amtszeit als fürstlicher Protonotar 6 ).

Berthold Rode, der zweite mecklenburgische Kanzleivorstand, stammte aus der angesehenen Rostocker Bürgerfamilie gleichen Namens 7 ). Durch den Rostocker Ratsherrn Johann Rode, der Mitglied der Vormundschaftsregierung für Albrecht II. gewesen war, ist Berthold Rode vermutlich an den Hof der mecklenburgischen Fürsten gekommen. Albrecht II. hat dann später die Beziehungen seines Kanzlers und Ratgebers zu der begüterten Rostocker Bürgerfamilie gelegentlich auszunutzen verstanden, um durch Aufnahme einer Anleihe aus einer finanziellen Verlegenheit


1) Unter dem ersten Stargarder Herzog Johann wird der oft mit Heinrich Rode als Schreiber begegnende Sander von Holle gelegentlich Kanzler genannt. (M. U.-B. XIV, 15. 11. 1357.) Eine nähere Untersuchung über das Kanzleiwesen am Stargarder Hofe gehört nicht in den Rahmen vorliegender Arbeit.
2) M. U.-B. V, 3399 (20. 5. 1310); M. U.-B. VI, 4115 (9. 5. 1320).
3) M. U.-B. VI, 4281 (1. 7. 1321).
4) M. U.-B. VII, 4843 (25. 6. 1327).
5) M. U.-B. VII, 4490 (7. 12. 1323).
6) M. U.-B. VIII, 5451 (12. 9. 1333).
7) M. U.-B. X, 6983 (11. 7. 1349). In diesem Testament des Rostocker Ratsherrn Johann Rode erscheint Berthold Rode als avunculus Johanns und wird durch diesen zum Testamentsvollstrecker bestimmt.
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herauszukommen 1 ). Als Geistlicher war er zunächst Inhaber einer von seinen Verwandten gestifteten Vikarei in Rostock 2 ), dann Pfarrer von Gadebusch 3 ) und seit 1347 Rektor an der St. Petrikirche zu Rostock 4 ). Nach 15jähriger Tätigkeit schied er aus dem Hofdienst aus. Da er nach 1351 nicht mehr urkundlich nachweisbar ist, ist er vermutlich bald gestorben.

Der Kanzlerwechsel ist zwischen dem 8. Dezember 1351 und 30. März 1352 erfolgt 5 ). Wie Berthold Rode, so ist auch sein Nachfolger Bertram Behr vor seiner Kanzlerschaft vermutlich nicht in der Kanzlei beschäftigt gewesen. Über Bertram Behrs geistliche Laufbahn ist wenig bekannt. Er gehörte dem Lübecker Domstift an 6 ) und war seit 1355 Inhaber der Vikarei auf dem Fürstenhof zu Wismar 7 ), später an St. Nikolai ebendort 8 ).

Das übrige Kanzleipersonal tritt während dieses Zeitabschnittes zunächst ziemlich stark hervor. Die zahlreichen Notare und Schreiber unter dem Protonotariat des Rothgerus wurden schon aufgeführt 9 ). Auch unter Berthold Rode begegnet uns eine ganze Anzahl von Kanzleibeamten: von 1339 bis 1340 der Schweriner Domherr 10 ), spätere Pfarrer an St. Nikolai zu Rostock 11 ) und fürstliche Hofkaplan 12 ) Helmold von Plessen; von 1340 bis 1344 der Notar Gottfried 13 ); um 1345 Markwart 14 ); 1346 bis 1350 Johannes Raboden 15 ), der als Geistlicher der Ratzeburger Diözese um 1340 das Rektorat der Schule von St. Marien zu Wismar übernommen hatte 16 ) und später als herzoglicher Hofnotar die Pfarre zu Schwaan erhielt 17 ). Seit 1349 18 ) ist auch Heinrich von Griben, der aus dem Kloster Stolp an den Hof der


1) M. U.-B. X, 7125.
2) M. U.-B. IX, 5879.
3) M. U.-B. IX, 6360.
4) M. U.-B. X, 6747.
5) M. U.-B. XIII, 7543 wird Rode zuletzt, XIII. 7594 Bertram Behr zuerst als Kanzler erwähnt.
6) M. U.-B. XIII, 8117.
7) M. U.-B. XIII, 8055. Der Kanzler wird "ad presentacionem ... domini Alberti ducis" in die Vikarei eingeführt.
8) M. U.-B. XVI, 9525.
9) Vgl. oben S. 20 Anm. 3.
10) M. U.-B. IX, 6336.
11) M. U.-B. IX, 6421.
12) M. U.-B. X, 7003.
13) M. U.-B. IX, 6084.
14) M. U.-B. IX, 6534,. Vgl. oben S. 21 Anm. 4.
15) M. U.-B. X, 6626.
16) M. U.-B. IX, 6017.
17) M. U.-B. X, 6914.
18) M. U.-B. X, 6915.
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Mecklenburger gekommen zu sein scheint 1 ), in der herzoglichen Kanzlei beschäftigt und ist bis 1359 als Notar nachzuweisen 2 ). 1358 begegnet er als Pfarrer von Boizenburg 3 ). Von 1349 bis 1352 hat auch Heinrich Rode 4 ), ein Verwandter des Kanzlers, der mecklenburgischen Kanzlei angehört, bis er dann nach der Landesteilung des Jahres 1352 an den Hof Johanns von Stargard überging. Von 1351 bis 1352 wird gelegentlich auch ein Johannes Suhm als Notar erwähnt 5 ).

Über das unter Bertram Behr arbeitende Kanzleipersonal läßt sich wenig ermitteln. Eine Anzahl von Geistlichen (pape, clerici und capellani) sind in dieser Zeit am herzoglichen Hof nachweisbar und werden gelegentlich zu den der Kanzlei obliegenden Geschäften herangezogen sein, so z. B. der spätere Kanzler Johann Schwalenberg 6 ), ebenso der später als Notar begegnende Bernhard Mallin 7 ). Den ausdrücklichen Titel "notarius" führt während der Kanzlerschaft Bertram Behrs bis zum Jahre 1359 außer Heinrich von Griben nur ein Gottschalk, Pfarrer von Gnoien 8 ).

§ 3.

Geschichte der mecklenburg-schwerinschen Kanzlei von 1359 bis zum Tode Heinrichs IV. (1477).

Durch ihre Vereinigung mit dem Herzogtum Mecklenburg fand die Grafschaft Schwerin sowie auch die gräflich schwerinsche Kanzlei im Jahre 1359 das Ende ihres Sonderdaseins. Die Schweriner Grafen überließen den mecklenburgischen Herzögen käuflich


1) M. U.-B. X, 6628 (24. 2. 1346) unterfertigt er eine Urkunde des Klosters Stolp.
2) M. U.-B. XIV, 8599, S. 448 Nr. 9.
3) M. U.-B. XIV, 8530.
4) M. U.-B. X, 6983.
5) M. U.-B. XIII, 7496; 7610.
6) M. U.-B. XIV, 8530.
7) M. U.-B. XIV, 8599.
8) M. U.-B. XIII, 7837. Wenn hier neben Gottschalk auch Bernhard Alkun, der Kammermeister und Vogt Herzog Albrechts, als Notarius, schon früher (M. U.-B. XIII. 7496) als Protonotarius bezeichnet wird, so handelt es sich in letzterem Falle offenbar um einen Schreibfehler, da neben ihm der Kanzler Berthold Rode in der Zeugenliste steht und ein aus zwei Personen bestehender Kanzleivorstand in dieser Zeit nicht existiert haben wird. Das Register des M. U.-B. Bd. XVII S. 59 (unter "Alkun") nimmt in beiden Fällen, wie mir scheint, mit Recht einen Schreibfehler an.
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die Grafschaft Schwerin 1 ) und zogen sich in die von ihren Vorfahren ererbte Grafschaft Tecklenburg zurück. Durch diesen Kauf wurden die mecklenburgischen Fürsten die unmittelbaren Rechtsnachfolger der Grafen von Schwerin.

Für die mecklenburgische Kanzlei bedeutete die Erwerbung der Grafschaft Schwerin eine beträchtliche Erweiterung ihres Zuständigkeitsbereiches, welcher im 15. Jahrhundert durch den Erbfall der werleschen und stargardschen Länder nochmals bedeutend vergrößert wurde. Deshalb werden diese Erwerbungen immerhin eine Vermehrung des Kanzleipersonals notwendig gemacht haben. Ob bei der Vereinigung Mecklenburgs mit der Grafschaft Schwerin Kanzleibeamte der gräflichen Kanzlei in die der mecklenburgischen Fürsten übernommen wurden, läßt sich nicht erweisen. Auch nach der 1436 erfolgten Erwerbung der werleschen Lande finden sich unter dem Kanzleipersonal der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin keine Persönlichkeiten, die früher der werleschen Kanzlei angehörten. Jedoch als die Vereinigung der mecklenburgischen Lande durch den Erbfall der Stargarder Lande im Jahre 1471 ihren Abschluß gefunden hatte, ist nachweislich einmal ein früherer Schreiber der Stargarder Kanzlei, namens Joachim Heydeberg 2 ), von den mecklenburg-schwerinschen Herzögen übernommen worden. Die Beobachtung, daß etwa seit der Mitte des 14. Jahrhunderts mit Ausnahme des Kanzlers verhältnismäßig selten Kanzleibeamte in den Zeugenlisten der herzoglichen Urkunden auftreten, berechtigt keineswegs zu dem Schluß, daß die Zahl der beschäftigten Schreiber nur sehr gering gewesen sei. Wir müssen vielmehr jene Erscheinung wohl darauf zurückführen, daß man sich


1) Schon 1343 hatte Albrecht II. mit dem Grafen Nikolaus II. von Wittenburg-Boizenburg einen Erbvertrag geschlossen und beanspruchte auf Grund dieser Abmachung nach dem Tode des letzten Wittenburger Grafen, der keine direkten Erben hinterließ, dessen Länder Wittenburg, Boizenburg und Crivitz. Dagegen verwahrten sich jedoch die Neffen Nikolaus II. Die Streitigkeiten um die Grafschaft erfüllten die 50er Jahre des 14. Jahrhunderts, bis am 7. Dezember 1358 (M. U.-B. VIV, 8541) ein Kaufvertrag geschlossen wurde, wonach die Grafen den Mecklenburgern die ganze Grafschaft Schwerin für die in Raten zu zahlende Summe von 20 000 Mark Silbers verkauften. Im März 1359 wurde laut Vereinbarung nach Abzahlung der ersten Rate die Grafschaft an die Mecklenburger ausgeliefert. (Vgl. Jesse a. a. O. S. 19 ff. und die ausführlichen Darlegungen Streckers a. a. O. S. 101 ff.; S. 281 ff.
2) Vor 1471 begegnete er in den Urkunden der Stargarder Herzöge, z. B. S. A. Reg. 9. 7. 1468, 26. 2. 1469 usw. Nach dem Erbfall der Stargarder Lande am 13. Juni 1471 ist er am Hofe Heinrichs IV. von Mecklenburg-Schwerin als Sekretär nachzuweisen, z. B. S. A. Reg. 19. 8. 1471; 30. 9. 1471; 14. 10. 1471 usw.
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mehr und mehr daran gewöhnte, bei der Aufführung von Zeugen sich vornehmlich auf die fürstlichen Ratgeber, namentlich auf die Hof- und Lokalbeamten (Marschall, Kammermeister, Kanzler und Vögte) zu beschränken.

Das mecklenburgische Kanzleiwesen verharrte während des späteren Mittelalters im großen und ganzen auf derselben Entwicklungsstufe, welche es durch die Organisation der Kanzlei in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erreicht hatte. Bis zu den Verwaltungsreformen Herzog Magnus II. am Ende des 15. Jahrhunderts hat die Organisation der Kanzlei nur geringfügige Veränderungen erfahren. Zur Entlastung des Kanzlers, dessen Tätigkeit sich mehr und mehr auf das gesamte Gebiet der Verwaltung erstreckte, scheinen besonders im 15. Jahrhundert die Notare, Sekretäre und Schreiber stärker zur Mitarbeit an der Erledigung verantwortungsreicher Kanzleigeschäfte herangezogen worden zu sein. Sie haben sich namentlich um die Mitte des 15. Jahrhunderts nicht nur an der Konzipierung der Urkunden beteiligt, sondern anscheinend auch bei der Korrektur und Überprüfung der Urkunden mitgewirkt 1 ). Und während der Kanzler Kröpelin (1361 - 62) das von ihm angelegte Kanzleibuch zum großen Teil noch selbst geführt hat, scheint die Führung der Kanzleibücher im 15. Jahrhundert hauptsächlich den Sekretären und Schreibern obgelegen zu haben. Je mehr diese dem Kanzler untergeordneten Kanzleibeamten zu den verantwortungsvolleren Geschäften der Verwaltung herangezogen wurden, desto größer wurde ihr Einfluß und ihre Bedeutung. Das kommt vor allem darin zum Ausdruck, daß sie gelegentlich zu den Räten der Herzöge gehörten 2 ).

Um die Mitte des 15. Jahrhunderts scheint es auch das Amt eines Protonotars oder Vizekanzlers neben dem Kanzleramt gegeben zu haben, jedoch nur vorübergehend. Mit Johann Hesse, der diese Titel während der Kanzlerschaft Henning Karutzes (1440 - 1446) kurze Zeit, bevor er den Kanzlerposten selber übernimmt, gelegentlich führt 3 ), verschwinden die Bezeichnungen


1) Aus der Zeit der Kanzlerschaft Johann Schwalenbergs (1366 bis 1374) sind uns eine Anzahl von durchkorrigierten Konzepten und zu Originalen bestimmten, aber wegen notwendig gewordener Korrekturen nicht ausgegangenen Ausfertigungen erhalten. Ein Vergleich der Hände, welche die Korrekturen vornahmen, ergibt, daß zwar eine bestimmte Handschrift oftmals wiederkehrt, daß aber neben dieser auch noch verschiedene andere Hände korrigiert haben. Wir werden also annehmen können, daß außer dem Kanzler auch andere Kanzleibeamten bei der Revision gelegentlich mitgewirkt haben.
2) Vgl. unten Kap. 2, § 2, S. 57.
3) Vgl. unten S. 38 u. Kap. 2, § 1, S. 50.
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"prothonotarius" und "vicecancellarius" wieder aus der mecklenburgischen Kanzlei.

Der innere Ausbau des Geschäftsbetriebes der Kanzlei während des hier zu behandelnden Zeitabschnittes wird im wesentlichen durch die Ausbildung bestimmter Kanzleibräuche charakterisiert. Vor allem drei neue Erscheinungen treten uns entgegen: Die Anwendung der niederdeutschen Sprache in den Urkunden, das Vorkommen von Kanzleibüchern und Kanzleivermerken auf den Urkunden. Schon während der Kanzlerschaft Bertram Behrs in den 50er Jahren des 14. Jahrhunderts war die Zahl der aus der mecklenburgischen Kanzlei ausgehenden niederdeutschen Urkunden im Steigen. Wie groß das Bedürfnis, die Urkunden in der eigenen Mundart abzufassen, schon früher war, beweisen die häufig in lateinischen Urkunden vorkommenden deutschen Wörter, deren sich der Konzipient bediente, wenn ihm der entsprechende lateinische Ausdruck fehlte 1 ). Bis 1312 scheint man sich der niederdeutschen Sprache nur bei fürstlichen und Staatsverträgen, später gelegentlich auch bei anderen Urkunden bedient zu haben 2 ). Häufig fertigte man zwei Urkundenexemplare an, eins lateinisch, ein anderes niederdeutsch. Oder man stellte niederdeutsche Übersetzungen von lateinisch abgefaßten Urkunden her. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts setzte sich die niederdeutsche Sprache in den mecklenburgischen Herzogsurkunden immer stärker durch 3 ). Die lateinische


1) Z. B. domus eciam chote teuthonice dicta (M. U.-B. V, 3080; 3212) oder obstaculum teuthonice ghewere dictum (M. U.-B. V, 3163). Oft werden auch deutsche Ausdrücke latinisiert oder sie werden dem nicht ganz entsprechenden lateinischen Ausdruck hinzugefügt mit dem Zusatz: "quod vulgo, vulgariter, in vulgari dicitur" usw. Vgl. M. U.-B. XII, Reg.-Bd. S. 495.
2) Vgl. M. U.-B. XII, Reg.-Bd. S. 105 ("Deutsche Sprache").
3) Breßlau a. a. O. Bd. II, 1915, S. 388 ist der Ansicht, daß der Sieg der deutschen Urkundensprache am frühesten in Süd- und Westdeutschland um 1300, in Mitteldeutschland um 1330 und am spätesten in Niederdeutschland um 1350 vollendet ist. Was die Urkunden der mecklenburgischen Herzöge betrifft, so wird man richtiger sagen müssen, daß seit der Mitte des 14. Jahrhunderts sich der Kampf um die Sprache immer mehr zugunsten der deutschen Sprache entscheidet. Jedoch erhält sich die lateinische Sprache, namentlich in Urkunden, die für Geistliche oder geistliche Institutionen ausgestellt werden, noch recht lange. Aus den Jahren 1351 - 1355 sind uns von den aus der mecklenburgischen Kanzlei ausgegangenen Urkunden etwa 69 erhalten, von denen 51 lateinisch und nur 18, also etwas mehr als der vierte Teil, niederdeutsch abgefaßt sind. Aus den Jahren 1356 - 1360 sind 67 Urkunden Albrechts II. erhalten, davon 31 lateinisch, 36, also über die Hälfte, niederdeutsch. Dieser Statistik liegen die im M. U.-B. veröffentlichten
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Kirchensprache hat am Ende des Jahrhunderts in den Urkunden durchaus ihren Vorrang verloren. Sie wird mehr und mehr das Opfer der Verweltlichung der Kultur.

Auch Kanzleibücher sind zeitweise in der Mecklenburg-Schweriner Kanzlei geführt worden. Sie setzen nicht nur die Organisation der Kanzlei voraus, sondern deuten auch darauf hin, daß die Kanzlei wenigstens zu der Zeit, wo nachweislich solche Bücher geführt worden sind, einigermaßen ständig und regelmäßig zu arbeiten pflegte. Man betrachtet daher die Kanzleibücher als "das Kennzeichen und die Errungenschaft einer geordneten organisierten Kanzlei" 1 ). Nur wenige Registerbruchstücke der mecklenburgischen Kanzlei sind uns erhalten. Als nicht lange nach der Erwerbung der Grafschaft Schwerin Johannes Kröpelin (1361 bis 1362) an die Spitze der Kanzlei berufen wurde, hat dieser Kanzler den Brauch der Registerführung in die mecklenburgische Kanzlei eingeführt 2 ). Vor Johannes Kröpelins Amtstätigkeit sind mir keinerlei Anzeichen von Registerführung in der mecklenburgischen Kanzlei begegnet. Jedoch diese Ansätze zu einem geregelten Verwaltungsverfahren scheinen über ihre ersten Anfänge nicht hinausgekommen zu sein. Die politischen Verhältnisse Mecklenburgs in den letzten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts, insbesondere der Kampf der Herzöge um ihre nordische Machtstellung, mögen dazu beigetragen haben, die stetige Fortentwicklung und den inneren Ausbau der Verwaltung zu hemmen. Erst um die Mitte des 15. Jahrhunderts sind in der Schweriner Kanzlei wieder nachweislich Geschäftsbücher zur Kontrolle der Verwaltung geführt worden, namentlich während der Zeit, als Johann Hesse (1440 bis 1449) der Kanzlei angehörte.

Mit Johann Hesse, welcher sich um die innere Ausgestaltung des Kanzleibetriebes sehr verdient gemacht zu haben scheint, dringt auch in die Kanzlei der Mecklenburg-Schweriner Herzöge der in anderen Territorien schon längst übliche Brauch 3 ) ein, die Ur-


(  ...  ) Urkunden, die vermutlich in der mecklenburgischen Kanzlei gefertigt wurden, zugrunde. Ausgeschieden sind diejenigen Urkunden, welche nur in Form eines Regestes aus späterer Zeit erhalten sind. Mögen obige Zahlen auch unvollständig sein, das eine lehren sie doch, daß seit der Mitte des 14. Jahrhunderts die Zahl der niederdeutschen Urkunden mehr und mehr steigt, daß aber der Sieg der niederdeutschen Sprache in Mecklenburg um 1350 noch keineswegs vollendet ist.
1) Redlich a. a. O. S. 165.
2) Vgl. unten Kap. 3, § 2, S. 73 ff.
3) In Deutschland kommt dieser Brauch im 14. Jahrhundert auf, und zwar früher auf Urkunden der Territorialfürsten als in der Reichskanzlei: In Tirol zuerst 1314 (R. Heuberger, Mitt. des Instituts für
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kunden gelegentlich mit Kanzleivermerken zu versehen. Auf einer Urkunde der mecklenburgischen Herzöge ist mir ein solcher Vermerk zum erstenmal im Jahre 1446 begegnet, und zwar in der Form von "de mandato domini Jo. Hesse", etwas früher schon auf Registerabschriften, zuerst 1442 in der Form von "dominus mandauit et examinauit" 1 ). Nicht immer läßt es sich mit Sicherheit ausmachen, ob in einem Falle, wo sich unter einer Registerabschrift ein Kanzleivermerk findet, ein solcher Vermerk auch auf dem entsprechenden Original gestanden hat 2 ). Die Kanzleivermerke sind seitens der Kanzlei bzw. der Kanzleibeamten zu ihrer persönlichen Deckung dem Landesfürsten gegenüber auf Urkunden oder Registerabschriften geschrieben und begegnen auch noch nach dem Ausscheiden Johann Hesses aus der Schweriner Kanzlei gelegentlich unter Urkunden, Urkundenabschriften oder Konzepten 3 ). Als Vorläufer der Kanzleivermerke werden wir mit Redlich 4 ) die datum-per-manus-Formel ansehen dürfen, welche besonders charakteristisch ist für die Zeit, als die Kanzlei noch nicht organisiert war. Die Kanzleivermerke enthalten nicht nur wichtige Nachrichten über die Entstehung der Urkunden, sondern sind auch eine ergiebige Quelle für die Erforschung der mittelalterlichen Hofverwaltung. Besonders dort, wo sie häufig zu finden sind und die mannigfachsten Formen aufweisen, wie etwa in österreichischen und brandenburgischen Urkunden, geben sie uns erwünschten Aufschluß über das Zusammenwirken von Rat und Kanzlei 5 ).


(  ...  ) österreichische Geschichtsforschung [M. J. Ö. G.] Bd. 33 S. 433), in Österreich 1347 (O. H. Stowasser, Die österreichischen Kanzleibücher vornehmlich des 14. Jahrhunderts und das Aufkommen der Kanzleivermerke, M. J. Ö. G. Bd. 35 S. 708); in Brandenburg 1372 (Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg S. 548); in der Reichskanzlei um die Mitte des 14. Jahrhunderts seit Karl IV. (Erben, Urkundenlehre I. Teil, 1907, S. 262); besonders früh sind Kanzleivermerke auf französischen Urkunden zu finden, vgl. Erben a. a. O. S. 262.
1) Vgl. Anlage 2 Nr. 13 und Nr. 2. Auf dem umgeschlagenen Buge einer Urkunde König Albrechts von Schweden aus dem Jahre 1385 befindet sich ausnahmsweise einmal der einfache Namensvermerk eines Kanzleibeamten. Vgl. Anlage 2 Nr. 1.
2) Vgl. Anlage 2 Nr. 8. Hier fehlt auf dem Original der Kanzleivermerk, während die entsprechende Registerabschrift einen solchen aufweist.
3) Vgl. Anlage 2 Nr. 20 ff.
4) A. a. O. S. 157.
5) Über die äußeren Formen der mecklenburgischen Kanzleivermerke vgl. die Vorbemerkung zu Anlage 2. Ihre inhaltliche Auswertung erfolgt in dem Abschnitt über das Verhältnis von Rat und Kanzlei Kap. 2 § 2 S. 59 ff. Allgemeine Bemerkungen über Kanzleivermerke
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Die Neuerungen im Geschäftsbetrieb der Kanzlei, insbesondere das Vorkommen der Kanzleibücher und Kanzleivermerke, sind wohl durchweg auf die Initiative der maßgebenden Persönlichkeiten der Kanzlei, vor allem bestimmter Kanzler, zurückzuführen. Daraus erklären sich die Schwankungen in der Tätigkeit der Beamten und in den Kanzleigebräuchen. Die Kanzler scheinen nicht nur das Kanzleiwesen jeweils bestimmend beeinflußt zu haben, sondern sind überhaupt die Seele der mittelalterlichen Verwaltung gewesen. Deshalb erwecken ihre Persönlichkeiten und ihre Lebensumstände ein besonderes Interesse.

Nach der Erwerbung der Grafschaft Schwerin (1359) blieb zunächst Bertram Behr an der Spitze der Kanzlei Albrechts II., jedoch nur noch kurze Zeit. Am 25. Mai 1360 begegnet er noch als Kanzler. Bald darauf fiel er bei Albrecht II. in Ungnade und wurde seines Amtes entsetzt, offenbar infolge eines Zwistes mit anderen Hofbeamten, insbesondere mit einem Getreuen des Herzogs, dem Ritter Heinrich v. Stralendorf. Es ist uns ein undatiertes Schriftstück Bertram Behrs erhalten, in welchem er sich bei dem Herzog gegen Anschuldigungen des Ritters Stralendorf verantwortet 1 ). Aus diesem Schreiben geht offensichtlich hervor, daß dem Kanzler zum Vorwurf gemacht worden ist, er habe


(  ...  ) finden sich bei Breßlau a. a. O. Bd. II S. 98 ff.; Erben a. a. O. S. 256 ff.; Redlich a. a. O. S. 167 ff. Über österreichische Kanzleivermerke vgl. z. B. G. Seeliger, Hofmeisteramt, 1885, S. 97 ff.; A. v. Wretschko, Das österreichische Marschallamt im Mittelalter, 1897, S. 162 ff.; S. 192 ff.; Stowasser, M. J. Ö. G. Bd. 35 S. 707 ff. und F. Wilhelm, Die Kanzleivermerke der österreichischen Herzogsurkunden, M. J. Ö. G. Bd. 38 S. 39 ff. Über brandenburgische Kanzleivermerke vgl. L. Lewinski, Kanzlei- und Urkundenwesen während der Regierung der beiden ersten hohenzollernschen Markgrafen, 1893, S. 74 ff.; S. 139 ff.
1) M. U.-B. XIV, 8753. Gegen drei verschiedene Vorwürfe verwahrt sich der Kanzler. Erstens weist er es zurück, daß er in Falsterbo und Skanör, dem Pfandbesitz Heinrichs v. Stralendorf, unrechtmäßigerweise für sich Zoll erhoben habe; zweitens rechtfertigt er sich wegen eines Streites mit Stralendorf betreffs Urkunden; drittens nimmt er Stellung zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf, daß er den Ritter wegen der Urkunden des Grafen von Tecklenburg verleumdet habe. Zu diesem dritten Punkt erklärt der Kanzler im einzelnen, was ihn veranlaßt habe, die Anschuldigungen zu erheben. "Nicht allene vmb de breue, men vmb alle bose handelinge, de my toschoven wart iegen iw, here hertoge Albert, vnd iegen andere heren, und dat gi my to eneme vngenedigen heren maket worden, dar sprak ik vmb alsodanege wort, myne ere to vor antwordende, der ik van eren nicht swigen mochte, vnd dar mende ik de mede, de my dat gemaket hadden, vnd dat togeschouen hadden iegen iw ofte iegen andere heren vnd dar in rade vnd dade mede gewesen hadde[n], vnd des doch nicht wolden bekant wesen, vnd mende dar anders nummende mede."
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gegen die Interessen seines Herrn gehandelt. Nach der Darstellung Bertram Behrs haben seine persönlichen Widersacher bei dem Herzog gegen ihn intrigiert mit dem Erfolg, daß der Kanzler in Ungnade fiel. Bertram Behrs Versuch, den Herzog von seiner Unschuld zu überzeugen 1 ), ist offenbar nicht gelungen. Fast ein Jahr scheint er vom Hofe verbannt gewesen zu sein. 1361 erscheint er aber wieder in den herzoglichen Urkunden als "clericus noster dilectus" 2 ).

An die Spitze der Kanzlei war inzwischen der Magister Johannes Kröpelin (1361 - 62) berufen worden. Er war Geistlicher der Schweriner Diözese und muß über eine umfangreiche Bildung verfügt haben 3 ). Nach Johann Kröpelin hat im Jahre 1363 wiederum Bertram Behr das Kanzleramt vorübergehend bekleidet 4 ). Da im Jahre 1366 seiner als "cancellarius bone memorie" gedacht wird, muß er spätestens in diesem Jahre gestorben sein 5 ).

Von 1366 bis 1374 war Johann Schwalenberg Kanzler am Hofe Albrechts II. Seit 1358 ist er als Hofgeistlicher 6 ), seit 1361 als Schreiber 7 ) nachzuweisen. Er gehört also in die Reihe derjenigen Kanzler, welche unmittelbar aus der Kanzlei hervorgegangen sind. 1360 begegnet er als ständiger Vikar in Lübeck 8 ), bald darauf wurde er von Herzog Albrecht dem Ratzeburger Bischof für die Besetzung der Gadebuscher Pfarre präsentiert 9 ). 1364 unternahm er eine Pilgerfahrt zum Papst nach Avignon und er-


1) Der letzte Satz seines Briefes läßt die Hoffnung durchblicken, daß es ihm gelingen möge, die Gunst des Herzogs wieder zu gewinnen: "Darvmb, gnedige here, alles dinges to mynne vnd to rechte ga ik to iw, ik Bertrame Behre, iwwe arme dener."
2) M. U.-B. XV, 8880 (6. 5. 1361).
3) Als Inhaber einer Rostocker Vikarei nahm er im Jahre 1351 sein Studium wieder auf und ließ sich zu diesem Zwecke von dem bischöflich schwerinschen Offizial Dietrich Möllner einen dreijährigen Urlaub gewähren (vgl. M. U.-B. 7509, 9. 9. 1351).
4) M. U.-B. XV, 9148 (19. 3. 1363); 9210 (27. 10. 1363).
5) In M. U.-B. XVI, 9525 wird über die Einkünfte der Wismarer Vikarei, "quam alias dominus Thydericus Zackeluitze defunctus et post eum Bertrammus Behre cancellarius noster bone memorie possidebant", neu verfügt. Diese Notiz setzt also den Tod des Kanzlers voraus. Deshalb kann Bertram Behr 1375 nicht mehr Kanzler gewesen sein, wie Küster a. a. O. S. 136 meint. Vielleicht ist M. U.-B. XVIII, 10 705, wo Bertram Behr nochmals als Kanzler erwähnt wird, eine Fälschung.
6) M. U.-B. XIV, 8530.
7) M. U.-B. XIV, 8584 Anm.
8) M. U.-B. XIV, 8803.
9) M. U.-B. XV, 8942.
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reichte zugunsten seiner Gadebuscher Kirche einen Ablaß 1 ). Schwalenberg gehörte dem Schweriner Domstift an und wurde 1372 Domscholastikus, anscheinend entgegen der Anordnung des Papstes Gregor XI., welcher zum Nachfolger des verstorbenen Schweriner Scholastikus den Rektor der Neubukower Pfarrkirche Johann Bukow bestimmt hatte 2 ). Johann Schwalenberg entfaltete am Hofe Albrechts II. als herzoglicher Rat und Kanzler eine reiche Tätigkeit. In den meisten Urkunden, die während seiner Kanzlerschaft ausgestellt wurden, tritt er als Zeuge auf. Solange er herzoglicher Hofbeamter war, scheinen seine geistlichen Berufspflichten oft stark in den Hintergrund getreten zu sein. Gelegentlich konnte er sogar den ihm vom Papst erteilten Auftrag, in einem Appellationsprozeß als Richter zu fungieren, nicht ausführen, sondern subdelegierte seinerseits einen anderen Geistlichen als Richter 3 ). Bei Herzog Albrecht scheint Johann Schwalenberg in hoher Gunst gestanden zu haben. Er wurde nicht nur in seiner geistlichen Laufbahn gefördert 4 ), sondern auch mit Pfründen ausgestattet 5 ). - Während der letzten Jahre Albrechts II., von 1375 - 79, versah Albert Konow das Kanzleramt. Dieser war mindestens seit 1369 Propst des Klosters Eldena 6 ) und ist anscheinend auch während seiner Kanzlerschaft in enger Verbindung mit dem Kloster geblieben, da wir ihn gelegentlich für dieses wirken sehen 7 ). Auch auf das materielle Wohl seines Klosters ist er sehr bedacht gewesen 8 ). Nach dem Tode


1) M. U.-B. XV, 9313. Auf dieser Reise scheint er großen Schaden erlitten zu haben. M. U.-B. XV, 9312 befiehlt Papst Urban V. dem Abt des Michaelisklosters zu Lüneburg, er solle dem Johann Schwalenberg, dem auf seiner Pilgerfahrt an den päpstlichen Hof große Nachteile zugefügt seien, "in statum debitum legiteme revocare".
2) Vgl. M. U.-B. XVIII, 10 342 und 10 343. Als Schweriner Domscholastikus trug er die Verantwortung für das gesamte Urkundenwesen des Schweriner Stiftes. Vgl. die Aufzeichnung der Gewohnheiten des Stiftes etwa aus dem Jahre 1370 M. U.-B. XVI, 10 128, S. 640.
3) M. U.-B. XVIII, 10 551.
4) Vgl. oben.
5) Vgl. M. U.-B. XVI. 9552. Hier trägt der Propst der Schweriner Kirche dem Pfarrer von Neustadt auf, den Prokurator Johann Schwalenbergs in die diesem von Albrecht II. verliehene Vikarei an der Burgkapelle zu Neustadt einzuführen.
6) M. U.-B. XVI, 9973.
7) Z. B. M. U.-B. XIX, 11 031.
8) Wenn gleich zu Beginn seiner Kanzlerschaft Herzog Albrecht II. dem Kloster Kornhebungen aus dem Dorfe Rambow schenkt (M. U.-B. XIX, 10 862), so dürfen wir diese Maßnahme wohl auf die Fürsprache des Klosterpropstes und Kanzlers zurückführen. Selbst mit eigenen
(  ...  )
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Albrechts II. im Jahre 1379 ist er unter dessen Söhnen nur noch kurze Zeit Kanzler gewesen 1 ). Seit diesem Jahre widmete er sich wieder ausschließlich dem Dienste des Klosters Eldena.

Fünf Kanzler haben während der Regierungszeit Albrechts II. (1336 - 79) an der Spitze der mecklenburgischen Kanzlei gestanden. Sie scheinen durchweg eine bedeutende Rolle im herzoglichen Hofleben und in der Verwaltung des Landes gespielt zu haben. Die meisten Urkunden erwähnen sie als Zeugen oder fürstliche Ratgeber.

Über das mecklenburgische Kanzleiwesen unter den Nachfolgern Albrechts II., Heinrich III., Magnus I., Albrecht III. 2 ) und Albrecht IV. 3 ), ist nur sehr wenig bekannt. Das Kanzleipersonal tritt in den Urkunden dieser Jahre, welche uns zum Teil in sehr geringem Umfange erhalten sind, auffallend stark zurück. Nicht einmal eine lückenlose Zusammenstellung der Kanzler ist möglich. Im Jahre 1384 begegnet uns als Kanzler Albrechts IV. und seines Oheims Magnus I. Johann Reinwerstorf 4 ), Propst zu Neukloster 5 ), welcher als solcher am 10. August 1385 von dem Schweriner Bischof Potho seiner pröpstlichen Würde entkleidet und durch einen Nachfolger ersetzt wurde 6 ). 1386 wird Detlev v. Siggen als Kanzler Albrechts III. erwähnt 7 ); Johann Brugow, welcher von Küster 8 ) irrtümlich unter den Kanzlern der Herzöge von Schwerin aufgeführt wird, war 1389 Kanzler am Stargarder, nicht am Schweriner Hofe 9 ).


(  ...  ) Mitteln hat Albert Konow das Kloster Eldena gefördert. M. U.-B. XIX, 11 061 schenkt er dem Kloster alles, was er für dasselbe aus eigener Tasche bezahlt hat.
1) M. U.-B. XIX, 11 229 (25. 11. 1379) begegnet er noch als Kanzler der drei Söhne Albrechts II., der Herzöge Heinrich III., Magnus I. und Albrecht III.
2) Albrecht III., seit 1364 König von Schweden, regierte in den Jahren 1385 - 88 und nach dem Verlust der schwedischen Herrschaft von 1395 bis 1412 in Mecklenburg.
3) Albrecht IV., Sohn Heinrichs III., sukzedierte nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1383.
4) M. U.-B. XX, 11 580.
5) M. U.-B. XX, 11 629.
6) M. U.-B. XX, 11 701. Der Schweriner Bischof sah sich zu dieser Maßnahme veranlaßt, weil Johann Reinwerstorf als Klosterpropst die ihm von Herzog Albrecht IV. präsentierte Pfarre zu Boizenburg übernommen hatte.
7) M. U.-B. XXI, 11 780; 11 789.
8) A. a. O. S. 136.
9) M. U.-B. XXI, 12 065 S. 276.
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Durch die Schlacht bei Falköping im Jahre 1389 erreichte die mecklenburgische Machtstellung im Norden endgültig ihr Ende. Der Schwedenkönig und Herzog von Mecklenburg Albrecht III., nach dem Tode seiner Brüder und seines Neffen Albrechts IV. der allein noch übrige erwachsene männliche Sproß des Schweriner Hauses, geriet in die Gefangenschaft der norwegischen Königin Margarete und wurde über sechs Jahre auf der Feste Lindholm in Haft gehalten. Johann von Mecklenburg-Stargard, welcher während der Gefangenschaft Albrechts III. zur Regentschaft im Reiche Schweden und im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin berufen ward 1 ), war durch die nordischen Händel vollauf in Anspruch genommen, sodaß Mecklenburg-Schwerin in diesen Jahren "so gut wie verwaist" war. Nachdem Albrecht III. im Jahre 1395 nach langwierigen Verhandlungen aus der Haft entlassen worden war und die Regierung in Mecklenburg-Schwerin wieder übernommen hatte, wurde das Kanzleramt von 1396 bis 1399 von Karl Hakonsson versehen 2 ). Dieser Kanzler war, wie schon der Name beweist, Schwede von Geburt. Durch die Beziehungen Albrechts III. zu Schweden wird er an den Hof der Mecklenburg-Schweriner Fürsten gekommen sein. Er war gleichzeitig Inhaber einer hohen geistlichen Würde in Schweden, nämlich des Archidiakonates von Upsala 3 ). Karl Hakonsson hat zusammen mit dem Ritter Helmold von Plessen anscheinend eine führende Rolle in der mecklenburgischen Politik gespielt 4 ).


1) Witte a. a. O. Bd. I S. 223/24.
2) Erstmalige Erwähnung als Kanzler M. U.-B. XXIII, 12 929 (3. 3. 1396), zum letztenmal begegnet er als solcher M. U.-B. XXIII, 13 445 (25. 4. 1399).
3) M. U.-B. XXIII, 13 076 (10. 3. 1397).
4) 1397 (M. U.-B. XXIII, 13 173) verhandelten die beiden Räte, mit einem Beglaubigungsschreiben Albrechts III. versehen, mit den Hansestädten, übermittelten ihnen den Dank ihres Herrn für ihre Bemühungen um seine Befreiung aus der Gefangenschaft, beschwerten sich im Namen des Herzogs wegen des Friedensbruches der Königin Margarete und baten um weitere Unterstützung gegen die Königin. Die Ratssendeboten ihrerseits trugen den beiden herzoglichen Bevollmächtigten auf, bei Albrecht III. vorstellig zu werden, daß er mit Nachdruck dem Piratenunwesen der Vitalienbrüder steuere, wodurch die Hansestädte großen Schaden erlitten hätten. 1398 (M. U.-B. XXIII, 13 330) wandten sich die Vertreter der Hansestädte ebenfalls an diese beiden mecklenburgischen Diplomaten mit der Bitte, ihren Herrn Albrecht III. zu bewegen, daß er beizeiten das Lösegeld für seine Freilassung bezahle, widrigenfalls sie Stockholm, welches den Hansestädten als Friedenspfand überliefert worden war, der Königin Margarete ausliefern würden.
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Der nächste uns bekannte Kanzler, Johannes von Bentlage, ist wieder unmittelbar aus der Kanzlei hervorgegangen. Schon 1388 war er Schreiber Albrechts III. 1 ); 1406 taucht er wieder auf als Kanzler 2 ) und scheint dieses Amt 1407 noch in Händen gehabt zu haben 3 ). Um 1388 war er Pfarrer in Buchholz 4 ). An seine Stelle als Kanzler scheint Henning Slapelow getreten zu sein, welcher 1409 den Kanzlertitel führt 5 ). Mit dem Tode Albrechts III. im Jahre 1412 schließt eine für die Erforschung des mecklenburgischen Kanzleiwesens recht wenig ertragreiche Periode ab.

Unter Johann IV. († 1422), dem Neffen, und Albrecht V. († 1423), dem Sohn Albrechts III., gelangte mit Nikolaus Reventlow wiederum eine Persönlichkeit an die Spitze der Kanzlei, welche alle für das Kanzleramt erforderlichen Eigenschaften besessen zu haben scheint. Schon bevor er in den mecklenburgischen Hofdienst eintrat, befand er sich in der geachteten Stellung eines officialis generalis, iudex und subconservator der Schweriner Kirche 6 ). Mindestens 23 Jahre, von 1415 bis 1438 7 ), hat Nikolaus Reventlow das Kanzleramt am Schweriner Hofe bekleidet und überstand zweimal den Regierungswechsel, im Jahre 1423, als die Herzogin Katharina für ihre unmündigen Söhne die Regierung übernahm, und 1436, nachdem Katharinas Sohn Heinrich IV. großjährig geworden war. Seine wissenschaftliche Ausbildung hat er vermutlich an der Erfurter Universität genossen 8 ). Er war nicht nur theologisch gebildet (Magister), sondern scheint auch über umfangreiche Rechtskenntnisse verfügt zu haben. Im Februar 1434 wurde er an der Rostocker Universität unter dem Titel Licentiatus in iure canonico can-


1) M. U.-B. XXI, 12 034.
2) S. A. Reg. 3. 12. 1406.
3) S. A. Reg. 27. 5. 1407. Am 30. 9. 1408 stiftete er für eine Vigilie und Messe 5 Mark. In der betreffenden Urkunde nennt er sich nicht mehr Kanzler.
4) M. U.-B. XXI, 12 034.
5) S. A. Reg. 19. 11. 1409.
6) S. A. Reg. 15. 4. 1413.
7) P. Steinmann, Finanz-, Verwaltungs-, Wirtschafts- und Regierungspolitik der mecklenburgischen Herzöge im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, M. J.-B. Bd. 86 S. 113 beschränkt seine Amtstätigkeit auf die Jahre 1417 - 1428. Tatsächlich begegnet Nikolaus Reventlow als Kanzler schon am 3. 11. 1415 und zuletzt am 17. 4. 1438. Vgl. S. A. Reg.
8) Im S. S. 1408 war an der Erfurter Universität ein Nikolaus Reventlow immatrikuliert, der mit dem späteren mecklenburgischen Kanzler identisch sein dürfte.
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cellarius principis terre ehrenhalber immatrikuliert 1 ), eine Ehrung, welche in dieser Zeit nicht einzigartig dasteht, aber immer eine geachtete Stellung voraussetzt. Nikolaus Reventlow ist also vielleicht der erste juristisch geschulte Kanzler in Mecklenburg gewesen. Die Gewohnheit, Juristen zu Leitern der Kanzlei zu bestellen, bürgerte sich jedoch erst seit Ende des 15. Jahrhunderts in Mecklenburg ein. Reventlow gehörte zu den einflußreichsten Räten der mecklenburgischen Herzöge und wurde mit Vorliebe in den Urkunden an die Spitze der Zeugenliste gestellt. Das Kanzleramt in den Händen dieses gelehrten Mannes scheint das erste und wichtigste Hofamt gewesen zu sein. Seit etwa 1422 ist der Kanzler wieder in nähere Beziehungen zur Kirche getreten. Mehrfach tritt er uns als Schweriner Domherr in den herzoglichen Urkunden entgegen 2 ) und übt als solcher 1424 Patronatsrechte an der Vikarei der Kröpeliner Pfarrkirche aus 3 ). Um 1431 war er Archidiakon in Waren 4 ). Den Kanzlerposten hatte er 1438 noch inne. Bald darauf wird er gestorben sein, da am 14. Mai 1440 sein Nachfolger im Kanzleramt, Henning Karutze, zu ewigem Gedächtnis seines Vorgängers dem Schweriner Kapitel eine Stiftung machte 5 ).

Von 1440 bis 1446 verwaltete Henning Karutze das Kanzleramt. Schon vorher stand er in mecklenburgischen Hofdiensten, seit 1437 nachweislich als Schreiber 6 ). Vielleicht hat er aber schon früher der Kanzlei angehört 7 ). Wie Nikolaus Reventlow, gehörte auch Henning Karutze dem Schweriner Domstift an 8 ) und war um 1446 Archidiakon von Rostock 9 ), später Pfarrer an St. Jakobi daselbst 10 ). Am 30. März 1446 ist er mir zum letztenmal urkundlich als Kanzler begegnet. Zerwürfnisse mit dem Herzog Heinrich IV. scheinen nicht die Veranlassung gegeben zu haben, daß er vom Kanzleramt zurücktrat, da er auch später vielfach in


1) Vgl. Hofmeister, Die Matrikel der Universität Rostock 1889 Bd. I S. 46 unter dem angegebenen Datum.
2) Z. B. S. A. Reg. 29. 12. 1422.
3) S. A. Reg. 19. 11. 1424.
4) S. A. Reg. 12. 8. 1431.
5) Vgl. S. A. Reg.
6) S. A. Reg. 2. 2. 1437.
7) In den Schloßrechnungen der 30er Jahre begegnet er oft als Bote und Beauftragter des Herzogs, z. B. S. A. Schloßrechn. Wittenburg 1432/33 Fol. 1 a; 1433/34 Fol. 14 a; Schloßrechnungen Gadebusch 31. 5. 1436.
8) S. A. Reg. 7. 1. 1444.
9) S. A. Reg. 25. 10. 1446.
10) S. A. Reg. 1. 5. 1457.
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Diensten des Herzogs tätig war und enge Beziehungen zum Hof aufrecht erhielt 1 ).

An Henning Karutzes Stelle trat etwa im Jahre 1446 Johannes Hesse. Seit 1440 ist er als Schreiber nachzuweisen 2 ). Neben dem Kanzler Henning Karutze wird auch er seit 1444 gelegentlich Kanzler 3 ) oder Protonotar 4 ) und seit 1446 mitunter Vizekanzler 5 ) genannt. Dies ist wohl der einzige Fall, wo in der mecklenburgischen Kanzlei während des späteren Mittelalters neben dem Kanzler ein Protonotar oder Vizekanzler nachzuweisen ist. Am 21. Oktober 1449 begegnet Johannes Hesse zuletzt als Kanzler. Falls er identisch ist mit einem Studenten gleichen Namens, welcher im W.-S. 1425/26 an der Rostocker Universität als baccalaureus Pragensis immatrikuliert war, so stammt er aus Pasewalk in Pommern 6 ). 1440 war er Pfarrer in Harmsdorf 7 ). Bald darauf wurde er Pfarrer an der St. Petrikirche zu Rostock 8 ). 1444 schenkte Heinrich IV. seinem Schreiber für treue Dienste auf Lebenszeit die auf die Bewohner des Dorfes Papendorf gelegten Dienste, Beden, Ablager oder sonstigen Auflagen 9 ). Da diese Hebungen 1453 seinem Nachfolger im Pfarramt an der Petrikirche verliehen wurden 10 ), so ist er vermutlich nicht lange nach seinem Ausscheiden aus dem mecklenburgischen Hofdienst gestorben.

Von 1450 bis 1458 begegnet der Kanzlertitel m. W. überhaupt nicht. Die Kanzleigeschäfte sind in diesen Jahren vor allem von den abwechselnd Schreiber und Sekretär genannten Heinrich Bentzien und Hermann Widenbrügge besorgt worden. Heinrich Bentzien nahm durchaus die Stellung eines Kanzlers ein. Er war fast auf allen Gebieten der herzoglichen Verwaltung und Regie-


1) Am 21. 12. 1452 war er noch beteiligt an einer Abrechnung mit dem Neustädter Vogt (S. A. Schloßrechnungen Neustadt 1453 Fol. 1 a). S. A. Reg. 15. 6. 1453 nimmt Herzog Heinrich IV. eine Reihe von Kirchenmännern, u. a. auch Henning Karutze, in seinen Schutz. S. A. Reg. 1. 5. 1457 verkauft der Herzog seinem früheren Kanzler Nutzungen.
2) S. A. Reg. 10. 2. 1440.
3) S. A. Reg. 1. 6. 1444; 10. 11. 1445.
4) S. A. Reg. 26. 1. 1446; 9. 3. 1446; 25. 5. 1446.
5) S. A. Reg. 25. 7. 1446; 18. 5. 1447; 1. 5. 1449.
6) Vgl. Hofmeister a. a. O. S. 23, S. 25, jedoch auch in Erfurt waren in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts nicht weniger als sechs Studenten immatrikuliert, welche Johann Hesse hießen.
7) S. A. Reg. 10. 2. 1440.
8) S. A. Reg. 1. 1. 1441.
9) S. A. Reg. 1. 1. 1444.
10) S. A. Reg. 1. 5. 1453, vgl. auch 16. 10. 1452.
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rung tätig 1 ). Den Kanzlertitel führte er erst gelegentlich seit 1459 2 ). Aber auch später wird er gewöhnlich Sekretär oder einfach Schreiber genannt. Heinrich Bentzien war um 1453 Pfarrer zu Hohen Sprenz 3 ), später Vikar an der Marienkirche zu Rostock 4 ), dann Pfarrer an St. Jakobi daselbst 5 ). Seit 1462 gehörte er auch dem Lübecker Domstift an 6 ). Seit dem Ende der 60er Jahre zog sich Heinrich Bentzien mehr und mehr aus dem Hofleben zurück, um sich seinem geistlichen Berufe zu widmen. Jedoch begegnet er später noch gelegentlich in den Zeugenlisten Heinrichs IV. und gehörte sogar noch nach dessen Tode (1477) zu den Ratgebern der drei Söhne Heinrichs IV. 7 ).

Etwa 1469 8 ) übernahm Thomas Rode das Kanzleramt. Seit 1461 gehörte er der Kanzlei an, zunächst als einfacher Schreiber 9 ), von 1467 bis 1469 als Sekretär 10 ). Schon bevor er den Kanzlerposten übernahm, spielte er eine bedeutende Rolle am Hofe Heinrichs IV., und als Kanzler scheint er der einflußreichste Hofmann und geschickteste Diplomat des Herzogs gewesen zu sein. Häufig


1) Schon als einfacher Schreiber verhandelten er und der Kanzler Johann Hesse 1448 mit dem Schweriner Bischof zwecks Aufnahme einer Anleihe. (Vgl. M. J.-B. Bd. 24 S. 222/23.). Später schickte der Herzog ihn zu den Testamentariern des Schweriner Bischofs, um wegen der Einlösung der Rostocker Orbör und der Verpfändung der Boizenburger Orbör zu verhandeln. (Vgl. M. J.-B. Bd. 24 S. 256.). Er vermittelte Geldzahlungen zwischen den Vögten und dem Herzog (S. A. Schloßrechnungen Gadebusch, 9. 3. 1449), verhandelte im Auftrage Heinrichs IV. mit dem Rat von Lübeck (S. A. Reg. 19. 8. 1458; 2. 10. 1458; 31. 3. 1461; 24. 8. 1465; 20. 1. 1467), gelegentlich auch mit dem Stralsunder Rat (S. A. Reg. 4. 11. 1466; 17. 9. 1468), gehörte zu den Räten des Herzogs (S. A. Reg. 22. 1. 1454; 17. 11. 1454; 8. 12. 1458 usw.) und war oft beteiligt an den Abrechnungen des Herzogs mit den Vögten (S. A. Schloßrechn. Neustadt 1453 Fol. 1 a; Schuldverschreibungen Fasz. 6 Nr. 192; Amtsurkund. Grevesmühlen [13. 6. 1459]; Schloßrechn. Schwerin 1458 [28. 4. 1461]; Schloßrechn. Schwaan 1460 - 63).
2) S. A. Reg. 5. 1. 1459, später auch einmal im Munde des Lübecker Domkapitels in einem Brief an den mecklenburgischen Herzog (S. A. Auswärtige Akten Lübeck, vol. II, 15. 8. 1464).
3) S. A. Reg. 15. 2. 1453.
4) S. A. Reg. 31. 10. 1461.
5) S. A. Reg. 31. 12. 1469.
6) S. A. Reg. 21. 5. 1462.
7) S. A. Reg. 4. 5. 1478.
8) Er begegnet als Kanzler schon S. A. Reg. 21. 7. 1469, nicht erst 1471, wie Steinmann M. J.-B. 86 S. 122 Anm. 108 annimmt.
9) S. A. Schloßrechn. Neustadt 1461/62 (17./18. 4. 1461).
10) Zuerst als Sekretär erwähnt 30. 3. 1467, nicht 1469 (Steinmann a. a. O. S. 122 Anm. 108).
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verhandelte er im Namen Heinrichs IV. mit dem Lübecker Rat 1 ). 1472 und 1474 entsandte ihn der Herzog zu diplomatischen Verhandlungen zum Kaiser 2 ), 1477 war er mit Aufträgen beim Papst 3 ). Auch als Sachwalt des Herzogs tritt der Kanzler gelegentlich auf 4 ). Er war Heinrichs IV. rechte Hand in fast allen Angelegenheiten der Regierung und Verwaltung und ein unentbehrlicher Ratgeber 5 ).

Wie als mecklenburgischer Hofbeamter, so brachte er es auch als Geistlicher zu hohen Würden. Zunächst war er Pfarrer an St. Nikolai zu Wismar 6 ), später erhielt er das Rektorat der Marienkirche zu Rostock 7 ). Um 1474 begegnet er als Schweriner Domherr 8 ) und Administrator des Schweriner Stiftes 9 ). Nach dem Tode Heinrichs IV. (1477) blieb er noch eine Reihe von Jahren mecklenburgischer Kanzler, bis er schließlich 1486 sein Amt niederlegte. Bald darauf wurde er Propst des neu errichteten Domstiftes an St. Jakobi zu Rostock 10 ). Bei den Unruhen, die gegen das


1) Von 1471 bis 1476 ist Thomas Rode mindestens neunmal im Auftrage des Herzogs in Lübeck gewesen. Vgl. die Einträge der Gadebuscher Schloßrechnungen dieser Jahre, z. B. Fol. 19 b (7. 11. 1474): "Thomas Roden 3 Mark, do hee reth mynes heren werff to lubke" usw.
2) S. A. Reg. 22. 11. 1472; 26. 9. 1474.
3) Krause, Allgemeine deutsche Biographie Bd. 29 S. 11.
4) S. A. Reg. 13. 3. 1474 appellierte Thomas Rode als Sachwalt des Herzogs in dessen Namen an Kaiser Friedrich III., weil die Lübecker gegen einen rechtmäßigen Zoll Exemtionen und Strafedikte erschlichen hätten. Vgl. auch S. A. Reg. 16. 3. 1474.
5) Wie unentbehrlich Thomas Rode dem Herzog war, geht aus einem Brief der Herzogin Dorothea an den Rat zu Wismar hervor. In diesem Schreiben (S. A. Reg. 24. 6. 1467) heißt es, der Herzog habe bei seiner Abreise von Schwerin seinen Familienangehörigen aufgetragen, die Antwort des wismarschen Rates auf seine Bitte, seinem Schreiber Thomas Rode ein Lehen zu übertragen, entgegenzunehmen. Der Herzog habe nun aber seinen Schreiber, obwohl er ihn nicht gut entbehren könne, nach Schwerin zurückgesandt, um die Antwort des wismarschen Rates zu erfahren.
6) S. A. Reg. 12. 3. 1472.
7) Krause, Allgemeine deutsche Biographie Bd. 29 S. 11.
8) S. A. Reg. 20. 2. 1474.
9) S. A. Reg. 10. 3. 1474.
10) Vgl. Witte a. a. O. Bd. I S. 285, ferner die lateinische Chronik über die Rostocker Domhändel M. J.-B. Bd. 33 S. 187 ff. Die Errichtung eines Domstiftes war schon zu Lebzeiten Heinrichs IV. eifrig von Heinrich Bentzien und Thomas Rode betrieben worden. Die geistlichen Hofbeamten hofften dort versorgt zu werden. Als dann 1487 die Rostocker Jakobikirche nach langen Kämpfen mit der Stadt zu einem Kollegiatstift erhoben worden war, wurden die vier großen Kanonikate, welche mit den Pfarren der Rostocker Pfarrkirchen dotiert waren, mit vier früheren mecklenburgischen Kanzleibeamten besetzt. Propst des neuen
(  ...  )
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junge Domstift von der Rostocker Bevölkerung erregt wurden, wurde er erschlagen, die übrigen Domherren, darunter der Dekan des Stiftes und frühere Kanzler Heinrich Bentzien, verjagt oder gefangen. Dieses Ereignis rief die sog. Rostocker Domfehde hervor, die schließlich mit der Entrichtung eines Sühnegeldes seitens der Rostocker und mit der Errichtung eines Sühnekreuzes für den erschlagenen Kanzler endete.

Über die sonstigen Beamten, welche von 1359 bis 1477 der mecklenburgischen Kanzlei angehörten, ist wenig bekannt. Wie bereits bemerkt wurde, tauchen sie nur gelegentlich in den Urkunden auf und verschwinden fast völlig hinter den Kanzlern. Soweit sie in den Quellen auftreten, sind sie einigermaßen vollständig in Anlage 1 zusammengestellt. Hier sollen nur diejenigen hervorgehoben werden, welche häufiger genannt werden, insbesondere die Sekretäre. Der erste Kanzleibeamte, welcher häufiger den Titel "secretarius" führte, ist Johannes Kremer, der von 1412 bis 1430 der mecklenburgischen Kanzlei angehörte 1 ). Er war zunächst Pfarrer in Boizenburg 2 ), dann in Gadebusch 3 ). Später begegnet er als ständiger Vikar an der Schweriner Kirche 4 ). Neben ihm tritt 1428 Johann Achim, Pfarrer von Wittenburg 5 ), mehrfach als Schreiber auf 6 ). Von 1427 bis 1430 gehörte er zu den Räten der Herzogin Katharina 7 ) und stand noch 1431 als Propst von Neukloster in Beziehungen zum Hofe 8 ). Später war er Pfarrer an St. Jürgen zu Wismar 9 ). Von 1430 bis 1431 ist Gerhard Brüsewitz als Sekretär nachzuweisen 10 ). Von 1450 bis 1462 gehörten als Sekretäre und


(  ...  ) Stiftes wurde Thomas Rode, Dekan Heinrich Bentzien, Scholastikus der frühere Sekretär Laurentius Stoltenborg, Kantor der herzogliche Schreiber Johannes Thun. Die Rostocker sahen in dem ganzen Unternehmen einen Versuch der Landesherrschaft zur Steigerung ihres Einflusses in der Stadt Rostock. Daraus erklärt sich ihr erbitterter Widerstand. Über die Rostocker Domfehde vgl. auch O. Krabbe, Die Universität Rostock, 1. Teil, Rostock und Schwerin 1854, S. 179 ff.
1) 22. 3. 1412 (S. A. Ribnitzer Klosterbriefe I, 98) erscheint er zuerst und zwar als "secretarius", zuletzt S. A. Reg. 3. 7. 1430.
2) S. A. Reg. 7. 11. 1428.
3) S. A. Reg. 3. 7. 1430.
4) S. A. Reg. 12. 4. 1433.
5) S. A. Reg. 11. 11. 1427.
6) S. A. Reg. 7. 11. 1428; 26. 11. 1428.
7) S. A. Reg. 11. 11. 1427; 28. 11. 1428; 25. 7. 1429; 1. 3. 1430.
8) Z. B. S. A. Reg. 22. 4. 1431.
9) S. A. Reg. 3. 5. 1435.
10) S. A. Reg. 14. 11. 1430; 12. 8. 1431.
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Schreiber Hermann Widenbrügge 1 ), von 1456 bis 1463 Johannes Raden 2 ), etwa von 1465 bis 1470 Johannes Berner 3 ), seit 1471 Joachim Heydeberg 4 ) und seit 1472 Laurentius Stoltenborg 5 ) der mecklenburgischen Kanzlei an. Hermann Widenbrügge war zunächst Pfarrer von Belitz 6 ), dann Kirchherr an St. Marien zu Rostock 7 ). Johann Raden war Pfarrer von Marnitz 8 ). Wie der Kanzler Thomas Rode, so blieben auch die beiden Sekretäre Joachim Heydeberg und Laurentius Stoltenborg nach dem Tode Herzog Heinrichs IV. im Jahre 1477 unter dessen Söhnen Albrecht V., Magnus II. und Balthasar weiterhin in der mecklenburgischen Kanzlei tätig.

§ 4.

Die mecklenburgische Kanzlei und die Verwaltungsreformen unter Herzog Magnus II. 9 )

Herzog Magnus II. (1477 - 1503) hat nicht nur das Verdienst, die durch unvernünftige und verschwenderische Hofhaltung seiner Vorfahren zerrütteten finanziellen Verhältnisse Mecklenburgs gebessert und neu geordnet zu haben, sondern er ist vor allem der Forderung seiner Zeit, die mittelalterliche Verwaltung und Regierung zu modernisieren, in weitem Maße gerecht geworden.


1) S. A. Reg. 11. 6. 1450 - 23. 12. 1462. Zu den Räten des Herzogs gehörte er auch noch später, zuletzt S. A. Reg. 29. 9. 1467.
2) Zunächst als Unterschreiber S. A. Reg. 8. 12. 1456, zuletzt S. A. Reg. 15. 8. 1463.
3) S. A. Reg. 8. 4. 1465, zuletzt S. A. Schloßrechn. Gadebusch um Neujahr 1470. Vielleicht ist Johannes Berner identisch mit dem späteren Amtmann von Gadebusch gleichen Namens, mit dem Herzog Heinrich IV. am 20. 11. 1475 durch seinen Kanzler Thomas Rode für die ganze Zeit seiner Amtmannschaft abrechnen läßt. Vgl. Schloßrechn. Gadebusch.
4) Seit der Vereinigung der Stargarder Lande mit Mecklenburg-Schwerin (vgl. oben S. 26).
5) S. A. Reg. 6. 1. 1472.
6) Er erhielt die Belitzer Pfarre 1450 auf Präsentation des Herzogs, S. A. Kirchenurk. Belitz I, 25.
7) S. A. Reg. 8. 7. 1456.
8) S. A. Schloßrechnungen Neustadt 1461 - 62 (17./18. 4. 1461).
9) Dieser Abschnitt, welcher in Kürze das weitere Schicksal der Kanzlei unter Magnus II. charakterisieren soll, beruht nicht auf eigenem Quellenstudium, sondern hauptsächlich auf den beiden Arbeiten von Steinmann, Finanz-, Verwaltungs-, Wirtschafts- und Regierungspolitik der mecklenburgischen Herzöge im Übergange vom Mittelalter zur Neuzeit, M. J.-B. Bd. 86 S. 93 ff. und Endler, Hofgericht, Zentralverwaltung und Rechtsprechung der Räte in Mecklenburg im 16. Jahrhundert, Meckl.-Strelitzer Geschichtsblätter I. Jahrgang 1925, S. 118 ff.
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Getrieben von den Strömungen der Zeit, hat er das Reformwerk in Angriff genommen. Dabei haben ihm allem Anschein nach fremde Verwaltungsverhältnisse zum Vorbild gedient. Vor Übernahme der Regierung weilte er vielfach an fremden Fürstenhöfen, insbesondere in Franken und am Hofe der brandenburgischen Kurfürsten, welche mit dem mecklenburgischen durch enge verwandtschaftliche Bande verknüpft waren 1 ), und gehörte 1462 sogar dem brandenburgischen Rate an 2 ). Dort hat er sicher viele Anregungen empfangen und Erfahrungen gesammelt. Zur Mitarbeit an den Reformen zog er anscheinend mit Bewußtsein hauptsächlich Nichtmecklenburger, insbesondere Mittel- und Süddeutsche, an den Hof in der Überzeugung, daß die mittel- und oberdeutsche Kultur-, Verwaltungs- und Regierungstechnik der norddeutschen überlegen war. So stammte der Nachfolger Thomas Rodes, der Kanzler Johann Tigeler (1486 - 93), aus Waltershausen bei Gotha, sein Nachfolger Dr. Anthonius Grunwald (1493 - 1501) aus Nürnberg, der Kanzler Brand von Schönaich (1502 - 1507) und sein Neffe und Nachfolger Caspar von Schönaich (1507 - 1547) aus der Lausitz. Auch Claus Trutmann, der erste mecklenburgische Rentmeister, von 1501 bis 1502 Vizekanzler, stammte wie Tigeler aus Waltershausen 3 ). Mit Hilfe dieser Beamten, welche sämtlich der Kanzlei angehörten, hat Magnus sein Reformwerk durchgeführt.

Wenn auch viele Neuerungen der eigenen Initiative des Herzogs entsprungen sein mögen 4 ), so haben doch seine Gehilfen keinen geringen Anteil an der Neuordnung Mecklenburgs gehabt. Die organisatorische Tätigkeit Grunwalds kommt vor allem darin zum Ausdruck, daß er zu Beginn seiner Amtstätigkeit im Jahre 1493 eine Kanzleiordnung entwarf und dadurch der Kanzlei eine festere Organisation gab 5 ). Die Verdienste Tigelers, Grunwalds


1) Heinrich IV., der Vater Magnus II., hatte Dorothea, die Tochter Friedrichs I. von Hohenzollern, zur Gemahlin.
2) Steinmann, M. J.-B. Bd. 86 S. 123; Spangenberg a. a. O. S. 39.
3) Steinmann, M. J.-B. 86 S. 103/4, S. 107, ferner Endler a. a. O. S. 121.
4) Reimar Kock berichtet, daß Magnus überall in Deutschland der kluge Herzog genannt worden sei und die Angewohnheit gehabt habe, seine Räte, nachdem ein jeder seine Meinung geäußert habe, mit den Worten zu entlassen: "Wie danken juw juwes rades, wie raden nu vordom." Vgl. Steinmann a. a. O. S. 122.
5) Vgl. Steinmann a. a. O. S. 106. Wir dürfen der Veröffentlichung dieser ersten uns erhaltenen mecklenburgischen Kanzleiordnung durch Steinmann hoffentlich bald entgegensehen. Über die Bedeutung Brands v. Schönaich für die Entwicklung des Gerichtswesens vgl. Endler a. a. O. S. 121.
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und Trutmanns liegen besonders darin, daß sie es verstanden, "die neuen Bestrebungen und Ideen folgerichtig weiter auszubauen und durchzuführen und um die eine oder andere Anregung zu bereichern" 1 ).

Die mecklenburgische Kanzlei ist durch die Reformen Magnus II. nicht unberührt geblieben. Durch die Rezeption des römischen Rechtes, durch das Ende der 90er Jahre des 15. Jahrhunderts gegründete ordentliche Hof- und Landgericht 2 ), ferner durch die weitere Ausgestaltung des schriftlichen Verfahrens in der Verwaltung wurde die Arbeitslast der Kanzlei beträchtlich gesteigert. Insbesondere aber wuchsen die Aufgaben der Kanzlei durch die Zentralisation der Finanzverwaltung, womit Magnus bald nach Übernahme der Regierung das Reformwerk begann. Während es im Mittelalter eine Zentralstelle für sämtliche Einnahmen des Landes nicht gab, richtete Magnus II. in Schwerin eine Zentralkasse ein, in welche der größte Teil der Geldeinkünfte von den einzelnen Vogteien abgeführt wurde 3 ). Diese Zentralstelle war zunächst die Vogtei Schwerin, welche jedoch nur vorübergehend "die Funktion einer Zentralkasse" gehabt hat. Wahrscheinlich schon seit 1480, mit Sicherheit seit 1489 strömten die Einnahmen des Landes alljährlich zu bestimmten Terminen (von Martini bis Nikolai) in der herzoglichen Kanzlei zusammen. Die Verwaltung der Zentralkasse und die Führung der entsprechenden Rechnungsbücher hat offenbar zunächst den Sekretären und Schreibern obgelegen. Die beiden Kanzleisekretäre Johann Tigeler und Laurentius Stoltenborg scheinen abwechselnd die Rechnungsbücher geführt zu haben. Auch als Kanzler behielt Johann Tigeler diese Funktion bei, bis dann, nachdem Tigeler sich im Jahre 1493 zur Ruhe gesetzt hatte, ein besonderer Rentmeister in der Person des Claus Trutmann berufen wurde. Dieser wurde in der Verwaltung der Zentralkasse (auch Renterei oder Kammer genannt) verschiedentlich von Kanzleisekretären und -schreibern unterstützt und vertreten. Jedoch seit 1506 begegnen auch besondere dem Rentmeister unterstellte Rentschreiber. Erst in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts scheint die Renterei von der Kanzlei getrennt zu sein. "Dagegen stellte sie in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch keine selbständige Behörde dar, sondern gehörte zur Kanzlei" 4 ).


1) Steinmann a. a. O. S. 123.
2) Steinmann a. a. O. S. 108, vgl. auch Endler a. a. O. S. 120 ff.
3) Für das Folgende vgl. Steinmann a. a. O. S. 102 - 104.
4) Steinmann a. a. O. S. 106/7.
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Die neuen Anforderungen, welche an die Kanzlei gestellt wurden, machten vor allem die Berufung eines Rechtsgelehrten an die Spitze der Kanzlei notwendig. Wenn auch schon in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein Rechtsgelehrter in der Person des Nikolaus Reventlow (1415 - 1438) das Kanzleramt versehen hatte, so ist doch von einer "Tendenz der mecklenburgischen Fürsten, Juristen zu Leitern der Kanzlei zu bestellen, bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts nichts zu spüren" 1 ). 1493 wurde der Doktor der kaiserlichen Rechte Antonius Grunwald aus Nürnberg zum Kanzler berufen 2 ). Seit dieser Zeit waren die mecklenburgischen Kanzler in der Regel Juristen. Die Übergangszeit zeigt sich darin, daß Antonius Grunwald, wie auch sein Nachfolger Brand von Schönaich (1502 - 1507) von Haus aus noch Geistliche waren. Der erste Laienkanzler war Caspar von Schönaich (1507 - 1547) 3 ); jedoch schon früher gegen Ende des 15. Jahrhunderts begegnen uns Laien in der mecklenburgischen Kanzlei, z. B. der Schreiber Johannes Berskamp (1491) 4 ). Auch der Rentmeister Claus Trutmann, welcher nach dem Tode Grunwalds bis zur Wiederbesetzung des Kanzleramtes von 1501 bis 1502 zugleich auch Vizekanzler war, gehört zu den ersten Laien in der Kanzlei 5 ).

Freilich als Berufsbeamte in modernem Sinne werden wir die fürstlichen Beamten der Zentralverwaltung um 1500 (Kanzler, Sekretäre, Rentmeister und Hofmeister) 6 ) wohl kaum bezeichnen können 7 ), da das Berufsbeamtentum, welches die amtliche Tätigkeit zum Lebensberuf macht, sich erst ganz allmählich ausbildete 8 ). Daß aber die Verwaltungsreformen Magnus II. die Entwicklung des Berufsbeamtentums in hohem Maße gefördert haben, steht zweifellos fest. Das kommt auch darin zum Ausdruck, daß die Hofbeamten mehr und mehr ein festes, "meist recht hohes Jahres-


1) Steinmann a. a. O. S. 113.
2) Steinmann a. a. O. S. 106.
3) Steinmann a. a. O. S. 107.
4) Steinmann a. a. O. S. 107 Anm. 51.
5) Steinmann a. a. O. S. 107.
6) Vgl. Steinmann a. a. O. S. 109 f.
7) Steinmann, M. J.-B. Bd. 88 S. 56; Bd. 86 S. 113. Ebenda S. 107 nennt Steinmann den Rentmeister Claus Trutmann einen der ersten mecklenburgischen Beamten im modernen Sinne.
8) Vgl. G. Schmoller, Über Behördenorganisation, Amtswesen und Beamtentum im allgemeinen, speziell in Deutschland und Preußen bis zum Jahre 1710. Einleitung zu den Acta Borussica Bd. 1, Berlin 1894, S. 18, S. 31 - 33, S. 46 ff.
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gehalt" bezogen 1 ), während sie früher im wesentlichen durch weltliche oder geistliche Lehen, Exemptionen und Nutzungen aller Art entlohnt wurden. Auch Schmoller 2 ) sieht darin, daß nach und nach "an die Stelle des Unterhalts in der Familie des Herrn oder der Landdotierung die Bezahlung der arbeitsteiligen Leistungen durch Gehalte" trat, nur eine Entwicklungsstufe des modernen Berufsbeamtentums.

Die entscheidende Bedeutung der Verwaltungsreformen besteht in der allmählichen Umbildung des Rates zu einer modernen Behörde. An der Wende des 15. und 16. Jahrhunderts begegnen uns zum erstenmal wirkliche Hofräte in Mecklenburg, welche sich von den consiliarii des Mittelalters (Landräten) dadurch unterscheiden, daß sie lediglich dem Fürsten verpflichtet und in der Regel Gelehrte (Juristen) waren 3 ). Sie zerfielen einerseits in "wesentliche" oder "tägliche" Hofräte, die dauernd am Hofe waren, andererseits in Hofräte "von Haus aus", die nur gelegentlich an den Hof gerufen wurden 4 ). Während im Mittelalter regelmäßige Ratssitzungen unbekannt waren, hatten sich die Hofräte nach der Hofordnung von 1504 täglich zu bestimmten Stunden "an eyne bequeme stedt, dor zu verordent", zu versammeln und alle Angelegenheiten der Herzöge, des Hofes, des Landes und der Untertanen "zuvorhoren, zuberatschlagen, zuantworten, beizulegen, zuvortragen, zurichten", ohne daß die Herzöge ständig dabei zugegen zu sein brauchten 5 ). Die kollegialische Arbeitsweise und die grundsätzlich erteilte Befugnis, selbständig Regierungshandlungen vorzunehmen und von sich aus Entscheidungen zu treffen, verliehen dem Rat den Charakter einer modernen Behörde. Die Entwicklung des Rates zu einer Behörde wurde ferner dadurch gefördert, daß bereits unter Magnus' Regierung "eine gewisse Tendenz zu festen Residenzen sich ausbildete" 6 ). Aus diesem Rat, der als zentrale Behörde zunächst Rechtsprechung und Verwaltung am Hofe erledigte, ging dann im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts ein System von Einzelbehörden hervor. Um 1658 haben wir drei


1) Steinmann, M. J.-B. 86 S. 115.
2) A. a. O. S. 31.
3) Steinmann a. a. O. S. 113.
4) Steinmann a. a. O. S. 115; vgl. auch Endler a. a. O. S. 135 f
5) Steinmann a. a. O. S. 116; vgl. auch Endler a. a. O. S. 137.
6) Steinmann a. a. O. S. 107. Schwerin, Güstrow und Stargard waren die bevorzugten Aufenthaltsorte. Jedoch noch im 16. Jahrhundert wechselte die Residenz der mecklenburgischen Fürsten hin und wieder. Vgl. Endler a. a. O. S. 137.
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Behörden: "eine richterliche, die Kanzlei 1 ), eine Zentrale für die Landesverwaltung, die Kammer, und als dritte und höchste Behörde den geheimen Rat, der später den Namen Landesregierung erhielt" 2 ).

Zu den "wesentlichen" oder "täglichen" Hofräten gehörten vor allem die Beamten der Zentralverwaltung (Kanzler, Sekretäre, Rentmeister und Hofmeister). Unter ihnen nahm der Kanzler, bis 1504 der einzige ständig am Hofe weilende Gelehrte 3 ), als leitender Staatsbeamter eine besonders einflußreiche Stellung ein. Jedoch blieben die mecklenburgischen Kanzler von Tigeler bis Caspar von Schönaich nach wie vor in engster Verbindung mit der Kanzlei. Die meisten Urkundenkonzepte sind von ihnen selbst entworfen 4 ).

Durch die Reformen Magnus II. wurden der mecklenburgischen Kanzlei zwar neue Aufgaben gestellt, jedoch scheint sie sich ihrem Wesen nach nicht verändert zu haben. Deshalb trage ich Bedenken, die Kanzlei (einschließlich der Renterei) mit Steinmann 5 ) als "zentrale Behörde" zu bezeichnen. "Eine Kanzlei ist nämlich nichts Abgelöstes für sich, sondern sie ist das Schreibbüro einer Behörde oder eines Amtes mit Behördencharakter" 6 ). Dadurch, daß sie der zentralen Behörde als Schreibbüro diente, stand sie in engsten Beziehungen zum Rat. Dieses Verhältnis von Rat und Kanzlei kommt besonders deutlich in den Kanzleiordnungen des 16. Jahrhunderts zum Ausdruck, welche zugleich auch Rats- und Regierungsordnungen sind 7 ). Die Kanzlei selbst aber blieb technisches Hilfsorgan der gesamten Verwaltung.

Die Reformen des 15. und 16. Jahrhunderts bilden im wesentlichen Institutionen fort, die im 13. Jahrhundert entstanden sind.


1) Diese Bezeichnung erklärt sich daraus, daß die Rechtsprechung, bevor sich eine selbständige richterliche Behörde vom Rate abtrennte, aus der Ratsstube in die "Kanzlei vor dem Schlosse" herausgewiesen wurde. Vgl. Endler a. a. O. S. 138.
2) Endler a. a. O. S. 139.
3) Endler a. a. O. S. 135.
4) Steinmann a. a. O. S. 105 Anm. 48.
5) Steinmann a. a. O. S. 108.
6) Andreas Walther, Kanzleiordnungen Maximilians I., Karls V. und Ferdinands I., Archiv f. Urkundenforschung Bd. 2, 1909, S. 337.
7) Vgl. die Schweriner Kanzleiordnung von 1552 (nach dem Muster der brandenburgischen Ratsordnung von 1537); die mecklenburgische Rats- und Kanzleiordnung von 1569, abgedr. bei v. Kamptz, Beiträge zum mecklenburgischen Staats- und Privatrecht, 1802, Bd. 5 S. 314 ff.; ferner die Rats- und Kanzleiordnung vom 23. 10. 1569 ebenda S. 324 ff. und die fast gleichlautende Kanzleiordnung von 1573.
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Schmoller 1 ) sieht, wie mir scheint, mit Recht das Charakteristische dieser Epoche mehr darin, "daß sie an allen Punkten nach einer festen Ordnung, nach einer Gestaltung der im Keime vorhandenen politischen und sozialen Ideen ringt, als daß sie ganz neue schöpferische Gedanken gehabt und eingeführt hätte". Nach diesem Gesichtspunkt dürfen wir wohl auch die Entstehung und den Charakter der modernen Behördenorganisation in Mecklenburg-Schwerin beurteilen.

Kapitel II.

Die Organisation der Kanzlei.

§ 1.

Amtsstufen, Titel, Zahl, Stand und Besoldung der Kanzleibeamten.

Das erste Amt am Hofe der mecklenburgischen Fürsten, welches "eine gewisse, wenn auch unvollkommene Organisation" erhielt, war die Kanzlei. Während auch in Mecklenburg die Verwaltung der anderen Hofämter auf der persönlichen Erfahrung ihrer Inhaber beruhte, bildete sich in der Kanzlei eine Tradition, welche eine festere Regelung des Verwaltungsbetriebes und eine gewisse Schulung des Beamtenpersonals ermöglichte. Eine große Anzahl mecklenburgischer Kanzleivorsteher ist aus der Kanzlei selbst hervorgegangen. Notare und Schreiber, die sich besonders bewährt hatten, wurden mit Vorliebe zum Kanzler bzw. Protonotar befördert. So konnte Rothgerus (1323 - 29), der erste mecklenburgische Protonotar, mindestens auf eine 13jährige Tätigkeit als fürstlicher Notar zurückblicken, als er etwa im Jahre 1323 an die Spitze der mecklenburgischen Kanzlei gestellt wurde. Auch die Kanzler Johannes Schwalenberg (1366 - 74), Johannes von Bentlage (1406/7), Henning Karutze (1440 - 1446), Johann Hesse (1444 - 49) und Thomas Rode (1469 - 86) waren teils kürzere, teils längere Zeit, bevor sie zum erstenmal den Kanzlertitel führten, als Schreiber in der Kanzlei beschäftigt.

Die Abstufungen in der Rangordnung des Kanzleipersonals sind das beste Kennzeichen für eine gewisse Organisation der


1) G. Schmoller, Die Straßburger Tucher- und Weberzunft, Straßburg 1879, S. 469.
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Kanzlei. Es bilden sich nach und nach drei einander übergeordnete Amtsstufen, deren Inhaber am Ende des Mittelalters die Titel Kanzler, Sekretär und Schreiber (bzw. Unterschreiber) führten. Als Kanzleivorstand und Leiter der Kanzleigeschäfte stand der Kanzler bzw. Protonotar dem Range nach über dem übrigen Kanzleipersonal. Das geht nicht nur aus den Titeln der Kanzleibeamten hervor, sondern auch aus der Reihenfolge, in welcher sie in den Urkunden als Zeugen aufgeführt werden. Fast ohne Ausnahmen stehen die Kanzleivorsteher in den Zeugenlisten vor den Notaren, oft unmittelbar vor diesen 1 ), bisweilen aber auch durch die Knappen von den Notaren getrennt 2 ). Die übergeordnete Stellung des Kanzlers kommt zum Ausdruck auch in den Aufzeichnungen über einen Kriegszug der Mecklenburger in das Stiftsland Hildesheim aus dem Jahre 1472, wonach dem Kanzler Thomas Rode drei Pferde, dem Schreiber Laurentius Stoltenborg dagegen nur ein Pferd gestellt werden 3 ).

Wie das mecklenburgische Kanzleiwesen selbst erst allmählich festere Formen annahm, so haben auch die Titel der Kanzleibeamten zunächst stark geschwankt. Sowohl am gräflich-schwerinschen Hofe wie auch bei den mecklenburgischen Fürsten wurden die Hofschreiber im 13. Jahrhundert abwechselnd "notarius" oder "scriptor", oft mit dem Zusatz "curie" 4 ), betitelt. Häufig werden sie in den Urkunden auch einfach nach ihrer geistlichen Stellung am Hofe "capellanus" 5 ), gelegentlich auch "scolaris" 6 ) benannt. Jedoch herrschte der Ausdruck "notarius" von vornherein vor und verdrängte die übrigen Bezeichnungen mehr und mehr 7 ). Die hauptsächlich wohl durch die territoriale Vergrößerung Mecklenburgs bedingte Vermehrung des Kanzleipersonals im 14. Jahrhundert machte die Berufung eines Kanzleivorstandes


1) Z. B. M. U.-B. IX, 5949; 6061; 6353; X, 6915 usw.
2) Z. B. M. U.-B. VII, 4700; 4701 usw.
3) S. A. Auswärtige Akten Hildesheim (4. - 12. 12. 1472). Es handelt sich um eine Fehde wegen Besetzung des Hildesheimer Bischofsstuhles. Vgl. darüber Witte a. a. O. Bd. I S. 273/74.
4) M. U.-B. I, 323 (3. 6. 1226); II, 1431 (19. 3. 1277); IX, 5832 (9. 12. 1337) usw.
5) M. U.-B. I, 345 (1227 - 28); 536 (1242) usw.
6) Der Schreiber des Fürsten Heinrich II., Heinrich v. Kamin (1296 bis 1300), wird bald "scolaris" (M. U.-B. III, 2396), bald "notarius" (M. U.-B. IV, 2610 [1300]) genannt. Vgl. auch M. U.-B. VI, 4195 (9. 5. 1320).
7) Der erste uns bekannte Schreiber sowohl der Schweriner Grafen wie auch der mecklenburgischen Fürsten führt den Titel eines Notars. Vgl. M. U.-B. I, 244 und 260 und M. U.-B. I, 230.
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erforderlich, welcher zunächst den Titel "prothonotarius" führte. Dieser Ausdruck begegnet, wie bereits erwähnt wurde, zum erstenmal 1323 in Verbindung mit dem fürstlichen Kaplan und Schreiber Rothgerus 1 ) und wird von diesem auch später 2 ) gelegentlich geführt. Seitdem Berthold Rode (1337 - 1351) an der Spitze der mecklenburgischen Kanzlei stand, bürgerte sich auch in Mecklenburg der Kanzlertitel, der zum ersten Male 1337 auftaucht 3 ), nach und nach ein. Jedoch wird Berthold Rode noch abwechselnd "prothonotarius" 4 ), "maior notarius" 5 ) oder "notarius (curie) 6 ), am häufigsten aber, besonders oft in der letzten Zeit seiner Amtstätigkeit, als "cancellarius" (Kantzler, kentzelere, kencellere oder kenselere) 7 ) bezeichnet. Bertram Behr (1352 bis 1360; 1363) führte in der Regel, Johannes Kröpelin (1361 - 62) recht häufig den Kanzlertitel 8 ). Die nächsten mecklenburgischen Kanzleivorsteher, von Johannes Schwalenberg (1366 - 1374) bis Henning Karutze (1440 - 1446), werden fast ausschließlich Kanzler genannt. Erst unter Johann Hesse, der von 1440 bis 1449 der Kanzlei angehörte, taucht die Bezeichnung "prothonotarius" vorübergehend wieder auf. Johannes Hesse erscheint abwechselnd als Protonotar 9 ), Kanzler 10 ), Vizekanzler 11 ) oder auch einfach als Schreiber 12 ). Heinrich Bentzien und sein Nachfolger Thomas Rode werden bald als Schreiber, bald als Sekretär, bald als Kanzler bezeichnet 13 ).

Die den Protonotaren bzw. den Kanzlern untergeordneten Kanzleibeamten wurden im 14. Jahrhundert im allgemeinen als Notare, in Urkunden, welche in deutscher Sprache abgefaßt sind, als "schriuer" betitelt. An Stelle des Notars trat im 15. Jahrhundert der Sekretär. Johannes Kremer (1412 - 1430) führt diese neue Amtsbezeichnung m. W. zum erstenmal und zwar im


1) M. U.-B. VII, 4490 (7. 12. 1323).
2) M. U.-B. VII, 4563 (9. 10. 1324); 4934 (12. 6. 1328).
3) Vgl. oben S. 20.
4) M. U.-B. IX, 5778, 5987 usw.
5) M. U.-B. XIII, 7468.
6) M. U.-B. IX, 5832, 5941, 6295 usw.
7) M. U.-B. IX, 5793, 5889, 6274; X, 6975; IX, 6458 und 6460 usw.
8) Nur drei Fälle sind mir bekannt, wo Bertram Behr "prothonotarius" genannt wird: M. U.-B. XIII, 7796, 7837; XIV, 8371. Johannes Kröpelin begegnet als Protonotar M. U.-B. XV, 8887, 9047.
9) S. A. Reg. 26. 1. 1446; 9. 3.1446; 25. 5. 1446.
10) S. A. Reg. 1. 6. 1444; 10. 11. 1445; 13. 12. 1446; 21. 10. 1449.
11) S. A. Reg. 25. 7. 1446; 18. 5. 1447; 1. 5. 1449.
12) S. A. Reg. 12. 11. 1444; 30. 1. 1446.
13) Vgl. oben S. 38/39.
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Jahre 1412 1 ). Während besonders häufig im Anfang des 14. Jahrhunderts unter Heinrich II. von Mecklenburg die fürstlichen Ratgeber als "secretarii" bezeichnet wurden 2 ), beschränkte man im 15. Jahrhundert diesen Ausdruck durchweg nur auf Angehörige der Kanzlei. Offenbar wurde der Titel "notarius" zur besseren Unterscheidung von den öffentlichen Notaren (notarii publici imperiali auctoritate) aufgegeben, wie es Lewinski 3 ) auch für Brandenburg wahrscheinlich gemacht hat. Diese Vermutung erscheint mir deshalb wohl begründet, da die mecklenburgischen Sekretäre zum Teil zugleich auch notarii publici waren, wie z. B. der Sekretär Gerhard Brüsewitz und der spätere Kanzler Heinrich Bentzien 4 ). Dem Range nach scheinen die Sekretäre den ehemaligen Notaren gleichgestanden zu haben.

Über die dritte Kategorie der Kanzleibeamten, die Kopisten und Mundatoren, erfahren wir fast gar nichts. 1456 wird einmal ein "vnderschrieber" 5 ) erwähnt namens Johannes Raden, der später sogar zu den Räten Heinrichs IV. gehörte 6 ).

Wieviel Beamte jeweils nebeneinander in der Kanzlei beschäftigt wurden, läßt sich nur ungenau bestimmen. Unter dem ersten Kanzleivorstand Rothgerus sind in den Jahren 1326 - 29 etwa sechs 7 ), unter dem Kanzler Berthold Rode in den Jahren 1349 - 51 drei bis vier Notare 8 ) nebeneinander nachweisbar. Im


1) S. A. Reg. 22. 3. 1412.
2) M. U.-B. V, 2958 ... "milites et secretarii nostri fideles"; M. U.-B. V, 3099 ... "de nostrorum consiliariorum et secretariorum bene placito" ....; M. U.-B. XXI, 11 780 ... "consiliarii et secretarii nostri" ... usw. Im M. U.-B. XXI, S. 64 (Register) wird die Ansicht vertreten, daß hier zwischen "consiliarii" und "secretarii" zu unterscheiden sei, da beide Ausdrücke durch "et" verbunden seien. Es handelt sich aber wohl nicht um eine bewußte Unterscheidung, sondern um einen Pleonasmus. Vgl. auch Steinmann, M. J.-B. Bd. 88 S. 56 Anm. 156.
3) Die brandenburgische Kanzlei und das Urkundenwesen während der Regierung der ersten beiden hohenzollernschen Markgrafen S. 59. In Brandenburg bürgert sich der Titel Sekretär an Stelle der Bezeichnung Notar erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein. In Braunschweig seit 1542, ungefähr gleichzeitig in Württemberg, im Reich seit der Zeit Karls IV. Vgl. Spangenberg a. a. O. S. 119 Anm. 7.
4) Vgl. S. A. Stadturk. Rostock 130 (14. 11. 1430) und S. A. Reg. 10. 2. 1450. Auch der Notar Albrechts II., Martin Schütz (1373 - 74), war öffentlicher Notar. Vgl. M. U.-B. XVIII, 10 424; 10 572.
5) S. A. Reg. 8. 12. 1456.
6) S. A. Reg. 4. 5. 1462.
7) Vgl. oben S. 20.
8) Johannes Raboden (1346 - 1350), Heinrich v. Griben (1349 - 1359), Heinrich Rode (1349 - 1352) und Johannes Suhm (1351). Vgl. oben S. 24 f.
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15. Jahrhundert sind gewöhnlich außer dem Kanzler nicht mehr als zwei bis drei Sekretäre gleichzeitig nachzuweisen, so 1428 unter Nikolaus Reventlow die Schreiber und Sekretäre Johannes Kremer und Johann Achim, in den Jahren 1461 - 62 unter Heinrich Bentzien Hermann Widenbrügge, Johannes Raden und Thomas Rode 1 ).

Außerdem hatten die Fürstinnen des Landes und die erwachsenen Söhne der Fürsten bisweilen oder regelmäßig ihre eigenen Privatschreiber 2 ). In welchem Verhältnis diese zur mecklenburgischen Kanzlei gestanden haben, läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Ob auch die Landesfürsten sich ihrer gelegentlich bedienten, ist aus den Quellen nicht ersichtlich.

Die mecklenburgischen Fürsten des Mittelalters wählten sich ihr Kanzleipersonal durchweg aus der Geistlichkeit des Landes. Bei den meisten Kanzleibeamten ist nachzuweisen, daß sie dem geistlichen Stande angehörten 3 ). Unter Heinrich II. begegnet uns ausnahmsweise einmal ein Notar namens Heinrich Frauenburg, der nachweislich dem weltlichen Stande angehörte 4 ). Geistliche wurden auf kürzere oder längere Zeit zur Verrichtung von Schreiberdiensten an den Hof gerufen und scheinen während ihrer Amtstätigkeit von ihren geistlichen Pflichten "gleichsam beurlaubt" gewesen zu sein. Solange sie der fürstlichen Kanzlei angehörten, betrauten sie mit der Ausübung ihres geistlichen Amtes


1) Im übrigen vgl. Anlage 1.
2) So hören wir 1349 von einem Notar der Herzogin Euphemia, Gemahlin Albrechts II., namens Willekinus Craaz (M. U.-B. X, 7022). Als Schreiber Katharinas, der Witwe Johanns IV. († 1422), begegnet von 1446 bis 1448 Bernhard Landvogt (S. A. Reg. 16. 7. 1446; 16. 7. 1448). Als "myner frowen scriuer" bzw. "kammerscholer" werden die Schreiber der Herzogin Dorothea Nikolaus (S. A. Reg. 16. - 18. 10. 1464 - 1./2. 9. 1471) und Heinrich Tiges (S. A. Reg. 8. 4. 1476) bezeichnet. Auch die Söhne Heinrichs IV. haben ihre besonderen Schreiber gehabt. Im Dienste Albrechts und Johanns standen von 1466 bis 1471 der Sekretär Vicko Dessin (S. A. Reg. 9. 10. 1466 - 8. 5. 1471) und um 1474 Johannes Thun (S. A. Reg. 12. 11. 1474). Als Privatschreiber Magnus II. begegnen von 1470 bis 1471 Nikolaus Hertesberg (S. A. Reg. 14. - 18. 12. 1470; 21. 1. 1471) und um 1475 ein gewisser Dietrich (S. A. Reg. 11. 8. 1475). Auch z. B. in Tirol treten neben den Schreibern des Landesherrn "auch solche der jeweiligen Landesfürstin" auf. Vgl. R. Heuberger, Das Urkunden- und Kanzleiwesen der Grafen von Tirol M. J. Ö. G., Ergänzungsband IX, 1915, S. 165.
3) Ich verweise auf die einschlägigen Stellen des ersten Kapitels vorliegender Arbeit. Auch die nicht aufgeführten Notare sind durchweg als Geistliche nachzuweisen.
4) Nach M. U.-B. VI, 4534 war er verheiratet. Er verkauft hier mit Zustimmung seiner Gattin ein Erbe an einen Otto Ledege zu Wismar. Vgl. auch M. U.-B. VIII, 5059 S. 53.
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Vikare oder Stellvertreter 1 ). Jedoch scheinen sie sich auch während ihrer Amtstätigkeit bei Hofe gelegentlich um ihr geistliches Amt gekümmert zu haben 2 ).

Die Kanzleibeamten, insbesondere die Kanzler, erfreuten sich am Hofe der mecklenburgischen Fürsten einer sehr geachteten Stellung. Sie stammten zum Teil aus vornehmen Familien, so der Kanzler Bertram Behr (1352 - 60, 1363) aus der im 16. Jahrhundert ausgestorbenen Familie gleichen Namens 3 ). Auch Notare stammten häufig aus bekannten Geschlechtern, so Antonius (1327 bis 1329) und Helmold (1339 - 40) von Plessen und Heinrich von Griben (1349 - 59). Der Kanzler Berthold Rode (1337 - 51) und der Notar Heinrich Rode (1349 - 52) gehörten einer angesehenen Rostocker Ratsherrn- und Kaufmannsfamilie an 4 ).

Die Amtsdauer der Kanzleibeamten schwankte verhältnismäßig stark. Am längsten, mindestens 23 Jahre (1415 - 38), versah Nikolaus Reventlow das Kanzleramt. Thomas Rode gehörte der Kanzlei acht Jahre (1461 - 69) als Schreiber bzw. als Sekretär und 17 Jahre (1469 - 86) als Kanzler an, Rothgerus ist 13 Jahre (1310 - 23) als Notar und sechs Jahre (1323 - 29) als Protonotar nachzuweisen. Oft jedoch war die Amtstätigkeit auf kürzere Zeit beschränkt. Der Kanzler Johannes Kröpelin hat beispielsweise höchstens zwei Jahre (1361 - 62) der mecklenburgischen Kanzlei angehört. Die Gründe für das Ausscheiden der Beamten aus der Kanzlei sind meistens unbekannt. Wie die mittelalterlichen Fürsten ihre Beamten nach eigenem Ermessen beriefen, so konnten sie dieselben auch jederzeit ihres Amtes entheben. Wer sich etwas zuschulden kommen ließ, wurde durch einen anderen ersetzt. Als der Kanzler Bertram Behr 1360 bei Herzog Albrecht II. in Ungnade gefallen war, trat an seine Stelle Johannes Kröpelin 5 ). Da die Kanzleibeamten aber auch nach Ablauf ihrer Amtstätigkeit häufig noch als Zeugen in den Urkunden der mecklenburgischen Fürsten fungieren und als angesehene Prälaten und Räte oft eine


1) M. U.-B. XVI, 9552 trägt der Propst der Schweriner Kirche dem Pfarrer zu Neustadt auf, den Prokurator des Kanzlers Schwalenberg in die diesem von Herzog Albrecht II. verliehene Vikarei an der Burgkapelle in Neustadt einzuführen.
2) So hat sich der Kanzler Johann Hesse um die Instandsetzung des Pfarrhauses der St. Petrikirche zu Rostock bemüht. 1447 verpfändet er von dem seiner Kirche gehörenden Gute zu Papendorf 20 Mark sund. Bede für 250 Mark, um das Geld "an der wedeme der Kerken" zu verbauen. Vgl. S. A. Gutsurk. Papendorf; Kirchenurk. St. Petri Nr. 2.
3) Vgl. Lisch, M. J.-B. IX, S. 228.
4) M. U.-B. X, 6983 (11. 7. 1349).
5) Vgl. oben S. 31/32.
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einflußreiche Rolle im Hofleben spielten 1 ), so werden Zerwürfnisse mit dem Landesherrn nicht allzu oft der Anlaß zum Abschied aus der Kanzlei gewesen sein.

Wie die übrigen mecklenburgischen Hofbeamten, so bezogen auch die Beamten der Kanzlei offenbar kein festes Gehalt, sondern bestritten ihre Bedürfnisse zum Teil aus den geistlichen Stellen, welche sie innehatten, und aus Gebühren. Kraft ihres Patronatsrechtes waren die Fürsten in der Lage, ihren geistlichen Hofbeamten einträgliche Pfarrstellen und Einkünfte von Vikareien zu beschaffen 2 ). Auch die reichdotierten geistlichen Stifte, besonders das Schweriner, Lübecker und später auch das Rostocker Domstift, waren geeignete Versorgungsstätten für bewährte Kanzleibeamte 3 ). Ferner erhielten diese als Entgelt für ihre Tätigkeit bei Hofe Hebungen, Exemtionen und Nutzungen aller Art. Dem Schreiber und späteren Kanzler Johannes Hesse verlieh Heinrich IV. nach einer Urkunde vom 1. Januar 1444 für treue Dienste die auf die Einwohner des Dorfes Papendorf gelegten Dienste, Bede, Ablager oder sonstigen Auflagen auf Lebenszeit 4 ), und Thomas Rode erhielt als Schreiber desselben Fürsten im Jahre 1463 die Gerechtsame und Lehnware, "als wy hebben in vnseme lenen vnde vicarien to kabelstorpe in vnse voghedie to gustrowe beleghen" ebenfalls auf Lebenszeit 5 ).

Außerdem wird den Kanzleibeamten ein Teil der für die Ausfertigung der Urkunden erhobenen Sporteln zugefallen sein.


1) So z. B. die ehemaligen Kanzler Henning Karutze und Heinrich Bentzien und die Sekretäre Johann Achim und Hermann Widenbrügge.
2) So erhielten auf Präsentation der mecklenburgischen Fürsten der Kanzler Johann Reinwerstorff 1385 die Pfarre zu Boizenburg (vgl. oben S. 34 Anm. 6), der Sekretär Hermann Widenbrügge 1450 die Pfarre zu Belitz (S. A. Reg. 24. 7. 1450) usw.
3) Die Gründung des Rostocker Domstiftes im Jahre 1487 wird zurückgeführt auf das Betreiben der geistlichen Hofbeamten, insbesondere der Kanzler Heinrich Bentzien und Thomas Rode, die dort versorgt zu werden hofften. Vgl. oben S. 40 Anm. 10.
4) S. A. Urk. d. Domstifts Rostock Nr. 19. Unter dem Buge dieser Urkunde, zwischen das Siegelband eingeschoben, befindet sich ein von gleichzeitiger Hand flüchtig geschriebener Zettel, welcher ebenfalls auf eine Schenkung an Johann Hesse hinweist. Er lautet folgendermaßen: Anno domini 1444 tertia die decembris in estuario hora vesperarum quasi Jo. Hesse produxit dominum Jo. Multen et Otto Vereghhen fuere ibi testes super literam a domino Magnopolensi super liberacionem ville Pesterstorp sibi concessa[m], qui iurati deposuerunt, quod dominus dux literam huiusmodi sibi decreuit et dedit presentibus Conrado Mund, clerico Ratzeburgensis diocesis, et Johanne Helmich.
5) S. A. Reg. 24. 2. 1463.
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Daß die Kanzlei Gebühren erhob, geht aus einem indirekten Zeugnis hervor. In einer Urkunde über den Verkauf der Insel Poel durch Heinrich II. heißt es, daß die fürstlichen Notare für Bestätigungsurkunden keine Gebühren erhalten sollten 1 ). Außer den Sporteln scheinen die Kanzleibeamten auch für das Abrechnen mit den Vögten des Landes Entgelt erhalten zu haben. So werden dem Kanzler Thomas Rode einmal für eine Abrechnung mit dem Schwaaner und Neubukower Vogt Klaus Oldeswager 3 Gulden ausgehändigt 2 ). Auch sonstige Geldzuwendungen sind an die fürstlichen Schreiber gemacht worden. In dem Ausgaben- und Einnahmeverzeichnis des herzoglichen Vogtes zu Schwerin aus dem Jahre 1373 heißt es: "Item domino meo X. marc; quarum Johanni notario ducis Hinrici VI. fuerunt presentate" 3 ). Im übrigen hatten sie, wie auch das übrige Gefolge, auf den Amtsburgen der Fürsten freie Wohnung, Kleidung 4 ), Verpflegung und für ihre Pferde freie Unterkunft und Fütterung 5 ). Für Reisen und diplomatische Missionen wurden ihnen von den Vögten Reisespesen ausgezahlt 6 ).

§ 2.

Kanzlei und Rat.

1. Die Zugehörigkeit insbesondere der Kanzler zum landesfürstlichen Rat.

Die beiden Organe der landesfürstlichen Hofverwaltung und Regierung im Mittelalter sind der Rat und die Kanzlei. Während die Kanzlei in Mecklenburg spätestens im 14. Jahrhundert eine gewisse Organisation erhielt, blieb der landesfürstliche Rat,


1) M. U.-B. VI, 4025 (22. 11. 1318) heißt es: "Nos heredes seu successores nostri conferri tenebimur, non requirendo per nos, per notarios vel scriptores nostros aliquod munus vel sallarium directe vel indirecte pro eisdem collacione, litteris vel sigillo, eo quod iam satisfactum sit nobis in perpetuum pro eisdem. Ad omnem autem dubitacionem tollendam super premissa uendicione ... damus et dare volumus gratis et sine munere, vt et latini" usw. Hieraus geht auch hervor, daß die Kanzleibeamten von den Urkundenempfängern Geschenke erhielten.
2) S. A. Schloßrechn. Schwaan 1475 - 76 Fol. 1 a (26. 12. 1475). Vielleicht darf man in diesem Sinne auch eine Bemerkung in den Schloßrechnungen Boizenburg-Wittenburg 1469 - 75 Fol. 52 b (6. 11. 1474) verstehen, wo es heißt: "so gaff ik heren Thomas 4 rinsche gulden an der rekenschopp".
3) M. U.-B. XVIII, 10 424.
4) Vgl. M. U.-B. V, 3296: "pro tunica scriptoris 2 mark".
5) Vgl. besonders S. A. Schloßrechn. Gadebusch, ferner Ihde, Amt Schwerin, M. J.-B. Bd. 77, Beiheft, S. 96 ff.
6) Hierfür bieten die Gadebuscher Schloßrechnungen ein gutes
(  ...  )
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dessen Entstehung einer früheren Zeit angehört als die Entstehung einer organisierten Kanzlei 1 ), bis zum Ausgange des 15. Jahrhunderts vollkommen unorganisiert 2 ). Beide Amtsstellen standen in nahen Beziehungen zueinander und waren in ihrer Tätigkeit eng aufeinander angewiesen. Es ist mit vollem Recht darauf hingewiesen worden, daß der stets wechselnde Rat in der Kanzlei seinen Mittelpunkt hatte 3 ). Durch ihre Amtspflicht waren die Kanzleibeamten genötigt, möglichst ständig am Hofe anwesend zu sein. Ihre vielseitige Tätigkeit verschaffte ihnen in besonderem Maße Erfahrungen auf fast allen Gebieten der Verwaltung, so daß die mecklenburgischen Fürsten ihres Rates kaum werden entbehrt haben können. Der Kanzlei lag es vor allem ob, die Beschlüsse, über die sich die Fürsten mit ihren Räten geeinigt hatten, in die richtige urkundliche Form zu bringen, und zwar so, daß die Urkunde inhaltlich genau den Verfügungen des Landesherrn entsprach. Eine präzise Ausarbeitung des Wortlautes der Urkunde war aber nur möglich, wenn der ausfertigende Kanzleibeamte selbst an der vorausgehenden Beratung teilgenommen hatte oder wenigstens genaue Kenntnis von den Ergebnissen der Verhandlungen erhielt. Insbesondere die Amtspflicht des Kanzlers als verantwortlichen Leiters sämtlicher Kanzleigeschäfte machte seine Anwesenheit bei den Ratsverhandlungen erforderlich. Eine Verbindung zwischen den beiden Amtsstellen der landesfürstlichen Verwaltung und Regierung war vor allem "durch das Medium des Vorstandes der Kanzlei", nämlich des Kanzlers, geschaffen.

Die Zugehörigkeit der Kanzleibeamten zum landesfürstlichen Rate mußte also geradezu als ein dringendes Bedürfnis empfunden werden. Sie wird bewiesen durch mannigfache Zeugnisse. Da insbesondere die Kanzler recht häufig in den Urkunden als Zeugen auftreten, so ist es an sich schon sehr wahrscheinlich, daß sie dem landesfürstlichen Rate angehörten, zumal da im 14. und


(  ...  ) Zeugnis. Auf der Durchreise durch Gadebusch zu diplomatischen Verhandlungen mit dem Lübecker Rat erhielt Thomas Rode, "do he reth myns heren werff to lubke", bald 2 rheinische Gulden, bald 2, 3 oder 5 Mark. Vgl. S. A. Reg. 27. 9. 1476, 9. 5. 1472, 18. 5. 1472, 17. 3. 1474 usw.
1) In dem Territorium Mecklenburg begegnen consiliarii urkundlich zuerst 1284 (M. U.-B. III, 1744) in der Grafschaft Schwerin 1297 (M. U.-B. IV, 2452). Vgl. Steinmann, M. J.-B. 88 S. 55.
2) Vgl. Steinmann, M. J.-B. 86 S. 111, und Küster a. a. O. S. 133. Anders Radloff a. a. O. S. 31. Seine Darstellung erweckt zum mindesten falsche Vorstellungen, wenn er von dem Rat als gemeinsamen "Beratungskörper", von dem "Ratskollegium" als Behörde redet.
3) H. B. Meyer, Hof- und Zentralverwaltung der Wettiner (1248 bis 1379), Leipzig 1902, S. 25.
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besonders im 15. Jahrhundert die Zeugen mecklenburgischer Urkunden meist consiliarii waren. Bei den meisten mecklenburgischen Kanzleivorstehern läßt sich ihre Zugehörigkeit zum landesfürstlichen Rate direkt nachweisen. So begegnet der erste uns bekannte mecklenburgische Protonotar Rothgerus mehrfach in der Reihe der consiliarii 1 ), ebenso die Kanzler Berthold Rode 2 ), Bertram Behr 3 ), Johannes Kröpelin 4 ), Karl Hakonsson 5 ), Nikolaus Reventlow 6 ), Henning Karutze 7 ), Johann Hesse 8 ), Heinrich Bentzien 9 ) und Thomas Rode 10 ).

Ob auch die Notare und Schreiber, besonders diejenigen, welche häufiger in den Urkunden als Zeugen auftreten, dem Rate angehörten, läßt sich aus den Quellen nicht beweisen. Direkte Zeugnisse für ihre Zugehörigkeit zum Rate können wir auch kaum erwarten, da Aufzählungen fürstlicher consiliarii in mecklenburgischen Urkunden des 14. Jahrhunderts zwar nicht so spärlich sind, wie etwa in brandenburgischen Urkunden 11 ), aber immerhin sich ziemlich selten finden. Im 15. Jahrhundert dagegen gehörten nachweislich auch die Sekretäre meist dem fürstlichen Rate an. Die Sekretäre Johann Kremer und Johann Achim werden gelegentlich ausdrücklich als "nostri fideles consiliarii" 12 ) oder "truwe rathgeuer" 13 ) bezeichnet, ebenso erscheinen Heinrich Bentzien und Hermann Widenbrügge bald als "vse leuen getruuen rathgeuer" 14 ), bald als "de erwerdighen vnde duchtigen vnse redere vnd leuen getruuen" 15 ). Der Schreiber Johannes Raden wird einmal mit andern "unse gude manne vnde raed" 16 ) genannt.


1) M. U.-B. VII, 4900; 4934: "testes ... Ruthgerus ecclesie sancte Marie in Rosztok rector prothonotarius noster et Heinricus Bonsak famulus nostri consiliarii".
2) M. U.-B. IX, 6084, 6269; X, 6683, 6747, 7124.
3) M. U.-B. XIII, 8075; XIV, 8508.
4) M. U.-B. XV, 9098.
5) M. U.-B. XXIII, 13 330.
6) S. A. Reg 3. 6. 1417; 25. 7. 1418; 14. 1. 1425; 7. 11. 1428; 25. 7. 1429; 13. 2. 1430; 30. 11. 1435.
7) S. A. Reg. 14. 4. 1440; 9. 1. 1441; 18. 6. 1444; 3. 3. 1446.
8) S. A. Reg. 26. 1. 1446; 25. 5. 1446; 18. 5. 1447; 1. 5. 1449.
9) S. A. Reg. 22. 1. 1454; 8. 12. 1458; 4. 4. 1459; 15. 1. 1459; 15. 8. 1464.
10) S. A. Reg. 18. 5. 1472; 20. 2. 1474; 4. 5. 1478.
11) Vgl. Spangenberg a. a. O. S. 4 - 6 Anm. 4.
12) S. A. Reg. 28. 11. 1428.
13) S. A. Reg. 7. 11. 1428.
14) S. A. Reg. 22. 1. 1452.
15) S. A. Reg. 4. 4. 1459. Vgl. auch S. A. Reg. 26. 12. 1459, 8. 4. 1458 usw.
16) S. A. Reg. 4. 5. 1462.
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2. Das Zusammenwirken von Kanzlei und Rat 1 ).

Es liegt im Wesen der mittelalterlichen Kanzlei, daß sie nicht nach Art einer modernen Behörde an einem festen Orte lokalisiert war, sondern mit dem von Ort zu Ort, von Amtsburg zu Amtsburg wandernden fürstlichen Hofhalte den Herzog auf seinen Reisen durch das Land begleitete 2 ). Dasselbe gilt auch von den landesfürstlichen Räten. Sobald die Umstände es erforderten, mußte die Kanzlei in Tätigkeit treten. In Kisten oder Truhen verpackt, wird man oft Schreibgeräte, Geschäftsbücher, wichtige Schriftstücke und Urkunden mit sich geführt haben. In unsicheren und fehdereichen Zeiten konnte es dann wohl vorkommen, daß das ganze wandernde Archiv unterwegs bei Überfällen auf das herzogliche Gefolge verloren ging oder geraubt wurde 3 ). Seit der Erwerbung der Grafschaft Schwerin (1359) war das Schweriner Schloß der bevorzugte Aufenthaltsort der mecklenburgischen Fürsten. Hier scheint die Kanzlei in einer besonderen Schreibstube, die gelegentlich "schriuery" oder "scriuerie" 4 ), später aber "Meckelnburgische Cantzeley" oder auch "cancellaria dominorum ducum Magnopolensium" 5 ) genannt wurde, ihr Standquartier gehabt zu haben.

Die Kanzlei war technisches Hilfsorgan der gesamten Verwaltungstätigkeit der Landesfürsten. Der Geschäftsgang der Kanzlei beruhte auf enger Zusammenarbeit mit dem fürstlichen Rate. Das Zusammenwirken zwischen dem Fürsten und seinen Räten einerseits und der Kanzlei andererseits beschränkte sich


1) Zu folgendem Abschnitt vergleiche die demnächst im X. Bd. des Archivs für Urkundenwissenschaft S. 468 ff. erscheinende Arbeit von Spangenberg, Die Kanzleivermerke als Quelle verwaltungsgeschichtlicher Forschung.
2) Wo sich in den mecklenburgischen Schloßrechnungen einmal Aufzählungen des herzoglichen Gefolges finden, da fehlen in der Regel auch die Schreiber nicht. Vgl. die Eintragungen der Gadebuscher Schloßrechnungen vom 14. 3. 1464; 19./20. 9. 1466; 28. 10. 1466, 30. 11. 1466; 8. 1. 1467 (Thomas Rode und Heinrich Bentzien); 28. 4. 1467 usw.
3) Es existiert ein Bericht über einen Überfall des Stargarder Herzogs Ulrich auf seine Schweriner Verwandten Herzog Heinrich IV. und seinen Sohn Magnus aus dem Jahre 1467 (S. A. Hausverträge 132 a und 134). In der Aufzählung dessen, was bei diesem Überfall auf offener Landstraße verloren ging, heißt es: "Int erste heft uns de gen. unse veddere hertoge Ulrick mit den sinen ... genomen unsen waghen mit perden, unsen klederen mit unseme gerede, kleenode, so alse wii dat uppe deme waghene hadden in der lade, ock ene lade, dar wii unse breve inne hadden anrorende unse hersschopp, lande und lude ...
4) S. A. Reg. 18. 4. 1454 und 19. 4. 1470.
5) M. U.-B. I, Vorwort S. IX.
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nicht allein auf das Beurkundungsgeschäft, tritt aber hier am deutlichsten hervor. Für die Erforschung des Geschäftsganges der mecklenburgischen Kanzlei, insbesondere bei der Beurkundung, kommen, abgesehen von einigen Urkundennotizen, als wichtigste Quelle die Kanzleivermerke in Betracht. Diese Vermerke, welche besonders um die Mitte des 15. Jahrhunderts von den Beamten der ausstellenden mecklenburgischen Kanzlei gelegentlich unter die Urkunden, Konzepte und Registerabschriften geschrieben wurden, enthalten wichtige Angaben über die einzelnen Stadien des Beurkundungsgeschäftes und vermitteln uns einen Einblick in den Geschäftsbetrieb der Kanzlei.

Die wenigen mir bekannten mecklenburgischen Kanzleivermerke zeichnen sich vor anderen besonders dadurch aus, daß sie verhältnismäßig eindeutig sind, während die Interpretation beispielsweise der österreichischen Kanzleivermerke Schwierigkeiten macht, da diese zu einem Teil prädikatlos sind und infolgedessen oft nicht mit Sicherheit erkennen lassen, auf welches Stadium der Beurkundung sie sich beziehen. Die mecklenburgischen Kanzleivermerke zerfallen in zwei Gruppen. Für die erste Gruppe ist typisch der Vermerk "de mandato domini Jo. Hesse" 1 ). Mit der Person des den Beurkundungsbefehl erteilenden Fürsten ist der Name des Kanzleibeamten verbunden, welcher die Verantwortung für rechte kanzleimäßige Ausfertigung der Urkunde trug. Oft sind derartige Vermerke noch eindeutiger gefaßt, indem der Name des Kanzleibeamten mit dem Prädikat "scripsit" verbunden ist, etwa "ad mandatum (oder de mandato) domini Thomas Rode scripsit" 2 ). Daß dieses "scribere" sich auf die Konzipierung, nicht auf die Mundierung der Urkunde bezieht, geht, wie mir scheint, auch daraus hervor, daß sich derartige Vermerke gelegentlich unter Konzepten finden, und zwar sind sie von derselben Hand, welche das Konzept anfertigte, in einem Zuge mit dem Text des Konzeptes geschrieben 3 ). Wir wollen diese Gruppe der Vermerke als Kanzleiunterfertigungen bezeichnen.

Für die zweite Gruppe der Kanzleivermerke sind zwei Formen charakteristisch.


1) Vgl. Anlage 2 Nr. 13, ferner Nr. 18, 19 und 21.
2) Vgl. Anlage 2 Nr. 20, 22 - 25; 28.
3) Vgl. Anlage 2 Nr. 22, 25 u. 28. In diesen Fällen trifft die Ansicht Breßlaus a. a. O. Bd. 1 S. 609 f. Anm. 12, "daß die Notare, die sich als Schreiber einer bestimmten Urkunde nennen, diese auch wirklich geschrieben haben", nicht zu. Ficker, Beiträge zur Urkundenlehre II S.25; S. 162 wird Recht behalten, wenn er meint, daß "scribere" oder "conscribere" allgemein auch konzipieren bedeuten könne.
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1. "Dominus mandauit et examinauit" oder "dominus per se iussit et examinauit" oder "de mandato domini Hinrici Magnopolensis et per se examinatum" 1 ).

In diesen Vermerken wird des Beurkundungsbefehles seitens des Herrschers und der durch diesen vorgenommenen Revision des Beurkundungsgeschäftes gedacht.

2. "De mandato domini ducis et examinauit coram consiliariis" oder "de mandato domini Magnopolensis et examinauit cum suis consiliariis in Parchim suprascriptis" oder "de mandato domini et fideliter cum predictis consiliariis examinauit Jo. Hesse" u. ä. 2 ).

In diesen Fällen wird nicht nur des Beurkundungsbefehles und der Revision der Urkunde seitens des Herrschers gedacht, sondern es wird außerdem noch die Mitwirkung der Räte bei der Überprüfung, gelegentlich auch der Ort, wo die Revision stattfand, und selten der Name des ausfertigenden Kanzleibeamten hervorgehoben. Beide Formen dieser zweiten Gruppe der Kanzleivermerke wollen wir mit Stowasser Doppelvermerke nennen, da sie sich auf verschiedene Stadien der Beurkundung beziehen 3 ). Besonders aufschlußreich ist schließlich noch ein Kanzleivermerk, welcher folgenden Wortlaut hat: "ad mandatum domini Thomas Rode scripsit, sigillauit presentem literam et est examinata in consilio" 4 ). Hier wird also nicht nur des Beurkundungsbefehles, der Fertigung durch den Kanzler Thomas Rode und der Revision im Rate, sondern auch der Besiegelung der Urkunde durch den Kanzler gedacht.

Auf Grund der Kanzleivermerke und einiger noch anzuführender Urkundennotizen gewinnen wir für den Geschäftsgang bei der Beurkundung folgendes Bild. Der Fürst setzte mit seinen consiliarii in den Ratssitzungen den Rechtsinhalt fest und revidierte bisweilen das Konzept, ausnahmsweise wohl auch die Reinschrift. Der Kanzlei dagegen lag die formelle Fassung, die Konzipierung und Mundierung der Urkunde ob. Diese Zweiteilung bei dem Beurkundungsgeschäft kommt in den Kanzleivermerken deutlich zum Ausdruck.


1) Vgl. Anlage 2 Nr. 2 - 5; 12; 14; 17.
2) Vgl. Anlage 2 Nr. 6 - 11; 16.
3) Stowasser, M. J. Ö. G. Bd. 35 S. 713; Ergänzungsband X S. 7 ff. Eine Scheidung einerseits in Doppelvermerke, andererseits in zweifache Vermerke, wie Franz Wilhelm a. a. O. S. 41 vorschlägt, ist für die mecklenburgischen Kanzleivermerke unzweckmäßig.
4) Anlage 2 Nr. 27.
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"Der unmittelbare Entstehungsgrund der Urkunde ist der Wille des Ausstellers und sein ausdrücklicher oder selbstverständlicher Befehl, eine Urkunde herzustellen" 1 ). Da das Regiment der mittelalterlichen Fürsten, insbesondere auch der mecklenburgischen Herzöge, durchaus persönlichen Charakter trug, entstanden die Urkunden prinzipiell auf Befehl der Herrscher (de mandato, ad mandatum domini, dux per se iussit usw.), wie es fast alle Kanzleivermerke betonen, oder doch wenigstens mit deren Wissen und auf Grund sicherer Kenntnis (ex certa scientia), wie es häufig in der Korroborationsformel der Urkunden zum Ausdruck gebracht wird 2 ). Nachdem in der Ratsverhandlung die sachliche Grundlage für die Herstellung der Urkunde geschaffen war, erhielt die Kanzlei bzw. ein Kanzleibeamter den Befehl, den Beschluß des Herrschers oder der Ratssitzung in die urkundliche Form zu bringen. In vielen Fällen wird der Beurkundungsauftrag in mündlicher Form der Kanzlei übermittelt worden sein 3 ). Häufig werden aber als Grundlage für die Ausarbeitung eines Konzeptes kurze Notizen über das sachliche Detail des zu beurkundenden Rechtsgeschäftes und über die Zeugen gedient haben. Diese Aufzeichnungen werden häufig von dem Kanzleibeamten (Kanzler oder Sekretär), welcher der betreffenden Ratsverhandlung beiwohnte, gemacht worden sein 4 ). Hatte die


1) O. Redlich, Allgemeine Einleitung zur Urkundenlehre, in der Urkundenlehre von Erben, Schmitz-Kallenberg, und Redlich, I. Teil, München und Berlin 1907, S. 26.
2) Vgl. z. B. M. U.-B. XIX, 11 023: "... presentes nostras litteras de et super omnibus et singulis premissis ex certa nostra sciencia conscripsas nostri autentici sigilli munimine iussimus firmiter roborari". Ähnlich M. U.-B. XXIII, 13 374 usw.
3) Ob auch die ritterbürtigen Räte der mecklenburgischen Fürsten gelegentlich mit der Übermittlung des Beurkundungsbefehles betraut wurden, geht aus den Kanzleivermerken nicht hervor. Dagegen die brandenburgischen und österreichischen Kanzleivermerke nennen sehr häufig die Relatoren, d. h. diejenigen Persönlichkeiten, welche im Auftrage des Herrschers der Kanzlei den Beurkundungsbefehl übermittelten. Vgl. Lewinski a. a. O. S. 75 ff.; Stowasser, M. J. Ö. G. Bd. 35 S. 714 ff.; Franz Wilhelm, M. J. Ö. G. Bd. 38 S. 45 ff. Für die Reichskanzlei vgl. z. B. Th. Lindner, Das Urkundenwesen Karls IV. und seiner Nachfolger, Stuttgart 1882, S. 128 ff.
4) Es ist uns nur eine sehr geringe Anzahl solcher "Kanzleiprotokolle erhalten, so die beiden Annotationen auf der Rückseite eines ausgeführten Konzeptes vom 16. 5. 1448 (S. A. Amtsurkunden Sülze). Eine andere Aufzeichnung, die eine ähnliche Form aufweist und augenscheinlich von der Hand des herzoglichen Sekretärs und Rates Hermann Widenbrügge herrührt, steht unterhalb eines ausgeführten Konzepttextes (S. A. Gutsurkunden Dambeck [Gr.] Nr. 3).
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Kanzlei den Beurkundungsbefehl erhalten, so wurde in der Regel wohl ein Konzept 1 ), bisweilen aber aus Zeitersparnis auch gleich die Reinschrift 2 ) angefertigt. Das letztere Verfahren wird man besonders in bestimmten Fällen, wie bei Ausfertigung von Legitimationen, Bestallungen usw., angewandt haben.

Hatte der ausfertigende Kanzleibeamte das Konzept oder auch gleich die Reinschrift angefertigt, so erfolgte die Revision 3 ). Ob der Kanzler als verantwortlicher Leiter der Kanzleigeschäfte die Befugnis hatte, bei unwichtigen Sachen die Kollation und Revision selbständig zu besorgen, läßt sich nicht nachweisen, ist aber sehr wahrscheinlich 4 ). Häufig scheint die Revision durch die mecklenburgischen Fürsten selber vorgenommen zu sein. Diejenigen Kanzleivermerke, welche der Urkundenrevision gedenken, betonen fast alle, daß der Fürst an der Revision persönlich beteiligt war, z. B. die Vermerke "dominus per se iussit et examinauit" und mit besonderem Nachdruck "de mandato domini Henrici Magnopolensis et per se examinauit". Häufig wird auch zum Ausdruck gebracht, daß der Fürst die Revision "coram" oder "cum consiliariis" vornahm oder daß die Urkunde "in consilio" geprüft wurde. Besonders deutlich aber geht die persönliche Beteiligung des Fürsten bei der Urkundenrevision hervor aus der Notiz eines Briefes, welchen der herzogliche Schreiber Thomas Rode im Jahre 1466 an den Wismarer Protonotar Gottfried Parseval richtete. In diesem Schreiben heißt es: "Mitto vobis copiam littere concepte et confecte, quam dominus per se correxit, emendauit et ita conscribendam decreuit,


1) Eine Reihe von Urkundenkonzepten aus dem 14. und besonders aus dem 15. Jahrhundert sind uns erhalten, z. B. M. U.-B. XIII, 8080; XIV, 8555, 8557 b, 8596; XVI, 9865, 10 084 usw. Gelegentlich schnitt man aus den Konzepten die Siegelstreifen; vgl. z. B. M. U.-B. XVI, 9939 und XX, 11 370.
2) Das beweisen uns eine Reihe von Dokumenten im Schweriner Archiv, welche wegen notwendig gewordener Korrekturen ungesiegelt blieben und nicht ausgehändigt wurden, z. B. M. U.-B. XIII, 8113; XV, 9209, 9374; XVI, 9818, 9934; XVIII, 10 233, 10 556, 10 654, 10 532 usw.
3) Die zahlreich erhaltenen durchkorrigierten Konzepte sprechen dafür, daß eine Revision recht häufig stattfand. Vgl. oben Anm. 1 u. 2.
4) In der mecklenburgischen Kanzleiordnung von 1573 (v. Kamptz, Beiträge zum mecklenburgischen Staats- und Privatrecht, 1802, Bd. 5 S. 327) heißt es ausdrücklich, der Kanzler soll "die Conzept revidieren und zusehn, daß sie dem Beschluß gemäß ... und die wo es notig emendieren und corrigieren". Da die Kanzleiordnungen des 16. Jahrhunderts geltendes Gewohnheitsrecht fixieren, so darf man sie in diesem Punkt wohl zu Rückschlüssen für die spätmittelalterlichen Verhältnisse verwenden.
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adiciens verbum, postquam littera fuit confecta, consolatorium tale, quod ..." 1 ). In diesem Falle ordnete also der Herzog an, unter Berücksichtigung der von ihm persönlich vorgenommenen Korrekturen den Urkundenentwurf umzuändern.

Die Frage, ob sich die Revision auf das Konzept oder auf die Reinschrift bezieht, läßt sich für Mecklenburg weder nach der einen noch nach der anderen Seite mit Sicherheit entscheiden 2 ). Da recht häufig Korrekturen nötig waren, so wäre es im allgemeinen allerdings unzweckmäßig gewesen, die Reinschrift anzufertigen, bevor der Wortlaut des Konzeptes auf seine sachliche Richtigkeit geprüft war. Die Kanzleivermerke sagen über den Zeitpunkt der Revision nichts Bestimmtes aus. Jedoch die zahlreich uns erhaltenen Urkundenkonzepte, welche häufig Korrekturen aufweisen, sprechen dafür, daß in vielen Fällen das Konzept überprüft und korrigiert wurde.

Sobald die Revision erfolgt und die nötigen Korrekturen vorgenommen waren, erhielt die Kanzlei den Fertigungsbefehl, d. h. den Auftrag, die Reinschrift herzustellen 3 ). Erst dann erfolgte evtl. nach nochmaliger Prüfung der Reinschrift die Besiegelung. Die Korroborationsformeln der mecklenburgischen Urkunden weisen darauf hin, daß es zur Besiegelung der Urkunden ebenfalls in der Regel des speziellen Befehls seitens der Fürsten bedurfte 4 )

Es ergibt sich also, daß die Kanzlei bei dem Beurkundungsgeschäft unter schärfster Kontrolle des Herrschers und der landesfürstlichen Räte stand. Der Fürst konnte an sich dreimal selbst-


1) S. A. Reg. 19. 2. 1466.
2) Ficker a. a. O. Bd. II S. 59, ebenso Redlich, Privaturkunden S. 168 und für Brandenburg auch Lewinski a. a. O. S. 121 f. beziehen die Revision auf das Konzept. Vgl. auch Breßlau a. a. O. Bd. II S. 161 ff.
3) Auf der Rückseite der durchkorrigierten Urkundenkonzepte, die uns aus der Zeit des Kanzlers Johann Schwalenberg (1366 - 74) erhalten sind, findet sich häufig folgendes Zeichen , darunter oder darüber der Vermerk: "vera". Vgl. M. U.-B. XVI, 9865; XVIII, 10 310. Diese Vermerke stammen allem Anschein nach von der Hand, von welcher auch die Korrekturen des betreffenden Konzeptes herrühren. Ich vermute, daß dieser Vermerk zum Ausdruck bringen soll, daß das Konzept auf seine sachliche Richtigkeit geprüft ist und nun mundiert werden kann. Dasselbe Zeichen findet sich auch auf den im M. U.-B. XVI, 9934 und XVIII, 10 233, 10 325, 10 532 und 10 624 abgedruckten durchkorrigierten Schriftstücken.
4) Z. B. M. U.-B. XVIII, 10 187: "In quorum efficax testimonium presentem litteram testium subscripcione et sigilli nostri appensione ex certa nostra sciencia fecimus ac iussimus roborari."
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tätig in den Geschäftsgang eingreifen: Er übermittelte erstens den Beurkundungsbefehl an die Kanzlei zur Herstellung eines Entwurfes, nach erfolgter Revision erteilte er zweitens den Fertigungsbefehl zur Herstellung der Reinschrift und schließlich konnte er nach Überprüfung der Reinschrift den Vollziehungsbefehl zur Besiegelung der Urkunde geben. Die Kanzlei diente bei dem Beurkundungsgeschäft also lediglich als technisches Hilfsorgan.

Kapitel III.

Die Tätigkeit der Kanzlei.

§ 1.

Die Tätigkeit des Kanzlers und der Kanzleibeamten.

Das mittelalterliche Ämterwesen unterscheidet sich von dem modernen Behördenwesen besonders dadurch, daß es keine streng durchgeführte Arbeitsteilung, keine Zuerkennung von "Dezernaten" an bestimmte, durch Amt oder Vorbildung qualifizierte Hofbeamte oder Räte kennt. Der Aufgabenkomplex der Verwaltung ist nicht in einzelne Ressorts aufgeteilt, sondern wird von den Landesfürsten mit Unterstützung und grundsätzlich unter Hinzuziehung seiner Hofbeamten und Räte zum großen Teil persönlich erledigt. Hieraus erklärt sich die vielseitige Tätigkeit insbesondere des Kanzlers. Da die Beamten der Kanzlei als Geistliche über technische Fertigkeiten, elementare Rechtskenntnisse und über eine überragende Bildung verfügten, wurden sie mit besonderer Vorliebe zu den verschiedensten Verwaltungs- und Regierungsgeschäften verwendet.

Als landesfürstliche consiliarii wurden vor allem die Kanzler zu den Ratsverhandlungen hinzugezogen und hatten den Herrscher nach bestem Wissen und Gewissen zu beraten. Wegen ihrer Kenntnisse und Fertigkeiten bildeten sie im Rate der Fürsten "die notwendige Ergänzung zu den ritterbürtigen consiliarii". Als Zeugen und gelegentlich als Mitsiegler 1 ) traten sie für die in den Ratsverhandlungen getroffenen Entscheidungen der Fürsten ein. Auch wurden sie gelegentlich zusammen mit anderen fürstlichen Räten beauftragt und bevollmächtigt, im Namen der Fürsten


1) Z. B. S. A. Reg. 11. 11. 1427; 30. 11. 1435; 27. 9. 1436; 17. 4. 1438; 16. 5. 1451.
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Rechtsgeschäfte abzuschließen 1 ). Im Jahre 1328 nahm der Notar Meynardus im Auftrage seines Herrn den Schoß von Rostock in Empfang 2 ). Häufig wurden Kanzler oder Schreiber von den Fürsten zu den Vögten entsandt mit dem Auftrage, größere oder kleinere Geldbeträge anzufordern 3 ). Das Geld wurde ihnen dann meist wohl gegen Vorzeigung einer mit dem Siegel des Herzogs versehenen Anweisung ausgehändigt 4 ). Mit Vorliebe wurden die Kanzler mit diplomatischen Missionen betraut. Kein Hofbeamter ist in den 60er und 70er Jahren des 15. Jahrhunderts so häufig zu Verhandlungen mit dem Lübecker und Stralsunder Rat, mit dem Kaiser oder gar dem Papst verwendet worden wie die Kanzler und Sekretäre Heinrich Bentzien und Thomas Rode 5 ). Auch die Verhandlungen mit dem Schweriner Bischof in den Jahren 1447 und 1448 wegen Aufnahme von Anleihen wurden von Beamten der Kanzlei geführt und zwar von dem Schreiber Heinrich Reventlow (1447) und dem Kanzler Johann Hesse und Heinrich Bentzien (1448) 6 ). Die Verwendung der Kanzler zu den allgemeinen Verwaltungs- und Regierungsgeschäften läßt sich wohl mehr herleiten aus den Aufgaben, die sie als herzogliche Räte zu erfüllen hatten, als aus ihren Pflichten, die ihnen als Schreiber oblagen. In seiner Funktion als Schreiber hatte der Kanzler, unterstützt durch die übrigen Kanzleibeamten, den gesamten Schriftverkehr der fürstlichen Verwaltung zu bewältigen. Dabei ist zunächst festzustellen, daß, wie in der fürstlichen Verwaltung im allgemeinen, so auch speziell im Geschäftsbetrieb der Kanzlei eine strenge Abgrenzung der Kompetenz nicht zu beobachten ist. Der Kanzler hatte zwar als Vorstand der Kanzlei die Notare und Schreiber zu beaufsichtigen und war verantwortlich für eine gewissenhafte und geregelte Geschäftsführung, jedoch erledigte er die Geschäfte der Kanzlei gemeinsam mit den übrigen Kanzleibeamten. So sind beispielsweise im 15. Jahrhundert die Urkunden bald vom Kanzler, bald von den Sekretären konzipiert


1) So schlossen die beiden fürstlichen Räte Wipert v. Lützow und der Protonotar Rothgerus nach M. U.-B. VII, 4461 im Namen des Fürsten Heinrich II. einen Verkaufsvertrag mit einem Rostocker Bürger namens Johann v. d. Mölen ab: "actum et datum in ciuitate Rozstok nostro nomine per Wipertum et Ruthgerum predictos."
2) M. U.-B. VII, 4894.
3) Z. B. S. A. Reg. 14. 10. 1462; 6. 3. 1463; 8. 10. 1467; 3. - 7. 3. 1468; 28. 10. 1468 usw.
4) Vgl. Steinmann, M. J.-B. 86 S. 102 Anm. 35.
5) Belege oben S. 38 ff.
6) S. A. Reg. 12. 3. 1447 und M. J.-B. Bd. 24 S. 222/3.
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worden 1 ). Und selbst das mechanische Geschäft der Urkundenregistrierung ist gelegentlich vom Kanzler besorgt worden. Ein großer Teil der Einträge in das vom Kanzler Kröpelin 1361 angelegte Register stammt von der Hand des Kanzlers.

Zu den wichtigsten und ständigen Aufgaben der Kanzlei gehörte die Herstellung der Urkunden. Im 12. bis 13. Jahrhundert, als die Urkunden noch zu einem großen Teil von Empfängerhand hergestellt wurden, beschränkte sich die Tätigkeit der Hofnotare bei dem Beurkundungsgeschäft vor allem auf Prüfung und Beglaubigung der Urkunden 2 ). Seitdem aber die Empfängerherstellung seltener wurde, steigerte sich der Anteil der Kanzlei an dem Beurkundungsgeschäft. Entscheidungen, welche die mecklenburgischen Fürsten persönlich bzw. nach Beratung mit den consiliarii trafen, erhielten in der fürstlichen Kanzlei ihre urkundliche Form.

Während vor Entstehung einer organisierten Kanzlei das fürstliche Siegel, welches an den Urkunden zur Beglaubigung befestigt wurde, sich anscheinend im Gewahrsam der Hofnotare befand, trug in späterer Zeit der Kanzler als Vorstand der Kanzlei und Leiter der Kanzleigeschäfte die Verantwortung für rechtmäßigen Gebrauch des Siegels. Lisch 3 ) sieht in den fürstlichen Siegeln "die eigentlichen Insignien oder Amtszeichen des Kanzlers", welche dieser "notwendig allein und mit Verantwortlichkeit führen mußte". Der Kanzler verwahrte nicht nur das Siegel, sondern scheint meist auch die Urkunden selbst gesiegelt zu haben. Wo einmal in den Quellen diejenige Persönlichkeit kenntlich gemacht ist, welche die Siegelung ausführte, da ist als Siegelnder der Kanzler genannt 4 ).


1) Eine Anzahl von Urkundenkonzepten aus den 50er Jahren des 15. Jahrhunderts sind von dem Sekretär Hermann Widenbrügge (1450 bis 1462) verfaßt, dessen Handschrift wir aus einer Abrechnung mit dem Ribnitzer Vogt aus dem Jahre 1450 genau kennen. "anno 1450 ... rekende ik Hermanus Widenbrügge usw." Vgl. S. A. Schloßrechnungen Ribnitz. Die höchst charakteristische Handschrift ist identisch mit derjenigen mehrerer Urkundenkonzepte aus dieser Zeit, z. B. Stadturkunden Sülze (9. 3. 1450; 12. 3. 1450); S. A. Gutsurkunden Dambeck (Neustadt) (1. 1. 1451). Vgl. auch S. A. Gutsurkunden Steinbeck (undatiert) usw. Andererseits stellt Steinmann, M. J.-B. 86 S. 105 Anm. 48, fest, daß selbst noch unter Magnus II. und später ein großer Teil der Konzepte von den mecklenburgischen Kanzlern entworfen wurde.
2) Vgl. oben S. 11 ff., S. 18 f.
3) Kanzlerinsignien im Mittelalter, M. J.-B. IX S. 228.
4) So wird gelegentlich ausdrücklich betont, daß der Kanzler Thomas Rode die Siegelung ausführte. Vgl. den Kanzleivermerk
(  ...  )
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Der Kanzler hatte mit Hilfe seiner Beamten die gesamte private und amtliche Korrespondenz der Fürsten zu führen. Notizen über die Aufträge, die man entgegengenommen und für deren Erledigung man Sorge zu tragen hatte, finden sich gelegentlich auf Briefkonzepten 1 ). Ferner wird es Aufgabe des Kanzlers gewesen sein, seinem Herrn die Kenntnis der eingegangenen Schriftstücke zu vermitteln. Auch bei den Landtagsverhandlungen scheinen dem Kanzler bestimmte Funktionen obgelegen zu haben. Aus dem einzigen aus dem Mittelalter erhaltenen mecklenburgischen "Landtagsprotokoll" geht hervor, daß der Kanzler nicht nur über die Verhandlungen protokollierte, sondern auch die Stände mit dem Inhalt der etwa zu verhandelnden kaiserlichen Mandate oder dergleichen bekannt machte 2 ).Auch auf dem Gebiete der Finanzverwaltung waren Kanzler und Notare tätig. Das älteste Aktenstück über die Verwaltung


(  ...  ) Anl. 2 Nr. 27. S. A. Reg. 25. 5. 1473 heißt es, daß das größte Siegel durch "Thomas Roden vnsen canceller" angehängt wurde. Besonders bemerkenswert ist auch eine Notiz unter einer Abschrift in dem Register von 1361, wo der Kanzler Kröpelin zu dieser von seinem Vorgänger Bertram Behr im Jahre 1358 entworfenen Urkunde folgendes bemerkt: "licet ista littera debuisset per Dominum Bertram Beren sigillasse anno quo supra, tamen ex iussu speciali domini mei eam sigillaui feria quinta infra Penthecostes anno quo registrum incepi." Lisch a. a. O. S. 229 und ihm folgend A. Leesenberg im Wochenblatt der Johanniterordens-Balley Brandenburg 1884 S. 313 ff. folgern besonders aus dieser Stelle, daß der Kanzler im späteren Mittelalter das Siegel führte. - M. U.-B. XV, 9337 heißt es: "Et ad maiorem rei evidenciam premissorum secretum nostrum presentibus litteris est appensum, maiore nostro sigillo certe custodie deputato postea sigillando." Wir dürfen dem wohl ergänzend hinzufügen, daß das "sigillum maius" der sicheren Hut des Kanzlers anvertraut war.
1) Bezeichnend hierfür ist das Konzept eines Briefes aus dem Jahre 1477 (S. A. acta succ.), worin die Herzöge Albrecht, Magnus und Balthasar "heren Hugen, grauen to Werdenberge", bitten, er solle sich für sie beim Kaiser wegen Bestätigung ihrer Lehen und Regalien verwenden. Auf diesem Konzept befinden sich noch eine Reihe von Notizen von der Hand desselben Schreibers, wonach in derselben Angelegenheit noch geschrieben werden soll an "heren Sygmunt Nyderthorer, rytter vnd kaiserliker kamermester, heren Sigmunt Bruschenk, ritter vnd kaiserliker kamermester", ferner an "heren Johans Waldener, canczler in der römischen canczlie".
2) Vgl. Lisch, M. J.-B. Bd. 10 S. 191 ff. Auf der Rückseite einer Abschrift der landesherrlichen Privilegienbestätigung für das Land Stargard aus dem Jahre 1477 "steht eine in kleiner flüchtiger Schrift von der Hand des herzoglichen Kanzlers geschriebene Nachricht oder Notiz, die ein Landtagsprotokoll aus dem Jahre 1488 darstellt". In dieser Aufzeichnung bemerkt der Kanzler, daß durch ihn den Ständen zwei kaiserliche Mandate verlesen worden sind: "... vnde dorch my gelesen zwei keyserlike mandât".
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des Haushaltes der mecklenburgischen Fürsten stammt von der Hand des Kanzlers Bertram Behr 1 ). Dieses Schriftstück, bestehend aus 13 Blättern in Folioformat, enthält die Verrechnung der in der ersten Hälfte des Jahres 1354 für den Herzog Albrecht II. eingenommenen und ausgegebenen Gelder 2 ). Häufig lesen wir in den Urkunden, daß durch den Kanzler, Notar oder Sekretär Gelder an Gläubiger der mecklenburgischen Fürsten in deren Namen ausbezahlt 3 ) oder über eingegangene Beträge Empfangsbescheinigungen ausgestellt wurden 4 ).

Durch ihre technischen Fertigkeiten und Kenntnisse waren Kanzler und Notare in erster Linie dazu befähigt, die Fürsten in der Kontrolle des Rechnungswesens zu unterstützen. Freilich hat im Mittelalter eine regelmäßige Kontrolle der Vögte oder Geldeinnehmer durch die mecklenburgischen Fürsten bzw. durch die Kanzlei allem Anschein nach nicht stattgefunden, da in Mecklenburg bis zum Ende des 15. Jahrhunderts eine geordnete Finanzverwaltung überhaupt nicht existierte. Die Vogteien des Landes waren selbständige Wirtschafts- und Verwaltungsbezirke, welche unmittelbar unter der Person des Fürsten standen 5 ). Deshalb möchte ich die Bezeichnung der mecklenburgischen Kanzlei als "Oberrechnungsbehörde", wie etwa die Kanzlei der Wettiner von H. B. Meyer 6 ) genannt wird, vermeiden. Die mecklenburgischen Fürsten rechneten nur gelegentlich, nicht zu bestimmten Terminen, sondern nach der Amtszeit der Vögte oder über eine beliebige Reihe von Jahren oder Monaten mit den Vögten ab 7 ). Die Abrechnungen erfolgten nicht in der Kanzlei, wie z. B. durchweg in der Mark Brandenburg 8 ), sondern der Herzog ließ in der Regel die


1) Lisch, Urkunden und Forschungen zur Geschichte des Geschlechtes Behr, Bd. III, B. 1864 S. 10.
2) Vollständig abgedruckt M. U.-B. XIII, 7988, im Auszug bei Lisch a. a. O. S. 8 ff.
3) Vgl. z. B. S. A. Reg. 25. 1. 1425; 29. 1. 1425.
4) Vgl. z. B. M. U.-B. XIV, 8695; XVI, 9696, 9999. Vgl. auch M. U.-B. IX, 6245.
5) Witte a. a. O. Bd. I S. 272.
6) Hof- und Zentralverwaltung der Wettiner S. 29, 71 und 79. Über die Mosellande vgl. K. Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben Bd. I, 2 S. 1432, 1443.
7) Am 7. 2. 1474 läßt Herzog Heinrich "dorch my Thomam Roden siner gnaden scriuer" mit dem Buckower Vogt abrechnen, "von der tyd an, so langhe he siner gnaden vaghet ist gewesen". Ähnlich 9. 10. 1474 und 9. 12. 1475. Am 8. 4. 1458 wird mit Joachim Pentz, Vogt von Schwerin, ebenso am 17./18. 4. 1461 mit Vicke Koppelow, Vogt von Marnitz, über 3 Jahre, am 15. 4. 1470 mit Karsten Burren, Vogt von Schwaan, über 5 Jahre abgerechnet usw.
8) Vgl. Spangenberg a. a. O. S. 130, S. 412, S. 419.
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Vögte mit den von ihnen geführten Rechnungsbüchern zur Rechnungslegung dorthin kommen, wo er gerade sich aufhielt 1 ). Aus den in größerem Umfange besonders aus der Zeit Heinrichs IV. (1436 - 77) erhaltenen Abrechnungen geht hervor, daß der Herzog meist "dorch" oder "vermiddelst" seiner Kanzleibeamten - Kanzler oder Sekretäre - , ganz selten durch andere Personen - Zöllner, Pfarrer, Räte - mit den Vögten abrechnen ließ. Die Kanzleibeamten dienten lediglich als Beauftragte oder technische Hilfskräfte bei der Abrechnung. Sie hatten das Durchrechnen der Rechnungsbücher, welche die Grundlage der Revision bildeten, zu erledigen. Vor Zeugen stellten sie die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben der Vogtei fest. Darauf wurden über das Ergebnis der Abrechnung zwei gleichlautende Schriftstücke ausgefertigt, von denen das eine dem Vogt ausgehändigt, das andere in der Schreibstube der mecklenburgischen Herzöge, die zugleich als Archiv diente, zur Kontrolle der Verwaltung aufbewahrt wurde 2 ).

In den 50er Jahren des 15. Jahrhunderts hat gelegentlich der Sekretär Hermann Widenbrügge die Abrechnungen ausgeführt 3 ), seit etwa 1463 sind die meisten Abrechnungen durch den Schreiber und späteren Kanzler Thomas Rode vollzogen 4 ), während seit 1472 auch der Sekretär Laurentius Stoltenborg hin und wieder die Rechnungsbücher der Vögte revidierte 5 ). Gelegentlich waren auch mehrere Kanzleibeamte zusammen an der Abrechnung beteiligt 6 ).

Zu den wichtigsten Bedürfnissen einer einigermaßen geordneten Verwaltung gehört das Registraturwesen. Wie der Schriftverkehr fast der gesamten Verwaltung vom Kanzler und seinen


1) S. A. Schloßrechn. Boizenburg-Wittenburg 1462 - 68 Fol. 50 b (19. 9. 1466) heißt es: "item sede my (Wittenburger Vogt) mines heren gnaden, ik scholde kamen mit den registeren to Tzarntin ame Vrygdage dar na, dar vur ik hen, syne gnaden quam to der tiid nich etc."
2) Eine von der Hand des Sekretärs Hermann Widenbrügge am 18. 4. 1454 abgefaßte Ausfertigung schließt mit den Worten: "Des to tughe sint desser schrifte twe all ens ludende de ene vth der anderen ghesneden, der ene is Thoniesse vorbenomed, de andere by des vorberurden vnses gnedigen hern schriuery woll vorwart. Gewen to Zwerin usw." S. A. Schuldbriefe I Nr. 192. Ähnlich schließen eine Reihe von Abrechnungen.
3) Z. B. S. A. Schloßrechn. Ribnitz 1450/51 (18. 4. 1454).
4) S. A. Reg. 12. 10. 1464; 5. 1. 1465; 7. 4. 1467; 16. 6. 1469; 16. 1. 1472 usw.
5) S. A. Reg. 6. 1. 1472; 9. 7. 1472; 22. 5. 1475; 3. 11. 1475 usw.
6) S. A. Reg. 12. 10. 1463 rechnen Hermann Widenbrügge, Heinrich Bentzien und Thomas Rode, sämtlich der Kanzlei angehörend, mit dem Vogt Karsten Burren ab.
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Beamten bewältigt werden mußte, so war auch Anlage und Führung der Geschäftsbücher, welche erst eine Kontrolle der Verwaltung und eine Übersicht über die Verwaltungstätigkeit ermöglichten, Sache der Kanzlei als Hilfsorgan der gesamten Verwaltungstätigkeit der Herrscher und ihrer Räte. (Über die mecklenburgischen Kanzleibücher vgl. unten § 2 S. 71 ff.)

Wie in anderen Territorien 1 ), so war auch in Mecklenburg der Kanzler, wie es scheint, zugleich Vorsteher des fürstlichen Archives. Die archivalischen Schätze der mecklenburgischen Fürsten wurden nicht nur zum großen Teil in der Schreibstube im Schweriner Schlosse aufbewahrt, sondern auch von Beamten der Kanzlei verwaltet. Das darf man wohl aus dem Ende des 15. Jahrhunderts in der Kanzlei entstandenen Urkundenrepertorium schließen, welches die Titel führt "Registrum certarum litterarum existencium in custodia cancellarie dominorum Magnopolensium" oder "registratura der vorsigelten brieffe In der meckelnburgischen Cantzeley zu Sweryn vorwart", wie es auf dem Umschlage genannt wird 2 ). Die recht bedeutende Anzahl der erhaltenen Urkunden, welche gerade den Landesteil der mecklenburgischen Linie und die Angelegenheiten dieses Hauses betreffen, beweist uns hinlänglich, welche Aufmerksamkeit die mecklenburgischen Fürsten von je her ihrem eigenen Archive schenkten. Bei der Vereinigung der einzelnen Teilherrschaften mit dem Herzogtum Mecklenburg waren sie aufs sorgsamste darauf bedacht, auch den archivalischen Nachlaß der einzelnen Fürstenhäuser zu erwerben und ihrem Archive einzuverleiben 3 ). In dem Archive wurden auch manche für die Kontrolle der Verwaltung wichtigen Schriftstücke, Konzepte, Registerlagen, die Abrechnungen und vor allem die Rechnungsbücher der


1) Z. B. in Brandenburg. Vgl. Lewinski a. a. O. S. 125 ff.
2) M. U.-B. I, Vorwort, S. VIII, IX.
3) In dem Kaufvertrag mit dem Grafen von Schwerin vom 7. 12. 1358 (M. U.-B. XIV, 8541) fordert Herzog Albrecht II, "alle breue, de de suluen greuen vnd ere voruarenden gi ghehat hebben vnd hebben van der greueschap weghene to Zwerin". Auch bei dem Erbfall der werleschen Lande (1436) gingen die Urkunden der werleschen Fürsten wenigstens zum großen Teil in den Besitz des Schweriner Hauses über. Sie werden in dem bereits erwähnten Urkundenrepertorium unter einer besonderen Rubrik "Wenden" neben den mecklenburgischen Urkunden aufgeführt. Ob dagegen bei der Erwerbung der Lande Stargard (1471) das Archiv des Stargarder Fürstenhauses in seinem vollen Umfang dem Schweriner Archiv einverleibt worden ist, wird von Lisch (M. U.-B. I, Vorwort, S. X), wie mir scheint, mit Recht bezweifelt. Vgl. den Bericht Joachim Heydebergs an Herzog Magnus II. aus dem Jahre 1497, abgedruckt M. J.-B. X S. 196; M. U.-B. I S. X, wodurch Lischs Vermutung seine Bestätigung und Erklärung findet.
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Vögte aufbewahrt. Um das mecklenburgische Archiv haben besonders im 16. Jahrhundert die Kanzler Caspar von Schönaich und Dr. Wolfgang Ketwigk, ferner der Sekretär Samuel Fabricius und der Notar Daniel Clandrian sich bleibende Verdienste erworben 1 ).

§ 2.

Die mecklenburgischen Kanzleibücher, insbesondere die Register.

Im Vorwort zum M. U.-B. 2 ) spricht Lisch sein Bedauern darüber aus, daß die Konzeptbücher, Lehnsrollen und Register aller Art aus älterer Zeit nicht bei den Urkunden aufbewahrt und somit zum größten Schaden der mecklenburgischen Landesgeschichte verloren gegangen sind. Mit dieser Bemerkung setzt Lisch voraus, daß im Mittelalter auch in Mecklenburg Geschäftsbücher zur Kontrolle der Verwaltung geführt wurden. Diese Voraussetzung ist allein schon auf Grund der allgemeinen Erwägung berechtigt, daß die spätmittelalterliche Verwaltung besonders größerer Territorien sich kaum vorstellen läßt ohne Geschäftsbücher, welche Kontrolle und Übersicht über die Verwaltungstätigkeit ermöglichten. Je mehr sich die deutschen Territorien zu selbständigen staatlichen Gebilden ausgestalteten, desto größer wurde das Bedürfnis der Verwaltung nach solchen Geschäftsbüchern. Besonders die Finanzverwaltung machte Aufzeichnungen, Steuerverzeichnisse, Rechnungsbücher und dgl. erforderlich 3 ). Lehenbücher unterrichteten über den Besitzstand der Fürsten und die militärischen Pflichten der fürstlichen Vasallen 4 ). Die wichtigste Gruppe der Geschäftsbücher der Verwaltung sind die eigentlichen Kanzleibücher, insbesondere die Register.

Die Anfänge der Registerführung an deutschen Fürstenhöfen fallen in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die Registerführung bürgerte sich in den landesfürstlichen Kanzleien etwa


1) Vgl. M. U.-B. I, Vorwort, S. VIII - XI.
2) S. VIII.
3) Solche urbarialen Aufzeichnungen und Bücher, welche den Bedürfnissen der Finanzverwaltung Rechnung trugen, wurden besonders früh in den frühentwickelten Territorien Österreich, Steiermark, Tirol, Savoyen und Bayern angelegt und geführt. Vgl. Redlich a. a. O. S. 158 ff.
4) Ein Verzeichnis der deutschen Lehenbücher, Lehenregister und ähnlicher Aufzeichnungen findet sich bei Lippert, "Die deutschen Lehenbücher", Leipzig 1903, S. 124 ff.
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um dieselbe Zeit wie in der Reichskanzlei ein 1 ). Unter Register im diplomatischen Sinne verstehen wir "Bücher, in welchen Kopien oder Auszüge der auslaufenden Schriftstücke einer Kanzlei eingetragen werden" 2 ). Durch die Registrierung der auslaufenden Schriftstücke wahrten sich die Fürsten den Überblick über die eigenen Verfügungen und konnten sich jederzeit zu politischen oder rechtlichen Zwecken auf die Register berufen.

Wie bereits angedeutet wurde, ist es mit der Überlieferung der mecklenburgischen Geschäfts- und Kanzleibücher schlecht bestellt. Jedoch die wenigen uns erhaltenen Überreste legen Zeugnis davon ab, daß auch in der mecklenburgischen Kanzlei der Brauch, Geschäftsbücher zu führen, wenigstens zu bestimmten Zeiten nicht unbekannt war. Abgesehen von einer Anzahl von Rechnungsbüchern aus dem 15. Jahrhundert, die von den fürstlichen Lokalbeamten geführt wurden und deshalb von unserer Betrachtung ausgeschlossen werden sollen, sind uns nur eine Lehnsrolle der Grafen von Schwerin, zwei Registerhefte und ein Lehnsregisterheft der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin erhalten.

1. Die Lehnsrolle der Grafen von Schwerin.

Über die Lehnsrolle der Grafen von Schwerin, welche eine allerdings wohl unvollständige Zusammenstellung der linkselbischen Besitzungen der Grafen enthält, können wir uns kurz fassen, da sie bereits mehrfach abgedruckt und eingehend besprochen worden ist 3 ). Sie ist in der Form einer Urkunde abgefaßt. Das Pergament war von vornherein zu klein geschnitten, sodaß der Schreiber auch die Rückseite benutzen mußte. Die Lehnsrolle ist von den Herausgebern in 91 Paragraphen aufgeteilt. Die Para-


1) Vgl. Breßlau a. a. O. Bd. I S. 104 ff. In der Reichskanzlei wurden zuerst unter Heinrich VII. Register geführt (Breßlau S. 131 ff.). An deutschen Fürstenhöfen läßt sich der Brauch der Registerführung zuerst (1311 - 13) bei Erzbischof Balduin v. Trier, noch früher bei dem Grafen von Hennegau nachweisen (Breßlau S. 142 ff.).
2) Redlich a. a. O. S. 162. Vgl. auch Breßlau a. a. O. Bd. I S. 103 Anm. 2. Hier finden sich weitere terminologische Bemerkungen und kritische Auseinandersetzungen mit dem Sprachgebrauch anderer Diplomatiker.
3) Zuerst veröffentlicht von Masch im Vaterländischen Archiv für Niedersachsen, 1838, Heft 1, S. 96 - 104 nach einer recht ungenauen Abschrift vom Original. Den ersten Abdruck nach dem Original lieferte v. Hammerstein, Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen, 1857, S. 6 ff. Vgl. auch M. J.-B. Bd. 25 S. 132 ff. Abgedruckt ist die Lehnsrolle ferner im M. U.-B. III, 2421, wo sich auch eine eingehende Besprechung findet.
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graphen 1 - 86 scheinen in einem Zuge von einem Schreiber geschrieben zu sein, §§ 87 - 88 sind von demselben Schreiber, aber wohl zu anderer Zeit hinzugefügt worden. Dagegen §§ 89 - 91 stammen, wie es scheint, von einer zweiten Hand.

Aus welchem Jahre die uns vorliegende Lehnsrolle stammt, läßt sich schwer bestimmen. Aus dem ersten Satze könnte man schließen, daß sie in der ersten Regierungszeit des Grafen Helmold II., also ungefähr 1274 oder 1275, geschrieben sei 1 ). Jedoch die Untersuchungen Maschs, v. Hammersteins und vor allem Lischs haben ergeben, daß aus inneren Gründen die Lehnsrolle in der Gestalt, wie sie uns vorliegt, später abgefaßt sein muß 2 ). Es hat die größte Wahrscheinlichkeit für sich, daß die Rolle, wie sie uns erhalten ist, nicht lange nach dem Regierungsantritt des Grafen Gunzelin V., also Ende 1296 oder im Jahre 1297, "als die Vasallen zur Muthung ihrer Lehne geladen wurden", von einem älteren durchkorrigierten Exemplar abgeschrieben und am Schluß vom Grafen Gunzelin fortgesetzt ist 3 ).

2. Die Register der mecklenburgischen Herzöge.

a) Aus der Zeit des Kanzlers Johannes Kröpelin (1361 - 62) sind uns zwei Registerhefte erhalten; beide haben Folioformat. Sie werden im Schweriner Archiv unter "Schuldbriefe I, 23/24" aufbewahrt.

Das erste Heft besteht aus einer sechs Bogen starken Lage, anscheinend aus Baumwollpapier 4 ). Die 24 Seiten des Heftes, welche keinerlei Numerierung von gleichzeitiger Hand aufweisen, sind sämtlich beschrieben. Die Lage ist geheftet mit einem zusammengedrehten Papierfaden. Da das Heft durch keinen Einband geschützt war, haben sich die beiden äußeren Blätter von dem Heftverband abgelöst und werden bei dem Registerheft verwahrt.

Wie aus der Überschrift hervorgeht, ist dieses erste mecklenburgische Register am 20. März 1361 von dem Protonotar und Kanzler Johannes Kröpelin angelegt worden. Die Überschrift, die aber offenbar nicht von der Hand des Kanzlers herrührt, lautet: "Incipit registrum, inchoatum per Johannem Crö-


1) Der erste Satz lautet: "Hec sunt bona, que comes Helmoldus de Zwerin mortuo patre suo comite Gunzelino in pheodo suis hominibus porrexit.
2) Vgl. von Hammerstein a. a. O. S. 5 f. und M. U.-B. III S. 657/59.
3) So Lisch im M. U.-B. III, 2421 S. 658.
4) Lisch, M. J.-B. Bd. 9 S. 228.
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pelin, prothonotarium illustris principis domini Alberti ducis Magnopolensis etc. sub anno incarnacionis domini MCCCLX primo, sabbato ante dominicam Palmarum". Da Johannes Kröpelin an demselben Tage urkundlich zum erstenmal als mecklenburgischer Kanzleibeamter und zwar als Kanzleivorstand begegnet 1 ), so ist die Vermutung wohl berechtigt, daß die Anlage des Registers auf die Initiative des neuen Kanzleichefs zurückzuführen ist. Das Register enthält 31 Abschriften von Urkunden, welche größtenteils in der Zeit von März bis Juli 1361 ausgestellt worden sind. Im M. U.-B. sind aus diesem Zeitabschnitt außer den im Register enthaltenen nur drei Urkunden abgedruckt, welche im Register fehlen. Daraus können wir ersehen, daß in dieser Zeit ein recht beträchtlicher Teil der Urkunden registriert sein wird.

Der achte Eintrag trägt das Datum vom 6. Juni 1358. Jedoch bemerkt der Kanzler dabei, obgleich sein Vorgänger Bertram Behr die Urkunde noch hätte besiegeln müssen, so habe er doch auf besonderen Befehl seines Herrn am 20. Mai 1361 das fürstliche Siegel angehängt 2 ). Diese Urkunde ist also auch erst 1361 ausgehändigt. Der achtzehnte Eintrag ist die Abschrift von einer Urkunde aus dem Jahre 1359. Bei der fünfundzwanzigsten Abschrift fehlt jegliche Datierung. Im übrigen stammen die Urkunden aus dem Jahre 1361. Der fünfzehnte Eintrag, eine Verpfändungsurkunde, ist augenscheinlich zum Zeichen der Kassation durchstrichen. Der neunzehnte Eintrag enthält nur den Anfang einer Urkunde und ist ebenfalls durchstrichen. Der Herausgeber des M. U.-B. hält es für wahrscheinlich, daß das betreffende Konzept überhaupt nicht mundiert worden ist 3 ).

Das zweite aus der Zeit des Kanzlers Kröpelin stammende Register ist dem ersteren durchaus ähnlich. Es bestand ursprünglich aus einer sieben Bogen starken Lage aus Linnenpapier, wie es scheint 4 ). Jedoch von den letzten sieben unbeschriebenen Blättern sind drei abgetrennt, sodaß das Heft jetzt nur noch aus vierzehn beschriebenen und acht unbeschriebenen Blättern besteht. Es hat, wie auch das ältere Heft, Folioformat und ist in ebenderselben Weise mit einem zusammengedrehten Papierfaden ge-


1) M. U.-B. XV, 8853 (20. 3. 1361).
2) Licet ista littera debuisset per Dominum Bertram Beren sigillasse anno quo supra (6. 6. 1358), tamen ex iussu et mandato speciali domini mei eam sigillaui feria quinta infra Penthecostes anno quo registrum incepi.
3) M. U.-B. XV, 8820 (1361).
4) Vgl. Lisch, M. J.-B. Bd. IX S. 228.
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heftet. Auf den frei gebliebenen Blättern finden sich mitunter Zeichnungen und Sprüche von der Hand späterer Schreiber.

Das Heft enthält im ganzen 23 Abschriften von Urkunden Albrechts II., welche größtenteils während der Zeit vom 6. Februar bis 31. Oktober 1362 ausgestellt wurden. Von den in dieser Zeit in der herzoglichen Kanzlei ausgestellten Urkunden sind uns nach dem M. U.-B. 27 erhalten, von denen sich 18 Abschriften im Register finden. Man registrierte also mit Auswahl. Der achte Eintrag ist die Abschrift von einer Urkunde, welche als Datum den 22. November 1360 aufweist. Der Kanzler Kröpelin schickt dieser Kopie folgende Bemerkung voraus: "Item sequens litera decreta fuit ante tempus meum, sed tempore meo est sigillata. Cuius tenor talis est" (es folgt die Abschrift). Es handelt sich also hier um einen ganz ähnlichen Fall, wie er uns schon oben in dem älteren Register begegnet ist. Ferner sind in dieses Registerheft noch vier Urkunden aus dem Jahre 1360 und 1361 aufgenommen (Eintrag 7 - 10). Der siebzehnte Eintrag betrifft die Bestätigung eines Verkaufes seitens Johann v. Moltkes durch Albrecht II. In diesem Falle ist außer der Bestätigungsurkunde auch der Anfang der Moltkeschen Verkaufsurkunde mitgeteilt.

Beide Hefte sind so eingerichtet, daß die vier Ränder der einzelnen Seiten meist durch vertikale und horizontale Linien von der zu beschreibenden Fläche abgegrenzt und in der Regel frei gelassen sind. Mitunter haben die Schreiber aber auch über den Rand geschrieben. Auf die freigelassenen Ränder sind im 16. Jahrhundert von der Hand des späteren Kanzlers Caspar von Schönaich (1507 - 47) kurze Inhaltsangaben der einzelnen Urkunden und alle möglichen Randglossen, die sich auf den Inhalt der Abschriften beziehen, geschrieben worden, ein Zeichen, daß die Registerhefte auch noch in späterer Zeit praktische Dienste leisteten. Offenbar von der Hand Caspar von Schönaichs stammen auch die Unterstreichungen wichtiger Stellen in den einzelnen Kopien, besonders der Namen, Daten und Zahlen.

Grundsätzlich sind die Urkunden in ihrem vollen Wortlaut, nicht etwa in der Form kurzer Auszüge, registriert worden. Gelegentlich finden sich jedoch Kürzungen, besonders der Intitulatio und des Schlußprotokolls 1 ). Da die meisten Einträge von der Hand des Kanzlers Kröpelin stammen, so müssen sie zum größten Teil in den Jahren 1361 - 62 gemacht sein, in welchen er der mecklenburgischen Kanzlei angehörte.


1) So in Heft 1 Eintrag Nr. 11, 19, 25; in Heft 2 Eintrag Nr. 8, 10, 12, 16.
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Die Abschriften beider Registerhefte lassen sich ihrem Inhalte nach nicht unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt zusammenfassen, sondern betreffen die verschiedensten Gebiete der Verwaltung und Regierung. Es sind Abschriften von Bestätigungs-, Verpfändungs-, Belehnungs-, Vertrags-, Schenkungsurkunden usw. Beide Hefte sind weder als "Konzept-" 1 ) noch als "Copeibücher" 2 ), sondern als allgemeine Register zu bezeichnen, da sie durchgehends Abschriften von Urkunden enthalten, welche einerseits die verschiedensten Gebiete der Verwaltung und Regierung betreffen, andererseits in der herzoglichen Kanzlei ausgestellt worden sind. Die Bezeichnung "registrum", wie sie sich in der Überschrift und unter dem achten Eintrag des älteren Heftes findet, entspricht durchaus der heutigen Terminologie.

Die Reihenfolge der Abschriften in beiden Registern ist nicht immer chronologisch. Die chronologische Anordnung ist im ganzen in dem zweiten Registerheft etwas strenger durchgeführt als in dem ersteren. Über die Frage, ob die Registrierung der Urkunden auf Grund der approbierten Konzepte oder nach den Reinschriften erfolgte, besitzen wir keine eindeutigen Zeugnisse. Jedoch hätten die Reinschriften als Grundlage der Registrierung gedient, so müßte sich in den Registern eine einigermaßen chronologische Anordnung der Abschriften beobachten lassen. Die beiden Register erwecken durchaus den Eindruck, als ob sie in aller Muße zusammengeschrieben wären. Man sammelte offenbar die Konzepte und fertigte die Abschriften an, wann sich gerade Zeit und Gelegenheit dazu fand. Es ergibt sich also als sehr wahrscheinlich, daß die Registrierung auf Grund der Konzepte erfolgte, und zwar ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Ausganges der Originale 3 ).

b) Ein weiteres uns erhaltenes Kanzleibuch stammt aus der Kanzlei Heinrichs IV. (1436 - 77) und unterscheidet sich wesentlich


1) So Lisch, M. J.-B. Bd. 9 S. 228 und Leesenberg a. a. O. S. 315. Beide Register machen keineswegs den Eindruck, als wenn sie Konzeptbücher wären, da sich verhältnismäßig wenig Korrekturen finden.
2) Als "Copeibücher" werden sie im M. U.-B. gewöhnlich bezeichnet.
3) Auch in der Reichskanzlei wurde höchstwahrscheinlich nach den approbierten Konzepten registriert. Vgl. Breßlau a. a. O. Bd. I S. 136/138 und G. Seeliger, Die Registerführung am deutschen Königshofe bis 1493, M. J. Ö. G., Ergänzungsband III, S. 318, S. 322, ebenso in den landesfürstlichen Kanzleien. Für die Mark Brandenburg vgl. Lewinski a. a. O. S. 83, S. 107 und S. 109; für Tirol vgl. R. Heuberger, M. J. Ö. G. Bd. 33 S. 437; für Österreich vgl. Stowasser, M. J. Ö. G. Bd. 35 S. 695, Bd. 38 S. 71; für die Mark Meißen vgl. Lippert, Neues Archiv für Sächsische Geschichte Bd. 25 S. 229; für das Ordensland vgl. Lukas, Das Registerwesen des deutschen Ordens, Diss. Königsberg 1921, handschriftlich, usw.
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von den beiden besprochenen Registerheften. Es wird im Schweriner Archiv aufbewahrt unter den Lehnsakten, Lehns- und Konsensbriefen und trägt die aus späterer Zeit stammende Signatur P. 93. Das Buch oder Heft besteht aus einer fünf Bogen starken Papierlage und einem Umschlagbogen, ebenfalls aus Papier. Die Lage hat Folioformat und ist mit einem schmalen Pergamentstreifen geheftet. Die Ränder der einzelnen Seiten des Heftes sind meist freigelassen, jedoch gelegentlich haben die Schreiber über den Rand geschrieben. Auf der oberen Seite des Umschlagbogens und auf den Rändern der einzelnen Seiten finden sich kurze Inhaltsangaben der Kopien, die zum Teil von der Hand des späteren Kanzlers Caspar von Schönaich, zum Teil aber auch von gleichzeitiger Hand stammen. Caspar von Schönaich hat, wie es scheint, auch die ersten beiden Blätter numeriert (fol. 1; fol. 2). Die einzelnen Einträge sind durchweg recht sorgfältig geschrieben. Besonders eine Hand, von welcher ein großer Teil sämtlicher Abschriften stammt, zeichnet sich durch peinliche Sauberkeit aus 1 ). Neben dieser begegnen noch mehrere andere Handschriften. Sehr flüchtig ist ein Eintrag auf dem letzten beschriebenen Blatt geschrieben. Ein längerer Passus, welchen der Schreiber in der Eile ausließ, ist auf dem linken Rande nachgetragen. Unter den einzelnen Abschriften finden sich häufig Kanzleivermerke, welche teils in einem Zuge mit dem dazu gehörigen Eintrag unter die Abschrift geschrieben worden sind, teils von einer anderen Hand nachgetragen wurden.

Das Registerheft enthält Abschriften oder Auszüge von 22 Urkunden, welche in den Jahren 1442 - 47 ausgestellt wurden. In den meisten Fällen ist Heinrich IV. der Aussteller. Jedoch sind auch Abschriften von einigen wichtigen Urkunden, welche für den Herzog ausgestellt wurden, in das Register aufgenommen: Abschriften von zwei Urkunden Kaiser Friedrichs III. für Heinrich IV., ferner von zwei Urkunden, worin zwei Lehnsmannen des Herzogs bekennen, daß dieser ihnen Burg und Schloß Gnoien bzw. Dömitz überantwortet habe. Die Urkundenabschriften betreffen mit wenigen Ausnahmen Belehnungen mit Grund und Boden, Einkünften und Gerechtsamen. Wir werden diese Abschriftensammlung vielleicht am besten als Sonderregister, speziell als Lehnsregister bezeichnen können 2 ).

Zu einem Teil sind die Urkunden in ihrem vollen Wortlaut, bisweilen nur mit Kürzungen im Titel und in der Endformel ab-


1) Von dieser Hand stammen offenbar die Einträge 1, 2, 4 - 6, 12 - 19 und 22.
2) Vgl. O. Redlich a. a. O. S. 161.
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geschrieben. Fast die Hälfte (10 von den 22 Urkunden) ist dagegen nur in der Form von Regesten in das Registerheft aufgenommen. Die Abschriften sind keineswegs chronologisch angeordnet. So weist die achte Abschrift fast das späteste Datum von allen Einträgen auf (22. Februar 1447). Daraus geht offenbar hervor, daß zum wenigsten die Einträge 8 - 22, wahrscheinlich aber auch die ersten 7, frühestens aus dem Jahre 1447 stammen können, obgleich die meisten Abschriften ein früheres Datum tragen. Näheres läßt sich nicht ermitteln über die Frage, wann das Register angelegt ist bzw. wann die einzelnen Abschriften in das Register eingetragen wurden.

Bei der Registrierung dienten offenbar auch hier die approbierten Konzepte, nicht die Reinschriften als Grundlage. Das ergibt sich allein schon aus dem Umstand, daß die meisten Einträge, wie bereits bemerkt wurde, oft mehrere Jahre nach Ausfertigung der Urkunden gemacht wurden, als die Originale längst in dem Besitze der Empfänger waren. Die Vermutung, daß, wie in der Reichskanzlei und meist auch in den landesfürstlichen Kanzleien, so auch in der mecklenburgischen Kanzlei durchweg die Konzepte als Vorlage bei der Registrierung dienten, wird noch verstärkt durch die Beobachtung, daß einige Konzepte aus der Mitte des 15. Jahrhunderts ausdrücklich den Registrierungsbefehl "registretur" aufweisen 1 ).

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Es erhebt sich schließlich noch die Frage, ob die wenigen uns erhaltenen Registerbücher oder Hefte die einzigen in ihrer Art sind, welche aus der mecklenburgischen Kanzlei hervorgegangen sind. Diese Frage ist sicherlich zu verneinen. Freilich wird man sich vielfach damit begnügt haben, die Urkundenkonzepte zu sammeln und sorgfältig aufzubewahren. Sie bildeten einen dürftigen Ersatz für die zur Kontrolle der Verwaltung fast unentbehrlichen Register. Jedoch wie bereits erwähnt wurde, sind uns einige Konzepte aus der Mitte des 15. Jahrhunderts erhalten, auf denen sich der Registrierungsbefehl "registretur" findet. Das deutet darauf hin, daß auch um 1450 in der mecklenburgischen Kanzlei registriert wurde.


1) Vgl. die Notiz S. A. Amtsurkunden Sülze, 10. 8. 1448; Stadturkunden Sülze, 9. 3. 1450; Gutsurkunden Steinbeck, ca. 1450; Debita passiva (undatiert). Auf einer Urkunde Herzog Heinrichs IV. vom 5. 4. 1444 (S. A. Schuldbriefe I Nr. 70) findet sich ausnahmsweise auch einmal der Vermerk "Registrata", welcher offenbar von gleichzeitiger Hand stammt.
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Ferner befindet sich im Schweriner Archiv "ein in Pergament geheftetes, hinten, auch sonst defektes Convolut", welches "einige Register über die Güter im Toitenwinkel und dessen Pertinenzien wie auch verschiedene Kopien der von den Moltken ausgestellten Pfandverschreibungen" aus den Jahren 1441 - 73 enthält. Wie das Lehnsrepertorium des Schweriner Archivs (unter "Toitenwinkel") fernerhin angibt, ist das Buch 123 Folien stark, von denen Fol. 113 und 122 fehlen. Leider ist eine nähere Untersuchung dieses Registers nicht möglich, da es zur Zeit im Schweriner Archiv trotz aller Bemühungen nicht aufzufinden ist. Die Frage, ob dieses Register aus der mecklenburgischen Kanzlei hervorgegangen ist, läßt sich vorläufig nicht mit Bestimmtheit beantworten. Überhaupt ist es nicht ausgeschlossen, daß noch weitere Register der mecklenburgischen Herzöge aus dem späteren Mittelalter irgendwo unentdeckt und im Verborgenen ruhen, wie bis vor kurzem etwa die Register der Grafen und Herzöge von Cleve-Mark, welche von Ilgen in einer Privatbibliothek aufgefunden wurden 1 ). Wenn uns auch nur wenige Bruchstücke von mecklenburgischen Registern erhalten sind, so dürfen wir jedenfalls aus der mangelhaften Überlieferung nicht den verfrühten Schluß ziehen, daß der mecklenburgischen Kanzlei im Mittelalter der Brauch der Registerführung fremd gewesen sei.

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1) Vgl. Ilgen, Die wiederaufgefundenen Registerbücher der Grafen und Herzöge von Cleve-Mark, Mitteilungen der königlich preußischen Archivverwaltung Heft 14.
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Anlage I.

Zusammenstellung des Kanzleipersonals 1 ).

A. Liste des Kanzleipersonals der Grafen von Schwerin.

     Hermann, Notar, 1217.
     Giselbert, Notar (auch scriptor genannt), 1227, 1235.
     Albert, Notar (auch scriptor genannt), 1251 - 55.
     Hoger, Notar, 1270; Hofkaplan bis 1275 2 ).
     Werenbert, Notar, 1270 - 74 3 ).
 
Linie Schwerin (stirbt 1344 mit Graf Heinrich III. aus). Linie Wittenburg - Boizenburg (1274-1356).
Conrad, Notar, 1282 - 84; Hofkaplan bis 1300. Werenbert, Notar, 1282, Hofkaplan bis 1297.
Borchard v. Crivitz, Notar, 1304. Luderus, Notar, 1289.
Petrus v. Bützow, Notar, 1332. Nikolaus, Notar, 1296.
Lambertus Rochow, Notar, 1333. Gerhard, Notar, 1323 - 25.
~~~~~~ Martin, Notar, 1331.
  Johannes, Notar, 1335.
  Bernhard Parzow (Passow),1349.
  Helmold, Notar, 1349.
   
Otto I., Sohn Gunzelins VI. von Wittenburg, regiert zu Schwerin 1344 - 56.
Albert Foysan, Notar, 1349; 1353 (später noch Hofkaplan).
Johannes v. Schepelitz , Protonotar, 1354 - 56.

1) In folgende Listen sind alle diejenigen Personen aufgenommen, welche in den Urkunden durch Titel und Amtsbezeichnung als Kanzleibeamte der Grafen von Schwerin bzw. der Fürsten und Herzöge von Mecklenburg gekennzeichnet sind. Den Namen der Kanzler, Protonotare, Notare und Sekretäre ist regelmäßig der Titel beigefügt. Die Zahlen begrenzen den Zeitraum, in welchem die betreffenden Personen urkundlich als Kanzler, Protonotare usw. begegnen. Den Namen der Kanzleibeamten, welche in den Urkunden einfach als Schreiber bezeichnet sind, ist kein besonderer Titel beigefügt.
2) Vorher Kaplan und Notar bei den Grafen von Dannenberg.
3) Vgl. die Notare der Wittenburger Linie.
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Wiedervereinigung der beiden gräflichen Linien unter Nikolaus III. und seinem Sohn Otto II. im Jahre 1356.

Johannes v. Schepelitz, ouerster schriuer 1356 1 ), Notar, 1357.

Werner Struwe, Kanzler, 1357.

B. Liste des Kanzleipersonals der mecklenburgischen Fürsten und der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin.

I.

Die mecklenburgischen Hofnotare bis zur erstmaligen Erwähnung eines Kanzleivorstandes (1323) 2 ).

  1. Eustachius, Notar, 1219.
  2. Conrad, Notar (auch scriptor gen.), 1226 - 44.
  3. Rudolf, Notar, 1231 - 46.
  4. Arnold, Notar, 1242.
  5. Berthold, Notar, 1248.
  6. Heinrich, Notar, 1256 - 65.
  7. Johannes, Notar, 1266 - 69.
  8. Gottschalk, Notar, 1266 - 79.
  9. Heinrich v. Kamin, Notar (auch Scholar gen.), 1296 bis 1300.
  10. Johann, Notar, 1297.
  11. Johannes Vogel, Notar, 1305 - 7.
  12. Nikolaus, Notar, 1310.
  13. Rothgerus, Notar, 1310 - 1323.
  14. Christian v. Dolla, Notar, 1313.

II.

Das mecklenburgische Kanzleipersonal seit dem erstmaligen Auftreten eines Kanzleivorstandes (1323)
bis zum Tode Herzog Heinrichs IV. v. Mecklenburg-Schwerin (1477).

  1. Rothgerus, Protonotar, 1323 - 29 3 ).
       Heinrich Frauenburg, Notar, 1324 - 26.
       Johannes v. Prenzlau, Notar, 1327 - 29; 1334.

1) Vgl. oben.
2) Die Angaben über die Amtszeit der mecklenburgischen Hofnotare bis 1300 sind z. T. der zuverlässigen Zusammenstellung von Buchwalds, Bischofs- und Fürstenurkunden des 12. und 13. Jahrhunderts, entnommen.
3) Vgl. oben Nr. 13.
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   Heinrich, Notar, 1326 - 29.
   Meinhard, Notar, 1327 - 29.
   Antonius v. Plessen, Notar, 1327 - 29.
   Nikolaus Manteuffel, Notar, 1328.
   Hilaricus, Notar, 1329.

  1. Berthold Rode, Kanzler (auch Protonotar, 1351 maior notarius genannt), 1337 - 51.
       Helmold v. Plessen, Notar, 1339 - 40.
       Gottfried, Notar, 1340 - 44.
       Markwart, Notar, 1345.
       Johannes Raboden, Notar, 1346 - 50.
       Heinrich v. Griben, Notar, 1349 - 51.
       Heinrich Rode, Notar, 1349 - 51.
       Johannes Suhm, Notar, 1351.
  2. Bertram Behr, Kanzler (gelegentlich auch Protonotar genannt), 1352 - 60; 1363.
       Heinrich Rode, Notar, 1352 1 ).
       Gottschalk, Notar, 1353.
       Heinrich v. Griben, Notar, 1359 2 ).
       Bernhard Mallin, Notar, 1359 - 60.
  3. Johannes Kröpelin, Kanzler(auch als Protonotar erwähnt), 1361 - 62.
  4. Johannes Schwalenberg, Kanzler, 1366 - 74.
       Heinrich Sluz, Notar, 1366.
       Martin Schütz, Notar, 1373 - 74.
  5. Albert Konow, Kanzler, 1375 - 79.
       Albert Schweder, 1377.
       Johann Wittenburg, Notar, 1380.
  6. Johann Reinwerstorf, Kanzler, 1384.
       Johann Möller, 1385 3 ).
  7. Detlev v. Siggen, Kanzler, 1386.
       Johannes v. Bentlage, 1388.
       Arnold Kran, Notar, 1395 (schon früher Hofgeistlicher).
  8. Karl Hakonsson, Kanzler, 1396 - 99.

1) Seit der mecklenburgischen Landesteilung (25. 11. 1352) im Dienste Johanns von Mecklenburg-Stargard.
2) Vgl. oben unter II, 2.
3) Wird M. U.-B. XX, 11 653 als ausfertigender Kanzleibeamter erwähnt.
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  1. Johannes v. Bentlage, Kanzler, 1406 - 7 1 ).
  2. Henning Slapelow, Kanzler, 1409.
       Johannes Roggentin, 1409.
  3. Nikolaus Reventlow, Kanzler, 1415 - 38.
       Johannes Kremer, Sekretär und Schreiber, 1412 - 30.
       Johann Achim, 1428.
       Gerhard Brüsewitz, Sekretär, 1430 - 31.
       Henning Karutze, 1437.
  4. Henning Karutze, Kanzler, 1440 - 46 2 ).
       Johannes Hesse (seit 1440 als Schreiber, seit 1444 als Kanzler, Protonotar oder Vizekanzler erwähnt).
       Johann Mack, 1443 - 44.
  5. Johannes Hesse, 1444 - 49 abwechselnd als Kanzler, Protonotar oder Vizekanzler erwähnt 3 ).
       Heinrich Reventlow, 1447.
       Heinrich Bentzien, Sekretär seit 1447.
  6. Heinrich Bentzien, Kanzler, 1459; 1464. Als Vizekanzler 1459 erwähnt; sonst Sekretär oder Schreiber genannt 4 ).
       Hermann Widenbrügge, Sekretär, 1450 - 62.
       Johannes Raden, 1456 - 63.
       Thomas Rode, Schreiber und Sekretär, 1461 - 69.
       Johann Berner, 1465 - 69.
  7. Thomas Rode, Kanzler, 1469 - 1486.
       Johann Berner, 1469 - 70 5 ).
       Joachim Heydeberg, Sekretär seit 1471 6 ).
       Laurentius Stoltenborg, Sekretär seit 1472.

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1) Vgl. oben unter II, 8.
2) Vgl. oben unter II, 12.
3) Vgl. oben unter II, 13.
4) Vgl. oben unter II, 14.
5) Vgl. oben unter II, 15.
6) Vor der Vereinigung Stargards mit Mecklenburg-Schwerin in der Kanzlei der Herzöge von Mecklenburg-Stargard nachweisbar.
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Anlage II.

Zusammenstellung der Kanzleivermerke unter den Urkunden der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin.

Die Kanzleivermerke sind die wichtigste Quelle für die Erforschung des Geschäftsganges einer mittelalterlichen Kanzlei. Sie finden sich unter Urkunden der mecklenburgischen Herzöge seit dem Jahre 1442 auf Originalen, Konzepten und Abschriften. Sie bilden keineswegs einen notwendigen Bestandteil jeder Urkunde, sondern treten nur gelegentlich auf. Die Vermerke sind stets lateinisch formuliert, auch in solchen Urkunden, deren Text in deutscher Sprache abgefaßt ist. Auf Originalen und Konzepten sind die Vermerke in der Regel von der Hand desselben Schreibers geschrieben, von welchem auch der Text der betreffenden Urkunde stammt. Auf Registerabschriften sind sie gelegentlich von anderer Hand nachgetragen. Sämtliche Kanzleivermerke, die mir auf Originalen begegnet sind, stehen rechts auf der äußeren Seite des umgeschlagenen Buges. Auf Registerabschriften und Konzepten befinden sie sich rechts unter dem Text.

Die unten folgende Zusammenstellung der mecklenburgischen Kanzleivermerke, die ich habe ermitteln können, ist nach chronologischen Gesichtspunkten angefertigt. Außer dem genauen Wortlaut der Vermerke ist regelmäßig Datum, Inhalt und Fundort der betreffenden Urkunde, unter welcher mir ein Kanzleivermerk begegnet ist, angegeben.


Datum Inhalt der Urkunde Fundort Kanzleivermerk

1.
1385 20. I.
Schwaan
Albrecht, König v. Schweden, verleiht dem Rostocker Bürgermeister Johann von der Aa Dorf und Höfe Lütten-Klein. M. U.-B. XX, Nr. 11 653 Jo. Mollr.
2.
1442 -
Wilsnack
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, verleiht dem Jaspar Ganz, Herrn zu Putlitz, und seinem Bruder die Dörfer Rebzin, Menzendorf und Möllenbeck. Gedr. M. J.-B. XXV, S. 315
S.A. Lehnsakten, Lehns- und Konsensbriefe P. 93 XII.
dominus mandauit et examinauit.
3.
1443 -
Schwerin
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, verleiht Gerd Bassewitz Hof und Dorf Körchow. S.A. Lehnsakten, Lehns- und Konsensbriefe P. 93 XV. r. dominus per se et examinauit.
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Datum Inhalt der Urkunde Fundort Kanzleivermerk

4.
1443 29. IX.
Schwerin
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, verleiht Johann Bassewitz Hof und Dorf Levetzow, den Hof zum Kalenberg und den Wenthof. S.A. Lehnsakten, Lehns- und Konsensbriefe P. 93 XIV. dominus per se iussit et examinauit.
5.
1443 4. XII.
Schwerin
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, verleiht der Ehefrau Wedegen v. Zülows 70 Mark lüb. Pfennige in dem Dorfe Stralendorf zum Leibgedinge. S.A. Lehnsakten, Lehns- und Konsensbriefe P. 93 XVI. dominus per se iussit et examinauit.
6.
1443 10. XII.
Rostock
Herzog Heinrich IV. bestätigt nach empfangener Huldigung den Rostocker Bürgern die Gerechtsame der Stadt. S.A. Lehnsakten, Lehns- und Konsensbriefe P. 93 XI. de mandato domini et fideliter cum predictis consiliariis examinauit Jo. Hesse.
7.
1443 11. XII.
Rostock
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, spricht Rostock frei aus der Reichsacht, mit Vollmacht von Kaiser Friedrich III. S.A. Lehnsakten, Lehns- und Konsensbriefe P. 93 IX. dominus per se mandauit coram predictis etc.
8.
1444 1. I.
Schwerin
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, schenkt die auf die Dorfleute des Dorfes Papendorf gelegten Dienste, Beden und Ablager oder sonstigen Auflagen seinem getreuen Schreiber Johannes Hesse, z. Zt. Kirchherrn zu St. Petri in Rostock, auf Lebenszeit. Orig. S.A.Domst. Rost. Nr. 19. Abschrift in Lehnsakten, Lehns- und Konsensbriefe P. 93 III. de mandato domini per se et examinauit coram consiliariis in Wissmaria. Der Vermerk fehlt auf dem Original.
9.
1444 12. IX.
-
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, bekennt, daß vor ihm und einigen seines Rates der Knappe Gottschalk Preen zu Bibow die Hälfte seines Besitzes in den Dörfern Bibow, Breesen, Ventschow und Jesendorf dem Johann Bassewitz für 2000 Mark lüb. aufgelassen hat. Der Herzog belehnt letzteren mit den genannten Gütern. S.A. Lehnsakten, Lehns- und Konsensbriefe P. 93 IV. de mandato domini ducis et examinauit coram consiliariis.
10.
1445 1. X.
Rehna
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, verleiht den fürstlichen Anteil des Dorfes Bentze (Gerichtsbarkeit usw.) an seinen Kammermeister Otto Vieregge, jedoch mit Vorbehalt der Bede. S.A.Lehnsakten, Lehns- und Konsensbriefe P. 93 V. de mandato domini et examinauit coram consiliariis supradictis.
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Datum Inhalt der Urkunde Fundort Kanzleivermerk

11.
1446 26. I.
Rostock
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, eignet dem Kloster Marienehe die Dörfer Gr. und Kl. Retze zu mit allem Zubehör und nimmt das Kloster in seinen Schutz. S.A. Lehnsakten, Lehns- und Konsensbriefe P. 93 VI. de mandato domini Magnopolensis et examinauit cum suis consiliariis in Parchim suprascriptis.
12.
1446 11. III.
Plau
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, belehnt Wulf v. Oldenburgs Ehefrau Katharina mit Gülte und Pacht aus dem Dorfe Tolzin und Siraue. S.A. Lehnsakten, Lehns- und Konsensbriefe P. 93 XVII. dominus per se iussit et examinauit.
13.
1446 17. III.
Schwerin
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, verkauft wiederkäuflich dem Propst, Dekan, den Domherrn und Vikarien der Kirche zu Schwerin 4 Mark lüb. jährl. Gülte aus der Bede in dem Dorfe Warnitz. Orig. S.A. Bistum Schwerin Nr. 138. de mandato domini Jo. Hesse.
14.
1446 12. IV.
Neustadt
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, belehnt Heinrich Grapen und seine Ehefrau Katharina mit allen ihren Gütern in Mecklenburg. S.A. Lehnsakten, Lehns- und Konsensbriefe P. 93 XVIII. dominus per se iussit et examinauit.
15.
1446 25. V.
Rostock
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, erlaubt seinem Getreuen Arnd Hasselbeck, seine verpfändeten Güter zu gebrauchen. S.A. Lehnsakten, Lehns- und Konsensbriefe P. 93 XIX. de mandato domini et examinauit.
16.
1446 25. VII.
Doberan
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, verpfändet an Claus Kosse zu Teschow 43 Mark 4 Schill. sund Bede, 6 Scheffel Hundekorn usw. im Dorfe Cammin und höchstes Gericht und Dienst des ganzen Dorfes. Orig. S.A. Gutsurkunden Cammin (Güstrow). de mandato domini Magnopolensis et examinauit coram predictis consiliariis.
17.
1446 11. XI.
-
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, verkauft wiederkäuflich dem Prior und Konvent des Klosters zu Marienehe 15 Mark lüb. jährl. Gülte aus seiner Bede im Dorfe Klein-Schwaß (Kirchspiel Biestow) für 300 Mark lüb., womit er 20 Mark lüb. jährl. Gülte der genannten Bede eingelöst hatte. Orig. S.A. Klosterurkunden Marienehe. de mandato domini Hinrici Magnopolensis et per se examinauit.
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Datum Inhalt der Urkunde Fundort Kanzleivermerk

18.
1447 3. VIII.
Güstrow
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, bewilligt auf Bitten seines Vizekanzlers Johann Hesse, daß dem Arnd Landesberger 20 Mark sund. Rente aus dem Dorfe Papendorf für 250 Mark wiederkäuflich verkauft werden dürfen. Orig. S.A. Gutsurkunden Papendorf. de mandato domini Magnopolensis Hinricus Bentzien.
19.
1448 8. IX.
Schwerin
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, leiht, nachdem seine Vorfahren den Lützows, herzoglichen Marschällen, wohnhaft zu Grabow, Schloß, Stadt und Land Grabow für 6000 Mark lüb. verpfändet hatten, von den jetzigen Lützows noch 1000 rh. Fl. dazu auf dasselbe Pfand. Orig S.A. Amtsurkunden Grabow. de mandato domini ducis Hinricus Bentzien.
20.
1454 8. XI.
Ribnitz
Heinrich d. ä. von Stargard und Heinrich IV., Herzoge von Mecklenburg, bescheinigen den Empfang von 910 Rhein. Gulden der Summe, die ihnen die Städte Stralsund, Greifswald und Demmin mit ihren Mitlobern schulden. Orig. Stadtarchiv Stralsund, Schrank VI, 5. de mandato dominorum ducum supradictorum Hinricus Bentzin subscripsit.
21.
1454 25. XI.
Ribnitz
desgl. den Empfang von 450 Rhein. Gulden. desgl. de mandato dominorum ducum Mangnopolensium etc. Hinricus Bentzin.
22.
1461 11.V.
Rostock
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, bestätigt für sich und seine Söhne den Bürgermeistern und Ratmännern der Stadt Rostock alle ihre Privilegien. Er gelobt den Rostockern, sie zu beschirmen, so daß man sie nicht außerhalb der Stadt vor Gericht ziehen darf. Konzept S.A. Stadturkunden Rostock. ad mandatum domini Thomas Rode scripsit.
23.
1461 -
Lübeck
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, bekennt, dem Lübecker und Schweriner Domherrn Cord Loste auf die diesem schon verpfändete Bede zu Lübberstorf 40 Mark lüb. geliehen zu haben, so daß die Lösungssumme nun 240 Mark beträgt. Orig. S.A. Gutsurkunden Lübberstorf. ad mandatum domini Thomas Rode scripsit.
24.
1466 18. VII.
Schwerin
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, verkauft wiederlöslich den Gebrüdern v. Sperling 22 Mark Bede in Zickhusen für 300 Mark. Orig. S.A. Schuldbriefe I Nr. 257. de mandato domini Thomas Rode scripsit.
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Datum Inhalt der Urkunde Fundort Kanzleivermerk

25.
1469 25. IV.
-
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, konsentiert, daß die Smeker dem Kloster zu Marienehe ihre Güter, Hufen, Höfe usw. zu Elmenhorst (Vogtei Schwaan) mit Gerichten, Diensten und aller Gerechtigkeit verkauft haben. Kopie oder Konzept S.A. Klosterurkunden Marienehe. ad mandatum domini Thomas Rode subscripsit.
26.
1471 8. V.
-
Albrecht und Johann, Herzöge von Mecklenburg, bekennen, daß ihnen der Bischof Johann v. Ratzeburg 300 Mark lüb., die dieser ihnen schuldig war, bezahlt hat, und quittieren ihm darüber. Der Herzog Johann siegelt für beide. Orig. S.A. Bistum Ratzeburg copiale II Nr. 00. de mandato eorundem illustrium et altigenitorum praedictorum Alberti et Johannis fratrum SlaviaeInferioris etc. Vicko Dessin secretarius eo rundem m. p.
27.
1471 16. VII.
Neubrandenburg
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, bestätigt Güter, Eigentum und alle Privilegien, Briefe oder Instrumente der Stadt und der Einwohner von Neubrandenburg. 2 gleichzeitige Abschriften S.A. Stadturkunden Neubrandenburg. ad mandatum domini Thomas Rode scripsit sigillauit presentem litteram et est examinata in consilio.
28.
1474 24. V.
Tempzin
Heinrich IV., Herzog v. Mecklenburg, bekennt, schuldig zu sein Heinrich Hagenow, Gebietiger des St. Antonius-Hofes zu Tempzin, insgesamt 120 Guld. Konzept S.A. debita passiva (Akten). Laurencius Stoltenborch scripsit.
29.
1476 23. IV.
Wismar
Heinrich IV., Herzog v Mecklenburg, sowie dessen Söhne Albrecht, Magnus und Balthasar heben die von Kaiser Friedrich ihnen bewilligten Wasserzölle zwischen Rostock und Warnemünde, Wismar und Poel für alle Zeit auf, nachdem die Städte Rostock und Wismar sie als ihren Privilegien widerstreitend erwiesen haben. Druck auf Papier ca. 1620 - 30 S.A. Stadturkunden Rostock. ad mandatum et ad decretum praefatorum dominorum omnium contentorum ad tenorem earum literarum cum clausula apposita post datum literae e[i]usdem sunt conscripta et sigillata, quod ego Thomas Rode contestor manu propria.
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II.

Der Seehafen der Stadt Rostock
in seiner geschichtlichen Entwickelung
bis zum dreißigjährigen Kriege

von

Kuno Voß.

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Inhaltsverzeichnis.

    Seite
Vorwort   92
I. Kapitel: Die Kämpfe Rostocks um das Mündungsgebiet der Warnow 93-98
II. Kapitel: Die Geschichte des Rostocker Seehafens bis zum Ausbruch des dreißigjährigen Krieges 98-148
§ 1. Die Lage des Rostocker Seehafens in der ältesten Zeit 98-108
Bedeutungserklärung der Wörter "Tief" und "fangen". Zusammenhang zwischen Haffdüne und Hafen. Bisherige Forschung. Die wirkliche Lage.
§ 2. Der Hafen im 14. und 15. Jahrhundert 109-124
Verlegung des Hafens. Untersuchung über die Anlage des Tiefes A. Quelleninterpretation der bisherigen Forschung. Die Zeit zwischen 1325 und 1485. Der Durchstich vor Krekeshovet 1485/6.
§ 3. Die großen Hafenbauten des 16. Jahrhunderts 124-148
a) Die Zeit zwischen 1485 und 1570. 124-128
Der herzogliche Erlaß von 1519. Das "neue Tief neben der Heiden". Zustand des Hafens um 1570.
b) Die Zeit zwischen 1570 und 1616. 128-148
Jochim Barchmann, der Schuster, "fängt" das "neue" Tief und baut den Heidekanal. Peter Hase bietet dem Rat einen venetianischen Bagger an. Johann tor Balck erbaut die Haffdüne, "fängt" den Breitling und rät, über den ganzen Breitling ein Bollwerk zu "schlagen". Fortsetzung der Arbeiten im Sinne Johann tor Balcks: Das große Breitlingsbollwerk.
III. Kapitel: Die Arbeiten zur Sicherung des Rostocker Hafens 149-167
§ 1. Das Tief und seine Reinhaltung 149-154
Selbstreinigung, Baggern mit "plog" und "kellen". Sauberhalten des Tiefs.
§ 2. Die Bollwerke 154-164
Zweck von Bollwerken im Hafenbau. Die Verhältnisse im Gebiete des Rostocker Seehafens. Die Molen sind Steinkisten-Bollwerke. Ihr Aussehen und ihre Bauweise.
§ 3. Die Haffdüne 164-167
Mittel gegen Flugsand und Wasser. Verstopfen von Durchbrüchen.
Übersicht über die gewonnenen Ergebnisse 168-169
Anhang: Bericht über den heutigen Zustand des ältesten Rostocker Hafens an der See (mit Karte) 170-172
Übersichtskarte
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Vorwort.

Über den Rostocker Seehafen ist bereits vor einiger Zeit eine historische Abhandlung erschienen. Es ist der in den Beiträgen zur Geschichte der Stadt Rostock, Bd. XII, S. 1 - 16, im Jahre 1924 gedruckte Aufsatz von Ludwig Krause: "Die alten Warnowmündungen und der ursprüngliche Rostocker Hafen zu Warnemünde". Diese Schrift hat den Anstoß gegeben zu der vorliegenden Arbeit. Im Laufe des Studiums der Quellen zur Geschichte der Stadt Rostock im 16. Jahrhundert fand sich ein so umfangreiches, von der bisherigen Forschung unbenutztes Material zur Geschichte des Rostocker Seehafens, daß es lohnend erschien, die durch den Tod Krauses unterbrochenen Forschungen wieder aufzunehmen und den Versuch zu machen, die Entwickelung dieses Hansehafens von den Anfängen bis zu jenem Zeitpunkt zu schildern, wo der Hafen den erst 1903 verlassenen Zustand erhielt. Dieser Zeitpunkt wurde, wie sich herausstellte, etwa bei Beginn des dreißigjährigen Krieges erreicht.

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Kapitel I.

Die Kämpfe Rostocks um das Mündungsgebiet der Warnow.

Rostock wurde vor 1218 zur Stadt erhoben 1 ), in jener Zeit machtvollster Entfaltung des Deutschtums, die durch den "Zug nach dem Osten" und die Gründung der Städte für die ganze weitere Geschichte des deutschen Volkes von so nachhaltiger Bedeutung ward. Rostocks schnelle Entwickelung im ersten Jahrhundert nach Gründung der Stadt ist ein anschauliches Beispiel für jene Tage des Wachsens und Blühens aus der Fülle der ungebrochenen Volkskraft: Nicht mehr als ein Menschenalter vergeht, und der Gründungsstadt mit der Kirche des heiligen Petrus gliedern sich zwei weitere Städte an, jede mit besonderem Markt und besonderer Pfarrkirche, jede von Mauern und Türmen umgeben 2 ). Erst viele Jahrhunderte später konnte die Stadt den Raum, den sie in schneller Entwickelung bis etwa 1250 einnahm, überschreiten, erst als im neunzehnten Jahrhundert eine neue Zeit neue Blühkraft gab.

Daß Rostock in kurzer Zeit eine der ersten Städte des jungen Koloniallandes wurde, beruht auf der günstigen Lage an dem Ostseefluß und den aus dieser Lage sich ergebenden Handelsmöglichkeiten mit den neu erschlossenen Gebieten des Ostens. Aus den Urkunden ersieht man, daß in der kurzen Zeitspanne von der Gründung bis 1252 der größere Teil jener Handelbeziehungen ange-


1) Vgl. zu dem ganzen Abschnitt:
Koppmann, Geschichte der Stadt Rostock, 1887.
Ludwig Krause: Die alten Warnowmündungen und der ursprüngliche Rostocker Hafen zu Warnemünde (Beiträge z. Gesch. d. Stadt Rostock (B. G. R.), XII, 1920/23, S. 1 - 16).
Friedrich Barnewitz: Geschichte des Hafenortes Warnemünde, 2. Aufl. 1925, S. 57 ff.
Max Hauttmann: Das Rostocker Stadtbild (1924).
2) Koppmann, Geschichte ... S. 2 ff. Hofmeister, Beitr. z. Gesch. d. Stadt Rostock, IV, 4, S. 1 ff. Püschel: Das Anwachsen der deutschen Städte (Abhdlg. f. Verk.- u. Seegesch., ed. Dietr. Schäfer, IV, Berlin 1910). Krause, Topographie ... S. 33. B. G. R. XIII. 1925.
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knüpft ist, die in späterer Zeit den Reichtum Rostocks gesichert haben 1 ).

Für eine solche Handelsstadt mußte, wie Barnewitz richtig sagt, "die ungestörte Verbindung mit dem Meere eine Lebensfrage" sein. "Rat und Bürgerschaft richteten also ihr Hauptaugenmerk darauf, die Rechts- und Besitzverhältnisse auf der Unterwarnow und an ihren Ufern in einer für die Stadt günstigen Weise zu regeln, womöglich das ganze Mündungsgebiet dem fürstlichen Herrschaftsbereich zu entziehen und zum Stadtgebiet zu machen" 2 ). Mit diesen Worten hat Barnewitz treffend das gekennzeichnet, was für die ersten Jahrhunderte der eigentliche Inhalt der Rostocker Ausdehnungspolitik gewesen ist: Der Erwerb und die Sicherung des gesamten Mündungsgebietes des Warnowflusses.

Den ersten bedeutenden Schritt zur Erreichung dieses nächstliegenden Zieles tat die Stadt im Jahre 1252. Geschickt die Geldnöte der mecklenburgischen Fürsten benutzend, schloß Rostock damals mit Heinrich Borwin III. gegen gewisse Geldzahlungen einen Vertrag (25. 3. 1252), der folgende für die weitere Entwickelung Rostocks als Hafenstadt wichtige Privilegien enthielt 3 ): a) Die Privilegien Borwins I. vom Jahre 1218, welche den Bürgern lübisches Recht und Zollfreiheit gewährten, wurden bestätigt. Sie wurden auch auf die inzwischen hinzugekommene Stadterweiterung ausgedehnt. b) Der Fürst trat die später so genannte "Rostocker Heide" gegen Zahlung von 450 M an die Stadt ab. Das "marinum litus" dieses Gebietes sollte sich vom "Stromgraben" im Osten "usque ad orientalem ripam sive ad aquam fluminis Warnemunde" erstrecken, d. h.. wie wir noch sehen werden 4 ), bis zum Ostufer jenes Warnowarmes, der etwas westlich des heutigen Rettungsschuppens damals in die Ostsee mündete 5 ) und wohl schon seit längerer Zeit von den Rostockern als Hafenmündung benutzt wurde. c) Sollte in diesem "ihrem Hafen" durch unvorhergesehenen Zufall ein Schiff stranden, so wollte der Fürst keinen Anspruch mehr darauf machen. Dem Handel aber sollte dortselbst bis auf die zollpflichtigen Waren völlige Freiheit gewährt sein. d) Die Fischereigerechtig-


1) Vgl. Koppmann, Geschichte ... S. 4 - 6.
2) Barnewitz, a. a. O. S. 58.
3) 25. März 1252, Meckl. Urk.-Buch (M. U.-B.) 686. Vgl. zum folgenden: Barnewitz, a. a. O. S. 58 ff. Krause, a. a. O.
4) Vgl. S. 102 ff.
5) Siehe D auf der Karte im Anhang.
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keit auf der Warnow von der Petribrücke bis hin nach Warnemünde sowie außerhalb des Hafens sollte an die Stadt fallen 1 ). Damit also war das östliche Mündungsgebiet der Warnow in die Hand der Stadt gekommen.

Der Hafen selbst aber, "portus ipsorum", "ihre" schon seit langem gewohnheitsmäßig benutzte Durchfahrt in die See, war durch diesen Vertrag noch nicht Eigentum der Stadt geworden. Nach wie vor blieb das Hoheitsrecht beim Fürsten 2 ). So mußte die Stadt ihr Augenmerk darauf richten, auch den Hafen selbst mit allen seinen Rechten in ihre Gewalt zu bekommen. Zwölf Jahre später erreichte sie dies Ziel: Am 12. Oktober 1264 übertrug ihr der gleiche Borwin III. auch die Rechte an "ihrem Hafen" zu Warnemünde mit all seiner Nutznießung 3 ). Damit hat die Ausdehnungspolitik der Stadt einen entscheidenden Erfolg errungen. Die einzige der Mündungen, welche damals für größere Schiffe befahrbar gewesen ist 4 ), war Rostocker Macht unterstellt.

Nunmehr setzte eine längere Periode der Ruhe ein, in der keine Neuerwerbungen gemacht wurden. Nach Verlauf von zwei Menschenaltern wurde jedoch noch einmal all das Erworbene und damit das Bestehen der Stadt wieder in Frage gestellt. Es spielten damals jene bekannten Kämpfe um den Besitz des Warnowmündungsgebietes, die von Krause und Barnewitz in allen Einzelheiten beschrieben sind 5 ). Auf die Ereignisse, welche historisch bedeutsam geworden sind, muß hier kurz eingegangen werden.

Das Rostocker Land geriet im Jahre 1302 auf einige Zeit in Abhängigkeit vom Dänenkönig Erich Menved, der die Politik des großen Waldemar, die ganze Ostsee zu einem dänischen Gewässer


1) Krause nimmt a. a. O. S. 1 an, daß im Falle der Verleihung der Fischereigerechtigkeit unter "Warnemunde" das Kirchdorf zu verstehen sei, während die übrigen Stellen der Urkunde sich auf den Rostocker Seehafen (unser D) bezögen. Das ist doch wohl kaum anzunehmen. In diesem Sinne würde "bis nach Warnemünde" bedeuten "bis zum Bootsgraben". Die Fischereigerechtigkeit der Rostocker sollte sich also bis zum Bootsgraben erstreckt und dann hinter Warnemünde, an der See, wieder angefangen haben. Viel näherliegend ist doch, daß den Rostockern die Gerechtigkeit auf Warnow, Breitling, Hafen und Seegebiet vor ihrem Hafen verliehen wurde.
2) Daß "portus ipsorum" nur so interpretiert werden kann, zeigt der gleich folgende Vertrag vom 12. Okt. 1264, in dem Borwin den Rostockern jenen "portus ipsorum" als Eigentum überläßt. Vorher zeigt "ipsorum" also nur den Besitz, nicht aber das Eigentum an.
3) M. U.-B. 1021.
4) Vgl. S. 122.
5) Vgl. zum folgenden Krause, a. a. O. S. 7 - 14; Barnewitz, a. a. O. S. 67 - 88.
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zu machen, wieder aufnahm 1 ). Als die Rostocker dem König Erich und seinen bundesgenössischen Turniergästen 2 ) 1311 den Einzug in die Stadt verweigerten, beschloß der König, die widerspenstige Stadt zu demütigen. Da er selber jedoch durch anderweitige Händel abgerufen wurde, machte er den Fürsten Heinrich "Leo" von Mecklenburg zum Statthalter 3 ). Dieser blockierte noch im gleichen Jahre 1311 den Hafen, indem er beiderseits der Warnow einen mit Wall und Graben versehenen hölzernen Turm errichtete, die beide durch eine über das Wasser geschlagene Brücke verbunden wurden 4 ). Das Tief aber wurde durch Steine verstopft. Diese Maßregel, die in kurzer Zeit den völligen Niedergang der Stadt bedeuten mußte, konnte natürlich nur mit Krieg beantwortet werden. So sagten die Rostocker dem Dänenkönig auf, verjagten seinen Vogt, sandten ein Heer die Warnow hinab und vernichteten die Türme nach kurzer Belagerung. Um aber dieses wichtige Gebiet in Zukunft fest in der Hand zu haben, wurde auf der Ostseite des Tiefes wieder ein Turm errichtet, diesmal aus Stein, mit dem Material der Ruinen des Kirchturms von Fürstlich-Warnemünde und des Petriturms von Rostock, der sich damals gerade im Bau befand 5 ). Aber schon am 9. September fiel die Burg nach dreimonatiger Gegenwehr in die Hand des Statthalters Heinrich "Leo", den Erich mit der Belagerung beauftragt hatte. Und nun schien Rostocks Schicksal besiegelt: Die Feste wurde mit vier 6 ) starken Türmen umgeben, die unter sich mit Wall, Graben und Mauern verbunden waren. Sie hieß nunmehr die "Danskeborg". Es war eine großartige Wasserburg, "derghelik nen


1) Vgl. dazu auch Schäfer, Die deutsche Hansa, S. 34.
2) Barnewitz, a. a. O. S. 72 und 72, 5.
3) 6. Sept. 1311, M. U.-B. 3484.
4) Siehe die bei Barnewitz angegebenen Quellen, a. a. O. S. 75, 4 u. 5, S. 78, 2.
5) Krause, a. a. O. S. 9.
6) Krause meint a. a. O. S. 12, über die Zahl der Türme schwankten die Quellen. - Tatsächlich ist es so: Alle Quellen, einschließlich Detmar, berichten von vier Türmen. Detmar kommt nach der ersten Erwähnung der Burg (S. 199) noch einmal auf dieselbe zurück und macht nun aus den vier Türmen fünf (S. 215). Das ist für einen Kenner der Laiengeschichtsschreibung, wie sie im Norden von Detmar und Korner, im Süden von Königshofen betrieben wurde, ganz erklärlich. Das Bestreben dieser Historiographen ist es, möglichst bunt und prächtig zu schildern. Da geschieht es leicht, daß eine Burg einen Turm mehr bekommt, als es den Tatsachen entspricht. Die zweite Nachricht Detmars (auf S. 215) ist also nicht als vollwertig zu betrachten. Die Zahl der Türme der Danskeborg ist vier gewesen. (Chroniken dt. Städte, IX., Leipzig 1884.)
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in all den landen was" 1 ). Am 7. Dezember mußte auch die Stadt selbst sich ergeben und dem dänischen König Treue schwören: Rostock war auf den Stand von 1252 zurückgeworfen. Zwar wurde die Sperrung des Hafens wieder aufgehoben. Die "Danskeborg" aber blieb bestehen. Und damit waren die Pläne, deren Verwirklichung die Stadt im 13. Jh. zugestrebt hatte, gescheitert.

Äußere Ereignisse kamen schließlich der Stadt in ihrer bedrängten Lage zu Hilfe. Im Verlaufe der Jahre 1315 - 20 hatte sich Fürst Heinrich "Leo" zum Herrn über das ganze Land Mecklenburg in seiner heutigen Ausdehnung gemacht und sich als Nachfolger der ausgestorbenen Herren des "Landes Rostock" huldigen lassen (13. Nov. 1319) 2 ). Durch seine langwierigen Kämpfe war er jedoch so in Schulden geraten, daß er schließlich, um Geld zu erlangen, der Stadt Zugeständnisse machen mußte. Am 24. September 1322 3 ) verzichtete er im Vertrag zu Gadebusch zugunsten der Stadt Rostock auf die Warnowmündung und gab die Erlaubnis zum Abbruch der Danskeborg. Es wird berichtet, daß der Preis, den die Rostocker dem Fürsten zu zahlen hatten, sehr groß gewesen sei 4 ). Aber das Objekt war des hohen Preises wert. Die Burg wurde sofort abgebrochen 5 ), und der Seehafen war wieder unbestrittener Besitz der Rostocker.

Schon im folgenden Frühjahre kam die Stadt infolge der andauernden Geldschwierigkeiten des Fürsten zu einem neuen Erfolg, der sie mit einem Schlage an das Ziel ihrer langjährigen Wünsche brachte: Am 11. März 1323 verkaufte der Fürst das Dorf Warnemünde mit Grund und Boden und allen Rechten bis an die Grenze von Diedrichshagen an Rostock 6 ). Damit war das ganze Mündungsgebiet der Warnow vom Stromgraben im Osten bis


1) Detmar, a. a. O. S. 199. Über die vermutliche Lage der Burg siehe Anhang S. 172.
2) M. U.-B. 4145.
3) M. U.-B. 4377. "dat wy ... der menen Stadt tho Rostock vorcoft hebben dat Hus unde den Thorn (Burg und Leuchtturm!) to Warnemunde, also dat sy dat (nur "dat Hus"!) breken scholen." Vgl. dazu Lindeberg, Chron. Rost. 1576, IX, 1 zu 1322: "... lassen allein den neuen Turm oder die Leuchte stehen". Latomus, Gen. chron. Megapol. (Westphalen, Mon. ined. IV) 1610 "ohn die Leuchte ..." (Der Zusatz "so noch stehet" beruht natürlich auf einem Irrtum! Der Chronist denkt an die Leuchte bei A, weiß also offenbar nichts mehr vom ältesten Tief D).
4) Detmar, a. a. O., Kap. 527 S. 215.
5) Kämmereirechnung von 1325: "area, ubi turris quondam steterat" (M. U.-B. 4608 S. 255). Vgl. dazu Anm. 3 dieser Seite.
6) M. U.-B. 4424: "Praeterea trans fluvium Warnowe .... villam Warnemunde cum proprietate ... pleno jure Lubicensi."
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nach Diedrichshagen im Westen einschließlich jenes Hafens, den Fürst Heinrich Borwin III. im Jahre 1261 in Fürstlich-Warnemünde angelegt haben soll 1 ), Eigentum der Stadt Rostock geworden.

Kapitel II.

Die Geschichte des Rostocker Seehafens bei Warnemünde bis zum dreißigjährigen Kriege.

§ 1.

Die Lage des Rostocker Seehafens in der ältesten Zeit.

Über die Lage des Rostocker Seehafens in der ältesten Zeit sind bereits Untersuchungen veröffentlicht 2 ). Für die Darstellung der ersten Jahrhunderte ist also eine Auseinandersetzung mit den früheren Forschungsergebnissen erforderlich. Über die spätere Entwickelung des Hafens liegen noch keine Arbeiten vor. In den betreffenden Abschnitten kommen demnach die Ereignisse zur Darstellung, die zum überwiegenden Teil der Forschung noch unbekannt sind.

Bevor wir jedoch beginnen, müssen zum Verständnis des Folgenden einige Bemerkungen vorausgeschickt werden. Zunächst eine Erklärung des Wortes "Tief". Mit diesem Worte bezeichnen die Küstenbewohner Durchbrüche eines Wassers durch einen Landstrich, sei es nun Durchbrüche durch größere Landmassen, wie es z. B. Tiefs gibt zwischen Rügen und dem Festlande und zwischen den Inseln des dänischen Archipels 3 ), sei es, daß Durchbrüche durch Haffdünen damit gemeint sind, wobei das Memeler und Danziger Tief als Beispiele herangezogen werden mögen. Es ist dabei gleichgültig, ob diese Durchbrüche eine natürliche oder künstliche Ursache haben, ob sie, wie im Falle einer Haffdüne, vom Meere oder vom Festlande her durch einen Fluß erfolgt sind: stets wird das aus


1) Barnewitz S. 56 Anm. 3: "Im Jahre 1261 soll auch von Heinrich Borwin III. der Hafen von Warnemünde angelegt sein. S. Hane, Übersicht ... 1804 S. 98; Raabe, Meckl. Vaterlandskunde T. II Bd. 3 S. 89. Beide ohne Quellenangabe. 1325 besteht jedenfalls schon ein Hafen in Warnemünde. Denn von Rostock wird im Jahre 1325 laut M. U.-B. 4608 S. 254 "Warnemunde et portus ibidem" erworben.
2) Vgl. S. 93, Anm. 1.
3) S. auf der Seekarte (Ausg. 1873, verm. v. "Pommerania" u. "Blitz"): Krogshage-Tief bei Gjedser. Schmettau, Karte des Herzogtums Meckl.-Schwerin, 1788: "Binnendüpe" im Ribnitzer Bodden.
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solchen Ursachen entstandene Gebilde mit dem Namen "Tief" belegt werden können. Diese Definition zeigt, daß das Wort verschiedenartige Bedeutungen haben kann. Man wird dies für die weitere Untersuchung im Auge behalten müssen. Denn innerhalb der von uns untersuchten Jahrhunderte sind durch die der Unterwarnow vorgelagerte Düne Durchbrüche der verschiedensten Art erfolgt. Alle aber werden von den Schreibern jener Quellen, auf denen sich unsere Arbeit aufbaut, mit dem einen Namen "das Tief" oder gar bunt durcheinander "das neue Tief" bzw. "das alte Tief" benannt, woraus Krause geschlossen hat, daß es wahrscheinlich unmöglich sein werde, jemals diese Frage zu klären 1 ).

Ähnlich verhält es sich mit dem Worte "fangen". "Das Tief wurde gefangen", so heißt es in den Quellen überaus häufig. Barnewitz sagt, mit "fangen" sei das "Zurückdämmen und Befestigen der lockeren Ufermassen" gemeint 2 ). Auch Krause faßt es so auf 3 ). Nach dem Wörterbuch von Grimm 4 ) wird "fangen" bei Gewässern in der Bedeutung "Einfangen, Eindämmen, Einfassen" gebraucht. Als Beispiel ist eine Stelle aus der "Carolina" (169) angeführt: "Fließend ungefangen Wasser". Danach ist die Erklärung von Barnewitz und Krause nicht falsch; das Befestigen der Ufer im Gebiete des Hafentiefs kann mit "fangen" bezeichnet werden. In den Rostocker Quellen wird jedoch in diesem Sinne das Wort niemals gebraucht. Hier kommt es in zwei weiteren Bedeutungen vor, die weder in dem Wörterbuch von Grimm noch in dem von Schiller-Lübben belegt sind 5 ). Zunächst ein Beispiel für eine umumfassendere Bedeutung des Wortes "fangen": Als im Oktober 1582 beim Radelsee ein Tief durchbricht, bemerkt der Ratsschreiber, damals sei "alle Arbeit mit Fangung und Säuberung des Tiefes verdorben". Das Wort Säuberung beweist, daß hier von dem Verderb des Hafentiefs (A) gesprochen wird. Es ist infolge des Dünendurchbruches nicht mehr "gefangen", also "ungefangen". Diese Auffassung muß zunächst Wunder nehmen, da das Hafentief doch ein ganz bestimmter, örtlich begrenzter Wasserlauf ist, der mit dem womöglich weit von ihm entfernten Dünendurchbruch nur infolge des ihn durchströmenden Wassers Zusammenhang hat. Hier muß also eine Bedeutungsübertragung stattgefunden haben von den Wassern, die das Hafentief durchströmen auf das Tief selbst,


1) Krause, a. a. O. S. 16 oben.
2) Barnewitz, a. a. O. S. 62 Anm. 2.
3) Krause, a. a. O. S. 16.
4) Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. III Sp. 1313.
5) Schiller und Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, V 197.
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ein Vorgang, der ja in der deutschen Sprache häufig stattfindet 1 ). "Das Tief fangen" bedeutet also, allen seinen Wassern, d. h. allen Wassern der Warnow einschließlich ihres Boddens das freie Fließen verwehren und ihnen nur den einen Ausweg durch das Hafentief freigeben. Mit dieser Maßnahme verfolgte man eine bestimmte, hafenbautechnisch sehr wichtige Absicht: Das ausströmende Wasser sollte das Fahrwasser von Sand und Schlick säubern, und es ist erklärlich, daß diese Selbstreinigung 2 ) des Flusses um so mächtiger wirkte, je mehr Wassermassen sein Bett durchströmten, daß sie dagegen mehr oder weniger versagen mußte, wenn an einem anderen Orte die Warnowfluten Gelegenheit hatten, ins Meer zu gelangen. Deshalb hat man stets versucht, Durchbrüche der Düne möglichst schnell wieder zu verstopfen. Man wußte: Eine "schlimme" Haffdüne bedeutete ein "schlimmes" Tief und konnte Ursache vollkommener Versandung werden 3 ). Als in der Domfehde 4 ) der Feind sich des Warnemünder Gebietes bemächtigt hatte, wurde von ihm die Haffdüne zum Schaden der Stadt durchstochen. Bezeichnend ist der Zusatz des Chronisten, mit dem diese Tat begründet wird: "Damit das Wasser überall ginge" 5 ), heißt es in der Chronik. Man war also schon im 15. Jh. sich dieses Zusammenhanges zwischen Düne und Hafentief wohl bewußt: Nur die "gefangenen" Wassermassen vermochten das Tief sauberzufegen. Dies ist das Kernproblem aller Arbeiten am Rostocker Seehafen gewesen. Wir werden im Laufe der Darstellung sehen, wie alle Arbeit in diesem Sinne getan wird: Die Wasser des Flusses immer mehr noch einzufangen, um ihnen größere Gewalt zu geben. Es ist bemerkenswert, daß selbst noch im Jahre 1837 eine Flußregulierung unter diesem Gesichtspunkt stattgefunden hat: Der "Durchstich" des Pagenwerders 6 ). Da Barnewitz und Krause das Wort "fangen" in dieser ursprünglichen, weiteren Bedeutung nicht kennen, sondern es einschränken auf Arbeiten an den Ufern des Hafentiefes und es demnach erklären als ein Eindämmen der lockeren Ufermassen am Tiefe A, so ist es erklärlich, daß sie zu unrichtigen Schlußfolgerungen gelangten.

In den Rostocker Quellen wird "fangen" noch in einer dritten Bedeutung verwendet: Wenn das "ungefangene" Wasser des


1) Der sogenannte Subjektswechsel.
2) Vgl. S. 149 ff.
3) Vgl. S. 127.
4) Barnewitz, a. a. O. S. 93 ff.
5) Vgl. S. 117.
6) Barnewitz, a. a. O. S. 287.
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Hafen-Tiefes wiederum gefangen wird, indem z. B. ein Durchbruch verstopft wird, so wird auch das Verstopfen dieses Dünendurchbruches "fangen" genannt, und zwar wird es nunmehr übertragen auf den ja gleichfalls mit dem Worte "Tief" bezeichneten Durchbruch. "Das Tief wurde gefangen" kann also unter Umständen auch in übertragener Bedeutung gebraucht werden und ist dann als Verstopfen eines Dünendurchbruches auszudenken. Als z. B. im Jahre 1459 bei B ein Durchbruch erfolgt, der nun "neues Tief" genannt wird, da wird es gefangen, indem man es mit versenkten Kisten, Strauchwerk u. dgl. verstopft 1 ). Und als 1581 die Herren des Rates nach Warnemünde fahren, um den Durchbruch "nebenst der Heiden" (E), gleichfalls "das neue Tief" genannt, anzusehen und über die notwendigen Arbeiten zu beraten, da macht der Ratsschreiber den Zusatz "Und solches alles zur abschaffung (!) und dempfung (!) des neuen Tieffs" 2 ). Da im weiteren dann wieder von dem "fangen" dieses Tiefes gesprochen wird, so ist es hier gleichfalls in der übertragenen Bedeutung "verstopfen, zuschütten" gebraucht.

Das "fangen" eines Dünendurchbruches bewirkte natürlich gleichzeitig das Einfangen der Wasser des Hafentiefes in dem weiteren Sinne. So haben wir denn im Jahre 1582 beide Bedeutungen des Wortes nebeneinander. In den Quellen wird berichtet, daß am 14. Juli 1582 das "neue" Tief "gefangen" wurde. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, daß einige der Schreiber die Zuschüttung des Durchbruchtiefes, des "neuen Tiefes nebenst der Heiden" (E) meinen, daß andere aber die dadurch bewirkte Einfangung des Warnowwassers und somit die "fangung" des gleichfalls "neues Tief" genannten 3 ) Hafentiefs "A" im Auge haben. Dieses Beispiel ist wohl geeignet, die verschiedenen Bedeutungen der Begriffe "Tief" und "fangen" zu veranschaulichen, gleichzeitig aber auch eine Vorstellung davon zu vermitteln, mit welchen Schwierigkeiten die Forschung bei der ungenauen und ungleichen Ausdrucksweise der Quellen zu kämpfen hat. Erst aus der Fülle und dem Zusammenhang der Quellen heraus war es möglich, in das verwirrende Durcheinander, an dem die bisherige Forschung gescheitert war, Klarheit zu bringen.

Zunächst die Ergebnisse der früheren Forschung: "Am Seegestade zwischen Warnemünde und Markgrafenheide finden sich mehrere Stellen, die den Beinamen "Altes Tief" führen, und na-


1) Vgl. S. 116.
2) Rost. Ratsarchiv: Ratsprotokoll (R. Pr.) 1581 Febr. 15.
3) Vgl. S. 125.
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mentlich sind östlich ganz unzweifelhafte Spuren alter Hafenwerke, sowohl in der See als in den Wiesen", so schreiben Lisch und Mann in ihrem Aufsatz "Beiträge zur älteren Geschichte Rostocks" im Jahre 1856 1 ). Bei der Erklärung der Quellen, die über Rostocks Hafen in der ältesten Zeit etwas aussagen, kommen sie aber doch zu dem Ergebnis, daß der Schiffsverkehr in historischer Zeit stets durch den später so genannten "alten Strom", das von uns mit A bezeichnete Tief 2 ), gegangen sei. Von den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts an hat sich dann Ludwig Krause, wie aus seinen im Rostocker Ratsarchiv befindlichen hinterlassenen Akten hervorgeht, mit dieser Frage beschäftigt. Er ist im Verlaufe seiner Forschungen zu der Ansicht gekommen, daß der ursprüngliche Hafenort Warnemünde nicht mit dem Kirchdorf gleichen Namens gleichzusetzen ist. Als Krause dann in der ersten Auflage des Buches von Barnewitz "Die Geschichte des Hafenortes Warnemünde" 3 ) von den in der Nähe des heutigen Rettungsschuppens befindlichen alten Steinkisten-Bollwerken 4 ) erfuhr, nahm er diese Mitteilung auf und veröffentlichte die Ergebnisse seiner Arbeiten 1923 in einem Zeitungsaufsatze und in den "Beiträgen zur Geschichte der Stadt Rostock" 5 ). Diese Veröffentlichungen haben den Hauptanstoß zu der vorliegenden Untersuchung gegeben. Krause geht aus von dem schon erwähnten Vertrag Borwins III. (1252), worin jener Fürst der Stadt Rostock die Heide "secus marinum litus usque ad orientalem ripam siue ad aquam fluminis Warnemunde" 6 ) verkauft. Da hierbei von dem "portus ipsorum", von "ihrem" Hafen die Rede ist, der dann 1264 unter Stadtrecht gestellt wird 7 ), das Kirchdorf Warnemünde nach 1264 aber noch 59 Jahre fürstlich bleibt, also erst im Jahre 1323 in städtischen Besitz kommt 8 ), so könne, sagt Krause, der Rostocker Hafen am "flumen Warnemunde" und das Kirchdorf Warnemünde in jener Zeit nicht das-


1) Lisch, Jahrb. d. Ver. f. Meckl. Gesch. (J. M. G.) XXI S. 25 - 26.
2) Siehe die verschiedenen Flußläufe auf der im Anhang beigegebenen Karte.
3) Barnewitz, Geschichte des Hafenortes Warnemünde, 1. Aufl., S. 3 f.
4) Die Bollwerke, die Barnewitz in der ersten Auflage seines Buches noch für wendischen Ursprungs hielt, bestanden aus aneinandergesetzten, mit Steinen und Strauchwerk gefüllten Kisten (s. S. 154 ff.). Die Warnemünder nennen dies Bollwerk noch heute "de ollen kisten" (s. Krause, a. a. O. S. 6).
5) Vgl. S. 93, Anm. 1.
6) M. U.-B. 686.
7) M. U.-B. 1021.
8) M. U.-B. 4424.
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selbe gewesen sein. Diese Feststellung ist sicherlich richtig und ein unzweifelhaftes Verdienst der Krauseschen Arbeit. Bedenklich aber ist Krauses Versuch, die Örtlichkeit des Rostocker Hafens festzulegen. Er führt das bei Barnewitz beschriebene Bollwerk an und sagt dann: "Da haben wir den gesuchten ältesten Seehafen an der Warnowmündung, den Warnemünder Hafen der Fürstenurkunden von 1252 und 1264" 1 ). Mir scheint dies keine einleuchtende Beweisführung zu sein. Sie ist auch ohne Zweifel erst durch die Beschreibung des alten Kistenbollwerks veranlaßt, denn - dessen muß man sich stets bewußt bleiben - die von Krause herangezogenen Quellen sagen zwar mit Gewißheit aus, daß der Rostocker Hafen nicht identisch gewesen ist mit dem Kirchdorf Warnemünde, nicht aber, daß dieser Hafen nicht am "Alten Strom", also an dem von uns so genannten Tief A gelegen habe. Es wäre durchaus möglich, daß mit der "orientalis ripa ... fluminis Warnemunde" das Ostufer des "Alten Stroms" gemeint ist (A), daß also auf dieser Ostseite die Rostocker ihre Hafenhäuser hatten, während jenseits, auf dem Westufer, das Kirchdorf Warnemünde gelegen war. Ebenso ist aus dem bloßen Vorhandensein jenes Kistenbollwerks zunächst noch gar nichts zu entnehmen, und so ist die Annahme Krauses um nichts stichhaltiger als die von Barnewitz, daß die "ollen Kisten" Reste des "alten Hafens der Wenden" seien 2 ). Es müßten also weitere Beweise für Krauses Ansicht erbracht werden, denn der einzige von ihm angeführte, auch das Rostocker Gewett stände auf diesem Standpunkt - im Jahre 1909! - , ist doch wohl nicht ernst zu nehmen 3 ).

Krauses Vermutung, der alte Rostocker Hafen habe nicht am Tiefe A gelegen, wurde dann durch Friedrich Barnewitz, der sich in der zweiten Auflage seines Buches 4 ) diese Ansicht zu eigen machte, durch eindeutige Beweise, die er jedoch merkwürdigerweise alle nebenbei, in Anmerkungen liefert. zur Gewißheit gebracht 5 ). Er teilt eine Stelle aus den Kämmereirechnungen des Jahres 1323 mit 6 ), worin die Rede davon ist, daß nunmehr "Warnemünde et portus ibidem", Warnemünde und der Hafen daselbst im Besitz von Rostock sei. Das deutet darauf hin, daß es


1) Krause, a. a. O. S. 6.
2) Vgl. S. 102, Anm. 3.
3) Krause, a. a. O. S. 6. Krause führt eine Bekanntmachung des Rostocker Gewetts aus dem Frühjahr 1909 an und schließt dann: "Also das Gewett nimmt diese Steinkisten auch für die alten Warnemünder Hafenbauten".
4) Barnewitz, a. a. O. S. 62 ff.
5) Barnewitz, a. a. O. S. 87, Anm. 1; 55, Anm. 2; 77, Anm. 5.
6) Vgl. S. 98, Anm. 1.
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damals im Gebiet der Breitlingsnehrung zwei Häfen gegeben hat, einen, den die Rostocker von alters her benutzten und seit 1256 besaßen, und einen andern, den sie mit Warnemünde bekamen 1 ). Wichtiger ist eine zweite Quellenstelle, die Barnewitz anführt 2 ). In dem Kämmereiregister von 1325 wird eine Wiese genannt, "pratum dictum Mandel" mit dem Zusatz "apud aream, ubi turris quondam steterat" 3 ), bei dem Gelände, wo früher der Turm gestanden hat. Dieser Turm, die oben genannte Danskeborg 4 ), war 1323 abgerissen 5 ) und hat nach dem übereinstimmenden Bericht aller Chronisten auf dem Ostufer der Warnowmündung gestanden 6 ). Da nun jedoch östlich des "Alten Stroms" (A) sich von je die "Vogtswiese" erstreckt hat, die Vogtswiese, die in demselben Kämmereiregister des Jahres 1325 bereits erwähnt wird, so kann die Danskeborg nicht auf dem Ostufer des Tiefes A gestanden haben. Sie ist vielmehr an einem anderen der weiter östlich gelegenen Warnowausläufe zu suchen. Die weitere Frage wäre nun, wo dieser östliche Warnowauslauf sich befunden hat.

Es hat östlich des Tiefes A noch mindestens vier Mündungen oder Durchbrüche gegeben 7 ): Das "alte Tief" gleich östlich des


1) Vgl. S. 98.
2) Barnewitz, a. a. O. S. 77, Anm. 5.
3) Vgl. S. 97, Anm. 5.
4) Vgl. S. 96.
5) Vgl. S. 97.
6) Z. B. Kirchbergs Reimchronik (Chronicon Mecklenburgicon, in Westphalen, Mon. ined., Lpzg. 1739 - 45, Tom IV, 594 ff., geschr. 1378) Cap. CXLVII, S. 797 (nach der Zerstörung der beiden Türme wird der eine wieder aufgebaut): "ich meyn dy Burg geyn Ostin wart .. " Die Ostburg also ist die Danskeborg.
7) Vgl. z. folg.: Krause, a. a. O. S. 4 - 6; Barnewitz, a. a. O. S. 31, 32. Dazu die Karte im Anhang. Das Tief D ist Krause und Barnewitz noch unbekannt gewesen. Mir lagen zur Untersuchung folgende Quellen vor:
1631 Plan v. Rost. mit Wmde. (Geh. u. Haupt-Arch., Schwerin).
1696 Lust, Gründl. Abriß d. Stadt Rostock Heyde (Schw., neuere Kopie in Rost. Vgl. B. G. R. II 1, S. 25 ff.).
1719 Karte v. Rost. u. Wmde.:
    1. N. N., erste Fassung. (Schwer.),
    2. Zülow, zweite Fassung, Pause von 1, vermehrt (Rost. Ratsarchiv),
    3. Isenbarth, flüchtige Pause von 1, über 2 hinaus vermehrt (Rost.).
1748 Kopie von Isenbarth. Mitget. v. Barnewitz, a. a. O. S. 64.
1748 Karte von Möller (Rost.). Vgl. B. G. R. III, 2 S. 29 ff.
1778 Hafenbuch des Zimmermeisters Diercks (Rost.). Vgl. B. G. R. III, 2 S. 29 ff.
(  ...  )
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"Stroms" (siehe Karte: B), das "alte Tief" bei der "hohen Düne" (C), den Ausfluß beim Radelsee (E) und womöglich noch einen am "heiligen See" 1 ). Der letztere scheidet natürlich ohne weiteres aus. Die beiden ersten, von den Warnemünder Fischern 2 ) bis in die neueste Zeit so benannten "alten Deepe" kommen am ehesten in Betracht, und es ist nur die Frage, für welches der beiden man sich entscheiden soll. Das westliche Tief (B) ist auf allen Karten vor 1903 3 ) als langgestreckter Teich, ähnlich einem alten Flußlauf, zu sehen. Das östliche, C, soll dort gelegen haben, wo der Breitling am weitesten an die Düne heranreicht, beim sogenannten "Fulen Urt" 4 ). Die Fischer nennen noch heutzutage diese Gegend "Olle depe" und erzählen, daß man an dieser Stelle früher habe ins Meer fahren können. Als nun das Buch von


(  ...  ) 1770/80 Wiebeking, Meckl. Landesaufnahme (Schw.). Entwurf zu:
1788 Schmettau, Karte des Herzgt. Meckl.-Schw., Druck.
1796/1809 Karte von Tarnow, zwei Expl. (Rost.).
1877/1879 Preuß. Landesaufnahme, Druck.
1888 Karte v. d. Unterwarnow u. d. Breitling (Rost. Hafenbauamt)
Vor 1903 Karte d. Stromgebiets der U.-Warnow von Rost. bis durchs Seegatt (Rost. Haf.-B.-Amt).
Bemerkung zur Datierung der Karten von 1719: Eingehende Untersuchung ergab, daß die Schweriner Karte (Papier, unaufgezogen) das Original ist. Tiefe Furchen zeigen, daß Pausen von ihr entnommen wurden. Einige Furchen sind sehr ungenau. Die Farben sind im Vergleich zu den beiden andern Karten frisch. - Die Karte von Zülow (auf Leinen, daher gedunkelt, auf Holz aufrollbar) stimmt mit der vorigen überein. Das Schiff im NO. von Warnemünde sowie die Windrose beweisen das. Zusätze (Nr. 123 - 128 sowie einige Bezeichnungen auf Warnemünder Gebiet) zeigen, daß diese Fassung später zu setzen ist. - Die Umrißlinien der Karte von Isenbarth (auf Leinwand, Farbe gedunkelt) weichen von denen der beiden vorhergehenden Karten ab, doch entsprechen sie genau den ungenauen Pausenfurchen der Schweriner Karte. Das Schiff auf See ist durchkopiert, doch mit entgegengesetzter Fahnenstellung. Windrose ohne sorgfältige Lilienzeichnung. Gegenüber Zülow noch ein weiterer Zusatz (Nr. 129). Somit ergibt sich, daß die Schweriner Karte das Original, Isenbarth eine erweiterte zweite Auflage, Zülow eine sehr oberflächliche, erweiterte Kopie ist.
1) S. Krause, Die Rostocker Heide (B. G. R. XIII, 1926 S. 49/50).
2) Barnewitz, a. a. O. S. 30, 2.
3) Z. B. Preuß, Landesaufnahme 1877, Hgg. 1879. 1903 finden die großen Hafenumbauten statt.
4) Barnewitz verlegt a. a. O. S. 32 den "faulen Ort" nach dem Radeldurchbruch (E). Ob es sich hier um eine Verwechselung mit dem "Priewerder" (Fauler Werder) handelt? Der "Priewerder" lag nach Tarnow bei der "Radel" (s. Karte im Anhang), nicht. wie Barnewitz a. a. O. S. 182 schreibt, nahe den Pinnwiesen. Der "Faule Ort" war die Breitlingsbucht bei C (Rostocker Straßenfischer, Möller a. a. O., Lust a. a. O. ["Faul Holtz" und "Faul Ort"], Barnewitz auf S. 183).
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Barnewitz mit seinem Bericht von den alten Molenbauten westlich des Rettungsschuppens erschien, griff Krause diesen Hinweis auf, entschloß sich für das östliche Tief (C) und vertrat die Ansicht, daß hier das alte Fahrwasser und damit auch die Stelle zu suchen sei, an der vorzeiten die Danskeborg gestanden habe. Er fügte eine Kartenskizze bei, auf der das Fahrwasser als durch jene schmalste Landstelle gehend verzeichnet wird. An der Mündung dieses Tiefes in die Ostsee sind die "Kisten" als Molen wiedergegeben; Barnewitz folgt dann in der zweiten Auflage seines Buches dieser Ansicht 1 ).

Hierbei ist Krause jedoch ein Irrtum unterlaufen. Auf einer alten Karte des Rostocker Ratsarchivs, die er unzweifelhaft gekannt hat 2 ), ist nämlich bei C ein kleiner Graben gezeichnet, der bis an die Dünen heranreicht. Diesen Graben nahm Krause, unterstützt durch die Aussagen der alten Fischer, als den Rest des gesuchten ältesten Tiefs an und brachte es nun, wie man aus seiner Skizze ersieht, mit dem von Barnewitz beschriebenen Kistenbollwerk an der See in Verbindung. Doch hat weder er noch Barnewitz daran gedacht, zu prüfen, ob dieser Graben denn überhaupt mit jenen alten Kisten in Verbindung steht.

Diese Verbindung besteht jedoch nicht! Das Bollwerk befindet sich wohl 500 m östlich jenes Grabens, etwas westlich vom Rettungsschuppen. C aber befindet sich etwas östlich der sogenannten "Hohen Düne". Besser gesagt, jenes Tief lief genau durch die Osthälfte des am weitesten nach Osten gelegenen Flugschuppens ("Halle VII"). Wenn also das bei Barnewitz beschriebene Bollwerk den Rest einer früheren Mole darstellt - und eine andere Deutung der "ollen Kisten" ist gar nicht möglich - , so mußte der auf sie zugehende Warnowauslauf weiter östlich als "C" zu suchen sein.

Ein solcher Flußarm ist auf einer von Tarnow 3 ) gezeichneten Karte von 1809, die sich im Rostocker Ratsarchiv befindet, angegeben. Sowohl den Einlauf dieses mit D bezeichneten Tiefes als auch seinen Auslauf in die See, der genau auf die Gegend der "alten Kisten" gerichtet ist, hat Tarnow als "olles Fohrwater" bezeichnet. Den Mittellauf nennt er "olle Düpe". Damit war die Lage eines vor dem Warnemünder Strom (A) als Fahrwasser benutzten Tiefes, vielleicht des ältesten überhaupt, bekannt. Der


1) Barnewitz, a. a. O. S. 62.
2) Karte von Möller im Rost. Rats-Archiv (1748?). Nach dieser Karte hat Krause, wie aus seinem Nachlaß hervorgeht, eine Kopie angefertigt.
3) Karte von Tarnow 1796/1809, zwei Expl. im Rost. Rats-Archiv. Vgl. Kohfeldt "Rostock im Jahrzehnt 1780 - 1790", Rostock 1918.
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auch auf der Schmettauschen Karte 1 ) angeführte, wenn auch nicht benannte Flußlauf gleicher Gestalt war damit gleichfalls erklärt. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß auf der sogenannten Wiebekingschen Karte 2 ), die zwischen 1770 und 1780 angefertigt wurde und den Entwurf zu der Schmettauschen Ausgabe bildete, derselbe Graben und gleichfalls am Ein- und Auslauf mit der Benennung "Altes Fahrwasser" zu finden ist. Ich begab mich nunmehr an jene Stelle der Küste, wo die "Alten Kisten" sich befinden, um womöglich den alten Flußlauf wiederzufinden. An Hand der Karte gelang es sofort 3 ). Daß dieser alte Wasserlauf wirklich jenes älteste Tief gewesen ist, an dessen Ufer einst der Kampf um die Danskeborg getobt hatte, ist nunmehr leicht zu erweisen. Es gibt nur vier Mündungen, die mit dem Namen "depe" bezeichnet sind: A, B, C und D. Das Tief A fällt nach den bisherigen Ausführungen ohne weiteres aus 4 ). Von den übrigen dreien ist nur D auf den Karten von Schmettau und Tarnow als "Olles Fohrwater" bezeichnet. Es besteht somit sehr große Wahrscheinlichkeit, daß D der älteste Hafen der Stadt Rostock gewesen ist. Folgende Erwägungen machen dies zur Gewißheit: Angenommen, unsere Vermutung sei falsch, dann müßte D vor oder nach dem von uns gesuchten ältesten Rostocker Tief als Durchfahrt und Hafen gedient haben. D könnte z. B. schon lange vor der Einwanderung der Deutschen, von den Wenden etwa, als Hafen benutzt sein. Die Rostocker hätten dann später einen anderen Mündungsarm oder Meeresdurchbruch zum Hafen gemacht, etwa B oder C. Diese Annahme ist jedoch völlig unhaltbar. Sie setzt voraus, daß die Zeichner des 18. Jh. ein altes Wendentief auf ihren Karten "Olles Fohrwater" genannt hätten, das schon um 1300, zur Zeit der Kämpfe um die Danskeborg, nicht mehr benutzt wurde und somit seit jener Zeit kein Fahrwasser mehr war, eine Durchfahrt also, über deren Geschichte und Lage nie etwas in der Überlieferung erwähnt wird, die außerdem im 18. Jh. längst dem Interesse entrückt ist. Der älteste Rostocker Hafen aber, jenes Tief, an dessen Ufern die Danskeborg gestanden hatte und die Kämpfe sich abspielten, die in der Rostocker Geschichtsschreibung nicht geringen Raum einnahmen, dieser oft genannte und geschichtenumsponnene Hafen müßte jener Annahme nach von den Zeichnern zugunsten eines sonst unbekannten, dem damaligen Interesse durchaus fernen wen-


1) Schmettau, a. a. O.
2) Wiebeking, Meckl. Landesaufnahme 1770/80. Entwurf zu Schmettau, a. a. O.
3) Siehe Ausgrabungsbericht im Anhang, S. 170 ff.
4) Vgl. S. 102 ff.
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dischen Tiefs vernachlässigt sein. Das alles ist außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit und somit die Annahme, D habe schon lange vor dem ältesten Seehafen der Rostocker als Tief gedient, als falsch abzulehnen. Freilich ist es nicht ausgeschlossen, daß das Rostocker Tief direkt aus dem Wendentief hervorgegangen ist. Von diesem Fall aber abgesehen, wo ja D als ursprüngliches Wendentief am Ende doch zu dem von uns gesuchten ältesten Rostocker Seehafen wird, müssen wir sagen, daß unmöglich D, da es im 18. Jh. noch als "Olles Forwater" bezeichnet wird, vor dem ursprünglichen Hafen der Rostocker bestanden haben kann. Aber auch nachher nicht. Zwar könnte man behaupten, die Lage des ältesten Hafens sei, nachdem er von D abgelöst war, in den folgenden Jahrhunderten in Vergessenheit geraten, D aber sei dann um 1580 1 ) durch A ersetzt; die Erinnerung an dieses vorletzte Fahrwasser D habe sich erhalten und sei so Anlaß zu der Bezeichnung auf den Karten des 18. Jh. geworden. Doch auch diese Annahme läßt sich leicht widerlegen: Wie an anderer Stelle ausgeführt wird, hat D als Hafen infolge seiner Lage und seines gewundenen Laufes sehr erhebliche Nachteile, die eines Tages zur Verlegung an einen anderen Ort führen mußten 2 ). Bei C aber ist, wie man aus der Karte ersieht, eine um vieles bequemere Durchfahrt. Es ist wohl kaum anzunehmen, daß ein besserer Hafen zugunsten eines schlechteren aufgegeben ist. So wenig, wie etwa B mit seinem guten Boden und seiner w-ö gerichteten Küste durch D ersetzt sein kann. Demnach muß D älter sein als C und B. Da ferner nach 1323 der Stadt Rostock bereits das ganze Mündungsgebiet der Warnow einschließlich des alten Stroms A 3 ) mit seinen günstigeren Hafenbedingungen 4 ) zur Verfügung stand, ist es ebensowenig denkbar, daß noch nach diesem Zeitpunkt bei einer Hafenverlegung das um vieles ungünstigere D dem guten Tiefe A vorgezogen wäre. Wenn also D als "olles Fohrwater" bezeichnet wird, dann muß es schon vor 1323 "Fohrwater" gewesen sein. Wir haben demnach in D wirklich den ältesten Rostocker Seehafen wiedergefunden. Da an seinen Ufern die 1323 noch bestehende Danskeborg gelegen hat, so ist zu hoffen, daß zu der einen Entdeckung eines Tages noch eine weitere kommt: Die Auffindung der Reste der alten dänischen Zwingburg 5 ).


1) Vgl. S. 110 mit Anm. 3.
2) Vgl. S. 110.
3) Vgl. S. 97.
4) Vgl. S. 109.
5) Eine Beschreibung des Tiefs in seinem heutigen Zustand sowie Bemerkungen über die vermutliche Lage des Danskeborg finden sich S. 170 ff.
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§ 2.

Der Rostocker Hafen im 14. und 15. Jahrhundert.

Als Rostock im Jahre 1325 in den Besitz des ganzen Warnowgebietes gekommen war, hätte einer Verlegung des Hafens nach dem Westen an die noch heute benutzte Stelle (A) nichts im Wege gestanden. Krause meint denn auch, sie wäre bald darauf erfolgt 1 ). Einige Gründe für die Verlegung sind von den bisherigen Bearbeitern dieses Themas angegeben 2 ): Der Boden im Warnemünder Gebiet war, wenn erst ein gut ausgetieftes Flußbett vorhanden war, wegen seiner härteren Struktur für einen Hafen besser geeignet als der sandige Untergrund im Osten 3 ). Auch war im Westen im Gegensatz zu dem Sumpfgelände des Ostens mehr Ausdehnungsmöglichkeit vorhanden. Zunächst aber war, wie es auch mündlich überliefert ist 4 ), der "Alte Strom" (A) an seinem Auslauf noch ein sehr flaches, oft genug hin- und herpendelndes Rinnsal, während sich das "Alte Tief" D in einem einigermaßen brauchbaren Zustand befand. Auch scheint die Frage des Baugeländes erst im 14. Jahrhundert brennend geworden zu sein. Bis dahin haben offenbar die wenigen "boden" der Rostocker Bürger am Tiefe D genügend Platz gehabt 5 ). Der meines Erachtens wichtigste Grund aber, der über kurz oder lang zu einer Verlegung führen mußte, ist von den bisherigen Bearbeitern nicht genannt! Es ist ein schiffahrtstechnischer Grund. Vergegenwärtigt man sich auf der Karte die Lage dieses ältesten Hafens - die Küste hat NO-SW-Richtung, die Mündung läuft gar fast genau von O nach W - , so sieht man, daß diese Lage in einem Lande mit vorherrschend westlichen Winden für einen Hafen nicht günstig war: Der vorherrschende Wind und demnach auch die vorherrschende Wellenrichtung waren direkt gegen den Hafenmund gerichtet. Das war sowohl für die Hafenanlagen als auch für die Schiffahrt eine stete große Gefahr. Den Hafenmund freilich konnte man durch entsprechende Maßnahmen einigermaßen schützen. Das hat man auch getan. Wir haben das Bollwerk bereits oben kennen gelernt 6 ). Es ist eine meisterhafte Lösung des schwierigen


1) Krause, a. a. O. S. 16.
2) Krause, a. a. O. S. 15/16.
3) Im Westen findet sich ein toniger Sand, die sogenannte "Klei". S. Barnewitz, a. a. O. S. 24.
4) Krause, a. a. O. S. 15.
5) Über die "Boden" der Bürger siehe S. 120 mit Anm. 3.
6) Vgl. S. 102 mit Anm. 4.
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Problems, in dieser gefährdeten Lage ein Bollwerk vor den Hafenmund zu bauen. Die Gefahr für die Schiffahrt aber blieb nach wie vor bestehen. Es muß bei starkem Westwind recht schwierig gewesen sein, das Schiff sicher in den Schutz der Mole hineinzusteuern. Ständig war Gefahr, von der Brandung ergriffen und gegen die Küste getrieben zu werden. Je größer und damit auch je schwerfälliger die Schiffe im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurden, desto schwieriger mußte es werden, die Mündung sicher zu treffen. Dies scheint mir das allerwichtigste Moment zu sein, das eines Tages darauf hinführen mußte, den Hafen nach dem Westen zu verlegen, wo die Küste genau WO-Richtung hatte und deshalb den vorherrschenden Winden nicht so ausgesetzt war wie im Osten. Ganz bestimmte Notwendigkeiten drängten demnach darauf, das alte Tief, das 1256 in den Besitz der Rostocker gekommen war, aufzugeben und weiter westlich ein neues Tief anzulegen: Je mehr der Handel der hansischen Stadt sich entwickelte, je mehr im Zusammenhang damit die Schiffe an Umfang zunahmen, desto mehr mußte sich die Notwendigkeit herausstellen, einen für diese veränderten Zeitverhältnisse geeigneteren Hafen zu gewinnen 1 ). Wann hat nun diese Verlegung stattgefunden?

Überblickt man den überlieferten Schatz an Akten, die für diese Frage zur Verfügung stehen, so ist man zunächst durch das bunte Durcheinander der Bezeichnungen für die verschiedene Tiefe völlig verwirrt 2 ). Es gilt also zunächst einen festen Punkt zu gewinnen und von hier aus dann vorsichtig weiter zu arbeiten. Betrachten wir die Karte von Vicke Schorler, eine Abbildung der Stadt Rostock und der Ortschaften an der Unterwarnow bis Warnemünde aus dem Jahre 1582 3 )! Hier ist zu sehen, daß der Ort Warnemünde samt Kirche und Vogtei unzweifelhaft an dem zu jener Zeit als Mündungshafen benutzten Tief, dem später "Alter Strom" genannten Warnowarm A gelegen ist. Die Bollwerke, der reiche Schiffsverkehr auf dem Wasser und der Leuchtturm lassen keinen Zweifel darüber aufkommen, daß wir hier das Hafentief Rostocks vor uns haben. Zu allem Überfluß steht über dem Orte zu lesen: "Conterfei von dem Rostocker Schiffhafen Warnemünde 1582.". Dieses ist der erste durchaus feststehende Punkt unserer Untersuchung.


1) Daß diesem Streben zur Verlegung des Hafens eine andere Kraft hemmend entgegenwirkte, wird weiter unten noch gezeigt werden. Siehe S. 122 f.
2) Vgl. Krause, a. a. O. S. 16 oben.
3) Vgl. Dragendorff, Vicke Schorlers Darstellung d. Stadt Rostock. B. G. R. IV, 1 S. 31 ff.
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Weitere und in gleicher Weise unbezweifelbare Ergebnisse in der Zeit vor 1582 zu gewinnen, ist schon bedeutend schwieriger: Im Jahre 1485 schließt die Stadt einen Vertrag mit dem Holländer Alhard Johansen 1 ) "van wegen des depes unde haven halven vor Rozstock belegen, nameliken to Warnemunde", daß er soll "maken unde suweren (austiefen, baggern, säubern) dat depp unde haven ... van nedden der Munde vp, dar de huse (!) anghan, allent lynck unde lanck betthe buthen de bollwerk (!) in de apenbaren see ..." Von dort aber bis zu de "winden (!), dede steyt negest deme torne, dar de luchte (!) vppe steyt", soll das Tief "vefftich ellen wit" gemacht werden und von dort bis dahin, "dar de husze kert", so weit, daß zwei Schiffe beieinander vorbeifahren können. Daraus geht hervor, daß hier ein schon bestehender, mit Hafenwerken (Winde, "luchte", Bollwerke!) versehener Hafen der Stadt Rostock getieft und evtl. auch ausgebaut ("gemaket") werden soll. Die Örtlichkeit dieses Hafens zu bestimmen, ist schwieriger. Der Name Warnemünde besagt nichts, da ja auch der östliche Hafen Warnemünde genannt wurde. Die Häuser würden auf einen feststehenden Ort hindeuten. Da jedoch auch zu anderer Zeit, wie wir noch sehen werden 2 ), "boden" der Bürger erwähnt werden, die unzweifelhaft am alten Seehafen D und nicht im ehemaligen Fürstlich-Warnemünde, also am Tief A, gelegen haben, so beweist auch dies nichts. In dem gleichen Vertrage ist jedoch auch die Rede davon, daß Alhard seine Arbeiten auch vor "Gruckeshovet" ausführen soll 3 ). Wenn es also gelänge, den Ort "Gruckeshovet" festzulegen, dann wäre damit auch die Lage jenes Hafentiefs von 1485 bestimmt. Schon Koppmann hat sich darum bemüht, ohne jedoch zu einem Ergebnis zu kommen 4 ).

In den Gewettsrechnungen des 16. Jh. ist der Name häufiger genannt, bemerkenswerterweise in sämtlichen vier germanischen Ablautsstufen (Krekeshövet, Kriegsheupt, Krackshovet und Grukeshovet) 5 ). Aus gelegentlichen Zusätzen ist die ungefähre Lage zu ermitteln: Nach einer Gewettsrechnung des Jahres 1513 hat das "heupt" am "depen haken" gelegen 6 ). Aus andern Quellen


1) Koppmann, B. G. R. III, 1 S. XIII ff. und S. 67/8. Alhard Johansens Herkunft, für Koppmann noch unbekannt, konnte nunmehr erwiesen werden: Gewetts-Rechnungen im Rost. Rats-Arch. (G. R.) 1484/5 "Deme Hollendere, de dat Dep maken schall, vor vij Weken Kost 4 m."
2) Vgl. S. 120 mit Anm. 3.
3) S. Koppmann, B. G. R. III, 1 (1900) S. 68.
4) Koppmann, B. G. R. III, 1 (1900) S. XVI.
5) e, i, a, u (o) (nehme, nimmst, nahm, genommen).
6) G. R. 1513, 2. Sonntag nach Johanni: "vp deme depen haken steen to bringende vp Grekeshovet".
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ist nachzuweisen, daß der "depe haken" jener Teil des Stromes war, der am "Pagenwerder" vorbeifließt 1 ). Mit "Krekeshovet" muß man also ein Stück Land bezeichnet haben, das als Ost- oder Westufer des "depe haken" genannten Stromendes in den Breitling vorsprang (hovet = Vorsprung). Für den vorliegenden Fall würde diese ungefähre Fixierung genügen. Da jedoch später noch einmal auf "Krekeshovet" zurückzukommen ist, so soll die Untersuchung zu Ende geführt werden. Für weitere Bestimmung muß die Sprachwissenschaft herangezogen werden. Das Wort "kreke", in den vier Ablautsstufen in sämtlichen germanischen Sprachen belegt 2 ), hat die Grundbedeutung "krumm, gebogen, gebuchtet". Da Krekeshovet den Gewettsrechnungen zufolge am Wasser (Breitling) gelegen war, so wird hier Kreke Flurnamenbedeutung haben, also "Bucht", "Winkel", "Ecke". In der Tat wird das Wort in dieser Bedeutung in sämtlichen mit dem Niederdeutschen verwandten Sprachen gebraucht 3 ). Die "kreke" bei Warnemünde müßte also eine Breitlingsbucht nahe der "Pagenwerder"-Stromeinfahrt sein. Gleich östlich dieses Gebietes befindet sich eine Bucht, die von den sogenannten "Pinnwiesen" und dem "Gänsewerder" 4 ) westlich umgrenzt wird. Bei den Rostocker "Straßen"-Fischern führt sie den Namen "Pinner Krüh" 5 ). Es ist im höchsten Grade wahrscheinlich, daß wir in "Krüh" eine Form des Wortes "Kreke" vor uns haben;


1) Original-Rechnungszettel (meistens Lohnzettel, abgek.: O. R. Z.) 1621, Juli 16.: "Auf dem krummen Haken am Strom bei dem Pagenwerder Kisten gesenkt." O. R. Z. 1616, Apr. 3.: "Das Wrack auf die flecke gegen Pagenwerder gebracht" und hiermit in Verbindung: O. R. Z. 1617, Okt. 14.: "an dem alten gesunkenen Wrackpram aufm Tiefen Haken im Strom ..."
2) Für die E- und I-Stufe (Krekeshovet und Kriegsheupt): hd. nd. krickel (Wirbel), mnd. krickelmore, krekeling (Kringel), dän. krig (Winkel), schw. krig (Biegung, Ecke, Winkel, Bucht), nw. krik, krikje (Krümmung), mengl. crike, creke, engl. creek (Krümmung, Bucht), holl. kreek (Bucht), ostfries. kreke, krike (gewundener Bach). Schiffahrtstechnisch schon bei Krünitz, Enzyklopädie, Bd. VIII, S, 460: Creek = Schlupfhafen.
Für U-Stufe (Grukeshovet): nhd. krücke, an. krokr (haken), dän. krog (Krücke, Biegung, Ecke, Haken). Vgl. auch den Berliner Straßennamen "Am Krögel".
Für die A-Stufe (Krakeshovet): hd. krakel und krack (Haken), an. krakr, kraki (Stange mit Haken am Ende), dän. krage (II) (wie krakr).
Vgl. Grimm, a. a. O. V Krücke. Falck u. Torp, Dänisch-norw. ethym. Wörterbuch I: krog, krage (II), krig (II). Schiller-Lübben: Mittelniederdeutsches Handwörterbuch: kroke, krake, kruke, krekeling.
3) Vgl. Anm. 2, vor allem die e-Stufe.
4) Vgl. Barnewitz, a. a. O. S. 182. Dazu die Karte im Anhang.
5) "Karte des Stromgebietes der Unterwarnow von Rostock bis durchs Seegatt", Rostocker Hafenbauamt. Undatiert, nach dem Hafenumbau von 1903.
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freilich ist sie entstellt, denn die Fischer haben die Bedeutung des alten Wortes schon lange verloren. "Pinner Krüh" heißt also "Pinner Bucht". Die südwestlichste Begrenzung dieser Kreke, ihr "hövet", ein in den Breitling vorspringender Landzipfel, wurde demzufolge "Krekeshovet" genannt. Die Westseite dieses Zipfels war also Ostufer des "depen hakens", des Eingangs zum "Alten Strom" (A). Alhard Johansen hat also, dieser Untersuchung zufolge, 1485 am Tiefe A gearbeitet.

Mit dieser Feststellung kommt man jedoch in Gegensatz zu den Forschungsergebnissen von Krause. Er sagt 1 ): "Bei der Zerstörung Warnemündes durch die Herzöge 1487 in der Rostocker Domfehde kommt meines Wissens der später für A öfter angewandte Name "das neue Tief" zum ersten Male vor 2 ). Denn neben der Zerstörung und Sperrung des alten (!) Tiefs wird in diesem Kampfe zwischen den Fürsten und der Stadt auch noch ein neues Tief erwähnt, indem die Chronisten melden, die Fürsten hätten das alte Tief durch die hineingeworfenen Steine des Leuchtturms, das neue Tief dagegen durch eingerammte Pfähle gesperrt. Man hatte also damals mindestens schon mit dem Bau einer neuen Durchfahrt bei dem heutigen Warnemünde begonnen (A), wenn auch das alte Tief (nach Krause: C) offenbar noch die Haupteinfahrt war, da das Leuchtfeuer bis dahin ja noch immer bei der "Hohen Düne" stand (bei C also, nach Krauses Ansicht 2 ). Vermutlich hat der damalige Niederbruch der Leuchte und der sie umgebenden Mauer, die Vernichtung des Bollwerks 3 ) und Verstopfung der Durchfahrt mit dazu beigetragen, den Hafen nun endgültig nach der Ortschaft zu verlegen und den dortigen Warnowarm endgültig zur Hauptmündung auszugestalten". Bis zum Jahre 1485 sind also nach Krause zwei Orte des Namens Warnemünde festzustellen, der Rostocker Seehafen und das ehemalig fürstliche Kirchdorf.

Diese Ausführungen können unmöglich richtig sein. Gesetzt, die Erwähnung des umschanzten Leuchtturms bezöge sich wirklich auf den ältesten Hafen (den Krause ja bei C annimmt), dann würde dies im Widerspruch stehen zu dem, was oben aus dem von Koppmann veröffentlichten Vertrag der Stadt Rostock mit Alhard


1) Krause, a. a. O. S. 16.
2) Die "Hohe Düne", ein Restaurant ungefähr 500 Meter von C entfernt. Zu C s. S. 106.
2) Die "Hohe Düne", ein Restaurant ungefähr 500 Meter von C entfernt. Zu C s. S. 106.
3) Das Bollwerk haben die Feinde niedergebrannt, was Krause vorher unerwähnt läßt.
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Johansen (1485 ) 1 ) zu entnehmen war. Die Ausdeutung jener Quelle hatte es gewiß gemacht, daß 1485 der "Alte Strom" (A) Seehafen von Rostock war. Hier hat sich neben den anderen Hafenwerken auch der Leuchtturm befunden. Krause behauptet nun, der Leuchtturm habe bei C gestanden und jener "älteste Hafen" sei damals noch in voller Benutzung gewesen. Will man also nicht in Widerspruch geraten zu der von Koppmann veröffentlichten Urkunde des Jahres 1485, so müßte man auch für A einen Leuchtturm annehmen. Man könnte dann die Zweiheit der Anlagen gleich Krause und Barnewitz daraus erklären, daß es außer dem alten Hafen schon einen neuen bei A gab, der gerade im Bau war. Eine derartige Annahme aber ist unhaltbar. Sofort würde sich die Frage ergeben, weshalb denn nicht auch von der Zerstörung dieses neuen bzw. im Bau befindlichen Leuchtturms (A) in den Chroniken erzählt wird. Sollten die Feinde den Leuchtturm des alten Hafens zerstört, den der Neuanlage aber unbehelligt gelassen haben? Das ist völlig undenkbar! Zudem behauptet Krause, dieser Hafen, genannt das "neue Tief", sei von den Feinden durch eingerammte Pfähle versperrt. Ist denn das auch nur einigermaßen wahrscheinlich? Man denke: Innerhalb der bewegten Kriegsläufte werden von den Feinden quer durchs Tief Pfähle gerammt, eine Arbeit, die in jener Zeit selbst im Frieden sehr mühsam und langwierig gewesen ist. Der gleiche Erfolg wäre zudem um vieles einfacher, schneller und nicht minder gründlich durch die Versenkung von ein oder zwei Schiffen erreichbar gewesen, ein Mittel, das damals öfter angewandt wurde, um den Feinden den Hafen zu sperren. Die Nachricht Krauses ist also unwahrscheinlich, und man ist geneigt anzunehmen, daß es sich hier um eine falsche Ausdeutung der Quellen handelt.

Der Text der wichtigsten, von Krause benutzten Quelle 2 ), von deren Worten die übrigen Quellen wesentlich nicht abweichen 3 ), lautet folgendermaßen: "Alse de vorsten de Munde nu inne hadden, do lethen se id nu vul dale breken, allent dat dar was, de luchten, de mure vor der luchten wart geworpen in dat (!!) depe und dat bolwarck mede unde vorbrenden dat bolwarck wenthe up dat water, und dat nye dep wart uthgesteken (!!), de huse de gedecket weren mit tegel, worden afgedecket, de tegel wart von dar geforet, de huser angesticket und vorbrant wente in de grunt."


1) Vgl. S. 111.
2) "Van der Rostocker Veide" ed. Krause, 1880, S. 4.
3) Ungnad, Amoenitates hist.-dipl.-jurid., 1749 - 1754: S. 1000/1 und 732; Latomus, a. a. O. S. 420; Rost. Univ.-Bibl.: Mss. Meckl. O. 55, anno 1487.
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Daraus scheint also hervorzugehen, daß es 1487 zwei Tiefe gab. Das eine führte den Namen "neues Tief". Hierauf gründete Krause seine Vermutung, daß es sich hier um das Tief A handle, das ja auch später, z. B. in dem von Krause erwähnten Aufruf der Herzöge (1519), das "neue Tief" genannt wird. Ist nun auch die Bezeichnung "neues Tief" mit dem offiziellen Namen des Tiefes A identisch, so spricht doch gegen die Gleichsetzung der beiden die Tatsache, daß der Leuchtturm, der zwei Jahre vorher in dem Vertrag mit Alhard Johansen ausdrücklich genannt wird 1 ), bei dem "neuen Tief" der vorliegenden Quelle keine Erwähnung findet. Da nun, wie schon gesagt, nicht anzunehmen ist, daß der Leuchtturm des einen Tiefs zerstört, der andere aber geschont worden ist, andrerseits gleichfalls nicht, daß nur die Zerstörung des einen Leuchtturms berichtet wurde, so erweckt dies den Anschein, daß das hier mit "neu" bezeichnete Tief nicht identisch gewesen ist mit dem von Johansen ausgebaggerten Tiefe A. Was ferner die Pfähle anlangt, die erstaunlicherweise von den Feinden vorne im "neuen" Tief eingerammt sein sollen, so handelt es sich hier, wie man leicht sehen kann, um einen Deutungsfehler: Das Wort "uthsteken" bedeutet "durchstechen", wie etwa das Durchstechen eines Dammes 2 ), nicht aber das "Einrammen von Pfählen", wie es von Krause erklärt wird. Da aber auch die nunmehr richtiggestellte Wortbedeutung noch keine Klarheit verschafft, so wenden wir uns vorerst dem anderen in der Quelle genannten Tiefe zu. "Dat Dep" besitzt den Leuchtturm, besitzt auch die Hafenwerke, die wir bei dem andern Tief vermißten. Es liegt also nahe, dieses Tief mit dem von dem Holländer 2 Jahre zuvor ausgebaggerten Tief A gleichzusetzen. Dies zu tun ist man umso mehr berechtigt, als in der Quelle, was man zunächst sehr leicht übersieht, überhaupt nicht, wie Krause berichtet, von dem "alten Tief", sondern einfach von "dem Tief" gesprochen wird. Es wäre also zu untersuchen, ob nicht der Schreiber das Tief A einfach "das Tief" genannt hat, wie ja auch später neben dem amtlichen Namen "neues Tief" häufig die Bezeichnung "das Tief" zu finden ist, oder, was gleichfalls zum Ziele führen würde, ob denn das in der Quelle genannte "neue Tief" nicht überhaupt ein Durchbruch ist, ein kurz vorher entstandenes "neues" Tief, wie sie ja oft genug bei Sturmfluten die Haffdüne durchbrachen. Daß dies letztere der Fall war, ist in der Tat an Hand der Akten zu erweisen. Wenden wir uns also zunächst dieser Frage zu.


1) Vgl. S. 111.
2) Schiller u. Lübben, Mittelniederdeutsches Handwörterbuch S. 463.
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In der Gewetts-Rechnung von 1459 lesen wir, daß am Donnerstag vor Weihnachten eine Sturmflut die vor Rostock gelegene Haffdüne durchriß, so daß hier ein "neues" Tief ausbrach. Die Wetteherren fuhren nach Warnemünde, um zusammen mit dem Hafenzimmermeister "to besende dat nye (!!!) dep, wat guden raden dar to vyndende, dat me id mochte wedder fangen" 1 ). Daß hier tatsächlich von einem Durchbruch, also einem wirklich "neuen" Tief die Rede ist, und daß demnach "fangen" hier als "schließen", "verstopfen", "zudämmen" aufzufassen ist, läßt sich leicht aus den Gewettsrechnungen erweisen. Das folgende sind wörtliche Zitate aus den Gewettsrechnungen der betreffenden Jahrgänge. Für "nye dep" ist jedesmal die Abkürzung ND. gesetzt. 1459 "palholt tom ND." / 1461 "pale tom tüne vor (!) dem ND." / 1465 "vor ene olde schute, de senket wart vor (!) dem ND." / 1467 "do dat sant dragen wart in de kisten by dem ND." / "struke vppet (!) ND." / "Sten vppet ND." / "do de sten vort wart van der hawene (!) na (!) dem ND." / 1469 "do de Mundere sant drogen ower (!) vppet (!) ND.". Weiterhin bis 1479 fortgesetzt "holt" "struke" "lem" "soden" und "sten" "vppet nye dep". Aus dem allen ergibt sich, daß im Jahre 1459 infolge einer Sturmflut ein Tief durch die Haffdüne gebrochen ist, das nun die Bezeichnung "neues Tief" führt, und daß man sich in den nächstfolgenden Jahren bemüht, es wieder zu beseitigen, zu "fangen" wie der technische Ausdruck lautet: Es wird ein Schiff davor versenkt, Material aller Art zur Verstopfung herbeigeschafft. Sogar Kisten werden gebaut und mit Sand gefüllt 2 ). Da die Warnemünder den Sand "hinüber" - tragen auf das Tief, so muß es gleich östlich des "Stroms" (A) gelegen haben. Wahrscheinlich war es die spätere "Olle Deepe", die oben mit B bezeichnet wurde 3 ).

Wir kommen jetzt zurück zu unserem Ausgangspunkt. Das von den Chronisten erwähnte "neue Tief" ist also der Durchbruch von 1459 (B). Alles, was von ihm berichtet wird, ist, daß er durchstochen wird. Jetzt endlich, nachdem man von den jahrzehnte-


1) G. R. 1459. Auch die folgenden Zitate stammen aus den Gewettrechnungen der betr. Jahrgänge.
2) Daß Kisten mit Sandfüllung zum Verstopfen von Durchbrüchen benutzt worden sind, habe ich im Sommer 1926 selbst feststellen können. Bei dem Tiefe E sind an der auf der Karte bezeichneten Stelle mit Sand gefüllte Kisten versenkt.
3) Dieser Durchbruch wird auch am Anfang des 16. Jahrhunderts gelegentlich noch als "neues Tief" erwähnt. Die Bauern fahren "Struke" hin, um es wieder zu verstopfen. Es gibt also damals zwei neue Tiefe, B und A. So ist es auch 1582, wo A und E nebeneinander "neues Tief" genannt werden. Vgl. S. 99.
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langen Bemühungen der Rostocker gehört hat, es zu verstopfen, versteht man die ganze Bedeutung dieses Wortes, begreift, welchen Schabernack die Feinde der Stadt damit gespielt haben, daß sie diese Arbeit zunichte machten. Überblickt man nun die übrigen Quellen, die, wie gesagt, alle ziemlich gleichen Wortlaut haben, so ergibt ein Zusatz der einen Quelle allen wünschenswerten Aufschluß: "Es wurde auch das neue Tief ausgestochen (!), daß das Wasser überall (!) ginge" 1 ). Wie schädlich das "Überallgehen" des Wassers für die Brauchbarkeit des Hafens war, ist bereits oben in den Vorbemerkungen zum Kapitel II gesagt 2 ). Damit ist der Beweis geschlossen: Das in jener Quelle "dat nye dep" genannte, vorher gefangene Tief wird von den Feinden wieder durchstochen, das andere aber, welches "dat dep" genannt wird, eben das Hafentief, wird durch die hineingeworfenen Steine der Leuchtturmschanze für die Schiffahrt unbrauchbar gemacht. Dies Hafentief ist also gleich dem in jener Urkunde von 1485 genannten 3 ). Damit fallen auch die Ergebnisse, die Krause aus seiner Annahme folgert: Das Nebeneinander von Kirchdorf und Hafenort Warnemünde, von dem Krause spricht, ist 1485 nicht mehr erweisbar, also vermutlich schon lange vorüber.

Wir müssen nun versuchen, auch aus der Zeit vor 1485 sichere Kunde zu bekommen. Wir haben das Tief D, den ältesten Rostocker Hafen, verlassen, als im Jahre 1325 die Danskeborg von den Rostockern geschleift wurde. Nur den Leuchtturm hat man damals stehen lassen 4 ). In den folgenden Jahrzehnten hat sich außer den üblichen Ausbesserungen nichts ereignet, was auf eine Veränderung des Bestehenden hindeuten würde 5 ). Erst aus dem Jahre 1411 werden Bollwerksneubauten gemeldet 6 ). Es ist nicht ausgeschlossen, daß damals jenes Tief gebaut wurde, das zwischen dem ältesten Tief D und dem späteren A vermutlich nur kurze Zeit 7 ) als Hafen benutzt wurde. Es ist jenes C genannte Tief, über dessen früheres Bett in der neuesten Zeit die Flughalle gebaut ist. Für seine Benutzung als Hafen sind folgende Gründe anzuführen: Noch heute besteht bei den Fischern eine Überliefe-


1) Ungnad, a. a. O. S. 733.
2) Vgl. S. 99 f.
3) Vgl. S. 111, Anm. 1.
4) Vgl. S. 97, Anm. 3.
5) Z. B. Kämmerei-Rechnungen des Rost. Rats-Arch. (K. R.), 1394: "ad bolwerck reparandum"; 1395, Dez. 18. (M. U.-B. 8696): "ad refectionem bolwerck" usw.
6) G. R. 1411/12 "do se dat bolwerck velleden". Über das "Fällen" der Bollwerke s. S. 158.
7) Vgl. S. 119.
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rung, daß man an dieser Stelle vorzeiten habe ins Meer fahren können 1 ). Natürlich könnte diese Überlieferung auf einer Verwechselung mit dem nur 500 m weiter östlich liegenden Tief D, dem ältesten Hafen, beruhen. Jedoch geht aus Resten, die nach Aussage von Baggerarbeitern 2 ) bei Instandsetzung des Seeflugplatzes 1914 - 1918 an jener Stelle des Breitlings in Gestalt von Pfählen zutage gefördert sind, hervor, daß wir hier eine alte Hafenanlage vor uns haben. Auch am Strande liegen - am Fuße der Buhnen - an dieser Stelle heute noch Findlinge, deren Vorhandensein nur so erklärt werden kann, daß sie bereits vor dem Bau der Buhnen hier gelegen haben - als Reste alter Hafenwerke. Denn andrerorts ist zum Bau der Buhnen stets nur Holzwerk verwendet worden. Damit würde übereinstimmen die Aussage der Fischer, daß vom Breitling her eine tiefe Rinne auf diesen Ort zugegangen sei. Der Name dieser Örtlichkeit ist "Ful Urt" 3 ). Er deutet darauf hin, daß hier früher ein Gewässer sich befunden haben muß, das später langsam verlandet ist. Die Wiesen jener Gegend hießen im 18. Jh. die Faulholz- und Faulortswiesen 4 ). Endlich ist auf einer Karte des 18. Jh. an dieser Stelle ein kleiner Graben angegeben, an dessen Ufer bollwerksähnliche Gebilde gezeichnet sind. Diese Karte ist es, die seinerzeit Krause zu der Annahme veranlaßte, hier sei der älteste Rostocker Hafen zu finden 5 ). Immerhin, ein Hafen ist hier gewesen, das geht aus den oben angeführten Gründen wohl hervor, und da bereits nachgewiesen wurde 6 ), daß er zeitlich nicht vor dem Tief D benutzt sein kann, und es anderseits auf der Hand liegt, daß nicht nach dem Ausbau des Tiefes A auf den Osten zurückgegriffen ist, so müßte diese Anlage in der Zwischenzeit erfolgt sein. Wann das geschah, das läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Immerhin soll das, was aus den Quellen zu ermitteln ist, berichtet werden.

Die Überlieferung ist zunächst nur karg. Lange Zeit lassen sich nur Ausbesserungsarbeiten an Bollwerk und "Luchte" nachweisen. Die erste Unterbrechung dieser eintönigen Berichte liefert das schon erwähnte Jahr 1411, wo ein Neubau des Bollwerks


1) So hat mir der Rostocker Straßenfischer Reincke im Sommer 1926 erzählt. Vgl. auch Krause, a. a. O. S. 6.
2) Sommer 1926 Arbeiter der Firma Ladewig u. S., Rostock. - Ebenso der Steuermann des Dampfers "Warnemünde", Rostock.
3) "Faul" als Beiwort für verlandende Gewässer kommt sehr häufig vor. S. Schiller u. Lübben, a. a. O. V 547. S. a. z. B.: Mi. V. Kgl. Samml. f. dt. Volkskunde, V, 2, 1918 unter "Faule See".
4) Vgl. S. 105, Anm. 4.
5) Vgl. S. 106 mit Anm. 2.
6) Vgl. S. 108.
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nachweisbar ist. Es bestände also die Möglichkeit, daß kurz vorher bei C ein Durchbruch der Haffdüne erfolgt war und dieses nun infolge seines kurzen, geraderen Laufes dem unbequemeren D gegenüber als Durchfahrt benutzt wurde. Hiermit in Zusammenhang zu bringen wäre dann die Nachricht des Jahres 1418, daß die Wetteherren das "dep vorslogen". Da dies "Zudämmen" bedeutet 1 ), so wäre zu jener Zeit aus den an anderer Stelle erläuterten hafenbautechnischen Gründen 2 ) ein Tief verstopft worden. Vermutlich also hat man damals das bisher benutzte Tief D zugedämmt. Etwa von 1410 ab wäre also C auf ein Dutzend Jahre als Hafen benutzt. Eine so kurze Zeit ist auch durchaus wahrscheinlich. Nur so wäre es zu verstehen, daß dieses Tief, das nach Überlieferung und Funden einmal ein Hafen gewesen sein muß, auf den Karten des 18. Jh. neben seinem historisch weit bedeutsameren Nachbarn zwar angegeben, aber nicht wie jenes mit dem Namen "olles Fohrwater" benannt ist. Und so auch würde es sich erklären, daß aus dem noch nicht sehr alten Bollwerke Material für die Bauten bei A genommen werden konnte, wie wir noch sehen werden 3 ). Dies wäre über das Tief C zu sagen. Doch muß betont werden, daß diese Ergebnisse nicht wie die vorher gewonnenen unzweideutig gewiß sind.

Ganz klar zu erkennen ist die geschichtlich bedeutsamere Verlegung des Hafens vom Osten nach dem Warnemünder Strom (A). Es war bereits oben darauf hingewiesen, welche treibenden Kräfte am Werke waren, die über kurz oder lang eine Verlegung forderten 4 ). Es war auch gezeigt, daß wegen der bequemen Lage 5 ) noch einmal ein ostwärts gelegenes Tief, das Tief C, an die Stelle von D getreten ist. Schließlich gab eine Sturmflut den letzten Anstoß zur Verlegung nach A. Das Unwetter ereignete sich im Winter 1420 und zerstörte das Hafenbollwerk 6 ). Die Quellen berichten, daß am Donnerstag vor Oculi (20. Febr.) 1421 die Wetteherren hinausfahren, den Schaden anzusehen. Man entschließt sich, ein neues Tief zu bauen. Um Pfingsten fahren die Bürgermeister mit mehreren des Rates nach Warnemünde. Sie "beseghen dat bolwerck vnde


1) G. R. 1418/9. "vorslogen" bei Schiller u. Lübben, Mnd. Handwb. S. 522 "vorslân", 5.
2) Vgl. S. 100 f.
3) Vgl. S. 120.
4) Vgl. S. 109 f.
5) Ein hemmendes Moment gegen die endgültige Verlegung nach dem Westen wird S. 122 f. genannt.
6) G. R. 1420/1. "It. des neghesten daghes na sunte Nicolaus daghe, do dath Bolwerck wedder braken was."
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dat dep by den krumpalen to makende" 1 ). Es soll also bei den "Krumpalen" ein Tief und Bollwerk gemacht werden. Daß tatsächlich eine Verlegung erfolgt, kann man aus einer Reihe von Nachrichten erweisen. Eine Burg, die "Spugeborch" genannt 2 ), wird abgerissen. Die "boden" der Bürger werden "verslan" 3 ), d. h. abgebrochen, an anderer Stelle noch im gleichen Jahre wieder aufgebaut und von Abgesandten der Stadt besichtigt 4 ). Ein neues Bollwerk wird gebaut, "kisten" werden "gefällt" 5 ) und schließlich 1423 das "nige" Bollwerk obenauf der Länge nach "bebredet" 6 ). Damals also ist es fertig geworden. Um Elisabeth wird die Arbeit "gelecht". Es wird eifrig "geplogt", d. h. gebaggert, und das Holz wird von dem "olden Bollwerck" genommen, vermutlich um es noch zu den Werken an dem "neu" angelegten Tief A zu benutzen. Dies wird 1424 berichtet. 1437 wird dann das ganze "olde bolwerck" durch Meister Berthold "aufgenommen" 7 ). Eine solche Wiederbenutzung alten Baumaterials ist auch anderweitig überliefert 8 ). 1427 ist man bereits wieder mit dem Bau einer neuen Burg beschäftigt. Sie führt wiederum den Namen "Spugeborch". Mehrere Jahre wird an ihr gearbeitet. 1437 und 1439 wird sie als "nye borch" in den Rechnungen genannt 9 ). Alle diese Nachrichten zeigen deutlich, daß im Jahre 1421 eine Verlegung des Hafens mitsamt allen seinen Einrichtungen vorgenommen ist. Wohin diese Verlegung erfolgt ist, kann man leicht feststellen: Daß 1485 das Tief A als Hafen benutzt wurde, war schon oben gesagt 10 ). In der Zeit von 1421 - 1485 lassen sich in den jetzt reicher


1) G. R. 1420/1. "do de weddemestere de borgere anwiseden, dat bolwerck to makende by den krumpalen"; Di. n. pfgst.: "... beseghen dat bolwerck vnde dat dep by den krumpalen to makende (!)".
2) G. R. 1421/2. So. v. Sim.: "Item de spegeborch dale to nemende". Um Maria: "Item to besende de borch dale to nemende, dat dep unde dat nige (!!) bolwerk." Andrerorts heißt die Burg Spugeborch. (Vgl. G. R. 1427.)
3) G. R. 1421/2 "de weddeherren reden up den strant, de boden to vorslande". "Vorslan" nach Schiller u. Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch Bd. V S. 446 ff.: "abbrechen". Vgl. auch Sch. u. L., Handwb. S. 522.
4) G. R. 1422/3 "do de borgermeistere dat dep unde der borger boden beseghen".
5) Das "Fällen" der Kisten bedeutet "Senken", s. S. 158 f.
6) G. R. 1423/4. "Item 2 m kostede, dat bolwerck lanck to bebredende" (mit Brettern belegen).
7) G. R. 1437/8. "It. Oleue deme repere iij mr vor nogendredech touwe, do mester Bertholt dat olde bolwerck vpnam."
8) Vgl. S. 161.
9) G. R. 1439 "to deme dore der nyen borch".
10) Vgl. S. 117.
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fließenden Quellen keine Verlegungen mehr nachweisen. Somit kann die Verlegung des Jahres 1421 nur nach dem mit A bezeichneten Tief erfolgt sein. Hierfür sprechen auch noch folgende Tatsachen: Am Eingange des Tiefes A, am Pagenwerder, werden 1455 Arbeiten erwähnt. Und die Burg wird bereits 1433 auf dem Westufer des Tiefes A bezeugt 1 ).

Im Jahre 1421 wird also der Rostocker Seehafen vom Osten der Haffdüne nach dem Westen verlegt, und von nun an ist das bisherige Kirchdorf Warnemünde Hafenort der Stadt Rostock. Um 1450 sind die Arbeiten am Tiefe A erledigt, und man wendet sich anderen Aufgaben zu: Die Dünen werden in Pflege genommen. 1452 werden längs des Strandes Weiden gepflanzt und die Bauern fahren "tünroden" heran, aus denen Zäune geflochten werden. Diese Arbeiten erstrecken sich über mehrere Jahre 2 ). Bemerkenswert ist, daß damals bereits die ganze zu Rostock gehörige Küste unter Schutz genommen wurde und nicht nur die nächste Umgebung des Tiefs. So wurde 1457 zur Verstopfung eines Durchbruches ein Damm an der Küste vor Diedrichshagen gebaut. Im Osten aber wurde die Düne bis hin zum heiligen See mit Zäunen versehen. Man hat also bereits in der Mitte des 15. Jh. in richtiger Einschätzung der Bedeutung, die der Zustand der Haffdüne für das Hafentief besitzt, planmäßigen Dünenschutz betrieben! Das ist weit früher, als bisher die Forscher angenommen hatten. Wir werden im Laufe dieser Untersuchung sogar auf die Aussaat von Strandhafer stoßen. Von 1458 ab werden dann wieder neben den Dünenarbeiten Bollwerksbauten erwähnt. Bemerkenswert ist, daß Arbeiten am Pagenwerder stattfinden. Die nächsten Jahrzehnte bleibt dann alles beim alten 3 ), bis man auf einmal 1484 auf den Vermerk stößt, daß 4 M ausgegeben wurden für 7 Wochen Kost, "deme Hollender, de dat depp maken (!) schall". Damals also ist Alhard Johansen schon in Rostock. Im Februar des folgenden Jahres wird dann der uns schon bekannte Vertrag 4 ) mit ihm geschlossen. 1486 ist bereits von Säuberarbeiten mit einem neuen (!) "ploch", doch wohl einem der neu angefertigten "Instru-


1) Warnemünder Landgütergartenbuch, Fol. 8 a R. R. Arch. unter Warnemünde I a (Befestigung) Vol. I, Fasc. 6 a und 7.
2) G. R. 1452/3. "... vor 2 c potwiden raschen tor nyenhagen / demsuluen vor iij c vj voder tunroden und x stigen potwiden .. den dregeren to lone, de de widen patenden". S. n. Pasch.: "It. den dregeren to tunende." Ebenso die folgenden Jahre bis 1462.
3) Über die üblichen Hafenarbeiten ist im dritten Kapitel der vorliegenden Abhandlung gesprochen.
4) Vgl. S. 111 f.
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menta" des Holländers die Rede. Dann aber fehlen bis in die neunziger Jahre alle Nachrichten. Die Quellen sind, wie es scheint, samt und sonders in den Wirren der Domfehde verloren gegangen.

Bevor wir nun diesen Abschnitt über die Geschichte des Rostocker Seehafens im 14. und 15. Jh. beschließen, muß noch auf eine Stelle jenes öfter genannten Kontraktes mit Alhard Johansen vom Jahre 1485 1 ) eingegangen werden, die nicht ohne weiteres verständlich ist und uns noch weitere Aufschlüsse über die Beschaffenheit des Rostocker Seehafens in diesem Zeitabschnitt geben wird. Jener Vertrag von 1485 fordert von Alhard, daß er "instrumenta" bauen lassen soll, die ihm dazu dienen können, die Mündung des Tiefes (vom "Bootsgraben" bis hin zur See) auszubaggern. Doch ist dies nicht die einzige Bedingung. "Ok overst umme de grunt by Gruckeshovet hefft Alhardt dem rade lovet", so heißt es weiter, "dat he wil laten maken instrumenta (!), ... dede to der grundt denen moghen mede van dar tho bringende". Diese Zusatzbedingung ist doch sehr auffallend! Nachdem Alhard bereits für das letzte Ende des alten Stroms Werkzeuge angefertigt hat, damit das Fahrwasser auszutiefen, sollen, um den Grund vor Grukeshovet fortzuschaffen, noch besondere "instrumenta" gebaut werden!! Was liegt näher, als anzunehmen, daß es sich hier um eine ganz besondere Arbeit gehandelt hat, eine Arbeit, die mit dem gewöhnlich für Baggerarbeiten verwendeten Geschirr nicht bewältigt werden konnte! Es ist in der Tat keine andere Erklärung für diese auffallende Bedingung möglich! Damit aber wird eine andere Annahme um vieles wahrscheinlicher, die sich schon vorher im Verlaufe der Studien mehr und mehr in mir gefestigt hatte, daß nämlich in den ältesten Zeiten die Schiffe mit Ausnahme der kleineren Boote 2 ) den Breitling im großen NO-NW-Bogen überquerend, von Osten her, etwa durch das heutige "Pinnerloch", in den "Warnemünder Strom" gefahren sind 3 ). Von jenem ältesten Breitlingsfahrwasser ist mir zuerst im Sommer 1926 durch den Kapitän Schmidt 4 ) berichtet, dessen Aussagen sich auch in anderen Fragen als wertvoll und zuverlässig erwiesen haben 5 ). Karten bestätigen diese Über-


1) Vgl. S. 111 f.
2) Die Boote konnten auch durch die sog. "olle Warnow" fahren. (S. Karte am Anhang, Westufer von Pagenwerder.)
3) Das "Pinner Loch" ist auf der beigegebenen Karte bei A/2 zu finden.
4) Kapitän Schmidt-Rostock ("Unkel Andreas"), gest. Spätsommer 1926.
5) Vgl. S. 145.
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lieferung. Auf einer Tiefenkarte des Jahres 1888 aus dem Besitz des Rostocker Hafenbauamts ist jenes Fahrwasser noch zu erkennen. Es war der ursprüngliche Haupttiefenzug des Breitlings 1 ). Er lief in ständiger Durchschnittstiefe von mindestens 2 m von der Oldendorf-Petersdorfer Ecke ("Breitlingsecke") beginnend in NO.-Richtung auf die "Mövenflecken"-Halbinsel zu 2 ). Man sehe auf der Karte die durch a, b, c bezeichnete Richtung. Bei c fand eine Gabelung statt. Die eine Tiefe (e) ging an dem Westufer der "Mövenflecken"-Halbinsel entlang auf das Tief C zu. Die schon erwähnte Rinne 3 ) wie auch das Tief D gehörten zu diesem Tiefenzug. Der andere Zug war auf Pagenwerder gerichtet (d) und fand über A1 seine Fortsetzung im Warnemünder Strom (A). Reste dieses Fahrwassers zeigen noch die Karten des 18. Jahrhunderts 4 ) in dem Krekesheupter Wiesengebiet, also bei A1. Es ist ungefähr die Gegend, wo auch heute wieder eine östliche Durchfahrt besteht, das sogenannte "Pinner Loch" 5 ). Danach sind in der frühesten Zeit alle Schiffe, die das Warnemünder Hafentief benutzen wollten, gezwungen gewesen, durch A1 ihren Weg zu nehmen, ein Umweg, der sicherlich hemmend jenem Streben, den Hafen vom Westen nach dem Osten zu verlegen 6 ), im Wege gestanden hat. Als dann schließlich die endgültige Verlegung nach A erfolgt war, mußte man darauf sehen, diesen Umweg zu beseitigen, und so hat im Jahre 1485 Johansen den Auftrag bekommen, Werkzeuge zu bauen, die geeignet seien, den "Grund" vor Krekeshovet fortzuschaffen. Er hat also vermutlich durch das Untiefengelände östlich Pagenwerders einen Durchstich gemacht 7 ) und bis ins offene Breitlingswasser eine Fahrrinne geschaffen. Da hiermit der


1) Hierbei ist von dem heutigen Fahrwasser abgesehen! Barnewitz, a. a. O. S. 24 spricht davon, daß nach Geinitz die Furche des diluv. Warnowbettes zwischen Warnemünde und der Rostocker Heide zu suchen sei. Es wäre möglich, daß sie dem hier genannten Tiefenzug a, b, c, e entspricht.
2) Nach der Karte von Möller, a. a. O.
3) Vgl. S. 26, 1.
4) Wiebeking, a. a. O., Tarnow, a. a. O. Diese Karten sind der im Anhang beigegebenen Orientierungskarte zugrundegelegt.
5) An dieser Stelle hat es dreimal Durchfahrten gegeben: Zuerst ist hier der ursprüngliche Warnemünder Strom (A/1), später der von Johann tor Balck freigelassene Pinngraben (s. S. 142), dann im 19. Jh. der heute noch bestehende Durchstich, der wieder den Namen Pinngraben oder Pinnerloch führt.
6) Vgl. S. 109 f.
7) Dreimal also ist in diesem Gebiete ein "Durchstich" erfolgt: zuerst 1485/6 (A/2), dann 1837 die heutige Einfahrt in den "Strom", später der Pinngraben. Von drei "Durchstichen" wußte auch der schon genannte Kapitän Schmidt zu berichten.
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"depe haken" 1 ), der Strom bei Pagenwerder, eine andere Richtung bekam, wurde er jetzt auch der "neue Haken" genannt. Dieser Durchstich hatte aber eine zwiefache Biegung, und so bekam er den Namen "dubbelter haken". In der Tat wüßte ich die Namen "neuer" und "dubbelter haken" nicht anders zu erklären, als daß ein ursprüngliches, hakenförmiges Fahrwasser eine neue und nunmehr zwiefach gebogene Gestalt bekommen hat 1 ). Genau so verhält es sich mit dem Namen "neues Tief". Vor 1485 - und das ist bemerkenswert - ist der Name für A nicht nachzuweisen. Die Verlegung im Jahre 1421 nach A erfolgte ja auch in einen schon bestehenden 2 ), wenn auch bis dahin wohl wenig benutzten 3 ) Hafen. Wenn nun nach 1485 A den offiziellen Namen "das neue Tief" trägt, so muß Alhard Johansen auch wirklich etwas Neues geschaffen haben: Er machte durch seine Arbeit vor Krekeshovet die südliche Durchfahrt frei. Erst hierdurch wurde der "Strom" bei Warnemünde ein den neuzeitlichen Verhältnissen angepaßtes Tief. Er lebte nunmehr als "neues Tief" in dem Gedächtnis der Leute fort.

§ 3.

Die großen Hafenbauten des sechzehnten Jahrhunderts.

a) Die Zeit zwischen 1485 und 1570.

Nach 1485 stößt die Darstellung der Geschichte des Rostocker Hafens auf erhebliche Schwierigkeiten. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts sind die Quellen vieler Jahre, ja ganzer Jahrzehnte, verloren gegangen, vor allem die Gewettsrechnungen, neben denen die anderen Quellen dieser Zeit noch eine untergeordnete Rolle spielen. In dem ganzen Zeitraum von 1485 bis 1553 sind von diesen Rechnungen nur die Jahrgänge 1494/5, 1502 - 22, 1525/6,


1) Daß der "depe haken" beim "Pagenwerder" liegt, wurde oben bereits bewiesen (s. S. 112, Anm. 1).
G. R. 1514 "by den depen haken";
O. R. Z. 1614, Okt. 14. "aufm Tiefen Haken im Strom";
O. R. Z. 1624, Juli 19. "3 prame mit Sandes vom tieffen haken geliefert";
O. R. Z. 1621, Juli 9. "kisten so auffm krummen haken sollen gesenkt werden";
O. R. Z. 1625/6, Dez. 11. "bei dem dubbelten haken kisten gesenkt";
1635, April 9. "auf dem neuen haken ..."
1) Daß der "depe haken" beim "Pagenwerder" liegt, wurde oben bereits bewiesen (s. S. 112, Anm. 1).
G. R. 1514 "by den depen haken";
O. R. Z. 1614, Okt. 14. "aufm Tiefen Haken im Strom";
O. R. Z. 1624, Juli 19. "3 prame mit Sandes vom tieffen haken geliefert";
O. R. Z. 1621, Juli 9. "kisten so auffm krummen haken sollen gesenkt werden";
O. R. Z. 1625/6, Dez. 11. "bei dem dubbelten haken kisten gesenkt";
1635, April 9. "auf dem neuen haken ..."
2) Vgl. S. 98, Anm. 1.
3) Vgl. S. 109 f.
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1541/2 erhalten, und auch diese sind lückenhaft und für die Geschichte des Hafens ohne Bedeutung. Die überlieferten Nachrichten geben nur Auskunft über die üblichen Hafenbauarbeiten, wie sie im dritten Teil dieser Arbeit geschildert werden 1 ). Für die geschichtliche Darstellung kommt nur ein einziges, freilich bemerkenswertes Aktenstück in Frage, ein Erlaß der Herzöge Heinrich und Albrecht von Mecklenburg, gegeben in Güstrow Montag nach Kantate (23. Mai) 1519. Es ist ein im Entwurf erhaltenes Rundschreiben 2 ) der Herzöge an ihre "Verwandte und Vndertanen, geistlicke unde wertlicke", worin aufgefordert wird, für den durch eine Sturmflut verwüsteten Rostocker Seehafen "NNN" Stücke "Eichen oder Buchenholzes" zu liefern. Dieses Aktenstück ist deshalb wichtig, weil es die amtliche Bezeichnung des Hafens überliefert: "Unser haven vor Rostock, genennet dat nyge diep" heißt es in dem Schreiben. In der Tat ist diese Bezeichnung "dat nyge dep" auch weiterhin in dem amtlichen Sprachgebrauch der Urkunden, z. B. auch in den Testamenten, der Name für jenes Tief A 3 ). Aber auch sonst ist der Inhalt jener "Missive" bemerkenswert: Es stände zu befürchten, so schreiben die Herzöge, daß dieser Hafen "endlich ganz zunichte gemacht und unwiederbringlich verderbet würde", falls man nicht sofort tatkräftige Gegenmaßregeln ergriffe. Denn - und dies ist ein sehr bemerkenswerter Zusatz - "solckes nicht alleine gemelter vnserer Stadt eine ewige verwustunge, sunder ock unsern landen und luden, ock andern ummegesettenen einen ewigen vorderffliken nhadeil und schaden wolde infuren". Die Herzöge haben also die


1) Vgl. S. 149 ff.
2) Rostocker Ratsarchiv: U.-Warnow II, Vol. I, 1501 - 1600.
3) Folgendes Beispiel ist für den erhaltenden Geist der Urkundensprache sehr bezeichnend: Ungefähr von den sechziger Jahren des 16. Jh. ab, also ca. 75 Jahre nach Erbauung des "neuen" Tiefes A durch Alhard Johannsen, hat es im Osten der Düne bei E einen Durchbruch gegeben. Jahrzehntelang wird er in den Akten als "neues Tief" geführt. Dennoch wird 1582 in einem Kontrakt, den der Rat mit dem Bruder des Peter Hase (s. S. 138 ff.) schließt, von der Säuberung des "neuen" Tiefes gesprochen, wo es sich ganz zweifellos um "das" Tief (A) handelt. (In dem Kontrakt vom gleichen Tage, der mit Peter Hase geschlossen wird, spricht man von "dem" Tief.) Und 1608 wird in der Neuen Cassen Rechnung vom Mai 22 bei der ersten Erwähnung des "Meister Gert Ottsen aus Ambsterdam" von dem "neu bestallten Meister zum neuen Tief" gesprochen. Obwohl es seit über 40 Jahren damals ein jüngeres "neues" Tief gibt. - Es mag bei dieser Gelegenheit erwähnt werden, daß es noch heutigen Tages bei alten Rostockern üblich ist, die Mittelstadt im Gegensatz zur Altstadt die Neustadt zu nennen, obwohl inzwischen seit zwei Menschenaltern eine andere Neustadt herangewachsen ist.
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Bedeutung des Rostocker Hafens für den Wohlstand auch des ganzen Hinterlandes richtig erkannt und greifen in diesen schweren Tagen des Jahres 1519 selber helfend ein, indem sie einen Aufruf an die umwohnenden Besitzer richten, der bedrängten Hafenstadt zu helfen. Mehr noch: einer der Herzöge hat sich, wie aus dem Schreiben hervorgeht, selbst nach Warnemünde begeben, um den Schaden in Augenschein zu nehmen. Dabei hat er feststellen müssen, daß die Stadt das Unheil unmöglich aus eigener Kraft tragen könne. Der Aufruf der Herzöge geht sogar so weit, auch die freie Anfuhr mit den eigenen Pferden bis zum "nigen Diep" zu verlangen (und zwar bis zum Tage Petri Pauli, 29. Juni) 1 ) und schließt mit den Worten: Und Ihr mögt Euch "des nicht weigern, noch vns solckes geringen notdurftigenn temeliken Begerens affschlagen, wo wy uns der angetogedenn mercklichen Notturfft nha to jw gentzliken vorlaten und geneigt sin willen, gegen jw mit besunderem gnedigen Willen to bedenken. Datum ..." usw. So schließt dieses wertvolle Schriftstück.

Wir wenden uns nun der Geschichte der großen Hafenbauten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu und betrachten zunächst einen Vermerk im Rechnungsbuch des "Alten Kasten" 2 ) aus dem Jahre 1574. "Vthgifft Geldt thom Buwte des Nien Depes zu Warnemunde anno 74 neben der Heiden 200 fl." heißt die Überschrift der einen Seite, und an anderer Stelle steht geschrieben: "To erbuwinge des nyen Depes" und "thom Buwte des nien Depes tho Warnemunde nebenst der Heiden". Danach hat es damals ein Durchbruchstief "neben" der Heide gegeben. In den nächsten Jahren wird ständig an seiner "Dämpfung" gearbeitet. Bemerkungen auf Rechnungszetteln aus späterer Zeit


1) Da das Schreiben Cantate abgesandt wird, also im Mai, sind bis zum 29. Juli nur wenige Wochen Frist. Es spielt hierbei übrigens auch ein sozialer Grund mit: "... Petri Pauli nestkunftig alse to der bequemesten vnnd lidelikesten tydt, wyle die armen lude in des nicht vele hebben touersumen."
2) O. R. Z. 1585, Dez. 10. "2 große helden schlosse (Schlösser an Ketten) so bei dem Diepe gebraucht". (Beischrift: "der radel vor den Boom gelecht".) Kehrseite: "nach dem nien depe 2 grote helden schlote vordinget". Man hat also damals dort auch einen Baum gehabt, um das Tief zu versperren. Daß tatsächlich Schiffe hindurchgefahren sind, beweist eine Notiz aus G. R. 1581. Damals müssen die Wetteherren hinausfahren, um "Schuten" zu retten, die im Eise "bei der Heide" festgefroren sind.
O. R. Z. 1617, Dez. 23. "... alles was Michel Baden bei seinem neuen Werk gebrauchet, vom Neuen Tiefe geholet und zu Warnemünde auf die Vogtei geliefert. It. dem Knecht, so die retschafft von der Markgrafenheide (!) in das boht tragen geholfen."
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weisen darauf hin, daß es bei der Markgrafenheide, bei der Radel, also am westlichen Rande der Heide gelegen hat. Es ist das auf der beigefügten Karte mit E bezeichnete Tief. In der Tat sind an jener Stelle noch heute, wie ich im Sommer 1926 feststellen konnte, mit Sand gefüllte Kisten zu finden, Reste jener Bollwerksarbeiten, durch die man vorzeiten den Durchbruch "gefangen" hat. Wann dieser Durchbruch stattgefunden hat, war aus den Quellen nicht zu ermitteln. Da eine Schädigung der Haffdüne durch eine Sturmflut unmittelbar vorher nicht nachweisbar ist, so muß man annehmen, daß der Durchbruch schon seit langem bestanden hat. Das wird auch durch einige Nachrichten aus der Zeit vor 1574 bestätigt. Als 1572 vom Rat ein Bote nach Stralsund geschickt wird, fahren ihn die Warnemünder in einem Boot zum "Neuen Tief" 1 ). Aber schon 1568 wird ein "neues Tief" genannt, welches kaum mit A identifiziert werden kann 2 ), und bereits am Anfang des Jahrzehnts werden Ausbesserungsarbeiten an der Düne gemacht. 1564 wird vom Rat ein Meister von auswärts gerufen, vermutlich aus Holland, dem klassischen Lande der Wasserbaukunst. Der Fremde soll "dat deep" "fangen", doch scheint dies Vorhaben nicht ausgeführt zu sein, denn noch im folgenden Jahre wird über die Dringlichkeit dieser Arbeiten im Rate gesprochen. Obwohl es aber heißt, daß die Düne "gemacht" werden müsse, und beschlossen ist, eine Abordnung des Rats solle sich "hinausbegeben", "zu ratschlagen, wie man der Düne helfen möchte", so scheint sich doch die Ausführung immer weiter hinausgezogen zu haben. Auch 1569 kommt ein Holländer nach Rostock, Harmenß van Enckhusen, um das "neue Tief zu fangen", aber da wieder im folgenden Jahre von den "gebreken des depes" gesprochen wird und auch in den Rechnungen nichts von den Arbeiten des Holländers erwähnt wird, so scheinen auch diese Verhandlungen ergebnislos verlaufen zu sein. In der Folgezeit versandete der Hafen, da ja das Tief nicht "gefangen" war, vollkommen. Kaum ein Boot könne noch in den Hafen herein, so heißt es in der "Deliberatio" der Rostocker auf dem Landtag


1) G. R. 1572. "Eyn erbar radt ßende j baden vth, de Warnemunder brochten (en) mith j bothe by nach vp(t) nige dep; j Warnemunder ginck myth deme baden bei thome Stralßunde."
2) Rost. R.-Arch., Rats-Protok. (R. Pr.)-Extrakte, 1568, Juli 5., und N. wö. Rost. Nachr. u. Anz. 1838 S. 390: "Per sententiam werden denen Warnemünder Strandtfischern und Binnenfischern limites gesetzt, wie weit ein jeder gegen das alte und neue Tieff, item auff dem Breitling zu fischen vergönnet sei." Da hier zweifellos von Warnemünde, also vom Tief A aus gerechnet ist, so ist das alte Tief A oder C, bzw. D, das neue Tief aber E.
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am 19. Oktober 1571 1 ). So weit sei es nun gekommen, daß man jährlich 4000 fl. für seine Wiederherstellung auswerfen müsse, und insgesamt würden die Hafenneubauten mindestens 100 000 fl. verschlingen 2 ). Diese Hafenneubauten nahmen die Stadt während des letzten Jahrhundertviertels in Anspruch. Die Aufgaben, die der Lösung harrten, waren folgende: Das Durchbruchstief mußte abgefangen und verstopft, die Düne erhöht und gefestigt werden; der Hafen aber war so zu vertiefen und auszubauen, daß eine derart starke Versandung in Zukunft unmöglich gemacht wurde. Das Gedeihen der Stadt hing ab von der glücklichen Vollendung dieser Aufgaben.

b) Die Zeit zwischen 1570 und 1616.

Am 3. Mai 1572 wurde im Rate beschlossen, fortan solle während des ganzen Sommers ein Ratsherr zwei oder drei Tage wöchentlich sich in Warnemünde aufhalten und die Arbeit beaufsichtigen. Es besteht also die Absicht, in Zukunft unter ständiger Überwachung der Verwaltungsbeamten die Arbeit tatkräftiger und stetiger fortzuführen. Diese Absicht ist auch aus anderen Maßnahmen ersichtlich: 1572 wird beschlossen, das Breitlingsbollwerk vor "Krekeshovet" weiter auszubauen. Auch das Ostbollwerk vorne an der See wird verlängert, nachdem im Jahre 1577 eine schwere Sturmflut große Verwüstungen an den Hafenbauten angerichtet hat. Es ist bezeichnend, daß der ersten Besichtigung am 6. Juli 1578 die ältesten Warnemünder beiwohnen, damit deren Ratschläge bei der weiteren "Hinausschlagung" des Bollwerkes gehört werden können. Auch die umfangreichen Arbeiten an der Haffdüne deuten auf die jetzt einsetzende größere Betriebsamkeit des Rates. Bemerkenswert sind zwei "Missiven" des Jahres 1574. Am 18. und 19. Dezember 1574 werden Schreiben an den Herzog versandt mit der Bitte "um etlichen Dannensamens, dessen die Stadt zur beseihung etlicher wöster Plätze in der Rostocker Heiden und fürnemlich der Haffdünen und zur Erhaltung des Tiefs benötigt seien" 3 ). Ob Tannensamen geliefert oder gar ob sie ausgesät sind, ist nicht mit Gewißheit zu sagen. Immerhin werden im nächsten Jahre an den Dünen umfangreiche Arbeiten vorgenommen: Die hohen Sandberge, die sich an der Westseite des Stroms beim Leuchtturm aufgetürmt


1) Rost. Rats-Archiv: Landtags-Acten de annis 1560 - 71.
2) Vgl. S. 135 mit Anm. 1.
3) Rost. Rats-Archiv: Missiven, 1574, Dez. 18. und 19. Beide ziemlich gleichen Inhalts.
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hatten, werden eben "gedragen". Vierzehn Tage dauert die Arbeit unter Mitwirkung aller Warnemünder. Dann schaffen die Diedrichshäger Mist herbei, um das weitere Fliegen des Sandes zu verhindern, vielleicht auch, um das Anwachsen sandflughemmender Gewächse zu ermöglichen 1 ). Schließlich sei noch eines Ereignisses des Jahres 1578 gedacht: der für die Rostocker Schiffahrt sehr bedeutsamen Erbauung des Rostocker Petriturms. Am 1. April wurde Laurens Junge mit einem Beglaubigungsschreiben ausgeschickt, um aus Gotland Holz für die Errichtung des Turmes zu besorgen 2 ). Das Holz war von Friedrich II. von Dänemark geschenkt, offenbar zur Sicherung der Schiffahrt, denn in dem Beglaubigungsschreiben an den Statthalter von Wisby heißt es, daß das Holz gebraucht werde zur "Erbauwinge einer Spitzen allhier in der Stadt Rostock, so dem gemeinen sehefahren Manne eine besondere Kunde und Nachrichten zur Sehefahrt geben wirt". Wer einmal draußen auf See gewesen ist und diesen zehnthöchsten Kirchturm der Welt in der Ferne hat grüßen sehen, wenn ringsum nichts als Wasser den Horizont berührte, der weiß, daß diese "Spitze" in der Tat ein Schiffahrtszeichen ersten Ranges ist. Diese Ereignisse bilden die Einleitung zu dem 1579 einsetzenden Zeitabschnitt, der zweifellos die Glanzzeit des Rostocker Hafenbaues bildet. Es wurden Pläne entworfen und ausgeführt, so großzügig, wie sie, gemessen an den Mitteln jener Zeit, von den Enkeln nicht wider erreicht sind. Zum ersten Male bildet die Fürsorge für den Seehafen der Stadt einen ständigen Verhandlungsgegenstand in den Ratssitzungen, zum ersten Male auch werden Männer bekannt, die entscheidend den Gang der Arbeiten in Warnemünde beeinflussen. Der erste dieser Männer ist Jochim Barchmann, der Schuster.

Gelegentlich einer Ratsverhandlung (am 14. März 1579) mit den "verordneten Bürgern" über den Zustand der von ihnen verwalteten Landgüter tritt Jochim Barchmann, der Verordnete der Müggenburg 3 ), auf und sagt unter anderem, er wolle einen "Graffen" der Stadt zum Besten in die Heide "ziehen" und "das Depf zugleich buwen".


1) G. R. 1575, Juni 24. "Alle de Warnemunder de drogen de hogen Santberge euen by der Luchte, se drogen auer 14 Dage." Okt. 2. "De Diderichsheger fehrden den Meß vp de Haffdünen, ock (!) by der Luchten, dar de Barge euen maket werden (!). Niegels vnd en Man tho sick, de schowen tho Warnemünde den Meß vth den Stellen, se arbeideden 4 Dage. Ock hulpen se Meß mit vp de Berge schaben."
2) R. Pr. 1578, Apr. 1. Laurenß Junges Beglaubigungsschreiben für Gothlandfahrt.
3) Ein Hof in der Rostocker Heide.
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Dem Bürger wird erklärt, daß der Rat so bald wie möglich mit ihm über diesen Punkt sprechen wolle 1 ).

Dies ist die erste Nachricht, daß Jochim Barchmann dem Rate anbietet, das Durchbruchstief E zu beseitigen. Daneben ist es die früheste Urkunde von einer Kanalanlage, die für die Instandsetzung des Tiefes noch von großer Bedeutung werden sollte und bis auf den heutigen Tag für den Personen- und Güterverkehr in die Heide hinein diese Bedeutung noch nicht ganz eingebüßt hat: Die Nachricht von der Erbauung des Torfgrabens (K), jenes Kanals, der aus dem Breitling bei Markgrafenheide bis zum großen Torfmoor sich erstreckt. Die bisherige Forschung hat die Erbauung dieses Kanals ins 18. Jahrhundert hinein verlegt 2 ). Glücklicherweise ist uns eine Urkunde aus dem Jahre 1587 erhalten, die alle etwaigen Zweifel zerstört und gleichzeitig auch über die Wichtigkeit dieses Grabens für die Bauten an der See jede wünschenswerte Auskunft gibt 3 ). Es ist ein Brief des Ratsherrn Dr. Friedrich Heine an den Rat folgenden Inhalts: Der Rat habe ihn aufgefordert, alle die Unkosten, die er mit dem weiland Bürgermeister Thomas Gerdes für die Errichtung des "neuen Grabens in die Heide" aufgewandt habe, anzugeben. Bekanntlich habe er und Gerdes im Jahre 1579 (also im Jahre der oben mitgeteilten Ratsverhandlung), nachdem nach mehrmaligen Verhandlungen die Frage der Einträglichkeit des von Jochim Barchmann vorgeschlagenen Grabens verneint war, auf eigene Unkosten die Verfertigung des Grabens übernommen, und zwar unter der Bedingung: Würde sich später herausstellen, daß der Graben sich bezahlt mache, so solle die Stadt ihnen alle auf ihn gewendeten Unkosten erstatten, falls nicht, dann sollten sie "außer dem Schaden auch den Schimpf behalten". In diesen acht Jahren (1579 - 1587) sei aber der Nutzen des Kanals erwiesen: Von St. Jakob Ziegelhofe würden für die Herabführung des Torfes (!) jährlich 50 fl. entrichtet, von Jochim Barchmann 100 (!), der andere Ziegelhof müsse gleichfalls jährlich 100 fl. geben, so daß hieraus zusammen jährlich allein 250 fl. Einnahme sich ergäben, ohne das, was die zu zahlen hätten, die als Privat-Personen ihren Torf (!) aus der Heide (!) führten. Zu all dem


1) Alle folgenden Zitate stammen, soweit nicht besonders vermerkt, aus den Ratsprotokollen der betr. Jahrgänge und werden deshalb in der Regel nicht mehr gesondert in den Anmerkungen erwähnt.
2) Krause: Die Rostocker Heide, S. 15 (B. G. R. XIV 1926). Leider ist die Quelle nicht angegeben, auf die Krause seine Behauptungen stützt.
3) Dieses Stück fand sich unter ungeordneten Akten und ist nunmehr unter "Akten Warnemünde, Neues Tief" eingeordnet worden.
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käme die Verbilligung der Holzbeschaffung, wie man denn auch Korn und anderes den Graben hinabschaffen könne 1 ), zu welchem allen man früher Pferde und Wagen hätte brauchen müssen. Zudem sei es ohne den Graben ein unmöglich Ding gewesen, dieses Jahr (1578!) das Neue Tief zu fangen, wofern man nicht etliche tausend Fuder Wasen (Faschinenbündel, Reisigwerk) hätte aus der Heide holen können. Aus allen diesen Gründen möge der Rat die verordneten Bürger der gemeinen Kasse beauftragen, ihm und den Erben des Bürgermeisters Gerdes die Unkosten, "so auf Verfertigung des neuen Grabens aus dem Breitling ins Torfmohr (!) aufgewandt wurden", zu erstatten. Dieses Schreiben ist in mehrfacher Hinsicht wertvoll für unsere Untersuchung. Zunächst seien noch einmal die Worte unterstrichen, die von seiner Bedeutung für die Einfangung des Neuen Tiefs E im Jahre 1587 zeugen: Etliche tausend Fuder Faschinenbündel sind damals den Graben hinabgeführt. Man ersieht hieraus recht eindrucksvoll, welche Anstrengungen man damals gemacht hat, die Hafenanlagen wieder instandzusetzen. Der Brief zeigt auch, daß der Rat Barchmanns Vorschlag vom 14. März 1579 abgelehnt hat. Er wäre niemals zur Ausführung gekommen, wenn nicht der Ratsherr Dr. Heine, einer der reichsten Männer der Stadt 2 ), eine größere Weitsichtigkeit besessen hätte als seine Amtsgenossen: Er faßt den Entschluß, den Kanal auf eigene Faust zu bauen, gewinnt einen Partner und setzt sich mit Barchmann in Verbindung. Wie aus dem Schreiben und auch aus den Gewettsrechnungen ersichtlich ist, wurde der Graben noch im gleichen Jahre in Angriff genommen. Daß diese Anlage sich infolge der Prahm- und Bootsgelder gut bezahlt gemacht hat, zeigen die im Brief genannten Summen. Zudem sind die Unkosten nicht groß gewesen, da ein gut Teil derselben von der Stadt getragen werden mußte. Jochim Barchmann hatte nämlich mit seinem Kanalplan gleich zwei Dinge im Auge gehabt: Der Kanal sollte zur Erschließung der Heide dienen 3 ). Die Menge der beim Bau des Grabens ausgestochenen Grassoden aber wie auch die gewonnene Erde sollten zur Fangung des Tiefs und zum Bau der Haffdüne verwandt


1) Damals war ja die Heide zu einem großen Teil noch Kulturland.
2) Als z. B. der Ratsherr Heinrich Gerdes "durch nachlessigkeit zu schaden gerathen" und deshalb seine Güter verkaufen mußte, hat sich "D. Friedrich Heine darhin vorfüget und die güeter sembtlich vmb 4300 fl. ... gekauft". (R. Pr. 1579, sept. 9).
3) Neben Wald und Feld sollten vor allem die großen Torflager ausgebeutet werden. B. weist in einer Ratssitzung auf die Einträglichkeit der "Torfgruben" hin; aber ohne Erfolg.
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werden. Es liegt auf der Hand, daß dadurch der Bau bedeutend wohlfeiler wurde.

Im Jahre 1579 finden umfangreiche Arbeiten an der Haffdüne statt. Meister Claus Jendrick, der Zimmermeister, arbeitet mit seinem Volke den größeren Teil des Jahres auf der Düne. Außerdem hat man dort einen "sodensteker" oder "grewer" angestellt. Daneben werden ständig Arbeiten am "Graben" genannt und aus dem Zusammenhang der Nachrichten ergibt sich, daß es sich darum handelt, die bei dem von Dr. Heine unternommenen Bau des Torfgrabens gewonnenen Rasensoden und Erdmassen an die Düne zu fahren. Diese Arbeit wird von den Bauern getan. Auf der Düne wird von der Ausschachtungserde ein Wall errichtet, dessen Oberfläche mit den Soden belegt wird. Dazwischen aber - und das ist wichtig, weil auch hier wie bei der Anlage des Torfgrabens die bisherige Forschung bedeutend spätere Daten annahm - wird Hafer gesät 1 ). Am Strande werden Buhnen gebaut. Demgemäß ist schon damals, wie wir schon an anderer Stelle feststellen konnten 2 ), alles das zum Schutz der Düne getan, was im 19. Jahrhundert als ganz neue Errungenschaft gefeiert wurde. Diese Dünenarbeiten werden auch noch im folgenden Jahre fortgeführt. Außerdem werden umfangreiche Anpflanzungen von "pardtwiden" vorgenommen 3 ).

Im Herbste dieses Jahres 1580 tritt der Rat mit Jochim Barchmann aufs neue in Verhandlung, daß er das "Neue Tief" fangen soll. Am 30. September beschließt man, wegen Barchmanns "Angebent, das neue Tief zu fangende", Abgeordnete nach Warnemünde zu schicken, die seine Vorschläge anhören und ihre Brauchbarkeit prüfen sollen. Am 17. Oktober heißt es in den Ratsprotokollen des gleichen Jahres: "wegen der zwischen (!) dem neuen Tief und Warnemünde gelegenen Haffdüne beschlossen, mit Barchmann dem Schuster zu reden, welcher sich angegeben, eine Düne zwischen dies und künftigen Weihnachten zu machende, danach vff künftigen Pfingsten das Tief zu fangende". Diese Stelle zeigt eindeutig, daß es sich um Fangung eines Durchbruches (E) handelt. Wichtig ist, daß Barchmann den Auftrag bekommt, zuerst die Haffdüne zu bauen und dann erst das Tief


1) G. R. 1579, Juni. "Andreas de greuer de hadde 2 greuer tho sick; sesetteden soden vp vor lanck strandes vp de haffdunen ... vor j scheffel haferen gegeuen 6 ß, den seiheden de groffer twischen di sohden."
2) Vgl. S. 121.
3) Z. B. G. R. 1580. "Achim Schütten vnd sinen nabarn abgekoffte 17 stigen pradtwiden, so by der haffdüne gesettet, jeder stige vor 8 ß: 5 fl. 16 ß."
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zu fangen. Man wußte sehr wohl, daß ohne Instandsetzung der Haffdüne alle andere Arbeit vergeblich war. Barchmann versucht trotz dieses Auftrages zuerst das Durchbruchstief zu fangen, was ihm später schwere Vorwürfe im Rate eingetragen hat 1 ). Den Auszügen aus den Ratsprotokollen zufolge müßten dann die "Punkta Contracti" am 19. Dezember 1580 geschlossen sein; doch ist im folgenden Jahre von einer Tätigkeit Barchmanns nirgends die Rede. Die Verhandlungen des Herbstes sind also ergebnislos verlaufen. Im Frühjahr kommt man noch zweimal auf Barchmanns Anerbieten zurück. Im Februar werden zur Besichtigung des Durchbruches einundzwanzig Herren vom Rate nach Warnemünde geschickt, "und solches alles zur Abschaffung (!) und Dämpfung (!) des Neuen Tiefs" 2 ). Im Mai wird gleichfalls eine Abordnung beschlossen, um "daselbst alle Gelegenheit zu besichtigen und ihren guten Rat mitzuteilen, wie und wasserleigestalt mit dem neuen Tief verfahren werden soll". Hierauf müssen die Verhandlungen bis zum nächsten Jahre ins Stocken geraten sein, aus welchem Grunde, habe ich nicht ermitteln können. Inzwischen aber hat sich der Rat um einen auswärtigen Baumeister bemüht und am 18. Januar 1582 fahren die Bürgermeister in Begleitung "des lübischen Baumeisters" mit mehreren des Rates nach Warnemünde "na dem Nyen Depe vnd dat besehen / daran wedder vp Warnemunde" 3 ). Der Name des Lübeckers war Peter Hase. Am 17. Februar 1582 verhandelt der Rat darüber, ob man nun Hase oder Barchmann zur Fangung des Tiefes nehmen soll. Es wird beschlossen, daß der lübische Baumeister und zugleich mit ihm - als ein Aufseher - Jochim Barchmann angestellt werden soll. Barchmann bekommt den Auftrag, sofort mit den Arbeiten zu beginnen. Im März ist Peter Hase wieder in Rostock und am 12. geschieht eine neue Besichtigung. Diesmal werden die Mängel des "alten und neuen" Tiefs, also doch wohl des Hafens wie auch des Durchbruches, in Augenschein genommen. Am Tage darauf werden dann im Rate die Abschlußverhandlungen geführt. Es wird fest beschlossen, "mit dem neuen Tiefe zu verfahren", und man spricht mit Hase, daß er zugleich mit Barchmann das neue Tief fangen soll. Auch sollen zur Beförderung der Arbeit zwei Herren des Rates als Lohnherren abgeordnet werden: Michael Breide und Nikolaus Bolte. Da also infolge der umfangreichen


1) Vgl. S. 141.
2) Dies ist Beweis, daß es sich um Verstopfung eines Durchbruches handelt und nicht um Uferbefestigung des Hafens. S. dazu S. 134, Anm. 3.
3) Diese Nachricht bestätigt aufs neue, daß an einem außerhalb Warnemündes befindlichen "neuen Tief" gearbeitet werden soll.
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Bauten in Warnemünde von nun an mehr Arbeiter dort tätig sein müssen, so werden ganz andere organisatorische Maßnahmen notwendig, als der bisherige Betrieb mit den etwa fünfzehn ständig in Warnemünde arbeitenden Leuten erforderte. Nachdem diese Punkte in der Ratsverhandlung festgelegt sind, wird Jochim Barchmann vorbeschieden und mit ihm ein fester Vertrag gemacht 1 ). Mit der Arbeit wird sofort begonnen. Schon am 15. März fahren die Herren der Verwaltung in die Heide hinaus, um zu sehen, "welches Holz Barchmann schlagen ließ und wie es auf den Dünen stand". Auch während der folgenden Wochen werden Besichtigungsfahrten gemacht, und immer ist der Schuster bei der Arbeit. Aus den Bemerkungen dieser Fahrten geht - im Zusammenhang mit den anderen Nachrichten - wiederum hervor, daß diese Arbeiten sich auf das Durchbruchstief E "neben der Heide" bezogen haben: Ständig fahren zu dieser Zeit die Herren durch die Heide auf den Arbeitsplatz und fahren dann schließlich "vth der Heide ower dat Dep vp (!) Warnemunde" 2 ). Die Arbeiten Barchmanns beziehen sich also nicht, wie die bisherige Forschung angenommen hat, auf das Zurückdämmen der lockeren Ufermassen des Tiefes A. Auffallend ist, daß niemals Peter Hase als Mitarbeiter erwähnt wird. Da später Barchmann im Rate sagt, er habe das Tief gefangen, das der lübische Baumeister habe fangen sollen, so muß Peter Hase an der Ausführung seines Auftrages vom 12. März gehindert sein. Erst im August tritt er wieder in Rostock auf, nun aber mit einem ganz neuen Plan: Er bietet dem Rat einen Bagger an. Wir werden noch davon hören 3 ).

Am 11. April wird vom Rate einhellig ein wichtiger Entschluß gefaßt: Da die Arbeit keinen Verzug leide, so solle "in diesem Jahre alle Arbeit am Graben liegen" bleiben und dem "neuen Werke am neuen Tiefe" zugute kommen. Zudem solle für diesmal nicht nach den Häusern und Wohnungen, sondern nach dem Reichtum eines jeden Bürgers eine Steuer erhoben werden. Die beiden Lohnherren sollen sich deshalb mit den Quartiermeistern in Verbindung setzen. Man sieht also, und man wird es auch noch weiterhin beobachten, in jeder Weise, in Ver-


1) B. soll 3 Thaler wöchentlich und "nach Vorrichtung des Werckes des Newen Tieffes, da es bestendig sein würde ... 600 Thaler ... und von allem Holze die Lohe" als Lohn haben. (R. Pr. 1582, Febr. 17).
2) G. R. 1582, Mai 3. "Ich vnde Jacob in die Heide gefahren na deme Roffershagen. Dar betalt ... Van dar gefahren tho Jochim Barchmann vp dat deep, dar bethalt ... Vnd wy lethen vns mit dem pram auer na Warnemunde setten vnd, wie wi darhen gefahren (!), vor kost vthgegeuen." - So auch Mai 7. und Juni 1.
3) Vgl. S. 138.
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waltung, Organisation und Finanzierung werden jetzt Neuerungen getroffen, die zeigen, daß der Rat zu tatkräftigem Handeln entschlossen ist. Aus den Rechnungen ist ersichtlich, daß die Vermögenssteuer dieses Jahres 2500 fl. eingebracht hat, das waren zusammen mit dem, was aus dem "Alten Kasten" bewilligt war, 5500 fl., die nun für die Arbeit zur Verfügung standen. In den vorhergehenden Jahrzehnten beliefen sich die Aufwendungen für den Hafen höchstens auf ein Zehntel dieser Summe 1 ). Nach diesen Ratsbeschlüssen geht die Arbeit schnell vorwärts, denn die Zahl der Mitarbeiter Jochim Barchmanns wächst ständig. Waren es am 7. April noch 28 Mann, so sind es schon zwei Tage nach dem Ratsbeschluß etwa 40 und im Mai steigt die Zahl gar auf 70, für die damalige Zeit sicher eine stattliche Arbeiterschar. Zudem hatte man außer den Ungelernten auch Fachleute beschafft: Drei "Sodensteker" werden in den Rechnungen genannt, daneben ein "Wrosensetter". Am 9. Mai werden mit den "Pramherren" Verhandlungen angeknüpft, "damit zur Beförderung des neuen Tiefes Erde, Steine und, was mehr dazu nötig, möchte dahin geschafft werden". Für jeden beladenen Prahm sollen ihnen 2 fl. vergütet werden. Am 11. Mai kommt ein neuer wichtiger Plan zur Annahme: "Die Hundsburg soll nach dem neuen Tieff gebracht werden, dasselbe damit zu fangen" 2 ). Da man zur Einfangung des Tiefs eine große Menge Füllmaterial gebrauchte, Erde und Steine aber - nachdem nun der Heidekanal fertiggestellt war - in der erforderlichen Menge nicht zu beschaffen waren, so ist man demnach auf den Gedanken gekommen, Erde und Steine des längst verfallenen und unbenutzt daliegenden Hundsburggrundstückes an den Seestrand zu schaffen 3 ). Man nimmt nun sofort wieder Verhandlungen mit den Prahmherren auf, und zwei Tage später kommt ein neuer Vertrag mit ihnen zustande, demzufolge ihnen für jeden beladenen Prahm 1 1/2 fl. - also 1/2 fl. weniger, als zuerst ausbedungen war - zugesagt werden. Doch wird hinzugefügt: "Im Falle die Pramschuwer und sie selbst damit nicht bleiben konnten, alß wollte man ihnen Zulage thun". "Und sollten solche Präme die Erde der Hundsburg holen und nach dem Neuen


1) 1553: 550 fl.; 1554: 492 fl.; 1555: 67 fl.; 1556: 379 fl.; 1568: 62O fl.; 1569: 499 fl.; 1752: 673 fl.; 1573: 479 fl.
2) Die Hundsburg wurde also nicht, wie Krause und Barnewitz meinten, als Uferbefestigung für den Hafen verwandt.
3) Ohne diese Hinschaffung wäre die Einfassung des Tiefes wohl unmöglich gewesen. Da ja auch der Kanalplan von Jochim Barchmann stammt, so ist es nicht ausgeschlossen, daß auch diese Idee von ihm ausgedacht wurde.
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Tiefe bringen". Am 14. Juni sind bereits 21 Arbeiter mit den Aufräumungsarbeiten auf der Hundsburg beschäftigt. Die Zahl der Arbeiter am Tief E ist inzwischen auf 100 gestiegen. Tag und Nacht wird gearbeitet, wie die Rechnungen berichten, und so müssen besondere Vergünstigungen an die Arbeiter verteilt werden 1 ). Am 14. Juli endlich ist das Tief gefangen. So groß ist der Eindruck dieses Werkes auf die Zeitgenossen, daß in sämtlichen Chroniken davon die Rede ist 2 ). Und auch der Urheber dieses Werkes wird genannt: "Anno 1582 wartt das neue Tieff vor Warnemünde gefangen von einem Schumacher, Jochim Berckmann genannt" 3 ). In der Woche darauf ist der gesamte Rat in Warnemünde, um das Werk anzuschauen. Bei dieser Gelegenheit wird die Haltbarkeit erwiesen: Der Schulzenknecht von Willershagen verdient sich einen ß als Preis, "dat he dat erste Stucke Holtes vorde awer dat nige Dep" 4 ). Das war die Probe auf die Tauglichkeit dessen, was Barchmann gemacht hatte. Sie war bestanden. Und so liest man denn auch in den Chroniken, er habe das Tief gefangen, "also daß man mit Wagen und Pferden darüber fahren konnte". Freilich war hiermit noch nicht die Arbeit beendet. Nur an einer bestimmten Stelle war das Durchbruchstief überbrückt, das Wasser gefangen. Das übrige Bett bedurfte noch weiterer Aufschüttung, und so gehen die Arbeiten noch weiter fort bis gegen Ende September. Am 1. Oktober erscheint Barchmann vor dem Rat, um seinen Lohn für die vollendete Arbeit zu fordern. Er erklärt, "wie mit ihm wegen des neuen Tiefes gehandelt. Alles, was zur Dempfung (!) und Fangung des Tiefes gehörig, das habe er verschafft, und es sei nun wohl sicher." Demnach bäte er um die ihm zugesagten 600 Taler. Am 3. Oktober wird dann von den Kastenherren "geschlossen", daß man Barchmann auf die zugesagten 600 Tlr. vorerst 400 Tlr. geben wolle. Sollte sich aber herausstellen, daß das neue Tief nicht beständig wäre, dann solle er auch nicht mehr bekommen.

Aber schon während dieser Lohnverhandlungen ist Jochen mit einem neuen Plane herausgekommen. Er sagt, "er habe auch das


1) Rost. Rats-Arch.: Akten U.-Warnow II. B. Vol. II, Fasc. I, 1582: "Ablohnunge des Arbeidesvolkes bei dem Gebewte des Diepfs zu Warne Munde de anno 1582."
2) "Rost. Chronik v. 1311 - 1586", Hs., Rost. Rats-Arch. 1582, Juli 14. Ungnad, a. a. 1152. Das Datum (Juli 4.) ist falsch.
3) Die Namen Barchmann und Berckmann kommen nebeneinander vor. Die hier angeführte Quelle meint übrigens "fangen" in dem umfassenden Sinne und somit, daß (durch Verstopfung von E) das "neue Tief" A gefangen wurde.
4) G. R. 1582, Juli 23.
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alte Tief (A) besichtigt, und obwohl dasselbe zwischen den Bollwerken jetzt tief genug sei, so wäre doch vorne im Seheschlage eine zerteilte Banke, dieselbe wolle er mit einer Harke wegbringen" 1 ). Auch am nächsten Tage wird hierüber verhandelt. Die "Eidge" soll von den beiden Bollwerken aus mittels "Spillen" durch das Tief gezogen werden 2 ). Man sieht also, kaum ist die eine Arbeit beendet, da erscheint dieser unruhige Geist vor dem Rate mit dem Plan zu einer neuen. Hierbei spielt übrigens auch Eifersucht mit auf Peter Hase aus Lübeck. Hase war nämlich, nachdem er seinen Auftrag vom 12. März des Jahres ganz zugunsten Barchmanns abgetreten hatte 3 ), im August aufs neue vor dem Rat erschienen und hatte eine "Suwerkunst", einen Bagger, im Modell vorgeführt 4 ), mit der er das Hafentief gegen eine hohe Entschädigung austiefen wollte. Das weitere hierüber werden wir noch später erfahren. Damals ist noch keine Entscheidung gefallen, aber ganz zweifellos hat dies den Schuster, der anderen auswärtigen Baumeistern Arbeit und Ruhm mißgönnte, veranlaßt, nun auch seinerseits, nachdem seine erste Aufgabe erledigt war, mit einem von ihm erdachten "Suwerinstrument" aufzutreten. Da es sich um genau jene "Flecken vor dem Gate" handelte, deretwegen der Rat


1) R. Pr. 1582, Okt. 1. "Außerdem habe er das alte Tief besichtiget und obwohl es nun zwischen den bolwercken jetzt tief genug gemacht sei, so wäre doch vorne im seheschlage eine zertheilte banke; dieselbe wolle er mit einer barke wegbringen." Daß es sich hier nur um das Tief A handeln kann, geht daraus hervor, daß auch Peter Hase dieselbe "zerteilte", also aus zwei Teilen bestehende "Banke" am Hafenmund fortsäubern soll. R. Pr. 1582, Aug. 20.: "die flecken vor dem gate ..." Aug. 27.: "die flecken für der sehe"; ebd.: "um der beiden flecken willen solch Instrument zu machen ..." Daß Hase am Hafentief arbeitet (also an A), wird unter anderem auch aus einer Bürgschaftserklärung seines Bruders Hans erwiesen, worin von dem Tiefe wieder, da es sich um eine Urkunde handelt (s. S. 125 mit Anm. 3), als von dem "Neuen Tiefe" gesprochen wird. 1582, Okt. 19.: "das Instrument ... zu dem newen Tiefe nutzlich". Am gleichen Tage wird eine Bestallungsurkunde für Peter Hase ausgefertigt, wo von dem (!) bzw. "unserem" Tief gesprochen wird. Wir haben hier also den Fall, daß in ein und demselben Jahre der Seehafen drei Bezeichnungen hat: "Dat deep", "dat niege dep" und "dat olle dep"!
2) R. Pr. 1582, Okt. 2. "... daß er das alte Tief mit einer Eidge wollte seubern, also daß auf beiden Seiten durch eine Spille diese Egge durch das Tief gezogen werden könnte."
3) Vielleicht hat man ihm den Auftrag wieder entzogen, auf Betreiben von Barchmanns mächtiger Freundschaft (Dr. Heine!). Hase ist während seines Wirkens in Rostock ständig durch Quertreibereien an seiner Arbeit gehindert oder gestört worden.
4) Vgl. S. 139, Anm. 1.
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mit Peter Hase in Verhandlungen stand 1 ), so ist der Beweggrund Barchmanns ziemlich durchsichtig. Aber während noch diese Verhandlungen laufen, vom 3. bis 4. Oktober, da tobt an der mecklenburgischen Küste ein fürchterlicher Weststurm, und am 4. ist bereits wieder neben dem gerade "zugemachten" ein "neues" Tief entstanden, "welchen Durchbruch man gefährlicher erachtete als den ersten". Die neue größere Gefahr erforderte neue größere Mittel, auch neue erfahrene Männer. Im Laufe des Spätherbstes noch entschließt man sich, einen kundigen Mann von auswärts kommen zu lassen. Es ist Johann tor Balcke, der Holländer. Bevor wir jedoch hierzu übergehen, muß von dem Rivalen Jochim Barchmanns erzählt werden, von Peter Hase, dem "Meister der Süwerkunst".

"Doselbst ein Meister aus Lübeck anhero gekommen," so heißt es in den Ratsprotokollen im August 1582, "so zu Rate eine Kunst übergeben, wesserleigestalt das Tief und Flecken für der Sehe konten gesäubert werden" 2 ). "Er wolle damit uff ein mal eine Elle diep auß der Diepe Sandt und Dreck holen und eine reine und saubere Diep halten. Auch die Flecke vor der Gate zu Warnemünde wegbringen mit lichter Arbeit und ringer Unkosting. Derselbe ist durch zwei des Rates nach Warnemünde gefahren worden und ist ihm alle Gelegenheit erst gezeigt worden". In den nächsten Tagen finden Verhandlungen statt, aus denen näheres über Peters Angebot zu ersehen ist. Peter hat, wie er behauptet, den Bagger in Venedig 3 ) gebraucht, wo er auch jetzt noch jährlich zu tun habe. Außerdem habe er vor etlichen Jahren ein kleineres "Instrument" in Lüneburg 4 ) geliefert. Dafür habe er 300 Tlr. bekommen, zu


1) Vgl. S. 137, Anm. 1.
2) R. Pr. 1582, Aug. 25.
3) Das S. 139, Anm. 1 angeführte Modell, ein Löffelbagger, entspricht der Skizze zufolge genau den in Venedig gebräuchlichen Baggern, die dann später von Bonajuto Lorini verbessert wurden. Vgl. Krünitz, a. a. O. XXI. S. 36 und G. Hagen, Kupfertafeln zum Handb. d. Wasserbaukunst, Berlin 1865, Teil III; Seeufer und Hafenbau, IV. Bd., Tafel XXXIX, Fig. 203 a.
4) Peter Hase hat, wie ich einer freundlichen Mitteilung des Lüneburger Archivdirektors Herrn Dr. Reinecke entnehme, in Lüneburg gearbeitet. Lüneburger Stadtarchiv: Soldmeisterrechnung 1574 B 158. "150 daler syn vth beuel eines erbaren rathes Peter Haszen van Venedigh (!) gegeuen, wo men desz mith eme einsz geworden. Dayeghen er sich erbot, ein Kunststucke vnd Instrument antorichtende, dardorch mith geringem volcke vnd vnkosten mehr alsz mit deme plogende (über das "plogen" s. S. 151) dath santh vth der Ouw liderlich konte gebracht vnd de dupe gemaket werden. Und alsz die viserunge aller schafflun daruf von gedachtem meister by Everth Langen snitker isz vorfertiget worden,
(  ...  )
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Venedig aber habe er jährlich 1500 fl. "zu heben". Das Rostocker Werk werde er für 1500 fl. liefern, doch stehe er gut dafür, daß man damit "im Tiefe zu Warnemünde, so woll bei Sommer alß winter tage, wan es gutt Witter ist, in igliche Stunde oder zum hochsten in einer Stunde vnd ein vierthel durch vier Personen auß der Grundt vier Mhall ein Fhaden langk vnd einen Fhaden breitt vnd drei Quartier einer Ellen tieff Erde oder Sandt nhemen vnd also dasselbe sieben oder achte Ellen tieff machen khonne". Sollte aber das Instrument nicht ganz und gar "beständig" sein, so wolle Peter der Stadt allen daraus erwachsenen Schaden ersetzen. Zur Sicherung dieser Summe werde er einen Bürgen stellen. Gleichzeitig übergibt er dem Rate ein Modell 1 ) seiner Kunst, von dem der Ratsschreiber eine flüchtige Federskizze seinem Protokoll beifügt.

Am 14. September wird über Hases Anerbieten im Rate verhandelt. Es sei ihnen allen bewußt, so spricht der worthabende Bürgermeister, "welch ein schedtlich Tieff zu Warnemünde und da dasselbe in der Zeidt mit Fleiße nicht solte gewartet werden, würde es dieser guten Stadt großen Schaden geben, da eß hin und wieder im Reiche Denemarken und sonsten ruchtig würde, und obwohl teglichs daran gearbeitet würde, so schloge doch der Seeschlagk solches alles wiederumb zu. Wan dan einer sich von Lübeck bei dem Rate angegeben, der zu Venedigh eine Seuberkunst gebreuchet" und nun auch in Rostock dieses Werk bauen wolle, so habe er mit ihm gehandelt, "weil denn an dem Tiefe der Stadt mercklich und hoch gelegen, und da man dasselbe solte zukommen lassen, würde der ganzen Stadt Frohling und Plog dadurch gelecht sein". Hase werden 1200 Tlr. zugesagt, doch muß er sich verpflichten, den Bagger in keiner anderen Stadt mehr zu verkaufen. Nach der Sturmflut Anfang Oktober finden die Verhandlungen mit der Bestallung Peter Hases ihren Abschluß. In der Bestallungsurkunde sind die schon bekannten Bedingungen festgesetzt. Der Preis ist auf 1050 fl. hinabgedrückt, außerdem wird verlangt, der Meister solle selber mit dem Instrumente solange arbeiten, bis seine Brauchbarkeit erwiesen sei. Die für die Stadt sehr günstigen Aussichten waren des hohen Preises wohl


(  ...  ) isz dieselbige einem erb. rathe uf deme rathusze in ogenschein gebracht und vorgestellet vnd darnach vff die Cemmerie gesettet worden." S. 63: "24  Euerth Langen deme snitker vor die vieszerunge touerfertigende."
1) Hans Hase 1582, Sept. 15.: "... auch Euer erbar Weisheit hat gesehn dat werk indt kleine, darbei man erkennen mag, wen es inß große wirdt gemacht, das ime (dem Tief) kann geholfen werden."
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wert. Dennoch ist die Angelegenheit anders verlaufen, als man gehofft hatte. Eine Chronik 1 ) meldet folgendes: Den 10. Nov.... hat Ein Erbarer Rat ... ein sonderlich eisern Instrumente von ihm machen lassen, damit er zu jedesmal 6 Ctr. schwer Erde auß dem Tiefe säubern können. Wan aber der Grund madig gewesen, so hette es im Tiefe sehr nutzig gewesen. Aber weil es Haffsand war, wart das Instrument durch das harte Schraubent zerbrochen und mußte man es bleiben lassen. Doch mußte ihm ein Erbarer Rat allen erlittenen Schaden außrichten. Das Instrument, damit er die Erde aus dem Tiefe nahm, liegt annoch auf der Louinge 2 ).

Außer mit Barchmann und Hase, dessen Wirksamkeit für das Tief ja freilich ohne Folgen blieb, hat aber der Rat noch weitere Schritte unternommen, um den Hafen wieder instandzusetzen. Vor allem der Durchbruch 3 ) machte ihm schwere Sorgen. Fast jede Woche, anfänglich gar mehrmals wöchentlich, wird über diesen Gegenstand beraten. Die Haupteinnahmequellen der Stadt, Schiffahrt und Heide, sind gleichermaßen bedroht. Zunächst glaubt man, das Werk Barchmanns habe nicht standgehalten. Nach einigen Tagen aber erfährt man, daß der Durchbruch, "so gefangen, zwar Bestand gehabt, doch habe der Seheschlag nebenan zwei Ronnen gemacht". Diese seien so gefährlich, daß zu befürchten stände, die Rostocker Heide käme noch ganz und gar zunichte, wenn dem nicht "vorgebaut" würde. Da sich die Gelegenheit bietet, werden einige holländische Schiffer mit hinaus an die See genommen. Sie erteilen den Rat, "zunächst das kleinere Loch zu dämpfen". Das große müsse sofort an beiden Enden mit Pfählen verrammelt werden, um ein weiteres "Ausreißen" zu verhindern. Andernfalls stände zu fürchten, daß jenes Land "ein Wasser mit dem Breitling" werde. Der Sturm hat massenhaft Seetang an den Strand geschlagen. Die Holländer erzählen, bei ihnen zu Hause baue man Dämme aus dem Tang. Schließlich unterhandelt man mit einem von ihnen. Nach seinen Angaben soll im Herbste "das kleine Loch" gefangen werden. Dabei soll Jochen Barchmann in der holländischen Kunst des Deichbaus unterrichtet werden. Am 28. Oktober bekommt der Holländer für seinen Rat, "wo men dat Dyp mit Dancke fangen konde und wo men de Deunen damit bauen konte",


1) Rost. Chronik von 1311 - 1586, a. a. O, 1582, Nov. 10.
2) Die "Louinge" war im Rathause eine Laube auf der Marktseite. Nur der Korb, der Löffel, wird dort oben gelegen haben. Denn die ganze Maschine war zweifellos zu groß. Hierfür spricht auch die Mitteilung der Chronik, die von einem "eisernen" Instrument berichtet. Peter Hases Instrument war aber zum überwiegenden Teil aus Holz. Nur der Korb bestand aus Eisengeflecht.
3) Vom 4. Okt. 1582, vgl. S. 138.
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16 fl. In der gleichen Zeit spielen die Verhandlungen mit Peter Hase wegen seiner Suwerkunst. Der Rat arbeitet also ernsthaft daran, die eingerissenen Schäden zu beseitigen. Und nun setzt sich - trotz Barchmanns Freundschaft mit dem machtvollen Dr. Hein - allmählich die Überzeugung durch, daß man sich für die seit der Sturmflut noch um vieles schwierigere Aufgabe einen Fachmann, der über eingehende Kenntnisse und lange Erfahrung verfügt, kommen lassen müsse. So wird denn "am 27. November geschlossen, daß Christoff Kerkow, wegen des neuen, wiederumb ausgebrochenen Tiefes zu Warnemünde nach der heiden (!) ins Niederland verreisen solle, daselbst einen erfahrenen Mann zu erkundigen, so mit den vordiken (!) und dergleichen ausgebrochenen diken (!) wüßte umzugehen". Aus irgendwelchen Umständen ist diese Reise dann unterblieben. Vielleicht hatte man sich schon schriftlich nach einem Meister umgesehen. Elf Tage später wenigstens ist schon ein Holländer in Rostock und wird auf Befehl eines ehrbaren Rates zu Rostock angenommen, die Haffdüne zu bauen. Es ist Johann tor Balck(e), auch Johann van der Balcke genannt. Er hat dem Rostocker Hafen auf zwei Jahrhunderte die endgültige Gestalt gegeben. Als Lohn ist ihm zugesagt "wenn er auf dem Lande arbeitet 3 fl. und wenn er in dem Wasser arbeitet alle Weke 4 fl.". Am 18. Dezember fahren die Ratsherren "mit dem nigen Baumeister hinaus, de Gebreke des Landes vor der Heide zubesehen". Und dann geht es sofort an die Arbeit. Am 2. Januar ist bereits die erste Besichtigung dessen, "was der Hollender gemaket".

Nach den Mißerfolgen des Jahres 1582 und wahrscheinlich unter dem Einfluß der Holländer geht man zunächst an den Bau der Haffdüne, um sie vor weiteren Durchbrüchen zu schützen. Ohne den Ausbau der Haffdüne werde alle Arbeit vergebens sein, so heißt es in dem Ratsprotokoll vom 18. Februar 1583. "Daß aber die Bürger hin und wieder gingen und ihre faule Mundt hätten, das wäre mehr denn wahr. Das verursache sich aber alles daher, daß Barchmann nicht, wie des Rates und der Bürger Meinung gewesen, die Haffdüne zuerst gebessert, sondern das neue Tief gefangen habe". Darum also müsse nunmehr zuerst die Haffdüne gebaut werden. Aus diesem Protokoll geht wieder einmal hervor, daß die Hafenangelegenheit damals die Gemüter gar sehr zu Haß und Gunst erregt hat. Johann tor Balck und Peter Hase haben das an ihrem eigenen Leibe - im wörtlichen Sinne des Wortes - erfahren müssen 1 ). Johann der Holländer


1) Vgl. S. 143 f.
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arbeitet an der Erhöhung der Haffdüne. Der jetzt sehr rührige Rat ist des öfteren in Warnemünde, den Fortgang der Arbeiten zu besichtigen, und als im Mai des Jahres wiederum holländische Schiffe im Hafen liegen, da fahren die Herren mit dem "fremden holländischen Schiffer nach dem deepe, um seine Meinung über die nötigen Arbeiten zu hören". Und wie die Aufsicht durch die Verwaltung, so wird auch die Organisation der Arbeit durch den neuen Meister jetzt besser: Vom Sommer ab wird neben dem Bau der Düne die Befestigung der Ufer in Angriff genommen. Der Breitling soll "gefangen" werden, so ist der Plan des Meisters. Die Ufer sollen durch Reisigwerk geschützt und stellenweise auch gewisse Teile des Breitlings durch diese Werke zur Gewinnung eines einheitlicheren, weniger gefährdeten Ufers von dem Hauptgewässer abgeschnitten werden. Da man bei der Senkung des Reisigs, der sogenannten "Wasen", zunächst Steine zur Beschwerung gebrauchte, so war der technische Ausdruck hierfür "mit Wasen und Steinen awerfangen". Bei einer Summierung der Wasenbündel, soweit sie der Anzahl nach in den Rechnungen angeführt sind, ergibt sich, daß allein vom Januar 1583 bis zum Januar 1585, also in genau zwei Jahren, eine halbe Million Wasenbündel in den Faschinenwerken Johanns des Holländers verarbeitet worden sind. Rechnet man dazu nun alles, was in den folgenden Jahren weiterhin verbraucht ist, bis zu jenem schon genannten Jahre 1587, wo nach dem Zeugnis Dr. Heines in einem Jahre mehrere tausend Fuder Wasen den Torfgraben hinab gefahren sind, dann ermißt man, welche ungeheure Arbeit damals geleistet wurde. Während Johann im Januar 1583 noch mit 22 Mann arbeitet, sind es im nächsten Jahre schon 50. Damals machte er ein Probestück, "bei Krekeshovet den Breitling überzufangen". Es wird also jene Tiefe (A1), die durch die Arbeit des Alhard Johansen hundert Jahre zuvor überflüssig und damit schiffahrtstechnisch gesprochen schädlich geworden war, da sie die Kraft des Wasserstroms lähmte 1 ), geschlossen und das ganze Gebiet vor Krekeshovet zusammengefaßt, "gefangen". Nur für die Fahrt in die Heide wird den Booten und Prähmen eine Rinne freigelassen, das sogenannte "Pinnerloch" oder der "Pinngraben", dessen Name zuerst im Jahre 1614 genannt wird. Am 10. Oktober ist das Probestück fertig 2 ).


1) Zweck aller Hafenbauten war, das Wasser möglichst zusammenzuhalten, damit das Tief durch die Wassermassen ausgespült wurde. Das wurde aber durch die breite Einfahrt vor Krekeshovet verhindert. - S. auch Barnewitz, a. a. O. S. 286/7.
2) Rechnung des Warnemünder Vogts Hinrik Boddiker Okt. 1582: Die Herren Bürgermeister und eine Anzahl Bürger kamen hinaus, an-
(  ...  )
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Im September 1585 wird in einer Ratsverhandlung darüber gesprochen, ob nun, nach Fertigstellung der Probe, nachdem die "struke", "so über den Breitling verarbeitet werden", verbraucht seien, weiter gearbeitet werden solle. Man beschließt, die Arbeit unter Johanns Leitung fortzusetzen und hierüber einen Vertrag aufzustellen 1 ). Auf Grund des Vertrages, dessen Wortlaut im Bestallungsbuch des Rostocker Ratsarchivs erhalten ist, wurde dann "Johann thor Balcken die Haffdüne zu bessern und zu bauen, auch den Breitling mit Wasen überzufangen, bestellet und angenommen" 2 ).

Von nun an geht die Arbeit ununterbrochen, Sommer und Winter, vorwärts. Im Winter, zur "Wadelzeit", d. h. wenn infolge des Vollmondes die Sträucher am besten für Faschinen zu gebrauchen waren, werden "Struke" gehauen und in den übrigen Tagen "Wasen" davon gebunden 3 ), an den Kanal gefahren und von da an den Bestimmungsort geschafft. Im Sommer werden sie dann weiter verarbeitet. Inzwischen ist Johanns Stellung


(  ...  ) zusehen "dat angefangene Gebuwte, mit den Wasen und Stenen vp Krekeshovet avertofangende, so Johann de Hollender hefft angefangen." Daß diese Arbeit oft quer durch das Wasser ging, ersieht man leicht aus den Rechnungen, da Johann laut Arbeitskontrakt (s. S. 141) bei Wasserarbeiten statt der gewöhnlichen 3 fl einen fl mehr bekommt. Heißt es z. B. im März 1583, daß Johann 4 fl bekäme, "weil er nun am Hoefede arbeitet", so ist dies ein Beweis dafür, daß jene Arbeit am "Hoefede" ("Krekeshovede") im Wasser stattfand.
1) Die Bürger fügen hinzu, er solle aber während der Arbeit "fleißig Aufsicht haben und nicht so viel spazieren gehn".
2) Johann bekommt sieben "Orthdaler" wöchentlich. Wie vormals dem Schuster, so wird auch Johann freigestellt, für diese Arbeit an "Haffdüne, Breitling und Niendepe" so viele Tagelöhner anzunehmen, wie für die Arbeit erforderlich seien. Solle er aber mit seiner "Süwerkunst" im "Oldendepe", also im Hafentief, arbeiten, so würde er hierfür besonders bezahlt werden. Demnach hat also auch der Holländer dem Rat eine Baggermaschine angeboten. Sie ist aber andrerorts nie belegt, also auch wohl nie in Tätigkeit gewesen. Die Kündigung des Meisters soll laut Vertrag ein viertel Jahr vorher erfolgen. Damit er aber am ganzen Strande desto bessere Aufsicht haben könne, soll ihm und seinen Erben jener Platz auf der Markgrafenheide, den er sich ausgesucht habe, von 1586 ab auf 12 Jahre ohne jede Pension zu "Ackerwerck, Hüdung und Weide" überlassen werden. Er soll den Platz mit einem "Grafen" umziehen. Nach Ablauf der 12 Jahre aber soll ihm von der Stadt für jede Rute 1 1/2 ß lüb. gegeben werden. (Rost. Rats-Arch.: Bestallungsbuch Fol. 48 ff.)
3) Einen weiteren Beleg für diesen Brauch fand ich in Neue Cassen Rechnung (N. C. R., Rost. Rats-Arch.) 1614, Jan. 31.: "Hans Luschen selb 6 für 3 Wochen Arbeit in der Heide, Wasen zu werben, wanns wadel gewesen und Pfahle zu klöwen und zuzurichten, wenn es außerhalb wadels gewesen."
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beim Rate gefestigt. Strenge wird dafür gesorgt, daß er vor Übergriffen Einheimischer geschützt ist. In der "Alten Kasten Rechnung" von 1586 liest man z. B., daß am 14. Juli zwei Wächter nach Warnemünde geschickt werden, die "den schomaker griefen scholden, der Johann van der Balcken geschlagen hatte" 1 ). In dem gleichen Jahre wird Johann nach Gester (Gjedser) geschickt, "um Kundschaft zu holen". Leider war nicht zu ermitteln, um was für eine Kundschaft es sich gehandelt hat. Als im Jahre 1587 im Oktober beschlossen wird, das Westerbollwerk weiter in die See hinauszustrecken, da bereden die Verwalter den Plan mit dem Holländer, obwohl dieser Bau in das Arbeitsgebiet des Meisters Claus, des Hafenzimmermeisters, gehörte. Nachdem im Frühjahr dies Bollwerk gesenkt ist, bekommt Johann dafür, daß er "mit seiner Kunst und fleißiger Beförderung mit Rat und Hilfe angewandt", zu einer "Verehrung" 50 fl. In der Zwischenzeit hatte sich freilich das Vertrauen zu ihm noch weiter festigen müssen, da er im Sommer endlich das neue Tief (E) gefangen hat. Aus dem Mai des Jahres wird berichtet, daß er angefangen habe, vor dem neuen Tief auf dem Breitling einen "halben Moon" zu machen. Ganz zweifellos ist es das Werk, von dem Dr. Heine in dem schon genannten Schreiben betreffs des Markgrafenheider Kanals 2 ) spricht. Johann hat also mit einem halbmondförmigen Faschinenwerk, das er im Breitling vor dem Durchbruch anlegte, das Tief gefangen. Neujahr des nächsten Jahres fügt eine Sturmflut erneut der Düne großen Schaden zu und Johann wird am 10. Januar vor den Rat geladen, um dort Vorschläge zum weiteren Schutz der Düne zu unterbreiten. Johann rät, vorne in der Brandung "Vorzäune" zu machen. Daneben aber hat er noch einen weiteren Plan: Von "Krekeshovet" ab, so meint er, solle man quer über den ganzen Breitling auf den "Winkel", also auf das Oldendorfer Ufer ("Breitlingseck") zu, ein Bollwerk schlagen. So würde man bei Sturmfluten die durch das Hafentief eindrängenden Wassermassen von der Heide abhalten und auch bei Auslauf des Stromes eine noch größere Zusammenfassung der strömenden Fluten und damit eine bessere Reinigung des Strombettes erreichen. Das Tief also sollte noch weiter eingefangen werden. Diesen Plan hat Johann nicht mehr zur Ausführung bringen können. Schon im nächsten Jahre muß er Rostock verlassen haben. Weshalb er ging, ist nicht festzustellen. Die Arbeit, auch diejenige an der Haffdüne, war noch nicht vollendet; der Vertrag war noch


1) Der Name des Schusters ist nicht genannt.
2) Vgl. S. 130.
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nicht abgelaufen. Möglich, daß er sich den ständigen Anfeindungen der Einheimischen gegen den "Utlandschen" entzogen hat. Denn noch im Jahre 1588 tut in einer Ratsversammlung Claus Nettlenbladt dem Holländer "viel Speit" an und behauptet, jener betröge die Stadt. Wie dem auch sei, in den Rechnungen des Jahres 1589/90 wird er zum letzten Male erwähnt und bekommt einen Rest (!) von 75 fl. 20 ß und 6 pfg. ausgezahlt 1 ). Sein bisheriger Aufseher, Jochim Augstin, leitet die Arbeit in seinem Sinne weiter; aber natürlich sind diese Arbeiten, soweit sie sich um Instandhalten des bestehenden Zustandes handelt, historisch nicht mehr von Belang. Eine Frage nur bliebe offen! Ist der großzügige Plan des Holländers, den ganzen Breitling nach Süden hin mit einem Bollwerk zu überqueren, nach seinem Weggang zur Ausführung gekommen? Es gibt Gründe, die dafür sprechen: Mündlicher Überlieferung gemäß soll früher ein derartiges riesenhaftes Bollwerk bestanden haben. Mir wurde dies von zwei verschiedenen Seiten berichtet: Der im Spätsommer 1926 verstorbene Kapitän Schmidt ("Unkel Andreas") versicherte mir, früher habe es einen Treidelweg an der Warnow entlang gegeben, der längs dem Gehlsdorfer Ufer über den ganzen Breitling hinweg bis nach Warnemünde geführt habe. Diesen Weg hätten die Pferde benutzt, welche die Schiffe warnowauf- bzw. -abwärts schleppten. Auch der älteste Rostocker "Straßen"-Fischer, Reincke 2 ), erzählte mir von diesem Bollwerk. Danach hat sein 1796 geborener Vater noch "hinter dem Bollwerk", also östlich davon, gefischt. Er hat um die alten Kisten herumfahren müssen, auch sind noch heute vereinzelte Pfähle zu finden, an denen die Fischer sich zuweilen die Netze zerreißen. Da aber auf den Karten des 18. Jahrhunderts als Breitlings-


1) Rost. Rats-Arch.: Rechnungen "Neue Cassa" (N. C. R.) 1589/90: "den 28 Juni Johan van der Balcke ahn auffgelaufenen und hinderstelligen Wochenlohn von Catedra Petri an zu rechnen, wahr der 5. sept., bis vff Michaelis, ist der 29. sept. dieses laufenden 89. Jahres. sein 31 Wochen, vor die Woche 2 fl. 8 ß, in alles entrichtet 72 fl. 16 ß. Item wegen Johan van der Balcke noch zum Rest (!) Claus Huenemordern entrichtet 3 fl. 4 ß 6 pfg. Darunter 1 fl. 30 ß 6 pfg., so Johann obbemeltes Frawe selbst entfangen. Sa. der Ausgabe, so Johann van der Balcke sein hinderstellige Wochenlohn zum Rest (!) bekommen 75 fl. 20 ß 6 pfg." Man könnte ja auch annehmen, Johann sei gestorben. Doch heißt es dann stets, "NN nagelatne wedewe". Z. B. N. C. R. 1596/7, Aug. 23.: "margareten, seligen Jochim Augstin widwen an ihres Mans verdienter halbjeriger Besoldung entrichtet 16 fl 16 ß usw. Aug. 26 Jochim Augstin selig widwen ... vorehret".
2) Ludwig Reincke, Rostock, Fischerbruch 25, im März 1927 80 Jahre alt.
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bollwerk stets nur 112 Kisten angeführt sind, die sich kaum bis zur Mitte des Breitlings erstrecken, und auch in dem Verzeichnis des Stadtzimmermeisters Diercks 1 ) die gleiche Anzahl genannt wird, so schien das ganze um so mehr ins Reich der Fabel verwiesen werden zu müssen, als mir von Fachleuten ein solches Riesenunternehmen als für damalige Zeiten unmöglich hingestellt wurde. Und doch hat um 1600 ein solches Breitlingsbollwerk bestanden! Diese Feststellung ist wohl die schönste Frucht, die aus wochenlangem Durchsuchen verstaubter, bislang unbeachteter Rechnungszettel 2 ) mir erwachsen ist. Rostock hat demnach in der Zeit vor dem dreißigjährigen Kriege im Interesse seines Hafens ein Werk vollbracht, das alles später Geleistete an Großartigkeit überragt. Der Bau des Bollwerkes währt von 1592 bis etwa 1616. Zunächst wird von "Krekeshovet" ab gebaut. Das dauert acht Jahre. Im Jahre 1600 aber, am 28. März, fahren die Kastenherren "nach Georg Moltke, um etzliche Veltstene zu behuff des neuen Bollwerkes, so von seinem (!) Lande nach dem Krekeshöwet soll geschlagen werden, bei ihme zu werben". Hieraus geht deutlich hervor, daß das Bollwerk vom "Moltkenlande" aus gebaut werden soll. Auch ein Originalrechnungszettel vom 12. Juni gleichen Jahres beweist dies: "das nye Bollwerck to makende van Moltenlande aff". Natürlich muß noch ein Beweis erbracht werden, daß tatsächlich das Bollwerk von "Krekeshovet" auf das "Moltenland" zu, bzw. das Bollwerk vom Moltenlande "aff" in Nordsüdrichtung über den ganzen Breitling sich erstreckt hat. Dieser Beweis ist schnell zu liefern: Das "Molten-" bzw. "Moltkenland" ist natürlich das der Familie Moltke gehörige Land. Die Familie hatte außer Toitenwinkel das ganze südliche Breitlingsufer, also die Dörfer Oldendorf, Petersdorf und Petz in Besitz 3 ). Das Bollwerk ist also in Nordsüdrichtung verlaufen. Da nun die Fischer erzählen, es sei direkt auf die "neddersten Oldendörper Dannen",


1) Rost. Rats-Archiv: "Rostocker Stadthafenbuch" des Zimmermeisters Siegmund Diercks jr., 22. Januar 1778.
2) Die in dieser Arbeit mit O. R. Z. bezeichneten Lohnzettel, Originalbelege der "Alten" und "Neuen Cassa", werden in ca. 200 Paketen und Säcken aufbewahrt. Alle für Warnemünder Hafenbauten in Betracht kommenden Zettel habe ich aus den reichlich 200 000 herausgesucht. Sie werden nun unter "Unter-Warnow" bzw. "Warnemünde" eingeordnet.
3) S. Schlie, Kunst- u. Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Meckl.-Schwerin, 1896, Bd. I, S. 325.
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die junge Tannenanpflanzung am "Breitlingseck" zugegangen. und da auch tatsächlich noch heute hier Reste solcher alten Anlagen zu finden sind, so haben wir hiermit die Richtung und Lage jenes großartigen Baues genau festgelegt. Auf der beiliegenden Karte ist er verzeichnet. Im Jahre 1600 hat man mit den Bauten begonnen. Sie erstrecken sich über ein halbes Menschenalter. Neben den Hägern fahren auch die "Moltenbauern" Steine und Wasen. Jahr für Jahr müssen in Gotland umfangreiche Holzeinkäufe gemacht werden, da die Heide bei weitem nicht diesen großen Holzbedarf zu decken vermag. 1616 endlich ist die Arbeit vollbracht. Zwischen den beiden Bollwerken aber, dem Kreksheupter und dem von Süden her kommenden, wird eine Durchfahrt freigelassen, das sogenannte "Krekesheupter Loch". Auch von dem Vorhandensein dieser Durchfahrt hatte man mir bereits erzählt. In den Akten ist sie mehrfach bezeugt 1 ). Im Jahre 1623 wird sie durch Versenkung von Bollwerkskisten geschlossen, und die Fischer halten am 25. August um ein "neues Loch durchs Bollwerk" an. Am 22. November wird ihrem Antrag stattgegeben: Das nunmehr sogenannte "Loch am alten Bollwerk am Moltenlande, da hinfüro die Präme und Böthe können durchleggen", wird "reingemacht und zugerichtet". Und nun etwas sehr Beachtliches: 1625 macht ein um Rat gefragter Fremder, Cornelius Claessen 2 ), den Vorschlag, an dem Orte, da die Präme durchfahren, zur "Bestruwung (?) 3 ) des andern Tiefs" "Velporten" zu machen und zum Schutze dieser Schleusen gegen Nordwesten ein kleines Bollwerk zu bauen. Erst aus dem Zusammenhang der vorher angeführten Nachrichten wird dieser Vorschlag erklärlich. Barnewitz, der ihn erwähnt, mußte natürlich zu ganz falschen Schlußfolgerungen kommen, da er ihn nicht im Zusammenhang der


1) N. C. R. 1616, Juni 11.: "wegen Besichtigung der Bollwerkskisten, so auf dem Krekeshovet sollte gesenket werden, wie weit und breit das Loch, dadurch die Torfprame leggen pfleggen, gelassen werden solle."
2) Rost. R.-Arch. U.-Warnow III, VI 1, 1625: Protokoll über die Vorschläge des Cornelius Claessen: "Vnd wehre guth zur Bestruwung (?) des andern Tieffs, das an dem Ortt, da die Prame durchfahren, Flügel oder Velporten fürgemacht wurden, als (anstatt!) Castenwerck mit 2 Puntdören, die man auff und zu tun könnte und dieselbigen mit einem kleinen Stuck Bolwerckes gegen Nordwest beweren, das alle zeit still Wasser vor dem Durchgang were, vnd der Storm die Pforten nicht beschädigen könnte."
3) Das Wort muß verschrieben sein. Barnewitz liest "bestauung" (a. a. O. S. 114). Auch best(r)urung hätte Sinn.
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übrigen Nachrichten betrachtet hat. Er meint, Claessen habe seinen Vorschlag auf die Mündung des ältesten Tiefes (unser D) bezogen. Das aber würde eine Reihe von Unmöglichkeiten voraussetzen. Es ist nicht einzusehen, weshalb die "Präme oder Stekenschippe", die mit "Staken" durch "Pramschuwer" fortbewegt werden, auf dem hohen Meere herumfahren sollten, noch überhaupt, weshalb es für die Präme eine von den übrigen Schiffen nicht benutzte Ausfahrt in See gegeben hat. Aus den vorangegangenen Untersuchungen aber erklärt sich alles ganz mühelos. Jener Ort, an dem die Schleusen angebracht werden, war natürlich das "Loch" im Breitlingsbollwerk 1 ). Man sieht aus diesem Beispiel, daß nur aus dem Zusammenhang heraus derartig vereinzelt überlieferte Nachrichten wie die Vorschläge des Cornelius Claessen richtig zu deuten sind. Ich habe denn auch in allen jenen Fällen zufälliger Einzelnachrichten, wo ein Zusammenhang nicht zu ermitteln war, auf die Deutung verzichtet 2 ). Am 4. April 1644 wird das Bollwerk samt der Durchfahrt zuletzt in den Akten erwähnt. Später muß es allmählich zerfallen sein. Zwar haben die Straßenfischer noch im Anfang des 19. Jahrhunderts, also zweihundert Jahre nach jener letzten aktenmäßigen Belegung, um das Bollwerk herumfahren müssen, wenn sie im östlichen Breitling fischen wollten. Aber vermutlich war das Bollwerk schon damals arg zerfallen, denn offiziell instandgehalten wurde es lange nicht mehr. Weder in dem grünen Zimmermannsbuch von 1734 noch in den Verzeichnissen des Zimmermeisters Diercks ist von Arbeiten an diesen Bollwerken die Rede, wie es denn ja auch auf den frühesten Karten (1719) 3 ) nicht mehr zu finden ist. Vielleicht sind nach dem dreißigjährigen Kriege die Unterhaltungskosten zu groß gewesen. So blieben denn nur die vom "Krekeshovet" ab nach Süden sich erstreckenden Bollwerkskisten bestehen. Sie blieben, bis im Jahre 1823 durch den Pagenwerder eine neue Durchfahrt, der "Durchstich", gemacht wurde 4 ). Heute sind auch von ihnen nur noch Reste unter Wasser zu finden.

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1) Vgl. S. 147, Anm. 1.
2) So ist mir eine Festlegung des bei Krause, a. a. O. S. 16 und Barnewitz, a. a. O. S. 128 genannten "Alten Tiefs" nicht gelungen.
3) Siehe die im Quellenverzeichnis genannten Karten.
4) Am 8. Oktober 1837 fertiggestellt. S. Barnewitz, a. a. O. S. 286/7. Man ersieht aus den bei Barnewitz gemachten Ausführungen, daß auch dieser Durchstich im Sinne der Selbstreinigung wirken sollte.
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Kapitel III.

Die Arbeiten zur Sicherung des Rostocker Seehafens.

§ 1.

Das Tief und seine Reinhaltung.

Die geographischen Bedingungen in den Mündungsgebieten der Ostseeflüsse stellen der Anlage guter Häfen gewisse Hindernisse entgegen. Die Flüsse münden in dem Gebiete beweglichen Dünensandes, der ihren Wassern kein festes, beständiges Bett zu geben vermag. Ständig weht Sand von der Düne in die Fahrrinne, zuzeiten so stark, daß die Massen jegliche Schiffahrt unmöglich zu machen drohen. Verstärkt wird diese Gefahr, wenn, wie es auch bei der Warnow der Fall ist, eine längs der Küste gehende Meeresströmung, ein sogenannter "Küstenstrom" 1 ), ständig seine mitgeführten Sandmassen vor der Mündung ablagert. Nur durch kluge und energische Anwendung geeigneter Abwehrmaßnahmen ist es möglich, der vollständigen Verstopfung solcher Flüsse vorzubeugen und ihnen weiterhin die Brauchbarkeit für die Schiffahrt zu erhalten. Werden diese Maßnahmen jedoch versäumt, oder hat ein Naturereignis die Wehrwerke der Menschen zunichte gemacht, so kann es vorkommen, daß der Hafen so voll Sand schlägt, daß er für die Schiffahrt einige Zeit ganz unbrauchbar wird. In den Quellen der vergangenen Jahrhunderte findet man häufig genug Nachrichten über die Versandung des Hafens. Sie ist zuweilen so stark gewesen, daß, wie z. B. 1571, lange Zeit "kaum ein Boot" die Mündung befahren konnte 2 ).

Freilich haben alle diese Flüsse eine Eigenschaft, die geeignet ist, die schlimmen, der Anlage eines Hafens entgegenstehenden Bedingungen zu einem guten Teil wieder aufzuheben; das ist die Erscheinung der Selbstreinigung: Das Wasser des Flusses, zuweilen gestaut, treibt plötzlich mit großer Gewalt wieder dem Meere zu und reißt dabei alle angesetzten Sandbänke mit sich fort. Unseren Vorfahren ist diese Erscheinung sehr vertraut gewesen. Als z. B. im Jahre 1701 die Gewettsherren in Warnemünde sind, um von den Älterleuten zu erfragen, "woher diese Sandbanck entstanden


1) Siehe Barnewitz, a. a. O. S. 26.
2) Vgl. S. 127. S. auch Krünitz, a. a. O. XXI. S. 35 und 61.
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und auff waß Weise und Wege selbige bestens weg geräumt werden könne", da wird ihnen die Antwort, "eß entstünden die jetzo befundene und visitierte Sandbäncke theils von dem Sand, so in dem Hafen hineintreibe (!), theils auch von dem Sand, so über dem Glinde gewehet; die Sandbäncke wären zu einigen Zeiten hoher und würden, wan der Strom außginge, wieder kleiner, auch stünden die Sandbäncke nicht jährlich an einem Orte beständig, sondern sie setzten sich bald an diesen, bald an anderen Örtern ...", und ein anderer Sachverständiger bekundet, man solle sich nur keine Sorge machen, denn "vor diesem die Sandbäncke sich woll an einigen Orthen höher gefunden hätten, wären aber von dem starken Strohm, wan er außgegangen, wieder weg und in die See gespühlet" 1 ). Unsere Vorfahren verließen sich also auf die Erscheinung der Selbstreinigung. Sie haben auch alle Vorkehrungen so getroffen, daß diese reinigende Wirkung des ausströmenden Wassers noch verstärkt wurde. Fast alle Arbeiten, die im Interesse des Hafens unternommen wurden, die Bollwerksbauten, der Dünenschutz, die Stromregulierungen, das immer weitere Zusammenfassen des Wassers, eben das, was in der damaligen Sprache mit dem Worte "fangen" bezeichnet wurde, alles das ist aus diesen Erkenntnissen erwachsen und erst von hier aus für uns begreiflich. In der vorliegenden Abhandlung mußte und muß denn auch immer wieder auf den Zusammenhang aller Arbeit mit dieser Erscheinung der Selbstreinigung hingewiesen werden.

Bis zum Jahre 1400 etwa scheint man sich allein auf diese Naturreinigung verlassen zu haben. Denn von Baggerarbeiten ist uns außer dem Unternehmen des Rotger Horn 2 ), von dem wir aber nicht einmal wissen, ob es je ausgeführt wurde, nichts bekannt. Aber selbstredend mußte man eines Tages daran denken, sich von dem Wetter einigermaßen unabhängig zu machen, um


1) Warnemünder Protokollbuch des Gewettgerichts von 1672 bis 1701 S. 195 - 197, März 18. Hier ist auch von einem "Riff" die Rede: "... ein kleines steinriff bey 30 Ellen in dem strohm, welches nicht weg gebracht werden könnte, und hinter diesen steinen setzete sich zu zeiten der Danck. Wann nun der Sand dazu in dem Danck sich würfe, so würde dadurch die Sandbanck causieret. Eß hinderte aber die Schiffahrt nichts (!), sondern könnte in der Furth evitieret werden." Wie ich aus dem Nachlaß von Krause entnehme, ist dieses "Riff" noch im 19. Jh. vorhanden gewesen. Am 14. Mai 1888 wird in der Bürgerschaft laut Rostocker Zeitung hierüber verhandelt, da der Dampfer "H. v. Witt" einen Schraubenflügel daran zerbrochen hat. Die Christophorus-Sage, die bei Krause, a. a. S. 15 mitgeteilt wird, ist wohl auf diese Furt zurückzuführen.
2) M. U.-B. 1977. Vgl. Barnewitz, a. a. O. S. 63 ff.
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zum mindesten in normalen Zeiten ein annehmbares Fahrwasser zu besitzen. Etwa von 1400 ab sehen wir denn auch in den Quellen ständig Nachrichten, die darauf schließen lassen, daß man zu künstlicher Vertiefungsarbeit übergegangen ist. Es kommt der Prahm vor, der später beim "Suwern" eine so große Rolle spielt, und man trifft auf den Titel "plogator" 1 ). Was dies bedeutet, erfährt man im Jahre 1422 durch die Nachricht "de yserne Ploch" und daß das Dep "geplogt" wurde. "Plogator" ist also offenbar jener Meister, der am "Plog" arbeitet. Im 16. Jahrhundert führt er den Titel "Süwermeister". In den Reparaturrechnungen der folgenden Generationen wird der "Ploch" ("Plog" oder "Plug") ständig genannt. Aus der Bezeichnung "de yserne Ploch" und de "Santpluch" erfährt man, daß er aus Eisen besteht und daß in der Tat sein Zweck ist, den Sand aus dem Tiefe fortzuschaffen. Über seine nähere Beschaffenheit ist aber zunächst nichts zu ermitteln. Das wird erst anders im 16. Jahrhundert, durch Nachrichten aus den Jahren 1510 und 1515 2 ). Danach hat auf dem Prahm sich ein "Instrument" befunden, mit dem man das "plogen" ausführte. Dieses Instrument besaß ein "Waterrad", ein Kammrad aus Hagebuchenholz, auch eine Welle. Ferner wird davon gesprochen, daß der Schmied die Schaufeln, 24 an der Zahl, wieder aufschlägt. Wer denkt da nicht sofort, daß dieser Plog die Anfangsform des Baggers gewesen ist! Gegen diese Auslegung spricht aber wohl der Name, der doch auf ein Auflockern, Aufwühlen des Grundes hindeutet. Außerdem steht etwas anderes dem entgegen: Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts werden - neben dem Ploch - andere Instrumente erwähnt, die Kellen, auch "Suwerkellen" genannt. Diese aber haben ganz zweifellos das Baggern besorgt. Gleich im Jahre 1560, wo sie zum erstenmal in dem Aktenmaterial auftauchen, wird gesagt, ihr


1) G. R. 1412. "... Plogatori in Warnemunde ..."
2) G. R. 1510. "... to deme rade to bolten ..." (Schmiederechnung) G. R. 1515. "Na den Sondag Cantate gehat vp der grund to warnemunde 1 praem vnd 1 henneken 12 dreger vnde 4 timmerlude, plogeden dre daghe";
G. R. 1515. "Crutzeweke, 4 Zimmerleute und 6 Dreger: 5 Tage ... plogeden vp der grunt" (Dies wird die Gegend bei Krekeshovet sein, da in dem Vertrag von 1485 dort auch von der "grunt" gesprochen wird.);
G. R. 1515. "Vtgelecht tho dem waterrade vp dem nyen pram dar men mede ploghen schall"; "... dede welle wedder makeden tom rade"; "... do he de schuffelen halp wedder upslan"; "... wedderumme 24 schuffelen nye vnd alle reschop noch so stark alß idt tovorne waß"; "... tor droge hageboken holt tom kamrade".
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Zweck sei, den Sand damit aus dem "Dep" zu nehmen. Folglich kann der Plog nicht gleichfalls ein Baggerinstrument sein. Das geht auch hervor aus einem Bürgerbescheide des Jahres 1582, worin es heißt, man solle doch statt Geld auszugeben für teure neue Suwerinstrumente (gemeint ist das Instrument des Peter Hase), lieber mit "plogen und (!) kellen" fortfahren 1 ). Ein Gewettgerichtsprotokoll des Jahres 1701, das gleichzeitig auch über die Arbeitsweise der Kellen Klarheit bringt, ist wohl mit Nutzen zur Klärung heranzuziehen. Es heißt dort, man müsse die Säuberung des Fahrwassers vornehmen durch eiserne Harken und mit Haken, auch Kellen genannt, und zwar so, daß bei auslaufendem Strom der Sand "gelüchtet" würde, wodurch er dann vom Wasser mit in die See genommen werde. Das übrige aber, was auf den Kellen sitzen bleibe, müsse in den Prahm oder ins Boot geschlagen werden 2 ). Hier wird neben dem Baggern durch die Suwerkellen ein Instrument zum Auflockern des Bodens erwähnt, die Harke. Ein Instrument zu dem gleichen Zweck wird der Pflug gewesen sein. Es wurde mit ihm der Grund gepflügt, wie die Quellen berichten. Die beim Suwerprahm 1515 erwähnten Räder, vor allem die 24 Schaufeln, sind freilich nicht hierdurch erklärt. Wir sind hier auf Vermutungen angewiesen. Möglich, daß ein auf einer Welle laufendes Rad, das mit Schaufeln besetzt war (Waterrad!), durch eine Übersetzung (Kammrad!) in Bewegung gebracht und dadurch der Grund aufgewühlt wurde. Möglich! Sicher ist es nicht 3 ). Im Jahre 1582 kommt der Rivale des Peter Hase, der Schuster Jochim Barchmann, auf den Gedanken, mit einer Harke oder Eidge (Egge) das Tief zu pflügen, und es scheint, daß dieses Werkzeug, das bei seiner Einfachheit doch den gleichen Enderfolg aufwies, dann den Santploch verdrängt hat, so daß im Jahre 1701 nicht mehr wie im 16. Jahrhundert von Kellen und Pflügen, sondern von Kellen und Harken gesprochen wird. Über die Einrichtung der Kellen sind wir besser orientiert, da sich die Erinnerung an sie noch erhalten hat. Wie mir erzählt wurde, waren es lederne Säcke, an der Öffnung mit einem eisernen Ring versehen, der auf langen Stangen stak. Der Ring hatte "Krallen", mit denen man den Sand anpacken konnte. Die Instrumente sind also etwa mit unsern Obstpflückern zu vergleichen. Vom Ufer oder vom Prahm aus


1) R. Pr. 1852, Aug. 27.
2) Warnemünder Protokollbuch, a. a. O. S. 195 - 197, März 18.
3) Vielleicht ist dieses Werkzeug noch eins von den "Instrumenta" des Alhard Johannsen (vgl. S. 111 ff.).
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wurde mit ihnen gekellt. Auf dem Prahm waren Laufbretter, der Sand wurde hineingenommen und später wieder herausgeschaufelt. Aus dem Jahre 1576 stammt eine Notiz über sechs eiserne Schaufeln, eigens mit dem Vermerk, "die Erde auß dem Suwerpram mith tho werfende". Somit hätten wir ein Bild von der "Suwer"-Arbeit im Rostocker Tief entworfen. Die damals benutzten Instrumente sind noch bis spät ins 18. Jahrhundert hinein benutzt. Über einen Versuch, einen Löffelbagger einzuführen, ist bereits im zweiten Teil der Arbeit gesprochen 1 ).

Noch bevor man daran dachte, künstlich das Fahrwasser zu vertiefen, muß man dafür Sorge getragen haben, Hindernisse, die dem Schiffsverkehr im Wege lagen, zu beseitigen. So kommen Nachrichten hierüber denn auch bedeutend früher vor, als die über künstliche Vertiefung der Mündung. Als Hindernis kam alles mögliche Treibgut, wie Stämme, Balken, Pfähle, aber auch Wracks und Steine in Betracht, letztere besonders, seit die Ufer und die Einfahrt durch Bollwerke befestigt waren, deren Steinfüllungen bei den Zerstörungen durch die Stürme natürlich ins Fahrwasser absackten. Außerdem kam es trotz Verbotes immer wieder vor, daß Schiffer Ballaststeine in die Fahrrinne warfen. Diese Hindernisse also galt es zu beseitigen. Die schwimmenden Hölzer waren ja verhältnismäßig einfach zu entfernen. Schwieriger stand es um das Fortschaffen gesunkener Schiffe. Zwar muß man auch hierbei das schmale und flache Wasser in Betracht ziehen. Immerhin hatten an einem Wrack 12 Mann zwei Tage zu tun. Das größte Übel waren jedoch die Steine, denen so viel schwerer beizukommen war, als den hölzernen Verkehrshindernissen. Und doch waren gerade sie dauernd im Wege, wie man aus den häufigen Nachrichten über das Heben von Steinen ersieht. Man bediente sich hierbei besonderer Werkzeuge, welche die schwere Arbeit erleichtern sollten. Das einfachste Hilfsmittel war das Tau. Man wartete, bis "kleines Wasser" war, und hob die Steine vom Bollwerk aus. Für gewöhnlich aber und in der Mitte des Tiefes mußte man in anderer Weise vorgehen. Für die kleineren Steine hatte man eine Zange verfertigt, mit der man die Steine faßte und aus dem Wasser herauszog. Hierbei konnte man wie mit den Kellen vom Suwerprahm aus arbeiten. Diese "tangen" kommen Jahrhunderte hindurch in den Rechnungsbüchern vor, das Wort "stentange" zum ersten Male 1448. Es gab kleinere und größere Zangen, je nach dem Material, das zu heben war. Auch heute werden zum Herausnehmen von Steinen derartige Zangen von


1) Vgl. S. 138 ff.
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den Hafenbauarbeitern Rostocks benutzt. Für die ganz großen Steine mußte man natürlich Hebelkraft verwenden. So hatte man die "Stenwuppe" gebaut, die "in einem Halsband stand", wie der Schreiber sich ausdrückt 1 ). Vielleicht ist das "wyntysen" des Jahres 1453 der Steenwuppe gleichzusetzen.

Überblickt man am Schlusse dieses Abschnitts das Erbrachte, so sieht man, daß drei Stadien in der Entwicklung der Rostocker Baggerkunst festzustellen sind: Im ersten Stadium verläßt man sich ganz auf die Natur, die durch das Ausströmen der aufgestauten Wassermassen immer wieder für eine Austiefung des schmalen, sandigen Mündungsbettes sorgt. In dieser Zeit ist lediglich dafür Sorge getragen, daß hindernde Gegenstände, wie Pfähle, Wracks, Steine, entfernt wurden. Dieser Zustand währte vermutlich bis etwa 1400. Im zweiten Stadium geht man dazu über, diese Selbstreinigung des Flusses durch das Aufwühlen des Grundes zu unterstützen und zu mehren. Das währt etwa bis 1550. Im dritten Stadium endlich sucht man unabhängig von dem Naturvorgang zu werden und den Sand durch Baggerung aus dem Fluß zu entfernen. Das zutage geförderte Baggergut wird dann durch Prähme fortgeschafft. Hiermit ist, da ja im Prinzip zwischen den mit der Hand bedienten Suwerkellen des 16. bis 18. Jahrhunderts und den Maschinen der neusten Zeit kein Unterschied besteht, der heut noch waltende Zustand erreicht.

§ 2.

Die Bollwerke 2 ).

Zu den Anlagen eines jeden Hafens gehören Bollwerke. Man unterscheidet mehrere Arten. Zunächst sind die sogenannten Molen zu nennen. Es sind dies in die See hinausgebaute Dämme, welche einerseits bei Sturm den Schiffen sichere Einfahrt gewähren, andererseits die Mündung vor Versandung schützen, indem sie nicht nur den mit der Meeresströmung treibenden "driffsand" fernhalten, sondern auch gleichzeitig die zuweilen stark ausströmenden Wassermassen des Flusses eng zusammenfassend, dessen oben bereits erwähnte ausspülende, selbstreinigende Kraft bis an jene Stellen des Meeres wirken lassen, wo die Schiffe bereits durch die natürlichen Verhältnisse genügend tiefes Wasser vorfinden. Nach diesem Prinzip sind die meisten Ostseehäfen gebaut.


1) G. R. 1554. "... enen groten halsbant dar de stenwuppe ynne steyt in deme prame".
2) Vgl. Krünitz, a. a. O. Bd. XXI, S. 1 ff., vor allem S. 74 ff.
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Neben diesen Seebollwerken finden sich auch stets Uferbefestigungen, Bauwerke also, die zum Schutze der inneren Hafenufer angelegt sind. Schließlich muß ein Hafen, falls in seiner Umgebung die Küste flach ist und die Gefahr eines Durchbruches der See besteht, auch längs der Küste durch geeignete Bollwerke oder andere Maßnahmen geschützt werden.

Für Rostock kamen außer den Seebauten, welche die Einfahrt vor den von der Stolteraküste her ständig antreibenden Sandmassen schützen mußten, auch Molen auf der Breitlingsseite in Betracht, weil auch dort Versandungsgefahr bestand. Uferbefestigungen sind im Warnemünder Gebiet wegen des sandigen Geländes unumgänglich notwendig. Außerdem haben sie den Zweck, die Wasser des Flusses recht zusammenzufassen. Die ersten uns bekannten Nachrichten über Bollwerksbauten im Rostocker Seehafen - sie stammen aus dem Jahre 1343 - zeigen bereits Uferbollwerke an. Aber schon das älteste Tief (D) hat, den Ausgrabungen nach zu urteilen 1 ), solche Anlagen gehabt. Da das Gebiet vor Rostock ein Gebiet der Flachküste ist, deren Dünen in der damaligen Zeit stellenweise sehr niedrig waren, so mußte man außerdem auch auf Sicherung der Haffdüne bedacht sein. Anlage von Dünenschutzbauten und Beseitigung der durch den Sturm hervorgerufenen Schädigungen, der Dünen-An- bzw. -Durchbrüche, waren also die dritte Aufgabe des städtischen Hafenbaues.

Zunächst soll von dem Seebollwerke gesprochen werden. Wir wissen hierüber durch Funde (D), aus Rechnungsbüchern, Ratsprotokollen und einer Beschreibung aus dem Jahre 1767. Ferner sind einige Karten des 18. Jahrhunderts, ein Modell aus der gleichen Zeit (Rostocker Ortsmuseum), sowie drei neuere Ansichten (Rostocker Ortsmuseum) als Quellenmaterial heranzuziehen. Eine der zuletzt genannten Ansichten ist datiert. Sie trägt die Jahreszahl 1825. In der Tat ist die Bauweise der Seebollwerke mindestens seit dem Jahre 1423 bis ins 19. Jahrhundert die gleiche geblieben.

Eine Beschreibung der Steinkisten ist uns aus dem Jahre 1767 überliefert. Damals hatte ein furchtbarer Sturm gewütet und im Hafen großen Schaden angerichtet. Gelegentlich eines Berichtes hierüber werden auch über die Kistenbollwerke einige Bemerkungen gemacht 2 ). Danach bestand damals die Mole aus


1) Vgl. S. 170 - 172.
2) 1767 Gem. Aufs. S. 59 ff. "... Diese (in die See hinein sich erstreckenden) Bollwerke machen, wie bekannt, 132 große, viereckige, 7 - 10 Fuß hohe, 14 - 16 Fuß breite und 20 - 34 Fuß lange Kisten aus, die in zwei Reihen, wovon aber die eine doppelt ist, ungefähr in ge-
(  ...  )
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hintereinandergereihten, viereckigen Kisten, welche 7 - 10 Fuß hoch, 14 - 16 Fuß breit und 20 - 30 Fuß lang waren. (Nach heutigem Maßsystem: Höhe etwa 2,50 - 3,00 m; Breite etwa 4,50 m; Länge etwa 6 - 10 m) 1 ). Die Kisten hatten demgemäß die Maße eines recht geräumigen Zimmers. Ihre Wände bestanden aus rechteckig geschnittenen Balken, "die im länglichen Quadrat aufeinander lagen" und mit starken eisernen Bolzen verbunden waren. Der Innenraum war angefüllt mit Faschinen, d. h. mit Reisigwerk, außerdem mit "ganz großen Steinen". Zwei Reihen solcher Kisten gingen, das Wasser wie in einem Kanal zusammenhaltend 2 ), in die See hinaus. Das westliche Bollwerk, infolge der vorherrschenden Westwinde ungleich mehr den Mächten der See ausgesetzt als das östliche, bestand aus einer Reihe von doppelten, das "Osterbollwerk" aus einfachen Kisten. Einfach war auch die Kistenreihe, die "zur Erhaltung der Tiefe des Stromes" in den Breitling hineingesetzt war. Es waren 132 Kisten von nur 7 - 8 Fuß Höhe. Jede Kiste der Bollwerke war "auf eine ähnliche alte, aber bereits zutief in den daselbst befindlichen sandigen Grund gesunkene unmittelbar oben auf gesetzt, steht also (so meint der Schreiber) sehr fest und unbeweglich". Daß einige dieser Kolosse in Sturmesstunden den Gewalten der


(  ...  ) rader Linie aneinandergesetzt sind. Die Kisten bestehen aus Balken, die in länglichem Quadrat auf einanderliegen und die man mit starken eisernen Bolzen zusammen befestigt. Den inwendigen Raum oder das inwendige Viereck jeder Kiste füllen Faschinen und dazwischen gelegte ganz große Feldsteine. Jede von den Kisten ist auf eine ähnliche Alte, aber bereits zu tief in den daselbst befindlichen, sandigen Grund gesunkene unmittelbar oben auf gesetzt, steht also dadurch, und weil sie selbst unten der Sand zum Teil umgibt, sehr fest und unbeweglich. Gleich wohl hatten nicht nur 30 Kisten stark gelitten, sondern die See hatte auch verschiedene hiervon herausgehoben, mehrenteil zerschlagen und die Balken auch von einigen ganze noch zusammenhängende Teile oder Vierecke wohl eine Viertelmeile weit entweder rechter Hand auf das Land getrieben oder linker Hand in den Breitlink hineingeführt. In diesem Breitling ist eben dergleichen, wiewohl nur eine Reihe ausmachendes Bollwerk von 112 Kisten, welche mit den vorgedachten gleicher Länge und mehrenteilß einerlei Breite haben, aber nur 7 - 8 Fuß hoch sind, zur Erhaltung der Tiefe des Stroms, befindlich."
1) Das Rostocker Stadthafenbuch des Zimmermeisters Diercks nennt im Jahre 1778 folgende Größen: Seemolen: Höhe 8, Länge 35, Breite 17 Fuß. Vom "Hövet" bis zum Molenfuß nimmt die Breite beträchtlich ab: Vorne 28, in der Mitte 17, am Lande 10 und zuletzt gar 8 Fuß. Breitlingsmolen: 10 mal 35 mal 15 Fuß. Dem entsprechen die Maße, die in dem Grünen Warnemünder Zimmerhofsbuch von 1737 angegeben sind.
2) Diese Wirkung ist besonders gut zu beobachten auf einem Aquarell im Rostocker Ortsmuseum.
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entfesselten Elemente nichts als ein Spielball waren, das zeigen die Sturmflutsberichte aller Jahrhunderte. Das muß auch der Berichterstatter von 1767, staunend vor der Gewalt des Meeres, zugestehen.

Der Bau eines Kistenbollwerks ging folgendermaßen vonstatten: Nachdem zunächst von den Abgesandten der Stadt alles Nötige mit dem Zimmermeister besprochen war, wurden die "sagere" in die Heide geschickt, um die erforderliche Menge Bauholz zu schneiden. Die gefällten Stämme wurden dann auf Wagen oder, nachdem 1579 vom Radelsee aus der Kanal in die Heide hinein gebaut war 1 ), wohl auch auf dem bequemeren Wasserwege, zum Zimmerhof geschafft 2 ). Hier war der Ort, wo nunmehr aus dem Rohmaterial die Kisten gebaut wurden. Das Modell von Warnemünde, zu sehen im Rostocker Altertumsmuseum, zeigt sehr anschaulich, wie diese Arbeit vonstatten ging: Links vom Zimmerhof sieht man vier Männer mit den Vorarbeiten beschäftigt. Sie schlagen die rohen Stämme mit der Axt zu vierkantigen Balken. Rechts vom Häuschen sind zwei Zimmerer dabei, diese Rohbalken, "de Blokke", in die zum Bau benötigte Form zu schneiden. Einer der Handwerker, gleich den übrigen mit einem Schurzfell bekleidet, steht auf dem Boden, der andere auf dem Balken, der auf Sägeböcken ruht. So führen sie die lange Säge hinauf und herunter, viele Stunden lang, in langsamer, schwerer Arbeit das verrichtend, was heute mit der elektrisch betriebenen Bandsäge in wenigen Minuten bewältigt werden kann. Seitlich hat man eine größere Menge dieser zurechtgeschnittenen Balken aufgestapelt. Ein Mann steht dabei, in der Hand einen Maßstab mit Fußeinteilung. Offenbar sollen die Balken zum Bau von Kisten eingerichtet werden. Links von dem Hause steht eine fertige Kiste, an welcher einer der Männer gerade die letzte Hand anlegt. Das winzige, aber wunderbar sauber gearbeitete Modell der Kiste zeigt deutlich deren Konstruktion im Großen. Nachdem zunächst der Boden bereitet war, baute man die Balken, immer vier durch Nuten rahmenartig zusammenhaltend, schichtweise auf. In den Nuten befanden sich Bohrlöcher, durch welche schließlich eiserne Bolzen gesteckt wurden, die das ganze fest verbanden. Nachdem die Kisten auf diese Weise fertig gezimmert waren, wurden sie an ihren Bestimmungsort geschafft und dort solange durch Taue in der gewünschten Lage


1) Über die Anlage des Torfgrabens im Jahre 1579 vgl. S. 130 ff.
2) Der Zimmerhof lag auf dem Ostufer des Hafentiefs A, dort, wo heute noch der städtische Bauhof des Hafenamtes sich befindet.
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festgehalten, bis sie durch "stenende" sich gesetzt hatten. Natürlich brauchte man zum Bau eines Kistenbollwerks eine ganz ungeheure Menge Steine, viel mehr, als man in der Rostocker Gegend beschaffen konnte. So hat man denn auch anderes Material zur Füllung herangezogen: "Struke, dar de Kisten mede senket worden", außerdem "Grus" und "Settstene" von den Ziegelhöfen 1 ). Das Füllen der Kisten dauerte meistens mehrere Tage. Die Bauern fuhren "Sten unde Struke" an den Strand, von wo aus dann alles durch die Warnemünder und die städtischen Arbeiter zu Wasser oder über die fertigen Bollwerke hinweg an den Bestimmungsort geschafft und in die allmählich sinkende Kiste geworfen wurde. War dies getan und die Kiste also "gesetzt", so wurden die Haltetaue wieder abgenommen. Nach dem Setzen wurden die Kisten weiter befestigt, d. h. mit Pfählen umschlagen, auch wurde nach einiger Zeit das neue Bollwerk evtl. nochmals mit Steinen beschüttet, da das Füllmaterial naturgemäß noch zusammensackte. Aus dem Jahre 1423 hören wir, daß schließlich das Bollwerk dann noch "lank bebredet" wurde. Wahrscheinlich hatte man also, wie dies auch anderorts üblich war 2 ), die Kisten oben geschlossen, um den Wellen ein Herausreißen der Steine unmöglich zu machen. Auch eine Bemerkung des Jahres 1583 deutet darauf hin: Es wird nachgesehen, ob der Zimmermeister auch noch genügend Vorrat an Eichenholz hat, welches er "bawen vp dat Bolwerck leggen scholde". Natürlich waren auch nach Fertigstellung des Bollwerkes auch weiterhin noch dauernd Arbeiten daran vorzunehmen, so daß Jahr für Jahr, zum mindesten in der Zeit vom März bis etwa Ende Oktober, ständig Zimmerleute in Warnemünde zu tun hatten. Die erste Nachricht über Ausbesserung des fertigen Bollwerks stammt aus dem Jahre 1359. "Ad refectionem Bolwerck", zur Wiederherstellung des Bollwerks, werden damals Ausgaben verbucht. Näheres über die Art der Arbeiten findet man selten. Entweder heißt es, "sie arbeiteten an dem Bollwerke". Das findet man fast jedes Jahr. Oder "se beterden das Bolwerck" bzw. "etlike Kisten". Immerhin, ein paar Bemerkungen über die Instandsetzungs- bzw. Ausbesserungsarbeiten sind uns erhalten. In dem


1) G. R. 1569. "... don wy de 3 kisten sencken lethen an der ostersiden, do halpen to alle Warnemunder, myn maschop vnde ick vnde de Kastenherrn, wy weren tho Warnemunde, do de kisten gesencket worden. Wy hedden den pram van vnßer leuen frouwen thegel haue vnde den pram van ßunte Jacop thegel haue, ße nemen hyr vam strande (in Rostock!) de beyden prame vul settstene na Warnemunde. De prame hedde wy 3 dage tho Warnemunde. Ider pram worth 4 malle ful stene geworpen, dar de kisten mith gesenket worden".
2) Krünitz, a. a. O. Bd. XXI, S. 74 f.
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Vertrag, den die Stadt 1609 mit "Meister Gert Ottsen aus Ambsterdam" schließt 1 ), wird darauf hingewiesen, er müsse, falls die Kisten "durch Verlauf des Sandes oder sonsten sich abgeben oder tiefer sinken sollten", dieselben "wieder erhöhen und vergleichen". Es ist also öfter vorgekommen, daß die Kisten, weil der Sand unter ihnen weglief, verrutschten oder gar absackten, wie es z. B. 1570 berichtet wird. In solchen Fällen mußten sie also wieder erhöht werden. Das geschieht auch 1570. Daneben wird eine andere Arbeit erwähnt: Das "vpnemen". "Da sie das Bollwerk aufnahmen und wieder senkten", heißt es 1572. Zu welchem Zweck dies geschah, sagt ein Rechnungsbuch des Jahres 1586 aus: "Er nahm die Kisten auf und machte sie dicht". Danach wurden die Kisten, nachdem sie im Laufe der Zeit schadhaft geworden und ihres Inhaltes größtenteils durch Wettersgewalt beraubt waren, herausgezogen und wieder ausgebessert. Sehr aufschlußreich ist die Rechnung von 1469. Dort ist eine Summe für bastene und hanfene Taue vermerkt, mit denen man Kisten herausgezogen habe, außerdem ein Posten für Weinfässer, welche diese Kisten "in Vlote", im Fluß, d. h. schwimmend erhalten hätten. Denn die Balken waren durch das lange Liegen im Wasser nicht mehr schwimmfähig. Darauf wurden die Kisten dann abgedichtet und versenkt.

Es seien noch einige Worte über die Heranschaffung des Baumaterials und über die von den Handwerkern benutzten Werkzeuge gestattet. Zunächst einiges über die Steine. 1278 hört man zum erstenmal, daß für Steine Ausgaben gemacht sind: "ad portum Warnemunde". 1283 werden "lapides campestres", also die auch später ständig in den Rechnungen vorkommenden "veltstene", genannt. Sie mußten meistens unter großen Mühen von weither nach Warnemünde gebracht werden. Der größere Teil der Steine kam von der Diedrichshäger Feldmark. In der katholischen Zeit hat der Abt von Doberan Jahr für Jahr ein "Stoweken Wyns to Presente" bekommen 2 ), wenn die Abgesandten


1) Rost. Rats-Archiv, Bestallungsbuch, Fol. 217 B.
2) G. R. 1446. "it. 13 ß vor 1 stoweken wyns deme abbete do se to eme reden vme stene to vorende tom bolwercke";
G. R. 1451: "2 mr vor maknesie vnd wyn deme abbete to Doberan to present, do de buren worden besen to vorende. It 3 m 3 ß vor 2 elen beydesch wandes deme voghede to Doberan to enem schon clet, dat he deste mer wagen scholde schicken to vorende";
G. R. 1455: "8 ß kostede de stenwaghe (!) ouer de hauene to bringende";
G. R. 1455: "Den stenwagen to vorende vam Diderikeshagen bet tor Munde".
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der Stadt Rostock wegen der Steinfuhren zu ihm ritten. Dabei fielen auch jedesmal für den "ebdischen Vogt" 2 Ellen "beydisch Want to enem schon Clet" ("damit er desto mehr Wagen zum fahren schicken solle (!)") und für seinen Knecht ein paar Schilling als Trinkgeld ab. Nach diesem Eröffnungsverfahren ging es an die saure Arbeit des Steinebrechens. Das geschah mit eisernen Stangen. 1465 sind außer den "Ebdiern" 12 "dreger" damit beschäftigt, "den Sten" "ute der Erden to brekende unde vort uppe de Wagen tho settende". Nachdem das Werk des Brechens und Zuwagenbringens der Steine vollbracht war, kam das nicht minder mühselige des Fahrens "tor Munde". Man stelle sich den Weg vor: Sand, nichts als Sand, bergauf, bergab, so wie es auf der Federzeichnung des Schweriner Archivs zu sehen ist 1 ). Dazu bedenke man, wie schwer belastet die Wagen waren, dann mag man wohl empfinden, welchen Schweiß und welches Schnaufen von Mensch und Vieh diese Fuhren gekostet haben. Als Ersatz für die immerhin nicht im Überfluß vorhandenen Steine wurde, wie schon erwähnt, der "Grus" von den Ziegelhöfen nach Warnemünde gebracht. Außer von den Gemarken der Umgegend, wie Diedrichshagen oder auch Moltenland (z. B. Petersdorf) 2 ), sind bereits seit den ältesten Zeiten 3 ) Steine von auswärts bezogen. In der Regel kamen die Steine aus Gotland. Die Schiffe brachten sie als Ballast mit und bekamen, wie es 1575 heißt, für "etlike grote Stene vth deme Schepe" 1 fl. Die Steine aus dem Schiffe zu "boren" hatte man "Zele" und "Zelrepe". Für besonders große Steine hat man wohl auch die Winde benutzt, die im übrigen auch beim Heraufholen des andern wichtigen Materials in Anwendung kam: beim Heraufholen des Holzes.

Über die Heranschaffung und Bearbeitung des Holzes ist das Wesentlichste bereits gelegentlich der Beschreibung des Kistenbaus gesagt worden. Neben dem in der Heide geschlagenen Holze mußte ständig Holz von auswärts eingeführt werden. Besonders zur Zeit der großen Hafenbauten am Ende des 16. Jahrhunderts sind jährlich große Mengen "Dannenbalken", meistens aus Gotland, herübergeholt worden. Auch über die "Struke" ist schon gesprochen. Es ist ganz ungeheuerlich, was im Laufe der Jahrhunderte alles an Holz und "Struken" aus der Heide nach Warne-


1) Siehe Kopie bei Barnewitz, a. a. O. S. 97. Eine Kopie im Format des Originals ist 1926 für das Rostocker Ratsarchiv angefertigt.
2) G. R. 1459: "12 dreger vor en dach stene to brekende to petersdorp tom bolwercke."
3) K. R. 1283: "Item iis, qui duxerunt lapides de Gotlandia 1 marcam."
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münde gekommen ist. Zahlenmäßig lassen sich die Mengen nicht festlegen. Aber man bedenke: Fast wöchentlich fahren zeitweilig die Bauern. Das bedeutet, daß an jedem Tag, an dem sie "denen", etwa 26 Wagen ständig unterwegs sind. Mit dem Holz wurde sparsam gewirtschaftet. So wurde häufigen Rechnungsvermerken zufolge das vom Sturm vertriebene Holz nach Möglichkeit wieder zusammengeholt und zum Neubau der zerstörten Bollwerke verwandt. Bis zu seinem Abtransport wird das Holz bewacht, ja, wer abgetriebenes Holz meldet, bekommt eine Belohnung. Daß man neben dem gebrauchten Holz auch abgetakelte Schiffe oder Wracks zum Kistenbau verwandte, wird weiter unten noch berührt werden. Schließlich ist noch eines Werkzeuges zu gedenken, das beim Bollwerksbau von großer Wichtigkeit ist: die Ramme. Man findet Nachrichten über das Vorhandensein einer großen und einer Handramme. Die große Ramme ist auf dem Warnemünder Modell dargestellt, auch wissen wir einiges über sie aus gelegentlichen Ausgabeposten in den Gewettsrechnungen. Sie bestand aus dem großen, senkrecht aufgerichteten "boom", auch "rickpahl" genannt, der an beiden Seiten wie auch von hinten durch je einen schrägen Stützbalken gehalten wurde. An dem Rammboom saß der Rammklotz. Er war merkwürdigerweise nicht aus Eisen, sondern, soweit das Modell 1 ) erkennen läßt, ein großer Eichenklotz von ungefähr 0,60 cbm Inhalt. Auf der dem Baum zugekehrten Seite hatte er oben und unten je zwei Hölzer, mit denen er den Baum umklammert hielt. Durch die Hölzer waren eiserne "Schlutbolten" gesteckt, die ihn am Baum festhielten. An der Spitze des "Pahlricks" hing eine "Rulle", über die hin das Tau, an welchem der Klotz befestigt war, zur "Spindel" ging. Die Spindel war zwischen dem Baum und dem hinteren schrägen Stützbalken aufgestellt. An ihr wurde das Tau aufgewunden, der Klotz wurde hochgeholt und oben dann wahrscheinlich auf die heute noch gebräuchliche Art zum Fallen gebracht.

Die Bauweise der Kistenbollwerke hat sich, wie schon erwähnt, Jahrhunderte hindurch gehalten. Es wäre zu untersuchen, ob es bereits in den frühesten Zeiten zur Anwendung kam. Die erste Nachricht fand ich 1423. Daß auch vorher die Bollwerke nach dieser Weise errichtet wurden, kann man vermuten. Die Anlagen beim Tief D, der ältesten uns bekannten Hafenanlage Rostocks, müssen jedenfalls schon so gebaut sein. Denn die Umfassungspfähle, die ja noch heute dort nahe der Küste zu finden sind, stehen


1) Rostocker Ortsmuseum, Modell von Warnemünde (von 1789). (Vgl. Dragendorf, Pläne von Warnemünde ... in B. G. R. III, 2.)
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zu weit auseinander, als daß eine andere Bauart in Frage käme 1 ). Demnach ist anzunehmen, daß im Rostocker Hafengebiet der Bau der Bollwerke von früh an nach dem Kistensystem erfolgt ist. Es wäre interessant zu erfahren, wie man auf diese Bauweise gekommen ist. Sie hat nämlich ihre ganz bestimmten Schattenseiten. Zunächst: Die zehn Meter langen Balken schlossen den unebenen Grund natürlich nicht dicht genug ab. Dadurch war stete Gefahr, daß dennoch der Sandstrom nicht von dem Bollwerk aufgehalten wurde. Außerdem geschah es oft genug, daß der Grund einfach "unter ihnen wegfloß". Sie standen trotz der Schwere nicht fest genug. Zwar wurden um die "gesetzten" Kisten Pfähle herum gestoßen, doch haben sie in keiner Weise genügt, die Kisten vor dem Versinken zu bewahren. An anderen Orten wurde diesem Fehler dadurch vorgebaut, daß man als erste Unterlage für die Kisten "Struke" nahm 2 ). Diese paßten sich eher an und wühlten sich allmählich immer tiefer in den Grund. Dies Verfahren wird 1588 auch nach Rostock verpflanzt 3 ), scheinbar


1) Z. B. das Pfahlwerksystem mit Steinfüllungen zwischen den beiden Pfahlreihen. Hierbei müssen die Pfähle dicht nebeneinander stehen, damit die Steine nicht seitlich herausfallen. Bericht des Cornelius Claessen (1625): "So were es auch besser, gedoppelte rehge Pfähle zu gebrauchen, alß kisten, dan die begeben sich nicht so leicht, vnd das dieselben wohl 15 fuß in den grunt gestoßen würden. Vnd da gleich darunter der sant solte ausfüllen, so würden doch die steine die Löcher gestracks erfüllen, dan in denen kein boden wäre. Vnd wollte er sich erfreuen, daß der Strom den Sand so tief bis unter den Pfählen wegnähme, denn so hätte man erlanget, was man begerte, nemlich ein besser Tieff."
2) S. Krünitz, a. a. O. XXI, S. 74 f.
3) R. Pr. 1588, Jan. 10.: "Doselbst ein Rat beide Meister, welche zum neuen und alten diepe sein gesetzet (hier natürlich das alte A und das neue E), vorbeschieden und wegen ausschlahung des westerbollwerkes, welcher gestalt solches aufs bequemste und bestendigste gebauet werden konnte, aus und ingeredet. Und obwohl M. Claus Jendrich, Zimmermeister zu Warnemünde, sich understanden, das Bolwerck hinaußen zu senken, da doch die grundt uneben und keine ursache anziehen können, wie er das Bolwerck unten auf der grundt, weil dieselbe uneben, dicht machen wolte, und mir angezeiget, er wolle es mit brettern aus füttern, welches doch nicht möglich im Wasser zu tun, weile man dieser Orter keine Düker (!) hette. Zudem hatte Jochim Barchmann sich vornemen lassen, er wolle es oben beschweren, und so viel aufbauen, welches fundament auch nicht gehaftet, denn die balcken sich nach der unebenen grund nicht haben lenken und geben können. Derentgegen Johann zur Balcke vorgestellt und sein Bedenken erfordert. Derselbe sich diesergestalt erkläret: Weil der Grund uneben und der struk im Wasser dauerhaftig, also wolle er denselben dieser gestalt ausarbeiten, daß man darauf das Bollwerk lichtlich senken solte und solches dieser-
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aber nur für kurze Zeit. Wenigstens wird schon 1625 wieder Klage darüber geführt, daß die Kisten sich so "leicht begeben", d. h.: daß der Grund unter ihnen wegrutscht. Man scheint also doch wieder zu der alten Methode zurückgekehrt zu sein. Wie aber ist man überhaupt auf dies System gekommen, das ist die Frage. Ich glaube, man kann aus ein paar Nachrichten, die freilich aus der Zeit nach 1550 stammen, der Beantwortung dieser Frage näherkommen: 1560 wird eine alte Fährschute gekauft, "um das Bollwerk darauf zu bauen". Sie wird "rein gemacht", aufs Land gebracht, instandgesetzt und wieder zu Wasser gelassen. Schließlich wird das Bollwerk auf ihr erbaut. Um die Pfingstmarktzeit kommt ein "Dwerwint", so daß der Prahm, auf dem das Bollwerk gemacht war, "zugrunde sank". Die beiden "Weddeherren" reiten daraufhin nach Warnemünde und lassen den Prahm wieder "uposen", d. h. sie lassen das Wasser wieder herauskellen. Später wird dann das neue Bollwerk, "so vp de Verschute gebuwet", gesenkt, und die Warnemünder haben "nene ringe Arbeit mit Stene natofohrende" 1 ). Diese Worte würde man wohl zunächst so interpretieren, daß man die Kisten zu jener Zeit auf Prähmen baute, sie an den Bestimmungsort fuhr und sie dort zu Wasser ließ. Das aber ist technisch unmöglich, da der Prahm zweifellos beim Senken der Kisten kentern würde. Eine Rechnungsnotiz des Jahres 1574 zeigt, daß in Wirklichkeit zusammen mit dem Bollwerk auch der Prahm versenkt wurde. Es ist eine Ausgabe verzeichnet für ein Tau, das unter dem gesenkten Prahm in sechs Stücke "geschrawen und intweigewunden wart". Daß man also bei Gelegenheit statt der Kisten Fahrzeuge benutzt hat,


(  ...  ) gestalt: Er wolle auf beiden Seiten hinaussen Pfähle schlahn und auf dieselben zu beiden Seiten wolle er die Prähme, darin er die Struke und Materialien hette, leggen, aus welchen Pramen er gegeneinanderüber von Weiten gedreite weden, daruff er den struk senken wolte, vnd darvff solte Meister Claus sein werk senken";
R. Pr. 1588, Juni 10.: "Doselbst auch wegen deß neugesenkten Bolwerckes mit den Kastenherren geredet ob auch dies ander stucke Bolwerckes sollte mit Strauch undersencket werden. Ein Rat aber hat es für rahtsam erachtet".
1) G. R. 1560: "It. so hebbe ick gerekent vnd betalt Laurentz wickebolde van Negelen thom Prame, den ick koffte van Thomas Gerdes, dar das Bolwerck vp senket wird tho Warnemunde. ... So hebbe ick Boldewanen Kinderen geuen vor eyne olde Verschute, dar dat Bolwerck wart vp gebuwet ... / enen mans gegeuen, de schute reine to makende ... / de schute vp lant to bringende ... / ... leten dat nige bolwerck, so vp de Verschute gebuwt, senken. Den Warnemundern, so darto hulpen, ok nenen ringen arbeit deden mit stene natoforen ..."
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steht außer jedem Zweifel. Alte Wracks werden regelrecht aufgekauft oder daraufhin besehen, ob man wohl ein Bollwerk darauf bauen könnte 1 ). Und diese mit Steinen und "Struken" gefüllten Fahrzeuge, meine ich, sind die Urformen der Kisten gewesen. Daß sie an Stelle von Kisten benutzt wurden, ist auch sonst überliefert. Einen Fall haben wir oben bereits kennen gelernt: Als das neue Tief B, der Dünendurchbruch des Jahres 1459, wieder "gefangen" werden soll, da kauft man eine "schute" ausdrücklich zu dem Zweck, sie vor dem Tief zu versenken 2 ). Neben dieser Schute werden auch mit Sand gefüllte Kisten verwendet. Hatte man also günstige Gelegenheit, ein Schiff zu kaufen, dann war dies das einfachste, hatte man keine Schiffe, so mußte man Kisten herstellen lassen. Die Schiffe aber sind vermutlich die Ausgangsform gewesen. Den andern Bollwerksbauweisen gegenüber hat das Kistensystem einen großen Vorteil, den schon die Vorgänger, die Wracks, hatten: Die Kisten waren vollständig an Land herzustellen. Sie brauchten später nur noch gesenkt und befestigt zu werden. Jedes andere Verfahren hätte umfangreiche Pfahlrammungen vorausgesetzt. Und während die Rammungen beim Kistensystem von der eben gesenkten Kiste, also sozusagen vom Festlande aus, erfolgen konnten, so hätten sie andernfalls von See aus, vom Fahrzeuge aus erfolgen müssen. Dazu aber scheinen alle Voraussetzungen gefehlt zu haben. So ist man erst vor hundert Jahren etwa zu einer anderen Methode gekommen.

§ 3.

Die Haffdüne.

Die Mündung der Warnow, ganz und gar eingebettet in die Düne, mußte zunichte gehen, wenn die Düne in schlechtem Stand war: Sei es nun, daß der Sand vom Westen her ins Tief gewirbelt ward, eine Erscheinung, die ja bis auf den heutigen Tag zuweilen dem Fahrwasser Schaden antut, sei es, daß die sandige Umgebung des Flusses dem Wind, der Strömung, den Wellen nachgab und damit ihm anderen Lauf wies, sei es endlich, daß an anderen Orten ein "neues" Tief aufbrach, wodurch die oben


1) G. R. 1581: "Ick forde ock na der Munde, do besach Mester Claweß dat Wrack van der fuer blase, offt he ock darup buwen konde dat bolwerck."
2) Vgl. S. 116.
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besprochene Selbstreinigungswirkung des Flusses, die nur durch engen Auslauf gewährleistet war, ins Stocken geriet. Dies zeigt die Bedeutsamkeit eines guten Küstenschutzes für die Erhaltung der Hafenanlagen an, gleichzeitig auch die drei Aufgaben, die ihm demzufolge zufielen: Die Fernhaltung des Flugsandes vom Tief, die Dünenpflege und schließlich, falls ein Durchbruch stattgefunden hatte, der Dünenaufbau.

Die Mündung des Fahrwassers an der See, am Rande des Seestrandes auf beiden Seiten von der offenen Düne flankiert, war vor allem auf der Westseite gegen den herüberwehenden Sand zu schützen. Man mußte also Vorkehrungen treffen, den Flugsand abzufangen, bevor er das Gebiet des Fahrwassers erreichte. Dies bewirkte man, indem man westlich hinter den äußersten Häusern des Dorfes bis an die See dem Fahrwasser gleichlaufende Bretterzäune, sogenannte "Glinde" anlegte. Hierdurch wurde die nähere Umgebung des Fahrwassers gänzlich nach Westen abgeschlossen. 1418 wird dies "glint" zum erstenmal erwähnt. Später findet man es häufiger in den Rechnungen wieder, sei es, daß der Sturm es "daelslog", sei es, daß ein ganz neues angelegt wird. Dort, wo das "Glint" sich dem Seestrande näherte, ging es allmählich an das Bollwerk heran und wurde damit verbunden 1 ). Dieser Teil wurde das Bollwerksglint genannt. Aber selbstredend hätten diese Bretterzäune alleine auf die Dauer keinen Schutz gewährt: Allmählich sammelte sich der Sand vor ihnen an, zuweilen zu "großen Bergen", und wehte dann ungehindert über die Glinde hinweg, wenn er sie nicht gar unter sich begrub. Es genügte also nicht, Schutzglinde gegen den Flugsand aufzurichten, auch konnte man kaum des öfteren eine solche Arbeit unternehmen, wie sie 1575 berichtet wird 2 ), wo man die großen Berge westlich des Fahrwassers wieder eben tragen mußte, weil sie zu gefährlich angewachsen waren, - man mußte deshalb darauf sinnen, den Flugsand überhaupt unmöglich zu machen: dadurch, daß man ihn festhielt, daß man die Düne zum Stehen brachte, dadurch, daß man, wie wir heute sagen würden, Dünenkultur trieb.

1423 wurden 75 Fuder "Tünroden" nach Warnemünde gefahren, "to tünen vppem Sande". Auch "Pale tom tünen" werden herangeschafft. Man hat also damals Zäune von geflochtenen (tünen!) Weidenruten auf der Düne errichtet, ein Verfahren, welches, den alten Enzyklopädien zufolge, im 18. Jahrhundert


1) Vgl. Barnewitz, a. a. O., Abbildung S. 224 und 225.
2) Vgl. S. 128.
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ganz allgemein zur Sicherung der Dünen Anwendung fand 1 ). Jene "tüne" waren etwa 1 - 1 1/2 m hoch und leicht aus Weidengeflecht und Haltepfählen gebaut. Auch "Struke" hat man vielfach dazu verwandt. Die "Tune" wurden quer über den Strand gesetzt, auch wohl so, daß sie Winkel oder Vierecke untereinander bildeten. In den Zwischenräumen wurde in der Regel Laubwerk oder Stroh ausgebreitet. Dies war ein bewährtes und verbreitetes Mittel, den Flugsand abzufangen und die Düne zu erhöhen. Die Rostocker haben statt des "Laubreiths" Seetang genommen. Daneben fand im Rostocker Bereich auch Mist und Heidekraut Verwendung 2 ). Der Mist war ganz besonders für diese Zwecke geeignet. Er beschwerte den schon liegenden Sand. Er fing mit seinem Stroh den Flugsand auf. Er machte den Boden für Anpflanzungen geeigneter. Deshalb ist er denn auch noch im 17. und 18. Jahrhundert zur Sicherung der Düne genommen 3 ). Auf diese Weise ist, zum mindesten an den gefährdeten Orten, die ganze Haffdüne befestigt gewesen, bis hin zum heiligen See, von dessem "Tun"-Werk 1458 berichtet wird. Daneben finden sich schon früh Mitteilungen von Anpflanzungen. Um 1450 wurden innerhalb von zwei Jahren 4 1/2 tausend junge Weiden "gesetzt". Auch als 1575 die Berge westlich des Tiefs ebengetragen waren, wurden auf dies Land, nachdem es ein Jahr lang unter Dung gestanden hatte, Weidensetzlinge gepflanzt. Auch Tannen scheint man angepflanzt zu haben, wie bereits im zweiten Teile berichtet wurde. Ebenso ist das Aussäen von Strandhafer aus den Jahren 1579/80 und 1610 überliefert. Am interessantesten ist eine Rechnungsnotiz des Jahres 1610. Es werden drei Personen nach Karow geschickt, um von dort "Santhabern" zu beschaffen. Sie sammeln vier Säcke voll und bringen sie über Güstrow nach Rostock. Dort wird der Hafer gedroschen und dann nach Warnemünde geschafft. An der Ostdüne ist hier bereits durch drei "großen kleiner Pauren" gepflügt und geegt, und nun wird der Hafer von denselben Bauern ausgesät.

Um die Düne auch gegen den Anprall der See zu schützen, wurden Schutzbauten errichtet, sogenannte Schlengen. 1510 wird


1) Vgl. Krünitz, a. a. O. IX, S. 681 ff.
2) G. R. 1576: "... die heide auertoholende vnd vorstraewt auff die haffdünen vor 3 dage sulffander ..."
N. C. R. 1619/20, Aug. 5.: "Jochim Schlorffen wederbezahlt, was er im verschienen Julio Michel Baden bezahlet zu verschaffung der heidstreucher auff die Düne ...". Über die Benutzung von Mist vgl. S. 129.
3) Ihn herbeizuschaffen war die Aufgabe der Diedrichshäger. Vgl. Barnewitz, a. a. O. S. 185.
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zum erstenmal von ihnen berichtet. Sie wurden zu beiden Seiten des Bollwerks gebaut, indem man vom Lande aus, rechts und links der Mündung schräg durchs Wasser bis ans Bollwerk hin zwei Packwerke baute, die den Bollwerksfuß vor den Wellen schützen sollten. Später hat man, den Karten zufolge, an dieser Stelle auch einige Kisten "langstrandes" gesetzt, da hier das Wasser, gestaut durch den Winkel von Bollwerk und Küste, das Ufer am leichtesten durchbrach. 1579 sind "Koken" und "Kribben" genannt. Da außer von Bauten auch von Ausbesserungen der "Koken" und "Kribben" die Rede ist, so sind sie also schon vor 1579 zum Küstenschutz verwendet. Es sind Außenwerke, bestehend aus zwei Parallelreihen von Pfählen, deren Zwischenräume mit "Grus" und Steinen gefüllt werden 1 ). Sie wurden an den gefährdeten Stellen in die See "hinausgeschlagen", um die Wellen zu brechen. Oft hatten sie Winkelform, auch waren sie in Zickzacklinien gebaut. Die Bauten des Jahres 1579 waren nach diesem System errichtet, denn es wird gesagt, daß die Koken und Kribben "hen und wieder" gemacht wurden.

War eine Düne durch eine Sturmflut durchbrochen, so mußte sie neu gebaut werden. So wurde 1457 vor Diedrichshagen ein Damm gebaut. Einzelheiten darüber fehlen leider. Genauer unterrichtet sind wir über die große Anlage im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts. Damals ist die ganze Haffdüne östlich Warnemündes bis hin zum heiligen See aufgebaut. Diese Arbeiten sind bereits im zweiten Teile behandelt. Vor allem Johann tor Balcke hat großen Anteil daran. Er ist der "Erbauer der Haffdüne" geworden.

Weit früher, als die bisherige Forschung angenommen hatte, ist also von der Stadt Rostock planmäßige Sicherung der Düne betrieben; mindestens seit 1400 geschah das, wobei zu bedenken ist, daß erst ab 1400 die Quellen reichlicher fließen. Dies Ergebnis war aber nach allem, was in dieser Arbeit gesagt wurde, zu erwarten. Wir haben es im Laufe der Arbeit immer wieder festgestellt, daß der gute Zustand des Fahrwassers aufs engste mit dem guten Zustand der Haffdüne zusammenhängt. So kommt es denn, daß gleich mit den ersten (zusammenhängenden!) Nachrichten über Bollwerksbauten auch Nachrichten über Maßnahmen zur Sicherung der Haffdüne in den Quellen angetroffen werden.

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1) Vgl. Krünitz, a. a. O. Bd. VII, S. 253 ff. u. XII, S. 259 ff.
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Übersicht über die gewonnenen Ergebnisse.

Am Schlusse dieser Untersuchung seien noch einmal die gewonnenen Ergebnisse zusammengefaßt. Zunächst sei das genannt, was auf dem Gebiete der Lokalhistorie erbracht wurde:

Die Behauptung Krauses, der älteste Rostocker Seehafen habe nicht bei dem heutigen Warnemünde (am Tiefe A) gelegen, wurde nochmals überprüft. Die bisherigen Beweise wurden durch stichhaltigere ergänzt, die Krauses Vermutung zur Gewißheit machten. Die Lage dieses ältesten Hafens, von der Forschung bisher bei C angenommen, wurde bei D festgelegt. Es ist gelungen, auch das alte Flußbett bis auf einen Teil des Mittellaufs wiederzufinden. Ausgrabungen förderten umfangreiche Felsenbollwerke und Faschinenbauten zutage. Da durch die Wiederentdeckung des ältesten Rostocker Seehafens auch die Lage der Danskeborg, die 1325 zerstört wurde, einigermaßen genau bestimmt ist, so wird hiermit weiterer Forschung, z. B. Ausgrabungen, Raum gegeben. Das Tief C, bisher als ältester Hafen angenommen, ist nach Aufgabe des Hafens D auf kurze Zeit, von 1410 (?) bis Dezember 1420, als Hafen benutzt worden. Das Datum der Verlegung des Hafens nach dem Kirchdorf Warnemünde, bisher 1485 angenommen, konnte auf 1421 berichtigt werden. Der für diesen Hafen (A) später gebräuchliche Name "das neue Tief" wurde erklärt durch die Arbeit des Alhard Johansen im Jahre 1485. Dieser Holländer hat neben der Verbreiterung und Vertiefung des Tiefes A einen Durchstich am Ostende des "Pagenwerders" nach Süden gemacht und durch Fortschaffung des Grundes vor "Krekeshovet" eine neue Fahrrinne geschaffen. Die in dem mit Alhard geschlossenen Vertrage genannte Örtlichkeit "Krekeshovet" oder "Grukeshovet", bisher nicht zu ermitteln, konnte genau festgelegt werden: Es ist der Landvorsprung östlich Pagenwerder, der die Pinnwiesen und den Gänsewerder umfaßt. Er grenzt die "Pinner Krüh" (Pinner Bucht) westlich ab. Die Zerstörung des Rostocker Hafens zur Zeit der Domfehde, bisher auf den ältesten Hafen bezogen, hat nach den Untersuchungen der vorliegenden Arbeit das Tief A betroffen. Das in den Berichten aus jener Zeit erwähnte "neue" Tief ist dagegen nicht A, sondern ein Dünendurchbruch vom Winter 1459, aller Wahrscheinlichkeit nach die bisher unbestimmbar gewesene "olle Deepe" B. Das Tief an der Radel, E, ist ein Durchbruchstief vom Winter 1582, genannt das "neue" Tief. Schon seit etwa

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1560 hat hier "nebenanst" ein Dünendurchbruch bestanden, gleichfalls mit dem Namen "neues Tief", auch das Tief "nebenst der Heiden" genannt. Es wurde am 14. Juli 1582 durch den Schuster Jochim Barchmann mit dem Material der Hundsburg "gefangen". Die in den Chroniken erwähnte Fangung des "neuen Tiefs" im Jahre 1582 bezieht sich also nicht, wie bisher angenommen wurde, auf Uferbefestigungen am Hafentief A! Der für die Hafenbauten wichtige Markgrafenheider Kanal, der sogenannte Torfgraben (K), wurde auf Anregung des Jochim Barchmann von einem Unternehmer 1579 angelegt. Die bisherige Forschung nahm diesen Bau im 18. Jahrhundert an. Alle Hafenarbeiten waren darauf gerichtet, die Wasser des Stromes immer mehr einzufangen, um durch die Gewalt ihres Flusses das Hafentief sauber zu fegen. Den krönenden Abschluß dieser Arbeiten bildete ein großes Steinkistenbollwerk, das in den Jahren 1600 - 1616 von Krekeshövet, also von der Einfahrt in den "alten Strom" (A) ab, über den ganzen Breitling bis hin zum "Breitlingseck" "geschlagen" wurde. Nur inmitten dieses Bollwerkes wurde für die Durchfahrt in den östlichen Breitling und in die Heide ein Raum freigelassen, das sogenannte "Kriegsheupter Loch".

Über das rein Lokalhistorische hinaus hat die Untersuchung folgendes erbracht: An Hand einer Darstellung der Geschichte des Rostocker Seehafens bei Warnemünde von der ältesten Zeit bis zum Ausbruch des dreißigjährigen Krieges wurde die Fürsorge einer hansischen Stadtverwaltung für ihren Seehafen, für dieses wichtigste Glied innerhalb ihres Wirtschaftslebens, klargelegt. Auf dem Gebiete der Verwaltung wie der Organisation der Arbeit, auf dem der Finanzierung wie der technischen Maßnahmen wurden die Bemühungen der Stadt, einen guten Hafen zu bekommen bzw. zu behalten, geschildert.

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Anhang.

Bericht über den heutigen Zustand des ältesten Rostocker Hafens an der See.

Durch die Auffindung der Karte von Tarnow "Geometrischer Plan von dem Städtlein Warnemünde und der angrenzenden Feldmark Großen Klein" (entstanden 1796 - 1809) war die Lage des ältesten Rostocker Seehafens wieder bekannt geworden. Es galt nun, an Hand der Karte den Ort desselben womöglich wiederzuentdecken. Ich begab mich also mit einer Kartenskizze auf das Gelände, in dem der Hafen sich befunden haben mußte. Überraschenderweise gelang die Auffindung sofort. Beim Kilometerstein 2,0 schneidet das alte Mündungsgebiet die Chaussee Warnemünde - Markgrafenheide. Scharf hebt es sich durch helleren Graswuchs von dem trockenen braungrünen Grunde der Umgebung ab. An Hand der Skizze ließ sich das alte Tief mühelos von der Chaussee aus einige hundert Schritt zum Breitling hin verfolgen. Seewärts geht durch die Tannenpflanzung eine Senke direkt auf das bei Barnewitz 1 ) beschriebene Bollwerk zu. Besonders beim Rückblick von der Höhe der Düne aus sieht man ganz unverkennbar den alten Mündungslauf. Es ist bemerkenswert, daß heute noch zwischen den Tannen, einer Trockenpflanze, vereinzelte Schilfhalme von etwa 2,50 m Höhe wachsen, ein Zeichen, daß hier früher ein anderer Untergrund gewesen ist. Breitlingswärts geht das Tief als etwa 5 m breite grabenförmige Senke von km 2,0 der Chaussee ab in den Formen, wie sie auf der beiliegenden Karte wiedergegeben sind, durch die Wiesen. Danach ist es ein sehr gewundener Lauf gewesen, wahrscheinlich ein natürlicher Warnowarm, was denn auch eines Tages zur Aufgabe dieser Durchfahrt führen mußte. Bei dem ersten Knick (b) wird das Bett schmäler. Es ist deutlich durch Graswuchs, Sumpfigkeit und Höhenunterschied (etwa 0,35 m) von dem übrigen Gelände unterschieden. Bei dem zweiten Knick (c) bemerkt man, daß das dem Meere zu gelegene Ufer erhöht ist und sich durch Festigkeit auszeichnet. Hier fand sich in 0,50 - 2,50 m Tiefe ein großes Bollwerk. Es besteht aus eingerammten Eichenpfählen, zwischen denen Fels-


1) Vgl. S. 102, Anm. 3.
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blöcke liegen, die neben- und übereinander geschichtet sind, dazwischen findet sich zur Ausfüllung der Lücken Schutt von den Ziegelhöfen, Feldsteine und Strauchwerk. Das Strauchwerk befand sich in einem so wohlerhaltenen Zustande, daß jeder Beschauer es zunächst für ganz frisch hielt. Nur der Umstand, daß auch ganz zutiefst unter den Felsen noch derartiges Strauchwerk gleichen Zustandes zu finden war, vermochte vor dem Argwohn zu bewahren, daß diese Faschinen erst in allerjüngster Zeit, vor vielleicht 5 oder 10 Jahren, hier versenkt worden sind. "Der Struk" ist tatsächlich "im Wasser sehr dauerhaftig" 1 ) 2 ). Denn er ist, da das Tief im 15. Jahrhundert aufgegeben wurde 3 ), wahrscheinlich schon etwa 200 Jahre vor Johann tor Balcke zur Hafenbefestigung hier versenkt worden. Als die Sträucher dann freilich an die Luft kamen, sind sie in einigen Wochen auf etwa ein Viertel ihres früheren Durchmessers zusammengeschrumpft. Das Bollwerk besteht aus mehreren Schüttungen. In 0,40 m Tiefe stößt man zunächst auf Lehm und Mergel, eine in diesem Gebiete des Sandes sofort auffallende Formation. Hierauf kommt eine Steinschüttung. Zuweilen überwiegen die Feldsteine, zuweilen der Ziegel-"Grus", je nach dem, was den Inhalt der Wagen, die das Schüttungsmaterial herbeischafften, ausgemacht hat. Dieser Schüttung folgt das eigentliche Felsenbollwerk. Die Oberfläche von Felsen ließ sich noch in einer Tiefe von 2,20 m mit der Sondiernadel feststellen. Das übrige Ufer des Tiefs ist, soweit bisher Ausgrabungen gemacht werden konnten, mit Faschinen eingefaßt, auf denen zur Festigung eine Ziegelschuttlage sich befindet. An der engsten Stelle (g) ist das Tief bis etwas über die Hälfte mit Strauchwerk verschlossen. Offenbar ist dies eine spätere Maßnahme, um es im Sinne der oft genannten "Fangung" des Hafentiefs A zu verstopfen 4 ). Von dem zweiten Rechtsknick ab läuft das Tief dann in der Richtung d - e auf den Flugplatz zu, biegt darauf, dem Rand des Flugplatzes ungefähr folgend, nach Süden und bekommt allmählich immer mehr Ostrichtung. Hier, im Mittellauf, ist das alte Bett nicht mehr mit der gleichen Sicherheit zu bestimmen, wie in seinen übrigen Teilen. Breitlingwärts zieht es sich dann wieder, klar abgegrenzt als Binsengraben, durch das Schilf. Durch niedrigeren Wuchs und andere Farbe heben sich die Binsen deutlich als blaugrüner Graben aus


1) Vgl. S. 142 ff.
2) Vgl. S. 162, Anm. 3.
3) Vgl. S. 109 ff.
4) Vgl. S. 100 f.
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der helleren und höheren Schilfmasse ab. An der Stelle, wo der Graben in den Breitling tritt, befindet sich eine Bucht (am sogenannten "Räwer Urt"). Sie gibt noch ein ungefähres Bild von der Breite des ehemaligen Fahrwassers. Nach diesen Feststellungen haben am 20. August 1926 sechs Herren des Rostocker Altertumsvereins meine Berichte an Ort und Stelle überprüft. Der Lauf des Tiefs wurde vom Kilometerstein 2,0 ab bis zum Breitling hin verfolgt. Bei einem Vergleich mit der Karte kamen die Herren zu der Überzeugung, daß hier tatsächlich das von Tarnow (und, wie sich später herausstellte, 1770 - 1780 schon von Wiebeking aufgezeichnete "Olle Fohrwater" und damit der älteste Seehafen der Stadt Rostock wiederentdeckt war.

Damit ist natürlich auch die Lage der Danskeborg wieder einigermaßen zu bestimmen. Sie muß an einer Stelle des Ostufers gelegen haben. Den Quellen zufolge war es eine Burg, in deren Gräben Koggen fahren konnten, also eine Wasserburg. Da aber auch gesagt wird, sie hätte "zu Warnemünde auf dem Wall", also auf der Düne, gelegen, so muß sie, wenn auch nicht auf, so doch gleich hinter der Düne gelegen haben. Nun ist noch 1809, zur Zeit der Abfassung der Tarnowschen Karte, gleich hinter den Dünen ein Graben vorhanden gewesen, der auffallend an einen Burggraben erinnert. Die beigegebene Sonderkarte gibt die Örtlichkeit in ihrem heutigen Zustande wieder. Es wäre wünschenswert, wenn die Lokalhistorie sich in den nächsten Jahren um dies Problem bemühte und womöglich auch Ausgrabungen veranstaltete, bevor der Flugplatz sich auch über dieses Gebiet hin ausgebreitet hat.

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Übersichtskarte
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Ausgrabungen Danskeborg
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III.

Schlußbericht
über die Lage der
Travemünder Reede

von

Werner Strecker.

 

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6. Archivgutachten vom 26. Juni 1928 für das Mecklenburg=Schwerinsche Ministerium des Innern.


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Auf das dem Gutachten Prof. Dr. Rörigs vom 20. April 1927 (Rörig IV) angehängte Schlußwort vom 12. Mai 1928 (zitiert ebenfalls Rörig IV) 1 ) haben wir folgendes zu erwidern:

I. Die Gutachten der heutigen seemännischen Sachverständigen und der Lotsenkommandeurbericht von 1843.

Verschiedentlich beruft sich Rörig in seinem Schlußworte auf ein Gutachten oder Mitteilungen zweier seemännischer Sachverständiger, des Lübecker Hafenkapitäns Herrn Murken und des Direktors der Bremer Seefahrtschule Herrn Preuß, die er zu Rate gezogen hat. Aus diesem Gutachten werden aber nur einzelne Sätze mitgeteilt, und man gewinnt den Eindruck, daß die Sachverständigen, denen einige Fragen vorgelegt sein mögen, sich gar nicht hinreichend mit der Gesamtheit der Quellen über die Reedelage bekannt gemacht haben. Da heißt es zunächst, die alten Messungen nach Fuß usw. hätten nur bedingten Wert. Das liege für die Längsmessungen an der primitiven Art, wie sie noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts vorgenommen seien. Es seien "alles Schätzungen", weil die damaligen Meßinstrumente wie Oktanten für solche Messungen nicht hätten gebraucht werden können und vor allen Dingen nicht gebraucht worden seien 2 ). Zwar wird es sich nicht immer um bloße Schätzungen gehandelt haben, aber die hier von den Sachverständigen hervorgehobene frühere Ungenauigkeit der Längsmessungen erkennen wir an. Sie trifft natürlich gerade auch zu für die Fixierung der Tiefenzahlen auf den alten Seekarten im Verhältnisse zu den Küstenlinien und den Landmarken, und deswegen ist es so grundverkehrt gewesen, Tiefenzahlen der französischen Seekarte von 1811 in das Meßtischblatt hineinzukonstruieren, wie es auf der Hagenschen Karte (Kartenbeilage 3 bei Rörig IV) geschehen ist. Die Tiefen, bei denen auf der Hagenschen Karte die Anker liegen, finden sich ja, wie die neueste Admiralitätskarte und unsere danach angefertigte Skizze in Archiv V (Jb. 91) lehren, tatsächlich für die Zeit um


1) [Das Erachten mit dem Schlußwort ist als Sonderdruck aus der Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde, Band XXV, erschienen.]
2) Rörig IV, S. 66.
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1800 noch vor der Majorlinie, und dahin gehören natürlich auch die Anker 3 ).

Wenn aber die Sachverständigen wegen der Ungenauigkeit der Längsmessungen es ablehnen, daß die Reede zwischen den Kreisbögen gelegen habe, die auf unserer Skizze in 1120 und 1450 m (richtig 1550 m, siehe Nachtrag zu Archiv V) Abstand vom Norderbollwerk gezogen sind, so ist das keineswegs berechtigt. Mit den im Scharpenbergischen Bericht von 1784 angegebenen Entfernungen von 5 bis 6 Kabellängen vom Bollwerk müssen wir uns zufrieden geben, weil wir keine anderen Messungen oder Schätzungen für jene Zeit haben, und sie sind ja doch auch auf der Hagenschen Karte benutzt worden, wenn auch, wie wir in Archiv V auseinandergesetzt haben, in nicht anzuerkennender Weise. Überdies sind diese Entfernungen mit allen anderen Quellen in Einklang zu bringen, und sie werden auch einigermaßen genau sein, denn man konnte sie z. B. schon nach der Zeit schätzen, die ein Leichterboot brauchte, um von der Reede bis zum Norderbollwerk zu kommen. Es ist aber klar, daß die Entfernungen zu messen sind in Richtung auf den Hauptteil der Reede und nicht, wie auf der Hagenschen Karte, in lotrechter Richtung zur Majorlinie, einer Richtung, die gerade noch in eine kleine Ecke der Reede hineinführt, nämlich in das am wenigsten in Betracht kommende Gebiet dicht neben der Linie Kirchturm - Leuchtturm, die die äußerste Grenze der Reede nach Süden zu bildet.

Nun meint Herr Hafenkapitän Murken: "Wenn Mecklenburg behauptet, daß die Reede zwischen 1150 m und 1450 m lag, so ist das ein Spiel mit Maßen, die gar nicht herangezogen werden können. Diese Entfernung vom Bollwerk ist die innere (d. h. dem Land zu gelegene) Begrenzung der Reede." Aber hiermit ist der Sinn des Berichts von 1784 gar nicht getroffen. Es handelt sich nicht um eine Entfernung, sondern um einen Spielraum, wenn auch, wie wir im Nachtrage zu Archiv V auseinandergesetzt haben, wahrscheinlich gerade mit dem geringsten der angegebenen Kabelmaße, dem vom 130 Faden, zu rechnen ist. Und dieser Spielraum ist keine bloße Begrenzung, sondern die Reede selbst, denn auf ihm lagen "alle Schiffe" 4 ). Natürlich aber sind unsere Kreisbögen


3) Im übrigen halten wir gegenüber Rörig IV, S. 83, alles aufrecht, was wir über die Hagensche Karte gesagt haben.
4) Nachdem wir inzwischen die Akten über den Fall von 1784 in Lübeck haben einsehen können, halten wir an unserer Auffassung fest, wonach "normal verankerte" Schiffe diesseit der Majorlinie lagen, und wären bereit, dies im einzelnen aus den Akten nachzuweisen. Vgl. auch unten Anm. 19.
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nicht so aufzufassen, als ob die davon eingeschlossene Wasserfläche bis in den letzten Winkel hinein Reede gewesen sei, sondern die Reede ist innerhalb der Kreisbögen zu suchen, und hier kann man ja auch eine "Parallele" zur Majorlinie ziehen, die aber, gemäß den vom Lotsenkommandeur Wohler angegebenen Wassertiefen von beinahe, also etwas weniger als 5 (Lübecker) Faden, binnen der Majorlinie gezogen werden muß. Im übrigen liegt ein Schiff auf einem Punkt, und durch jeden Punkt im Reedegebiet läßt sich eine Parallele zur Majorlinie konstruieren.

Ferner war es durchaus richtig, daß wir die Reede in den jetzigen Leuchtfeuersektor verlegten. Die Linie Kirchturm - Leuchtturm, die 1843 als südliche Reedegrenze erscheint und auch wohl schon vorher hierzu gedient hat, ist erst jetzt von Rörig als Grenzlinie festgestellt worden. Zwischen ihr aber und dem Sektor liegt ja nur eine schmale Fläche, die am wenigsten in Betracht gekommen sein wird, so daß der Hauptteil der Reede sich innerhalb des heutigen Sektors befand, wo ja das tiefste Wasser ist. Daß wir gesagt haben, auf die nördliche Grenzlinie, die (jetzt auch seit 1843 festgestellte) Linie Kirchturm Travemünde - Badehaus komme wenig an, hat seinen Grund darin, daß das Gewässer in jener Gegend nicht strittig ist. Übrigens wird auch durch diese Linie im Reedegebiet nicht viel vom Sektor abgeschnitten.

Selbstverständlich war die Reede nach der Majorlinie orientiert, aber doch gewiß erst, seitdem diese Linie infolge des Schwundes des Brodtener Ufers soweit nach Westen rückte, daß sie in die Nähe der quer über einen Teil der Bucht sich hinziehenden 5-Faden-Tiefen kam und später sogar über diese Tiefen hinweglief; denn eben hierin liegt der nautische Sinn der Majorlinie. Mit den 5-Faden-Tiefen beginnt die Lotsen- und Leichterreede. Deswegen heißt es auch 1849, daß die Majorlinie "die Ankerplätze auf der Reede angäbe" 5 ). Hier hatte man zugleich noch den Schutz des hohen Brodtener Ufers und des flachen Steinriffteiles, der bei nördlichen Winden gegen hohe See sichert 6 ). Als aber die Majorlinie, wie zur Zeit des Lotsenkommandeurs Wohler, noch jenseit der 5-Faden-Tiefen blieb, hat natürlich jeder Lotse gewußt, wie weit er von der Linie aus noch steuern durfte; man mag hierfür auch Merkmale gehabt haben, von denen wir nichts mehr wissen.

Zu der von uns ermittelten, ganz unzweifelhaft richtigen Länge des Lübecker Fadens bemerken die Sachverständigen:


5) Rörig III, S. 95; Archiv III, Jb. 90, S. 161.
6) Angabe des Hafenkapitäns Murken, Rörig IV, S. 60, zu Frage 3.
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"Lübeckische Seekarten von der Lübecker Bucht waren nicht vorhanden; es wurden vorzugsweise schwedische und dänische Karten gebraucht. Wenn der Travemünder Lotsenkommandeur daher von Faden spricht und in die von ihm benutzten Karten hineinsieht, so rechnet er die schwedischen und dänischen Maße von 1,78 m und 1,89 m (sic!) natürlich nicht um, sondern spricht ganz allgemein von den Faden, die auf der betreffenden Karte eingezeichnet sind."

Wissen die Sachverständigen, worum es sich handelt? Sind ihnen dänische und schwedische Seekarten bekannt, die zur Zeit des Lotsenkommandeurs Wohler (um 1800) für die Travemünder Bucht brauchbar waren? Was wir an Seekarten aus jener Zeit gesehen haben, kam jedenfalls nicht in Betracht, weil die Bucht darauf so winzig ist, daß man mit dem Kartenbilde gar nichts anfangen, geschweige denn Reedetiefen erkennen konnte. Überdies handelt es sich ja um Lübecker Reedekarten, in erster Linie um die von Wohler selbst gezeichneten 7 ), daneben um seine schriftlichen Angaben. Und natürlich hat Wohler auf der Reede gelotet oder loten lassen, und zwar nach Lübecker Maß, das ja, wie Rörig (IV, S. 33) selber anführt, in Lübeck bei Seemessungen gebraucht wurde. Man wird auf der Reede wohl öfter gelotet haben und hat sicher zu jeder Zeit gewußt, wieviel Lübecker Faden das Wasser auf der Reede hielt.

Will man aber annehmen, daß die Tiefenmessungen ungenau gewesen seien, so würde dies nicht dafür sprechen, daß sie in Wirklichkeit etwas größer, sondern daß sie etwas geringer waren. Denn die Lotleine konnte leicht schleppen und von der Meeresströmung gekrümmt werden. Auf der Reede aber hätte man schließlich auch mit einer Meßrute messen können.


7) Wir haben uns jetzt auch mit der von Rörig IV, S. 27, erwähnten Karte Wohlers von 1787 bekannt gemacht. Unseres Erachtens gibt sie ein besseres Bild von der Reedelage als die Karten von 1788 und 1801. Auf der Karte von 1787 findet sich am holsteinischen Ufer, zwischen Haffkrug und Neustadt, ein Gebilde, das auch wir für den Gömnitzer Berg mit dem Major darauf halten. Zieht man aber die Majorlinie, so bleiben nicht nur die drei bei 5 Faden liegenden Anker, sondern auch noch fast das ganze Wort "Rhede" diesseit der Linie. Die Ausführungen bei Rörig IV, S. 27 f., können wir nicht anerkennen. Es kommt nicht darauf an, Pötenitz mit dem Major zu verbinden, sondern die Majorlinie am Brodtener Ufer vorbeizuziehen. Pötenitz hat mit der Linie nichts zu tun. [Wie eine nochmalige Prüfung der Karte ergeben hat, trifft der im Vorstehenden bezeichnete Verlauf der Majorlinie nur zu, wenn man sie am Uferrande, nicht aber an der das Steilufer andeutenden Schraffierung entlang zieht. In jedem Falle aber gibt diese Karte einen richtigeren Eindruck von der Reedelage als die beiden übrigen Karten Wohlers.]
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Einen Beweis dafür, daß die Sachverständigen wesentliche Quellen über die Reedelage nicht berücksichtigt haben, dürfen wir wohl in den Auseinandersetzungen erblicken, die Rörig IV, S. 100, Anm. 174, aus ihrem Gutachten mitteilt. Da heißt es, einen ziemlich genauen Beginn der Reede von der See her biete der Schnittpunkt der Peilungen von der Grömitzer Kirche und der Steinrifftonne, die in dem neuerdings vorgebrachten Bericht des Lotsenkommandeurs Dieckelmann von 1843 angegeben seien. Dabei erfahren wir nicht, was dies für Peilungen sind, und es wird auch nicht erwähnt, ob beachtet ist, daß die Steinrifftonne 1843 viel weiter landwärts lag als heute. Dieser Schnittpunkt nun, der nach Rörig nord-nord-westlich von der Harkenbeck, noch etwas seewärts von der Linie Gömnitzer Turm - Pohnsdorfer Mühle liegt, falle ziemlich genau mit dem Beginn der Reihenlotungen und Grundproben zusammen und sei "wohl als äußerster Punkt der Reede für die Schiffe, die bei auflandigem Winde außerhalb ankern mußten, anzusehen". "Diese Schiffe," so heißt es weiter in dem Gutachten, "waren bei dem damals wenig guten Ankergeschirr gezwungen, am äußeren Ende der Reede zu ankern, damit sie, falls die Anker nicht hielten, nicht schon in unmittelbarer Nähe des Strandes waren und Platz und Zeit behielten, um Segel zu setzen und sich von der Küste freizusegeln."

Wir aber wissen aus dem Scharpenbergischen Bericht von 1784, daß "alle Schiffe" 5 - 6 Kabellängen vom Bollwerk lagen, und zwar gerade bei auflandigem Winde, nämlich bei Nordost; eben wegen der Gefahr dieses Windes lagen sie laut demselben Bericht so weit draußen. Ferner wissen wir, daß sie bei etwa 5 Faden Tiefe lagen, nicht bei 17 - 19 m (10 Faden und darüber) in der Gegend der Harkenbeck. Drittens wurde ja im 19. Jahrhundert, z. B. in dem Merkblatt von 1855, den Schiffen, die nachts ankamen und deren Einbringung durch einen Lotsen zu gefährlich erschien, geraten, in 5 - 6 Faden Tiefe zu ankern 8 ). Schließlich wissen wir auch, daß es in der Tat vorkam, daß Schiffe auf der Reede vom Anker gerissen und beschädigt wurden. Diese Gefahr lief man eben 9 ).

Ob bei der Harkenbeck oder noch weiter östlich auch einmal ein Schiff lag, interessiert uns gar nicht; denn wir suchen die Lotsen- und Leichterreede. Wie weit in See mögen wohl manchmal Schiffe vor Warnemünde oder anderen Häfen geankert haben?


8) Vgl. Archiv V, Jb. 91, S. 90.
9) Archiv V, Jb. 91, S. 93. Vgl. auch den Wohlerschen Bericht bei Rörig IV, S. 29.
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Ebenso wenig interessiert es uns, wo der Lotsenkommandeur Dieckelmann gelotet und den Meeresgrund geprüft hat 10 ). Grundproben und Lotungen hat man z. B. für die französische Seekarte von 1811 auch auf dem Steinriff und überall am Rande der ganzen Lübecker Bucht vorgenommen.

Solange die seemännischen Sachverständigen ihre Gutachten nicht in erster Linie auf dem gesamten vorgelegten Quellenmaterial über die Reede aufbauen, was unserer Ansicht nach nicht geschehen sein kann, und solange aus ihren Äußerungen nicht hervorgeht, daß sie auch Bauart und Tiefgang der früheren Schiffe berücksichtigt haben, können ihre Mitteilungen nur das Bild verwirren, das aus den Quellen mit Sicherheit zu gewinnen ist. Sehen sich aber die Sachverständigen diese Quellen einmal genau an, so halten wir es für wahrscheinlich, daß sie sich zu unserem Standpunkte bekehren.

Übrigens wollen wir hier einen Irrtum Rörigs berichtigen. Er meint, wir hätten in Archiv V, S. 94, "das schier Unmögliche fertiggebracht", "nämlich zu behaupten, daß bei Nordost und Nordnordost die Schiffe am geschütztesten gewesen wären, wenn sie möglichst weit buchteinwärts geankert hätten" 11 ). Wir haben aber die vom Nordostwind drohende Gefahr ausdrücklich hervorgehoben, auch gerade die von Rörig angezogene Bemerkung Waghenaers erwähnt und dabei die begründete Ansicht vorgebracht, es werde wohl so sein, "daß ostnordöstliche Stürme den Schiffen um so weniger schädlich sind, je weiter diese buchteinwärts ankern; denn desto mehr muß der Schutz der mecklenburgischen Küste wirken."

Wir kommen jetzt zu der von Rörig neu vorgelegten Quelle, dem Bericht des Travemünder Lotsenkommandeurs Diekelmann von 1843. Was Rörig aus diesem Bericht anführt, beseitigt endgültig seine Theorie von der Reede. Diekelmann beschreibt, und dies ist wichtig, die Fahrt von See her in den Travemünder Hafen, er denkt sich also an Bord eines Schiffes, das auf Travemünde zusegelt. Es heißt in dem Auszuge bei Rörig 12 ):

"Sobald man Travemünde sich weiter nähert, bringt man den Leuchtturm in WSW des Kompasses und hat man den


10) [Es handelt sich nicht um von Diekelmann vorgenommene Reihenlotungen und Grundproben. Wie uns nachträglich mitgeteilt ist, hatten die Herren Preuß und Murken die betreffenden Angaben der französischen Seekarte von 1811 im Auge.]
11) Rörig IV, S. 79, Anm. 126, und S. 100, Anm. 174.
12) IV, S. 70.
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Gömser Berg, ... mit der Ecke des hohen Brodtner Ufers fast in gerader Linie, so hat man die Rhede erreicht" 13 ).

Erreicht, das kann doch nur heißen: Unmittelbar vor der Majorlinie (die 1843 schon wieder etwa 50 m näher nach der Trave zu fiel als auf unserer Kartenskizze in Archiv V für das Jahr 1801) beginnt, von der See her gerechnet, die Reede. Nach Rörig aber soll sie trotzdem hier zu Ende gewesen sein. Dabei klammert er sich zunächst an das von ihm gesperrt gedruckte Wort "fast". Sodann will er aus dem nun folgenden Satze des Berichts:

"Diese (d. h. die Reede) erstreckt sich bis ca. 1/4 Meile östlich von Travemünde" (hier sind in dem Bericht noch die Worte eingeschaltet: und ist von Norden nach Süden ca. 5/16 Meile breit) 14 ), "hat überall guten, aus Sand, Ton und Modde bestehenden Ankergrund auf 43/4 bis 5 Faden Wassertiefe,"

den Schluß ziehen, daß die Reede von der Majorlinie an nach See zu bis auf eine Seemeile vom Norderbollwerk gereicht habe 15 ). Aber "fast in gerader Linie" bedeutet selbstverständlich, daß man sich fast genau an der Majorlinie befinden mußte und nicht etwa auf der Parallele dazu, die neuerdings in die Hagensche Karte mit blauer Farbe eingefügt ist und vom Norderbollwerk eine Seemeile abliegt. Wenn man auf dieser Parallele war, so befand man sich 550 m jenseit der Majorlinie von 1810 16 ), wozu für das Jahr 1843, infolge des Brodtener Uferschwundes in der Zwischenzeit, noch ungefähr 40 m hinzukommen. Man war also 1843 etwa 600 m von der Linie entfernt, war noch weit außerhalb des Brodtener Ufers und konnte gar nicht übersehen, wann man auf die Majorlinie kam und wie diese verlief. Dazu die Wassertiefen, die Diekelmann nennt: 43/4 - 5 Faden. Sie passen recht gut zu der Angabe des Lotsenkommandeurs Wohler von 1801: beinahe 5 Faden. Und daß auch Diekelmann Lübecker Maß meinte, ist ohne weiteres anzunehmen, schon weil "nach den Umrechnungen, die 1875 Lotsenkommandeur Zuhr vornahm, der bei Seemessungen verwandte Fuß: 0,2876" m betrug, "also der


13) Die Angabe: WSW zum Leuchtturm kann übrigens nicht im genauesten Sinne zu verstehen sein. Sonst würde man nämlich noch südlicher kommen, als die Linie Leuchtturm - Kirchturm verläuft, die Diekelmann hernach als Südgrenze der Reede und zugleich als Ansegelungslinie für den Travemünder Hafen bezeichnet.
14) Diese Worte erwähnt Rörig IV, S. 80, Anm. 127.
15) Vgl. die nachträgliche Bemerkung bei Rörig IV, S. 64.
16) Für dieses Jahr gilt ja die Majorlinie auf der Hagenschen Karte.
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Lübecker Fuß" war 17 ). 43/4 Lübecker Faden sind aber knapp 8,20 m, 5 Faden = 8,63 m. Wenn man nun unsere Kartenskizze in Archiv V vornimmt, so kann man feststellen, daß die 5-Faden-Tiefen 1843 in der Tat auf oder unmittelbar jenseit der Majorlinie, im nördlichen Teile der Reede aber auch noch diesseit der Linie vorhanden sein mußten, Tiefen von 43/4 Faden aber diesseit der Majorlinie nach der Trave zu. Dabei kann man höchstens annehmen, daß die Tiefen 1843 wegen der seither fortgeschrittenen Versandung der Travemünder Bucht noch ein bißchen größer waren als heute 18 ). Nur im Süden der Reede zwischen dem Leuchtfeuersektor und die Linie Kirchturm - Leuchtturm finden sich etwas geringere Tiefen, die eben nicht mehr zu den von Diekelmann und früher auch vom Lotsenkommandeur Wohler bezeichneten Haupttiefen der Reede gehörten 19 ).

Etwas weiter jenseit der Majorlinie sind Tiefen von 43/4 bis 5 Faden doch höchstens in einem winzigen Gebiet anzutreffen, das bis ungefähr 200 m hinter der Linie und etwas nördlich von der Peillinie Kirchturm - Leuchtturm liegt. Keineswegs aber finden sie sich in der Gegend, wo auf der Hagenschen Karte die blaue Parallele zur Majorlinie eingetragen ist. Diese Parallele fällt ja in ihrem nordwestlichen Teile schon hinter die 10-m-Tiefenlinie, wo das Wasser 10,9 m und darüber tief ist, und in ihrem südöstlichen Teile müßte sie die 10-m-Tiefenlinie eigentlich berühren 20 ).


17) Rörig IV, S. 33. Wir können es nicht verstehen, daß Rörig (IV, S. 67) trotz dieser Angabe von 1875 den Faden immer noch zu 1,80 m ansetzen will. Die Lotleine war doch nach Lübecker Maß abgeteilt. Wie soll da für den Faden (6 Fuß) mehr herauskommen als die von uns errechnete Länge von 1,72572 m? Vgl. Archiv V, Jb. 91, S. 74 f.
18) Vgl. Archiv III, Jb. 90, S. 150 f. Nach der Äußerung der Sachverständigen bei Rörig IV, S. 83, Anm. 137, spielen die in dem Bericht Diekelmanns genannten Maße wie Faden und Fuß bei der "Festlegung der Reedegrenzen" keine Rolle. Aber man wird doch wohl nicht bestreiten wollen, daß die angegebenen Ankertiefen zur Bestimmung des Reedegewässers herangezogen werden müssen.
19) Der nördliche Teil der Reede ist der wichtigste. 1784 bestritt die Frau des Lotsenkommandeurs Scharpenberg, daß jenes englische Schiff, das ja festgestelltermaßen diesseit der Majorlinie geankert hatte, dem steinigen Grunde zu nahe gelegen habe. Der Grund sei dort so gut, "wie ein Grundt sein kann". Die Lotsen hätten gesagt, daß sie dort "manch 100 Schiffe hingelecht" hätten. Es sei "auf die Rehde nordwarts", wo fast alle großen Schiffe zum Löschen hingelegt würden.
20) Die 10-m-Tiefenlinie liegt südöstlich von dem Schlauch, in den sie ausläuft, auf der Hagenschen Karte zu weit zurück. Die Entfernung vom Leuchtturm bis zur Linie beträgt in dieser Gegend (zwischen dem Schlauch und dem südlichen Leuchtfeuerstrahl) nach der Admiralitätskarte 2200 m (vgl. auch unsere Skizze im Archiv III, Beilage 5 b). Auf der Hagenschen Karte ist die Entfernung größer. Übrigens sind die nicht eingeklammerten Tiefenzahlen auf der Hagenschen Karte nicht zu berücksichtigen, weil sie aus der französischen Karte von 1811 stammen, vgl. Archiv V, S. 78 f.
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Das Entscheidende in dem Diekelmannschen Bericht ist natürlich das Wort "erreicht". Was bedeutet nun die Bemerkung, die Reede erstrecke sich bis etwa 1/4 Meile östlich von Travemünde? Nach Mitteilung der Lübecker Sachverständigen ist 1/4 deutsche Meile = einer Seemeile (rund 1850 m) zu rechnen 21 ). Gut, das stimmt ja auch beinahe. Fraglich bleibt, was unter Travemünde zu verstehen ist. Rörig, der in einem andern Falle die Worte "außerhalb Travemünde" dahin auslegt, daß der Travemünder Hafen gemeint sei 22 ), versteht diesmal unter Travemünde die Flußmündung oder vielmehr die Spitze des Norderbollwerks. Daher sind auf der Hagenschen Karte vom Norderbollwerk aus, und zwar wieder auf dem Lote, das auf die Majorlinie errichtet ist, 1850 m abgetragen, und es ist in dieser Entfernung die bekannte blaue Parallele zur Majorlinie gezogen, die also die Grenze dessen bilden soll, was Diekelmann hier als Reede bezeichnet. Nun aber hat ja Diekelmann, von See her kommend, eben erst die Reede dicht vor der Majorlinie erreicht, und es ist natürlich ganz und gar ausgeschlossen, daß er nun plötzlich wieder rückwärts rechnet, wozu ja auch die von ihm genannten Ankertiefen gar nicht stimmen würden.

Möglich ist es, daß der Lotsenkommandeur sagen wollte, die Reede erstrecke sich von der Majorlinie an travewärts bis auf ungefähr 1/4 Meile östlich des Travemünder Hafens, in den ja Diekelmanns Schilderung hineinführt. Und weil die Entfernung vom Hafenbaum bis zur Majorlinie 1843 reichlich 2 km betragen haben muß, so würde Diekelmann die Breite der Reede auf etwa 200 m berechnet haben. Möglich aber ist es auch, daß er einfach die Entfernung der Majorlinie von Travemünde angeben wollte, und zwar vom Hafenbaum oder von der Travemündung ab, worunter man ja nicht just die Spitze des Norderbollwerks zu verstehen braucht. Von der Mündung aus betrug die Entfernung ungefähr 1500 m, und auch sie könnte recht wohl gemeint sein, weil es sich ja bei der ganzen Angabe nur um eine Schätzung handelt, wie das Wort "circa" beweist.

Diese letzte Deutung, daß die Entfernung zwischen Travemündung und Majorlinie gemeint ist, halten wir für die wahr-


21) Rörig IV, S. 80, Anm. 127.
22) Rörig IV, S. 75 ff.
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scheinlichste und glauben, daß das Wort "erstreckt" so aufzufassen ist, daß Diekelmann das ganze Gebiet von der Mündung bis zur Linie Reede nannte, und zwar nördlich bis zum Möwenstein hin. Denn Diekelmann gibt die Breite der Reede von Norden nach Süden auf ca. 5/16 Meilen an. Nach Rörig 23 ) gilt dies für die Breite an der Majorlinie entlang, was der Bericht zwar nicht sagt, was aber auch wir für wahrscheinlich halten, weil die Ausdehnung der Reede wohl nur in der Richtung der Ankertiefen bestimmt werden konnte. Rörig fügt mit Recht hinzu, daß fürs Ankern aber nur der innere Teil zwischen den von Diekelmann genannten Linien Kirchturm - Badehaus und Kirchturm - Leuchtturm in Betracht gekommen sei. Die etwas komplizierte Angabe von 5/16 Meilen (11/4 Seemeilen) macht den Eindruck großer Genauigkeit. Es sind nach Rörig reichlich 2300 m 24 ) (genauer: 2312 m), und dies ist fast genau die Länge der Majorlinie vom Mecklenburger Ufer bis zur Höhe des Möwensteins 25 ). Wir glauben, daß das, was Diekelmann hier in der inneren Bucht noch als Reede (im weiteren Sinne) bezeichnete, von Haus aus mit dem Gebiet identisch ist, das die Travemünder Fischer "binnen de Reide" nennen 26 ). Zwar rechnen die Fischer das Gebiet heute bis zu den äußersten Fahrwassertonnen; aber diese lagen noch 1890 dicht an der Majorlinie 27 ), vormals noch weiter landwärts, und die Majorlinie ist sicher einst die Grenze des Bezirks "binnen de Reide" gewesen 28 ). Wenn auch nicht die ganze Fläche bis zur Flußmündung hin eigentlich Reede war, so ging hier doch insofern Reedebetrieb vor


23) Rörig IV, S. 80, Anm. 127.
24) Ebd.
25) Übrigens würde man, wenn man die Reedebreite in genau nördlicher Richtung vom Priwallufer aus bestimmen würde, auch nur wenig über den Möwenstein hinauskommen.
26) Archiv III, Jb. 90, S. 171; Archiv V, S. 114.
27) Archiv V, S. 114.
28) Rörig hat sich wegen der Deutung der Worte "binnen de Reide" an einen Kollegen von der Kieler Universität gewendet (IV, S. 69, Anm. 102). Aber warum läßt er denn nicht die Travemünder Fischer fragen? Es handelt sich doch um einen noch heut bestehenden Sprachgebrauch! Außerdem berücksichtigt er nicht, daß das Gebiet jenseit der Tonnen von den Fischern als "buten de Reide" bezeichnet wird. Der Schlußsatz seiner Anmerkung paßt ja gar nicht zu unseren im Archiv V, S. 114, gebrachten Analogien (binnen der Traven und buten der Traven). Der Gegensatz zu "buten de Reide" braucht durchaus nicht durch "up", sondern kann ebenso gut durch "binnen" wiedergegeben werden. Vgl. z. B. "binnen Bremen", "binnen Lubeke" (in Lübeck), "binnenlandesch" (inländisch), Schiller und Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch I.
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sich, als die Leichterprähme hin- und herfuhren. Die etwas ungenaue Bezeichnung Reede für das Gebiet zwischen Flußmündung und Majorlinie ließe sich also verstehen.

Nun aber glaubt Rörig mit Hilfe der Fortsetzung des Diekelmannschen Berichts "jeden Zweifel zu beseitigen, ob nicht auch nach Diekelmann eine Ausdehnung der Reede nach Travemünde zu über die Majorlinie hinaus angenommen werden könnte". Er weist zu diesem Zwecke darauf hin, daß der Kommandeur "sofort auf diese Worte, in denen er die Lage des innersten Teiles der Reede" (nicht des innersten Teiles, sondern der Reede selbst, die er "erreicht" hat!) "beschreibt, zur Beschreibung der Einfahrt in den Hafen übergeht, und zwar so, daß er selbst angibt, daß von dieser Stelle an die Rhede landwärts aufhört." Es ist aber gar nicht zu begreifen, wie Rörig dies aus der Fortsetzung des Berichts herauslesen will, die folgendermaßen lautet:

"Segelt man von der Rhede in den Hafen, so suche man den Kirchturm mit dem Leuchtturm in eine Linie zu bringen, und steure so fort, bis man an eine rote Seetonne kommt, welche ca. 1650 Fuß vom Norderbollwerk liegt. [Steuert man dann noch etwa 800 Fuß weiter SW z. W], so findet man eine vor dem Eingang des Hafens sich hinstreckende Sandbank, die Plate genannt ..."

Wenn man also, meint Rörig, von der Reede aus eine längere Strecke gesegelt habe, dann erst komme man an eine Tonne, die "immerhin" noch 1650 Fuß vom Norderbollwerk entfernt sei. Wieviel sind denn aber 1650 Fuß? Gerade 475 m. Und weil die Majorlinie 1843 in der Richtung Leuchtturm - Kirchturm etwa 1300 m vom Norderbollwerk ablag, so mußte man von den Ankerplätzen, die Diekelmann hier im Auge hatte, auch noch mindestens 1/3 Seemeile fahren, bis man die Tonne erreichte. Das ist doch eine nicht unerhebliche Strecke. Und wenn man dann noch etwa 800 Fuß (230 m) weiterfuhr, so kam man - an die Plate, die also noch nicht 300 m vor dem Norderbollwerk anfing 29 ). Und auf diese Plate sollten wir an unserem "grünen Tisch" die Reede verlegt haben! Sie soll "für das Gewässer bis zur Majorlinie von Travemünde aus" das "charakteristische örtliche Merkmal" sein 30 ), und heute will man sie in Lübeck bis zur


29) Das Fahrwasser der Plate war nach Dieckelmann etwa 950 Fuß (272 m) lang und etwa 250 Fuß (72 m) breit.
30) Rörig IV, S. 4, Anm. 3, Klammer. Nach dieser Zusatzbemerkung soll mit seinem Ausdruck "Platenreede" "natürlich nicht gesagt sein, daß Archiv III die ,alte Reede' gerade auf die Sandbank der Plate selbst gelegt habe". Damit nimmt er aber zugleich die ebenso heftigen wie irrigen Erklärungen auf S. 136 seines 3. Gutachtens zurück. Inzwischen hat seine Entstellung unserer "alten Reede" sich in der Besprechung der Prozeßliteratur in den Hansischen Geschichtsblättern 32, S. 226 schon fortgepflanzt. Derlei Versehen passieren manchmal in Rezensionen, auf die Rörig sich ja so gerne beruft, als ob die Urteilsbildung seiner Leser einer Stütze bedürfte.
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schwarzen Ansegelungstonne rechnen, d. h. bis gut 1700 m vom Norderbollwerk, ja, von der Tonne an südwestlich noch weiter 31 ).

Halten wir nun mit den Angaben Diekelmanns von 1843 den bekannten Bericht des Lotsenkommandeurs Harmsen von 1828 32 ) zusammen: Nach Harmsen war die Reede, von Travemünde aus gerechnet, an der Majorlinie zu Ende; nach Diekelmann fing sie, von See her gerechnet, fast genau an der Majorlinie an. Das stimmt miteinander überein, und so wird dann wiederum durch eine neue Quelle Lübecker Herkunft bestätigt, was wir seit drei Jahren behauptet haben 33 ).

Die Reede, nämlich das Gebiet, wo die Schiffe lagen, zog sich wie ein schmales Band an der Majorlinie hin. So erscheint


31) Vgl. Archiv V, S. 97.
32) Archiv II, Jb. 89, S. 126 f.
33) Rörig (IV, S. 97, Anm. 166) meint, daß die Angaben Harmsens "auch aus dem Grunde besonders irreführend" seien, weil das dabei gebrauchte Meilenmaß die Seemeile ist. Also wenn jemand z. B. schon nach Celsius rechnet, während andere noch Reaumur bevorzugen, so sind seine Angaben "besonders irreführend". Ebenso unrichtig ist Rörigs weitere Behauptung, daß die von ihm vorgebrachten Aktennotizen über die Lotsenfischerei von 1827 gegen unsere Auffassung des Harmsenschen Berichtes sprächen. Die Lotsen selbst nämlich erklärten, daß "wenigstens das Aufziehen der Netze von den Lotsen beim Zurückfahren von der Reede ohne irgendeinen namhaften Zeitverlust betrieben werden" könne, und die Wette schrieb, die Lotsen würfen die Netze aus, wenn sie den Schiffen entgegenfahren sollten, und zögen sie ein, wenn sie von der Reede zurückführen. Hierzu meint Rörig: Wenn wir recht hätten, "müßte die Reede näher dem Lande zu liegen als die Fangplätze"; das Gegenteil bezeugten die Akten. Wirklich? Wir wissen doch, daß die Lotsen gar nicht auf der Reede fischten, sondern auf dem Steinriff vor dem Brodtener Ufer, jenseit des Möwensteins (Archiv II, S. 126; Rörig III, S. 78). Die Fangplätze lagen also nicht etwa zwischen Reede und Travemündung, sondern die Lotsen mußten von der Reede aus immer einen Umweg machen, um zu den Fangplätzen zu gelangen, und den hierdurch verursachten Zeitverlust veranschlagten sie natürlich in ihrem eigenen Interesse "wenigstens" für die Aufziehung der Netze so gering wie möglich. Auch in dem Wettebericht von 1827 bedeutet demnach das Zurückfahren von der Reede keineswegs: direkte Fahrt Reede - Travemünde, sondern es ist der Umweg eingerechnet, und ob die Reede vor oder hinter der Majorlinie lag, ist aus diesen Aktenstellen gar nicht zu entnehmen.
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sie auch auf den Wohlerschen Skizzen 34 ). Noch auf den Admiralitätskarten von 1873 bis 1887 liegt ja an der Majorlinie ein Anker 35 ). Und die Grenzlinien Badehaus - Kirchturm und Kirchturm - Leuchtturm, die die Schiffe davor bewahren sollen, im Norden dem Steinriff, im Süden den abfallenden Tiefen vor der Küste zu nahe zu kommen, passen für das Gebiet auf und vor der Majorlinie am allerbesten.

Nicht unsere Kartenskizze in Archiv V ist "nach jeder Richtung hin unbrauchbar" 36 ), sondern die Hagensche Karte gibt ein ganz verkehrtes Bild, weil die Ankertiefen, die auf ihr gut 300 m hinter der Majorlinie von 1810 liegen, noch vor diese gehören und weil der blaue Grenzstrich in 1850 m Entfernung vom Norderbollwerk gelöscht werden muß 37 ).

Aus der bandförmigen Schmalheit der Reede erklärt sich auch die von Rörig (III, S. 144) mitgeteilte Stelle in der Eingabe der Schlutuper Fischer vom 8. November 1825. Wir haben über diese Eingabe ebensowenig wie über irgendeine andere Quelle "möglichst" hinweggesehen, wie Rörig 38 ) behauptet, sondern haben in Archiv III (Jb. 90, S. 166 f.) versucht, sie, in Übereinstimmung mit dem sonstigen Material, zu deuten. Allerdings wohl nicht richtig; denn mit der Reede der Eingabe sind schwerlich, wie wir annahmen, Reede und Außenreede zusammen gemeint. Sondern wenn es in der Eingabe heißt:

"Schon das Besichtigungs-Protokoll vom 26ten August theilt die ganze Strecke vom Blockhause bis Harkenbeck in zwey Theile, wofür die Rhede den Abschnitt macht; von ihr an nämlich bis Harkenbeck, und wieder von ihr bis zum Blockhause",


34) Kartenbeilagen I und II zu Rörig IV.
35) Archiv V, S. 94.
36) Rörig IV, S. 82.
37) Wenn Herr Stabsingenieur Hagen es für wahrscheinlich hält, daß die Majorlinie für die Seeleute die äußerste Grenze nach Land zu gewesen sei (Rörig IV, S. 69, Anm. 104), so entgegnen wir, daß hier wiederum das entscheidende Wort "erreicht" in dem Diekelmannschen Bericht nicht beachtet ist. Auch im übrigen können wir den Grund nicht gelten lassen, den Herr Hagen für seine Meinung angibt. Freilich glauben auch wir, daß 1843 Schiffe schon auf der Majorlinie selbst verankert wurden, aber um zu sehen, ob ein Schiff vor Anker trieb, dazu brauchte man die Linie nicht. Das ließ sich auch so erkennen, und der Schiffer konnte sich dafür noch besondere Merkmale (Landmarken, die anderen Schiffe) wählen, die hier gar nicht zu berechnen sind. Und wenn man 300 - 600 m jenseit der Majorlinie war, wie wollte man dann mit Hilfe der Linie, die man noch gar nicht festzustellen vermochte, ermitteln, ob man trieb?
38) IV, S. 68, Anm. 102.
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so wird die Reede, das schmale Gebiet, das auch ein Fischerboot rasch durchfuhr, hier als Grenze zwischen den beiden Strecken angesehen. Wollte man jedoch diese Grenze genau bestimmen, so bedurfte man einer Linie, und hierzu nahm man die bekannte Reedelinie, eben die Majorlinie. Wenn man diese, von Travemünde kommend, erreichte, so war man nach der Eingabe "auf der Rhede". Das stimmte auch, doch hatte man die Reede dann auch schon fast überschritten. Und weil ferner die Eingabe besagt, es lasse "sich aber nicht genau bestimmen, wo die Rhede angehe", was ebenfalls für die Fahrt von der Travemündung her gilt, so muß auch schon ein Teil des Gebietes diesseit der Majorlinie zur Reede gerechnet sein. Will man diese unsere Erklärung der Eingabe nicht gelten lassen, so bleibt gar nichts weiter übrig, als zu unserer Auslegung in Archiv III zurückzukehren.

Wir wiederholen aus unseren früheren Gutachten, daß die "eigentliche" Reede völlig außerhalb des mecklenburgischen Gewässers lag 39 ). Hinter ihr, seewärts, war nur Außenreede. Und diese ist offenbar in den Seebüchern des 18. Jahrhunderts gemeint, in denen die Reede bei 5 - 6 Faden Tiefe angegeben wird. Nimmt man hier keine Lübecker Faden an, sondern andere beliebige, die meistens länger waren, so liegen auch die 5-Faden-Tiefen schon jenseit der Lotsen- und Leichterreede, die man 1843 "fast", d. h. fast genau an der Majorlinie "erreichte". Die Seebücher weisen eben auf dasselbe Gebiet hin, das in der "Nachricht für Seefahrer", die das Lübecker Lotsendepartement 1855 herausgegeben hat, bei 5 bis 6 (hier beliebigen) Faden als passender Ankerplatz für Schiffe genannt wird, die nachts ohne Lotsenhilfe ankamen. Seit 1875 hat man dann aus den 5 - 6 Faden 10 - 12 m gemacht 40 ).

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Eine "Kontinuität" der Örtlichkeit können auch wir für die alte Reede bis sehr tief ins 19. Jahrhundert hinein gelten lassen.


39) Den Vorwurf einer angeblichen "Irreführung besonders schwerer Art" durch den Gebrauch des Wortes "eigentlich" (Rörig IV, S. 75, Anm. 115) haben wir ja schon Archiv V, S. 109 f. zurückgewiesen. Aber wir haben nicht zugegeben, daß das Oberappellationsgericht die Strecke zwischen Majorlinie und Harkenbeck gemeint habe. Es handelt sich um die ganze Strecke vom Blockhause an, Archiv V, S. 110. Übrigens verwendet Rörig selbst (IV, S. 99) das Wort "eigentlich" in genau demselben Sinne, in dem wir es verwendet haben.
40) Archiv III, S. 170; Archiv V, S. 90. Was übrigens mit dem Reedelicht bewiesen werden soll, das 1843 "nur bis auf die Reede"
(  ...  )
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Aber was man heute in Lübeck als Reede bezeichnet, von der Ansegelungstonne an seewärts, das ist die alte Reede nicht gewesen. Nach Rörig hätte es nun allerdings mit der "Kontinuität" nicht so ganz gestimmt. Er meint jetzt, daß "der eigentliche Ankerplatz der Reede in früheren Jahrhunderten eher etwas weiter seewärts gelegen hat als etwa um das Jahr 1800" 41 ). Wegen des sich bessernden Ankergerätes (das doch noch 1843 so wenig gut gewesen sein soll!) 42 ) sei dann der Ankerplatz weiter buchteinwärts gerückt. Aber seine chronologische Aufstellung über die "in den Jahrhunderten" angeblich abnehmenden Reedetiefen ist ja ganz irreführend und beruht im allerbesten Falle auf einem Irrtum in Manssons Seebuche von 1677 43 ). Ferner soll es bei der vermeintlichen Verrückung der Reede nach Travemünde zu auch eine Rolle gespielt haben, daß die Majorlinie sich allmählich in westlicher Richtung verschob 44 ). Über den Sinn der Majorlinie haben wir uns schon oben geäußert: Es kommt auf die Ankertiefen an, die man bei dieser Peilung hatte. Daher ist der Wert der Linie zeitlich begrenzt gewesen.

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(  ...  ) reichte (Rörig IV, S. 70, Anm. 108), wissen wir nicht. Herr Hafenkapitän Murken schätzt die Reichweite des Lichtes auf 2 - 3 Seemeilen. Worauf beruht dies? Jedenfalls kann das Licht unseretwegen gerne über die ganze Bucht hingeleuchtet haben. Wenn Schiffe des Nachts vor Anker gingen, werden sie ja auf der Außenreede geblieben sein. Und ob sie dann bei 5 - 6 Faden oder weiter draußen lagen, ist völlig gleichgültig.
41) Rörig IV, S. 99.
42) Rörig IV, S. 100, Anm. 174.
43) Vgl. Archiv III, S. 141; Archiv V, S. 120. Wenn die deutschen Bearbeitungen des Seebuches die Tiefenangaben berichtigt haben, so ist hieraus niemals zu schließen, daß der Ankerplatz früher weiter östlich gewesen sei, was schon an sich so unwahrscheinlich wie möglich ist. Seekarten will Rörig bei seiner Aufstellung nicht berücksichtigen (IV, S. 99, Anm. 172). Aber gegen Mansson spricht auch der Text des Werkes von Waghenaer, das ja noch etwa hundert Jahre älter ist (Archiv III, S. 132). Sodann stehen die Mitteilungen über Ankertiefen von 1801 und 1843 zu den Angaben der Segelbücher des 18. Jahrhunderts deswegen in keinem Verhältnisse, weil sie die Lotsenreede, nicht auch die Außenreede, betreffen. Und wie wäre es, wenn Rörig in seine Aufstellung noch die Bemerkung bei Behrens von 1829 (5 - 10 Faden, wobei die ganze Außenreede mitgerechnet ist, Archiv V, S. 102, Anm. 99) einfügte und die Angabe von 1855 (5 - 6 Faden) sowie die spätere von 1875 (10 - 12 m) hinzusetzte? Dann hätte er keine abfallende Skala für seine Ankertiefen, sondern eine auf- und absteigende!
44) Rörig IV, S. 100.
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II. Reede beim Leuchtenfeld und Fall von 1792.

Der "kleinen Reede", nämlich der Flußreede, die wir 1923 gewittert haben und die es tatsächlich gegeben hat, wird jetzt von Rörig eine Bedeutung beigelegt, die ihr im Verhältnisse zur Seereede schwerlich zukommt. Sprach man allgemein von der "Reede", so hatte man wahrscheinlich die "Große Reede", die Seereede, im Auge. Wir wollen aber auf die Quellen von 1547, 1616 und 1670, die wir in Archiv II (Anm. 188) vorgebracht haben und mit denen Rörig sich noch einmal beschäftigt, nicht mehr näher eingehen; zumal da seither soviel neues Material über die Reede vorgelegt worden ist, daß wir ihre Lage ohnehin wissen 45 ).

Auch Kühn hat ja in seiner Arbeit über den "Geltungsbereich des Oldenburgisch-Lübeckischen Fischereivergleichs von 1817 und die Travemünder Reede" auf eine beim Leuchtenfelde liegende Seereede geschlossen, und zwar aus den Ortsbestimmungen, die in Akten von 1731 vorkommen, wonach Lübeck beschlagnahmte Niendorfer Fischergeräte wieder ausliefern wollte 46 ). Rörig wendet sich gegen Kühn in längerer Polemik 47 ). Wir stellen


45) Der neuen Auslegung der Quelle von 1547 bei Rörig IV, S. 73, Anm. 112, können wir uns nicht anschließen. Unsere Deutung (Archiv II, S. 102, Anm. 188; Archiv III, S. 120, Anm. 15) paßt viel zu gut zu allem übrigen. Bei ihr ist auch der Lübecker Strand von der Brodtener Grenze an eingeschlossen. Der Zöllner Tydemann wollte gewiß sagen: vom Möwenstein an. Die Quelle von 1616 spricht von einer Reede beim Blockhause, das außerhalb der Travemündung lag. Doch mag diese Quelle zweifelhaft bleiben. 1670 handelte sichs um eine Tonne, die auf der Reede beim Leuchtenfeld lag, nach Rörig auf der Muschelbank innerhalb der Flußmündung. Da aber die Wohlerschen Karten von 1788 und 1801 (Kartenbeilagen I und II zu Rörig IV) wohl die Muschelbank zeigen, aber keine Tonne darauf, sondern nur Tonnen außerhalb der Flußmündung, so ist nicht wahrscheinlich, daß es 1670 eine Tonne auf der Muschelbank gab. Denn die Seezeichen hat man mit der Zeit vermehrt, nicht vermindert. Das Ein- und Auslaufen in den "See-Haven zu Travemünde" aber kann sich recht gut auf die Flußmündung beziehen, und man braucht es damit nicht so haargenau zu nehmen. Interessant ist, daß Rörig (IV, S. 74, Anm. 114) den Standpunkt: "quod non est in actis, non est in mundo" verwirft. Auch wir vertreten ihn nicht. Aber dann fallen auch wohl die Äußerungen Rörigs (I, S. 18) über die Fischerei der Niendorfer weg.
46) Kühn, S. 9 und 31. Dazu Archiv V, S. 86.
47) Rörig IV, S. 75 ff.
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dazu folgende Frage: Ist es wahrscheinlich, daß der Lübecker Senat mit seinen Worten "außerhalb Travemünde auf dortiger Rhede der Gegend des Leuchtenfeldes" 48 ) die doch unmittelbar bei Travemünde gelegene Flußreede gemeint hat? Tatsache ist, daß das Domkapitel von vornherein die Rückgabe auf der See forderte und daß die Rückgabe auf der See erfolgt ist. Wer sich in die von Kühn und Rörig vorgebrachten Ortsbestimmungen vertiefen will, wird uns zugeben, daß Rörig die Kühnsche Ansicht nicht widerlegt hat und daß nicht der geringste Grund besteht, zunächst die Absicht einer Auslieferung der Geräte auf der Flußreede zu konstruieren 49 ). Dagegen spricht auch der analoge Fall von 1765. Denn hier werden ganz ähnliche Worte gebraucht: "außerhalb Travemünde in der Gegend des Leuchtenfeldes jenseit der Leuchte" 50 ). 1765 warteten die lübischen Fischer zunächst vergebens an dem Treffpunkte auf die Niendorfer, und zwar warteten sie "auf dem offenbahren Strohm, wo die Schiffe aus- und einsegelten". Hiermit ist nicht, wie Rörig meint, der Traveauslauf selbst gemeint, sondern genau dieselbe Gegend, die bei der weiteren Verabredung mit den Worten bezeichnet wird: "auf der Trave, hinter Travemünde, e regione der alten Schantze" oder, wie das Domkapitel sagte, "auf der See, der nicht weit von Travemünde belegenen alten Schantze gegenüber". Denn "Trave" ist hier dasselbe wie "Strom", nämlich das Fahrwasser, der Beginn jener "Trave von Lübeck" 51 ) (später Lübisch Fahrwasser genannt), des Fahrwassers der Lübecker Bucht 52 ). Auch in Wismar sprach man 1597 von dem Wismarer Tief, "da die Schiffe auß- und einsiegelten", womit das Tief der ganzen Wismarer Bucht gemeint ist 53 ).

Selbst gesetzt den Fall, daß mit der Reede beim Leuchtenfelde die Flußreede gemeint sei, so würde doch nichts daran geändert


48) Kühn, S. 31. In den Lübecker Akten heißt es entsprechend: "außerhalb Travemünde etwa gegen dem Leuchtenfelde über" und "auf dortiger Rheede der Gegend des Leuchtenfeldes", Rörig S. 75 f.
49) Die "dänische Reede", die nach Rörig die Flußreede ist, kann nur durch einen Irrtum in das Kapitelsprotokoll vom 29. Dezember 1731 hineingekommen sein. Es heißt ja in dem Protokoll ausdrücklich: "auf der See". Auch Rörig ist die Erwähnung der Dänenreede hier unverständlich (IV, S. 76).
50) Rörig IV, S. 77.
51) Archiv III, S. 135.
52) Rörig (IV, Anm. 119) erwähnt, daß die Fischer eine kleine Höhe am Lande erstiegen hätten, um auf die See nach Niendorf sehen zu können. Das passe nur für ein Anlegen im unteren Travelauf. Nein, das paßt viel besser für die Gegend der alten Schanze.
53) Archiv II, S. 193.
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werden, daß auch die Seereede, wie alle Quellen über sie ergeben, gegenüber dem Leuchtenfelde und nicht weit von diesem lag. Wir sind übrigens auch heute noch der Meinung, daß die bekannte Bestimmung in dem Fischereivergleich von 1610 die Seereede beim Leuchtenfeld betreffen sollte 54 ).

Aus dem Material, das Rörig über den Fall von 1792 vorlegt 55 ), ergibt sich nur, daß das Schiff tatsächlich gestrandet ist, während man in Mecklenburg annahm, es sei nur gekentert. Es hatte "südwerz" der Reede ankern wollen und befand sich nun zwischen den beiden Tonnen, die auf der Wohlerschen Karte von 1788 verzeichnet sind, nach den mecklenburgischen Akten aber jenseit der einen Tonne, so daß diese zwischen dem Schiffe und dem Ufer sichtbar war 56 ). Man vergleiche die Wohlersche Karte mit unserer Skizze in Archiv V. Dann ist klar, daß man die Schiffe auf der Reede hinter dem verunglückten, nördlich von ihm, erblicken mußte. Deswegen sagte der Strandreiter, das Fahrzeug liege "unter den auf der Rhede liegenden Schiffen", eine Angabe, die in den ganzen Akten allein wichtig ist, die aber Rörig unberücksichtigt läßt. Dabei darf man freilich das Wort "unter" nicht auf die Goldwaage legen, wie wir schon in Archiv V (S. 17) auseinandergesetzt haben.


54) Archiv V, S. 111 ff. Das Gegenteil wird durch den Wetteentscheid von 1677, den Rörig (IV, S. 92) beibringt, nicht bewiesen. Man ziehe von der Gegend des alten Blockhauses, das vor der Travemündung lag, Linien bis zur Höhe des Möwensteins und bis zur Höhe der Harkenbeck. Dann liegt ja auch im Winkel zwischen den Linien die alte Reede. Und auf diesen "Strohm" kam es gerade an. Freilich umschließen die Linien auch noch ein größeres Gebiet dahinter, aber bei weitem nicht die ganze mittlere Buchtfläche bis zur Harkenbeck. Auf den Fischereistreit von 1823/35 noch einmal einzugehen, ist unnötig. Wenn Rörig unsere Erörterungen darüber nicht verstehen will, so können wir ihn nicht daran hindern. Übrigens ist unwahrscheinlich, daß die "Thurmmark" genannte Linie die Linie Kirchturm - Leuchtturm ist (Rörig IV, S. 96), die gar nicht zu dem Punkte A auf der Sahnschen Karte von 1823 paßt (Archiv III, Beilage 5 a und b). Eher könnte man an eine Linie Leuchtturm - Blockhaus denken. - Auch den zum Überflusse behandelten Strandungsfall von 1516 wollen wir nicht noch einmal besprechen.
55) Rörig IV, S. 78 f. Vgl. Archiv V, S. 85.
56) Archiv II, S. 103, Anm. 188.
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III. Reedegrenze und Hafenrecht.

Das einzige Brauchbare, das Rörig neuerdings über Reedegrenzen mitteilt, ist in seiner Anmerkung 127 enthalten. Es ist die bereits erwähnte Stelle in dem Diekelmannschen Bericht von 1843, wonach die Reede, wahrscheinlich an der Majorlinie entlang, 5/16 Meilen (gut 2300 m) breit war, mithin nördlich bis zur Höhe des Möwensteins reichte, eben der von Kühn angenommenen Reedegrenze! Dabei ist das Steinriff ganz folgerichtig außerhalb der Reede gelassen. Wie aber verhält sich der Bericht Diekelmanns zu der angeblichen Reedegrenze im Westen, dem Lot vom Brodtener Scheidepfahl auf die Peillinie Gömnitzer Berg - Pohnsdorfer Mühle? Wenn diese Lotgrenze stimmte, dann müßte die Reede ja an der Majorlinie entlang nicht 2300, sondern 5700 m breit gewesen sein!

Daß Rörig das Hafenrecht, das Lübeck bis Klützerhöved hin beanspruchte, in den Kreis der Betrachtung einbeziehen will 57 ), beruht auf unscharfer Rechtsauffassung. Das Hafenrecht, das noch bis ins 19. Jahrhundert vertreten wurde, hat mit Gebietshoheit nichts zu tun, wie wir schon in Archiv II bemerkt haben, wo auch die Stellung Lübecks zu den mecklenburgischen Klipphäfen im 16. Jahrhundert und früher berührt ist 58 ). Niemals haben die Städte dort, wo sie ein Hafenrecht verlangten und auch gelegentlich gewaltsam betätigten, zugleich eine Gebietshoheit in Anspruch genommen, ebensowenig natürlich in Hinsicht auf den Umkreis des Marktzwanges. Das ergibt sich ja auch schon aus dem von Rörig Mitgeteilten. Verschiedentlich haben die Herzöge das Hafenrecht durch Verordnungen geschützt, und eben dort, wo es galt, haben sie die Strandhoheit besessen und gehandhabt.

Nun aber will Rörig aus einem Fall von 1747 auf eine bestimmte Reedegrenze schließen. Damals wollte ein Holzhändler am mecklenburgischen Strande Holz einschiffen. Der Travemünder Stadthauptmann erbat sich deswegen von der Kämmerei Bescheid


57) Rörig IV, S. 85 ff.
58) Archiv II, S. 60 ff. Auch die von Rörig angeführten Fälle von 1739 haben wir, soweit unser Material reicht, in Archiv II, S. 183, Anm. 335 (vgl. Archiv IV, Jb. 91, S. 43 Anm. 72) erwähnt.
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und bemerkte: "Die Gegend, wo die Einschiffung geschehen soll, ist nach Aussage des Lotsen Turban zwischen Schwansee und Harkensee, eine starke halbe Meile von hier. Vermuthe also, daß selbige Distence hinter unsere Reede-Gräntze ist, und wir nicht gegen selbige Abschiffung opponieren können." Wenn man unter Harkensee hier den Hof Harkensee versteht, so muß das Schiff jenseit der Harkenbeck gelegen haben. Nahm aber der Stadthauptmann, der doch die Örtlichkeit kennen mußte, die Harkenbeck als Reedegrenze an, warum "vermutete" er dann nur? Warum gewann er aus der Feststellung, daß die Einschiffung hinter der Bachmündung geschehen sollte, keinen Anhalt? Wir können uns das nur so erklären, daß er eine bestimmte Grenze gar nicht im Auge hatte, sondern nur ungefähr bis zum Buchtende rechnete. Und dasselbe entnehmen wir aus dem dazu gehörigen Promemoria des Syndikus Dr. Krohn, worin es heißt: "daß die Stadt Lübeck nach der Mecklenburgischen Seite hin ihre Ufer und Rehde biß auf Rosenhagen, Dankendorf und Harkensee hin prätendiere; infolglich auch der Orthen wohl kein Löschplatz gestattet habe". Warum erscheint hier ebenfalls nicht die Harkenbeck? Und wie konnten die Meinungen des Stadthauptmannes und des Dr. Krohn auseinandergehen, wenn eine bestimmte Grenze vorhanden war? Der Dr. Krohn hatte eine Vorstellung davon, daß irgendwo am Ende der Travemünder Bucht die drei Güter lagen. Dabei liegt Dönkendorf jenseit der Harkenbeck, weit landeinwärts von Schwansee, und es grenzt ebensowenig wie das eigentliche Harkensee an die Küste.

Wir können aus diesen Angaben nur schließen, daß man keineswegs eine festgelegte Reedegrenze hatte. Und daß Rörig für die Harkenbeckgrenze nun gar noch die Bemerkung des Buchwaldschen Gutsschreibers in dem Falle von 1739 heranziehen will, beruht auf einer ganz falschen Auslegung seiner Quelle. Der Schreiber wollte ursprünglich am Johannstorfer Strande löschen, also in dem zwischen Lübeck und Mecklenburg strittigen Dassower See, dann, als dies abgeschlagen wurde, binnen dem Travemünder Hafenbaum oder bei Harkensee. Aber er lehnte es ab, an Lübeck eine Gebühr zu zahlen, wenn seine Leute "am Harkenseer Strande, als unstreitig mecklenburgischer Seite löschen würden; die Lübecker seien ja nicht Herrn der gantzen Ostsee und von dem Mecklenburger Strande" 59 ). Und hierzu bemerkt Rörig, daß die Löschung "bei Harkensee, also jenseits der Reede" habe stattfinden sollen und daß den Worten des Schreibers die An-


59) Rörig IV, S. 87.
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schauung zugrunde liege: "bis zur Harkenbeck sind die Lübecker tatsächlich Herrn, zwar nicht der Ostsee, aber der Reede; von der Harkenbeck an ist aber ,unstreitig Mecklenburger Seite'" 60 ). Nun gibt es jedoch, wie Rörig wenigstens aus unseren Gutachten hätte wissen können, überhaupt keinen eigentlichen Harkenseer Strand, sondern dieser ist gleichbedeutend mit dem von Rosenhagen, das früher als Meierei mit Harkensee verbunden war. Der Schreiber wollte also am Rosenhäger Strande löschen, vor der Harkenbeck, und er sagte genau das Gegenteil von dem, was Rörig ihm zuschiebt. Er bestritt Lübeck ein Recht auf das Gewässer vor Rosenhagen.

Auch in dem Falle von 1739 erscheint also die Harkenbeck durchaus nicht als Grenze, und sie ist auch nie etwas anderes gewesen als eine praktische Fischereischeide. Nur deswegen kommt sie in dem Fischereiprozesse von 1823 als Reedegrenze vor, nämlich als Grenze für die Reedefischerei. Für die Schiffahrt konnte sie gar keine Rolle spielen, weil sie für eine Peilung von See her aus weiterer Entfernung ungeeignet ist.

Wenn man in dem Falle von 1747 das Hafenrecht zunächst nicht bis Klütz ausdehnen, sondern so weit beschränken wollte, wie man ungefähr die Reede rechnete, d. h. ungefähr bis zum Ende der Travemünder Bucht, so läßt das noch nicht den Schluß zu, daß man, wie Rörig meint, jetzt plötzlich das Hafenrecht auf gebietsrechtliche Grundlage zu stellen gedachte. Um so weniger, als man offenbar eine bestimmte Grenze nicht anzugeben wußte. Wären aber die Worte in dem Promemoria des Dr. Krohn, wonach die Stadt Lübeck "ihre Ufer und Rehde biß auf Rosenhagen, Dankendorf und Harkensee hin prätendiere", in gebietsrechtlichem Sinne auszulegen, was sollte dann wohl eine solche Prätention beweisen? Wir wissen doch, daß das "Ufer" Mecklenburg gehörte, wissen, daß Mecklenburg die Strandhoheit innehatte, wissen schließlich, daß die Staatspraxis Lübecks im 19. Jahrhundert dieser Prätention widerstreiten würde.

Wir haben vorhin von einer unscharfen juristischen Auffassung gesprochen. Ein weiteres Beispiel hierfür erblicken wir in der unfaßbaren völkerrechtlichen Deduktion Rörigs auf S. 84, wonach den Lübeckern, vorausgesetzt, daß die von Rörig abgegrenzte Reede "im weiteren Sinne" Eigengewässer wäre, fast die ganze innere Lübecker Bucht, ja, wollte man den Gedanken zu Ende führen, die ganze Lübecker Bucht zukommen müßte. Ferner


60) Rörig IV, S. 90.
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will Rörig offenbar aus der "Befehlsgewalt der Lotsen auf der Reede" einen Schluß auf Lübecker Gebietshoheit ziehen. Er beruft sich darauf, daß 1765 ein Lotse auf einem Schiffe etwas "befohlen" habe 61 ). Jedermann aber weiß, daß der Lotse an Bord das Kommando führt und befehlen darf; er muß dies auch, weil er für das Schiff die Verantwortung trägt. Mit Gebietshoheit hat das nichts zu tun.

Unklar ist, was Rörig eigentlich mit dem Nebelsignal bei Schwansee beweisen will. Er meint, Mecklenburg habe "nur insoweit etwas damit zu tun" gehabt, "als seine Genehmigung zur Aufstellung der für das elektrisch betriebene Signal notwendigen Baulichkeit auf dem Ufer selbst" eingeholt worden sei 62 ). Die Ministerialakten ergeben, daß das Reich, das übrigens seither das ganze Travemünder Lotsenwesen übernommen hat, die Anlegung des Signals verlangte. Die mecklenburgische Regierung hat bei der Erwerbung des Grundstückes auf dem Lande, das in privatem Eigentum stand, im Einvernehmen mit Lübeck mitgewirkt. Als das Signal fertig war, ersuchte der Reichsverkehrsminister das Ministerium um Erlassung einer Polizeiverordnung zum Schutze des Unterwasserschallsenders, "da der vor Schwansee liegende Sender auf Mecklenburger Gebiet liegt". Diese Verordnung ist am 22. September 1925 (Regierungsblatt Nr. 56) veröffentlicht worden, und zwar natürlich gerade zum Schutze der Anlage in See, nämlich des Senders und des zu ihm führenden Kabels.

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Zum Schlusse eine Bemerkung, die sich auf das Barbarossaprivileg bezieht. Wir sind darauf aufmerksam gemacht worden, daß "usque in" im Sinne von "usque ad" nicht erst im mittelalterlichen Latein vorkommt. Vgl. Thielmann, Wölfflins Archiv für lateinische Lexikographie, Jahrgang 6, S. 469 ff. Danach ist Lukrez der erste, der beide Verbindungen gleichwertig gebraucht.

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61) Rörig IV, S. 72, Anm. 110.
62) Rörig IV, S. 85, Anm. 142.
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Schlußwort.

Der Prozeß um die Travemünder Bucht ist beendet. Nur ungern haben wir uns entschlossen, das vorstehende Erachten noch abzudrucken; denn wir glauben, daß unsere Leser von den Erörterungen über die Reedelage nachgerade genug hatten. Weil jedoch alle Gutachten Prof. Dr. Rörigs veröffentlicht sind, so konnten wir mit unserer letzten schriftlichen Erwiderung nicht gut anders verfahren.

Unterm 14. Juni 1928 hat Rörig ein Schluß-Erachten herausgegeben: Nochmals mecklenburgisches Küstengewässer und Travemünder Reede, V. (Schluß-) Teil: Ausübung und Abgrenzung von staatlichen Rechten an der Uferstrecke Priwall - Harkenbeck in alter und neuer Zeit 63 ). Weil diese Schrift erst am 23. Juni in Schwerin einging, konnte von mecklenburgischer Seite nur noch mündlich während der Hauptverhandlung vor dem Staatsgerichtshofe am 6. Juli 1928 darauf erwidert werden. Von einer ausführlichen Entgegnung sehen wir hier im Jahrbuche ab. Im allgemeinen kann auf unsere früheren Arbeiten verwiesen werden. Nur zu folgenden Punkten sei einiges bemerkt:

1. Auf S. 2 führt Rörig einen Satz aus dem Urteil des Oberappellationsgerichts von 1825 an, worin die Anwendung des Niendorfer Vertrages von 1817 auf den Lübecker Fischereistreit von 1823 abgelehnt und gesagt wird, "daß von Rechtsverhältnissen, die für einen Bezirk in der See jenseits des Möwensteins und der Harkenbeck festgestellt sind, kein Schluß auf dasjenige zu machen ist, was innerhalb dieses Bezirkes beobachtet werden muß". Dieser Satz ist für Rörig von grundlegendem Werte, hat aber nicht den Sinn, in dem er ihn versteht. Keineswegs soll der Satz besagen, "daß bis zur Harkenbeck grundsätzlich andere Rechtsverhältnisse bestehen als jenseits der Harkenbeck oder irgendwo an der holsteinischen Küste". Sondern er bezieht sich darauf, daß die Schlutuper Fischer die Bestimmung des Vergleichs von 1610, wonach die Travemünder hinter ihnen "herfischen"


63) Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde, Band XXV, Heft 1.
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sollten, so auslegten, daß die Netze der Travemünder nicht im Gebiete der Wadenzüge, sondern nur dahinter, im mittleren Buchtgewässer ausgestellt werden dürften; hierbei beriefen sie sich auf eine zu ihrer Auslegung passende Bestimmung des Niendorfer Vertrages. Dies sollte der fragliche Satz des Urteils zurückweisen. Es handelt sich in ihm also lediglich um die Deutung dessen, was der Vergleich von 1610 über das Verfahren bei der Fischerei vorschrieb, nicht aber um eine gebietsrechtliche Beurteilung der Wasserfläche vor der Küstenstrecke Priwall - Harkenbeck.

2. S. 5 meint Rörig, es sei doch einleuchtend, daß Strandreiter "Hoheitsrechte nur auf dem mit Wasser überspülten Boden, solange sie körperliche Berührung zu ihm haben", ausüben könnten. Wir haben ja aber in Archiv II 64 ) genügend Fälle nachgewiesen, in denen das Strandrecht mit Hilfe von Booten, also ohne körperliche Berührung mit dem Meeresgrunde, gewahrt wurde. Das Wort "Strandreiter", wofür auch die Bezeichnung "Strandvogt" vorkommt, hat mit einem Hineinreiten ins Wasser, einer "Reitgrenze" des Strandes natürlich nichts zu tun, sondern leitet sich aus dem Umstand ab, daß die Strandreiter die ihnen zugewiesenen Strandstrecken abritten, um festzustellen, ob sich Strandungen ereignet hatten. Bei der Bergung selbst sind immer Bauern oder dergleichen Leute zugezogen worden. Zu dem Fall von 1660 bemerkt Rörig (S. 9 f.), daß wir die seiner Meinung nach wichtigsten Sätze in dem Schreiben des Travemünder Vogtes, wovon wir 1925 eine Abschrift vom Lübecker Archiv erhalten haben, nicht berücksichtigt hätten. Es heißt da, daß die Mecklenburger mit Güte oder Gewalt zurückzuweisen seien, wenn sie von den beiden vor Rosenhagen verunglückten Schiffen etwas abholen wollten. Aber wir haben ja in Archiv II 65 ) auseinandergesetzt, daß die Städte ein landesherrliches Strandrecht überhaupt nicht anerkannten und daß Lübeck in diesem besonderen Falle noch hervorhob, es seien die Schiffe nicht an den Strand gekommen, sondern im tieferen Wasser gesunken. Es war also vollkommen logisch, daß man Bergearbeiten der Mecklenburger nicht dulden wollte. Darin liegt kein Anspruch auf Gebietshoheit. In Archiv II haben wir den Fall überhaupt nur wegen der angeblichen "Reitgrenze" des Strandes behandelt; im übrigen hat er gar keine Bedeutung. Es ist auch ganz gleichgültig, ob die Schiffe in einer Tiefe von 3 Faden oder von 14 Fuß (4 m) lagen. Denn


64) Jahrbuch 89.
65) Jahrbuch 89, S. 108 ff.
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bei 4 m war auch schon fahrbare See, wie denn die Wismarer Reede bei Hoben nur 4 - 4 1/2 m tief war.

Es bleibt immer ein großer Unterschied zwischen mecklenburgischem Strandrecht und Lübecker Bergearbeit, die nichts weiter war als die Betätigung eines allgemeinen Schifferrechtes, das die Städte überall am Strande in Anspruch nahmen. Hierfür haben wir eine ganz unzweideutige Erklärung Lübecks aus demselben Jahre 1660 angeführt 66 ). Daher können auch die neuerdings von Rörig (S. 13, Anm. 17 f.) beigebrachten Fälle von 1798, 1801 und 1806 auf sich beruhen bleiben.

Übrigens ist das von den Seestädten vertretene Schifferrecht, selbständig zu bergen, in der mecklenburgischen Regiminalverordnung über das Strandungswesen von 1834 anerkannt worden; denn es wird darin bestimmt, daß den Schiffern keine Hilfe aufgedrängt werden dürfe 67 ). Und schon im 16. Jahrhundert wird eine Einschränkung des Strandrechtes bekundet, indem 1597 ein im Wismarer Hafenprozeß vernommener Zeuge aus Tarnewitz angab, daß gestrandete Schiffe nicht arrestiert würden, wenn die Schiffer sie zwischen Sonnen-Aufgang und -Niedergang selber losmachen könnten.

3. Bei der Besprechung des Fahrrechtsfalles von 1615 sollen wir die von Rörig S. 15 angezogene Quellenstelle nicht berücksichtigt haben. Die Stelle kommt jedoch in Jahrbuch 89, S. 114, klar zum Ausdruck. Gerade die Frage nach der Landrührigkeit, um die sichs hier handelt, haben wir eingehend erörtert. Nun teilt Rörig mit, daß an dem Orte, wo der Travemünder Bootsmann 1615 den Leichnam gefunden habe, das Wasser nach einer Ortsbesichtigung vom 2. Januar 1616 einen Faden und eine Elle (2,30 m) tief gewesen sei. Diese Örtlichkeit müsse nach unserer Theorie zum Strande gehört haben. Also eine Ortsbesichtigung vom 2. Januar 1616, nachdem der Fall sich im Juli 1615 ereignet hatte. Sollte der Lübecker Rat von dieser Tiefe schon 1615 etwas gewußt haben, so würde sich die Form seines damaligen Schreibens an den Herzog, das nichts weiter ist als ein Entschuldigungsschreiben, hieraus am besten erklären. Im übrigen ließ sich über die Strandgrenze immer streiten. Rörig meint bei dieser Gelegenheit, wir hätten die Ausdehnung des Strandes bis zur schiffbaren Meerestiefe lediglich den Fragen entnommen, die 1616 den Zeugen im Fischreusenstreit vorgelegt seien. Das ist ein großer Irrtum.


66) Jahrbuch 91, S. 59, Anm. 115.
67) Vgl. v. Gierke, Jahrbuch 90, S. 106.
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4. S. 34 f. glaubt Rörig den Nachweis Kühns 68 ), daß die Niendorfer Fischer von jeher an der Westküste der Travemünder Bucht bis zum Traveauslauf gefischt haben, durch ein Schreiben des Domkapitels von 1731 entkräften zu können, in dem es heißt, daß die Niendorfer "gegen den lübeckischen Strand nicht kommen". Er berücksichtigt aber nicht die Ausführungen Kühns 69 ), wonach hier der Strand von Scharbeutz in der Niendorfer Wiek gemeint ist. Scharbeutz gehörte dem Hospital zum Heiligen Geist in Lübeck.

Vignette

68) Der Geltungsbereich des Oldenburgisch-Lübeckischen Fischereivergleichs von 1817 und die Travemünder Reede. Vgl. Jahrbuch 91, S. 50 ff.
69) Kühn S. 7 f.
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IV.

Friedrich Ludwig
Erbgroßherzog
von Mecklenburg=Schwerin
1778 - 1819

von

Hugo Lübeß.

Vignette
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Inhaltsverzeichnis.

I. Kapitel: Friedrich Ludwigs Jugend (1778 - 1796) 205
II. Kapitel: Erste Ehe und erste politische Tätigkeit (1796 - 1803) 210
III. Kapitel: Die Zeit des dritten Koalitionskrieges. Der Franzoseneinfall 1806 und der Aufenthalt in Altona 1807 226
IV. Kapitel: Beitritt Mecklenburgs zum Rheinbunde; Fürstentag zu Erfurt (1807 - 1808) 241
V. Kapitel: Friedrich Ludwig als Kammerpräsident und Finanzminister (1806 bzw. 1808 - 1819) 248
VI. Kapitel: Jahre des Friedens; zweite Heirat (1808 - 1812) 267
VII. Kapitel: Die Kriegsjahre 1813 - 1815 und die letzten Jahre 1816 - 1819 276

 

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Die Arbeit ist von der philosophischen Fakultät der Universität Rostock als Dissertation angenommen.

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Ungedruckte Quellen.

  1. Mecklb.-Schwer. Geh. und Haupt-Archiv zu Schwerin (= AS): Kabinettsablieferungen (= Kab. Vol.), Res externae usw.
  2. Großh. Mecklb.-Schwer. Haus-Archiv im Geh. und Haupt-Archiv zu Schwerin (= HausAS): Litterae, Varia usw.
  3. Großh. Mecklb.-Strelitzsches Haus-Archiv im Haupt-Archiv zu Neustrelitz: Briefe Friedrich Ludwigs an Erbprinz Georg (= An Georg), Tagebuch Georgs.
  4. Ratsarchiv zu Rostock: Ratsprotokolle.
  5. v. Plessensches Familienarchiv in Kurzen-Trechow i. M.: (= Plessen-Archiv).

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Alle Schreiben Friedrich Franz' und Friedrich Ludwigs ohne Ortsangabe stammen aus Ludwigslust. Alle Schreiben der Kammer und der Regierung und einzelner Beamten beider ohne Ortsangabe stammen aus Schwerin. Andere Ursprungsorte sind genannt.

Die Briefe Friedrich Ludwigs an Familienmitglieder und an Erbprinz Georg sind im Original, an Zar Alexander, König Friedrich Wilhelm III., Napoleon, fremde Diplomaten und Militärpersonen usw. im Konzept oder Abschrift erhalten. Die Kabinettsreskripte des Herzogs sind nur im Konzept oder Abschrift, alle Kammer- und Regierungsschreiben nur im Original erhalten. Abweichendes ist angegeben. Zitate sind in Rechtschreibung und Zeichensetzung in der Regel modernisiert.

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Wichtigste gedruckte Quellen.

  1. Publikationen aus dem K. Preußischen Staatsarchiven, 75. Band. - Paul Bailleu, Briefwechsel König Friedrich Wilhelms III. und der Königin Luise mit Kaiser Alexander I. Leipzig 1900. Darin besonders:
    a) Aus dem Briefwechsel König Friedrich Wilhelms III. mit dem Erbprinzen Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin und der Erbprinzessin Großfürstin Helene Pawlowna. 1801 bis 1803.
    b) Aufzeichnungen der Königin Luise. I: Zusammenkunft in Memel 1802.
  2. Tagebuch des Erbprinzen Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin aus den Jahren 1811 - 1813. Herausgegeben von Dr. Carl Schröder. Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 65. Schwerin. 1900.
  3. Schubert, Gotthilf Heinrich von, Der Erwerb aus einem vergangenen und die Erwartungen von einem zukünftigen Leben. Eine Selbstbiographie von ... 3 Bde. Erlangen. 1854 - 1856.

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Wichtigste spezielle Literatur.

  1. Asch, Rudolf, Mecklenburgs auswärtige Politik, insbesondere seine Beziehungen zu Preußen vom Reichskrieg gegen Frankreich (1792) bis Jena (1806). Diss. (Masch.-Schrift). Rostock 1922.
  2. Publikationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven. 75. Bd.: Bailleu, Paul, Briefwechsel König Friedrich Wilhelms III. und der Königin Luise mit Kaiser Alexander I. Leipzig 1900. Einleitung.
  3. Bailleu, Paul, Königin Luise. 2. Aufl. Berlin 1923.
  4. Balck, C. W. A., Finanzverhältnisse in Mecklenburg-Schwerin. 2 Bde. Wismar usw. 1877. Schwerin 1878.
  5. Balck, C. W. A., Zur Geschichte und Vererbpachtung der Domanial-Bauern in Mecklenburg-Schwerin. Schwerin 1869.
  6. Balck, C. W. A., Domaniale Verhältnisse in Mecklenburg-Schwerin. 2 Bde. Wismar usw. 1864. 1866.
  7. Behm, Werner, Die Mecklenburger 1813 und 15 in den Befreiungskriegen. Hamburg (1913).
  8. v. Hirschfeld, Ludwig, Friedrich Franz II., Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, und seine Vorgänger. 2 Bde. Leipzig 1891.
  9. v. Hirschfeld, Ludwig, Von einem deutschen Fürstenhofe. 2 Bde. Wismar 1896. Enthaltend (Aufsätze werden unter Einzeltitel zitiert):
    1. Band: Eine fürstliche Entlobung. Brautwerbung des Erbprinzen Friedrich Ludwig. Aus dem Tagebuch einer Hofdame.
    2. Band: Ein Staatsmann der alten Schule. Ein Thronerbe als Diplomat.
  10. Moeller, C., Geschichte des Landes-Postwesens in Mecklenburg-Schwerin. Meckl. Jahrbuch 62 (1897).
  11. Schröder, C., Caroline, Erbprinzessin von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar. Schwerin (1901).
  12. Schröder, C., Mecklenburg und die Kurwürde. Jahrbuch 80 (1915).
  13. Schröder, Carl, Tagebuch des Erbprinzen Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin aus den Jahren 1811 - 1813. Einleitung. Jahrbuch 65 (1900).
  14. Schröder, C., Die schwedische Verpfändung Wismars an Mecklenburg-Schwerin im Jahre 1803. Jahrbuch 77 (1912).
  15. Schwartz, Karl, Landgraf Friedrich V. von Hessen-Homburg und seine Familie. 2 Bde. 2. Aufl. Homburg 1888.
  16. Spreer, Malte, Fürst und Herr zu Putbus. Berlin 1886.
  17. Stuhr, Fr., Die Napoleonische Kontinentalsperre in Mecklenburg (1806 - 1813). Jahrbuch 71 (1906).
  18. Ulmann, H., Russisch-Preußische Politik unter Alexander I. und Friedrich Wilhelm III. bis 1806. Leipzig 1899.
  19. Wetzel, Paul, Die Genesis des am 4. April 1813 eingesetzten Zentral-Verwaltungsrates und seine Wirksamkeit bis zum Herbst dieses Jahres. Diss. Greifswald 1907.
  20. Witte, Hans, Kulturbilder aus Alt-Mecklenburg. 2 Bde. Leipzig 1911.

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Kapitel I.

Friedrich Ludwigs Jugend (1778 - 1796).

Friedrich Ludwig, seit 1785 Erbprinz und seit 1815 Erbgroßherzog von Mecklenburg-Schwerin, wurde am 13. Juni 1778 als ältester Sohn des damaligen Prinzen, seit 1785 Herzogs und seit 1815 Großherzogs Friedrich Franz I. geboren. Sein Tod am 29. November 1819 erfolgte noch zu Lebzeiten seines Vaters, der 1837 starb. Friedrich Ludwig bekleidete von 1806 bis zu seinem Ableben den Posten eines Präsidenten des Herzoglichen Kammer- und Forst-Kollegiums und von 1808 ab auch den eines Finanzministers. Er führte 1807/08 zu Paris die Verhandlungen wegen Mecklenburg-Schwerins Beitritt zum Rheinbunde und befehligte 1814 und 1815 die Mecklenburg-Schwerinschen Truppen. Die ersten beiden seiner drei Ehen - die 1799 geschlossene mit der dann schon 1803 verstorbenen Helene Pawlowna, Tochter des Zaren Paul, und die 1810 geschlossene mit der 1816 verstorbenen Caroline, Tochter Carl Augusts von Sachsen-Weimar, - brachten ihn mit den wichtigsten Stätten der Politik und des geistigen Lebens in Berührung. Seine dritte Gemahlin, Prinzessin Auguste von Hessen-Homburg, überlebte ihn bis 1871. Der Sohn aus seiner ersten Ehe war der spätere Großherzog Paul Friedrich. Die Tochter aus der zweiten Ehe, Helene, wurde 1837 die Gemahlin Ferdinands, Herzogs von Orleans, Kronprinzen von Frankreich.

Um die Zeit der Geburt Friedrich Ludwigs regierte Herzog Friedrich, genannt der Fromme, in Mecklenburg-Schwerin 1 ). Er war seit 1746 vermählt mit Luise Friederike, der Tochter des Erbprinzen Friedrich Ludwig von Württemberg-Stuttgart. Die Ehe war kinderlos geblieben. So war, als er 1756 nach dem Tode seines Vaters, des Herzogs Christian Ludwig II., die Regierung antrat, der 1725 geborene zweite Sohn des Verstorbenen, Ludwig, Erbprinz geworden. Es beruhte daher alle Hoffnung für die Fortdauer des herzoglichen Hauses auf diesem Prinzen. Herzog Christian Ludwig hatte noch selbst Sorge wegen der Verheiratung seines zweiten Sohnes getragen. Die Wahl fiel auf die Tochter des Herzogs Franz Josias von Sachsen-Koburg-Saalfeld, die 1731


1) Siehe Dr. C. Schröder, Die Anfänge der Regierung des Großherzogs Friedrich Franz I.: Meckl. Nachr. 1912, Nr. 125 vom 1. Juni ff.
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geborene Prinzessin Charlotte Sophie. Am 25. April 1755 wurde die prokuratorische Vermählung in Koburg vollzogen. Aus dieser Ehe erwuchsen zwei Kinder, Friedrich Franz, geboren 10. Dezember 1756, und Sophie Friederike, geboren 24. August 1758, die später die Gemahlin des Erbprinzen Friedrich von Dänemark wurde und schon 1794 starb. Erbprinz Ludwig lebte mit seiner Familie meist im Schloß zu Schwerin, während Herzog Friedrich in Ludwigslust, wo er sich 1772 bis 1776 ein großes, das heutige Schloß erbaute, residierte und ein frommes Regiment führte. Das behagte dem lebenslustigen Ludwig nicht. Er war mehr ein leidenschaftlicher Jäger und Musik- und Bücherliebhaber als geeignet und geneigt, später die Regierung zu übernehmen. Er starb schon vor seinem Bruder, am 12. September 1778, kaum ein Vierteljahr nach der Geburt seines Enkels Friedrich Ludwig. So wurde Ludwigs Sohn Friedrich Franz Erbprinz, der dann 1785 seinem Oheim, Herzog Friedrich, in der Regierung folgte. Er hatte sich am 1. Juni 2 ) 1775 in Gotha mit Luise, der am 9. März 1756 geborenen Tochter des Prinzen Johann August von Sachsen-Gotha-Roda, vermählt.

Schon bald wurde das Glück des am Ludwigsluster Hofe oder in Schwerin lebenden erbprinzlichen Paares durch die im Mai 1776 erfolgte Geburt einer toten Prinzessin getrübt 3 ). Als Prinzessin Luise ein Jahr darauf wieder von einem toten Kinde, diesmal einem Sohne, entbunden wurde, sah der Herzog mit Furcht der Zukunft entgegen, da das Schicksal des Aussterbens sich zu verwirklichen schien, das dem herzoglichen Hause schon vor wenigen Jahren gedroht hatte, als seine, des Herzogs Ehe, kinderlos blieb.

Am 13. Juni, dem ersten Sonnabend nach Pfingsten, 1778 wurde dann der lange erwartete Prinz geboren, der in der Taufe am 15. Juni die Namen Friedrich Ludwig, nach seinen beiden Gevattern, seinem Großoheim Herzog Friedrich und seinem Großvater Erbprinz Ludwig, dem Bruder des Herzogs, erhielt.

Unter der Obhut und Pflege der Mutter und der Damen des Hofes verbrachte der junge Prinz die ersten Jahre seines Lebens 4 ). Bald gesellte sich in seiner um 1 1/2 Jahr jüngeren Schwester Luise eine Gespielin zu ihm. Dieser Schwester, die am 19. November 1779 geboren wurde, ist Friedrich Ludwig bis an ihr Ende auf


2) Nicht 31. Mai, wie Wigger, Stammtafeln des Großh. Hauses im Jahrbuch 50 (1885), S. 306, angibt. Siehe C. Schröder, Beiträge zur Erziehungs- und Jugendgeschichte des Großherzogs Friedrich Franz I.: Jahrbuch 77 (1912), S. 1 ff., 71, Anm. 26.
3) Für das Folgende: AS Kab. Vol. 288.
4) Vgl. Schröder, Tagebuch des Erbprinzen Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin 1811 - 1813: Jahrbuch 65 (1900) Einleitung S. 124.
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das innigste zugetan gewesen. Die Erbprinzessin Luise gebar nach dieser Tochter noch drei Söhne und eine Tochter, Charlotte, die spätere Kronprinzessin Christian von Dänemark. Alle drei Brüder, Gustav, Carl und Adolf, überlebten Friedrich Ludwig; sie blieben unvermählt.

Ende 1783 erhielt "Prinz Fritz" den ersten geregelten Unterricht. Zu seinem Gouverneur wurde 1784 der Oberstleutnant Friedrich Wilhelm von Lützow, zu Instruktoren der Ludwigsluster Rektor M. J. Ch. Passow und dessen Bruder Josua Friedrich 5 ) und für den französischen Sprach- und den mathematischen Unterricht der Schweizer Jeanrenaud bestellt, in dessen Stunden der Grund gelegt wurde für Friedrich Ludwigs spätere, auch für damalige Verhältnisse auffallend gute Beherrschung der französischen Sprache.

Lützows Anschauungen von der Art der Erziehung des Prinzen entsprachen durchaus den pädagogischen Ansichten der Aufklärungszeit. Alle Schwächen des Zöglings glaubte er durch Vernunftgründe überwinden zu können. Ganz im Sinne Rousseaus war ihm "Natur" das oberste Leitwort seiner Erziehertätigkeit. Im Religionsunterricht sah er hauptsächlich auf praktisches Christentum unter Ausschaltung aller Unterhaltung über theologische Wortstreite. Vaterlandskunde wurde in allen ihren Gebieten ganz besonders gepflegt, immer mit dem Gedanken an die spätere Regententätigkeit des Erbprinzen.

Friedrich Ludwig hatte weder auffallend schlechte Eigenschaften, noch auffallend gute, noch zeigte er eine besondere Talentierung auf irgend einem Gebiete der Wissenschaft oder Kunst. Er war äußerst lernbegierig, wo es ihm nur einigermaßen leicht gemacht wurde. Er war sehr mildtätig. Früh schon hatte er etwas Schwärmerisches an sich, das seine Gedanken oft weit vom Gegenstand des Unterrichts abgleiten ließ. Seine Flüchtigkeit und Unbeständigkeit bei den Arbeiten tadelten die Instruktoren besonders, die aber wieder sehr erfreut darüber waren, daß er Anwandlungen von Stolz über seine Stellung nur selten zeigte.

Nachdem am 30. September 1792 die Konfirmation des Erbprinzen - 1785 war Herzog Friedrich gestorben und Erbprinz Friedrich Franz Herzog geworden - stattgefunden hatte, bezog er Anfang Oktober desselben Jahres unter Leitung seines Gouverneurs von Lützow die Universität zu Rostock. Er hörte hier teils als Privat-, teils als öffentliche Vorlesungen philosophische, geschichtliche, geographische, mathematische und naturwissenschaft-


5) Über Lützow und die beiden Passow s. Schröder a. a. O., S. 124, Anm. 1 - 3.
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liche Kollegs, ferner juristische und kameralistische, staatsrechtliche und auch theologische.

Der Studiengang wurde des öfteren von Reisen unterbrochen. So besuchte man oft Neustrelitz, wenn Herzog Friedrich Franz auch dort weilte. In Strelitz regierte seit 1792 Herzog Adolf Friedrich IV. 1794 folgte ihm Herzog Carl, der Vater der Königin Luise, mit deren Bruder, dem Erbprinzen Georg, Friedrich Ludwig bald eine dauernde Freundschaft verband.

Nach Beendigung der Rostocker Studienzeit trat der Erbprinz am 2. Dezember 1795 - aus Sparsamkeitsgründen unter dem Inkognito eines Grafen von Grabow - in Begleitung Lützows eine längere "Bildungsreise" an. 6 ) Man besuchte zunächst mehrere mitteldeutsche Höfe, brachte dann im Frühjahr 1786 mehrere Wochen in Wien zu und bereiste hierauf Bayern. Die Schweiz besuchte man wegen der Kriegswirren in Westdeutschland entgegen der ursprünglichen Absicht nicht mehr, sondern kehrte schon am 18. August nach Ludwigslust zurück.

Friedrich Ludwig zeigte auf der Reise zwar einen empfänglichen Sinn für alle Schönheiten der Natur und der Kunst, aber kein eingehenderes Interesse oder etwa Begabung für ein besonderes Gebiet. Er vermerkte in seinem Reisetagebuch mit ziemlicher Aufmerksamkeit alle technischen Neuerungen, die er sah, etwa die erste Chaussee bei Lüneburg, die erste Straßenbeleuchtung in Eisenach oder die neuartige Wasserleitung in Augsburg. Bei Bauwerken zog ihn weniger die Schönheit des Stils und der Ausführung im einzelnen als die Größe und Ausdehnung an. Von den zahlreichen Werken der bildenden Kunst, die er sah, war das einzige, das ihn tiefer fesselte, die Sixtinische Madonna in Dresden. Mit gesunder Natürlichkeit verzeichnete er regelmäßig in seinem Tagebuch die Stellung der einzelnen Fürsten, deren Höfe er besuchte, zu ihrem Volke. Verehrte ein Volk seinen gerechten Herrscher, so fügte er wohl den Wunsch hinzu, daß es doch überall so sein möge. Die gute Finanzwirtschaft und weise Regierungstätigkeit des Braunschweigischen Herzogs nahm er sich für später zum Vorbild. Ein ganz besonderes Gefallen hatte er an den Fürsten, die ein einfaches Familienleben und keinen übertriebenen Luxus führten. Diese Abneigung gegen die Hofetikette hat ihn später nie verlassen. Für soziale Verhältnisse und Einrichtungen, etwa bei den Bergwerksarbeitern in Freiberg in Sachsen, in den Fürsorgeanstalten in Wien oder der öffentlichen Bücherei in Leipzig, hatte er ein offenes Auge und wünschte


6) AS Kab. Vol. 341, Reisetagebuch. Siehe auch: Schröder, Tagebuch, S. 126 ff.; dort eine eingehende Schilderung der Reise.
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solche Anstalten später auch in seinem Heimatlande begründen zu können.

Mit dem Gang, den seine Erziehung genommen hatte, war der Erbprinz in späteren Jahren, als er die Ausbildung seines Sohnes Paul Friedrich leitete, nicht immer einverstanden. So schrieb er, um dies hier vorwegzunehmen, am 4. Dezember 1816 an den Erzieher seines Sohnes, Legationsrat von Schmidt: "Bis zu dem Tage, daß mein Hofmeister mich verließ, ich war 19 Jahre alt, war ich unter steter Aufsicht und konnte nicht allein über die Straße gehen. Dies war ohne Zweck, denn ich hörte, sah und tat Manches mit doppeltem Eifer, was mir weit weniger interessant geschienen haben würde, wenn ich nicht gerade der mir darin gelegten Schwierigkeiten wegen eine doppelte Neugier daran gefunden hätte. Nachteiliger indessen als dies ist es mir geworden, daß ich dadurch nicht den Grad von Selbständigkeit erlangt habe, der dem Manne ziemt; noch heute, wenngleich ich nahe an die 40 bin, betreffe ich mich oft auf einer Unentschlossenheit, die ich Zaghaftigkeit nennen möchte und die ich nur mit Mühe überwinde. Ich glaube, daß es einem jungen Menschen vorteilhaft ist, zuweilen seine Handlungen selbst zu bestimmen und nicht immer sich von Anderen leiten zu lassen; einem jungen Prinzen scheint dies noch notwendiger, daß er aus eigener Erfahrung lerne, wie es in der Welt zugeht, und sich selbst zu führen lerne. Der Fürsten Schicksal ist es ohnehin, so oft und so viel durch die Augen Anderer sehen zu müssen. Geht er in einigen Jahren auf die Universität, so wird es selbst lächerlich gegen Andere, ihn in großer Abhängigkeit zu erhalten; und erst dann anzufangen, ihm mehr Freiheit zu gestatten, würde dann auch den Nachteil haben, daß er, unbekannt mit den Menschen und der Welt, sich in manchen Lagen und Vorkommenheiten nicht zu benehmen wissen würde. Fast alle jungen Leute, wie sie das väterliche Haus verlassen, müssen sich allein durchhelfen, und wenn nur der Fond gut ist, so gibt gerade das Alleinstehen dem Charakter eine gewünschte Festigkeit." 7 ). Der Erbprinz schrieb dies aus eigener Erfahrung. Auch gegen den zu frühen Besuch der Universität hatte er später Bedenken. "Ganz gewiß werde ich meinen Sohn nicht vor dem 20ten Jahre eine Universität beziehen lassen, den Nachteil des Gegenteils habe ich nur zu sehr an meinem eigenen Beispiele erfahren." 8 )


7) AS Kab. Vol. 334, Schmidt, Beiträge zur Lebensgeschichte usw. Erbprinz an Schmidt 4. 12. 1816. Abgedruckt bei Schröder, Tagebuch S. 124 f.
8) AS a. a. O. Ebenso 20. 12. 1815. Schröder a. a. O.
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Kapitel II.

Erste Ehe und erste politische Tätigkeit
(1796 - 1803).

Bald nach dieser Bildungsreise nahm die Erziehung des Erbprinzen durch Gouverneur und Instruktoren ihr Ende. Der Erbprinz trat nun als erwachsener Prinz in den Kreis des Hoflebens. Am 13. Juni 1797, als er das 19. Lebensjahr vollendete, wurde er volljährig und erhielt einen eigenen Hofstaat. Am 22. September desselben Jahres ernannte der Herzog den Kammerjunker Detlof Joachim von Oertzen 9 ) zum Kammerherrn und Kavalier beim Erbprinzen. Oertzen, dem damit die Aufsicht und Verwaltung des gesamten erbprinzlichen Haushalts oblag, begleitete seinen Herrn durch alle wichtigen Phasen seines Lebens. Bald entwickelte sich zwischen Beiden eine enge Freundschaft, weit über die Schranken des dienstlichen Verhältnisses hinaus. Oertzen wurde Friedrich Ludwigs Berater in allen, auch den persönlichen Angelegenheiten. An Charakter ergänzte er seinen Herrn in glücklicher Weise: er hatte ähnliche, aber wesentlich eingehendere wissenschaftliche und schöngeistige Neigungen, dabei besaß er aber mehr Tatkraft und Widerstandsfähigkeit gegenüber den Zufällen des Alltags als der Erbprinz, der leicht beeinflußbar und begeistert und ebenso leicht entmutigt und niedergeschlagen war.

Da es nötig wurde, daß sich der Erbprinz auch mit militärischen Dingen vertraut machte, verbrachte er 1797 einige Zeit in Rostock beim Regiment von Pressentin, zu dessen Generallieutenant und Chef er dann am 15. November ernannt wurde 10 ) und das fortan den Namen "Regiment Erbprinz" führte. 11 ) Friedrich Ludwig hat nie ein besonderes Interesse für militärische Angelegenheiten gehabt, hat auch deshalb, weil er selbst seine Unkenntnis auf diesem Gebiet erkannte, immer vermieden, eine


9) Siehe über ihn: Lisch-Saß, Urkundliche Geschichte des Geschlechts v. Oertzen, Band IV, Schwerin 1886 S. 163 ff. - Hofrat Prof. Norrmann (Rostock) gibt zu: J. H. Neuendorff, Die Stiftsländer des ehemaligen Bistums Ratzeburg, Rostock und Schwerin 1832, eine Biographie Oertzens. Siehe auch: Schröder, Tagebuch, S. 150, Anm. 3.
10) AS Militaria, Infant. XXXI. Regiment Erbprinz, Gen. 1790 ff.
11) AS a. a. O., Herzog an von Gluer 15. 9. 1797.
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praktisch-tätige Rolle, wie sie sonst einem Thronerben zuzukommen pflegte, zu spielen, und nur eine repräsentative eingenommen, sobald auch diese nicht zu umgehen war. So blieb auch diese Generallieutenants- und Regimentschefstellung eine reine Titelsache.

Als Friedrich Ludwig zum ersten Male, 1797, auf Einladung des preußischen Königspaares zum Karneval nach Berlin fuhr, begleitete ihn sein Bruder Gustav. In Berlin war Oberhofmeister August von Lützow, der sich dort seit einigen Jahren als außerordentlicher Gesandter des Schweriner Hofes aufhielt, der Kavalier des Erbprinzen 12 ). Während die beiden lebensfrohen Prinzen sich den Vergnügungen des Hofes widmeten, ließ der Kaiserlich Russische Staatsrat von Alopeus Lützow wissen, daß Kaiser Paul von Rußland gern seine zweite Tochter, die Großfürstin Helene Pawlowna, dem Erbprinzen zur Frau geben würde. Lützow berichtete dieses Anerbieten sofort dem Herzog 13 ), der es mit großem Wohlwollen aufnahm. Er richtete am 18. März an seinen wieder in Ludwigslust befindlichen Sohn einen Brief, in dem er ihm das Heiratsangebot mitteilte, ihm aber völlige Freiheit in seinem Entschluß einräumte, wenn er aus politischen Gründen diese Heirat auch sehnlich wünschte 14 ). Friedrich Ludwig bekam die bisher über diese Angelegenheit geführten Akten zur Einsicht. Schon am 21. März teilte er dem Herzog seinen Entschluß mit: nach reiflicher Überlegung heiße er den Plan einer Heirat mit der Großfürstin Helene gut 15 ).

Lützow hatte sich, als ihn Alopeus aufsuchte, vor allem zu dem Zwecke in Berlin aufgehalten, um die Intervention des preußischen Hofes in einer Differenz zwischen Schwerin und Stockholm zu erwirken. Für die auf wenig taktvolle Weise geschehene Auflösung des Verlöbnisses des schwedischen Königs mit der Prinzessin Luise glaubte der Herzog Anspruch auf Entschädigung erheben zu können und wünschte als solche die Rückgabe der im Westfälischen Frieden an Schweden gefallenen Stadt und Herrschaft Wismar in Form einer Verpfändung an Mecklenburg gegen Erstattung einer angemessenen Pfandsumme. Da Schweden unmittelbar nicht auf diesen Vorschlag des Herzogs einging, sollte


12) Siehe über ihn Schröder, Tagebuch, S. 161, Anm. 2.
13) AS Kab. Vol. 27, Herzog an Alopeus. Vol. 336 und 345. - HausAS Matrim. Friedrich Ludwig. - Hirschfeld, Brautwerbung des Erbprinzen Friedrich Ludwig, gibt eine eingehende Darstellung der ganzen Heiratsangelegenheit.
14) AS Kab. Vol. 336, 1799 Nr. 1 Abgedruckt bei Hirschfeld a. a. O., S. 78 f.
15) AS a. a. O. Nr. 2. Abgedr. bei Hirschfeld a. a. O., S. 79 f.
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Lützow die Hilfe Preußens gewinnen. Die preußische Regierung wies ihn aber durch Minister Graf Haugwitz an den Zaren mit dem Bedeuten, daß dieser vielleicht zur Intervention geneigter sein würde, um das Unrecht, das seine Mutter Katharina durch jene Hintertreibung der schwedischen Vermählung der Prinzessin dem mecklenburgischen Hofe zugefügt habe, wiedergutzumachen. So kam Lützow das Anerbieten wegen der Heirat sehr gelegen als Anknüpfungspunkt für Verhandlungen wegen einer etwaigen Intervention des Kaisers in Stockholm. Alopeus glaubte in dieser Sache bei seinem Herrn nicht viel erreichen zu können, meldete aber Lützows Verlangen nach Petersburg, wo man dann doch darauf einging, erfreut darüber, daß der Herzog in das Heiratsprojekt eingewilligt hatte. Zar Paul wies seinen Gesandten in Berlin, von Kalitschew, an, den preußischen Hof zu einer gemeinsamen Intervention zu gewinnen.

Alopeus machte dann Anfang Juli in Karlsbad die nähere Bekanntschaft des Erbprinzen. Wegen der Jugend der Großfürstin wurde die offizielle Werbung des Erbprinzen auf Wunsch des Kaisers noch um einige Jahre hinausgeschoben. Die Werbung sollte verabredetermaßen 1799 in Petersburg geschehen. Am mecklenburgischen Hofe erwartete man dagegen mit Ungeduld den Zeitpunkt, wo man die vorteilhafte Verbindung mit dem russischen Kaiserhause bekanntmachen könnte.

Im Mai begannen in Regensburg neue Verhandlungen zwischen Lützow und Alopeus. Dieser erhielt bald danach vom Zaren einen Brief, in dem, ohne Berührung der Heiratsangelegenheit, die Mitteilung stand, daß dem Kaiser eine Reise des Erbprinzen nach Rußland angenehm sein werde. Außerdem teilte er mit, daß er den Prinzen Carl, den Bruder Friedrich Ludwigs, zum Kapitän in einem seiner Regimenter ernannt habe und ihn mit dem Erbprinzen ankommen zu sehen hoffe.

Am 27. Januar 1799 wurde unter Lützows Leitung die Reise angetreten. Den Erbprinzen begleitete als Kavalier der Kammerherr von Oertzen, den Prinzen Carl der Obristlieutenant von Sandoz. Am 28. Februar traf man in Petersburg ein. Die Großfürstin Helene gewann sofort das Herz des Erbprinzen. Alle seine Erwartungen wurden bei weitem übertroffen. Helene war schlank und mittelgroß, von ebenmäßigen Formen. Das Gesicht war schmal, die schmale Stirn von blondem Lockenhaar umgeben. Die schönen blauen Augen gaben dem Kopfe etwas Ernstes, fast Madonnenhaftes 16 ).


16) Vgl. die zeitgenössischen Bilder, besonders im Großherzoglichen Schloß zu Ludwigslust. Siehe Hirschfeld a. a. O., S. 103.
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Im engen Familienkreise wurde am 2. März die Verlobung gefeiert, der in einigen Wochen die öffentliche Feier folgte. Der Erbprinz war schon am 1. März, einen Tag nach seiner Ankunft, zum Generallieutenant der russischen Armee ernannt. Dem Prinzen Carl war das Kommando einer Kompagnie der Leibgrenadiere übertragen worden. Bald wurde dem Erbprinzen auch ein Regiment verliehen, dessen Uniform er anlegte und für das er auf Wunsch des Kaisers einen mecklenburgischen Offizier zum Adjutanten erwählte. Der Kaiser, der der Großmeister des Malteserordens war, ernannte die beiden Prinzen, die er kaum genug mit Gnadenerweisungen überhäufen konnte, zu Ordenskommandeuren. Prinz Carl erhielt russischen Sprach- und militärischen Unterricht, da er in russischen Heeresdiensten bleiben sollte.

Lützow begann unterdessen die Besprechungen wegen des Ehevertrages mit den beiden vom Kaiser zur Führung dieser Verhandlungen Beauftragten, dem Minister des Auswärtigen Grafen Rostopschin und dem Grafen Kotschubey. Er brachte genaue Instruktionen für die Verhandlungen und auch einen Vertragsentwurf aus Mecklenburg mit. Die beiden Russen legten ebenfalls einen fertigen, schon vom Kaiser genehmigten Entwurf vor. Beide Entwürfe wichen in wesentlichen Punkten voneinander ab. Die Verhandlungen drohten sich schwierig zu gestalten. Aber nach einigen Wochen, in denen Lützow gegen seine beiden schlauen Partner oft einen schweren Stand hatte, einigte man sich. Bemerkenswert ist nur, daß unter den sechs Separatartikeln, die Lützow mit anerkannt wissen wollte, die beiden letzten die Intervention des Kaisers zu Gunsten der Einverleibung Wismars 17 ) und den Abschluß eines Handelsvertrages zwischen Rußland und Mecklenburg forderten. Über diese beiden Punkte glaubten die beiden Grafen nicht eigenmächtig entscheiden zu können und erklärten, sie dem Kaiser zur Entscheidung vorlegen zu wollen. Damit aber ließ man diese mecklenburgischen Wünsche unter den Tisch fallen.

Friedrich Ludwig konnte am kaiserlichen Hofe, einer Hochburg der großen Politik, einen ersten Blick in die Welt der großen Diplomatie tun und seine eigenen Fähigkeiten schulen und bilden. Er gewann im Grunde seines Herzens einen Abscheu gegen diese politische Welt, ganz besonders wie sie in Rußland bestand. Konnte er doch als wissender Zuschauer, der aber den Unwissenden spielen mußte, die sich schon knüpfenden Fäden der Palast-


17) C. Schröder, Die schwedische Verpfändung Wismars an Mecklenburg-Schwerin 1803: Jahrbuch 77 (1912), S. 177 ff.
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revolution erkennen. Bennigsen. die Grafen Pahlen und Subow, die Hauptverschwörer, lernte er kennen und sah, selbst machtlos, von ferne ihr Treiben. Er machte die Bekanntschaft der durch Kabalen und Intriguen gestürzten und dann auf eben solchem Wege wieder zu Ehren gelangten alten Größen und Emporkömmlinge und ihre Art, sich die Gunst des Kaisers oder seiner Günstlinge zu erschleichen. Er fühlte sich oft inmitten dieser Menschen und ihrer Machenschaften fremd und verlassen, wußte aber seine Abneigung gegen seine russische Umgebung geschickt zu verbergen und zu bemeistern. Mit der ihm eigentümlichen gewinnenden Art des Auftretens und der Unterhaltung wußte er alle Personen für sich zu gewinnen. Mit angeborenem diplomatischen Geschick verstand er es trotz seiner Jugend, allen Gefahren des kaiserlichen Hoflebens zu begegnen und, bezogen sie sich auf ihn selbst, zu beseitigen, ohne seine Gegner zu verletzen oder zu verstimmen. Neben Lützows Geschick ist es auch dem des Erbprinzen zuzuschreiben, daß die gesamte Heiratsangelegenheit durch die zahllosen Klippen der Verhandlungen und persönlichen Rücksichtnahmen auf die Mitglieder der Zarenfamilie und deren Vertraute zu einem erfreulichen Abschluß gelangte. Waren die Petersburger Monate eine außerordentlich gute politische wie persönliche Schule für den Erbprinzen, die er später nie hatte entbehren mögen, so behielt er diese Zeit doch nur in wenig guter Erinnerung. Seinem einfachen Sinn, dem ein stilles, mit den feineren Freuden ausgestattetes Familienleben mehr zusagte als laute und unpersönliche Hoffeste mit dem Zwange der Etikette, widerstrebte die russische Art zu leben.

Nachdem die Hochzeit aus verschiedenen Gründen mehrfach aufgeschoben war, fand sie am 23. Oktober 1799 im Lustschloß Gatschina statt. Mit allem herkömmlichen Pomp und strengem Zeremoniell, mit Aufbietung aller Mittel des Glanzes des reichen Zarenhofes wurde der Tag gefeiert. Die Trauung wurde in griechisch-katholischem Ritus abgehalten.

Am 2. Januar 1800 verließ dann das junge Paar aber erst Petersburg 18 ). Am 15. Februar war mit allem Aufwand, dessen die kleine Residenz fähig war, der feierliche Einzug in Schwerin und am 17. März in Ludwigslust.

Helene Pawlowna gewöhnte sich bald an das einfache Hofleben in Ludwigslust, wenn es auch zu dem unruhigen und zwang-


18) Eine genaue Schilderung der Reise usw. gibt das Tagebuch der Sophie von Camperhausen, das Hirschfeld in "Aus dem Tagebuch einer Hofdame" im wesentlichen wiedergibt.
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vollen am Zarenhofe den denkbar größten Gegensatz bildete. Die Ehe des jungen Paares wurde überaus glücklich.

Am 15. September 1800 wurde Helene ihres ersten Kindes, eines Sohnes, entbunden. Der Knabe erhielt am 26. desselben Monats in der Taufe nach seinem Großvater, Kaiser Paul, den Namen Paul mit dem Zunamen Friedrich. Paul Friedrich folgte 1837 seinem Großvater auf dem Thron, nachdem er sich 1822 mit Alexandrine, der Tochter König Friedrich Wilhelms III. und der Königin Luise, vermählt hatte.

Einer Einladung des preußischen Königspaares folgend, traf das erbprinzliche Paar am 27. Januar 1801 zum Karneval am Berliner Hofe ein 19 ). Es wurde einer der prächtigsten Karnevals am Hofe der vielbewunderten Königin. In dieser Zeit entstand jene bekannte Neigung des Königs zur schönen Großfürstin 20 ).

Hier in Berlin war es, wo Friedrich Ludwig in der Außenpolitik seines mecklenburgischen Vaterlandes eine Rolle zu spielen begann. Insbesondere die Erbprinzessin, nicht weniger auch der Erbprinz selbst, hatte dem König in solcher Weise gefallen, daß er Mecklenburg von jetzt an mehr Interesse und Rücksicht als bisher entgegenbrachte. Diese Rücksichtnahme war zum größten Teil durch Gefühlsmomente, durch freundschaftliche Empfindungen hervorgerufen. Schon als der König am 29. Januar im Schloß Monbijou dem Erbprinzen den Schwarzen Adlerorden verlieh, berührte er im Gespräch politische Fragen. Es waren nämlich einerseits in den letzten Jahren mehrfach Pläne aufgetaucht, Mecklenburg an Preußen zu geben als Ersatz für die verlorenen Gebiete auf dem linken Rheinufer. Namentlich war von französischer Seite dies in Anregung gebracht 21 ). Schon 1798 war im Laufe der Verhandlungen zwischen Lützow und Alopeus der Einfluß der eben erst erworbenen Freundschaft Rußlands dazu benutzt worden, um gegen diese Tauschpläne Einspruch erheben zu lassen. Kaiser Paul hatte damals sofort dementsprechende Weisungen an seinen Gesandten am Regensburger Reichstag ergehen lassen. Nun wurde auch Preußen, dessen rechtliebender König diesen Tauschplänen schon immer ablehnend gegenüberstand, durch Bande der


19) AS Kab. Vol. 345, Reise 1801; Vol. 19, Lützows Berichte. - Bailleu, Königin Luise, S. 128.
20) Briefe des Königs an Helene: Publikationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven, 75. Band. Paul Bailleu, Briefwechsel, S. 401 ff.: Aus dem Briefwechsel König Friedrich Wilhelms III. mit dem Erbprinzen Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin und der Erbprinzessin Großfürstin Helene Pawlowna 1801 - 1803.
21) Über andere Verhandlungen in dieser Richtung: s. Schröder, Tagebuch, S. 263 Anm.
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Freundschaft endgültig für eine Schonung Mecklenburgs gewonnen. Der König beruhigte in jenem Gespräch in Monbijou den Erbprinzen hinsichtlich dieser Gefahren für Mecklenburg. Bei dieser Gelegenheit erfuhr Friedrich Ludwig übrigens auch, daß Kaiser Paul selbst seinerzeit dem König einen Tausch Mecklenburgs, dessen Herzöge gegebenenfalls sogar Polen bekommen sollten, vorgeschlagen hatte 22 ).

Als am Ende des Jahres von neuem Tauschprojekte auftauchten, teilte der König dies dem Herzog mit. Man plane eine Vertauschung Mecklenburgs gegen Münster, Mark, Cleve, Westfalen u. a. 23 ). Sofort wandte sich Friedrich Ludwig an Kaiser Alexander, der inzwischen seinem Vater auf dem Throne gefolgt war, legte gegen diese Pläne Verwahrung ein und bat um seinen Schutz 24 ). Der Kaiser antwortete umgehend und lehnte auch von sich aus diese Pläne ab 25 ).

Die herzliche Aufnahme, die Helene am Berliner Hofe gefunden hatte, erfreute ihren Vater, Kaiser Paul, aufrichtig. Durch Verleihung des Katharinenordens an die Königin gab er seinen dankbaren Gefühlen Ausdruck. Diese freundliche Aufnahme der Großfürstin legte den Grundstein zu der späteren Freundschaft zwischen Preußen und Rußland und beseitigte die jetzt noch wegen des Zusammengehens Rußlands und Frankreichs gegen England bestehende Spannung, unter deren Druck Preußen Hannover besetzen mußte.

Bald nach der Rückkehr nach Ludwigslust erhielt Helene die Nachricht von dem Tode ihres Vaters, ohne jemals dessen nähere Umstände zu erfahren. Der russische Kammerherr, der die Nachricht von Pauls Tod nach Ludwigslust überbrachte, Wassiltschieff, berichtete dort: in einer Gesellschaft abends vor der Todesnacht habe der Zar scherzweise gesagt, die Spiegel müßten schief sein, indem sein Mund ganz schief sei. Dann habe er ein wenig über Schmerzen geklagt. Die Ärzte hätten ihm einen Aderlaß angeraten. Paul habe dies aber abgelehnt und bis auf den nächsten Morgen verschieben wollen. In der Nacht um 1 Uhr habe er laut gerufen, man habe ihn dann aber schon besinnungslos gefunden, ein Aderlaß sei schon zwecklos gewesen 26 ). Diese geschickt erdachte


22) HausAS Kurwürde, Vol. II, Austauschung, Fasz. 1794 - 1802. Friedrich Ludwig an Regierung (in Schwerin), Berlin 3. 2. 1801.
23) HausAS a. a. O., Fasz. 1801 /02. König an Herzog, Berlin 29. 12. 1801.
24) HausAS a. a. O. (Abschrift). Friedrich Ludwig an Alexander, 9. 1. 1802.
25) HausAS a. a. O. Nr. 23 a und b (Abschriften). Alexander an Friedrich Ludwig 10./22. 1. 1802 und 18./30. 1. 1802.
26) An Georg 17. 4. 1801.
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Schilderung, daß der Kaiser am Schlagfluß gestorben sei, täuschte die Erbprinzessin über die schrecklichen Einzelheiten der wahren Todesart hinweg.

Indessen wurde durch diese schlimme Nachricht eine schon lange geplante Besuchsreise nach Petersburg nicht aufgeschoben. Der neue Zar, zu dem Friedrich Ludwig eine aufrichtige Freundschaft hegte, und dem auch Helene in geschwisterlicher Liebe sehr nahe stand, lud das erbprinzliche Paar ein, trotzdem zu kommen und seiner Krönung beizuwohnen 27 ). Anfang Juni traf das erbprinzliche Paar in Pawlowsky ein. Der nun folgende ungefähr vierteljährliche Aufenthalt wurde für Mecklenburg insofern wichtig, als sich die Freundschaft des Erbprinzen mit Zar Alexander befestigte.

Auf der Heimreise - der Krönung des Zaren wohnten Friedrich Ludwig und Helene dann doch nicht mehr bei - galt ein Umweg über Potsdam hauptsächlich der Überbringung des Wunsches des Zaren nach einer Zusammenkunft mit dem König. Hierauf wird im einzelnen weiter unten eingegangen werden. Außerdem kam zwischen dem König und dem Erbprinzen Mecklenburgs Wunsch, die Kurwürde zu erhalten, zur Sprache 28 ). Seit Beginn des Jahres war der schon lange gehegte Wunsch in ein aussichtsreiches Stadium getreten, nachdem infolge der damals bevorstehenden großen Veränderungen im Reiche - u. a. die wahrscheinliche Schaffung einiger neuer Kurfürstentümer - von preußischer Seite Mecklenburg die Frage vorgelegt worden war, weshalb es sich nicht auch um eine solche Rangerhöhung bewerbe. Die verschiedensten Verhandlungen über diese für Mecklenburg sehr verlockend erscheinende Angelegenheit waren seitdem gepflogen worden. Als Lützow im April nach Petersburg geschickt wurde, um anläßlich des Todes des Kaisers Paul das Beileid des herzoglichen Hauses zu übermitteln, nahm er vom Herzog auch den Auftrag mit, mit dem neuen Zaren über die Kurwürdeangelegenheit zu verhandeln und ihn um seine Unterstützung zu bitten 29 ). Der Herzog hatte die bestimmte Absicht, einen angemessenen Gebietszuwachs oder eine dauernde hohe Geldeinnahme als Gegengewicht gegen den für die Kurwürde nötigen großen Aufwand zu verlangen. Der Kaiser lehnte die Unterstützung des Verlangens nach Gebietserweiterung ab, da er möglichst geringe Veränderungen im Deutschen Reiche wünschte. Dies brachte er


27) AS Kab. Vol. 341. Briefe von der Reise.
28) Zur Kurwürdeangelegenheit: C. Schröder, Mecklenburg und die Kurwürde: Jahrbuch 80 (1915), S. 1 ff. - AS Kab. Vol. 268. Kurwürde 1802/03, Fasz. 1 u. 2. - HausAS Kurwürde Vol. 1, Fasz. 1.
29) Schröder a. a. O., S. 10 ff.
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auch dem dann im Sommer in Petersburg weilenden Erbprinzen gegenüber zum Ausdruck. Friedrich Ludwig hatte ihm die Wünsche des Herzogs begreiflich zu machen versucht, besonders hinsichtlich des nötigen Aufwandes. Der Zar erwiderte aber auch hier, daß er gern jederzeit alles Mögliche für das herzogliche Haus tun wolle, die Forderungen wegen Gebietserweiterung aber nicht gutheißen und unterstützen könne.

Als nun Friedrich Ludwig in Potsdam war, legte er seine und seines Vaters Wünsche wegen der Kurwürde dem Könige vor 30 ). Dieser nahm die Darlegungen beifällig auf und stellte die diplomatische Unterstützung Preußens in Aussicht. Auf seine Veranlassung schrieb der Erbprinz selbst an Minister von Haugwitz, er möge mit Alopeus wegen einer Unterstützung der mecklenburgischen Wünsche von seiten Rußlands dahingehend konferieren, ob vielleicht eine gemeinsame preußisch-russische Vertretung der Sache auf dem Reichstage in Regensburg herbeizuführen sei. Der König sprach auch den bestimmten Wunsch aus, daß der Herzog doch auf jeden Fall die Kurwürde, wenn sie einmal zu erreichen sei, annehmen solle. Durch diese günstig verlaufene Unterredung mit dem König und durch die Aussicht auf preußische und russische Hilfe ermutigt, bemühte sich Friedrich Ludwig nun in der Folgezeit mit größter Betriebsamkeit und Energie, diese für das Ansehen und die Machtstellung des Herzogshauses vorteilhafte Angelegenheit zu einem positiven Ergebnis zu bringen. Durch ununterbrochene Bemühungen und durch umfangreiche Korrespondenzen warb er besonders bei den Ministern in Schwerin für seine Gedanken 31 ). Die Bearbeitung dieser Kurwürdeangelegenheit wurde völlig seine Domäne, selbst die Gesandtschaftsberichte hierüber wurden an ihn und nicht an den Herzog gerichtet, bis dieser schließlich gegen die dauernde Übergehung seiner Person Einspruch erhob. Friedrich Ludwig hatte bei der Verfechtung jener Gedanken oft Schwierigkeiten seitens seines Vaters zu überwinden. Der Herzog sah wohl die Steigerung des Ansehens und die sonstigen Vorteile bei der Erwerbung der Kurwürde ein, konnte aber aus finanziellen Gründen, da ihm der Aufwand für die Kurwürde für die schon jetzt sehr schlechten Finanzen des Landes untragbar schien, das Streben seines Sohnes nicht aus vollem Herzen billigen. Noch während der Verhandlungen in Potsdam schrieb der Erbprinz an Plessen, den mecklenburgischen Gesandten am Regensburger Reichstage, daß der Herzog immer noch nicht zur Annahme


30) AS a. a. O. Fasz. 1, Nr. 1. Friedrich Ludwig an Herzog, Potsdam 28. 9. 1801. HausAS a. a. O. Brief Nr. 7. Friedrich Ludwig an Bassewitz, Potsdam 24. 9. 1801. Siehe Schröder a. a. O., S. 22 f.
31) AS a. a. O. HausAS a. a. O. - Plessen-Archiv.
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der Kur bereit sei. Auch für ihn selbst komme eine Annahme nicht ohne Mehreinnahme von 200 000 Reichstalern in Frage. Er bestürme den Herzog dauernd, denn nur unter dem Vorwande der Kurwürde könne der Herzog die schon so lange gewünschte Entschädigung verlangen 32 ). Der Herzog ließ seinem Sohne, dessen geschickte und energische diplomatische Arbeit er immerhin loben mußte - die Politik war fast das Einzige, worin Vater und Sohn sich einig waren - , hierin aber ziemlich freie Hand. Er schrieb ihm später einmal, als es unwahrscheinlich geworden war, daß der nötige Aufwand für die Kurwürde durch Gebietserwerbungen oder Geldzahlungen wettgemacht würde: "Denn ein Kurfürst, der nachher nicht von einem Tag zum andern zu kommen weiß, wäre eine erbärmliche Sache" 33 ). Das war die Meinung des Herzogs von Anfang an. Friedrich Ludwig ließ sich dagegen, wie immer, auch hier nicht in seinen Idealen durch Finanzsorgen stören. Über die Bedenken seines Vaters setzte er sich ohne weiteres hinweg. So nahmen, von diesem nur ungern gesehen, vom Erbprinzen nur von der idealen Seite betrachtet, die Verhandlungen und Bemühungen wegen Erwerbung der Kurwürde ihren Lauf.

Friedrich Ludwig erwarb im November 1801 zum Zwecke der besseren Erfüllung der Repräsentationspflichten in Schwerin als Winterpalais das an der Ecke des Alten Gartens und der damaligen Burgstraße, heutigen Schloßstraße gelegene Haus des Hofrats Kühm 34 ), das spätere sogenannte Alexandrinenpalais.

Er hegte den Wunsch, neben diesem Stadtpalais auch auf dem Lande einen stillen und angemessenen Sommersitz zu haben, d. h. ein oder mehrere Güter, auf denen er als eigener Herr schalten und die Landwirtschaft in einem für seine spätere Regierungstätigkeit notwendigen Maße kennen lernen konnte. Er erwarb deshalb zu Anfang 1802 von dem Kammerherrn Baron von Stenglin die aus mehreren Gütern bestehende Vogtei Plüschow im Amte Grevesmühlen. Das Herrenhaus des Hauptgutes Plüschow wurde der Sommersitz des Erbprinzen 35 ). Aus der Bekanntschaft


32) Plessen-Archiv. Friedrich Ludwig an Plessen, Potsdam 14. 10. 1801.
33) AS a. a. O. Fasz. 2 Nr. 47. Herzog an Friedrich Ludwig 24. 3. 1803.
34) Stuhr, Die Burgstraße (heutige Schloßstraße) und der Burggraben in Schwerin gegen Ende des 18. Jahrhunderts: Jahrbuch 87 (1923), S. 113 f. - Für Helene wurde in Schwerin in einem dazu hergerichteten Saale des zwischen Schloß- und Klosterstraße befindlichen Hausvogteigebäudes griechisch-katholischer Gottesdienst gehalten. W. Jesse, Geschichte der Stadt Schwerin, Schwerin 1913, S. 348 f.
35) W. Josephi, Ein vergessenes mecklenburgisches Landschloß (Plüschow): Zeitschr. des Heimatbundes Mecklenburg XI (1916), S. 47 ff.
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mit der Landwirtschaft wurde zwar nicht viel, aber Friedrich Ludwig gewann im Laufe der nächsten Jahre doch so viel Verständnis für ihre Fragen, daß er später als Kammerpräsident in vielen Dingen ein sachkundiges Urteil abgeben konnte und Schäden zu erkennen und zu heilen wußte. Wie sehr auch auf diesem Gebiet die Kenntnis der Praxis vonnöten war, sollte er später oft genug erfahren, wenn er mit seinen Kammerräten, die fast nur am grünen Tisch gebildet waren, aneinander geriet. - Er verbrachte fast jeden Spätsommer in Plüschow, meist im Anschluß an den üblichen Doberaner Aufenthalt des Hofes.

Zwischen dem Zaren und dem König Friedrich Wilhelm war unterdessen die endgültige Verabredung zur Zusammenkunft in Memel getroffen worden. Am 25. Mai 1802 begab sich der Erbprinz auf die Reise dorthin 36 ).

Friedrich Ludwig und Helene haben an dem Zustandekommen der Memeler Zusammenkunft einen bedeutenden Anteil 37 ). Die Vermittlung, die sie zwischen dem Kaiser und dem König übernahmen, war der äußere Anlaß zu dem Entstehen der Freundschaft der beiden Herrscher. Die Gründe zu dieser Freundschaft waren bereits gegeben und lagen, teils in politischer, teils in persönlicher Beziehung, tiefer. Die Verehrung Alexanders für den König stammte schon aus der Kronprinzenzeit des Zaren, vielleicht auch genährt durch Erzählungen Friedrich Ludwigs während seines Aufenthalts in Petersburg zur Zeit seiner Verlobung und Hochzeit. Denn Friedrich Ludwig war ja vorher schon einige Male am Berliner Hofe gewesen.


36) Für die Memeler Zusammenkunft und ihre Vorgeschichte siehe:
an Quellen: AS Kab. Vol. 341. Memel. - HausAS Varia domest. princ. Friedrich Ludwig. (Anlage beim Tagebuch v. 1811/13, Aufzeichnungen über den Memeler Aufenthalt. Abgedruckt bei Schröder, Tagebuch, S. 130 ff.) - Bailleu, Briefwechsel S. 531 ff.: Aufzeichnungen der Königin Luise I: Zusammenkunft in Memel 1802.
an Darstellungen: Bogdan Krieger, Russischer Besuch am preußischen Hofe vor 100 Jahren, Deutsche Revue XIX (1904). 3. Bd. (S. 166 ff., 344 ff.), S. 171 f. - H. Ulmann, Russisch-Preußische Politik unter Alexander I. und Friedrich Wilhelm III. bis 1806, Leipzig 1899, S. 23 ff., 24 Anm. 2, 36 f., 36 Anm. 2 (die hier angeführten Briefe: AS Kab. Vol. 341 Memeler Reise Nr. 3 und 4). - Bailleu, Königin Luise, S. 129 ff. - Bailleu, Briefwechsel. S. XI ff.
In der angeführten Literatur das Nähere über die Zusammenkunft. Hier ist nur der Anteil Friedrich Ludwigs an ihr zu zeigen. - Besonders vgl. sein bei Schröder abgedrucktes (französ.) Tagebuch über die Memeler Tage.
37) Vgl. Krieger a. a. O., S. 353.
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Entscheidend war dann jener schon erwähnte Besuch des erbprinzlichen Paares in Berlin zum Karneval 1801. Die nach Petersburg übersandten Berichte Helenes über ihre herzliche Aufnahme durch das Königspaar wird Alexander gekannt und dadurch neue Anregungen für seine Verehrung für den König gewonnen haben.

Bald nach seiner Thronbesteigung hatte er mit dem König einen Briefwechsel begonnen, der von preußischer Seite in dem üblichen verbindlichen, aber streng formellen Ton gehalten war, von ihm dagegen in mehr persönlich-warmer Art geführt wurde 38 ). Er sprach in seinem Briefe vom 2./14. April 1801 von "sentiments d'une amitié tendre et d'un attachement affectueux" 39 ).

In einem Briefe vom 30. April 1801 bat der König die Erbprinzessin, als sie ihm ihre Absicht, nach Rußland zu reisen, mitgeteilt hatte, "interprète de mes sentiments à son égard", d. h. gegen den Kaiser, zu sein 40 ).

Im Sommer 1801 fuhr dann das erbprinzliche Paar nach Rußland. Unterwegs, von Memel aus, schrieben Friedrich Ludwig und Helene an den König 41 ), der der Erbprinzessin schon am 6. Juni in einem freundschaftlichen Briefe 42 ) dankte und sie bat, dem Kaiser Grüße zu bestellen. Dieser Brief erreichte sie in Petersburg, als sie bereits die Grüße, die der König ihr schon im April aufgetragen hatte, ihren Bruder ausgerichtet und von der Aufnahme, die sie Anfang des Jahres in Berlin gefunden hatte, erzählt hatte.

Ein Briefwechsel zwischen dem Zaren und dem König knüpfte sich daran 43 ).

Hier in Petersburg scheint dann das erste Wort von einer Zusammenkunft gefallen zu sein 44 ). Dies ist um so wahrscheinlicher, als das erbprinzliche Paar dann im Herbst auf der Heimreise von Petersburg die Anregung dazu im Auftrage Alexanders dem König in Potsdam überbrachte 45 ), der sogleich darauf einging und erfreut dem Kaiser in einem Briefe vom 15. Oktober seine Bereitwilligkeit zur Zusammenkunft erklärte 46 ). Damit hatte


38) Bailleu, Briefwechsel S. 3 ff. (Nr. 1 - 3).
39) Bailleu a. a. O., S. 3 f. (Nr. 2).
40) Bailleu a. a. O., S. 403 f.
41) Bailleu a. a. O., S. 404, Anm. 1.
42) Bailleu a. a. O., S. 404 (Nr. 412).
43) Bailleu a. a. O., S. 5 ff. (Nr. 4 ff.).
44) Bailleu a. a. O., S. XI, und Krieger a. a. O., S. 172.
45) Bailleu a. a. O., und Krieger a. a. O. f.
46) Bailleu a. a. O., S. 11. Ulmann a. a. O., S. 23 f.; S. 24, Anm. 2, trifft hiernach durchaus zu, da Panin erst im Oktober 1801 entlassen
(  ...  )
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sich das erbprinzliche Paar seiner Vermittlerrolle entledigt. In dem folgenden Briefwechsel 47 ) zwischen Alexander und Friedrich Wilhelm wurde dann die Zusammenkunft des näheren vereinbart und schließlich Memel als Ort derselben verabredet.

Die Frage nach dem Anteil des Erbprinzen und dem der Erbprinzessin an dieser Vermittlung kann wohl dahin beantwortet werden, daß Helene mehr die Trägerin der rein persönlichen Seite der Vermittlung, Friedrich Ludwig dagegen der Träger der politischen Seite und der tatsächliche Anreger und Übermittler der Verabredung gewesen ist. Die Initiative, die Belebung des Interesses Friedrich Wilhelms an Alexander - und umgekehrt - durch die Erbprinzessin und ihre Erzählungen, sowohl in Potsdam wie in Petersburg, zu dem Ergebnis einer tatsächlichen Begegnung und Freundschaft der beiden Monarchen geführt zu haben, hat wenigstens Friedrich Ludwig und nicht oder doch nur in geringerem Maße Helene besessen.

Einige Wochen vor der Zusammenkunft bat der König den Erbprinzen, mit dem Adjutanten Major von Jagow, den er ihm nach Ludwigslust sandte, die Einzelheiten für den Empfang des Kaisers in Memel zu besprechen 48 ).

Am 3. Juni traf der Erbprinz in Königsberg ein, wo der König und die Königin am 4. ankamen. Beide behandelten den Erbprinzen im Gefühle der Dankbarkeit für die Vermittlung der bevorstehenden wichtigen Begegnung mit großer Herzlichkeit 49 ). Am 5. Juni besichtigte man die Truppen und nahm an einem großen Wasserfest und an einem von der Stadt veranstalteten Ball teil. Am 6. waren wieder Truppenbesichtigungen, dann Cour bei der Königin. In der Nacht zum 7. fuhr Friedrich Ludwig nach Memel, wo am Tage darauf das Königspaar ebenfalls eintraf. Hier erbat und erhielt Friedrich Ludwig vom Könige eine offizielle Audienz, in der er ihn Mecklenburgs Wünsche wegen Abtretung Wismars von Schweden zu unterstützen bat 50 ). Die


(  ...  ) wurde. Ulmann a. a. O., S. 7, und Ulmann, Über die Memoiren des Fürsten Adam Czartoryski: Wissenschaftl. Beilage zum Vorlesungsverzeichnis der Universität Greifswald, Michaelis 1898, S. 12 f.
47) Bailleu a. a. O., S. 11 ff. (Nr. 12 - 18).
48) Bailleu a. a. O., S. 423, Nr. 424. König an Friedrich Ludwig (5. 3.) 1802. - Krieger a. a. O., S. 173.
49) Der russische Außenminister Kotschubey nannte in seinem Zorn über die seine Pläne durchkreuzende Zusammenkunft den Erbprinzen später einmal "un sot du premier ordre": Archives du prince Woronzow, Moskau 1879, Teil 18, S. 272. Danach maß er wohl dem Erbprinzen die Hauptschuld an dem Zustandekommen der Memeler Zusammenkunft bei.
50) Schröder, Tagebuch, S. 133. Schröder, Verpfändung, S. 206.
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Verhandlungen waren gerade damals ins Stocken geraten, und der Herzog hatte seinem Sohne davon am 30. Mai nach Memel geschrieben mit dem Auftrag, sowohl beim Zaren wie auch beim König die dringendste Bitte vorzubringen, Mecklenburg auch in einer mit der Abtretung Wismars zusammenhängenden Warnemünder Zollangelegenheit gegen die übertriebenen Forderungen Schwedens zu helfen. Diese Nachricht war am 8. in Memel eingetroffen 51 ). Der König sagte zu, alles tun zu wollen, was die Umstände zu tun erlauben würden 52 ).

In der Nacht zum 9. Juni reiste der Erbprinz dem Zaren entgegen und begrüßte ihn in Oberbartau in Kurland und trug schon auf der Rückfahrt nach der Grenzstation Polangen seine Bitte wegen Wismar und Warnemünde vor. Der Kaiser versprach, seinen Gesandten in Stockholm instruieren zu lassen, die im Interesse Mecklenburgs liegenden Maßregeln zu ergreifen, falls man schwedischerseits weitere Schritte in dieser Sache tun würde. Zu diesem Zwecke mußte Friedrich Ludwig in den nächsten Tagen dem Zaren einen kleinen Aufsatz über die Wismarer und Warnemünder Angelegenheit ausarbeiten 53 ). Diese Interessierung Preußens und Rußlands für Mecklenburgs Wünsche trug bald danach Früchte. Der russische wie der preußische Gesandte wurden von ihren Regierungen angewiesen, zu Gunsten Mecklenburgs Schritte beim schwedischen Hofe zu unternehmen. Diese Intervention hatte denn auch den gewünschten Erfolg.

Die Zusammenkunft des Kaisers und des Königs in Memel in ihrer politischen Bedeutung zu schildern, ist hier nicht der Ort 54 ). Der Kaiser begegnete dem Königspaar mit offenster Herzlichkeit. Man verkehrte ohne jede Etikette miteinander. Friedrich Ludwig gehörte zu den drei Majestäten wie ein naher Blutsverwandter und war stets in ihrer Umgebung. Er sah mit Freude die herzliche Freundschaft zwischen dem König und dem Zaren entstehen. Die Königin, die Alexander aufrichtig verehrte und in ihrem Lobe über ihn mit ihrem Gemahl übereinstimmte, glaubte in ihm ihr Ideal eines Herrschers verwirklicht zu sehen. Ihre Verehrung für den Zaren, die nicht unerwidert blieb, bewahrte sie für immer. Friedrich Ludwig berichtete nach Hause: "Die so interessante Zusammenkunft ist denn auf das beste abgelaufen, und die beiden Monarchen sind schon auf einem so freundschaft-


51) Schröder, Verpfändung, S. 205 ff. Brief abgedruckt bei Schröder a. a. O., S. 206.
52) Schröder, Tagebuch, S. 133.
53) Bericht Friedrich Ludwigs über diese Unterredungen abgedruckt bei Schröder, Verpfändung, S. 207 f.
54) Vgl. die oben angeführte Literatur.
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lichen Fuße zusammen, als wenn sie sich zeitlebens gekannt hätten ... alle Etikette ist beiseite gelassen" 55 ). Und an Georg schrieb er scherzend in bezug auf die Königin in Memel: "... der Himmel mag es ihr vergeben, was sie alles für Schaden angerichtet hat" 56 ).

Friedrich Ludwig nahm seinen Heimweg über Berlin, wo er sich mit Haugwitz über die Wismarer Angelegenheit besprach 57 ). Der Minister versprach ebenfalls alles ihm Mögliche zu tun. Er bat sich eine Abschrift des Aufsatzes aus, den der Erbprinz in Memel dem Zaren gegeben hatte.

Nach dem üblichen Doberaner Badeaufenthalt gegen Ende Juli und im August begab sich das erbprinzliche Paar auf Einladung des Königspaares 58 ) im September auf längere Zeit nach Potsdam, von wo aus es an dem Helene zu Ehren verschobenen Erntekranzfest in Paretz, dem in der Nähe gelegenen Gute des Königs, teilnahm 59 ). Der Erbprinz benutzte diesen Aufenthalt in Potsdam dazu, seine Bemühungen wegen Erlangung der Kurwürde fortzusetzen, und konnte seinem Vater bald gute Nachrichten über den Fortschritt der Angelegenheit geben. Von jeder Seite, auch in Berlin, erhielt er in seinen Wünschen Unterstützung 60 ).

In dem folgenden Winter begann sich das Glück des erbprinzlichen Paares zu trüben. Helene erkrankte im Dezember an Lungenschwindsucht. Am 31. März 1803 schenkte sie einer Tochter das Leben, die in der Taufe am 14. April den Namen Marie erhielt. Mit dieser Niederkunft kam die Krankheit Helenes zu besonders heftigem Ausbruch. Die Erbprinzessin starb dann am 24. September 1803, nachdem Königin Luise und König Friedrich Wilhelm sie noch einmal in Ludwigslust besucht hatten.

Unterdessen hatten 1803 die Verhandlungen wegen Wismars Verpfändung an Mecklenburg und wegen Erlangung der Kurwürde ihren Fortgang genommen. Wegen anfänglich zu hoher Pfandgeldforderungen Schwedens hatten sich die Verhandlungen bis in den Anfang des Jahres hingezogen. Im Februar wirkten sich dann die Memeler Tage aus, wo der Erbprinz den Zaren und den König um ihre Intervention gebeten hatte. Beider Stock-


55) AS Kab. Vol. 341. Memel. Friedrich Ludwig an Herzog, Memel 12. 6. 1802 (Absatz 3).
56) An Georg 6. 7. 1802.
57) AS a. a. O. Friedrich Ludwig an Herzog 24. 6. 1802.
58) Bailleu, Briefwechsel, S. 426 f. König an Helene (Paretz) 5. 9. 1802.
59) Bailleu, Königin Luise, S. 132.
60) AS Kab. Vol. 268, Kurwürde 1802/03, Fasz. 1, Nr. 3. Friedrich Ludwig an Herzog, Potsdam 5. 10. 1802.
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holmer Gesandte überreichten nachdrückliche Noten ihrer Regierungen zu Gunsten Mecklenburgs 61 ), die ihre Wirkung taten. Die Verhandlungen begannen von neuem und gelangten schließlich zu einem positiven Abschluß. Am 26. Juni 1803 wurde in Malmö der Verpfändungsvertrag unterzeichnet. Im August geschah die Übergabe der Stadt.

Bei dem Streben nach der Kurwürde kam Friedrich Ludwig nicht zum gewünschten Ziel. Die Hoffnungen auf Gebietserweiterungen waren schon aufgegeben worden. Der Herzog wie der Erbprinz hatten sich nach dieser Richtung hin in ihrem Vertrauen auf Rußlands und Preußens Hilfe getäuscht.

Da kam man auf den Gedanken, an Stelle finanzieller oder territorialer Entschädigung das gerichtliche Privilegium de non appellando illimitatum, d. h. die uneingeschränkte Befreiung von der Appellation an die Reichsgerichte, zu fordern, das sonst eine Folge der Erhebung in den Kurfürstenstand gewesen sein würde 62 ). Nunmehr entschloß sich mit einem Male der Herzog auch, wenn auch die Erlangung dieses Privilegs der einzige Gewinn sein würde, sich für die Erwerbung der Kurwürde einzusetzen 63 ). Am 25. März eröffnete Friedrich Ludwig im Auftrage seines Vaters in einer Konferenz der Regierung in Schwerin diesen Entschluß 64 ). Noch einmal wurden vom Erbprinzen alle Mittel in Bewegung gesetzt, um zum Ziele zu gelangen 65 ). Plessen, der Gesandte Mecklenburgs am Reichstage in Regensburg, mußte sich zu Verhandlungen nach Wien begeben. Friedrich Ludwig trug nochmals brieflich Kaiser Alexander die ganze Sache vor 66 ). Aber man gelangte nicht zum Ziele. Mecklenburg bekam weder die Kurwürde noch das Privilegium, geschweige denn eine Gebietserweiterung. Die Bemühungen des Erbprinzen für eine Rangerhöhung seines Hauses scheiterten wohl schließlich aus dem Grunde, weil der Herzog zuerst so hartnäckig die Erhöhung abhängig machte vom Landerwerb trotz gegenteiliger Vorstellung von russischer Seite und zur Annahme mit geringeren Gegenforderungen sich erst dann entschloß, als es zu spät war.


61) Schröder, Verpfändung, S. 215.
62) Schröder, Kurwürde, S. 44 f.
63) Plessen-Archiv. Friedrich Ludwig an Plessen 25. 3. 1803.
64) AS Kab. Vol. 268, Kurwürde 1802/03, Fasz. 1, Nr. 11. Friedrich Ludwig an Herzog 25. 3. 1803.
65) Schröder, Kurwürde, S. 46 f. - HausAS Kurwürde Vol. I, Fasz. I, Nr. 54. (Briefe an Markoff, Bühler, Rasumovsky 2./14. 4. 1803). Schröder a. a. O., S. 48.
66) HausAS a. a. O., Vol. II, Fasz. II, Friedrich Ludwig an Kaiser 13. 8. 1803. - Vgl. Schröder, Kurwürde, S. 58 ff. Friedrich Ludwig an Kaiser 1./13. 9. 1803. Blieb scheinbar unbeantwortet.
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Kapitel III.

Die Zeit des dritten Koalitionskrieges.
Der Franzoseneinfall 1806
und der Aufenthalt in Altona 1807.

Im Sommer 1805 unternahm Friedrich Ludwig eine längere Erholungsreise, die ihn zunächst nach Süddeutschland und der Schweiz führte 67 ). Am 10. Oktober traf er dann in Wien ein. Bald aber näherte sich das Kriegsgewitter Wiens Toren. Anfang November verließ der gesamte kaiserliche Hof die Stadt, am 8. auch der Erbprinz. Er begab sich nach Brünn, wo sich auch der Hof und das diplomatische Corps befanden. Bereits nach wenigen Tagen wurde das kaiserliche Hauptquartier nach Olmütz verlegt, da sich um Brünn österreichische und russische Truppen sammelten, um den Franzosen eine Schlacht anzubieten. Der Erbprinz ging am 16. mit Erzherzog Anton nach Olmütz. Hier sollte eine Zusammenkunft des österreichischen Kaisers mit dem Zaren stattfinden. Friedrich Ludwig und Prinz Ferdinand von Württemberg durften Kaiser Franz begleiten, als dieser dem Zaren bis zur nächsten Poststation entgegenfuhr. Außerdem befand sich bei dieser Zusammenkunft der österreichische Kanzler Reichsgraf von Cobenzl. Die beiden Kaiser trafen in Sternberg zusammen 68 ).Kaiser Alexander begrüßte den Erbprinzen mit der alten Freundschaftlichkeit. Dieser gehörte denn auch in den folgenden Tagen ständig zur nächsten Umgebung der beiden Monarchen. Er benutzte diese Gelegenheit, um den Zaren wieder nachdrücklich für das Schicksal Mecklenburgs zu interessieren.

Am 19. teilte er seinem Vater mit, daß er in einigen Tagen an der hier voraussichtlich stattfindenden Schlacht teilnehmen werde, d. h. im Gefolge des Zaren, also außerhalb jeder Gefahr. Es wäre die erste Schlacht gewesen, die Friedrich Ludwig mitgemacht hätte. Es kam aber nicht dazu. Die Franzosen zogen sich einstweilen zurück, die Russen und Österreicher folgten ihnen. Friedrich Ludwig entschloß sich dann, als auch die beiden Kaiser ihren Heeren nachreisten, nach Mecklenburg zurückzukehren. Am


67) AS Kab. Vol. 342. Reise 1805. Fasz. 1 u. 2. - Vol. 305. Reise 1805. - Schröder, Tagebuch, S. 137 ff.
68) AS Kab. Vol. 342. Briefe an Friedrich Franz 1805. Friedrich Ludwigs Bericht, Olmütz 18. 11. 1805.
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27. November brach er von Olmütz auf und kehrte über Potsdam, wo er den König einige Tage besuchte, am 5. Dezember nach Schwerin zurück. Zeuge der Niederlage bei Austerlitz am 2. Dezember zu sein, war ihm also erspart geblieben.

Während der Reise des Erbprinzen war Mecklenburg-Schwerin wie alle norddeutschen Staaten von Preußen zum Beitritt zur bewaffneten Neutralität aufgefordert worden. Gegen den Wunsch des Herzogs wurde die Angelegenheit von seinen furchtsamen Ministern dilatorisch behandelt. Preußen wurde verstimmt, verzichtete aber dann auch auf die Erfüllung seines Wunsches 69 ).

Schon im Dezember 1805 brach ein neuer Konflikt mit Preußen aus. Es forderte zur Verpflegung seiner Truppen in Nord-Hannover die Leistung von Fuhren für den Transport von Getreide von Lübeck nach Lauenburg 70 ). Angesichts der Bedeutung Preußens für den Schutz der kleinen norddeutschen Staaten war diese Forderung berechtigt. Aber der Geheime Rats-Präsident von Bassewitz glaubte, sie entrüstet ablehnen zu müssen. Wenn man jetzt Fuhren leiste, werde Preußen bald mehr und Unmögliches verlangen. Der Erbprinz und auch der Herzog konnten sich der Berechtigung des preußischen Verlangens nicht ganz verschließen und wünschten wenigstens, als Bassewitz schließlich doch seinen Willen durchsetzte, daß die Ablehnungsnote in durchaus freundschaftlichem Tone abgefaßt werde 71 ). Bassewitz schickte aber - an der Enge des politischen Horizonts überschritt er alles erdenkliche Maß - eine unfreundlich gehaltene Antwort nach Berlin. Der Entwurf war noch schlimmer gewesen; Friedrich Ludwig hatte es einen Kampf mit Bassewitz gekostet, wenigstens eine Abschwächung der darin gebrauchten Ausdrücke herbeizuführen 72 ). Die Wirkung der Note blieb nicht aus. Das Berliner Ministerium war empört und forderte nochmals die Leistung der Fuhren. Und wieder, in noch schärferem Tone, erfolgte eine Absage aus Schwerin. Da war Preußens Geduld zu Ende. Es drohte in einer Note vom 7. Januar 1806 mit militärischen Maßnahmen im Falle weiterer Verweigerung der Fuhren. Nun hielt der Erbprinz es für nötig, die Räte nachdrücklich zu beeinflussen, dem preußischen Wunsche zu willfahren, wenn es nicht zum völligen Bruch kommen


69) AS Kab. Vol. 18, Einladung Preußens usw. 1805/06. - AS Res externae, Brandenburg-Preußen, Vol. XXX A, Fasz. 26 b. Bewaffnete Neutralität. - W. A. Schmidt, Geschichte der Preußisch-deutschen Unionsbestrebungen. 2. Abt., Berlin 1851, S. 584 ff. - Rudolf Asch, Mecklenburgs auswärtige Politik, S. 72 ff.
70) AS Kab. Vol. 18, betr. Fuhren 1806. - Asch a. a. O., S. 96 ff.
71) Asch a. a. O., S. 98.
72) An Georg 6. 10. 1806.
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sollte. In einem Brief vom 31. Januar riet er, nun ohne weiteres Zögern die Fuhren zu leisten; er verkannte die von seiten des mächtigen Preußen drohende Gefahr durchaus nicht, besonders hinsichtlich der schon oft geplanten Annexion. Nur die Gerechtigkeitsliebe des Königs, so schrieb er an Bassewitz, habe bisher diesen Schritt verhindert. Deshalb dürfe man sich sein Wohlwollen nicht verscherzen. Deshalb müsse man jetzt auch in der Fuhrenangelegenheit entgegenkommen. Denn schließlich, was hätte Mecklenburg-Schwerin Besseres zu erwarten als Hannover, nämlich die Okkupation? - Aber Bassewitz widersprach noch am selben Tage. Ein nochmaliger Versuch Friedrich Ludwigs am 1. Februar, die Räte umzustimmen, scheiterte ebenso wie der erste. Als dann der Erbprinz am 3. in einem Briefe an Bassewitz darum bat, wenigstens doch die nächste gute Gelegenheit zu benutzen, sich dem König erkenntlich zu zeigen, war inzwischen auch von seiten des Herzogs der Befehl an die Räte gegangen, eine nachgiebige Note nach Berlin zu senden. Die Fuhren wurden zwar nicht mehr geleistet, Preußen hatte inzwischen auf anderem Wege ohne Mecklenburg seine Wünsche in Erfüllung zu bringen gewußt, aber der schlechte Eindruck, den das Verhalten der Schweriner Räte in Berlin hervorgerufen hatte, blieb bestehen. Bei dieser ganzen Angelegenheit war dem Herzog und dem Erbprinzen wieder einmal deutlich geworden, wie machtlos Mecklenburg-Schwerin doch gegen jedes ernstere Verlangen einer starken auswärtigen Macht war. Den Räten in Schwerin wollte dies nie klar werden. In ihrem partikularistischen Stolze glaubten sie ernsthaft, jedem unangenehmen Wunsche einer anderen Macht widerstehen zu können. Der Herzog und der Erbprinz täuschten sich über ihre Machtlosigkeit nicht. Sie vermeinten, in einer engeren Anlehnung an Rußland die Sicherheit ihres Landes begründen zu müssen. Anfang Januar schrieb Friedrich Ludwig dem Zaren einen Brief, in dem er ihm des längeren darlegte, welche Folgen die Veränderungen, die kürzlich durch den französisch-österreichischen Frieden am 26. Dezember 1805 in Süddeutschland eingetreten seien, auf Norddeutschland, besonders auf Mecklenburg haben könnten, sobald Preußen auch auf den Gedanken käme, sich kleinere benachbarte Territorien einzuverleiben. Er bitte deshalb den Kaiser, Mecklenburg-Schwerin in Zukunft in seinen besonderen Schutz zu nehmen 73 ). In ähnlichem Sinne schrieb er gleichzeitig auch an den russischen Außenminister Chartorisky 74 ). Welcher Art der erbetene Schutz sein


73) AS Kab. Vol. 27, Korr. des Erbprinzen mit Rußland 1806. An Kaiser Alexander, Schwerin 6. 1. 1806.
74) AS a. a. O. An Chartorisky, Schwerin 6. 1. 1806.
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sollte, gab der Erbprinz nicht an, wußte auch wohl selbst keine Art zu nennen, denn vorläufig befand sich Rußland noch mit Frankreich im Kriegszustand, und solange dieser dauerte, hätte auch nur die geringste Annäherung Rußlands an Mecklenburg unweigerlich Gegenmaßregeln der Franzosen zur Folge gehabt. Trotzdem sandte man Lieutenant von Both, der 1799 während des Petersburger Aufenthalts des Erbprinzen in die russische Armee eingetreten, dann zwar nach einiger Zeit wieder nach Mecklenburg zurückgekehrt war, aber die russischen Verhältnisse gut kannte, nach Petersburg, wo er am 25. Januar eintraf 75 ). Er hatte als außerordentlicher Gesandter die Aufgabe, die Sympathien Rußlands für Mecklenburg wachzuhalten und gegebenenfalls nutzbar zu machen.

Aber die Regierung in Schwerin 76 ) war hinsichtlich der außenpolitischen Orientierung anderer Meinung als der Herzog und der Erbprinz. Anfang Februar machte sie den Vorschlag, freundschaftliche Beziehungen zu Frankreich anzuknüpfen und zu diesem Zweck einen Gesandten nach Paris zu senden, um gegebenenfalls, wie so viele andere Fürsten, auf diese Weise territoriale Vergrößerungen, etwa in Form von Lauenburg, zu erlangen. Der Herzog war über diesen Plan sehr erstaunt, noch mehr der Erbprinz. Beide glaubten, man müsse doch mindestens den Erfolg der Sendung von Boths abwarten. Aber Bassewitz hielt die Pariser Mission für sehr dringend. Da glaubte der Erbprinz energisch widersprechen zu müssen 77 ). Nach seinem Vorschlag einigte man sich dahin, daß der Beschluß dieser Mission zuvor Alopeus mitgeteilt und sein Urteil darüber abgewartet werden sollte 78 ). Wenn man auch durch eine Pariser Mission unzweifelhaft Preußen vor den Kopf stoßen werde, so wollte man doch nicht auch noch Rußlands Sympathie verscherzen. Alopeus' Antwort fiel zur großen Befriedigung des Erbprinzen und des Herzogs natürlich ganz in ihrem Sinne aus. Er drückte unverhohlen seine Entrüstung über den Plan der Schweriner Regierung aus und teilte mit, in wenigen Tagen diesen Abfall Mecklenburgs von Rußland nach Petersburg zu melden, gebe aber bis dahin noch Zeit, wieder den alten Kurs einzuschlagen. Natürlich schwenkte man in Schwerin sofort wieder angstvoll auf die alte


75) AS a. a. O.
76) Für das Folgende: AS Kab. Vol. 18 a. a. O. und Vol. 27 a. a. O. Siehe auch Asch a. a. O., S. 100 f.
77) AS Kab. Vol. 27 a. a. O. Friedrich Ludwig an Bassewitz, Schwerin 6. 2. 1806.
78) AS. a. a. O. Friedrich Ludwig an Alopeus, Schwerin 6. 2. 1806.
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politische Bahn ein 79 ). Einen Bruch mit Rußland durfte man ja auf keinen Fall heraufbeschwören.

Der Erbprinz hatte wie üblich die ersten Monate des Jahres 1806 in Schwerin zugebracht, wo er an den Arbeiten der Regierung und der Kammer teilnahm. Als am 11. März der bisherige Kammerpräsident von Dorne starb, übertrug der Herzog seinem ältesten Sohne die Präsidentschaft des Kammer- und Forst-Kollegiums, ein in der Geschichte des Landes einzig dastehender Fall, daß ein Mitglied des Fürstenhauses offiziell mit der Leitung dieser oder einer ähnlichen Zivilverwaltungsbehörde beauftragt wurde. Die Ernennung erfolgte am 21. März 1806 80 ). Dem Erbprinzen war die Tätigkeit in der Kammer seit über einem Jahr nicht mehr ungewohnt, aber es kam jetzt die Last der ausschließlichen Verantwortung für den Gang der Geschäfte in dieser außenpolitisch und innenpolitisch, besonders aber finanziell schwierigen Zeit hinzu. Im besonderen beanspruchte die Arbeit den Erbprinzen zu regelmäßigen Zeiten. Zweimal monatlich fand außerdem eine Kammersitzung statt, zu der Friedrich Ludwig stets aus Ludwigslust nach Schwerin herüberzukommen pflegte.

Im Laufe des Jahres 1806 spitzten sich die politischen Verhältnisse immer mehr zu. Im Juli gründete Napoleon den Rheinbund. Am 6. August legte Kaiser Franz die deutsche Kaiserkrone nieder, die österreichischen Staaten traten nach den Rheinbundstaaten aus dem deutschen Reichsverbande aus. Das alte deutsche Reich, das in den letzten Jahren nur noch dem Namen nach bestanden hatte, nahm sein Ende.

Diese Nachrichten ließen den Gedanken entstehen, die Gelegenheit zu benutzen, eine innen- und außenpolitische Umstellung im Sinne einer Machtstärkung des Herzogs herbeizuführen. Zum ersten Male wurden, in einem Briefwechsel zwischen dem Erbprinzen und dem Geh. Rats-Präsidenten von Bassewitz, eine Souveränitätserklärung und ihre notwendigen Folgen im Innern, besonders den Ständen gegenüber, erörtert.

Zum Verständnis dieser Erwägungen ist ein kurzer Blick auf die Verfassungsverhältnisse nötig. Mecklenburg war eins von den wenigen deutschen Ländern, in denen der Kampf zwischen Fürst und Ständen zu Gunsten der letzteren entschieden wurde. Der Kampf wurde beendet und der Sieg der Stände festgelegt durch den Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755, der für lange Zeit den Verfassungscharakter Mecklenburgs bestimmte. Nach ihm


79) AS a. a. O. Friedrich Ludwig an Alopeus, [Schwerin] 2./14. 2. 1806.
80) Im einzelnen s. Kapitel 5.
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bildete das Land - im großen betrachtet - nur noch einen durch ein schwaches Band lose zusammengehaltenen Patrimonialstaat, in dem der Herzog ein ausschließliches Verfügungsrecht nur noch über sein Domanium besaß, in dem im übrigen aber die Herrschaft der Stände, d. h. also über das ritterschaftliche und städtische Gebiet, so gut wie unbestritten war. Die Stände tagten alljährlich in dem für beide Landesteile gemeinsamen Landtag, der sich in das Korps der Ritterschaft und in das der Landschaft, d. h. der Städte, gliederte. Das ungefähr zwei Fünftel des Landes ausmachende Domanium war dabei überhaupt nicht vertreten. Der Landtag wurde vom Herzog unter Mitteilung der "Propositionen", die er ihm zur Verhandlung stellte, einberufen. Der Herzog war auf dem Landtag durch zwei Kommissarien vertreten, die ihn zwar eröffneten, sonst aber fast nur schriftlich mit ihm verkehren und an den Sitzungen nicht teilnehmen durften. Verhandlungsgegenstand war hauptsächlich jedesmal die jährlich zu erneuernde Bewilligung von Mitteln für die allgemeine Landesverwaltung. Dagegen war der Herzog in Gesetzgebung und Besteuerung seines Domaniums völlig selbständig. Der in Rostock tagende sogenannte "Engere Ausschuß" repräsentierte die Stände, solange diese nicht im Landtag versammelt waren, in den durch seine Vollmacht ihm angewiesenen Grenzen.

Die Stände waren sehr auf die Wahrung ihrer alten Vorrechte bedacht und betrachteten jede Geldbewilligung als ein besonderes Entgegenkommen, das nur um den Preis der ausdrücklichen Bestätigung dieser alten Privilegien gewährt wurde. Der Herzog konnte außergewöhnliche Geldbewilligungen nur durch Zugeständnis neuer Privilegien mühsam erkaufen. So waren die Machtbefugnisse des Landesherrn mit der Zeit immer weiter eingeschränkt worden. Zur Einführung neuer und zeitgemäßer Verhältnisse fehlte es ihm natürlich dadurch an Macht. Die Stände, hauptsächlich die Ritterschaft, unterbanden jede gesunde innerstaatliche Weiterentwicklung.

Jene erwähnten Nachrichten vom Austritt der Rheinbundstaaten aus dem Reichsverbande veranlaßten Bassewitz gegenüber dem Erbprinzen zu dem kühnen und in seiner Eigenart völlig neuen Vorschlag, offiziell die Trennung Mecklenburgs vom Reiche zu erklären und sich unter den Schutz des russischen Kaisers zu begeben 81 ). Der Erbprinz stimmte aber diesem ihm natürlich unmöglich erscheinenden Gedanken der Trennung vom Reiche


81) AS Kab. Vol. 27 a. a. O. Bassewitz an Friedrich Ludwig 26. 7. 1806.
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nicht zu, ging auf den zweiten Vorschlag dagegen sofort ein und bat sogleich in einem fast lakonisch kurzen Briefe den Zaren ohne weiteres um Rat, wie Mecklenburg sich verhalten solle, und empfahl es seinem Schutze 82 ). Der Kaiser ließ durch seinen Minister Budberg nur antworten - übrigens in sehr formellem Tone - , daß er sich für Mecklenburg interessieren werde 83 ).

Als sich Anfang August dann die Gerüchte einer Auflösung des Reiches mehrten, schlug Bassewitz für den Fall einer wirklichen Auflösung als innenpolitische Konsequenzen die Erklärung der Souveränität des Herzogs vor und als ihr äußeres Zeichen, sozusagen als Ersatz für die Reichsgerichte als die bisher höchsten gerichtlichen Berufungsinstanzen, die Errichtung eines Oberappellationsgerichtes 84 ). Der Erbprinz stimmte im Hinblick auf die Unerträglichkeit des Verhältnisses des Herzogshauses zu den Ständen begeistert dieser Möglichkeit eines Ausweges aus der drückenden innenpolitischen Enge zu. Rußland müsse diese Souveränitätserklärung für alle Staaten Norddeutschlands anregen. Lützow solle in Berlin sogleich mit Alopeus darüber reden 85 ). Diesen Eifer des Erbprinzen hatte Bassewitz nicht erwartet. Er hatte nur andeutende Vorschläge machen wollen und sich unter Souveränität nur eine Formsache nach außen vorgestellt und auch nur in diesem Sinne die Errichtung des genannten Gerichtes gemeint. Er hatte nicht im geringsten eine Anregung zum Vorgehen gegen die Stände geben wollen. Das lag ihm, der selbst der Ritterschaft angehörte, natürlich völlig fern. Darum versuchte er sofort den Eifer des Erbprinzen zu dämpfen 86 ). Die Souveränität sei sozusagen automatisch mit der Auflösung des Reiches gekommen. Einer besonderen Erklärung bedürfe es nicht, weil die Souveränität ja durchaus keine Veränderungen irgendwelcher Art zur Folge habe, denn sie bedeute doch nicht im geringsten die Aufhebung alter verfassungsmäßiger Rechte der Stände. Es seien deshalb noch keine Schritte in Petersburg angebracht 87 ). Diese Halbheit - eine Souveränitätserklärung ohne die sinngemäßen verfassungsrechtlichen Veränderungen - lehnte der Erbprinz natürlich ab. Die Erklärung der Souveränität ohne


82) AS a. a. O. Friedrich Ludwig an Bassewitz, Doberan 27. 7. 1806. Ebenso an Alexander, Doberan 15./27. 7. 1806, und an Minister Budberg.
83) AS a. a. O. Budberg an Friedrich Ludwig, Petersburg 15. (a. St.) 8. 1806.
84) AS a. a. O. Bassewitz an Friedrich Ludwig 4. 8. 1806.
85) AS a. a. O. Friedrich Ludwig an Bassewitz, Doberan 6. 8. 1806.
86) AS a. a. O. Bassewitz an Friedrich Ludwig, 7. 8. 1806.
87) AS a. a. O. Ebenso, Prebberede 11. 8. 1806.
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die entsprechende Macht war für ihn eine Anomalie, und die Souveränitätsrechte waren in seinen Augen für Mecklenburg vorläufig unanwendbar, solange die alte Verfassung auch nur der Form nach bestehen bleibe. Ihre Änderung erschien ihm nur dann möglich und würde auch dann von selbst kommen, wenn die äußeren Umstände sich dementsprechend verändert hätten. Eine solche Veränderung bringe der Beitritt zu dem zu gründenden Nordischen Bunde, von dem bereits viel geredet würde. Aber der Bund komme, so zweifelte er, ja sicher nicht zustande, und Deutschland werde sich dem französischen Joche beugen müssen. Das werde wieder Verpflichtungen anderer Art mit sich bringen, deren Erfüllung aber für Mecklenburg wiederum unmöglich sei, solange es bei jeder Kleinigkeit wie bei jeder größeren Angelegenheit die Einwilligung der Stände erbitten und jedesmal ihr Veto fürchten müsse. Auch andere Herrscher haben sich von der Bevormundung durch ihre Stände frei gemacht. Weshalb solle Mecklenburg das nicht auch tun? Bleibe nämlich die Sachlage so wie bisher, so befürchte er den völligen Ruin seines Hauses. Es sei deshalb durchaus jede sich bietende Möglichkeit zu benutzen, eine Besserung der Verhältnisse herbeizuführen. Er bat deshalb Bassewitz, ihm seine Gedanken über die nötigen Verfassungsänderungen mitzuteilen 88 ). Dem Geheimen Rat und zweiten Minister von Brandenstein 89 ) gegenüber klagte er, daß Bassewitz, trotzdem er als erster die Erörterung dieser Verfassungsänderungsfragen angeregt habe, nun plötzlich, wo man ernstlich an die Einzelheiten der eventuellen Änderung denken müsse, zurückziehe. Brandenstein erkannte die Gefährlichkeit des Reformwillens des Erbprinzen für seinen eigenen Stand. "Mäßigen Sie das Feuer, mit dem Sie alles umfassen. Ein Feuer, das ich an und für sich sehr schätze und ohne welches nichts gutes zustande kommt" 90 ). Aber Brandenstein befürchtete natürlich, daß dieses "Feuer" die Rechte der Stände, er gehörte ja auch zur Ritterschaft, verzehren könnte. Dagegen mußte er natürlich aus Standestreue, ohne Rücksicht auf andere Erwägungen, Vorkehrungen treffen. So verliefen sich dank Bassewitz' und Brandensteins Vorsorge diese Wünsche des Erbprinzen nach einer zeitgemäßen Umgestaltung der Verfassung im Sande. Auch der Erbprinz konnte gegen die unbeugsame Macht der Stände nichts ausrichten.


88) AS Kab. Vol. 5. Reich, Untergang. Friedrich Ludwig an Bassewitz, Doberan 12. 8. 1806.
89) Über Brandenstein: Maltzan, Einige gute mecklenburgische Männer, Wismar 1862, S. 109 ff.
90) AS a. a. O. Brandenstein an Friedrich Ludwig 15. 8. 1806.
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Die Möglichkeit der Gründung des Nordischen Bundes und der Beitritt zu ihm war in den folgenden Wochen, bis in den Oktober hinein, Gegenstand mehrfacher Beratungen. Friedrich Ludwig hielt nichts für nützlicher als den Beitritt, sobald der Bund nur gegründet sei. Es sei nach seiner Meinung unbedingt darauf zu sehen, sich mit Preußen gut zu stellen. Man sei nun einmal auf diesen stärkeren Nachbarn angewiesen. Die von dem Gefühl der Würde diktierten Grenzen könne man leicht einhalten. Die Räte in Schwerin, sogar der Herzog selbst, ließen es in ihrem Mangel an außenpolitischem Weitblick nicht zu ernstem Beschluß kommen, denn man beendete schon bei dem Punkte die Beratungen, daß man sich nur ja nicht etwa in Gründungsangelegenheiten einmische. In durchaus neutraler Haltung müsse man diese Gründung an sich herankommen lassen und dann sozusagen schnell unter die schützenden Fittiche des Bundes flüchten. Friedrich Ludwig wünschte dagegen ein initiatives Vorgehen Mecklenburgs, drang aber mit seinen Anschauungen nicht durch. Brandenstein und besonders Bassewitz fürchteten den trotz aller Plötzlichkeit der Begeisterung und aller Weichheit der Empfindung oft großen Unternehmungsgeist des Erbprinzen, da sein Wille zu Besserem, Vollkommenerem leicht gefährliche Folgen für die Stände, etwa auf dem Wege einer Stärkung der außenpolitischen und also auch der innenpolitischen Stellung des Herzogs, und überhaupt für die Fortdauer der alten Verhältnisse haben konnte.

Ende August 1806 drohte noch einmal ein ernstlicher Konflikt mit Preußen auszubrechen. Es forderte von Mecklenburg die Lieferung von Getreide für seine Truppen 91 ). Bassewitz setzte es durch, daß das Schreiben unbeantwortet blieb, trotzdem der Erbprinz für eine Beantwortung und zwar für eine Gewährung des Getreides eintrat. Auf eine zweite preußische Anfrage erging am 3. September dann eine abschlägige Antwort aus Schwerin nach Berlin, trotzdem der Herzog und der Erbprinz voraussahen, daß sie eine nachteilige Wirkung ausüben werde, jener aber gegenüber seinen Räten nicht die Kraft hatte, seine Absicht durchzusetzen, dieser wegen seiner Jugend seiner Meinung kein Gehör verschaffen konnte. Die preußische Regierung war über Ton wie Inhalt dieser Antwortnote empört. Lützow hatte in Berlin die Wirkung der Note zu spüren Gelegenheit genug. Am 14. berichtete er darüber an den Herzog. Nun mußte Friedrich Ludwig wieder eingreifen, um zu retten, was noch zu retten war. Er


91) Für das Folgende: AS Kab. Vol. 18, betr. Fuhren 1806; und Vol. 27, Friedrich Ludwig usw. 1806. - S. auch Asch a. a. O., S. 116 ff.
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übersandte Bassewitz am 22. Lützows Bericht und forderte ihn auf, Lützow der preußischen Regierung erklären zu lassen, daß man gern der Koalition gegen Frankreich beitreten und auch die Lieferungen leisten wolle 92 ). Lützow müsse Mecklenburg wegen der Note entschuldigen unter dem Hinweis auf die schlechten Ernten in den letzten Jahren, die Leiden der Truppendurchmärsche und auf das Ungewöhnliche der preußischen Anträge. Gleichzeitig teilte er mit, daß er aus einigen ihm überbrachten Wendungen Alopeus' entnehmen müsse, daß man nicht mehr auf die Hilfe Rußlands gegenüber solchen preußischen Forderungen rechnen könne. Es sei also zweckmäßig, die Getreidelieferungen auf sich zu nehmen. Vom 21. September datierte dann auch schon eine von Haugwitz unterzeichnete Note aus Berlin, die die außerordentliche Entrüstung der preußischen Regierung über die Ablehnung ihrer Anträge zum Ausdruck brachte, besonders angesichts der großen Gefahren, die nicht nur Preußen, sondern mit ihm vor allem auch Mecklenburg drohten, wenn nicht alles zu ihrer Abwendung getan werde. Wenn Mecklenburg sich auf seine Neutralität berufe, so solle es nur bedenken, daß diese ohne Hilfe von außen überhaupt nicht aufrecht erhalten werden könne. Im übrigen drohte Haugwitz im Falle nochmaliger Verweigerung der Lieferungen militärische Maßnahmen an, d. h. gewaltsame Requisition ohne jede Entschädigung. Schon am 23. sandte Bassewitz auf herzoglichen Befehl eine vom Erbprinzen entworfene vermittelnde Note an Haugwitz, der sich damit zufrieden gab und die Aufnahme von Verhandlungen ankündigte. Dazu und zur Lieferung von Getreide kam es dann allerdings infolge der kriegerischen Ereignisse nicht mehr.

Preußen war bei Jena und Auerstädt geschlagen, die französischen Truppen begannen ganz Preußen zu okkupieren. Um Mecklenburg vor der Besetzung zu bewahren, befahl der Herzog, an der westlichen und südlichen Grenze des Landes Tafeln mit dem Hinweis auf die Neutralität des Landes zu errichten, und glaubte tatsächlich, damit einen wirksamen Schutz gefunden zu haben.

An Erbprinz Georg schrieb Friedrich Ludwig am 23. Oktober: "Mein Vater trägt mir auf, Ihnen zu sagen, daß er sicher ganz ruhig in Mecklenburg bleiben wird, um das Schicksal seines Landes zu teilen. Er hat auch nicht das geringste zum Kriege beigetragen, glaubt also auch nichts zu fürchten zu haben. ... Sollte der unglückliche Fall eintreten, daß Franzosen nach Meck-


92) Asch a. a. O., S. 118 f.
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lenburg kommen, so wird man sich leidend verhalten müssen nach der Erklärung, die Bonaparte dem Kurfürsten von Sachsen hat machen lassen, daß er sich nicht in Feindesland zu finden glaube, da er wisse, daß man Sachsen zum Kriege gezwungen habe. Um so mehr können wir erwarten, daß man uns nicht feindlich behandeln wird. ... Meinesteils bleibe ich sicher hier, es sei denn, daß ich erführe, daß man sich des russischen Generals erinnerte und denselben haben wollte, aber auch in diesem einzigen Falle gehe ich auch nach Holstein" 93 ).

Aber der Versuch mit den Tafeln an den Grenzen war natürlich vergeblich. Schon am 24. Oktober betraten flüchtige preußische Truppen das Land. Die Franzosen veranstalteten nun eine regelrechte Treibjagd gegen alle Preußen, die sich nach Mecklenburg geflüchtet hatten. So zog auch Ende Oktober und Anfang November, verfolgt von den Franzosen, Blücher mit ungefähr 20 000 Mann durch Mecklenburg, mußte aber schon bald, am 7. November, bei Lübeck die Waffen strecken. Ganz Mecklenburg wurde nun von den Franzosen gegen alles Recht besetzt und wie feindliches Land behandelt. Das 29. Bulletin der Großen Armee, ausgegeben am 9. November in Berlin, besagte lakonisch: "Mecklenburg ist durch die französischen und preußischen Truppen in gleichem Maße verwüstet worden. Die große Anzahl von Truppen, die sich in allen Richtungen und in forcierten Märschen auf diesem Lande kreuzten, konnte ihre Erhaltung nicht anders als auf seine Kosten finden. Dieser Staat ist innigst mit Rußland verbunden; sein Schicksal wird den deutschen Fürsten zum Beispiel dienen, die Verbindungen mit entfernten Mächten suchen, um Schutz ... zu finden" 94 ). So wirkte sich die Verbindung des Herzogshauses mit dem Zarenhofe zum Nachteile des Landes aus.

Bis Mitte November zogen die Franzosen langsam wieder aus dem Lande. Aber schon am 27. rückte die Avantgarde des 8. französischen Armeekorps unter dem General Michaud aus Hamburg in das westliche Mecklenburg ein. An demselben Tage traf in Schwerin eine Note des französischen, bei den niedersächsischen Ständen in Hamburg beglaubigten Ministers Bourienne ein, des Inhalts, daß Mecklenburg von Frankreich nicht mehr als ein neutrales Land anerkannt werde, sondern wegen der Hilfe, die es den Feinden im dritten Koalitionskriege, d. h. durch die Duldung von Truppendurchmärschen, geleistet habe, so betrachtet werde, als wenn es mit denselben gemeinschaftliche Sache gemacht habe.


93) An Georg 23. 10. 1806.
94) Die deutsche Ausgabe des Bulletins in "Der Telegraph", Berlin 1806, Nr. 36, vom 24. 11.
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An dem gleichen Tage, am 28., an dem die Protestnote des Herzogs nach Hamburg abging, nahm Michaud auf Befehl des Marschalls Mortier im Namen des französischen Kaisers Mecklenburg-Schwerin in Besitz. So rächte es sich, daß im Vorjahre einige Male Schweden und Russen der Durchmarsch durch das Land gestattet worden war.

Inzwischen war Friedrich Ludwig mit von Oertzen am 9. November nach Berlin abgereist, um womöglich beim Kaiser selbst, wenigstens aber bei dem Minister Talleyrand zu versuchen, im Auftrage des Herzogs eine gute Behandlung Mecklenburg-Schwerins zu erwirken 95 ). Am 11. traf er in Berlin ein und bemühte sich sofort um eine Audienz bei Talleyrand. Erst am 13. gelang es ihm. Der Minister ließ den Erbprinzen lange im Antichambre warten, war dann bei der nur kurzen Audienz "kalt wie Stein und sagte kein Wort". Der Erbprinz richtete seinen Auftrag aus; er bat im Auftrage des Herzogs um Schonung des Landes. Er ersuchte dann um Vorstellung beim Kaiser und äußerte dabei, wie unter allen deutschen Fürsten der Herzog am meisten sich der Gnade des Kaisers zu schmeicheln Ursache hätte, da stets sein Benehmen so gewesen sei, daß es dem Kaiser nicht habe mißfällig sein können. Auf alles dies antwortete der Minister nichts, sondern sagte dann nur, daß er vom Kaiser den Auftrag habe, ihn zu fragen, in welchem Militärdienst er sich befände, ob er in russischen Diensten sei? Darauf konnte Friedrich Ludwig nur entgegnen, daß Kaiser Paul ihn seinerzeit nur aus Gründen der Verwandtschaft zum Generallieutenant ernannt und ihm ein Regiment verliehen habe, dessen Uniform er abwechselnd mit der mecklenburgischen trage. In russischen Diensten sei er nie gewesen, er sei überhaupt militärischen Dingen abgeneigt. Als er dann noch die Frage des Ministers, ob er einen Brief des Herzogs an den


95) AS Kab. Vol. 7. Friedrich Ludwig 1806 bzw. 1807/08, betr. Sendung nach Paris. Diesem Faszikel liegen die täglichen Berichte (vom 11. 11. bis 1. 12) über den Berliner Aufenthalt, der vom 11. 11. bis 5. bzw. 6. 12. dauerte, voran. Nach ihnen das Folgende. - Hiernach ist Hirschfeld, Thronerbe, S. 271 zu berichtigen. Hirschfeld kannte scheinbar diese Berichte nicht. Ebenso zu berichtigen: Friedrich von Müller, Erinnerungen aus den Kriegszeiten 1806 - 1813, Braunschweig 1851, S. 81. Und nach Müller: Schröder, Tagebuch, S. 143. - Die erwähnten Berichte ergeben, daß Lützow, ebenso wie Friedrich Ludwig, doch von Talleyrand empfangen wurde. Ob auch der Herzog von diesem empfangen wurde, ist aus den Akten zwar nicht unmittelbar feststellbar, aber auch sehr unwahrscheinlich, da nach jenen Berichten der Minister schon vor der Ankunft des Herzogs (2. 12.) nach Posen abgereist zu sein scheint. Napoleon hatte sich schon vorher dorthin begeben. Weder Lützow noch Friedrich Ludwig waren von ihm empfangen worden.
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Kaiser habe, bejaht und nochmals um eine Audienz bei diesem gebeten hatte, wurde er mit der Bemerkung, daß die Befehle des Kaisers hierüber eingeholt werden sollten, entlassen. Friedrich Ludwig schöpfte, seiner optimistischen Art entsprechend, nach dieser Unterredung Mut und gab sich der Hoffnung hin, daß nun alles gut werde, denn die Angelegenheit mit der russischen Uniform gehe ja nur gegen ihn persönlich. Am nächsten Tage und am 17. besuchte er Murat, der ihn sehr freundlich empfing. Auch daraus schloß der Erbprinz natürlich gleich wieder, "daß nichts Nachteiliges über Mecklenburg beschlossen ist". - Sogar als Oertzen am 18. von Talleyrand empfangen worden war und dabei den Bescheid erhalten hatte, daß Napoleon keinen Prinzen empfangen könne, der in russischen Diensten stände, glaubte der Erbprinz in geradezu naivem Optimismus noch immer an einen guten Ausgang der Dinge. Am 28. trug Lützow dann Talleyrand in einer Audienz die Aufträge des Erbprinzen nochmals vor und versuchte das Mißtrauen wegen seiner russischen Militärstellung zu zerstreuen. Der Minister ging auf nichts ein, ließ aber durchblicken, daß Mecklenburg dank seiner verwandtschaftlichen Beziehungen zum russischen Kaiser eine Vermittlerrolle zwischen Rußland und Frankreich einzunehmen versuchen und daraus Vorteile für sich gewinnen könne. Der Erbprinz griff diese Möglichkeit sofort auf. Als am 2. Dezember - am 1. hatte der Erbprinz Nachricht von der am 28. November erfolgten Besitznahme Mecklenburgs durch die Franzosen erhalten - auch der Herzog in Berlin eintraf, beschloß man, Lützow mit einem Briefe dem inzwischen nach Posen abgereisten Kaiser und Talleyrand nachzusenden und ihn dann gleich weiter nach Petersburg gehen zu lassen. Aber Lützow erreichte weder in Posen noch in Petersburg etwas 96 ).

Am 7. Dezember trafen der Herzog und der Erbprinz wieder in Ludwigslust ein. Sie mußten den Dingen ihren Lauf lassen. Jetzt traf Schlag auf Schlag ein hartes Schicksal das herzogliche Haus. Am 8. Dezember erfolgte die Ausdehnung der Handelssperre gegen englische Ware auch auf Mecklenburg. Am 13. traf der Brigadegeneral Laval als Gouverneur von Mecklenburg-Schwerin in Schwerin ein. Am 16. und 17. wurde den Beamten der Eid auf den französischen Kaiser abgenommen, am 18. mußten alle bisher herzoglichen Kassen in französische Oberverwaltung übergeben werden. Die Regierung in Schwerin mußte der Gewalt


96) Berichte Lützows: AS Kab. Vol. 27. Lützows Mission. - AS Res externae, Gallica (1806).
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gehorchen, sie tat es, wenn auch schweren Herzens, um ein noch größeres Unheil nach Möglichkeit abzuwenden.

Nun drohte dem herzoglichen Hause als letzte und härteste Maßregelung die Ausweisung. Diese ließ nicht mehr lange auf sich warten. Am 22. Dezember erhielten der Herzog und die Herzogin für sich und ihre Familie die Ausweisungsbefehle von General Laval 97 ). Ein Versuch, den Kaiser noch im letzten Augenblick umzustimmen, mißlang 98 ). Am 8. Januar 1807 verließ der Herzog mit der Herzogin, dem Erbprinzen, dessen beiden Kindern, Paul Friedrich und Marie, und mit dem Prinzen Gustav und einigen wenigen Herren und Damen des Gefolges und einiger Dienerschaft Ludwigslust. Man siedelte in das dänische Altona über, wo man am 11. ankam 99 ). Nach einigen Tagen bezog man ein Privathaus; dort lebte man "sehr still und eingezogen" 100 ). Die kleine Hofhaltung mußte sich auf das Mindestmaß aller Bedürfnisse beschränken. Aus den heimatlichen Kassen flossen keine Gelder. Die Franzosen verweigerten dem Herzogshause jegliche Zahlung; nur ein kleines Reisegeld hatte man gewährt. Aber in Mecklenburg gedachten viele der Not ihres Landesfürsten und seiner Familie. Die Stände - nicht ohne die Absicht, als Gegenleistung wieder Zugeständnisse zu erlangen oder vielmehr zu erzwingen, wie später noch des Näheren erwähnt werden wird - und auch einige Städte für sich brachten größere Summen auf und wußten sie auf zuverlässigem Wege nach Altona zu schaffen 101 ). Der russische Kaiser 102 ) und anscheinend auch die englische Königin 103 ) sandten außerdem beträchtliche Summen. Dem Zaren Alexander hatte Friedrich Ludwig bereits am 30. Dezember 1806, wenige Tage vor der Abfahrt nach Altona, in einem Briefe, den er durch den noch in Petersburg weilenden Lützow dem Kaiser hatte übergeben lassen, die traurige Lage seiner Familie geschil-


97) AS Kab. Vol. 199, Interregnum 1806/07, Nr. 9 und 10, mitgeteilt in Übersetzung: Hirschfeld, Thronerbe, S. 274.
98) Sendung des Prinzen Gustav in das Hauptquartier des Marschalls Mortier in Anklam mit einem Brief an Napoleon. AS a. a. O., Prinz Gustav an Herzog 26. 12. 1806.
99) Für folgendes: AS Kab. Vol. 27 und Vol. 199, Interregnum 1806/07. Siehe auch Hirschfeld a. a. O., S. 279 ff.
100) An Georg, Altona 4. 3. 1807.
101) Parchim und Güstrow: AS Kab. Vol. 199 a. a. O. Nr. 155. - Ähnlich Rostock: AS a. a. O. Nr. 66 u. a. m.
102) AS Kab. Vol. 27, russ. Korr. des Erbprinzen. Alexander an Friedrich Ludwig, Petersburg 16. (a. St.) 3. 1807. (Kopie). Vgl. Hirschfeld, Thronerbe, S. 282. (Hier Brief z. T. deutsch).
103) An Georg, Altona 12. 6. 1807.
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dert 104 ). Aber auch der Zar konnte unter den obwaltenden Umständen - Rußland befand sich ja noch im Kriegszustand mit Frankreich - seinem Schwager und dessen Hause keine Hilfe angedeihen lassen 105 ).

Aber die Altonaer Verbannung sollte nicht lange dauern. Als nach der Schlacht bei Friedland, in der die Russen am 14. Juni den Franzosen erlagen, die Verhandlungen zum späteren Tilsiter Frieden angeknüpft wurden, machte Alexander zu einer der Friedensbedingungen die Forderung, daß der Herzog wieder in seine Herrschaft eingesetzt werde. Napoleon nahm diese Forderung an und erfüllte sie sofort. Bereits am 5. Juli vormittags traf in Altona ein Kurier mit einem Briefe Kaiser Alexanders vom 17. Juni 106 ) ein, in dem dieser die Befehle mitteilte, die an die in Mecklenburg stehenden französischen Befehlshaber wegen Wiedereinsetzung des Herzogs ergangen waren. Die Freude des Herzogs und seiner Familie wie die der mecklenburgischen Bevölkerung war groß. Der Herzog beauftragte Friedrich Ludwig, den Zaren aufzusuchen und ihm persönlich Dank zu sagen. Der Erbprinz trat seine Reise in Begleitung von Oertzens sofort an 107 ).

Am 13. Juli war er schon in Marienburg, wo er mit Napoleon eine kurze Begegnung hatte. Die Unterredung war sehr förmlich und kurz, vor dem Rathause bei der Ankunft des französischen Kaisers, der im Wagen sitzen blieb, und beschränkte sich auf einige allgemeine Fragen und Antworten über die Besatzungsverhältnisse in Mecklenburg.

Am 25. hatte Friedrich Ludwig dann in Petersburg eine längere Unterredung mit dem Zaren, in der er ihm die Kriegsleiden Mecklenburgs schilderte und die Frage nach einer Entschädigung dafür aufwarf. Hierfür wies er auf Lauenburg hin. Der Zar war erstaunt über die Naivität dieser Wünsche, die eine Verkennung der Lage bewiesen. Kaum daß Mecklenburg seine


104) AS Kab. Vol. 27 a. a. O. Friedrich Ludwig an Alexander 18./30. 12. 1806. Ebenso an Budberg.
105) AS Kab. Vol. 199 a. a. O. Nr. 42. Alexander an Herzog, Petersburg 7. (n. St.) 2. 1807. Mitgeteilt: Hirschfeld, Thronerbe, S. 281 (in Übersetzung).
106) AS Kab. Vol. 199 a. a. O. Nr. 84 (Kopie). Mitgeteilt in Übersetzung: Hirschfeld, a. a. O., S. 286. Der Brief trägt das Datum 17. 6., d. h. nach russischem Kalender; das ist 29. 6. n. St. Beide Daten in der Abschrift des Briefes, die Friedrich Ludwig an Georg schickte. Darnach Hirschfeld zu berichtigen, der 27. 6. setzt.
107) AS Kab. Vol. 27. Sendung nach Petersburg. Und Vol. 199 a. a. O. Nr. 106, 1 ff - Vgl. Hirschfelds Schilderung dieser Reise: Thronerbe, S. 291 ff. Dort teilweiser Abdruck der Berichte Friedrich Ludwigs.
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Existenz wieder erhalten hatte, wünschte es darüber hinaus sogar Gebietserweiterungen. Der Zar lehnte natürlich ab. Napoleon gedenke nach dem Frieden mit England Hannover und also auch Lauenburg zurückzugeben. Im andern Falle sollten diese beiden Länder an das Königreich Westfalen kommen. Darauf machte der Erbprinz sogar Schwedisch-Pommern als Entschädigung namhaft, aber auch dies wies der Kaiser natürlich zurück, da er an einen baldigen Frieden zwischen Schweden und Frankreich glaube, wobei jenes seine deutschen Besitzungen zurückerhalten solle. Napoleon werde auch überhaupt einer Landentschädigung sicherlich abgeneigt sein, da er schon durch die Wiedereinsetzung des Herzogs sehr viel getan zu haben glaube und deshalb auch sicherlich den Beitritt Mecklenburg-Schwerins zum Rheinbunde erwarte. Im übrigen gab aber der Zar dann doch noch die Versicherung, sich bei passender Gelegenheit für Mecklenburg verwenden zu wollen. Mit diesem zweifelhaften Trost kehrte der Erbprinz heim.

Kapitel IV.

Beitritt Mecklenburgs zum Rheinbunde;
Fürstentag zu Erfurt (1807 - 1808).

Schon Anfang August 1807 war von dem französischen Gesandten in Hamburg, Bourienne, der Regierung in Schwerin vertraulich der Wunsch Napoleons nach Beitritt Mecklenburgs zum Rheinbunde mitgeteilt worden. So entschloß sich der Herzog denn zum Beitritt, dessen Nachteile er durchaus erkannte, dessen Vorteile aber im Augenblick den Ausschlag gaben und für den er drei Bedingungen stellte: Erteilung der großherzoglichen Würde 108 ), Erfüllung früherer nicht erfüllter Ansprüche 109 ) auf Grund des Reichsdeputationshauptschlusses und Entschädigung durch Geld oder Land für die in den letzten Monaten erlittenen Schäden. Die letzte Forderung schien um so berechtigter, als der gesamte mecklenburgische Seehandel durch die Kontinentalsperre lahmgelegt und damit einer der wichtigsten Erwerbszweige des Landes unter-


108) S. Hirschfeld, Thronerbe, S. 304 f.
109) Sie betrafen die im Westfälischen Frieden Mecklenburg zugesprochenen zwei Kanonikate beim Domstift zu Straßburg, die seinerzeit durch die Reunionen verloren waren.
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bunden war 110 ). Alle Küstenorte, besonders natürlich Rostock und Wismar, litten unter der Sperre zunächst außerordentlich 111 ). Der Herzog bat vergeblich um Erleichterungen für das Land. Es blieb nur die eine Möglichkeit: sie durch den Beitritt zum Rheinbunde zu erreichen.

Um seinen Wünschen durch eine gewichtige Persönlichkeit möglichsten Nachdruck zu verleihen, bestimmte der Herzog als Gesandten für die Mission nach Paris den Erbprinzen, dem er daneben noch den Auftrag gab, die völlige Befreiung des Landes von der französischen Besatzung durchzusetzen.

Am 23. Oktober traf der Erbprinz in Begleitung des Ministers von Brandenstein und von Oertzens in Paris ein 112 ). Dem Erbprinzen wurde zur Führung der Korrespondenzen der mit den Gebräuchen der französischen Behörden vertraute mecklenburgische Geschäftsträger im Haag, Baron von Bosset, beigegeben. Bosset hatte bereits vor dem Eintreffen des Erbprinzen in Paris die Verhandlungen wegen des Beitritts mit dem Minister des Auswärtigen Champagny angeknüpft.

Weil Napoleon seit dem Tilsiter Frieden mit Rußland Freundschaft zu halten bestrebt war, war die Aufnahme Friedrich Ludwigs am Pariser Hofe die freundlichste, die er nur erwarten konnte, da man den Freund und Verwandten des Zaren in ihm berücksichtigte. Seine gewandte und angenehme Erscheinung, sein gesellschaftliches Talent und sein offenes und natürliches Wesen verschafften ihm auch überall großes Entgegenkommen. Er war stets ein gern gesehener Gast, erhielt viele Einladungen, war oft mit der Kaiserin Josephine und mit der Königin Hortense von Holland, ihrer Tochter, in Fontainebleau zusammen, wo er sich am 1. November den Majestäten vorgestellt hatte. Auch der Kaiser zeigte sich ihm gegenüber durchaus freundlich. Er sah aber die bald entstehende Zuneigung seiner Gattin zu dem Erbprinzen mit einem gewissen Unbehagen. Das veranlaßte ihn, als er sich später von ihr scheiden ließ, ihr vorzuschlagen, sie solle, falls sie sich


110) Fr. Stuhr, Die Napoleonische Kontinentalsperre in Mecklenburg (1806 - 1813): Jahrbuch 71 (1916) S. 325 ff.
111) Über die weitere Entwicklung der Sperre s. Stuhr a. a. O., S. 351 ff.
112) Zum Folgenden: AS Kab. Vol. 7, Sendung nach Paris 1807/08. - Vol. 256 Rheinbund. - Vol. 342 Reise nach Paris. - Hirschfeld, Thronerbe, S. 304 - 361, gibt eine Darstellung dieser Pariser Mission auf Grund dieser Akten. Deshalb hier nur die Hauptzüge. - Ferner: AS Res externae, Gallica 1786 - 1808, Bossetsche Berichte 1807. - Gallica 1808/15. (Hier die Akten und Abschriften betr. den Vertrag, die Ratifikationen usw.)
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wieder vermählen wolle, den Erbprinzen heiraten 113 ). Dem Erbprinzen wurde bald nach der Ankunft der Zutritt zu den Levers und Couchers des Kaisers gestattet, eine Auszeichnung, die nur wenigen zuteil wurde. Auch zu den Jagden und Festen des Hofes wurde er oft eingeladen.

Am Kaiserhofe hielten sich zu jener Zeit mehrere deutsche Fürsten auf, die größtenteils auch gekommen waren, um für sich und ihre Länder Erleichterungen von Friedensbedingungen und Besatzungsbedrückungen zu erbitten. So war auch Erbprinz Georg damals längere Zeit in Paris, um den Beitritt Mecklenburg-Strelitz' zum Rheinbunde zu bewerkstelligen. Georg und Friedrich Ludwig waren in der ersten Zeit ihres Pariser Aufenthalts des öfteren zusammen. In den Augen Georgs bewarb sich Friedrich Ludwig aber so sehr um die Gunst Napoleons, daß jener ihm dieses Verhalten übel auslegte, worunter schließlich sogar das freundschaftliche Verhältnis beider eine Trübung erfuhr 114 ).

Die Verhandlungen wegen des Beitritts zum Rheinbunde wurden sogleich von Brandenstein, der in der Folgezeit überhaupt die eigentlichen Verhandlungen führte, während Friedrich Ludwig mehr die repräsentativen Aufgaben der Mission erfüllte, eifrig in Angriff genommen. Sie zogen sich aber ganz außerordentlich in die Länge. Mit seinem Wunsche nach Räumung des Landes von den französischen Truppen, wie der Artikel XII des Tilsiter Friedens sie vorsah, stieß der Erbprinz lange auf große Schwierigkeiten. Seine diesbezüglichen Wünsche wurden vornehmlich von dem Minister Champagny dauernd dilatorisch behandelt. Ähnlich erging es ihm mit seinem Verlangen nach Verleihung der großherzoglichen Würde und dem der Verminderung des später im Rheinbund zu stellenden Truppenkontingents. Beide Punkte hielt Champagny nämlich für unvereinbar. Selbst der russische Botschafter in Paris, Graf Tolstoi, verwandte sich für den Erbprinzen beim Minister, aber auch nicht mit nennenswertem Erfolge. Er hatte noch keine besonderen Aufträge für die Unterstützung Mecklenburgs von seiner Regierung erhalten. Gerade auf diese rechnete man von französischer Seite, um dann ein Entgegenkommen gegen die russischen Wünsche als einen neuen Beweis der Freundschaft zum Zaren hinstellen zu können. Aber auf ganz


113) Gräfin Remusat, Napoleon I und sein Hof, Memoiren. Deutsche Originalausgabe von A. Ebeling. 2. Aufl. Köln 1883. 3. Band, S. 324. - Daß der Erbprinz sogar selbst an die Kaiserin in dieser Angelegenheit geschrieben haben soll, wie die Gräfin Remusat sich zu erinnern glaubt, ist wohl nicht anzunehmen. S. auch ebenda S. 217 f.
114) Haus-Archiv Neustrelitz, Tagebuch Georgs aus der Pariser Zeit.
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unerwartetem Wege wurde dann doch plötzlich der Wunsch nach Befreiung Mecklenburgs von den Truppen erfüllt. Nicht zum wenigsten nämlich auf Verwendung der Kaiserin, die den Erbprinzen, wie gesagt, in der kurzen Zeit schon schätzen gelernt hatte, gab Napoleon am 16. November den Befehl zur Räumung Mecklenburg-Schwerins. Nur ein Bataillon zur Besetzung Wismars und Rostocks mit Rücksicht auf die Kontinentalsperre blieb zurück. Dann aber unterbrach eine Reise des Kaisers die Verhandlungen auf mehrere Wochen.

Der Erbprinz schöpfte nach einer erneuten Audienz bei Napoleon am 13. Februar 1808 wieder Hoffnung, nachdem der Kaiser nun schon die Räumung versprochen hatte, noch seine anderen Forderungen durchsetzen zu können. Er erwartete noch immer eine Hilfe von russischer Seite. Aber als Erbprinz Georg für Mecklenburg-Strelitz am 18. Februar den Beitrittsvertrag mit den von Frankreich auch den anderen Rheinbundstaaten gegenüber gestellten Bedingungen unterzeichnete, verlangte Champagny, daß Mecklenburg-Schwerin nun auch ohne weiteres folgen solle, nachdem die Zahl des Truppenkontingents bereits auf 1950 Mann ermäßigt war. Aber das genügte dem Erbprinzen nicht. Er wandte sich noch einmal an Napoleon unmittelbar, der ihm verhieß, in einigen Tagen seine endgültige Entscheidung mitzuteilen. Aber nach langen Vertröstungen und nochmaliger Audienz beim Kaiser mußte der Erbprinz den Vertrag am 22. März unterzeichnen.

So hatte die Pariser Mission nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Nur die Zurückziehung des größten Teils der Besatzung war neben dem Erlaß einiger Kontributionen und einer unwesentlichen Verringerung des Bundeskontingents erreicht worden. Der Erbprinz kehrte deshalb unbefriedigt nach Mecklenburg zurück.

Aber die Aufgaben, die seine beiden Ämter, die Kammerpräsidentschaft und auch das Finanzministerium, das ihm am 8. Dezember 1808 übertragen wurde, in dieser Zeit der Nöte mit sich brachten, ließen ihm keine Zeit zur Resignation. Sie führten ihn sofort in die Mitte zahlreicher und umfänglicher Arbeiten. Neben der Tätigkeit in Kammer- und Finanzministerium waren es für die nächsten Monate dann noch vor allem innenpolitische und verfassungsrechtliche Fragen, deren Bearbeitung seine Zeit und Kräfte in Anspruch nahm.

Die Auflösung des Reiches 1806 hatte allen deutschen Staaten formell die Souveränität gegeben. Durch den Beitritt zum Rhein-

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bunde war diese Souveränität für Mecklenburg wie für alle seine Mitglieder ausdrücklich bestätigt worden, wenn sie auch wegen des Bundesprotektorats Napoleons nur eine Scheinsache blieb. Sie brachte aber vor allem die Ausschaltung einer Beschwerdeinstanz der Stände gegen den Herzog mit sich, wie sie früher in der Form des Reichskammergerichtes bestanden hatte. Sie wurde von vielen anderen, besonders mittel- und süddeutschen Fürsten dazu benutzt, um eine Unterdrückung der Stände, soweit diese noch bestanden, zum Zwecke einer Alleinherrschaft herbeizuführen. Herzog Friedrich Franz hatte, als er im Sommer 1808 einen Konvokationstag, d. h. einen Teillandtag der Mecklenburg-Schweriner Stände, zum 1. September nach Rostock einberief, die Absicht, die alte Verfassung grundlegend nach zeitgemäßen Gesichtspunkten zu verändern, denn die durch die Vorgänge der letzten Jahre umgestalteten Verhältnisse erforderten verschiedene Reformen. In den Propositionen, die der Herzog zur Verhandlung stellte, verlangte er hauptsächlich auf Grund der erlangten und ausdrücklich festzulegenden unumschränkten Souveränität neben der Vereinheitlichung der Verfassung und Verwaltung, der obersten Gerichtsgewalt, der Abschaffung der Leibeigenschaft und neben der Oberpolizei die Rechte der Gesetzgebung, der Besteuerung und der Militärrekrutierung und kündigte auf Grund einer Bestimmung im Reichsdeputationshauptschluß von 1803 die Übernahme der drei Jungfrauenklöster in herzogliche Verwaltung an. Wären diese Forderungen erfüllt worden, so wäre Mecklenburg ein absolutistischer Staat geworden. Aber nach der Lage der Dinge war von Anfang an ihr Scheitern vorauszusehen.

An den Beratungen bei der Aufstellung dieser Propositionen war der Erbprinz in hohem Grade beteiligt, wenn auch Einzelheiten darüber nicht feststellbar sind. Er geriet bei diesen Arbeiten oft in Gegensatz zum Herzog. Besonders war es bei der Frage der Aufhebung der Klöster der Fall. Nach alten Abmachungen hatten die Stände das Recht, die Klöster zu verwalten und die Stellen in ihnen nach ihrem Gutdünken zu verleihen. Friedrich Ludwig vertrat die Ansicht, daß der Herzog nicht berechtigt sei, die Klöster einzuziehen.

Die Frage der Klösteraufhebung war schon seit mehreren Jahren von der Regierung und dem Herzog erwogen worden 115 ). Die Notlage des Herzogs in dem Altonaer Exil benutzten dann, wie schon erwähnt, die Stände dazu, um Versprechungen hinsichtlich


115) Schröder, Kurwürde, S. 65 ff.
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der Erhaltung der Klöster zu erlangen 116 ). Plessen hatte von den Ständen damals in Altona die Aufforderung erhalten, den Herzog hierüber zu sondieren. Der Erbprinz erfuhr dies von Plessen und reichte seinem Vater am 9. Februar 1807 ein Promemoria über die Klosterfrage ein 117 ). Er entwickelte darin seine Anschauungen über die Frage dahingehend, daß er zwar das prinzipielle Recht zur Aufhebung anerkenne, weshalb auch das gewünschte Versprechen nicht zu geben sei, aber es komme auf die Art und den Zeitpunkt der Aufhebung an. "Die Aufhebung selbst ist Ausfluß Landesherrlicher Macht, die Art der Aufhebung muß Ausfluß des Landesväterlichen Herzens sein." Eine sofortige Aufhebung sei hart und geradezu ungerecht, aber die Verfassung und Verwaltung der Klöster müsse einer Umwandlung insofern unterworfen werden, daß die Stellen zwar beibehalten, allerdings mit Geld abgelöst werden, die Verwaltung der Ländereien und Waldungen und der gesamten Klosterfinanzen dem Kammer- und Forstkollegium zufallen sollten.

Der Herzog erreichte, wie vorauszusehen war, auf dem Rostocker Konvokationstage in keiner der wesentlichen Propositionen sein Ziel. Die Stände erkannten natürlich bald, auf welchem Wege der Herzog zufriedenzustellen war. Sie bewilligten reichlich Geld. Und damit ließ jener sofort alle seine Wünsche und Ansprüche fallen. Auch die Klosterfrage wurde dann in einem Vergleich vom 22. April 1809 durch das Zugeständnis einer einmaligen Zahlung von 80 000 Reichstalern für die augenblicklichen Bedürfnisse des Herzogs gelöst, der dafür für immer auf alle seine aus dem Reichsdeputationshauptschluß von 1803 etwa herzuleitenden Ansprüche auf die Klöster verzichtete.

Im Herbst 1808 schien sich doch noch eine Gelegenheit zu bieten, die Anfang des Jahres in Paris unerfüllt gebliebenen Wünsche des Herzogs und des Erbprinzen, die Rangerhöhung ihres Hauses und die Lösung der Frage der Entschädigung durch Geld oder Land, zur Erfüllung zu bringen. Schon im Sommer war an den deutschen Höfen, natürlich in erster Linie an denen der Rheinbundfürsten, bekannt geworden, daß Napoleon im Herbst mit Kaiser Alexander eine Zusammenkunft haben werde und daß er bei dieser Gelegenheit die Fürsten seines Bundes um sich, ihren Protektor, versammelt zu sehen wünsche. Die Zusammenkunft war für Ende September in Erfurt verabredet. Herzog


116) AS Kab. Vol. 199, Interregnum Nr. 51. Aufzeichnung (von ?). Altona 9. 2. 1807.
117) AS a. a. O. Nr. 44.
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Friedrich Franz, dem ebenfalls zu verstehen gegeben war, daß seine Anwesenheit in Erfurt erwünscht sei, fand in dem gerade begonnenen Konvokationstage eine gute Entschuldigung für sein Fernbleiben. Er sandte den Erbprinzen, der sich dieser wenig angenehmen Aufgabe vor allem auf die Aussicht hin unterwarf, daß er den Zaren bei dieser Gelegenheit sprechen würde. Dies war ihm wegen seiner Rang- und Entschädigungswünsche sehr willkommen, da er auf Unterstützung durch Alexander bei Napoleon hoffte. Diese Aussicht ließ ihn das Demütigende eines solchen Fürstentages, auf dem Napoleon seine Schützlinge Revue passieren lassen wollte, weniger fühlen, "Ich werde nicht verfehlen, mich angelegentlichst den bonnes graces unseres erhabenen Protektors zu erneuern und zu empfehlen", schrieb er ironisch an Erbprinz Georg 118 ). Die Teilnahme am Fürstentage erschien ihm nur als ein Nebenzweck seiner Reise 119 ).

Am 23. September traf er in Weimar ein. Am 29. kam der russische Kaiser dort an. Am 26. schon hatte Friedrich Ludwig dem russischen Außenminister Grafen von Romanzoff eine Denkschrift übergeben, in der er die Wünsche Mecklenburg-Schwerins darlegte und dem Zaren zur Befürwortung empfahl 120 ). Romanzoff glaubte aber nicht, daß in Erfurt überhaupt von dergleichen Dingen die Rede sein werde, und vertröstete den Erbprinzen im übrigen auf den späteren endgültigen Frieden, bei dem alles entschieden werde. Darnach setzte Friedrich Ludwig dem Zaren selbst in einer Privataudienz nochmals seine Wünsche auseinander. In merkwürdiger Verkennung der politischen Gesamtlage glaubte er ernsthaft, daß seine und des Herzogs Wünsche bei einer solchen, nur der großen Politik geltenden Zusammenkunft zur Sprache kommen würden. Der Zar hielt denn auch nicht mit seiner Verwunderung zurück; es seien wirklich wichtigere Dinge zu besprechen als solche Privatwünsche eines Einzelnen. Des Erbprinzen Optimismus war trotzdem unbesiegbar. Als aber, wie vorauszusehen war, seine Wünsche dann doch überhaupt nicht mehr zur Erörterung gestellt wurden, kehrte er entmutigt nach Mecklenburg zurück, wenngleich Napoleon ihn auch in Erfurt wiederum mit aller Zuvorkommenheit behandelt hatte.


118) An Georg, Doberan 19. 9. 1808.
119) AS Kab. Vol. 7, Erfurt. Und ebenda: Briefe. - AS Res externae, Russica Vol. XI Fasc. 9. - S. Hirschfeld, Thronerbe, S. 365 ff.
120) AS Kab. Vol. 7. Briefe. Anlage: Denkschrift vom 25. 9. 1808 (Abschrift).
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Kapitel V.

Friedrich Ludwig als Kammerpräsident und
Finanzminister (1806 bzw. 1808 - 1819).

Seit 1806 war Friedrich Ludwig Chef und Präsident des herzoglichen Kammer- und Forstkollegiums, seit 1808 auch Finanzminister in der Regierung. Beide Ämter bekleidete er bis zu seinem Tode 1819.

Es ist schwer, sich aus den erhaltenen Akten ein eindeutiges und erschöpfendes Bild von der Tätigkeit des Erbprinzen in diesen beiden Ämtern zu machen. Bei dem Brande des Schweriner Regierungsgebäudes 1865 sind von den dort lagernden Beständen u. a. auch sämtliche Kammerakten und damit das Hauptmaterial vernichtet, in dem sich, wie wohl als sicher angenommen werden darf, eine große Anzahl Denkschriften, Sitzungsprotokolle, Briefe, Aufzeichnungen, Entwürfe, Eingaben und ähnliches und in diesen vor allem auch Randbemerkungen befanden. Es bleibt als fast einzige Quelle für die folgende Darstellung der aktenmäßige Niederschlag, den die Kammerarbeit im Ludwigsluster Kabinett in der Form der Briefe und Promemorien der Kammer an den Herzog und in dessen in Abschriften oder Entwürfen erhaltenen Antworten darauf gefunden hat. Dazu kommen einige nebensächlichere Akten über einzelne Gebiete aus anderen Beständen.

Und auch in diesem geringen Material findet sich nur Weniges, aus dem auf eine selbständige Arbeit Friedrich Ludwigs geschlossen werden kann. Natürlich mitunterzeichnete er, wenn er überhaupt in Mecklenburg war, stets an erster Stelle durchweg alle an den Herzog gerichteten Schreiben. Daraus läßt sich naturgemäß noch nicht schließen, daß er selbst den betreffenden Gegenstand initiativ bearbeitet hat. Es war sogar, soweit überhaupt feststellbar, in der Regel so, daß er alle von den anderen Kammermitgliedern bearbeiteten und ihm vorgelegten Stücke mitunterzeichnete. Des öfteren versah er die schon nach Ludwigslust an den Herzog abgesandten, von den Kammerräten bereits ausgefertigten Schriftstücke erst dort nachträglich mit seiner Unterschrift. So bleibt nur ein kleiner Rest von Material übrig, an dem die initiative Mitarbeit Friedrich Ludwigs so gut wie sicher feststellbar ist.

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Die obere Behördenorganisation war damals - zum besseren Verständnis mag dies hier vorausgeschickt werden - in der Hauptsache folgende:

An der Spitze aller Behörden stand das Geheime Ministerium mit Bernhard Friedrich Graf von Bassewitz als Geheime-Rats-Präsident. Unter ihm arbeitete als zweiter Minister der Geheime Rat August Georg von Brandenstein. Das Arbeitsgebiet des Ministeriums war hauptsächlich die Beaufsichtigung und oberste Leitung aller anderen Behörden. Als Bassewitz 1808 auf sein Ersuchen aus seinem Amt entlassen wurde, gestaltete der Herzog das Ministerium so um, daß Brandenstein als Präsident und Leopold Hartwig von Plessen, der bis 1806 Gesandter am Reichstage in Regensburg gewesen war, als Geheimer Rat und zweiter Minister in das Ministerium berufen und mit dem Amte eines Kabinettsministers in Ludwigslust bald darauf betraut wurden. Ferner wurde dem Erbprinzen der neu geschaffene Posten eines Finanzministers übertragen und außerdem noch ein Referent für Militärsachen und einer für Justiz- und Lehnssachen bestellt.

Die nächsthöchste Behörde war die Regierung in Schwerin. Hier war Bassewitz bis zu seinem Abgang 1808 Präsident und Brandenstein als Geheimer Rat sein Mitarbeiter und später dann als Präsident der alleinige Leiter der Regierung. Einige Regierungsräte standen ihm zur Seite. Das Arbeitsgebiet der Regierung war vor allem die äußere und innere Politik im einzelnen. Der Regierung angegliedert und von den gleichen Beamten geleitet war die Lehnkammer.

Die Kammer, die der Regierung gleich geordnete dritte Oberbehörde, setzte sich aus dem Chef und Präsidenten und einem Kammerdirektor - Brüning und später Cordshagen - und einigen Kammerräten und Geheimen Kammerräten zusammen. Dazu kamen später, wie noch weiter unten erwähnt werden wird, mehrere Landbaumeister. Unterbehörden und Kompetenzbereiche der Kammer waren: die Renterei mit der Münze, die Reluitionskommission, die Schuldentilgungskommission - seit 1809 - , die Domänenverwaltung mit den einzelnen Domänenämtern im Lande, das Jagdregal mit einem Oberjägermeister an der Spitze, das Forstregal, verwaltet durch das Forstkollegium, das sich aus dem Kammerpräsidenten als Präsidenten, dem Kammerdirektor, den Kammer- und einigen Forsträten zusammensetzte, ferner das Postregal, das Steuer- und das Zollregal.

Daneben bestanden die Justiz-, die Militär- und die kirchliche Verwaltungsbehörde. 1807 wurde außerdem noch in Zusammenarbeit mit den Ständen die Landeskreditkommission und ferner

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1809 die Landesrezepturkommission zur Verwaltung der als gemeinsam anerkannten Schulden des Herzogs und der Stände errichtet.

Da die Kammer in erster Linie, der Natur ihrer einzelnen Arbeitsgebiete entsprechend, die hauptsächlichste und wichtigste Geldquelle für die Regierung war, war es verständlich, daß der Herzog bei seiner steigenden Schuldenlast darauf bedacht war, ihre Verwaltung auf das engste mit den Interessen seines Hauses zu verknüpfen. So ernannte er denn 1806 seinen ältesten Sohn zum Präsidenten der Kammer.

Die Mitarbeit des Erbprinzen an den Regierungsgeschäften seines Vaters reicht jedoch schon, soweit erkennbar, in das Jahr 1798 zurück. Vom 27. April 1798 datiert die erste "Mitarbeit", soweit man sie so nennen darf: ein von Friedrich Ludwigs Hand geschriebener Entwurf des Herzogs - oder des Erbprinzen selbst? - zu der Antwort auf das Gesuch eines Oberförsters 121 ). Von dieser Zeit ab mehren sich solche Zeugnisse. In den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts fand dann eine immer weitergehende Einarbeit des Erbprinzen in die Regierungstätigkeit seines Vaters statt, bis dieser ihn schließlich 1805 offiziell mit der Teilnahme an allen Kammergeschäften in Schwerin beauftragte. Friedrich Ludwig hatte schon seit dem Februar dieses Jahres in Schwerin bis auf weiteres Aufenthalt genommen, um ungestört an der Arbeit der Kammer unmittelbar teilnehmen zu können. "Allerlei Geschäfte binden mich seit dem Februar an unsere hiesige Capitale" 122 ), schrieb er am 3. Mai aus Schwerin an Georg. Am 19. Mai, wieder in Ludwigslust, schrieb er: "da wäre ich nun wieder im geliebten Ludwigslust ..., nach 3 Monaten eines stets wechselnden Aufenthalts, nach Beendigung mancher oft unangenehmen Geschäfte" 123 ).

Das Kabinettsschreiben an das Kammerkollegium 124 ), das die offizielle Zulassung zu den Kammergeschäften enthielt, datiert vom 24. Mai 1805: "Wir eröfnen dem Cammer-Collegio, daß Wir der Entschließung geworden, Unsern Sohn des ErbP. Liebd. an allen Geschäften des Cammer-Departements theilnehmen zu lassen, daher haben Wir denselben in diesem Fache bey unsern Cabinet föllig angestellt, und alle dahinein schlagende Sachen gehen von


121) Kab. Vol. 182, Mankmoos 1798, Nr. 2. Herzog an Oberförster Weidemann in Mankmoos 27. 4. 1798.
122) An Georg. Schwerin. 3. 5. 1805.
123) An Georg 19. 5. 1805.
124) AS Kab. Vol. 51 Organisation 1805/06. Herzog an Kammer 24. 5. 1805 (Konzept!).
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von nun an durch seine Mitwürkung. Sobald wie Unser Sohn ErbP. Liebd. nicht zu Hause sind, so hat das Collegium von dem Tage seiner Abreise an eine Specification von denn vorgekommenen Sachen fertigen zu lassen und dieselbe ihm bey seiner Rückkunft vorzulegen, damit er weiß, was in seiner Abwesenheit verhandelt, und nach Befinden Sich die verhandelten Acten fordern kann, auch dieß leztere gild, wenn er sich zu Hause und nicht mit Uns an dem nehmlichen Ort befindet. Auch haben Wir ihm gnädigst verstattet, wenn er es vor gut finden wird, den Sitzungen und Deliberationen Unsers Cammer-Collegii bey zu wohnen."

Ein knappes Jahr darauf wurde Friedrich Ludwig dann an die Spitze der Kammer berufen.

Die Ernennung des Erbprinzen zum Chef und Präsidenten des Kammer- und Forstkollegiums fiel in die Zeit der größten Finanznot des Landes 125 ). Die Ernennung war aus der Notwendigkeit heraus geboren, alle verfügbaren Kräfte aufzubieten, in den trostlosen Finanzverhältnissen Ordnung zu schaffen. Das Schicksal bot die Hand dazu: der bisherige Kammerpräsident von Dorne starb am 11. März 1806. Bald, am 21. März, erfolgte die Ernennung Friedrich Ludwigs 126 ): "Liebster Sohn! Der Fleiß und die Beharrlichkeit, mit der Du Dich den Cameral-Geschäften widmest, haben mich überzeuget, daß ich diesen wichtigen Zweich der Geschäfte keiner besseren Verwaltung als der Deinigen anvertrauen kann. Da nun mein treuer, mir persöhnlich ergebener CammerPresident von Dorne verstorben ist, so ernenne [ich] Dich mit Vergnügen zum Chef und Presidenten meines Cammer- und ForstCollegii, überlasse es Dir, Dich selbst einzuführen, an die Spize der Geschäfte zu stellen und den künftigen zweckmäßigsten Gang derselben zu leiten. Weil Du aber nicht immer in Schwerin anwesend seyn kannst, so hängt es von Dir ab, das Collegium und den Director desselben für die Zeit Deiner Abwesenheit zu instruiren, ins besondere letzterem die Signatur [der] ad Mandatum abgehende[n] Stücke und alle Contra-Signaturen, denen Du Dich nicht füglich unterziehen kannst, zu übertragen. Ebenso wirst Du bey Deinen anderweitigen Geschäften und Verhältnissen nicht immer in das Detail der curenten Arbeiten des Collegii hineingehen oder [Dir] die vollenkommene Actenkenntniß verschaffen können, ohne einen Referenten zu haben. Hierzu ernenne ich nach Deiner Wahl den LandDrost v. Lehsten, wegen dessen Beförderung, so wie wegen übrige Gnadenerweisung für das


125) Vgl. Hans Witte, Kulturbilder aus Alt-Mecklenburg I, S. 57 f.
126) AS Kab. Vol. 51 a. a. O. - Auch Vol. 52, Erbprinz 1806/08. Herzog an Friedrich Ludwig, Schwerin. 21. 3. 1806. (Konzept!)
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Cammer-Collegium die abschriftlich beyliegende Verordnung an mein Ministerium ergangen ist. Hiedurch, liebster Sohn, hoffe ich Dir einen neuen Beweis meiner Liebe und meines innigsten Vertrauens gegeben zu haben. Mit diesen Gesinnungen bin ich stets Dein treuer Vater und Freund Friedrich Franz."

Gleichzeitig wurde diese Ernennung der Regierung mitgeteilt mit der Bemerkung, daß die Kammerräte Bühring, von Pritzbuer und der Landdrost von Lehsten zu Geheimen Kammerräten ernannt seien und der letztere zum Referenten in Kammersachen beim Erbprinzen bestellt sei 127 ). Brandenstein beglückwünschte den Erbprinzen mit den bezeichnenden Worten: "Das Amt wird nicht ohne Dornen sein" 128 ).

Am Dienstag, den 25. März, fand die förmliche Einführung oder vielmehr Selbsteinführung des neuen Kammerpräsidenten statt. Friedrich Ludwig begab sich zu dem in dem Sitzungszimmer versammelten Kammerkollegium, nahm den Stuhl des Kammerpräsidenten ein und begrüßte in einer kurzen Ansprache das Kollegium, gedachte dabei des verstorbenen Präsidenten von Dorne und gab seiner Hoffnung auf gute Zusammenarbeit Ausdruck 129 ). In einer kürzeren Ansprache begrüßte er darauf die weiteren Kammerbeamten, die in das Sitzungszimmer zusammenberufen waren. Dann begann sogleich die erste Kammersitzung, die Friedrich Ludwig als Präsident leitete. Der Berufung Lehstens hatte er in seiner Begrüßungsansprache keine Erwähnung getan, auch hatte er zur Genugtuung des Kollegiums keine Organisations- oder andere Veränderungen angekündigt.

So trat zum erstenmal ein Mitglied des Fürstenhauses das Kammerpräsidentenamt an.

Da die Domänenverwaltung, das Hauptarbeitsgebiet der Kammer, die wichtigste Geldquelle des Herzogs war, gebot es sich naturgemäß bald, daß der Kammerpräsident auch der oberste Verwalter der Gesamtheit der herzoglichen Finanzen wurde. So ernannte der Herzog am 7. Dezember 1808 gelegentlich der Neuordnung des Geheimen Ministeriums den Erbprinzen zum Finanzminister 130 ). Dieser Posten wurde damit neu geschaffen. Seine Befugnisse beruhten im allgemeinen zunächst nur auf der stimmberechtigten Mitgliedschaft im Geheimen Ministerium oder im Kabinettsministerium, wie es gewöhnlich genannt wurde. Im


127) AS Kab. Vol. 51, Organisation 1805/06, Nr. 22.
128) AS Kab. Vol. 52. Erbprinz 1806/08. Brandenstein an Friedrich Ludwig 22. 3. 1806.
129) AS a. a. O. Niederschrift für den Herzog.
130) AS a. a. O. Herzog an Kammer 7. 12. 1808.
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übrigen war bei diesem Amte auf lange Jahre hinaus die Kompetenz von derjenigen der Kammer nicht streng geschieden 131 ). Das Finanzministeramt bildete sich erst ganz langsam als selbständiges Amt heraus. So läßt sich denn auch die Tätigkeit Friedrich Ludwigs als Finanzminister nicht näher feststellen als höchstens dahingehend, daß er die terminweise eingehenden Abrechnungen der einzelnen Behörden prüfte, was er sehr genau getan zu haben scheint 132 ).

Auch er konnte den "notorischen großen Bedruck aller herrschaftlichen Kassen" 133 ) nicht mindern. Die Schulden wuchsen weiter. Ende 1809 betrugen die Kammerschulden 3 999 446 Reichstaler einschließlich der rückständigen Zinsen 134 ).

Die Hauptursache der ungeheuren Schuldenlast lag schon weit zurück. Es war die allgemeine Münzverschlechterung in der Zeit des siebenjährigen Krieges. Ferner steigerte eine unwirtschaftliche Domänenverwaltung die Schulden und die jährlichen Unterschüsse: schlechte, unsachgemäße und darum immer, und zwar auf Kosten des Landesherrn wieder zu erneuernde Bauten auf den Domänen; veraltete und deshalb zu geringe Pachtgeldveranschlagungen, die so preisdrückend wirkten, daß selbst Verpachtungen gegen öffentliches Meistgebot, wie man sie dann versuchte, nicht viel nützten. Andererseits steigerten Makler - "Generalpächter" - die Pachtsumme über den Ertragswert der Ländereien und brachten den Pächter dazu, daß er sein Pachtgeld nicht erlegen konnte und um Pachterlaß bitten mußte, der dann fast immer von dem unwirtschaftlich denkenden und gutmütigen Herzog trotz wiederholten Einspruchs der Kammer bewilligt wurde. Zur Deckung der alten Schulden, die auch durch die hohen Privatausgaben des sorglosen Herzogs ständig vermehrt wurden, machte man Anleihen über Anleihen, ohne die Bedenklichkeit dieser Finanzoperation einzusehen. Durch die hohen Zinsen, die in der Regel auch nur durch Anleihegelder bezahlt wurden, wuchs die Schuldenlast schnell ins Ungeheuerliche. Alle Gegenmaßregeln scheiterten schon in ihren Anfängen an der Schwerfälligkeit und Reformfeindlichkeit der Behörden und daran, daß der Herzog seinen eigenen, sogar noch jährlich wachsenden Geldbedarf in


131) Balck, Finanz-Verhältnisse, I, S. 67.
132) AS Kab. Vol. 55, Revision. Vol. 56 a, Rückstände. Vol. 3 a, Allg. Legationskasse. Vol. 188, Vorlegung des Etats.
133) AS Kab. Vol. 55, Revisionen Oldenburg. Nr. 22, Kammer an Herzog 16. 10. 1811.
134) AS Kab. Vol. 55, Verzeichnis der Kammerschulden 11. 11. 1809. S. auch Witte, Kulturbilder I, S. 56, 58 u. a.
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keiner Weise einzuschränken gedachte. Die übrigen Mitglieder des Herzogshauses taten es hierin übrigens ihrem Oberhaupt durchaus gleich.

Auch Friedrich Ludwig war nicht in der Lage, den fortschreitenden finanziellen Verfall auch nur aufzuhalten. Er beschränkte sich deshalb vor allem darauf, größte Genauigkeit, größtmögliche Sparsamkeit in der Verwaltung und die Aufschließung aller etwa noch möglichen neuen Geldquellen herbeizuführen.

Er war naturgemäß deshalb zum Einschreiten gegen alte Mißstände des öfteren genötigt. So war begreiflicherweise sein Verhältnis zu seinen Beamten, vor allem zum Kammerdirektor und den Kammerräten, nicht immer das beste. Auch allein schon der Unterschied des Alters - der Erbprinz war 27 Jahre alt, als er Kammerpräsident wurde - schuf leicht manche Gegensätze. Friedrich Ludwig wollte vorwärts, während die Räte alles Überkommene wie ein unantastbares Heiligtum zu bewahren suchten. Er konnte leicht heftig werden, sogar bis zum Abbruch der Beziehungen, sobald sich eine unsachliche Opposition gegen seine Wünsche zeigte. Sein weicher Charakter ließ ihn oft verzagen, bevor er ein Ziel erreichte. Nicht für alle Dinge seiner Ämter hatte er das gleiche Interesse. Zu einer umfassenden Reform fehlten ihm Energie und Ausdauer und der nötige Weitblick für geschichtliche Entwicklungsnotwendigkeiten. Eine systematische Beschäftigung mit wirtschaftlichen Fragen, auch nur in den Hauptwerken seiner Zeit, scheint er nicht oder nur wenig betrieben zu haben. Seine Reformversuche tragen mehr den Charakter der durch lokale Verhältnisse und Zufälligkeiten gebotenen Gelegenheiten als den eines planmäßigen, durch größere Gesichtspunkte bestimmten Vorgehens.

Bei allem diesen stand er fast dauernd unter dem Druck eines kühlen Verhältnisses zum Herzog. Beide waren sich in ihrer Natur überhaupt zu sehr entgegengesetzt. Der Herzog, lebenslustig und heiter, machte sich über die Übelstände im Lande keine großen Sorgen. Sein Hauptaugenmerk war darauf gerichtet, daß genügend Geld einkam. Im übrigen ließ er alles gehen, wie es ging. Seine teuren Parforcejagden und seine Spielleidenschaft erfuhren auch in den schlimmsten Zeiten keine Einschränkung. Alles wesentliche, über den Rahmen des alltäglichen Geschäftsganges Hinausgehende überließ er zur Bearbeitung seinen Räten, später besonders Plessen, der seit seiner Berufung als ausdrücklicher Kabinettsminister nach Ludwigslust 1807 des Herzogs ständiger Berater und Mitarbeiter war. Die alltägliche Beschäftigung

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erledigte er allerdings mit einer erstaunlichen Genauigkeit und bewältigte dabei eine ungeheure Arbeitsmenge, wie die geradezu zahllosen Dorsalbemerkungen und die ebenso zahlreichen Kabinettsreskripte zeigen. Die Abhängigkeit des Herzogs von seinen Räten ging sogar soweit, daß oft die Entscheidung wichtiger Dinge aufgeschoben wurde, bis Plessen von einer Reise zurückgekehrt war. Ohne ihn war er schließlich nicht mehr imstande zu regieren. Auf den Rücken zahlreicher Kammer- und Regierungsschreiben stehen wahre Hilferufe nach dem verreisten Plessen, der seinen Herrn natürlich ganz in dem Sinne des Standes regierte, dem er angehörte, der Ritterschaft. Er wußte demgemäß alle herzoglichen oder erbprinzlichen Wünsche, die irgendwie den Anschauungen der Ritterschaft widersprachen, mit Hartnäckigkeit und unwiderstehlichem Geschick immer wieder unter den Tisch fallen zu lassen 135 ).

Dieser Kamarilla stand auch Friedrich Ludwig, der sowieso schon seinem Vater innerlich fernstand, so gut wie machtlos gegenüber. Er selbst stand darum mit den Räten des Herzogs auch nur auf einem durchaus nur offiziell-förmlichen Verkehrsfuße. Zu dem Geheime-Rats-Präsidenten von Bassewitz (bis August 1808) befand er sich von Anfang an im Gegensatz. Der alte rechthaberische und streng ständisch denkende Bassewitz konnte es nicht über sich gewinnen, einen so jungen, selbstbewußten und neuerungsgewillten Kammerpräsidenten neben sich anzuerkennen. Deshalb war Friedrich Ludwig sehr erfreut, als Bassewitz 1808 seinen Abschied nahm 136 ).

Mit Brandenstein, Bassewitz' Nachfolger, kam er wesentlich besser aus. Brandenstein war zwar oft etwas eigenwillig und natürlich auch ständisch gesinnt, war aber doch sachlich und umgänglich 137 ).

Das Verhältnis zu Plessen war bestimmt von der Rücksicht, die ein Thronfolger auf den intimsten Berater und Freund des Regierenden nehmen mußte. Der Gegensatz zwischen Plessen und dem Erbprinzen war zuerst der denkbar größte, denn Plessen war der entschiedenste und geschickteste Vertreter der ständischen Prinzipien. In späteren Jahren lernte der Erbprinz dann Plessen doch mehr und mehr schätzen, als sich sein Talent, mit dem Herzog umzugehen und die Geschäfte zu leiten, immer deutlicher zeigte.


135) Vgl. über Plessen vor allem: Allg. deutsche Biographie Bd. 26, S. 272 ff. (Krause). - Ferner Maltzahn, Einige gute mecklenburgische Männer, S. 115 ff. - Hirschfeld, Ein Staatsmann aus der alten Schule.
136) An Georg 6. 10. 1806 und 1. 8. 1808.
137) An Georg 18. 10. 1806 und 23. 10. 1806.
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Plessen wurde schließlich auch der Berater des herzoglichen Hauses in Familienangelegenheiten. So kam es, daß auch Friedrich Ludwig Plessens Unabkömmlichkeit in Ludwigslust erkannte und ihn bat, vom Frankfurter Bundestag zurückzukehren und wieder an die Spitze der Geschäfte zu treten 138 ).

Friedrich Ludwig pflegte in den ersten Jahren wöchentlich einmal, später zweimal monatlich zu Kammersitzungen von Ludwigslust nach Schwerin zu kommen. Für seine Kammertätigkeit erhielt er jährlich zur Unkostenbestreitung den Betrag von 600 Reichstalern 139 ). Für sein Finanzministeramt erbat er 1816 ebenfalls den Betrag von 600 Reichstalern jährlich 140 ). Die Arbeit der Revisionen sei von solchem Umfange, daß sie einen Beamten voll beschäftigen könnte. Bisher, d. h. von 1808 ab, hätten ihm die Kammerräte dabei geholfen. Die Ansetzung eines eigenen Beamten dafür sei aber nicht möglich, da ein besonderer Etat für das Finanzministerium noch nicht aufgesetzt sei. Der Großherzog genehmigte diese Bitte seines Sohnes 141 ). Des Erbgroßherzogs eigene Behörde, die Kammer, widersprach aber, indem sie geltend machte, daß ja eine Überschreitung des Etats verboten sei 142 ). Der Herzog mußte, wollte er nicht seinen eigenen Sparanordnungen zuwiderhandeln, seine bereits erteilte Genehmigung zurückziehen 143 ). Die Kammer hatte also gegen ihren eigenen Präsidenten ihren Willen, der ihr allerdings vom Herzog vorgeschrieben war, durchgesetzt.

Die Gebiete der Kammerarbeit, auf denen Friedrich Ludwig besonders arbeitete, waren, soweit sich eben noch feststellen läßt, das Vererbpachtungswesen, das Bauwesen in den Domänen und das Postwesen, das damals ein Kammerressort war, und einige kleinere Gebiete.

Zum besseren Verständnis der Vererbpachtungsfrage sei folgendes vorausgeschickt 144 ). Seit Ende des 18. Jahrhunderts


138) Hirschfeld, Thronerbe, S. 134, 136, 177 f.
139) AS Kab. Vol. 51, Org. 1805/06. Herzog an Kammer, Doberan 16. 8. 1806.
140) AS Kab. Vol. 55, Revision. Friedrich Ludwig an Großherzog 16. 10. 1816.
141) AS a. a. O. Großherzog an Friedrich Ludwig 19. 10. 1816.
142) AS a. a. O. Kammer an Großherzog 26. 10. 1816.
143) AS a. a. O. Großherzog an Kammer 4. 11. 1816.
144) Vgl. zum folgenden: Balck, Domaniale Verhältnisse, I, S. 145 ff. - Witte, Kulturbilder I, S. 130 f., 167 ff. - Über die geschichtliche Entwicklung des Domaniums s. vor allem: Hans Hubert von Bilguer, Über die Entwicklung der ländlichen Besitzverhältnisse und die Verteilung von Grund und Boden in Mecklenburg-Schwerin, Diss., Leipzig (o. J.), S. 6 ff., 44 ff. - Balck, Zur Geschichte und Vererbpachtung der Domanial-Bauern, S. 29 ff. - Balck, Finanzverhältnisse I, S. 82 ff.
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waren die Domanialbauern, die bis dahin meist unter drückenden Verhältnissen Hand- und Gespanndienste an die Pachthöfe hatten leisten müssen, in reine Geldpachtbauern verwandelt, ihre Hufen aber noch nicht separiert worden. Das hatte gegenüber der früheren Lage, in der die Bauern an dem guten Zustand ihrer geringen ihnen zur Bewirtschaftung zugewiesenen Ländereien so gut wie gar kein Interesse hatten, schon manches gebessert. Nach der Umwandlung dieser Bauern in Zeitpächter blieb aber immer noch eine Unsicherheit insofern bestehen, als die Pächter nach Ablauf der Pachtperiode oft der Erhöhung des Pachtgeldes ausgesetzt waren. Ein Nachfolgerecht innerhalb der Familie bestand auch nur beschränkt. Die Zeitpächter nahmen deshalb natürlich auch nur kleine oder meistens gar keine Meliorationen vor und gaben sich keine große Mühe zu zeitgemäßerer und besserer Bewirtschaftung. Sie erhielten auch keinen Realkredit, keine Hypotheken, so daß bei schlechten Ernten die Pachtgeldzahlungen oft erschwert, ja unmöglich wurden. Eine oft zu weit ausgedehnte Beaufsichtigung durch Behörden ließ das Gefühl der Verantwortung und der Freiheit nicht aufkommen. Außerdem waren die großen Aufwendungen, die aus Unsachgemäßheit an Bau- und Reparaturgeldern für die Gehöftsgebäude gemacht werden mußten, auf die Dauer nicht mehr tragbar, wenn nicht die landesherrlichen Schulden noch mehr wachsen sollten.

Es gab einen Ausweg: die Vererbpachtung der Bauernstellen. Die Vererbpachtung hatte den Nutzen, daß die Zeitpächter - eben weil sie wußten, daß die Pachtung immer in ihrer Familie bleiben würde und sogar eventuell von ihnen wie ein Eigentum verkauft werden könnte - viel mehr Sorgfalt auf die Bewirtschaftung der Ländereien und die Erhaltung der Gebäude - da sie Reparaturen und Neubauten auf eigene Kosten vornehmen mußten - verwandten und damit den Ertrag steigerten und den jährlich an die Kammer zu zahlenden festen Kanon regelmäßig erlegen konnten. Eine stets sichere Einnahme für die Kammer ohne die früher so hohen Ausgaben für Bauten, eine Steigerung des Fleißes und des Wohlstandes der Bauern, eine größere Liebe zur Scholle und eine Intensivierung der Landwirtschaft - z. B. durch Meliorationen, deren Nutzen die Pächter selbst hatten, ohne eine Steigerung ihres Hufenkanons befürchten zu müssen - waren die segensreichen Folgen einer Vererbpachtung.

Vor allem war es der Wariner Drost von Suckow, der immer wieder mit unermüdlicher Energie auf die heilsame Einwirkung der Vererbpachtung hinwies. Er war wohl damals die stärkste

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reformatorische Persönlichkeit in Mecklenburg. In mehreren Denkschriften und Eingaben warb er für den Gedanken der Vererbpachtung. Auch von anderen Seiten wurde diese Frage immer wieder aufgeworfen, besonders von dem Schwaaner Amtshauptmann Maneke. Die Räte der Kammer standen diesen Vorschlägen verständnislos gegenüber, bedeuteten sie doch eine grundlegende Neuerung.

Nur Friedrich Ludwig erkannte die Richtigkeit der Forderungen, vor allem für die Finanzen des Landes, aber auch für die Bauern selbst. So setzte er sich denn für diese Reform ein gegen den Widerstand seiner eigenen Kammerräte. Er machte sich die Suckowschen und Manekeschen Gedankengänge ganz zu eigen. Zum Verbündeten hatte er bis zu einem gewissen Grade auch Plessen, der aber nicht so stürmisch vorging wie er.

Manekes Vorschläge legten den Keim zu Friedrich Ludwigs Reformgedanken. Aber die Franzosenzeit, die Vertreibung aus dem Lande und die Missionen nach Petersburg und Paris ließen es zuerst noch nicht zu einer Tat kommen. Dann aber, im Sommer 1808, nahm der Erbprinz die Sache in Angriff. Die Not der Zeit erforderte endlich ein tatkräftiges Vorgehen. Am 7. August übersandte er von Doberan aus, wo er mit Suckow die ganze Sache durchgesprochen hatte 145 ), der Kammer eine Denkschrift, in der er darlegte, daß die jetzige Verfassung der Dorfschaften nicht genug Einkünfte ergebe, da die Holz- und ähnlichen Lieferungen die Einnahmen wieder aufzehren 146 ). Die "Industrie" der Bauern werde gelähmt, die "natürliche Faulheit" genährt. Alles dieses könne behoben werden, wenn der Herzog sich entschlösse, den Bauern ihre Höfe in Erbpacht zu geben. Das könne natürlich nicht auf einmal geschehen. Für die nächsten Jahre sei noch kein Überschuß zu erwarten, trotzdem sei die Sache aber schon in Angriff zu nehmen. Inventarien und Einsaaten seien den Bauern käuflich oder zum Zinsabtrag zu überlassen. Die Kammer werde an dem ganzen Verfahren an Holz, an Baumaterialien und an Überwachung der Brandschäden Erhebliches sparen. Im übrigen seien Lauenburg und Holstein mit "ruhmwürdigem Beispiel" vorangegangen und mit Erfolg belohnt worden. Ein Widerstand der Stände sei nicht zu erwarten. Jetzt falle gerade Diedrichshagen aus der Pacht. Die Kammer habe dem Herzog die Ansetzung eines dritten Bauern vorgeschlagen,


145) Witte a. a. O. I, S. 172 f.
146) AS Kab. Vol. 58, Einführung von Vererbpachtungen 1808. Friedrich Ludwig an Kammer, Doberan 7. 8. 1808. - Witte a. a. O. I, S. 173.
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er habe diese Eingabe aber nicht mitunterschrieben, weil er glaube, daß statt dieser Ansetzung es praktischer sei, den jetzigen beiden Bauern die Feldmark in Erbpacht zu geben. Ein Vererbpachtungsanschlag ergebe ein "bedeutendes Plus". Dem Dorfe Diedrichshagen könne dann bald der kleine Hof Hütten folgen. Er wolle dem Herzog über die Angelegenheit Vortrag machen, benachrichtige aber hiermit in kollegialer Weise die Kammer mit der Bitte um Prüfung und Begutachtung des beiliegenden Vertragsentwurfes.

Die Kammer antwortete am 19. August in einem längeren Schreiben 147 ) eingehend und kam schließlich mit der Bitte um Aufschub der neuen Einrichtung. Sie mußte allerdings ehrlicherweise zugeben, daß nach den in Lauenburg eingezogenen Erkundigungen dort tatsächlich die Neuregelung gute Erfolge gehabt habe.

Der Erbprinz antwortete am 19. September aus Doberan 148 ). Er könne wegen einer kurz bevorstehenden Reise - er reiste am nächsten Tage zum Erfurter Fürstentag - nicht so genau auf alles eingehen. Wenn aber auch die Kammer mehr gegen als für das Projekt der Vererbpachtung sei, so solle doch der von ihm vorgeschlagene Versuch mit Diedrichshagen gemacht werden. Auch solle die Einrichtung der dritten Bauernstelle, die inzwischen in Angriff genommen war, nicht weiter durchgeführt werden, sondern der für sie vorgesehene Bauer, der bisherige Pächter von Hof Hütten, solle als Entschädigung Hütten in Erbpacht erhalten.

Die Kammer stimmte dem Erbprinzen wiederum nicht zu. Und so erging am 8. November 1808 jener denkwürdige, auch von Friedrich Ludwig mitunterzeichnete Bericht an den Herzog: "Die Frage, ob eine Vererbpachtung der Bauerngehöfte in den Domanial-Dörfern Ew. Herzoglich. Durchlaucht Höchstem Interesse beförderlich sei, ist seit mehreren Monaten ein Gegenstand theoretischer Untersuchung des Kammer-Kollegii gewesen. Die Majorität des Kollegii bezweifelt den Nutzen sowohl als die Möglichkeit einer allgemeinen Anwendung einer solchen Maßregel. Nach erwogenen Gründen und Gegengründen wünsche indessen ich, der Präsident und Chef des Kollegii, daß ein Versuch mit dem Dorfe Diedrichshagen ... gemacht werden möge, mithin bis nach erlangter praktischer Gewißheit über Nutzen und Schwierigkeiten kein Dorfs-Contract in bisherigem Maß auf Zeitpacht erteilt werden dürfe." Dem letzten stimmten die übrigen Kammermitglieder zu, "da das Höchste Interesse und die Erfindung nützlicher


147) AS a. a. O. - Witte a. a. O. I, S. 174 ff.
148) AS a. a. O. - Siehe Witte a. a. O. I, S. 177.
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Wahrheiten allewege nur Ziel unserer Bemühungen sein können." Also bitte die Kammer um den Entscheid des Herzogs 149 ).

Dieser, vom 10. November 150 ), fiel so aus, wie Friedrich Ludwig es wünschte: der Herzog genehmigte den Versuch mit Diedrichshagen und später mit einem größeren Dorfe, ebenso die vorgeschlagene Maßnahme mit den Pachtprolongationen.

Nun war Friedrich Ludwig am ersten Ziele. Das Eis war gebrochen. Der Versuch mit Diedrichshagen wurde gemacht und bewährte sich durchaus. 1809 folgte Dümmerhütte, ein größeres Dorf, mit dem gleichen Erfolge.

Der Erbprinz arbeitete in der eingeschlagenen Richtung unermüdlich weiter. So fügte er z. B. auch einmal im April 1812 einer Kammereingabe über das Ausderpachtfallen der ganzen Dorfschaft Teschow 151 ) die handschriftliche Bitte bei: "Ich unterstehe mich so untertänigst wie angelegentlichst, um die gnädigste Entscheidung für die Vererbpachtung zu bitten." Und so mehrten sich ganz langsam die Vererbpachtungen zum Segen für die Bauern und zum Nutzen für die herzoglichen Kassen. Doch der Widerstand der Kammer blieb noch lange bestehen. Aber Friedrich Ludwig wachte über sein Werk, das zwar durch die Kriegsjahre einige Unterbrechung erfuhr. Schon am 18. März 1815 konnte er an den Geheimen Rat von Oertzen in Bützow, der ein Parteigänger des Erbprinzen war, schreiben, daß die Vererbpachtungen "auf das wahre Wohl des Bauernstandes einen durchgreifenden Einfluß" haben werden, sich auch bereits in verschiedenen Ämtern vorteilhaft bewährt haben 152 ). Und am 21. November 1818 mußte die Kammer in einem vom Herzog angeforderten Bericht 153 ) über die Lage der Domanialbauern gestehen, daß alle bisherigen Erbpachtversuche trefflich gelungen seien, daß dort überall, wo Bauerngehöfte disponibel seien, die Erbpacht eingeführt werde, und daß der Andrang zu solchen Stellen unglaublich groß sei.

Die Bemühungen Friedrich Ludwigs hatten dann schließlich sogar den Erfolg, daß bald nach seinem Tode der Großherzog das Reskript "Zur Förderung der Vererbpachtung aller Bauernhufen"


149) AS Kab. Vol. 58. Verpachtungen. Allg. - Siehe Witte a. a. O. I, S. 179.
150) AS a. a. O. - Siehe Witte a. a. O.
151) AS Kab. Vol. 63. Teschow 1812. Nr. 1. Kammer an Herzog 4. 4. 1812.
152) AS Kab. Vol. 56 a. Rückstände. 1815. Friedrich Ludwig an Oertzen 18. 3. 1815.
153) AS Kab. Vol. 58. Verpachtung 1816/36 Nr. 32. Siehe Witte a. a. O. I, S.185 f.
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erließ 154 ). In den folgenden Jahren wurde dann zwar langsam, aber planmäßig fast allgemein die Vererbpachtung weiter in Angriff genommen.

Für die Zeitpächter setzte sich Friedrich Ludwig nach den schlechten Jahren seit dem Franzoseneinfall, die eine so große Pachtgeldsenkung gebracht hatten, für verschiedene Pachtbedingungserleichterungen ein. So erreichte er besonders 1811, daß die gebräuchlichen schweren Pachtbedingungen in erheblichem Maße gemildert wurden 155 ).

Sodann widmete Friedrich Ludwig seine besondere Aufmerksamkeit einem anderen Übelstande in der Domanialverwaltung: der Interimswirtschaft und ihren wertmindernden Folgen. Es war Sitte, daß, wenn ein Bauer innerhalb der Pachtperiode seines Hofes starb und die Witwe wiederheiratete, dieser zweite Mann die Verwaltung der Pachtung zu eigenem Recht antrat unter Ausschaltung der Rechte des Anerben 156 ). Mitunter war dieses Verwaltungs- und Nutznießungsrecht nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt beschränkt, in der Regel dauerte es bis zur Volljährigkeit des rechtmäßigen Erben. Einen solchen Verwalter bezeichnete man als Interimswirt. Bei der Volljährigkeit des Erben fand dann eine Versetzung des Interimswirtes aufs Altenteil und eine Abfindung der Kinder, auch der aus der zweiten Ehe, statt, beides zu Lasten des Hofes. Die Abfindung bestand meist in Inventarstücken, z. B. Vieh, bei den Söhnen auch mitunter in Geld. Beides bedeutete natürlich eine große Wertminderung und Belastung des Hofes zuungunsten des Besitzers, also letztlich des Herzogs.

Das Verbot solcher Interimswirtschaften war schon von mehreren Seiten angeregt. Aber erst dem Draufgänger Suckow blieb es vorbehalten, in seiner Denkschrift über die Abtragung der herzoglichen Schulden vom 10. Juni 1808 157 ) die Sache wieder zur Sprache zu bringen, so daß der Erbprinz sich veranlaßt sah, die Abschaffung der Interimswirtschaften energisch zu betreiben. Denn er erkannte ihre großen Nachteile. Am Schlusse seiner Denkschrift vom 7. August 1808 über die Vererbpachtung erinnerte er die Kammer daran, daß vor dem Franzoseneinfall ein Plenumbeschluß dahin entschieden habe, die Interimswirtschaft gänzlich abzuschaffen. Er bitte um Befolgung dieses Beschlusses, denn es


154) Bilguer a. a. O., S. 45.
155) AS Kab. Vol. 58. Verpachtungen 1810/36. Friedrich Ludwig an Herzog 25. 10. 1811. - Siehe auch Witte a. a. O. I, S. 182.
156) Vgl. Balck, Finanzverhältnisse I, S. 91. - Witte a. a. O. I, S. 129.
157) AS Kab. Vol. 56. Meliorationen.
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kämen noch immer Gesuche um Gestattung von Interimswirtschaften an das Kabinett 158 ).

Darauf entgegnete die Kammer ihrem Präsidenten unter Einsendung mehrerer Voten der verschiedenen Kammermitglieder am 12. August, daß sie durchaus gegen die Aufhebung der Interimswirtschaften sei. Allerdings könnten ja einmal Versuche in Ämtern in der guten Gegend gemacht werden, nicht aber in der sandigen Gegend 159 ).

Das veranlaßte den Erbprinzen, Sturm gegen die Kammer zu laufen. Am 27. August legte er ihr seine Ansichten dar 160 ). Wenn die Einrichtung dieser Wirtschaften auch schon Jahrhunderte bestanden habe, so sei das doch kein Grund, sie nicht nach neueren Grundsätzen abzuändern. Die Erfahrung habe gelehrt, daß die Anstellung der Interimswirte den häuslichen Wohlstand untergrabe. Die kostspielige Ausstattung der aus verschiedenen Ehen stammenden Kinder und die Versorgung des abgehenden Interimswirtes falle dem Gehöfterben zu und bringe Unfrieden in die Familie. Auch arbeite der Interimswirt für sich und seine Kinder und nicht für den rechtmäßigen Erben. Wenn auch bei einer Lizitation solcher Höfe kein Gewinn für die herzoglichen Kassen herauskomme, so sei es ja auch vielmehr die Pflicht des Landesherrn, den größtmöglichen Wohlstand unter allen Klassen seiner Untertanen zu befördern. "Wo der Untertan reich ist, gereicht es allemal zum Nutzen des Regenten." Schon 1806 habe ein von dem Drosten von Suckow in Warin abgehaltenes Protokoll über die Bitte des Schulzen Simon in Zahrensdorf um Aufhebung der Interimswirtschaften in ihm den Wunsch ausgelöst, solche Aufhebung allgemein durchgeführt zu sehen. Er habe schon damals den vorgebrachten Gründen beigestimmt.

Die Kammer antwortete darauf am 6. September mit der Einsendung von Voten aller Kammermitglieder für Beibehaltung der Interimswirtschaften 161 ).

Der Erbprinz sah sich gezwungen, der Kammer entgegenzukommen. Am 19. September teilte er ihr mit 162 ), daß er nach Lesung der Voten dem beabsichtigten Bericht an den Herzog bei-


158) AS Kab. Vol. 58. Einführung der Vererbpachtung 1808. Friedrich Ludwig an Kammer, Doberan 7. 8. 1808.
159) AS Kab. Vol. 58. Abschaffung der Interimswirtschaften.
160) AS Kab. Vol. 58 a. a. O. Friedrich Ludwig an Kammer, Doberan [27. 8.] 1808. - S. auch Witte a. a. O. I, S. 177 f.
161) AS Kab. Vol. 58 a. a. O. Kammer an Friedrich Ludwig 6. 9. 1808.
162) AS a. a. O. Friedrich Ludwig an Kammer, Doberan 19. 9. 1808. - S. auch Witte a. a. O. I, S. 178 f.
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treten werde, aber nur dann, wenn darin die Regel aufgestellt werde, daß in den Fällen, wo bisher Interimswirtschaften aufgestellt wurden, künftig eine interimistische Verpachtung stattfinden solle und ein Interimswirt nur noch als Ausnahme, und zwar nur dort angesetzt werden solle, wo die Erhaltung der nachgelassenen Familie es erfordert. Das kam dann in dem schon erwähnten Kammerbericht vom 3. November zum Ausdruck.

Also wurde die Angelegenheit der Aufhebung der Interimswirtschaft noch lässiger betrieben, trotz der Bemühungen des Erbprinzen, als die der Durchführung der Vererbpachtung aller Höfe. Aber langsam drang doch beides durch, und als Friedrich Ludwig am Ende seines Lebens stand, konnte er mit Befriedigung sehen, wie die Saat, die er auf Suckows Rat in den Boden gelegt hatte, langsam aufging und der Bauernschaft wie dem Herzog zu Nutz und Frommen gereichte.

Auch für energische Durchführung der allgemeinen Abschaffung der Extradienste und für die Separation der Hufen setzte er sich mit Nachdruck ein und förderte beides wesentlich.

Weiterhin war es das Domanialbauwesen, dessen Mißstände den Erbprinzen zu einer Reform veranlaßten. Die Domanialbauten ruhten ausschließlich in den Händen der Amtsbehörden, die nach ihrem Ermessen Anordnungen zu Reparaturen und Neubauten gaben 163 ). Das hatte viele Übelstände mit sich gebracht, weil diese Behörden in ihrer mangelnden Kenntnis in Bausachen nicht in der Lage waren, die beste Bau- oder Reparaturart anzuordnen und deren sachgemäße und sparsame Ausführung zu überwachen. So entstanden den herrschaftlichen Kassen viele unnütze oder falsch angebrachte oder zu hohe Ausgaben für die Domanialbauten. Kammerrat Landdrost von Lehsten legte in einer Denkschrift an den Erbprinzen vom 26. September 1806 über die notwendige Neuregelung des Bauwesens in den Domänen 164 ) eingehend diese Schäden der bisherigen Handhabung des Domanialbauwesens dar mit der Bitte, daß der Erbprinz das, was ihm darin gefalle, sich zu eigen machen und "den Vorwurf der Neuerung auf Sich" nehmen solle. Und das tat Friedrich Ludwig dann auch. Er kopierte - nichts weniger war es - Lehstens Denkschrift unter Weglassung einiger ihm unnötig erscheinender Stellen und legte diese Kopie am 1. Oktober der Kammer vor. Diese Denkschrift "Betreffend die nötigen Vorkehrungen zu einer besseren Directive der Bauten in den Domänen" 165 ) ging davon aus,


163) Balck, Domaniale Verhältnisse I, S. 64.
164) AS Kab. Vol. 49. Baubeamte.
165) AS a. a. O.
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daß es zum Zwecke der Balancierung des Haushalts besser sei, die Ausgaben einzuschränken als die Einnahmen zu steigern. Und da komme vor allem das Domanialbauwesen in Betracht. Durch die Art des Anschlages der Bauprojekte, der Baumaterialien, durch die Art der Aufsicht, Revision und Inventarabnahme bei Neubauten, durch die Aufsicht über Reparaturen und Arbeitsweise ungeschickter und nicht kontrollierter Handwerker durch ungeschulte Beamte oder gar durch die Pächter selbst entstehe dauernd ein außerordentlicher Schade. Alle Bauten seien dadurch mangelhaft und nur von kurzer Lebensdauer. Um diesen Übelstand zum Nutzen der herrschaftlichen Kassen zu beseitigen, schlug der Erbprinz die Befreiung aller Beamten in den Ämtern von allen Bauangelegenheiten und ihre Übertragung an besondere Baubeamte vor, die alle Baupläne, Gebäudeprüfungen, Veranschlagungen, Reparaturanordnungen, Bauaufsichten, Inspektionsreisen usw. zu übernehmen und auszuführen haben. Es seien fünf solche Baubeamte anzustellen und jedem von ihnen ein bestimmter Bezirk des Landes zuzuweisen. Die Oberaufsicht müsse sich die Kammer vorbehalten.

Langsam machte sich diese selbst den Plan zu eigen. Der Herzog genehmigte zwar bald die Anstellung solcher Baubeamten, aber die Anstellung wurde nicht vollzogen 166 ). Im Herbst 1807 wurde die Sache von neuem aufgegriffen, blieb aber wohl hauptsächlich wegen des Geldmangels liegen. Erst gegen Ende des Jahres 1808 wurde die Anstellung wieder erwogen und dann im Herbst 1809 ausgeführt. Es wurden fünf Landbaumeister angestellt. Am 29. April erschien diese Neuregelung als Verordnung 167 ). Bald bewährte sich die neue Einrichtung. Die Mehrausgabe an Gehältern kam durch die umfangreichen Ersparnisse bei dem neuen System reichlich wieder auf. Schon 1810 konnte die Kammer dem Herzog berichten: "Seit Anstellung der Landbaumeister ist nun ein Jahr verflossen und wir haben davon merklichen Nutzen verspürt" 168 ). So war auch hier der Erbprinz die treibende Kraft zu einer Verbesserung gewesen.

Seine Arbeit auf dem Gebiete des Forstwesens ist am allerwenigsten feststellbar. Sie scheint sich hauptsächlich auf Betreibung aller Sparmaßnahmen, wie z. B. Einschränkung der ins


166) Für das Folgende: AS Kab. Vol. 49, Anstellung.
167) Raabe, Gesetzsammlung für die mecklenburg-schwerinschen Lande, 2. Folge I. Bd., Kameralsachen, Parchim und Ludwigslust 1844, S. 133.
168) AS a. a. O. Kammer an Herzog 9. 6. 1810.
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Untragbare gestiegenen Holzdeputate, die "die bekannte Milde" 169 ) des Herzogs immer wieder bewilligte und erhöhte, ferner auf die Einführung der vermehrten Baumsamenzucht zur Ersparnis des auswärtigen Einkaufs des teuren Samens 170 ) und wie überhaupt der vermehrten Neuanpflanzungen und auf ähnliche Verbesserungen beschränkt zu haben. Daneben liefen natürlich dauernd die üblichen, oft recht unangenehmen Personalsachen. Im übrigen lag ihm die Revision der Hauptforstkassenabrechnungen ob, wohl aber mehr in seiner Eigenschaft als Finanzminister 171 ).

Wie Friedrich Ludwig sich, besonders in den Jahren 1808 bis 1812, für den Handel einsetzte, wird im Zusammenhang mit der Kontinentalsperre im nächsten Kapitel gezeigt werden.

Fast noch mehr als die Vererbpachtung und das Forstwesen interessierte und beschäftigte den Erbprinzen das Postwesen 172 ). Auf seinen zahlreichen Reisen in und außerhalb Deutschlands hatte er Gelegenheit gehabt, das ausländische Postwesen kennen zu lernen und im Vergleich zu ihm die Schäden des mecklenburgischen zu erkennen und daraus die Folgerung für Verbesserungen zu ziehen.

Seine erste umfangreiche Tätigkeit auf dem Gebiete des Postwesens fällt in das Jahr 1809. Am 7. November legte er seinem Kammerkollegium eine Denkschrift 173 ) über eine Neuordnung der Bearbeitung des Postressorts in der Kammer vor, in der er vorschlug, einen der Kammerräte innerhalb des Kollegiums zum General-Postdirektor zu machen oder vielmehr besonders durch den Herzog dazu ernennen zu lassen. Diesen General-Postdirektor solle dann die Oberaufsicht über alle Postangelegenheiten im einzelnen beschäftigen. Einen anfänglichen Widerstand der Kammer besiegte der Erbprinz bald. Ein im Sinne der Denkschrift verfaßter Vortrag ging an den Herzog. Dieser genehmigte die Vorschläge unter dem 6. Januar 1810 und bestimmte durch Verordnung vom 4. März 1810 die Errichtung des General-Postdirektoriums und ernannte den Geheimen Kammerrat und Landdrost von Lehsten, Friedrich Ludwigs Referenten in der Kammer, zum General-Postmeister 174 ). Wenn Lehsten auch im allgemeinen eine


169) AS Kab. Vol. 190. Holzdeputate 1814/46. Nr. 2. Kammer an Herzog 8. 10. 1814.
170) AS Kab. Vol. 172. Sammlung von Samen 1808.
171) AS Kab. Vol. 188. Hauptforstkasse. Rechnungsablegung.
172) Friedrich Ludwigs Arbeit auf dem Gebiete des Postwesens ist dargestellt in: C. Moeller, Geschichte des Landes-Postwesens: Jahrbuch 62. Im folgenden deshalb nur kurz die Hauptzüge.
173) Abgedruckt bei Moeller a. a. O., S. 260 f., vgl. auch S. 315 f.
174) Moeller a. a. O., S. 262.
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verhältnismäßig große Handlungsfreiheit genoß, so lag doch bei allen wichtigen Dingen die letzte Entscheidung beim Kammerpräsidenten, besonders dann, wenn die Ansichten der Kammerräte auseinander gingen. Auch mit Friedrich Ludwig war sich Lehsten durchaus nicht immer einig, da jener als Kammerpräsident bemüht war, die oberste Leitung des Postwesens stets in Händen zu behalten. Aber infolge vieler anderer Arbeiten und Reisen des Erbprinzen gelang es Lehsten doch langsam, sich unabhängiger zu machen.

Die ersten unruhigen Zeiten ließen dem General-Postmeister keine Gelegenheit, das zum Teil sehr veraltete Postwesen zu verbessern. Als dann mit der Befreiung Deutschlands bessere Verhältnisse eintraten, machte der Großherzog, hinter dem natürlich sein ältester Sohn als die eigentlich treibende Kraft stand, auf die Notwendigkeit einer gründlichen Reform des Postwesens aufmerksam 175 ). Eine Revision deckte die trostlosesten Verhältnisse auf. Sogleich ging Friedrich Ludwig an die Arbeit. Kurz bevor er zum zweiten Male an der Spitze der Truppen nach Frankreich zog, schlug er in einem Bericht vom 5. Juli 1815 176 ) dem Großherzog vor, zur Prüfung und Feststellung aller notwendigen Verbesserungen im Postwesen eine Kommission von fünf Personen einzusetzen, die zu Ende des Jahres ihre Arbeit aufzunehmen habe. Die Vorschläge des Erbgroßherzogs fanden völlige Billigung. Besonderes Interesse brachte er der Arbeit der Kommission hinsichtlich einer neuen Gebührenvorschrift entgegen, wobei er denn auch seine Reformpläne durchsetzte. Die Vorschrift wurde zwar festgesetzt, dann aber später infolge des Todes Friedrich Ludwigs, ihres hauptsächlichsten Beförderers, nicht eingeführt. Auf dem Gebiete des Post-Kurswesens gelang es aber Friedrich Ludwig bald, wesentliche Verbesserungen durchzusetzen 177 ).

Bei allen diesen Arbeiten hatte er oft große Widerstände zu überwinden. Ganz besonders war es Lehsten, der sich auf seinem Gebiet nichts sagen lassen wollte. Aber Friedrich Ludwig setzte sich doch langsam durch, wenn ihn auch noch so sehr das "Unglück" verfolgte, das aber "doch den Nutzen für mich hatte, daß, wenn es auch mein Blut nicht abkühlte, ich doch nicht mehr in den Fehler der Heftigkeit verfalle und, wenn auch mit Wärme, doch mit Gründen meine Widersacher bekämpfe". Lehsten wolle, so klagte er im März 1818 seinem Vater, wieder einmal alles


175) Moeller a. a. O., S. 282.
176) Moeller a. a. O., S. 282 ff.
177) Moeller a. a. O., S. 285, 286 f., 306 f., 311 f.
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hintertreiben. Aber, "da ich es einmal unternommen habe, unser mangelhaftes Postwesen auf einen anderen Fuß zu bringen, so werde ich auch alle Kraft anwenden, meinen Zweck zu erreichen, und jedes neue Hindernis soll mir neuer Sporn sein, denselben bis ans Ziel zu verfolgen. ... Nach allem Unglück, was mich betroffen, ist dies meine einzigste Freude und Beruhigung, und bis ans Ende meines Lebens will ich suchen, meines Vaterlandes würdig zu werden und zu bleiben" 178 ).

Kapitel VI.

Jahre des Friedens;
zweite Heirat (1808 - 1812).

Nach den Sturmjahren 1806 und 1807 kam wieder eine Zeit des Friedens. Die französischen Truppen verließen das Land. Mecklenburg hatte sich zwar mit größtem Widerwillen und erst so spät wie möglich unter das Joch des Rheinbundes gebeugt, jetzt aber konnte man doch fürs erste in Frieden leben und an den Wiederaufbau des Landes denken.

Es waren in der Verwaltung des Landes viele gute Ansätze durch den Franzoseneinfall vernichtet worden. Es galt nicht nur diese wieder aufzurichten, sondern darüber hinaus die nun noch wesentlich schwieriger gestalteten Finanzen in Ordnung zu bringen. Wenige Tage nach der Rückkehr aus Erfurt, am 7. Dezember 1808, ernannte der Herzog, wie schon erwähnt, im Rahmen der Wiederaufbauarbeit den Erbprinzen zum Finanzminister.

Auch für Friedrich Ludwig selbst schien eine neue Zeit des Glückes zu kommen. Sein schon lange gehegter Wunsch, seinen beiden Kindern Paul Friedrich und Marie eine Mutter wiederzugeben, reifte zu einem Entschluß 179 ). Er hatte sein Augenmerk seit einiger Zeit auf Prinzessin Caroline, die Tochter des Herzogs Carl August von Sachsen-Weimar, gerichtet. Nach früheren flüchtigen Begegnungen lernten sich der Erbprinz und die Prinzessin


178) AS Acta Postarum. Generalia Vol. IV. 1810 - 1860, Fasz. 3. Friedrich Ludwig an Großherzog 5. 3. 1818.
179) Über die zweite Heirat Friedrich Ludwigs s. u. a.: Lilly von Gizycki, Eine deutsche Fürstentochter: Deutsche Fürstinnen, Berlin 1893, S. 25 ff. - Carl Ludwig von Knebels Briefwechsel mit seiner Schwester Henriette (1774 - 1813), hsg. von H. Düntzer, Jena 1858, S. 229 u. a. - C. Schröder, Caroline, Erbprinzessin.
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in den Weimarer Tagen vor und nach dem Erfurter Fürstentag näher kennen. Aber erst mit der Reise nach Berlin im Dezember 1809 zur Begrüßung des zurückkehrenden Königspaares verband der Erbprinz dann den entscheidenden Besuch in Weimar. Am 14. Januar 1810 fand die Verlobung statt 180 ). Zu seiner Freude erkannte Friedrich Ludwig bald mehr und mehr, daß er für eine Wiedervermählung keine glücklichere Wahl als diese hätte treffen können. Caroline genoß überall die größten Sympathien durch ihr ruhiges und würdevolles Auftreten und ihr verständnisvolles Urteil über alle Dinge des geistigen Lebens, für das sie, durch Goethe, Wieland und die anderen großen Weimarer angeregt und stets gefördert, zeitlebens großes Interesse bewahrte. Am 1. Juli fand in Weimar die Hochzeit, Mitte des Monats der Einzug in Schwerin und in Ludwigslust statt.

Bald fand sich die Erbprinzessin in ihre neue Umgebung und neuen Tätigkeitskreis. Mit der ihr eigenen ernsten Auffassung ihrer Pflichten vermochte sie, die nun die "Dame des Hauses" am Hofe war - die Herzogin war am 1. Januar 1808 gestorben - , die Führung der Hofgesellschaft zu übernehmen. Ein Kreis geistig interessierter Damen und Herren, meist Beamte des Hofes, versammelte sich fast täglich um sie, und, obgleich sie an die Kultur des Goetheschen Weimar gewöhnt war, wußte sie auch in diesen Kreis von "Vandalen", wie Henriette von Knebel, ihre Hofdame, die Mecklenburger nannte, Sinn und Liebe für Kunst und Literatur zu bringen und das Hofleben, das durch die Lebensart des Herzogs einem wenig vornehmen Ton der Leichtlebigkeit anheimzufallen drohte, wohltätig zu beeinflussen.

Noch in der Weimarer Zeit der Hochzeit trat eine wichtige politische Frage an Friedrich Ludwig heran.

Seit dem Mai 1809 regierte in Schweden König Karl XIII., der Bruder des früheren Königs Gustav IV. Adolf, der infolge eines unglücklichen Krieges mit Rußland hatte abdanken müssen. Karl XIII. war kinderlos und hatte den Prinzen Christian August von Schleswig-Holstein-Sonderburg als Thronerben adoptiert. Dieser starb aber bereits am 18. Mai 1810, wie man sagte, durch Gift. Bei der Suche nach einem neuen Thronfolger erhielt der Fürst von Putbus auf Rügen von seiner Regierung in Stockholm - Westpommern und Rügen waren damals ja noch schwedisch -


180) Über die Verhandlungen betr. die Heirat s.: AS Kab. Vol. 337 und HausAS, Matrim. Heirat II. - E. von Bojanowski, Louise, Großherzogin von Sachsen-Weimar, und ihre Beziehungen zu den Zeitgenossen, 2. Aufl., Stuttgart und Berlin 1905, S. 332 ff.
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den Auftrag, bei Friedrich Ludwig anzufragen, ob er bereit sei, schwedischer Thronfolger zu werden 181 ).Malte, Fürst und Herr zu Putbus, hatte den Erbprinzen gelegentlich einer Badereise nach Doberan im Sommer 1809 kennen gelernt. Allmählich verband ihn eine engere Freundschaft mit dem herzoglichen Hause, dem er im Herbst desselben Jahres mit seiner Gemahlin einen Besuch in Ludwigslust abstattete. Der Fürst, der vielleicht sogar selbst den Erbprinzen in Stockholm für die Thronfolge in Vorschlag gebracht hatte, wandte sich durch Vermittlung des Prinzen Gustav, mit dem er besonders befreundet war, also im Sommer 1810 an Friedrich Ludwig wegen Übernahme der Thronfolgerschaft. Wenige Tage nach der Hochzeit, am 5. Juli, antwortete der Erbprinz dem Fürsten. Und zwar glaubte er die Aufforderung ablehnen zu müssen, drückte sich aber noch nicht ganz bestimmt aus. Erst am 19. Juli, einen Tag nach seinem Einzug in Schwerin, und nachdem er sich sogleich mit der Regierung über das schwedische Angebot besprochen hatte, sandte er die endgültige und bestimmte Absage an den Fürsten. In dem französisch geschriebenen Briefe 182 ) heißt es: "Nach reiflicher Überlegung finde ich, lieber Fürst, daß ich das mir gesteckte Ziel nicht erreichen kann, wenn ich ein gewisses Anerbieten nicht entschieden ablehne. Ich begreife, daß es nicht möglich sein wird, auf den zurückzukommen, der das gute Recht hat 183 ), ich sehe, daß in Anbetracht der Verhältnisse dies auch nicht einmal zu wünschen ist, aber er hat einen Sohn 184 ). Ich gestehe, daß ich einen Augenblick daran gedacht habe, daß man mir erlauben könnte, die Rolle eines Vormunds für ihn zu übernehmen, aber ich sehe, dies wird unmöglich. Sein Erbe für mich und meinen Sohn anzunehmen, ist so sehr gegen meine Sinnesweise, daß nichts in der Welt mich zu diesem Schritte veranlassen würde, solange jenes Kind lebt. Obwohl ich selbst nur ein kleiner Fürst bin, so scheint es mir doch, als dürfe ein Mann unseres Standes aus Grundsatz niemals diese Absetzbarkeit anerkennen. Ich könnte von demselben heute Vorteil haben, aber mein Sohn müßte vielleicht einst die Strafe erleiden, wenn er sich ebenso behandelt sähe. Ich wünsche, daß alles, was ich ihm nach meinem Tode hinterlasse, legitim sei. So verzichte ich von Herzen auf die mir eröffnete Aussicht."


181) Vgl. Spreer, Malte, Fürst und Herr zu Putbus, Berlin 1886, S. 21.
182) Nach der Übersetzung bei Spreer a. a. O.
183) Exkönig Gustav IV. Adolf.
184) Prinz Wasa.
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Es sind leider keine weiteren Briefe oder Aufzeichnungen über dies schwedische Thronfolgerangebot erhalten, die näheren Aufschluß über die im Regierungskollegium über das Angebot gepflogenen Verhandlungen geben könnten. Es werden nicht nur Erwägungen der Legitimität gewesen sein, denen zufolge der Erbprinz ablehnte, denn seinem früher so oft gezeigten Ehrgeiz nach einer Rangerhöhung seines Hauses bot sich hier ja eine gute Gelegenheit der Erfüllung. Vielmehr übersah er mit klarem Blick die Gefahren und Mühen, denen er später auf dem schwedischen Throne ausgesetzt gewesen wäre. Und er kannte auch trotz seiner so oft bewiesenen leichten Hoffnungsfreudigkeit die Grenzen seiner politischen Fähigkeiten und seiner Arbeitskraft. Darum lehnte er ab. Denn auf den umkämpften schwedischen Thron gehörte ein energischer, ja rücksichtsloser Fürst. Und einen solchen, der sich allerdings um die Idee der Legitimität nicht weiter kümmerte, fanden die Schweden auch bald in Bernadotte, dem französischen Marschall, der am 21. August zum Thronfolger proklamiert wurde.

Nach seiner Rückkehr aus Weimar nahm der Erbprinz in verstärktem Maße seine Tätigkeit in seinen Ämtern wieder auf. Die innere Lage des Landes hatte sich seit einiger Zeit wieder durch die vermehrten Truppendurchzüge und durch die Wirkungen der Kontinentalsperre wesentlich verschlimmert 185 ).

Die Kontinentalsperre 186 ) hatte zwar nicht den Handel mit sämtlichen Seehandelswaren unterbunden, sondern nur den mit englischen und zeitweise mit schwedischen, aber die dauernde Belästigung der ein- und ausfahrenden Schiffe durch französische Kaper, oft ohne jede Berechtigung und aus fingiertem Grund,


185) Wenn Goethe (Goethes Werke, Weimarer Ausgabe, Tagebücher 4. Band: 1809/12, Weimar 1891, S. 150) unter dem 28. August 1810 in seinem Tagebuch vermerkt: "Mit Prinz Friedr. v. Mecklenb. ... zu Tafel." und im Register zu den Tagebüchern dieser Vermerk als auf Friedrich Ludwig bezüglich registriert ist, so wäre dieser Tagebucheintrag die einzige Nachricht von einer Reise des Erbprinzen nach Weimar zu dieser Zeit. Weder im AS noch im HausAS ist sie nachweisbar. Es besteht Grund zur Annahme, daß der Tagebucheintrag irrig, d. h. eine Verwechslung ist. Goethe kann vielleicht Prinz Gustav gemeint haben, über dessen Aufenthalt in jenen Tagen Gegenteiliges nicht bekannt ist. - Auf Prinz Gustav bezieht sich auch die in Goethes Werken a. a. O. im Register fälschlich auf Friedrich Ludwig bezogene Stelle im erwähnten 4. Bande S. 162 vom 17. Oktober 1810: "In den Park dem Prinzen von Mecklenburg und Fürst Putbus begegnet." - Prinz Gustav hatte sich nämlich dem Fürsten für eine Italienreise angeschlossen.
186) Vgl. zum folgenden: Fr. Stuhr, Die Napoleonische Kontinentalsperre, S. 325 ff.
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ferner die Erschwerung des Binnenhandels der Seestädte durch schikanöse Visitationen an den Toren und dergleichen mehr gestalteten jeden Handelsverkehr außerordentlich schwierig. Erst von Ende 1810 ab wurde die Ausfuhr von Landesprodukten ganz allgemein verboten. Während der mecklenburgische Seehandel sich vorher für verbotene Absatzgebiete sofort neue gesucht hatte und sogar in der letzten Zeit wieder verhältnismäßig erstarkt war, wurde er jetzt so gut wie ganz lahm gelegt. Die Schiffe verkamen in den Häfen, Verdienstlosigkeit und weiteres Sinken der Getreidepreise wegen des Überangebots brachten Armut und Not. Damals erst kam die schlimmste Zeit, die eigentliche "Franzosenzeit".

Friedrich Ludwig bemühte sich überall, wo er nur konnte, die Not zu lindern. In seiner Eigenschaft als Kammerpräsident und Finanzminister tat er alles ihm von Amts wegen nur Mögliche. Er machte, wo es nötig war, sein Ansehen und seine Bekanntschaft mit den französischen Machthabern dienstbar für Fürsprachen und Gesuche. Der Herzog überließ ihm sogar in der Regel die Führung der Verhandlungen mit den oberen französischen Behörden, weil er sich von seiner gewandten Unterhandlungsart mehr Erfolg versprach als von der oft unbedacht und ungeschickt heftigen Art seiner Minister. Oft erlangte Friedrich Ludwig auf diese Weise das Gewünschte. Es wurde sogar mit der Zeit zur Gewohnheit, daß er alle Briefe an die französischen Behörden für die Regierung und den Herzog entwarf, oft auch selbst unterzeichnete.

Im November 1810 verlangte Napoleon für seine Marine die Stellung von mehreren Hundert mecklenburgischer Matrosen. Die Bedingungen der Aushebung drohten vielen Fischerfamilien, die ihren Ernährer hergeben sollten, zum völligen Ruin zu werden. Besonders wurde das bis vor wenigen Jahren noch wohlhabende Fischland davon betroffen. Der Erbprinz wandte sich sogleich mit einer näheren Darlegung der Angelegenheit an den damals als Gesandten in Paris befindlichen von Lützow, der bei den dortigen Behörden Erleichterungen erwirken sollte. Aber die Bemühungen hatten keinen Erfolg. Als dann im April des nächsten Jahres, 1811, abermals der Auftrag einer Matrosenstellung an die herzogliche Regierung erging und fast unlösbar zu werden schien, legte er in einer Denkschrift vom 26. Mai 187 ) den französischen Konsulatsbehörden in Hamburg die Notlage des


187) Für das folgende: AS Kab. Vol. 253, Matrosenstellung, Fasz. 1810/11 und Fasz. 1811.
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Landes dar und schrieb in diesem Sinne auch schon am 21. April und noch einmal am 12. Juni selbst noch an Marschall Davout in Hamburg und im Juli an Maret in Paris. Einen Erlaß der Stellung der Matrosen konnte er zwar nicht erreichen, wohl aber eine Milderung der Stellungsbedingungen.

Nach dem Tilsiter Frieden und der Wiederinbesitznahme des Landes durch den Herzog waren langsam fast alle französischen Truppen aus dem Lande zurückgezogen worden und nur die Besetzung der Wachtposten an der Küste den Franzosen vorbehalten geblieben. Anfang 1808, als Friedrich Ludwig noch in Paris war, kam dort das Gerücht auf, daß die Aufsicht an der mecklenburgischen Küste, besonders in Wismar, mangelhaft sei. Als sofort eingezogene Erkundigungen günstig ausfielen, bemühte er sich in Paris um eine Befreiung Wismars von der drückenden Besatzung. Am 7. März erhielt dann wirklich der Erbprinz von Napoleon die Mitteilung, daß er die weitere Bewachung der mecklenburgischen Küsten und Häfen den herzoglichen Truppen überlasse. Am 4. Juni zogen die Franzosen nach Pommern ab, die mecklenburgischen Truppen übernahmen die Wache an der Küste und in den Seestädten. Doch dieser Zustand währte nicht lange. 1810 erschienen neue Tarifbestimmungen für Kolonialprodukte, die seewärts, wenn auch auf neutralen Schiffen, eingeführt wurden. Schon kurz vorher wurden aufs neue Truppen ins Land gelegt, weil angeblich die früheren Sperrbestimmungen nicht streng genug durchgeführt worden waren. Die neuen Tarife übertrafen an Höhe alle früheren. Es war klar, daß sie den überhaupt nur noch geringen Seehandel des Landes gänzlich lahmlegen würden. Schließlich wurde sogar französischerseits die Ausfuhr der Landesprodukte überhaupt unterbunden. Das bedeutete das finanzielle Ende der Wirtschaft. Sogleich wandte sich die Regierung an den Conseil special, die in Hamburg befindliche französische Behörde für die Durchführung der Kontinentalsperre. Brandenstein schilderte ihm am 7. Dezember 1810 die trostlose Lage der mecklenburgischen Wirtschaft 188 ). Die Eingabe wurde gar nicht beantwortet. Auf Wunsch Davouts sandte der Erbprinz ihm am 27. Februar 1811 eine Denkschrift über den mecklenburgischen Handel. Sie lehnte sich in allem Wesentlichen, meist sogar wörtlich, an die Eingabe Brandensteins an 189 ).

Diese und ähnliche Bemühungen des Erbprinzen, die auch einer Zulassung wenigstens des Küstenhandels galten, schienen


188) Über die Denkschrift: Stuhr, Kontinentalsperre, S. 354 f.
189) AS Kab. Vol. 227, Handel, Allg. Friedrich Ludwig an Eckmühl [Davout] 27. 2. 1821. - Vgl. Stuhr a. a. O., S. 355.
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anfangs Erfolg zu haben 190 ). Davout ließ sich, wie er vorgab, zur näheren Prüfung der Wünsche des Erbprinzen ein Verzeichnis der mecklenburgischen Schiffe und Seeleute senden 191 ). Aber der wahre Grund für die Anforderung der Liste war, daß der Marschall eine Übersicht über die Matrosen und Schiffe erhalten wollte, um danach Matrosenaushebungen oder vielmehr, wie es dann wenige Zeit darauf geschah, gewaltsame Matrosenaufhebungen für die französische Marine zu veranstalten.

Aber alle Bemühungen des Erbprinzen konnten das Fortschreiten der Verelendung des Landes nicht aufhalten. Viele Gutsbesitzer und Domänenpächter gerieten in Zahlungsschwierigkeiten, weil sie wegen des infolge der Ausfuhrsperre ständig sinkenden Wertes des Getreides nicht einmal die Zinsen geliehener Kapitalien bezahlen konnten. Eine Unzahl von Konkursen brachte weite Kreise der Bevölkerung in Not. Schon im Dezember 1806 hatte man seine Zuflucht zu einem Generalindult, d. h. zu einer allgemein gültigen Zahlungsstundung zinstragender Kapitalien, nehmen müssen. Viel hatte dieser Indult, der bis Ende 1808 dauerte, nicht genützt. Er untergrub den Kredit. 1809 war eine geringe Besserung eingetreten. Aber dann brachten die verschärften Bestimmungen der Kontinentalsperre abermals eine außerordentliche Verschlechterung des Geldmarktes mit sich. Im Mai 1811 baten die Stände wieder um einen Indult, wurden aber abschlägig beschieden. Auch der Erbprinz stimmte gegen die Erteilung 192 ). Er fürchtete, daß im andern Falle der Kredit des Landes wieder zu sehr sinken würde. Man sah eine Milderung der Konkursordnung vor, die dann aber auch nicht viel half. Das Elend unter den Landbewohnern wurde zusehends größer und drohte zu einer allgemeinen Katastrophe zu werden. Schon im Dezember sahen sich der Herzog und die Regierung gezwungen,


190) AS Kab. Vol. 203, Korrespondenz mit Eckmühl [Davout] und d'Hastral (IV/V. 1811). Friedrich Ludwig an Eckmühl [12. 4. 1811] und ebenso 16. 4. 1811. - Vgl. W. Decker, Die Napoleonische Kontinentalsperre und ihre Wirkungen in Rostock, Diss. (Masch.-Schr.), Rostock 1922, S. 101 f.
191) AS Kab. Vol. 203 a. a. O. Friedrich Ludwig an Eckmühl 21. 4. 1811 und Schwerin 3. 5. 1811 und 5. 5. 1811 mit anliegender Matrosenliste. Daselbst auch die Antworten Davouts und d'Hastrals. - Rostocker Ratsarchiv, Ratsprotokolle, S. 8641, Nr. 5, 2. Abs. (10. 4. 1811). Von Oertzen hat dem Bürgermeister berichtet, daß der Erbprinz sich bei Davout um freie Küstenschiffahrt bemühe.
192) Tagebuch Friedrich Ludwigs für die Zeit vom 29. 5. 1811 bis 31. 8. 1813, im HausAS Varia domestica Friedrich Ludwig, hsg. von C. Schröder im Jahrbuch 65 (1900), S. 150 f., 150 Anm. 1, 152 f.
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dem erneuten Drängen der Stände nach Gewährung eines Indults nunmehr zu willfahren. Diesmal stimmte auch der Erbprinz für diese Maßregel, doch "nur mit blutendem Herzen, weil selbige die schrecklich unglückliche Lage unseres Landes bezeichnet, und ich allemal einen Indult als ein verzweiflungsvolles Mittel betrachte. Gott wende doch einmal einen Gnadenblick auf mein armes Vaterland." Die Regierung verfuhr bei den Ausfertigungen des Indults an die Stände so ungeschickt, daß Friedrich Ludwig sich gezwungen sah, einzugreifen und eine Änderung des Erlasses zu veranlassen 193 ). Dieser Indult wurde später immer wieder verlängert und blieb bis 1828 bestehen. Auch dem Erbprinzen selbst kam seine Gewährung sehr gelegen. Sein 1802 gekauftes Gut Plüschow mit den Nebengütern verursachte ihm schon seit längerem große geldliche Verlegenheiten. Er trat in Unterhandlungen mit einem reichen Hamburger zwecks Verkaufs 194 ). Aber alle Bemühungen, die Güter zu gutem Preise abzustoßen, mißlangen. Friedrich Ludwig mußte nach einem anderen Mittel der Geldbeschaffung Ausschau halten. Durch seine Eigenschaft als Kammerpräsident bot sich ihm eine günstige, allerdings in ihrer Verbindung von Staats- und Privatfinanzen eigentümliche und bedenkliche Gelegenheit. Er schlug dem Herzog nämlich vor, ihm zu gestatten, von wohlhabenden Pächtern eine Anleihe in Form einer Vorauszahlung eines beträchtlichen Teils des Pachtgeldes aufzunehmen. Der Herzog erlaubte es 195 ). Als erster Pächter wurde der Pensionär Bühring in Groß-Rogahn bei Schwerin dafür ausersehen. Der Versuch glückte. Bühring bezahlte eine beträchtliche Summe. Schon nach wenigen Wochen bat Friedrich Ludwig seinen Vater, dieses Anleihesystem weiter ausdehnen zu dürfen 196 ). Der Herzog verfügte sogleich wunschgemäß an die Kammer, daß auch sogar Güter ohne Licitationen an solche Pächter vergeben werden dürften, die sich verpflichteten, wenigstens die Hälfte des jährlichen Pachtgeldes für die ganze Pachtperiode oder doch den größten Teil derselben auf einmal im voraus zu bezahlen 197 ).


193) Tagebuch, Eintrag vom 23. 12. 1811, S. 189.
194) Tagebuch, S. 161 f.
195) AS Kab. Vol. 343 Groß-Rogahn. Herzog an [Kammer], Doberan 21. 8. 1811.
196) AS a. a. O. 1811. Erbprinz an Herzog 26. 9. 1811. Siehe Tagebuch S. 174.
197) AS a. a. O. Herzog an Kammer 27. 9. 1811. Konzept von Friedrich Ludwigs Hand. Hierauf bezieht sich wohl der Tagebucheintrag vom 29. 9. 1811 (s. Tagebuch S. 174).
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In enger Verbindung mit den Lasten der Handelssperre standen jene an Geld und Naturalien, die dem Lande durch die dauernden Durchmärsche, durch den fortgesetzten Wechsel im Bestande der im Lande liegenden französischen Truppen und ihre vielen Umquartierungen erwuchsen. In rastloser Tätigkeit, bei der der Herzog ihm viel freie Hand ließ, versuchte der Erbprinz die Nöte des Landes zu lindern. Die zahlreichen in den Akten befindlichen Konzepte von seiner Hand zu Briefen an den Marschall Davout in Hamburg und andere französische Behörden zeigen seine unermüdlichen Bemühungen.Im Frühjahr 1812 bot sich dem Erbprinzen wieder Gelegenheit zu einer größeren politischen Reise. Mitte Mai kam Napoleon auf seiner Reise zur Armee, die sich auf dem Zuge nach Rußland befand, in Dresden an. Am 16. machte sich Friedrich Ludwig auf Befehl seines Vaters auf den Weg nach Dresden, um dem Kaiser im Namen des Herzogs seine Aufwartung zu machen. Am 19. Mai traf er dort ein und nahm Wohnung bei seinem sich seit einigen Tagen dort aufhaltenden Schwiegervater, Herzog Carl August von Sachsen-Weimar 198 ). Am 20. bereits wurde er vom Kaiser empfangen, der ihn durchaus zuvorkommend behandelte. Am nächsten Tage, nach dem Abendessen, unterhielt sich Napoleon lange mit dem Erbprinzen, sprach zuerst von Mecklenburg und kam dann darauf, daß Prinz Carl 199 ), des Erbprinzen Bruder, im Falle eines russisch-französischen Krieges den russischen Militärdienst verlassen und nach Hause zurückkehren müsse. Der Erbprinz antwortete, daß dies schon von seinem Bruder verlangt worden sei. Das genügte dem Kaiser nicht, der Erbprinz solle an den Zaren und an den Prinzen schreiben, weil er, Napoleon, nicht zugeben könne, daß ein Prinz aus einem verbündeten Hause die Waffen gegen ihn trage. Er würde ihn sonst seines Ranges als Prinz von Mecklenburg und des Rechts der Thronnachfolge für verlustig erklären 200 ). Die Forderung des Kaisers war durchaus berechtigt. Am andern Tage machte Friedrich Ludwig einen Besuch bei


198) Für das folgende: Tagebuch S. 203 ff. Nähere Berichte fehlen. Vgl. Albert Vandal, Napoléon à Dresde: Revue de Paris I, S. 286. - Hermann Freiherr von Egloffstein, Carl August auf dem Fürstentag zu Dresden 1812: Deutsche Rundschau, Band CXXIX (1906), S. 69 - 90. - Zur Geschichte des Fürstentages in Dresden 1812, Briefe und Aufzeichnungen Carl Augusts, mitgeteilt von Hermann Freiherrn von Egloffstein, Hist. Zeitschrift 121, S. 268 ff., 274, 280 f.
199) Nicht Prinz Paul, wie Egloffstein, Zur Geschichte ..., S. 280, Anm. 3.
200) Tagebuch, S. 205. - Egloffstein, Carl August, S. 88. - Derselbe, Zur Geschichte ..., S. 280.
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Maret, dem französischen Minister des Auswärtigen, der die Besorgung der Briefe an den russischen Kaiser und Prinz Carl übernahm.

Nach den Dresdner Tagen weilte der Erbprinz zur Kur in Karlsbad und Franzensbad.

Mitte November 1812 trafen in Ludwigslust die ersten besorgniserregenden Nachrichten von dem Schicksal des mecklenburgischen Kontingents in Rußland ein. In trauriger Stimmung beschloß man das Jahr.

Kapitel VII.

Die Kriegsjahre 1813 - 1815
und die letzten Jahre 1816 - 1819.

1813 sollte die langersehnte Entscheidung bringen. Schon Ende 1812 war es bekannt geworden, daß die Große Armee geschlagen auf dem Rückzuge sei. Ende Januar kamen die Überreste des mecklenburgischen Kontingents in der Heimat an. Anfang Februar traf die Nachricht von dem Vormarsch der Russen auf Berlin ein, das dann am 4. März besetzt wurde. Ende des Monats zeigten sich die ersten Kosacken im östlichen Mecklenburg. Am 7. März räumten die Franzosen Rostock, am 12. reiste der französische Geschäftsträger in Mecklenburg, Desaugier, über Lübeck nach dem dänischen Kiel ab. In der Nacht vorher kamen die ersten Russen in Grabow an, denen am nächsten Tage schon der russische Oberst von Tettenborn mit drei Kavallerieregimentern folgte. Tettenborn kam aus Berlin mit dem Auftrage, nach Hamburg zu gehen, um es in Besitz zu nehmen. Am 14. März traf er selbst mit seinen Truppen in Ludwigslust ein und wurde mit großem Jubel empfangen. Er überbrachte dem Herzog einen Brief von Graf Wittgenstein des Inhalts, daß er - Tettenborn - beauftragt sei, wegen Teilnahme der mecklenburgischen Truppen am Kriege gegen Napoleon zu verhandeln. Der Herzog sagte sich vom Rheinbunde los. Er war der erste deutsche Fürst, der trotz der noch nicht endgültig entschiedenen Lage diesen Schritt wagte. Da Preußen sich noch nicht offiziell gegen Napoleon erklärt hatte, war Rußland die Macht, an die Mecklenburg sich anschließen mußte. Man beschloß, Plessen in das Hauptquartier des russischen Kaisers zu senden, um einen Allianzvertrag abschließen zu lassen 201 ). Es bestand auch der Plan, daß Friedrich Ludwig dort-


201) AS Kab. Vol. 208, Sendung Plessens 1813.
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hin folgen sollte 202 ). Das unterblieb dann aber, wohl weil der Erbprinz in der Heimat nötiger war.

Vom 15. März datiert der Brief des Herzogs an Kaiser Alexander, in dem der Herzog seinen Beitritt zur deutschen Sache mitteilte mit dem Anfügen, daß er sich unter den Schutz des Kaisers begebe. Das Konzept dieses bedeutsamen Briefes stammt aus der Feder des Erbprinzen 203 ).

"Sire, au moment que Votre Majesté Impériale porte ses glorieuses armes sur le sol de l'Allemagne, Vos victorieuses armées, Sire, repondent de nouveau cette liberté, qui réintegre les souverains et les peuples dans leur indépendance primitive:

Que Votre Majesté Impériale me permett, d'etre parmis les Princes de l'Allemagne un des premiers, qui dans cette situation lui porte l'homage de son respect et de son attachement, en sollicitant Votre puissante protection, Sire.

Si même les sentiments de tout Prince Allemand ne sauroient êtres douteux dans cette mémorable époque, joie cependant me flatter, que Votre Majesté daignera acceuillir avec Bienveillance la déclaration formelle, que je suis pret d'employer toutes les ressources, que peuvent me fournir mes Etats, pour participer de mon coté avec la derniere constance à la grande cause de l'Allemagne et de la delivrance de l'influence etrangere.

Les propositions, que m'a fait parvenir Monsieur le Comte de Wittgenstein, ... me favorissent (?) l'occasion, de Vous en entretenir, Sire, et d'oser, Vous adresser la respectueuse priere, de faire trouver de nouveau a mes Etats et à ma famille dans cette démarche décésive pour tout avenir par Votre auguste garantie et protection une existance politique et des relations, qui mettent d'une maniere convenable et loyale un terme aux engagements, qui jusqu'a present nous li(vi)ent au Protecteur de la confederation du Rhin. ..."

Am Abend des 14. schrieb Friedrich Ludwig frohen Herzens in sein Tagebuch: "Die Begebenheiten des heutigen Tages werden entscheidend für mein Vaterland auf ewige Zeiten sein. Gott sei ferner unser Schutz und stehe uns bei. Möge Deutschland, möge unser geliebtes Mecklenburg frei werden und es bleiben" 204 ). Am 16. März ging Plessen nach Berlin ab.


202) Tagebuch S. 252, 254 u. 262.
203) AS a. a. O., Nr. 2. Herzog an Kaiser Alexander 3./15. 3. 1813 (Konzept!). Antwort des Zaren s. Hirschfeld, Staatsmann aus der alten Schule, S. 30.
204) Tagebuch, S. 252.
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Der Erbprinz wurde bald ganz in die diplomatischen und militärischen Vorbereitungen des beginnenden Freiheitskampfes hineingezogen. Wenn auch keine unmittelbaren Beweise dafür vorhanden sind, so ist doch mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß er in hervorragender Weise an dem Werk der Lossagung vom Rheinbunde und des Anschlusses an Rußland beteiligt gewesen ist, wie denn nicht nur das Konzept des angeführten Briefes an Kaiser Alexander von seiner Hand stammt, sondern vor allem auch die Kühnheit des Loslösungsentschlusses - er wurde noch vor dem Erlaß des bekannten preußischen Aufrufes vom 17. März gefaßt und ausgeführt! - durchaus die Einwirkung des schnell begeisterten Erbprinzen verrät.Am 25. März erließ der Herzog einen Aufruf an die waffenfähige Mannschaft Mecklenburgs zum freiwilligen Dienst in der Infanterie, den Friedrich Ludwig entworfen hatte 205 )."Die Treue und Anhänglichkeit Unserer geliebten Untertanen haben in jedem Augenblick Unserer Regierung Unser größtes Glück ausgemacht. Sie sind Unsere Stütze, Unser Trost in den verhängnisvollen Zeiten gewesen, welche so vorzüglich Unser teures Vaterland belastet haben.Diese in jedem Wechsel der Dinge erprobte Treue erfüllt Unser Landesväterliches Herz mit den Gefühlen der reinsten Dankbarkeit.Jetzt ist eine neue Zeit aufgegangen, die eine glückliche Zukunft verspricht. Des großmütigen Kaisers von Rußland siegreiche Heere bringen dem deutschen Vaterlande die lange entbehrte Freiheit wieder.Es gilt nichts geringeres als Deutschlands Befreiung für immer. Zu diesem großen, heiligen Zwecke muß alles, was deutsch sich nennet, mit voller und ausdauernder Anstrengung mitwirken. Nur so kann das hohe Ziel erreicht, nur so das Glück verdient werden, welches Alexanders heilbringende Gesinnungen uns darbieten.Wir rechnen es Uns zur Ehre, unter Deutschlands Fürsten einer der ersten zu sein, der das Beispiel reiner Vaterlandsliebe gibt, und Wir sind entschlossen, alle Unsere Kräfte aufzubieten.Zu dem Ende wollen Wir auch ein Corps regulairer Infanterie, von welchem Unsere Leibgarde den Stamm ausmachen soll, und ein Corps Jäger errichten, und fordern hierdurch Unsere ge-


205) Tagebuch, S. 252. Wiedergegeben in Faksimile bei Behm, Die Mecklenburger 1813 bis 15 in den Befreiungskriegen, Hamburg (1913), S. 22 f.
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treuen Untertanen, ohne allen Unterschied der Geburt und des Standes, auf, sich zu diesem Zwecke zu vereinigen, indem Wir die Gelegenheit darbieten, durch die Tat zu zeigen, daß in den Herzen der Mecklenburger reiner deutscher Sinn, Liebe für Fürsten und Vaterland treu bewahrt geblieben sind. ..."

Es folgen dann die nötigen organisatorischen Bekanntmachungen, die hier unerwähnt bleiben können.

Diesem Aufruf 206 ) war schon am 23. März eine Kabinettsverfügung an die Kommandanten zu Wismar und Rostock wegen Aufhebung aller Kontinentalsperrebestimmungen und wegen Öffnung der Häfen ergangen. Am 27. konferierte Friedrich Ludwig in Schwerin mit dem Präsidenten von Brandenstein und einer von den Ständen eingesetzten besonderen Landesdeputation über die Aufstellung von Truppen und verfaßte den Aufruf zur Errichtung freiwilliger Jägerregimenter 207 ). Der Aufruf wurde noch am selben Tage erlassen; er enthielt im wesentlichen nur Anordnungen organisatorischer Art.

Die Aufrufe verfehlten ihre Wirkung nicht. Es meldete sich eine stattliche Anzahl von Freiwilligen.

Bald griff der schwedische König in den Krieg gegen Frankreich ein, dazu getrieben von seinem Adoptivsohn Bernadotte, der auch der Führer der schwedischen Truppen wurde und der in diesem Zusammenhange als Lohn für die Teilnahme am Kampfe gegen sein eigenes Vaterland das dänische Norwegen zum schwedischen Reiche dazu zu gewinnen gedachte. Als diese Wünsche auf große Schwierigkeiten stießen, verlangte er vorläufig nur das Bistum Drontheim. Für das ganze Norwegen sollte Dänemark dann später, so hatte Bernadotte dem dänischen Könige vorgeschlagen, durch deutsche Gebiete entschädigt werden, z. B., so glaubte er, würden sicherlich die Herzöge von Mecklenburg gegen anderweitig leicht zu findende reichliche Entschädigung ihre Länder an Dänemark abtreten 208 ). Der dänische König teilte durch seinen


206) Von der Hagen, Erinnerung an E. G. Graff: Neues Jahrbuch der Berlinischen Gesellschaft für deutsche Sprache und Altertumskunde, Berlin 1843, Bd. 5, S. 59, sagt, daß Graff als Mitglied des Zentral-Verwaltungsrats "unter anderem den Aufruf der Mecklenburger zu den Waffen, der zugleich Befreiung von der Leibeigenschaft verhieß", verfaßt hat. Hinsichtlich der Leibeigenschaft hat M. Lehmann, Stein, Bd. 3, Nachtrag nach S. 510, schon auf die Haltlosigkeit dieser Behauptung hingewiesen. Hinsichtlich des Aufrufs an sich ist angesichts der angeführten Tagebuchstelle Friedrich Ludwigs keine weitere Widerlegung erforderlich. Ein anderer Aufruf als der vom 25. März kann nicht gemeint sein.
207) Tagebuch, S. 257. - Abgedruckt u. a. bei Behm a. a. O., S. 26 f.
208) S. u. a. Hans Klaeber, Bernadotte, Gotha 1910, S. 322.
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Minister von Rosenkrantz diesen von Bernadotte dem dänischen Gesandten in Stockholm gegenüber geäußerten Vorschlag dem Erbprinzen mit und sprach sein Befremden darüber aus 209 ). In der Stimmung jener Wochen, die von reiner vaterländischer Begeisterung widerhallten, wirkte diese Nachricht dynastisch-egoistischer Pläne eines nur durch Zufall emporgekommenen Fürsten doppelt ernüchternd auf den Erbprinzen. Mit aller Entschiedenheit wies dieser in seiner Antwort an den König das Ansinnen Bernadottes zurück 210 ), "indem keine Entschädigung in der Welt oder kein Vorteil selbst irgend jemanden von uns bewegen würde, unser väterliches Erbteil und unser geliebtes Volk zu verlassen" 211 ).

Zunächst lief Mecklenburg Gefahr, durch das eigenartige zögernde Verhalten des Kronprinzen den Franzosen preisgegeben zu werden. Schon hatte dieser den Befehl gegeben, daß die schwedische Abteilung, die Hamburg besetzt hatte und es gegen die Franzosen verteidigte, sich zurückziehen sollte. In dieser Not wurde Friedrich Ludwig beauftragt, Bernadotte, der am 17. Mai in Stralsund eingetroffen war, aufzusuchen und seine Hilfe zum Schutze Mecklenburgs zu erbitten. Man hatte sich am Hofe in Ludwigslust schon darauf vorbereitet, Mecklenburg ganz zu verlassen. Man wollte sich nach Kiel wenden. Aber der Eintritt Dänemarks in den Krieg hatte dann eine Veränderung des Planes zur Folge. Man entschloß sich, im Fall der Not nach Rügen zu gehen 212 ).

Angesichts der erst vor wenigen Wochen bekannt gewordenen Tauschpläne Bernadottes hätte eine Bittreise - eine solche war diese Reise nach Stralsund - den Erbprinzen eine herbe Überwindung gekostet. Aber die Reise wurde erleichtert durch das Bewußtsein, der Heimat dadurch zu dienen.

Am 1. Juni fuhr der Erbprinz von Ludwigslust ab, traf am nächsten Abend in Stralsund ein 213 ) und suchte noch sogleich zu später Stunde den Kronprinzen auf, mit dem er eine lange Unterredung hatte. Der Kronprinz versicherte ihn seines Schutzes für Mecklenburg und bat ihn, mehrere Tage zu bleiben, hauptsächlich um das Ergebnis einer gerade im Gange befindlichen gemeinsamen englisch-russisch-schwedischen Gesandtschaft nach Kopenhagen, die


209) AS Kab. Vol. 30. Schwedische Korr. 1813. Rosenkrantz an Friedrich Ludwig, Kopenhagen 10. 4. 1813 (Original).
210) AS a. a. O. Friedrich Ludwig an Rosenkrantz 14. 4. 1813.
211) Tagebuch, S. 263 mit Anm. 1.
212) An Georg 16. 5. 1813.
213) Für die Stralsunder Tage: Tagebuch, S. 279 - 282.
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Dänemark noch ein letztes Mal für die Sache der Verbündeten zu gewinnen versuchen sollte, abzuwarten. Am Nachmittag des nächsten Tages, des 3. Juni, hatte Friedrich Ludwig wieder eine längere Besprechung mit dem Kronprinzen, über die er in seinem Tagebuch nur "2 Hauptmomente" anmerkte 214 ). Zunächst versicherte ihn der Kronprinz wiederum mit den Worten "Je défendrais le Mecklenbourg, comme si c'était la Suède elle même" seines Schutzes für Mecklenburg, wenn der Herzog den Landsturm im Lande aufbieten werde. Danach machte Friedrich Ludwig mit Rücksicht auf die Notwendigkeit der Beseitigung der Spannung, die zwischen dem Kronprinzen einerseits und Rußland und Preußen andererseits bestand 215 ), jenem den Vorschlag einer Zusammenkunft mit dem Zaren und dem preußischen König. Der Kronprinz nahm diesen Vorschlag an, bat den Erbprinzen, wegen der Zusammenkunft an den Kaiser und den König zu schreiben und schlug Kolberg als Ort der Begegnung vor. Seine Aufforderung, ihn sogar dahin zu begleiten, lehnte aber der Erbprinz ab, hielt es auch für besser, nicht selbst zu schreiben, sondern Alopeus, den augenblicklichen russisch-preußischen Beauftragten des Zentralverwaltungsrats für die der französischen Herrschaft wieder abgewonnenen Länder, brieflich zu veranlassen, an die beiden Herrscher wegen der Zusammenkunft zu schreiben. Bernadotte war damit einverstanden. Gerüchte von dem weiteren Zurückgehen der Verbündeten und die Nachricht von der Fruchtlosigkeit der Kopenhagener Gesandtschaft verzögerten die Absendung des Briefes an Alopeus noch bis zum 5. Juni, nachdem an diesem Tage infolge besserer Nachrichten der Plan der Zusammenkunft nochmals erörtert und die endgültige Einwilligung des Kronprinzen erreicht war.

Voll "wahrer Bewunderung des ausgezeichnet edlen Charakters des Kronprinzen, würdig den schönsten Zeiten Franz' I. und Heinrichs IV." 216 ), reiste Friedrich Ludwig am 7. Juni nach Ludwigslust zurück. Alopeus hatte schon einen Kurier mit dem Vorschlag zu der Zusammenkunft in das preußisch-russische Haupt-


214) Tagebuch, S. 280.
215) Barthold von Quistorp, Geschichte der Nord-Armee im Jahre 1813, Berlin 1894, Bd. 1, Polit. Einl., S. 1 - 51. - Vgl. zur Stellung des Kronprinzen in den Befreiungskriegen: Heinrich Ulmann, Zur Beurteilung des Kronprinzen von Schweden im Befreiungskriege 1813/14: Hist. Zeitschr. 102, S. 304 ff. - Fr. Meinecke, Zur Beurteilung Bernadottes im Herbstfeldzuge 1813, Forsch. z. Brand. u. Preuß. Gesch., Bd. 7 (1894), S. 459 ff.
216) Tagebuch, S. 282.
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quartier gesandt 217 ). Am 5. Juli erfuhr man dann in Ludwigslust, daß der Kronprinz zu einer Zusammenkunft mit dem Zaren und dem König nach Trachenberg in Schlesien eingeladen sei. Die Besprechungen in Trachenberg begannen am 10. Juli und zeitigten den für Schweden außerordentlich günstigen allgemeinen Kriegsplan. Die gesamte Truppenmacht wurde in drei Armeen geteilt, von denen die nördliche dem Oberbefehl Bernadottes unterstellt wurde. Zu dieser Armee gehörten dann auch die mecklenburg-schwerinschen Truppen 218 ).

Soweit seine geringen militärischen Fähigkeiten und Kenntnisse es gestatteten, beteiligte sich der Erbprinz auch an den militärischen Rüstungen im Lande. Er wurde hauptsächlich zu solchen Arbeiten herangezogen, die Verhandlungsgeschick erforderten. So erledigte er in der Regel den brieflichen Verkehr zwischen dem Herzog wie der Regierung und den Führern der verbündeten Truppen. Sein Tagebuch verzeichnet des öfteren den Empfang von an ihn gerichteten Briefen und Berichten aus dem Felde, von Verhandlungen mit Beauftragten jener Führer, von Truppenbesichtigungen und von Entsendungen von Oertzens an die Generäle der Nord-Armee.

Mit besonderem Interesse verfolgte er den Fortgang der Verhandlungen der Regierung mit dem von den Verbündeten, d. h. den Preußen und Russen, eingesetzten Zentralverwaltungsrat 219 ). Der unter der Leitung des Freiherrn vom Stein stehende Verwaltungsrat hatte sein Arbeitsgebiet in fünf Bezirke geteilt, von


217) Tagebuch a. a. O. - H. Ulmann, Geschichte der Befreiungskriege 1813 und 1814, 2 Bde., München u. Berlin 1914, 1915, Bd. 1, S. 298, Anm. 1, setzt den diesbezüglichen Tagebucheintrag fälschlich mit dem Zentralverwaltungsrat in Beziehung.
218) Schröder, Tagebuch, S. 288, Anm. 1, hat schon mit Recht darauf hingewiesen, daß die Darstellung bei W. Oncken, Allg. Gesch. im Zeitalter der Revolution usw., Bd. 2, Berlin 1886, S. 663: "Aus solchen Schwindelplänen riß ihn [Bernadotte] ein Schreiben Alexanders heraus, der ihn zu einer Zusammenkunft nach Schloß Trachenberg in Schlesien beschied", die Tatsache völlig verwischt, daß diese Zusammenkunft schon lange geplant und eben durch Friedrich Ludwig angeregt war. - In "Österreich und Preußen im Befreiungskriege", Bd. 2., Berlin 1879, S. 416, erwähnt Oncken einen Briefwechsel zwischen Bernadotte und dem Zaren während des Waffenstillstandes, aus dem zwischen beiden eine Annäherung und dann die Trachenberger Zusammenkunft hervorgegangen sei. Auch dies erfährt in gewissem Sinne eine Berichtigung durch Friedrich Ludwigs Aufzeichnungen.
219) S.: Paul Wetzel, Die Genesis usw., S. 76 ff. - Hirschfeld, Staatsmann, S. 29 ff. - Max Lehmann, Freiherr vom Stein, III, Leipzig 1905, S. 264 ff., 277 f., 286 f., 289. - H. Ulmann, Geschichte usw., Bd. 1, S. 297 ff.
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denen die beiden Mecklenburg, Lübeck und Hamburg zusammen einen Bezirk bildeten. Das Vorgehen des Rates gegen die zu verwaltenden Gebiete geschah in der energischen, oft schonungslosen Art Steins und erweckte bei der Schweriner Regierung bald heftigsten Widerstand. Stein kannte in dieser Zeit höchster Not keine Rücksichten, sondern nur die eine große Aufgabe der Befreiung Deutschlands, und dieser Aufgabe hatte alles zu dienen. Die deutschen Kleinstaaten, auch Mecklenburg-Schwerin, waren im Bewußtsein ihrer Souveränität nicht gewillt, so weitgehend, wie Stein es wollte, ein höheres Ziel über ihre eigenen Ziele und Wünsche gestellt zu sehen. Sie waren der Forderung der Zeit, wenn es galt, Opfer zu bringen, nicht in dem Maße gewachsen, wie man nach ihren Worten hätte erwarten können. So widersetzte sich auch Mecklenburg der Erfüllung der vom Verwaltungsrat festgesetzten Lieferungen an Geld und änderte die übrigen Forderungen nach seinem Belieben ab. Staatsrat von Alopeus, der Leiter des Bezirkes, zu dem Mecklenburg gehörte, hatte mit der herzoglichen Regierung um die Durchführung der Forderungen Steins schwer zu kämpfen. Stein war bei seiner ganzen Stellungnahme gegenüber Mecklenburg von einer falschen Voraussetzung ausgegangen: er betrachtete es sozusagen als ein erobertes, formell noch mit Frankreich verbündetes und also mit Rußland im Kriegszustand befindliches Land. Er sprach sogar von "Bedingungen", unter denen nur "Friede" mit Mecklenburg geschlossen werden könne 220 ). Und das noch nach der Ankunft Plessens im Hauptquartier und nach der Übergabe des Briefes des Herzogs an den Zaren 221 )! Dem Herzog - vor allem auch dem Erbprinzen, der jenen Brief aufgesetzt hatte - war der Gedanke überhaupt nicht gekommen, daß vor dem Beitritt zu der Sache der Verbündeten noch lange und in aller Form über einen Friedensschluß verhandelt werden müßte. Er sah Mecklenburg ohne weiteres als durch stillschweigendes Bündnis gleichberechtigte Macht neben Preußen und Rußland an, war er doch innerlich nie ein Parteigänger Napoleons gewesen. Die mecklenburgische Regierung lebte in dem berechtigten Glauben, daß das Land zum mindesten mit größter Loyalität zu behandeln sei, da der Herzog doch als erster deutscher Fürst sich von Frankreich abgewandt hatte. Um so mehr war sie und mit ihr der Herzog und


220) Lehmann a. a. O., S. 277.
221) Das Folgende ist den Darstellungen bei Lehmann und Wetzel entgegenzustellen, unbeschadet der Zustimmung zu den besonders von Wetzel erhobenen Vorwürfen gegen die Schweriner Regierung hinsichtlich der reinen Tatsache der geringen Zahlungen und Truppenstellungen.
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der Erbprinz durch die Art, mit der Stein durch Alopeus mit ihr verkehrte, vor den Kopf gestoßen. Diese Gegensätze blieben bestehen und wurden auch im Laufe der Verhandlungen nicht ausgeglichen. Unter jenem Gesichtswinkel ist die Haltung der Regierung, des Herzogs und des Erbprinzen zum Verwaltungsrat zu beurteilen. In welchem Maße Friedrich Ludwig an der oppositionellen Politik der Regierung gegen den Rat beteiligt war, ist nicht genau feststellbar. Nur soviel steht fest, daß er diese Politik gutgeheißen hat, ja daß er einer ihrer entschiedensten Verfechter gewesen ist. So sind denn auch seine schriftlichen Äußerungen in dieser Angelegenheit unter Hinblick auf jenes erwähnte gegenseitige Mißverstehen zu betrachten. Friedrich Ludwig schrieb am 15. Mai an Erbprinz Georg, daß Alopeus nun sein Büro in Ludwigslust aufgeschlagen habe 222 ). Am nächsten Tage schrieb er ihm: "Wir haben ihm gesagt, daß, wenn er förmlich vom Kaiser und König bei uns akkreditiert wird, wir es" - d. h. mit ihm zu verhandeln - "gerne tun werden, übrigens erklären werden, daß wir uns nicht auf den Verwaltungsrat einlassen werden und Befehle von ihm annehmen, da wir nur mit den Gouvernements traktieren wollen. Das geht nicht an, daß man sich wie Schuhputzer behandeln läßt" 223 ). Und als die Schweriner Regierung am 26. Mai Alopeus durch eine Note auf das bestimmteste erklärt hatte, daß sie sich nie unter den Verwaltungsrat stellen werde, wohl aber zum Abschluß einer Konvention bereit sei 224 ), vermerkte Friedrich Ludwig den Inhalt dieser Note kurz in seinem Tagebuch und fügte der Erwähnung des Verlangens nach einer Konvention hinzu: "Wir haben wohl um so mehr das Recht, dies zu verlangen, da wir die ersten und bis jetzt die einzigsten deutschen Fürsten sind, welche trotz aller uns naheliegenden Gefahr uns gegen Frankreich erklärt haben" 225 ). Deutlich geht hieraus der Gegensatz zu der erwähnten Auffassung Steins hervor. Über diesen fällte Friedrich Ludwig denn auch ein hartes Urteil, das verständlich wird, weil es aus der Atmosphäre der Opposition heraus geboren war. Am 22. Juni schrieb er an Georg, er solle nicht über Alopeus schelten - Mecklenburg-Strelitz opponierte auch gegen verschiedene durch Alopeus übersandte Forderungen des Verwaltungsrats - , "denn der Ärmste muß wörtlich schreiben, was Herr von Stein befiehlt, und überläßt uns herzlich gern das


222) Dieser Brief ist nur im folgenden erwähnt.
223) An Georg 16. 5. 1813.
224) AS Kab. Vol. 209, Verhandlungen mit Alopeus Nr. 6. Regierung an Alopeus 26. 5. 1813. - Dort auch die übrigen Akten.
225) Tagebuch, S. 277.
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Antworten. ... Alopeus ist selbst (aber dies unter dem Siegel der größten und ungeteiltesten Verschwiegenheit) höchst unzufrieden mit seinem Prinzipal, der in der Tat nichts weiter als ein deutscher Revolutionär ist" 226 ). Und einige Wochen später schrieb er: "Minister Stein ist rein toll und hat einen rasenden Einfall über den anderen. Der arme Alopeus ärgert sich zu Tode. Denken Sie sich, daß der bloß für die gerechte Sache so gänzlich uneigennützig denkende Stein so eine kleine Berechnung von alle dem, was er durch den Krieg verloren hat, eingereicht hat. So ein Sümmchen von 91 000 Rtr. Der russische Kaiser hat sie ihm geschenkt und auf die Dotationen der französischen Generäle in Polen angewiesen. Es rührt mich recht, wie die Vorsehung dies seltene Beispiel von Uneigennützigkeit belohnt. Habe nicht unterlassen wollen, Sie aufzufordern, meine Rührung und Freude zu teilen" 227 ). Die Nachricht von dieser Geldforderung Steins konnte am Hofe in Ludwigslust natürlich den Widerwillen gegen ihn nur noch verstärken.

Die mecklenburgischen Truppen hatten unterdessen die ersten Kämpfe mit den Franzosen bestanden. Sie nahmen an den Gefechten um Hamburg teil und zeichneten sich dabei rühmlich aus. Bei dem Verlust Hamburgs durch die Schuld des schwedischen Kronprinzen mußten sie sich zusammen mit den anderen Truppen zurückziehen. Infolge des Waffenstillstandes von Poischwitz vom 4. Juni bezogen sie dann in Mecklenburg Quartier. Die Armee der Verbündeten befand sich, wie erwähnt, in ihrem nördlichen Teil unter dem Oberbefehl Bernadottes. Der rechte Flügel der Armee, das sog. Korps an der Niederelbe, stand unter dem Befehl des Generalleutnants Grafen von Wallmoden-Gimborn. In einer unter diesem stehenden, von Generalleutnant von Vegesack befehligten Division befand sich die mecklenburgische Brigade unter dem Generalmajor von Fallois.

Am 5. August suchte der Erbprinz den schwedischen Kronprinzen, der sich auf einer Besichtigungsreise befand, in Wismar auf und hatte mit ihm dort und auf der Rückfahrt nach und in Doberan eine längere Besprechung 228 ), derzufolge er noch am folgenden Tage, dem 6. August, einen Brief an König Friedrich VI. von Dänemark und einen an den dänischen Außenminister Baron von Rosenkrantz durch einen Boten, der dann am 9. von Warnemünde abging, nach Kopenhagen sandte.


226) An Georg 22. 6. 1813.
227) An Georg, Doberan 24. 7. 1813.
228) Tagebuch, S. 293 f.
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Er schrieb an den König 229 ), daß das Wohlwollen, das er jederzeit gegenüber Mecklenburg gezeigt habe, ihn ermutige, ihn von einer Unterredung in Kenntnis zu setzen, die er mit dem schwedischen Kronprinzen am Tage vorher gehabt habe und in der er dessen Ansichten über die Möglichkeiten einer Beilegung der Differenzen zwischen den beiden Höfen habe in Erfahrung bringen können. Der Kronprinz sei der Ansicht, daß die Verträge mit England einer solchen Beilegung nicht entgegenständen. Das schwedische Volk und das große Heer, das unter dem Befehl des Kronprinzen stände, habe noch immer die gleichen Friedensgedanken wie damals, als er, der Erbprinz, sie Anfang Juni in Stralsund habe kennen lernen können. Der Kronprinz habe ihn versichert, daß er, wenn Dänemark das Bistum Drontheim an Schweden abtreten würde, alle Erörterungen wegen Norwegen ganz zurücktreten lassen werde bis zur endgültigen Regelung durch den allgemeinen Frieden, dem ja alle zustrebten. Auf die Frage, ob er Wert darauf lege, daß die dänischen Truppen sich dann mit den Verbündeten vereinigten, habe der Kronprinz geantwortet, daß er den König durchaus nicht gradezu darum ersuchen werde. - Der Erbprinz bat dann zum Schluß den König, in diesem Briefe nur den sehnlichsten Wunsch ausgedrückt zu sehen, möglichst eine für die Ruhe und das Glück Europas so notwendige Verständigung zu befördern. Er werde sich glücklich fühlen, wenn er durch diesen Brief dazu beigetragen haben würde, daß der König vor Wiederaufnahme der Feindseligkeiten auf irgendeine Weise dem Kronprinzen eine Nachricht im angeführten Sinne werde zukommen lassen.

Dem Baron von Rosenkrantz, dem er den Brief an den König mit der Bitte um Weitergabe übersandte, schrieb er ebenfalls über die Unterredung mit Bernadotte 230 ) und versicherte, daß ihn nur der Wunsch treibe, zur Versöhnung der beiden Mächte zu verhelfen. Rosenkrantz möge um so mehr von der Aufrichtigkeit seiner Wünsche überzeugt sein, als er sich nur an den Gegenstand jenes Briefes erinnern möge, den der Minister ihm im letzten Winter geschrieben habe - der Erbprinz meinte den schon oben in anderem Zusammenhang erwähnten Brief über den Plan eines Tausches Mecklenburgs gegen Norwegen - , auch brauche er ja nur zu erwähnen, daß ihm bekannt sei, daß Napoleon dem König kürzlich Mecklenburg angeboten habe.


229) AS Kab. Vol. 3s. Dänemark 1813. Friedrich Ludwig an König Friedrich, Doberan 6. 8. 1813.
230) AS a. a. O. Erbprinz an Rosenkrantz, Doberan 6. 8. 1813.
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Beide Briefe, vor allem der an den König, tragen unverkennbar den Stempel der Eingebung durch Bernadotte, die wohl nicht wörtlich, etwa in Form einer Vorlage, aber doch wahrscheinlich dem Gedanken nach, ja der Formulierung der Ausdrücke nach geschehen ist. Bedauerlich ist bei der mangelnden Kenntnis des näheren Inhalts der Wismarer und Doberaner Unterredungen, daß nicht wenigstens der, wie wohl anzunehmen ist, maßgebliche, durch den Adjutanten an den Erbprinzen noch am 6. August überbrachte Brief Bernadottes erhalten ist. Für die Eingebung des Brieftextes durch den Kronprinzen spricht noch sehr, daß Friedrich Ludwig in seinem Tagebuch zwar von einem "Auftrag", den ihm Bernadotte gegeben habe, schreibt, aber in seinen Briefen nach Kopenhagen mit Nachdruck hervorhebt, daß er ganz aus eigenem Antriebe schreibe, so daß es den Anschein hatte, als ob der Kronprinz nichts von den Briefen wüßte. Diese Formulierung der Briefe war natürlich von Bernadotte angegeben.

Dieser auftragsgemäße Versuch Friedrich Ludwigs, zwischen Dänemark und Schweden zu vermitteln, war der letzte in der Reihe der Interventionen, die das Ringen zwischen beiden Staaten 1813 bezeichnen, und ist um so bemerkenswerter, als doch erst Anfang Juni die Gesandtschaft der Verbündeten nach Kopenhagen ergebnislos verlaufen war und jede gütliche Einigung für immer als aussichtslos erscheinen ließ. Dieses außerordentlich geschickte Vorschieben des Erbprinzen zum Zwecke einer Vermittlung im letzten Augenblick wirft ein neues bezeichnendes Licht auf das Verhalten des Kronprinzen in dieser Zeit überhaupt. Er wollte mit allen Mitteln auf rein diplomatischem Wege und möglichst kampflos sein Ziel, Norwegen, erreichen. Aber der dänische König war diesmal in seinem Widerstand größer als der Franzose in seiner diplomatischen Kunst.

Die Antwort des Königs an den Erbprinzen 231 ) vom 13. August enthielt natürlich eine Absage. Der König schrieb, daß nicht er den Frieden gestört habe, und daß es nicht seine Sache sei, durch ein Opfer eines Teiles seines Landes zu seiner Wiederherstellung beizutragen, und daß niemand aus den zwischen seinen Feinden geschlossenen Verträgen das Recht erwerbe, seine treuen Untertanen seiner Herrschaft zu entziehen. Der Erbprinz möge ihm glauben, daß er nicht fähig sei, das Land mit ruhigem Gewissen auszuliefern. Er halte es für einen Verrat, wenn er seine Untertanen dem Ehrgeiz dessen überlasse, der sie zu unterwerfen strebe.


231) AS a. a. O. König Friedrich VI. an Erbprinz, Frederiksborg 13. 8. 1813 (Original).
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Rosenkrantz schloß sich in seiner Antwort 232 ) an den Erbprinzen den Worten des Königs an, betonte aber, sozusagen als Richtigstellung, daß der Erbprinz sich im Irrtum befände mit der Annahme, daß Napoleon dem König Mecklenburg angeboten habe. Niemals sei dies geschehen, weder für Teile des Landes noch für das ganze Herzogtum. Er meinte damit, daß nie ein unmittelbares förmliches Angebot gemacht worden sei.

Wie der Erbprinz zu der Annahme kam, daß Napoleon dem dänischen König Mecklenburg angeboten habe, ist nicht ersichtlich. Man kann wohl annehmen, daß Bernadotte selbst den Erbprinzen durch geschickte Schilderungen zu der falschen Überzeugung gebracht hat, daß nicht von ihm, sondern von Napoleon selbst jenes Tauschangebot herrühre. Friedrich Ludwig mochte wohl, befangen wie er ja von der Liebenswürdigkeit des Kronprinzen war, diesen Einredungen Glauben geschenkt haben. Er ließ sich ja leicht durch freundliche Worte blenden und überreden. In dem oben erwähnten Briefe Rosenkrantz' vom 10. April 1813 war nichts von einem Angebot durch Napoleon, sondern nur durch Bernadotte selbst erwähnt worden. Auch König Friedrich VI. war erstaunt über des Erbprinzen Annahme. Im Zusammenhang mit dessen Vermittlungsversuch schrieb er am 17. August 1813 an Prinz Christian, den Statthalter von Norwegen 233 ): "Wie die Menschen über uns denken, zeigt der an mich vom Prinzen von Mecklenburg geschriebene Brief. Darin sagt er, der Kronprinz von Schweden denke sehr billig, wenn ich nur Drontheim abtreten wollte, und er wisse wohl, daß Napoleon mir Mecklenburg versprochen habe. Ich gab zur Antwort, daß ich Drontheim nie abtreten werde. Das Sonderbarste ist, daß Schweden mir im vorigen Winter unter den Entschädigungen, die ich für Norwegen haben sollte, Mecklenburg vorschlug, wogegen Napoleon niemals davon gesprochen hat, daß ich dies Land haben sollte."

Bernadotte hatte ganz offensichtlich - nichts kennzeichnet wohl mehr die Taktik seines Strebens nach Erwerb Norwegens - eine angebliche Äußerung Napoleons ohne weiteres vorgeschützt, wo er seine eigenen politischen Machenschaften durch das Wort des Größeren glaubte sanktionieren zu müssen. Daß der Erbprinz sich von ihm täuschen ließ, ist bei der verschlagenen und doch völlig ehrlich erscheinenden diplomatischen Arbeitsweise des Kronprinzen


232) AS a. a. O. Rosenkrantz an Erbprinz, Kopenhagen 13. 8. 1813 (Original).
233) C. F. Wegener, Aktenmäßige Beiträge zur Geschichte Dänemarks im neunzehnten Jahrhundert, 1. Tl., Kopenhagen 1851, Anlage 75, S. 427. (In der Übersetzung Wegeners aus dem Dänischen.)
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durchaus verständlich. Er hat aber nie erkannt, daß er einem Lügenmanöver zum Opfer gefallen war, sondern hat auch später immer wieder mit einer gewissen Verehrung zum Kronprinzen aufgesehen.

Am 23. August bekam er vom Herzog eine Aufgabe zugewiesen, die ihm Gelegenheit bot, sich noch aktiver als bisher an der Verteidigung des Landes zu beteiligen. Der Herzog beschloß, nachdem im Anschluß an die Siege von Großbeeren und an der Katzbach Bernadotte darauf gedrungen hatte, den Landsturm in großem Umfange aufzubieten, und übertrug seinem ältesten Sohne seine Führung 234 ).

Die gesamte herzogliche Familie verließ dann bald Doberan und siedelte wegen der Franzosengefahr nach Rostock über und von dort Ende August auf einige Tage nach Stralsund, von wo man aber am 8. September schon wieder zurückkehrte. Niemand ahnte, welches Schicksal Napoleon der Herzogsfamilie zugedacht hatte, falls er sie in seine Hände bekommen würde. Am 7. Mai hatte er schon durch Berthier an Davout schreiben lassen, daß er sich, sobald dessen Truppen in Schwerin angekommen seien, ohne ein Wort zu verlieren, des Herzogs und seiner Familie zu bemächtigen suchen und sie nach Frankreich in ein Staatsgefängnis senden sollte 235 ). Die Wut Napoleons gegen den Herzog wegen des schnellen Abfalls vom Rheinbunde und des Übergangs zu den Verbündeten war ganz außerordentlich.

Am 29. August wurde durch einen Erlaß die erste Klasse des Landsturmes, d. h. die Landwehr, aus den Distrikten Güstrow, Waren und Rostock aufgeboten 236 ). Den Oberbefehl übernahm also der Erbprinz.

Bei der Organisation des Landsturmes - im weiteren Sinne - wurden zwei Klassen unterschieden: Bei der ersten, der Landwehr, umfassend alle wehrfähigen, nicht Felddienst leistenden Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren, näherte sich die Art des Dienstes mehr dem des regulären Militärs, etwa Gefangenentransport, Wachtdienst, Etappendienst, Verproviantierung der Feldtruppen u. dgl. Die zweite Klasse, der Landsturm im engeren


234) Tagebuch, S. 297 f.
235) Diplomatische Geschichte der Jahre 1813, 1814, 1815, Erster Teil, Leipzig 1863, S. 222: Brief Berthiers an Davout 7. 5. 1813 (deutsche Übersetzung).
236) Nicht am 28., wie Vitense, Mecklenburg und die Mecklenburger 1813 - 1815, Neubrandenburg 1913, S. 100, angibt. - Aufruf u. a. abgedruckt bei Francke, Mecklenburgs Not und Kampf vor und in den Befreiungskriegen, Wismar 1835, S. 228 f.
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Sinne, umfassend alle wehrfähigen und nicht Felddienst tuenden Männer von 36 bis 60 Jahren, sollte nur im höchsten Notfall, etwa bei der Verteidigung der betreffenden Ortschaft und immer nur an Ort und Stelle, in Tätigkeit treten, während die Landwehr den Feldtruppen im Notfall auch sogar außer Landes folgen sollte. Die Landwehr war ähnlich wie die Feldtruppen ausgerüstet. Dagegen setzte sich die Bewaffnung des Landsturmes aus allem nur Verfügbaren und als Waffe Verwendbaren zusammen, vom Jagdgewehr bis zur Sense.

Güstrow wurde die vorläufige Zentrale für die Organisation des Landsturmes. Alle verwaltungstechnischen Obliegenheiten beschäftigten den Erbprinzen in den nächsten Wochen, weniger jedoch die rein militärischen Anordnungen, da ihm diese Seite der Arbeit nicht lag. Ihm stand ein Landsturmgeneralstab zur Seite. "Ich weiß wohl, daß ich nur guten Willen, übrigens keine militärischen Talente besitze, würde mir daher auch nie etwas herausnehmen," schrieb er am 10. September an den Herzog in Rostock 237 ). Er war viel auf Reisen, kümmerte sich um alles und berichtete über alles genau an den Herzog. Ihm ging vieles in der Landsturmorganisation zu langsam. Er drang aber mit Vorschlägen zu energischem Vorgehen, wie z. B. gegen das Schweriner Militärkollegium, das seiner Ansicht nach zu nachlässig arbeitete und obendrein zu kostspielig und ganz unnötig war, nicht durch 238 ).

Am 11. September war die Aufstellung des Landsturmes soweit vorgeschritten, daß der Erbprinz mit dem schon marschfertigen Teil über Sternberg nach Schwerin marschieren konnte, wo er am 12. einzog. Hier hatte er Gelegenheit, einen Einblick in die Verhältnisse der in Mecklenburg stehenden fremden Truppen zu gewinnen. Und er fand diese Truppen in solchem Zustande, daß er am 13. September schon entsetzt darüber an den Herzog berichtete 239 ). Er klagte, daß die Unordnung und schlechte Organisation des im Lande befindlichen Armeekorps, außer Vegesacks Abteilung, ein grenzenloses Elend über das Land gebracht haben. Nie werde die Verpflegungskommission rechtzeitig benachrichtigt. 40 Dörfer seien von den Verbündeten geplündert, besonders schlimm führe sich Tettenborns Korps auf. Beschwerden seien erfolglos geblieben, vielleicht werde es etwas nützen, wenn der Herzog an


237) AS Kab. Vol. 207. Rapports VIII/IX. 1813. Friedrich Ludwig an Herzog, Güstrow 10. 9. 1813.
238) AS a. a. O. Friedrich Ludwig an Herzog 6. 9. 1813.
239) AS Kab. Vol. 208, 1813/14. Friedrich Ludwig an Herzog, Schwerin 13. 9. 1813.
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den Kronprinzen von Schweden schreiben werde. - Doch erfolgte auf diesen Brief des Erbprinzen keine Demarche bei Bernadotte.

Die Stellung des Erbprinzen war für die nächsten Monate recht schwierig. Er nahm an dem Feldzuge an der Westgrenze des Landes teil, aber ohne eine irgendwie wichtige Stellung zu bekleiden oder einen maßgeblichen Einfluß auszuüben. Er selbst fühlte die Schiefheit seiner Lage; aus seinen Berichten klingt nur allzu sehr die erzwungene Interessiertheit eines innerlich völlig Uninteressierten heraus. Die Generalität der im Lande befindlichen Truppen honorierte ihn, wie es einem Erbprinzen des betreffenden Landes zukam. Im übrigen wurde ihm aber keine bevorzugte Stellung eingeräumt.

Bis Ende September 240 ), während Davout sich in die Stellung auf der Linie Lauenburg-Ratzeburg-Lübeck zurückzog und hier in fast unangreifbarer Stellung mehrere Wochen liegen blieb und die Verbündeten ihm bis dahin folgten, leitete Friedrich Ludwig, meist in Rostock und in Wismar, die weitere Aufstellung des Landsturmes. Er sah aber, daß die bisherige Art der Zusammenziehung der Landwehr, die ohne Rücksicht auf den weiteren Unterhalt der Familie des Eingezogenen geschah, auf die Dauer für das Land unerträglich werden mußte. Er trat deshalb dafür ein und setzte es auch durch, daß immer nur ein Teil der gesamten Landwehr und für diesen Teil keine Verheirateten, auch keine einzigen Söhne, die als Familienernährer zu betrachten seien, eingezogen würden 241 ). Die Eingezogenen wurden alle vier Wochen abgelöst. So wurde eine wesentliche Erleichterung in der Handhabung des engeren Landsturmes geschaffen.

Im Oktober zog der Erbprinz mit seinem Landsturm an die westliche Landesgrenze und leitete den Vorpostendienst gegen Davout, der sich in Hamburg festgesetzt hatte. Mit kleinen Unterbrechungen war er hier bis Ende des Jahres. Dann übertrug der Herzog ihm den Oberbefehl über alle mecklenburgischen Truppen, die am Zuge nach Frankreich teilnehmen sollten und deren Kommando der Erbprinz am 16. Februar 1814 auf ihrem Durchmarsch in Hannover übernahm 242 ), nachdem er am 30. Januar der Taufe


240) Vgl. zu den allg. Begebenheiten des folgenden auch: Quistorp, Geschichte der Nord-Armee II, S. 324 ff.
241) An Georg, Wismar 1. 10. 1813.
242) Für die Einzelheiten der beiden Feldzüge in Frankreich vgl. die Regimentsgeschichten (von v. Ondarza, v. Langermann und Erlencamp und v. Voigts-Rhetz, v. Wrochem und Haevernick, H. v. Boddien). - Ferner Behm a. a. O., Quistorp a. a. O., Vitense a. a. O., Francke a. a. O.
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seiner am 24. geborenen Tochter Helene, der nachmaligen Herzogin von Orleans, beigewohnt hatte.

In Köln ernannte Bernadotte ihn am 27. Februar zum Chef der 4. Division der schwedischen Armee. Mit dieser Division, der dann die mecklenburgischen Truppen zugeteilt wurden, löste der Erbprinz am 24. März das die Festung Jülich belagernde Lützowsche Freikorps ab. Die Belagerung verlief im allgemeinen ohne besondere Vorkommnisse. Am 4. April traf im Hauptquartier, das der Erbprinz zu Aldenhoven hielt, die Nachricht von der Einnahme von Paris ein 243 ). Nachdem seine Division dann bald aufgelöst war, begab sich Friedrich Ludwig am 26. April nach Paris.

Am 30. April hatte er hier 244 ) eine längere Unterredung mit dem österreichischen Kaiser über die Möglichkeit der Neuerrichtung des Reiches. Über den Inhalt dieser Unterredung ist, wie überhaupt über die Stellung Friedrich Ludwigs zu dieser Frage, nichts Näheres feststellbar. Aber der Kaiser sagte auch nichts Bestimmtes zu, sondern wies nur auf einen baldigen Kongreß hin.

Zahlreiche Einladungen und Besuche nahmen die ersten Tage des Mai in Anspruch. Am 5. hatte der Erbprinz, nachdem er bei dem von Besuchern umlagerten Freiherrn vom Stein nur einen kurzen Höflichkeitsbesuch gemacht hatte, bei dem nichts Wesentliches besprochen werden konnte, eine längere, auch leider im Einzelnen nicht bekannte Besprechung mit Metternich, mit dem er sich ebenfalls über Reichsfragen unterhielt. Metternich kündigte auch nur einen Kongreß an, der im Juni schon seinen Anfang nehmen solle. Mecklenburg solle auch einen Gesandten schicken. Berührt und von Metternich wohlwollend aufgenommen wurde die Frage der Rangerhöhung, Mecklenburgs alter Wunsch. Der Kanzler glaubte diese Erhöhung zusagen, aber einen sofort von Friedrich Ludwig ebenfalls vorgebrachten Vorschlag einer Gebietserweiterung ablehnen zu müssen. Am Nachmittage trug der Erbprinz dem österreichischen Kaiser seine Wünsche nochmals vor, ohne aber auch jetzt Bestimmteres zu erreichen.

Mitte des Monats sprach Friedrich Ludwig mit Hardenberg über den demnächstigen Wiener Kongreß 245 ) und kurz darauf mit


243) Nicht erst am 10., wie Francke a. a. O., S. 418 u. a. - Dieses Datum aus HausAS Litt. fam., Friedrich L. Friedrich Ludwig an Herzog, Aldenhoven 5. 4. 1814. - Am 9. traf die Nachricht bereits in Ludwigslust ein! HausAS a. a. O. Herzog an Friedrich Ludwig 15. 4. 1814.
244) Das Folgende nach AS Kab. Vol. 7. Paris 1814 (Tagebuchartige kurze Aufzeichnungen für die Tage vom 30. 4. bis 8. 5.).
245) HausAS a. a. O. Nr. 47. Friedrich Ludwig an Herzog, Paris 17. 5. 1814.
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Kaiser Franz nochmals über eine eventuelle Gebietserweiterung, die dieser aber als gerade jetzt sehr schwierig ablehnte, während er aber die Rangerhöhung auf dem Kongreß für sehr wahrscheinlich hielt 246 ).

Als Friedrich Ludwig, der Anfang Juli mit seinen Truppen nach Mecklenburg zurückgekehrt war, in dem Abschiedserlaß an seine Soldaten vom 21. Juli bekanntgab, daß der Herzog ihm versprochen habe, ihm in einem neuen Kriege wieder das Kommando über die mecklenburgischen Truppen zu geben, glaubte er wohl selbst nicht, daß dieser Fall in so naher Zeit eintreten würde. Kaum ein dreiviertel Jahr darnach schon nahm der Friede ein plötzliches Ende. Napoleon war von Elba nach Frankreich zurückgekehrt. Die früheren Verbündeten traten wieder zu einem Bündnis gegen ihn zusammen. Auch Mecklenburg rüstete wieder ein Truppenkontingent aus.

Die Nachricht von dem Anzuge des neuen Krieges traf den Erbprinzen in Ludwigslust, wo er den Winter 1814/15 mit seiner Familie verlebte und wo Caroline am 2. Mai einem Sohne, Magnus, das Leben schenkte, der bereits im Frühjahr 1816 verstarb.

Nach wenigen Wochen traf die Nachricht ein, daß der Wiener Kongreß, auf dem der Herzog durch Minister von Plessen vertreten war, den beiden Herzogshäusern Mecklenburgs am 27. Mai die Großherzogliche Würde zuerkannt hatte. Am 14. Juni erfolgte die Proklamation der Rangerhöhung durch den Herzog. Ein lang gehegter, besonders von Friedrich Ludwig immer wieder vorgebrachter Wunsch war nun endlich erfüllt worden.

Dies war eine Nachricht vom Wiener Kongreß, die endlich einmal zu allgemeiner Zufriedenheit Anlaß gab. Im übrigen waren der Herzog und Friedrich Ludwig mit dem schleppenden Gang der Kongreßverhandlungen äußerst unzufrieden gewesen. Kaum ein wesentlicher Programmpunkt war zu einem positiven Ergebnis durchbehandelt worden. "... Wir Deutsche sollten es eigentlich bitter empfinden, daß bis jetzt unser Herzblut umsonst geflossen ist und daß Deutschlands Konstitution, unser gerechtes und billiges Verlangen, noch so wenig berücksichtigt worden ist" 247 ), so schrieb Friedrich Ludwig an Georg.

Es war dies seine ehrliche Überzeugung. Denn auch er hatte von dem Kongreß eine Neuerrichtung des Reiches und eine Ver-


246) HausAS a. a. O. Nr. 51. Friedrich Ludwig an Herzog, Paris 22. 5. 1814.
247) An Georg 11. 3. 1815.
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fassung erhofft, so wie ganz Deutschland sie erwartete. Er sah - wie so viele damals - im ganzen Deutschland sein Vaterland. Sein ganzer Haß - soweit sein weicher Charakter zu hassen fähig war - richtete sich in dieser Zeit auf Napoleon, der nicht nur sein eigener Feind, sondern eben auch der Feind und Unterdrücker des gesamten deutschen Vaterlandes war. Diesem ganzen Deutschland galten seine Wünsche nach Befreiung vom französischen Joch.

Er erkannte dabei durchaus die Notwendigkeit eines starken Preußens, wenn er auch Stein wegen der Forderungen des Zentralverwaltungsrates im Augenblick glaubte opponieren zu müssen. Seine Verehrung für den preußischen König war zwar aus persönlicher Freundschaft entstanden, aber er betrachtete ihn dann doch später mehr als das Oberhaupt und Beschützer Norddeutschlands, denn vom Kaiser des Reiches hatte er schon früher wenig erwartet, kaum daß er seinerzeit über die Auflösung des Reiches Worte der Trauer geäußert hatte, noch erwartete er jetzt vom österreichischen Kaiser etwas für das Reich. Mehr versprach er sich dagegen für die Regelung und den Schutz der deutschen Verhältnisse immer noch vom Zaren. Aber auch diese Neigung zu Alexander war vor allem verwandtschaftlicher und weniger politischer Natur.

Zu seinem engeren Heimatlande, Mecklenburg, hatte er eine ausgesprochen feste und zutiefst begründete Anhänglichkeit und Liebe. Die Tauschpläne Bernadottes konnten ihn auf das heftigste erregen. "Eher das Leben verlieren als in so etwas willigen!" 248 ). Auch seine Liebe zum mecklenburgischen Volke als solchem war stark ausgeprägt. Nichts kennzeichnet dies mehr als folgende Sätze aus einem Briefe an Erbprinz Georg vom 1. Mai 1816 249 ): "Ich glaube meine Mecklenburger recht gut zu kennen und möchte mich anheischig machen, mit ihnen anzufangen, was ich wollte (NB. ich würde nie etwas Unrechtliches und Unnötiges anfangen). Nirgends in ganz Deutschland, deß bin ich überzeugt, ist Rechtlichkeit und Gutmütigkeit mehr zu Hause wie bei uns, die Menschen wollen nur richtig genommen sein. In der Landsturmszeit habe ich kennen gelernt, was mit den Mecklenburgern anzufangen ist. Mit Liebe und Ernst wollen sie behandelt sein. Erstere wohnt in keinem Herzen gewiß mehr wie in dem meinigen, und letzteren wird mir Gott verleihen, wenn ich jemals dazu berufen werde." Auch Schubert, der 1816


248) Tagebuch, S. 268.
249) An Georg 1. 5. 1816.
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der Erzieher der erbgroßherzoglichen Kinder wurde, konnte später kaum genug die Pläne Friedrich Ludwigs für seine spätere Regierungszeit zum Besten des Volkes und des Landes, wie er sie ihm gegenüber geäußert hatte, anerkennen.

Nach der eiligen Durchbringung der Bundesakte - Mecklenburg-Schwerin trat am 30. Juni 1815 dem Deutschen Bunde bei - löste sich der Wiener Kongreß auf. Europa war im Aufbruch zu einem neuen Kriege.

Friedrich Ludwig, nunmehr also Erbgroßherzog, erhielt im April 1815 vom Großherzog das Kommando über die mecklenburgischen Truppen und führte sie nach Frankreich. Hier nahmen sie an der Belagerung von Montmedy und dann von Longwy teil, das am 15. September kapitulieren mußte. Dann wurde der zweite Pariser Friede geschlossen. Die mecklenburgischen Truppen traten den Rückmarsch an.

Friedrich Ludwig hatte während des Feldzuges schlechte Nachrichten über den Zustand der Gesundheit seiner Gemahlin erhalten. In Montabaur verließ er deshalb bereits am 16. November auf dem Heimmarsch seine Truppen und reiste über Wiesbaden, Weimar und Magdeburg nach Mecklenburg voraus 250 ). Als er in Weimar war, gewann Frau von Schiller einen sehr ungünstigen Eindruck von ihm 251 ). Er schien ihr in seiner Angst und Unentschlossenheit über das, was wohl zu Carolines Gesundung zu unternehmen sei, geradezu schwächlich. Sie hat nie große Sympathien für ihn gehegt und ihm nie verziehen, daß er ihre verehrte Prinzessin in das Land der "Vandalen" entführt hatte. Deshalb ließ sie sich zu manchem harten, aber unberechtigten oder doch übertriebenen Urteil verleiten.

Am 26. November traf Friedrich Ludwig in Ludwigslust ein und fand seine Befürchtungen um die Gesundheit Carolines nur allzu sehr bestätigt. Die Krankheit, eine besonders schnelle Schwindsucht, verschlimmerte sich so sehr, daß die Erbgroßherzogin schon am 20. Januar 1816 entschlief. Ihre Leiche wurde in der Kapelle, die Friedrich Ludwig seiner ersten Gemahlin erbaut und geweiht hatte, beigesetzt.

Der Schmerz des Erbgroßherzogs war unendlich. Hatte er doch an der Seite Carolines ein neues häusliches Glück, wie er es seit Jahren für sich und seine Kinder erhofft hatte, wiedergefunden.


250) AS Kab. Vol. 217. Berichte ... 1815. November.
251) H. Düntzer, Briefe von Schillers Gattin an einen vertrauten Freund [Knebel], Leipzig 1856, S. 234 f.
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Kaum noch vier Jahre trug Friedrich Ludwig nach diesem harten Verlust sein Leben, das, von immer wieder aufflackernder Krankheit bedrückt, in seinen eigenen und seines Volkes Schicksalswandlungen und in seinem Willen zum Schaffen, zum Guten, einer Tragik nicht entbehrte. Diese letzten Jahre sind, wenn auch reich an äußerem Geschehen, wie ein stilles Vorbereiten und Erwarten des Endes. Sein allgemeiner Gesundheitszustand verschlechterte sich immer mehr und lähmte seine Schaffenskraft.

Der Erbgroßherzog widmete sich in diesen Jahren ganz besonders der Erziehung und der Sorge für die Zukunft seiner Kinder. Dagegen ließ seine Anteilnahme an den Regierungsgeschäften nach. Keine wesentliche Neuerung wurde in der Kammerarbeit in dieser Zeit mehr eingeführt. Kaum daß vor dem Kriege in Angriff genommene Reformen mit Nachdruck weitergeführt wurden.

Einige Wochen nach dem Tode Carolines, am 26. Februar 1816, fuhr der Erbgroßherzog zu mehrwöchiger Erholung mit seinen Kindern Marie und Albrecht - Herzog Paul Friedrich befand sich damals zur weiteren wissenschaftlichen Ausbildung in der Schweiz - nach Weimar zu den Eltern seiner verstorbenen Gemahlin.

Bei einer Reise mit Großherzog Carl August nach Jena lernte Friedrich Ludwig den zukünftigen Erzieher seiner jüngeren Kinder, den Nürnberger Professor und später so bekannt gewordenen Naturphilosophen Gotthilf Heinrich von Schubert, kennen 252 ). Hauptmann von Mecklenburg hatte auf einer seiner Reisen Schubert gegen Ende des Sommers 1815 in Nürnberg kennen gelernt und glaubte, in ihm einen Mann gefunden zu haben, der im Verein mit der Erbgroßherzogin Caroline eine umfassende volksbildnerische Tätigkeit in Mecklenburg entfalten könne. Er empfahl ihn dem Erbgroßherzog, der bald darauf mit Schubert in Verbindung trat und ihn, auch hauptsächlich auf Carolines Betreiben, als Erzieher seiner drei jüngeren Kinder engagierte. Sogleich nach dem Tode Carolines schrieb er an Schubert, daß er nun bald kommen solle, möglichst schon zu Ostern 1816 253 ). Schubert befand sich gerade auf der Reise nach Mecklenburg, als er in Jena aufgefordert wurde, sich dem Erbgroßherzog vorzustellen. Den Eindruck, den die Begegnung bei ihm hinterließ, schilderte Schubert in seiner Selbstbiographie: "Ein Mann, fast


252) Gotthilf Heinrich von Schubert, Der Erwerb usw. II, S.509 ff. Für das Folgende: III, S. 16 ff.
253) Briefe in Auszügen: Schubert a. a. O. II, S. 512.
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noch in der Mitte des gewöhnlichen, zur vollen Reife gelangenden Lebensalters, wohlgestaltet und von würdevoller Haltung, in den feinen Zügen des Angesichts und im Blicke der klaren, blauen Augen, im Ausdruck des sinnigen Ernstes und zugleich des freundlich entgegenkommenden Wohlwollens. Der seltene, nur von wenigen in seinem ganzen Werte erkannte Fürst gewann sogleich durch sein erstes Gespräch mit mir mein ganzes, volles Vertrauen ..." 254 ).

Bald darauf trat Schubert sein neues Amt in Ludwigslust an. Er gewann schnell das volle Vertrauen des Erbgroßherzogs und der Kinder, wie er selbst auch jenem mit dem gleichen Vertrauen und einer ehrlichen Verehrung entgegenkam. Er hielt den Erbgroßherzog unter den Mitgliedern des Hofes für den Reichbegabtesten an Gemüt und Gereiftesten an Gesinnung 255 ). "Ein Herz voll Liebe, das sich, wäre ihm dies bestimmt gewesen, eben so väterlich besorgt für das Wohl seines ganzen Volkes als für das seiner Kinder erwiesen haben würde. Denn ich habe wenig Väter von solch' inniger Zärtlichkeit gegen seine Kinder ... kennen gelernt, als dieser Fürst war. Er dachte weit über das, was ihm als gegenwärtig vor Augen lag, hinaus, und ich weiß es, welche Gedanken für sein zukünftiges Wirken zum wahren Wohl seines Volkes, zum Gedeihen des Landes er in seinem Herzen trug, welches immer das Gute meinte. Ein Zug, gleichwie des inneren Schmerzes, gab seinem sonst heiteren Wesen öfters eine ernste Haltung" 256 ).

Noch in der Zeit dieses Weimarer Aufenthalts fiel die Beschäftigung Friedrich Ludwigs mit dem von den mecklenburgischen Ständen gefaßten Projekt eines Denkmals für Fürst Blücher in Rostock 257 ). Mit Goethe, der um die Begutachtung der Denkmalsentwürfe und um die Abfassung der Aufschriften gebeten war, verhandelte er verschiedentlich über die Einzelheiten des Planes 258 ). Er ging aber mit großen Antipathien an die Angelegenheit heran.


254) Schubert a. a. O. III, S. 18.
255) Schubert a. a. O. III, S. 59.
256) Schubert a. a. O. III, S. 59 f.
257) Zur Geschichte des Blücher-Denkmals in Rostock, s. Carl Koppmann, Die Errichtung des Blücher-Denkmals in Rostock: Beitr. zur Gesch. der Stadt Rostock, V, Heft 3 (1911), S. 295 ff.
258) Goethes Werke, Weimarer Ausgabe, Briefe, 26. Band, Weimar 1902, S. 316. f.: Goethe an Schadow, Weimar 28. 3. 1816; S. 318 f.: Goethe an Friedrich Ludwig, Weimar 28. 3. 1816. - Tagebücher, 5. Band (1813 - 1816), Weimar 1893, S. 211: 4. 3. 1816 "Abends 5 Uhr Erbgroßherzog von Mecklenburg."; S. 218 f.: 28. 3. 1816; S. 219: 29. 3. 1816.
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Er gab zwar zu, daß es berechtigt sei, daß die Mecklenburger ihrem großen Landsmann Blücher ein Denkmal errichten wollten. Aber die Beurteilung des Vorgehens der Stände dabei war charakteristisch für Friedrich Ludwigs Stellung zu den Ständen überhaupt. Es hatte sich gezeigt, daß, sobald der Großherzog die Einrichtung irgendeiner gemeinnützigen Anstalt vorschlug, die Stände behaupteten, es sei kein Geld dafür vorhanden. Um so auffälliger war es, daß nun mit einem Male für ein kostspieliges Denkmal, sogar so kurze Zeit nach einem schweren Kriege, die nötigen Mittel flüssig waren. Er verurteilte dies Verhalten der Stände mit Recht. Mit einem gewissen Widerwillen sah er, wie er an Georg schrieb, den Patriotismus bei den Ständen nur auf den Lippen, während sie in Wirklichkeit durchaus egoistisch dachten. Er traf damit die Einstellung eines einflußreichen Teiles der Stände, vor allem der Ritterschaft, durchaus richtig. Die Ritterschaft hatte, so urteilte er, im Kriege den besten Beweis ihrer alles andere als selbstlosen Gesinnung gegeben, indem sie die Rüstungen bis auf den letzten Augenblick hinauszögerte, in der Hoffnung, sie seien schließlich überhaupt nicht mehr nötig. Ihm schien nun der plötzliche Eifer der Stände für ein Blücher-Denkmal wie eine Sühne, die verschleiern sollte, was sie "an Teutschlands Sache verpfuscht" hatten 259 ).

Trotzdem konnte sich Friedrich Ludwig, als am 29. August 1819 das Denkmal geweiht wurde, als Vertreter des Großherzogs der Teilnahme an der Einweihungsfeier doch nicht entziehen.

Kurz vor ihrem Tode hatte Caroline ihren Gemahl gebeten, seinen Kindern bald eine Mutter wiederzugeben, und dabei sogar in selbstloser Weise ihre Freundin, die Prinzessin Auguste, Tochter des Landgrafen Friedrich V. von Hessen-Homburg, genannt 260 ). Wenn ihm zwar auch zunächst der Sinn nicht nach einer Wiedervermählung stand, entschloß sich Friedrich Ludwig schließlich doch dazu, als er erkannte, daß er seinen verwaisten Kindern eine Mutter und dem Hofe eine tonangebende weibliche Führerin wiedergeben müsse.

Seine Werbung um die Hand der Prinzessin im Sommer 1817 wurde zunächst abschlägig beschieden, weil der Landgraf sich nicht von seiner Lieblingstochter trennen wollte. Die ausbedungene Wartezeit bis zum endgültigen Entscheid benutzte der Erbprinz


259) An Georg 1. 5. 1816.
260) Geboren 28. 11. 1776. - Über sie und ihre Familie: Karl Schwartz, Landgraf Friedrich V. von Hessen-Homburg und seine Familie, 2. Aufl., 3 Bde., Homburg 1888. Besonders III, S. 321 ff. - HausAS Litt. fam., Friedrich Ludwig, Briefe an Auguste. - AS Kab. Vol. 337. Heirat III.
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zu einer kurzen Reise nach Oberitalien in Begleitung seines Sohnes Paul Friedrich und zeitweise auch des Großherzogs Carl August. Am 21. September erlangte er dann vom Landgrafen die Hand der Prinzessin, und am 3. April 1818 fand die Hochzeit in Homburg statt.

Im selben Jahre bahnte sich zur Freude des Erbgroßherzogs eine Familienverbindung zwischen seinem und dem preußischen Herrscherhause an: Paul Friedrich und die Prinzessin Alexandrine, die Tochter der Königin Luise, lernten sich in Berlin kennen und verlobten sich dann im Februar 1819.

Anfang Oktober 1819 warf das alte "Nervenfieber", wie man damals sagte, den Erbgroßherzog wieder aufs Krankenlager 261 ). In den ersten Tagen des November schien eine kleine Besserung einzutreten; er konnte wieder an einigen Beratungen teilnehmen. Mitte September hatte er sich noch nach alter Gewohnheit an den Hofjagden beteiligt und war Ende Oktober noch einmal zu den üblichen Arbeiten in der Kammer in der "guten Stadt Schwerin" gewesen 262 ). Nun aber versagten die Kräfte völlig. Die Krankheit, bald nachlassend, bald wieder zu besonderer Heftigkeit steigend, ließ ihn nicht wieder vom Krankenlager aufstehen 263 ). Kurzen Besserungen folgten um so größere Rückschläge. Keiner der auch von auswärts herbeigerufenen Ärzte konnte helfen. Auch alle Arzneien versagten ihren Dienst. Am Morgen des 28. November raubte ihm ein Schlaganfall die Sprache.

Nach qualvollem, oft nicht mehr mit Bewußtsein verbrachten Tagen eines langsamen Todeskampfes verschied Erbgroßherzog Friedrich Ludwig im Alter von 41 Jahren am 29. November 1819, morgens 1/2 10 Uhr 264 ). Herzog Paul Friedrich, der aus Rostock herbeigerufen war, traf seinen Vater nicht mehr am Leben. Er kam wenige Stunden zu spät.

Am 6. Dezember wurde die Leiche des Erbgroßherzogs in der Kapelle "Helenen Paulownen" im Schloßgarten zu Ludwigslust zwischen den Särgen Helenes und Carolines beigesetzt.

Der Verlust, den das großherzogliche Haus und das Land durch den frühen Tod Friedrich Ludwigs erlitten, wurde überall


261) AS Kab. Vol. 320: Tagebuch des Großherzogs, 31. 10. ff. 1819.
262) An Georg 24. 10. 1819. Letzter (erhaltener) Brief an Georg.
263) Über die letzte Krankheit: AS Kab. Vol. 344. [Kammerdiener] J. F. Meyers Bericht (Brief an ?), Ludwigslust 31. 1. 1820. - AS a. a. O. Berichte des General-Chirurgus Kloß-Ludwigslust und Berends-Berlin 18. 12. 1819.
264) AS Kab. Vol. 320. Tagebuch a. a. O., 29. 11. 1819. - Vgl. Großherzog an Plessen 29. 11. 1819 bei Hirschfeld, Diplomat, S. 208.
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schwer empfunden. Am Hofe, wo nun der junge Paul Friedrich Erbgroßherzog wurde, fühlte man bald das Fehlen des zwischen alter und junger Generation Vermittelnden. Das familiäre Hofleben zerfiel nunmehr völlig. Die Erbgroßherzogin zog sich in ihr kleines Palais, ihre "Friedensburg", in Ludwigslust zurück. Sie widmete sich fortan ganz der Erziehung ihrer Stiefkinder. Sie überlebte ihren Gemahl sehr lange: sie starb hochbetagt am 1. April 1871.

Das Land verlor in Friedrich Ludwig einen Thronfolger, der zu manchen Hoffnungen berechtigte. Seine Freundlichkeit und Leutseligkeit, sein rechtlicher und immer hilfsbereiter Sinn hatten ihn sehr beliebt werden lassen. Wenn ihn seine hoffnungsfreudige und oft zu weiche Art auch mitunter große Enttäuschungen erleben ließ und seine Arbeitskraft lähmte, so hatte er doch den Mut zu Reformen. Man hatte mit Recht große Erwartungen auf seine spätere Regierungszeit gesetzt.

 

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V.

Kleinere Beiträge und
Mitteilungen.

 

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1. Ein Grabower Stadtbrand von 1499.

In den mecklenburgischen Landstädten stand man im Mittelalter und noch lange nachher einem aufkommenden Brande ziemlich hilflos gegenüber, weil die an engen Straßen zusammengedrängten, zumeist in Fachwerk erbauten Häuser eine schnelle Ausbreitung des Feuers begünstigten und die Löschvorrichtungen und Polizeimaßnahmen nicht ausreichten. So kam es, daß immer wieder ganze Stadtteile, ja ganze Städte den Bränden zum Opfer fielen, und daß unsere Ortsgeschichten voll von Schilderungen solcher verhängnisvollen Ereignisse sind. Hier soll auf einen ergänzenden Fund aus dem Lüneburger Stadtarchiv hingewiesen werden.

Am 30. September 1499 schrieb der Grabower Rat an den in Lüneburg, ihre Stadt sei, wie er wohl schon erfahren habe, völlig abgebrannt, auch die Kirche mit Glocken und ganzer Einrichtung, und nichts sei ihnen geblieben als reine Armut. Da nun der Rat und die Einwohner allein das Gotteshaus nicht wieder ausbauen könnten, so bäten sie, den Überbringern ihres Briefes als ihren bevollmächtigten Boten zu gestatten, daß sie in Lüneburg zum Besten des Kirchenbaus eine Haussammlung vornähmen. Ihre Schutzheiligen, die Gottesmutter Maria und St. Georg, würden das nicht unbelohnt lassen.

Als die Boten abreisten, war nach Ansicht des Grabower Rates das Gerücht von dem Brande schon nach Lüneburg gelangt. Der Stadtbrand wird also wohl in den Sommer 1499 fallen. Lüneburg wird nicht die einzige Stadt gewesen sein, an die sich Grabow in seiner Not wandte; man pflegte in solchen Fällen zahlreiche Boten weit ins Land und über die Grenzen zu senden. Aber nur in Lüneburg ist das Hilfegesuch erhalten, das uns noch jetzt die Kunde von diesem wichtigen Ereignis in Grabow überliefert. Daß die wohlhabende Hansestadt geholfen und die Sammlung zugelassen hat, ist anzunehmen. Nachrichten darüber fehlen allerdings. Man schrieb damals noch nicht so viel wie jetzt. So wird der Rat die Erlaubnis mündlich erteilt und im übrigen sich damit begnügt haben, die von den Grabower Boten überreichte Urkunde durch den Stadtschreiber im Archiv niederlegen zu lassen, wo alles hin-

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kam, was an schriftlichen Dokumenten und geschichtlichen Nachrichten später noch einmal für die Stadt von Nutzen sein konnte. Für uns ist die Urkunde auch baugeschichtlich von Wert. Sie beweist, daß die um 1275 1 ) erbaute Grabower Hallenkirche schon 1499, nicht erst 1725 stark gelitten hat, und daß die bekannte Zeichnung von "Schloß und Kirche zu Grabow vor 1725" 2 ) die Kirche in dem Zustande zeigt, den sie nach 1499 erlangt hat.

224 Jahre später, am 3. Juni 1725, wurde Grabow nochmals von einem verheerenden Brande heimgesucht, der die Stadt fast zerstörte und Kirche und Schloß bis auf die Mauern vernichtete. Wieder zogen Grabower Kollektanten aus und diesmal sind uns zwei mit Namen bekannt. F. H. Reinke und J. Polchow 3 ) waren 1726 in Lübeck tätig und hatten dort einen besonders guten Erfolg. Lübeck stiftete auf ihre Bitte aus der dortigen Petrikirche die 1555 angefertigte schöne Renaissancekanzel, die noch heute die Grabower Kirche schmückt. Eine Inschrift hinter dem Deckel wies nach dem Kircheninventar von 1811 auf diese Stiftung hin. Und noch wertvoller ist der reiche Altar aus dem Jahre 1379, der gleichfalls nach dem Brande von 1725 aus Lübeck nach Grabow gekommen ist. Auch ihn wird die Stadt der Vermittlung ihrer Kollektanten verdanken. In welcher Lübecker Kirche der Altar vorher gestanden hat, konnte die Forschung bisher nicht ermitteln.

Die neu entdeckte Urkunde hat folgenden Wortlaut:

1499. Sept. 30. Grabow.

Der Rat zu Grabow bittet den Rat zu Lüneburg, eine Haussammlung zum Wiederaufbau seiner abgebrannten Kirche zuzulassen.

Vnse willighe vnde fruntliken denste voran alle tidt boreyt. Erßamen, wol vorsichtigen vnde wysen heren. Villichte gy wol hebben irfaren, wodanewys vnse stadt Grabow iß gantz degher tho nichte geworden vnde degher affgebrant myt der kercken vnde klocken vnde myt aller tzyrlicheit, so men tho Gades denste behoff hefft, vnde nicht is ghebleuen men reyne armodt, welker genante gadeshus wy myt vnsen inwaneren nicht konen wedder bringen in bestentlyke buwinge szunder hantreckinge vnde mylden almissen der guden cristenenmynschen etc. Worumme, leuen heren vnde guden frunde, is vnse demodige flitige bede, gy dessen jegen-


1) Reifferscheid, Kirchenbau, S. 147.
2) Schlie, Denkm. 3, S. 182.
3) Schlie 3, S. 190.
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wardigen baden, brefstogheren, dede wy dartho gekoren hebben vnde vulmechtig holden, willen vorlouen vnde thostaden in juwer stadt, tho biddende van husen tho husen, almissen tho zokende van eyneme ideren framen cristenmynschen tho hulpe vnser armen kercken vorgescreuen, vppe dath Gades denst muchte gheoket vnde irfordert werden, nemende dath loen van Gade, deme beloner alles guden, furder in bosundergen vnße houetheren, alse Maria, de moder Gades, vnde de hillige ritter sunte Jürgen, juw dath vmbelonet nicht werden latende, vnde vns dar ok gantz dancknamich wille an schege. Juw in deme ghutwillig moghen bowisen, kumpt vns alletidt an juw vnde den juwen nach vormoghe wedder tho vordenende, vnde bydet alleweghe auer vns. Datum Grabow, anno Domini dusent verhundert negen vnde neghentig, ame daghe Jeronimi confessoris [vnder] vnser stadt ingeseghel.

Borgermestere vnde raedtmanne der stadt Grabow.

Nach dem Original auf Papier im Stadtarchive zu Lüneburg mit der Anschrift: Den ersamen vorsichtigen vnde wolwisen heren borgermesteren vnde radtmannen der stadt Lunenborch denstliken gescreuen. Der Abdruck des Stadtsiegels zeigt St. Jürgen mit einem Spruchband.

Stuhr.

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2. Mecklenburgische Karten im Hannoverschen Staatsarchiv.

Gelegentlich einiger Studien über das Kloster Rehna, dessen Kreuzgang zurzeit wieder hergestellt wird, wurden von mir auch Akten im Hannoverschen Staatsarchiv eingesehen, die durch die Besetzung mecklenburgischer Landesteile durch hannoversche Truppen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden sind. Die Besetzung erfolgte bekanntlich im Verfolg einer vom Kaiser gegen den Herzog von Mecklenburg verfügten Reichsexekution. Die Akten betreffen Personalangelegenheiten, Beschwerden, Militärangelegenheiten, Verwaltungs- und Kassenangelegenheiten, Post, einzelne Stadtangelegenheiten, Verpachtungen, Baubewilligungen usw. Es sind etwa 1500 Aktenstücke 1 ).

Während diese Akten bekannt waren, dürfte es in Mecklenburg unbekannt sein, daß im Hannoverschen Archiv 71 Karten mecklenburgischer Städte und Ortschaften, zumeist aus den Jahren 1726 - 29 2 ), liegen, die insonderheit die Feldmarkeinteilung und die jeweiligen mit Namen aufgeführten Grundbesitzer bringen. Die Karten sind von hannoverschen Beamten aufgemessen, sie sind farbig und zum Teil in ganz großem Format gehalten. Die Orte selbst sind auf den Karten so groß, daß die Straßenzüge, die Umwallungen usw. deutlich gezeichnet sind. Zum Beispiel sind auf den Karten von Güstrow und Grevesmühlen die ganzen Mauerbefestigungen, die Tore, Türme, Wälle und Gräben eingetragen.


1) Nach Mitteilung des Hannoverschen Staatsarchivs handelt es sich um Akten der Zentralinstanz und, damit vermischt, Akten der subdelegierten Kommissare. Die letzteren Akten sind anscheinend mit einer 1735 erfolgten Ablieferung von Kommissionsakten aus Boizenburg identisch. "Im übrigen," so schreibt man aus Hannover, "sind sowohl die Akten der Exekutionskommission wie die der von 1734 - 68 in Boizenburg fungierenden Verwaltungskommission nicht hierher gelangt, sondern nach Beendigung der Pfandschaft auf Anordnung der Geheimen Räte von Boizenburg nach Lauenburg gebracht und dort in einem Turm des Amtshauses niedergelegt worden. Der Schlüssel zu den Aktenkisten befindet sich noch heute versiegelt in der hiesigen Registratur der Geheimen Räte über die auswärtigen Angelegenheiten, die Akten selbst müssen aber als verloren gelten. Auf unsere 1914 an das Staatsarchiv in Schleswig, an das Landratsamt des Kreises Herzogtum Lauenburg in Ratzeburg und an das Amtsgericht zu Lauenburg gerichteten Anfragen sind in Lauenburg Nachforschungen angestellt worden, die aber ergebnislos geblieben sind." St.
2) Die Karten 36 und 61 stammen nicht aus der Exekutionszeit. Sie sind später in Grenz- und Deichangelegenheiten entstanden.
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Da die Karten für weitere Kreise von Interesse sein dürften, gebe ich nachstehend ein Verzeichnis davon:

Staatsarchiv Hannover, Kartensammlung A. unter II. B. b.

Rep.-Nr.

  1. Aufnahme von Stadt u. Feldmark Boizenburg a. Elbe nach Maßstab, Anfang 18. sec. Großes Wandkartenformat (= Gr. W.).
  2. 2ter Teil der nach Maßstab, Anfang 18. sec. entworf. Aufnahme der Feldmark der Stadt Boizenburg. Gr. W.
  3. 3ter Teil der nach Maßstab, Anfang 18. sec. entworf. Aufnahme der Feldmark der Stadt Boizenburg. Gr. W.
  4. Boizenburger Buschwerder und dort befindliche Versandung, von Meyer 1787. Mittl. Wandkartenformat.
  5. Aufnahme von Stadt- und Feldmark Brüel nach Maßstab, 1727. Gr. W.
  6. Aufnahme der Stadt Neubukow und Umgebung, 1727, nach Maßstab. Gr. W.
  7. Älterer Grundriß der Festung Dömitz a. Elbe, nach Maßstab. Gr. Handkartenformat.
  8. Nach Maßstab, Anfang 18. sec. entworf. Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Friedland. Gr. W.
  9. Nach Maßstab 1727 entworf. Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Friedland. Gr. W.
  10. Nach Maßstab 1729 entworf. Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Friedland. Gr. W.
  11. Aufnahme nach Maßstab eines Teiles der Feldmark der Stadt Friedland, 1729. Gr. W.
  12. Aufnahme der Kuhweide und Stubbenbruch, zur Stadt Friedland gehörig, 1729, nach Maßstab. Kleines Wandkartenformat (= Kl. W.).
  13. Nach Maßstab 1727 erfolgte Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Gnoien. Gr. W.
  14. Nach Maßstab 1728 entworf. Aufnahme von Stadt und Feldmark Gnoien. Gr. W.
  15. Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Goldberg nach Maßstab, im 18. sec. Kl. W.
  16. Nach angegebenem Maßstab erfolgte Aufnahme der vor dem Mühlentore der Stadt Goldberg belegenen Feldmark. Gr. W.
  17. Nach Maßstab Anfang des 18. sec. entworf. Aufnahme von Stadt und Feldmark Grabow. Gr. W.
  18. 2ter Teil der Aufnahme von Stadt und Feldmark Grabow, 1727, nach Maßstab. Gr. W.
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Rep.-Nr.

  1. 3ter Teil der 1727 nach Maßstab erfolgten Aufnahme der Feldmark der Stadt Grabow. Gr. W.
  2. Nach Maßstab Anfang 18. sec. entworf. Aufnahme von dem zur Stadt Grabow gehörigen Walde, genannt der Horn. Gr. W.
  3. Nach Maßstab 1726 entworf. Aufnahme der gesamten Feldmark der Stadt Grevesmühlen. Gr. W.
  4. Aufnahme eines Teils der Feldmark der Stadt Güstrow, nach Maßstab, Anfang 18. sec. Gr. W.
  5. Nach Maßstab Anfang 18. sec. entworf. Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Güstrow. Gr. W.
  6. Nach angegeb. Maßstab 1727 erfolgte Aufnahme der Stadt Güstrow und eines Teils von deren Feldmark (von Helwig). Gr. W.
  7. Nach angegeb. Maßstab 1727 entworf. Aufnahme der Avelgünne und des Pripier-Holzes 3 ) bei der Stadt Güstrow. Gr. W.
  8. Nach angegeb. Maßstab 1727 erfolgte Aufnahme eines Teils der Feldmark vor dem Mühlentor der Stadt Güstrow. Gr. W.
  9. Nach Maßstab Anfang des 18. sec. entworf. Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Hagenow. Gr. W.
  10. Aufnahme nach Maßstab von Stadt und Feldmark Hagenow, Anfang 18. sec. Gr. W.
  11. Kaltenhöfer Deichprofile von Bertram, 1859. Gr. W.
  12. Aufnahme von Stadt- und Feldmark Krakow nach Maßstab, Anfang 18. sec. Gr. W.
  13. Nach Maßstab 1726 entworf. Aufnahme eines Teils der Feldmark der Stadt Lübz. Gr. W.
  14. Aufnahme eines Teiles der Stadt Lübzer Feldmark, 1726 nach Maßstab. Kl. W.
  15. Nach Maßstab Anfang 18. sec. entworf. Aufnahme eines Teils der Feldmark der Stadt Malchin. Gr. W.
  16. Nach Maßstab Anfang 18. sec. entworf. Aufnahme von Stadt und Feldmark Malchin. Gr. W.
  17. Nach Maßstab Anfang 18. sec. entworf. Aufnahme der Stadt und Feldmark Marlow. Gr. W.
  18. Aufnahme eines Teils der Feldmark der Stadt Neukalden, nach Maßstab, Anfang des 18. sec. Gr. W.
  19. Ältere nach Maßstab entworf. Aufnahme des meckl. Amtes Neustadt a. Elde. Kleines Handkartenformat.

3) Priemer Wald.
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Rep.-Nr.

  1. Nach Maßstab 1727 entworf. Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Parchim. Gr. W.
  2. Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Parchim, 1727, nach Maßstab. Kl. W.
  3. Nach angegeb. Maßstab 1727 erfolgte Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Parchim. Gr. W.
  4. Nach angegeb. Maßstab 1727 erfolgte Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Penzlin. Gr. W.
  5. Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Penzlin, nach Maßstab, 1727. Gr. W.
  6. Nach Maßstab entworf. Aufnahme von Stadt und Feldmark Plau nebst dem Dorfe Quetzin, Anfang 18. sec. Gr. W.
  7. Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Plau, nach Maßstab, Anfang 18. sec. Gr. W.
  8. Nach angegeb. Maßstab 1727 erfolgte Aufnahme der Feldmark der Stadt Rehna. Kl. W.
  9. Nach angegeb. Maßstab Anfang des 18. Jahrhunderts erfolgte Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Ribnitz. Gr. W.
  10. Anderer Teil der Aufnahme der Feldmark der Stadt Ribnitz, nach Maßstab, Anfang 18. sec. Gr. W.
  11. Nach angegeb. Maßstab entworf. Aufnahme des zur Stadt Ribnitz gehörigen Dorfes Körchwitz nebst Umgebung, 18. sec. Kl. W.
  12. Aufnahme der Ribnitzer Stadtwiese nach Maßstab, 18. sec. Kl. W.
  13. Nach Maßstab 1726 entworfene Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Röbel. Gr. W.
  14. Nach angegeb. Maßstab 1726 erfolgte Aufnahme eines Distrikts bei der Stadt Röbel. Gr. W.
  15. Nach angegeb. Maßstab 1726 erfolgte Aufnahme eines Distrikts der Feldmark der Stadt Röbel. Gr. W.
  16. Nach Maßstab 1727 entworf. Aufnahme von Stadt und Feldmark Schwaan. Gr. W.
  17. Aufnahme des vor dem Rieken-Tore belegenen Distrikts der Stadt Stargard'schen Feldmark nach Maßstab, 18. sec. Kl. W.
  18. Aufnahme der vor dem Neu-Brandenburger Tore der Stadt Stargard gelegenen Feldmark nach Maßstab, 18. sec. Gr. W.
  19. Nach Maßstab 1727 entworf. Aufnahme von Stadt und Feldmark Stavenhagen. Gr. W.
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Rep.-Nr.

  1. Aufnahme eines Distrikts der Feldmark der Stadt Sternberg nach Maßstab, 1727. Gr. W.
  2. Nach angegeb. Maßstab 1727 erfolgte Aufnahme eines Teils der Feldmark der Stadt Sternberg. Kl. W.
  3. 2ter Teil der Aufnahme der Feldmark der Stadt Sternberg, nach Maßstab, Anfang 18. sec. Gr. W.
  4. Nach Maßstab 1722 entworf. Aufnahme der zum Dorfe Suckow gehörigen Feldmark. Gr. W.
  5. Nach Maßstab 18. sec. entworf. Aufnahme der Stadt und Feldmark Sülze, Gr. W.
  6. Aufnahme der Feldmark der Stadt Tessin, Anfang des 18. sec. Nach Maßstab. Gr. W.
  7. Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Teterow nach Maßstab, Anfang 18. sec. Gr. W.
  8. Nach Maßstab Anfang 18. sec. entworf. Aufnahme eines Teiles der Feldmark der Stadt Teterow. Gr. W.
  9. Nach Maßstab 1726 entworf. Aufnahme eines Teiles von Stadt und Feldmark Waren. Gr. W.
  10. Aufnahme von Stadt und Feldmark Waren, 1726, nach Maßstab. Gr. W.
  11. Nach angegeb. Maßstab erfolgte Aufnahme eines Teiles der Umgegend der Stadt Waren, 1727. Gr. W.
  12. Nach Maßstab 1727 entworf. Aufnahme eines Teiles von Stadt und Feldmark Waren. Gr. W.
  13. Aufnahme der Wiepersdorfer Feldmark und des Serrahn'schen Feldes, 1727, nach Maßstab. Gr. W.
  14. Aufnahme der Stadt und Feldmark Wittenburg nach Maßstab, Anfang des 18. sec. Gr. W.
  15. Aufnahme der Feldmark der Stadt Wittenburg nach Maßstab, Anfang des 18. Jahrh. Gr. W.

Dr. Fischer.

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3. Über das älteste "Hotel du Nord"
in Schwerin.

Das "Hotel du Nord" gegenüber dem zweiten Regierungsgebäude, das 1911 abgerissen wurde, um für den prächtigen Neubau des "Nordischen Hofes" (1911 - 20) Platz zu schaffen, ist nicht der älteste Schweriner Gasthof des Namens gewesen. Auf jenen Gasthof ist der Name von einem anderen Gasthof übergegangen, der ein knappes Jahrzehnt lang (1843 - 52) im Rosenbaumschen Hause Schloßstraße 12 bewirtschaftet wurde. Das Rosenbaumsche Grundstück ist, wie es sich für ein altstädtisches Grundstück ziemt, nur schmal, erstreckt sich aber bis zur Klosterstraße hindurch und hat von alters her zwei Gebäude gehabt. Das Vorderhaus in der Burg-, späteren Schloßstraße trug die Katasternummer 229, dann 707, das Hinterhaus in der Wasser-, späteren Klosterstraße die Katasternummer 256, dann 967. Erst 1861 wurde für die Häuser in Schwerin neben der Kataster- auch eine Straßenzählung eingeführt und von da ab hatte das Vorderhaus die Nummer 12, das Hinterhaus die Nummer 5. Die beigegebenen Ansichten zeigen Aufrisse der beiden Gebäude aus dem Jahre 1843 1 ). Wer sie mit den jetzigen Bauten vergleicht, wird überrascht davon sein, wie wenig diese sich in den vergangenen 86 Jahren verändert haben.

Besitzer des Grundstücks waren seit Anfang des 18. Jahrhunderts:

1. Klähn 1726 2 ).
2. Schlaf 1739.
3. v. Berckholtz 1755.
4. Geh. Kanzleirat Hermann Ludwig Becker 1762.
5. Apotheker Dr. Clamor Heinrich Klockmann 1794 Febr. 14.
6. Apotheker Gottschalck 1800 Dez. 12.
7. die Kuratel des Georg Heinrich Christoph Gottschalck 1808 Jan. 29.
8. Apotheker Dr. Johann Gottlieb Siedenburg 1809 Sept. 30.
9. Apotheker Jakob Friedrich Vasmer 1819 Jan. 7.
10. Apotheker Heinrich Bernhard Francke 1835 März 28.
11. Mundkoch Wilhelm Rehdantz 1841 Mai 18.
12. das Großh. Geheime Ministerium 1843 Mai 20.

1) Lithographierte Verkaufsanzeige des Advokaten Bartning von 1843 April 20.
2) Die Daten bezeichnen die Zeit der Erwerbung oder Verlassung zu Stadtbuch.
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Das Ministerium hatte das Grundstück schon 1842 Nov. 28 von Rehdantz für 13 100 Rtlr. N 2/3 gekauft. Damit beginnt recht eigentlich die Geschichte des Gasthofes. Bauherr war Großherzog Paul Friedrich und Baumeister der Hofbaurat Georg Adolf Demmler, der in seiner Lebensbeschreibung (S. 64) folgendes erzählt:

Großherzog Paul Friedrich beschloß in dem Wunsche, den Fremdenverkehr der Stadt zu heben, einen Gasthof ersten Ranges auf eigene Kosten zu erbauen, und wählte als Bauplatz ein in der Schloßstraße gegenüber der Königstraße gelegenes Gebäude. Demmler machte darauf aufmerksam, daß der Platz ungeeignet sei, "da die Front nur schmal war und die Klosterstraße gegen die Schloßstraße bedeutend tiefer lag". Paul Friedrich blieb aber bei seinem Beschluß, und dann löste Demmler die Aufgabe so, daß er in der Höhe der Schloßstraße von da ab bis zur Klosterstraße die ganze Grundfläche überwölbte und so im Hintergebäude in zwei Stockwerken übereinander Pferdeställe und Räume für Wagen erbaute, so daß man von beiden Straßen bequem hineinfahren konnte. Das war wünschenswert, "da doch damals alles mit eigenem Fuhrwerk kam".

Leider fehlen die eigentlichen Bauakten. Demmler hat sie wohl nicht abgegeben. Trotzdem läßt sich aus gelegentlichen Angaben einiges über den Bau entnehmen. Die Schweriner Amtsbaubehörde, der 1844 die Aufsicht über den Gasthof übertragen war, berichtete in diesem Jahre über den Zustand "des bekanntlich von dem Mundkoch Rehdantz großenteils erbauten, späterhin auf herrschaftliche Kosten vollendeten Gebäudes", und in einem amtlichen Verkaufsangebot vom 30. Juli 1852 ist von "dem vor etwa 10 Jahren neu erbauten Gasthof die Rede". Man muß daraus schließen, daß, nach Verlegung der Franckeschen Apotheke nach dem Markte im Jahre 1841 3 ), Rehdantz einen Neubau an der Schloßstraße begann und ihn bis zum Verkauf von 1842 schon erheblich gefördert hatte. Demmler hat dann das Vorderhaus vollendet und auch wohl die Fassade, die gut zu anderen Werken von ihm paßt, entworfen, den Hof überwölbt und das Hinterhaus und den Verbindungsflügel erbaut. Michaelis, spätestens im Oktober 1843 ist der Gasthof fertig geworden.

Das Vorderhaus (vgl. den Grundriß) enthielt unten neben der Durchfahrt links das Lesezimmer und das Billardzimmer (jetzt Verkaufsräume Gutkind), rechts das Speisezimmer (jetzt Verkaufsräume Rosenbaum), oben Fremdenzimmer. Das


3) Jesse, Gesch. Schwerins 2, S. 396.
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Hotel du Nord - Ansichten
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Hotel du Nord - Grundrisse
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Hinterhaus hatte unten einen Pferdestall und Wagenraum mit Zufahrt von der Klosterstraße; im ersten Stock desgl. mit Zufahrt von der Schloßstraße; im Zwischenstock einen Heu- und Strohboden; im zweiten Stock einen 24 Fuß hohen Tanzsaal mit Fenstern nach dem Hof, Parkettfußböden und weiß gestrichenen Wänden und Decken, die mit Goldleisten, Rosetten und Malerei geziert waren, davor nach der Straße zu Nebenzimmer. Der Verbindungsflügel enthielt unten die Wohnung des Wirtes (vgl. den Grundriß), oben Fremdenzimmer. Im ganzen faßte der Gasthof 45 Fremdenzimmer und für 21 Pferde Stallraum. Alles war äußerst einfach im Geschmack der Zeit ausgestattet.

Am 16. August 1843 schloß Advokat Bartning für das Ministerium mit dem Oberkellner Friedrich Carl Neudecker, bisher am Hotel de Rome in Berlin, einem gebürtigen Bayer (geb. Schwabach 1811, † Schwerin 1855), einen Mietsvertrag über den Gasthof für die zehn Jahre von Michaelis 1843 bis 1853 ab. Die Jahresmiete betrug 1000 Rtlr. In jedem Gast- und Fremdenzimmer sollte angeschlagen werden, daß Trinkgelder weder gefordert noch angenommen werden dürften.

Über die Größe des Verkehrs im Gasthof und seine Einträglichkeit habe ich nichts ermittelt. Zweifelhaft erscheint es, ob die Absicht Paul Friedrichs, anspruchsvolleren Leuten Unterkunft zu verschaffen, erreicht ist. Dafür war die ganze Anlage doch zu einfach. Neudecker nennt einmal reisende Kaufleute seine Gäste. In den Mecklb. Nachrichten erscheint der Gasthof nur einmal. Am 1. Mai 1852 wurde darin ein öffentlicher Termin zur Verpachtung des Lehnguts Grundshagen abgehalten" 4 ).

Der Regierung ist der Gasthof offenbar bald lästig geworden, wozu nicht wenig beigetragen hat, daß die nur in den Fronten an der Schloßstraße und an der Klosterstraße massiv, sonst in Fachwerk mit Mauersteintafeln aufgeführten Gebäude bei ihrer starken Benutzung häufig ausgebessert werden mußten. Schon im Dezember 1851 erhielt das Amt den Auftrag, Verkaufsbedingungen zu entwerfen. Zunächst wollte Neudecker kaufen, konnte sich dann aber nicht dazu entschließen "wegen der eben nicht besonderen Lokalität, mehr aber noch wegen des weniger guten baulichen Zustandes". Er bat dann wegen einer anderen Erwerbung um frühere Lösung seines Pachtverhältnisses, was ihm für Johannis 1853 bewilligt wurde. Wegen des "Hotel du Nord" wurden drei Verkaufstermine nötig. Der erste brachte


4) Mecklb. Nachr. 1852, 28. Stück.
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bei acht Kaufliebhabern ein Höchstgebot von 16 125 Rtlr. Cour., der zweite bei drei Kaufliebhabern, Adv. Walter, Gastwirt Stern und Kaufmann Moritz Pincus, ein Höchstgebot des letzten von 16 130 Rtlr., der dritte, nachdem die Kammer wenigstens 17 000 Rtlr. verlangt hatte, von dem einzigen erschienenen Kaufliebhaber Kaufmann Moritz Pincus ein Gebot von 17 005 Rtlr. Er erhielt dann für sich und seinen Bruder Martin am 26. März 1853 den Zuschlag.

Im November 1852 hatte Neudecker den Betrieb schon eingestellt und das Gasthofschild abgenommen. Man erwog, ob er dazu berechtigt war. Das Amt kam zu dem Ergebnis, aus seinem Vertrag folge nicht, daß er das Grundstück bis zum Ende der Kontraktsjahre als Gasthof benutzen müsse, wenn es nur gehörig erhalten werde, und im Inventar seien Schild und Name nicht aufgeführt, mithin gehöre beides dem Mieter. So blieb Neudecker ungeschoren und konnte den Namen "Hotel du Nord" auf den Gasthof "Stadt Hamburg" in der Schloßstraße (Katasternummer 221 a, dann 714) übertragen, den er von der Witwe des Gastwirts Heinrich Friemann, wiederverehelichten Keßler, 1852 erwarb. Darin war seit 1833 mit bestem Erfolge die Gastwirtschaft betrieben. Das Haus war 1842 ganz neu erbaut und enthielt 32 geschmackvoll tapezierte und möblierte Fremdenzimmer. Es hat wohl von vorneherein die vornehme Kundschaft an sich gezogen. 1852 Nov. 20 ward dieser Gasthof auf Karl Neudecker im Stadtbuch überschrieben.

Stuhr.

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VI.

Die geschichtliche
und landeskundliche Literatur
Mecklenburgs 1927/1928

von

Werner Strecker.

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Quellen.
  1. Diplomatarium Norvegicum XVIII, 2. 1527 - 42. Enthält verschiedene Schreiben der Herzöge Albrecht VII. u. Heinrich V. sowie sonstige Mecklenb. betr. Stücke.
Vorgeschichte.
  1. Beltz (Robert), Übersicht über die Vorgesch. d. Gegend von Neubukow: Meckl. Heimat, 6. Jg. (1927), Nr. 7.
  2. Beltz (Robert), Die wendischen Schatzfunde aus Mecklenburg: M. Jahrb. 91.
  3. Beltz (Robert), Die Hagenower Gegend in der Vorzeit: M. Monatsh. März 1928.
  4. Beltz (Robert), Die älteste Besiedlung der Schweriner Landschaft: M. Monatsh. Mai 1928.
  5. Beltz (Robert), Fensterurnen: Zeitschr. Mecklb. 23. Jg., H. 2.
  6. Karbe (Walter), Urgeschichte des Landes Turne: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., 1927, H. 1.
  7. Schlüter, Bannriten in Wendengräbern: Ztschr. M. 23. Jg., H. 2.
  8. v. Stralendorff, Die Ringwallanlage in Golchen: Ztschr. M. 23. Jg., H. 2.
  9. Bastian (Willy), Das steinzeitliche Fischland: M. Monatsh. Juli 1927.
Geschichte.
  1. Barnewitz (Hans), Mecklenburgische Geschichte. Leipzig, Quelle & Meyer, 1928.
  2. Asmus (A.), Der Burgwall von Teterow und seine Eroberung durch die Dänen im Jahre 1171: Ztschr. Meckl. Jg. 22, H. 4.
  3. Rörig (Fritz), Die Schlacht bei Bornhöved. Rede. Zeitschr. d. Vereins f. lübeck. Gesch. u. Alt.-Kunde XXIV, 2. 1928.
  4. Andresen (Ludwig), Die Schlacht bei Bornhöved: Die Heimat, Jg. 37, 1927.
  5. Stoppel, Das Bistum Ratzeburg unter der Herrschaft König Waldemars II. von Dänemark und die Schlacht bei Bornhöved: Mitt. d. Heimatb. für das Fürstent. Ratzeburg, 9. Jg., Nr. 3.
  6. Stoppel (H.), Die Entwicklung der Landesherrlichkeit der Bischöfe von Ratzeburg bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts: M.-Str. Geschichtsbl. 1927, 3. Jg.
  7. Krabbo (Hermann), Der Übergang des Landes Stargard von Brandenburg auf Mecklenburg: M. Jahrb. 91.
  8. Behncke (Werner †), Der Erbteilungsstreit der Herzöge Heinrich V. und Albrecht VII. von Mecklenburg 1518 - 1525 und die Entstehung der Union der mecklenburgischen Landstände von 1523. Herausgeg. von Paul Steinmann. Festschrift zum 60. Geburtstage Hermann Reincke-Blochs. Breslau 1927.
  9. Müller (Hans Georg), Die Strelitzer Politik während des Güstrower Erbfolgestreits vom Dienstantritt Edzard Adolf von Petkums (22. Juli 1699) bis zum Hamburger Erbvergleich (8. März 1701): M.-Str. Geschichtsbl. 1927, 3. Jg.
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  1. Kaiser (Fr. Wilh.), Der niedersächsische Kreis nach dem Westfälischen Frieden (1651 - 1673). Diss. Hamburg 1927.
  2. Decker (Will), Franzosenzeit: M. Monats. Jan. 1928. Betr. d. Franzosenzeit in Rostock.
  3. Erdmann, Aus dem tollen Jahr 1848: M. Monatsh. Aug. 1927.
  4. Gerchow (Max), Wie Rektor Roloff verabschiedet wurde: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., H. 4. Betr. Revolutionsvorgänge in Mirow 1848.
  5. Ziercke (Walter), Vor 80 Jahren. Betr. die Flucht des Prinzen von Preußen 1848: M. Monatsh. April 1928.
  6. Staffehl (W.), Die Flucht des Prinzen Wilhelm von Preußen 1848: Die Heimat, 5. Jg., Nr. 13, 25. März 1928, Sonntagsbeilage, Druck u. Verlag von E. Sanftenberg, Wittstock.
Fürstenhaus.
  1. Müller (Wilh.), Drohende Gefangennahme der Königin Luise am 12. Okt. 1806 und das Verhalten Lombards: Forsch. z. Brand. u. Preuß. Gesch., Bd. 40, 1.
Familien- und Personengeschichte.
  1. Familiengesch. Quellen, Zeitschr. familiengesch. Quellennachweise, herausg. v. Osw. Spohr, Leipzig, B. 2, Heft 41 - 44, Seyffert - Tschock.
  2. Ahnentafeln der Edda, II. Bd., 2. u. 3. (Doppel-) Lief. Ahnentaf. d. Großherzöge Friedrich Franz I. und Friedrich Franz IV. sowie verschiedener mecklenb. Personen.
  3. Sell, Über Blutgruppenforschung: Ztschr. M. 23. Jg., H. 2. Aufruf zur Blutgruppenforschung ebd.
  4. Ziercke (Walter), Morin. Eine 700jährige Erinnerung an ein altes meckl. Rittergeschlecht: Rost. Anz. 17. 12. 1927, Nr. 294. Gemeindeblatt d. Kirchgemeinden Alt-Röbel, Ludorf, Nätebow, 1927, Nr. 7.
  5. Wentscher (Erich), Die Rufnamen des deutschen Volkes. Halle, Buchhandlung des Waisenhauses, 1928.
  6. Endler (Carl August), Das Material für familiengeschichtliche Forschungen in Mecklenburg-Strelitz: Familiengeschichtl. Blätter, 26. Jg., 1928, H. 5.
  7. Endler (C. Aug.), Beitr. z. Gesch. d. Ratzeburger Bauernfamilien: Mitt. d. Heimatb. f. d. Fürstent. Ratzeburg, 9. Jg., Nr. 3.
  8. Dinse (P.), Aus schwerer Zeit. Betr. Bauernfamilie Dinnies (Dinse) im Amte Mirow, 1642 - 1669: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., H. 2.
  9. Reincke (Heinrich), Agneta Willeken. Ein Lebensbild aus Wullenwevers Tagen: Pfingstblätter des Hans. Geschichtsvereins XIX, 1928. Betr. die Geliebte des Lübecker Söldnerführers Marx Meyer, die auch Beziehungen nach Mecklenburg hatte.
  10. Nevermann (Hans), Ein Rostocker Feldwebel als Südsee-Entdecker: M. Monatsh. April 1928. Betr. Karl Friedr. Behrens aus Rostock (geb. 1701), Feldwebel in niederländischen Diensten.
  11. Lehmann (Hans), Zwei Jahrhunderte Heimatgeschichte nach der Chronik eines Rostocker Kaufmannshauses (Schomann): M. Monatsh. Aug. 1927.
  12. Stein (Otto), Glasmacher Gundlach: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., H. 2. Hinweis auf die im 16. Jahrh. in Hessen nachweisbare Gläsnerfamilie G.
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  1. Bülowsches Familienblatt. Herausgeber: Der v. Bülowsche Familienverband. Nr. 3, Okt. 1927, Nr. 4, April 1928.
  2. Lützowsches Familienblatt. 2. Bd. Nr. 20, April 1928.
  3. Danmarks Adels Aarbog 1928. Fam. v. Lützow. Nachweis, daß die dänischen L. vom Stammvater Joh. L. 1287 herstammen. Vgl. Besprechung im Deutschen Herold LIX, Nr. 5, Mai 1928, S. 49.
  4. Feilcke (Kurt), Stammbaum der Familie Feilcke. Linie I: Werder bei Lübz.
  5. Pagel (Karl), Feldmarschall Blücher. Jena (Diederichs) 1927.
  6. Wiedemann (Franz), Zur Vorgeschichte der Blücher-Ehrung in Schlesien: Schles. Geschbl. 1927, Nr. 2. - Derselbe, Geschichte des Blücherdenkmals in Breslau als Zeitbild: Zeitschr. d. Vereins f. Gesch. Schlesiens, 61. Bd., 1927.
  7. Sachse (Hans), Ein vierzehnjähriger Mecklenburger als tapferer Frontsoldat in den Befreiungskriegen 1813/15: M. Nachr. 1928, Nr. 82, 83 (6. u. 8. April). Betr. Leopold Sachse aus Parchim.
  8. Silberstein (Siegfried), Das Testament Israel Jacobsons: Jahrb. f. jüdische Gesch. u. Lit. 1927, Bd. 28. Betr. den westfälischen Konsistorialpräsidenten und meckl. Geh. Finanzrat Dr. J. auf Tressow, † 1828.
  9. Felten (Victor), Meckl.-Strelitz und der Turnvater Jahn: M. Monatsh. Aug. 1927.
  10. Winkel (Fr.), Heinrich Arminius Riemann: Mitt. d. Heimatb. f. d. Fürst. Ratzeburg, 10. Jg., Nr. 1. Betr. den Redner auf d. Wartburgfest von 1817, späteren Lehrer u. Pastor R. zu Friedland.
  11. Gillhoff (Joh.), "Min Fründ Rein..": M. Monatsh. Sept. 1927.
  12. Winkel (Fr.), Vom Mirower Pfarrhaus u. d. Familie Giesebrecht: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., H. 1.
  13. Becker, Robert Beltz. Ein Festgruß zum 8. Oktober: M. Monatsh. Okt. 1927.
  14. Buddin (Fr.), Prof. Dr. Heinrich Ploen: Mitt. d. Heimatb. f. d. Fürstent. Ratzeburg, 9. Jg., Nr. 3.
  15. Nerger (K. A.), Kapitän z. S. Karl August Nerger, Dr. med. h. c., im Kriege Kommandant S. M. Hilfskreuzer "Wolff": M. Monatsh. Febr. 1928.
  16. Pfeiffer (Ludwig), Dietrich Barfurth: M. Monatsh. Okt. 1927.
  17. Pastor Rudolf Karsten †: Gemeindeblatt der Kirchgemeinden Alt-Röbel, Ludorf, Nätebow, 4. Jg., Nr. 4.
  18. v. Bülow, Landforstmeister v. Arenstorff: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., 1927, H. 3.
  19. Lorey (Wilhelm), Wilhelm Ahrens zum Gedächtnis: Archiv f. Gesch. d. Mathematik, d. Naturwiss. u. d. Technik, herausg. v. J. Schuster, 10. Bd., 3. H., 1927.
Landeskunde.
  1. Schuh, Zur Gliederung des Alttertiärs in Nordwestdeutschland: Archiv d. Ver. d. Freunde d. Naturgesch. in M., N. F. 2. Bd. 1926/27.
  2. Klähn (Hans), Zur diluvialen Tektonik Norddeutschlands: Archiv d. Ver. d. Freunde d. Naturgesch. i. M., N. F. 2. Bd. 1926/27.
  3. Schuh (Fr.), Geologisches von der nordöstlichen Heide Mecklenburgs: Zeitschr. M., 22. Jg., H. 2.
  4. Schuh (Friedrich), Die Ostsee und ihre Geschichte: M. Monatsh. Juni 1928.
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  1. Krambeer (Karl), Ribnitzer Binnensee und Saaler Bodden: M. Monatsh. Juli 1927.
  2. Kuithan, Beitr. z. mecklenb. Heimatkunde. I. Zur Kennzeichnung der Dünenbildung im Fischlande. II. Baum u. Strauch d. Düne in ihren merkwürdigen Kümmerformen: M. Monatsh. Juni 1928.
  3. Friederichs (K.), Forstzoologisches über die Rostocker Heide: Ztschr. M. 22. Jg., H. 3.
  4. Wachs (Horst), IV. und V. Jahresbericht der Norddeutschen Vogelwarte Rostock und des Bundes für Vogelschutz zu Schwerin; zugleich weitere Beiträge zur Ornithologie Mecklenburgs: Arch. d. Ver. d. Freunde d. Naturgesch. i. M., N. F. 2. Bd. 1926/27.
  5. Meyer (G.), Die Vogelwelt Neuklosters nach Beobachtungen aus den Jahren 1918 - 22: Arch. d. Ver. d. Freunde d. Naturgesch. i. M., N. F. 2. Bd. 1926/27.
  6. Kuhk (Rudolf), Zimmermann (Klaus), Beitr. aus d. Zool. Institut d. Univ. Rostock z. Kenntnis d. mecklenb. Fauna (Süßwasserpolypen, Land-Asseln, Heuschrecken, Süßwasserschnecken, Vögel [Sing- u. Raubvögel], Kleinsäuger): Archiv d. Ver. d. Freunde der Naturgesch. i. M., N. F. 2. Bd. 1926/27.
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  8. Bauch (R.), Mecklenburgische Brandpilze: Archiv d. Ver. d. Freunde d. Naturgesch. i. M., N. F. 2. Bd. 1926/27.
  9. Krause (Ernst H. L.), Der Botaniker und die Rostocker Heide: Zeitschr. M., 22. Jg., H. 2.
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  11. Dahnke (Walter), Beitrag z. Flora von Parchim u. Umg.: Arch. d. Ver. d. Freunde d. Naturgesch. i. M., N. F. 2. Bd. 1926/27.
  12. Schnell (B.), Ausschnitte aus der Flora von Mirow: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., 1927, H. 1.
  13. v. Bülow (Jobst Heinrich), Was mecklenb. Ortsnamen erzählen: Norddeutscher Adel, 1. Juli 1927, Nr. 3 a.
  14. Gerchow (Max), Mirows Umgebung: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., 1927, H. 1.
  15. Dinse (E.), Die Mirower Flurnamen und ihre Bedeutung: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., 1927, H. 1.
  16. Buddin (Fr.), Flurnamen von Gr.- und Kl.-Siemz: Mitt. d. Heimatb. f. d. Fürst. Ratzeburg, 9. Jg., Nr. 3.
  17. Buddin (Fritz), Flurnamen von Ollndorf und Törpt: Mitt. d. Heimatb. f. d. Fürstent. Ratzeburg, 9. Jg., Nr. 4.
  18. Warnke (K.), Flurnamen von Wustrow und Umgebung: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., H. 4.
  19. Buddin (Fr.), Flurnamen von Raddingsdorf und Neschow: Mitt. d. Heimatb. f. d. Fürst. Ratzeburg, 10. Jg., Nr. 2.
  20. Buddin (Fr.), Flurnamen von Niendorf: Mitt. d. Heimatb. f. d. Fürst. Ratzeburg, 10. Jg., Nr. 1.
  21. Karbe (Walter), Labud und Glava. Ein Versuch wendischer Namenserklärung: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., H. 4. Betr. Labus-See und Glauben-Bruch bei Wesenberg.
  22. Staak (Gerhard), Zur Flurnamensammlung: Zeitschr. M., 23. Jg., H. 1.
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  1. Schlüter (E.), Ortsnamen in Hagenow u. Umgegend: M. Monatsh. März 1928.
  2. Karbe (Walter), Der Galenbecker See und die Teufelsbrücke: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., H. 3.
  3. Winkel (Fr.), Der "Harrsbarg" in Mirowdorf: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., H. 4.
  4. Bohn (H.), Die Moore bei Demern: Quellen der Heimat, herausg. v. Heimatb. f. d. Fürst. Ratzeburg, 1926, Reihe E, H. 1.
  5. Winkler (W. F.), Bevölkerungsbewegung in Mecklenburg: M. Monatsh. Jan. 1928.
  6. Martins (P.), Ein Schwedenkönig in Biestow: M. Monatsh. April 1928. Betr. Reise Gustavs III. von Schweden durch Mecklb. 1783.
  7. Wachs (Horst), Aufgaben und Erfolge des Naturschutzes in Mecklenburg. Vortrag 1927: Zeitschr. M. 22. Jg., H. 3 u. 4.
  1. a. Karbe (Walter), Im Reich der Steine. Ein Beitrag zur M.-Strel. Landeskunde: M.-Str. Heimatbl. 4. Jg., 1928, H. 1.
Kulturgeschichte und Volkskunde.
  1. Wossidlo (Richard), Volkskunde in M. 1926. Bericht des Leiters der fünften Arbeitsgruppe des Heimatbundes: Zeitschr. M. 22. Jg., H. 4.
  2. Peßler (Wilh.), Das Heimatmuseum im deutschen Sprachgebiet als Spiegel deutscher Kultur. München, Lehmann, 1927.
  3. Folkers (Johann), Der Kampf um den Rundling: Schlesw.-Holst.-Hamb.-Lüb. Monatsh. Jg. 2, 1927, S. 50 ff.
  4. Folkers (Johann), Das Bauerndorf im Kreise Herzogtum Lauenburg. Lauenburgischer Heimatverlag, Ratzeburg i. Lbg., 1928.
  5. Folkers (Joh. Ulr.), Die Wohnkultur des alten meckl. Bauernhauses: M. Monatsh. Nov. 1927.
  6. Behlen (Heinr.), Der Ursprung des niedersächs. Bauernhauses: Niedersächs. Ztschr. f. Volkskunde Jg. 5, 1927.
  7. Marung, Runde Häuser in mecklenburgischen Dörfern: M. Monatsh. März 1928.
  8. Techen (Friedr.), Über die Straßennamen norddeutscher Städte: Nordelbingen, Bd. 5, 1.
  9. Endler (Carl Aug.), Volkskundliches aus dem Lande Stargard: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., H. 4.
  10. Buddin (Fritz), Alte Rüböllampen: Mitt. d. Heimatb. f. d. Fürst. Ratzeburg, 9. Jg., Nr. 4.
  11. Gillhoff (Joh.), Land und Leute der Griesen Gegend: M. Monatsh. Sept. 1927.
  12. Schlüter (E.), Hagenow und Wittenburg: M. Monatsh. März 1928.
  13. Ahrens (Rud.), Das Fischland: M. Heimat, 7. Jg., 1928, Nr. 5.
  14. v. Wickede (Julius), Das Fischland vor 50 Jahren: M. Heimat, 7. Jg., 1928, Nr. 5.
  15. Schmidt (Wilhelm), Fastnachtssitten im 17. Jahrh.: M. Monatsh. März 1928.
  16. Schmidt (Friedr. Wilh.), Rostocker Hochzeits- u. Kindelbiersordnungen: M. Heimat, 7. Jg., 1928, N. 1 u. 3.
  17. Bachmann (Jürgen), Entwickelungsstufen der periodischen Presse beider Mecklenburg. Sonderdruck aus der Sonder-Ausgabe des "Zeitungs-Verlags" (Nr. 19) z. Eröffnung d. international. Presse-Ausstellung "Pressa", herausg. v. Verein Deutscher Zeitungsverleger, Köln a. Rh., 12. Mai 1928.
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  1. Strukat (A.), Großherzog Friedrich Franz I. v. Mecklb.-Schwer. auf d. Sau- u. Hirschjagd: M. Heimat, 5. Jg., 1926, Nr. 4/5, 10.
  2. v. Warburg (H. W.), Der Reitsport in Mecklenburg: M. Monatsh. Juli 1927.
  3. Tamm (W.), Der Wassersport in Schwerin: M. Monatsh. Mai 1928.
  4. P. J. C., Der Kaiser von Bützow. Ein Studentenscherz: M. Monatsh. Febr. 1928.
  1. a. Sachse (Hans), Etwas vom alten meckl. Landtage, insbes. von der dort gepflegten Geselligkeit: M.-Str. Heimatbl. 4. Jg., 1928, H. 1.
Wirtschaftsgeschichte.
  1. Buhl (Paul), Die Zeitpachtverhältnisse landwirtschaftlicher Großbetriebe in Mecklenburg-Schwerin. Diss. Rostock 1927.
  2. Dabelstein (Karl), Der Personenbahnhof in Schwerin: M. Monatsh. Juli 1928.
  3. Staak (Gerhard), Die via regia - der Ritterdamm?: Zeitschr. M. 23. Jg., H. 2.
  4. Tiedemann (Franz), Ländliche Industrie im Ratzeburgischen (Torfgewinnung, Flachsverwertung): Quellen der Heimat, herausg. vom Heimatb. f. d. Fürst. Ratzeburg, Reihe F, H. 3, 1925.
  5. Lange (Heinr.), Fischerei u. Schiffahrt auf d. Fischlande: M. Heimat, 7. Jg., 1928, Nr. 5.
  6. Ahrens (Ernst Ulrich), Eisfischerei: M. Monatsh. Febr. 1928. Betr. Eisfischerei auf der Warnow.
Ortsgeschichte.
  1. Techen (Friedrich), Das Haus zum Heiligen Geiste zu Wismar: M. Jahrb. 91.
  2. Krogmann (Willy), Zur Gesch. d. Wismarer Bäckerinnung. Festschr. z. 600jähr. Jubiläum. Wismar 1927.
  3. Bischoff (Georg), Das Zunftwesen Neubrandenburgs: M.-Str. Geschichtsbl. 1927, 3. Jg.
  4. Endler (Carl August), Altes Neubrandenburger Handwerk. Vortrag. Referat in Landeszeitung 1927, Nr. 297.
  5. Dinse (P.), Gesch. von Mirow: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., 1927, H. 1.
  6. Endler (Carl Aug.), Mirow: M. Monatsh. Juli 1927.
  7. Endler (Carl Aug.), Handwerk u. Gewerbe in Mirow: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., 1927, H. 1.
  8. Bard (A. F.), Die Geschichte der Stadt Sternberg. Sternberg (A. Rohloff), 1927.
  9. Lemke (Otto), Geschichte der Stadt Brüel mit der Geschichte der Brüeler Schützenzunft und den Flurnamen. Brüel 1927.
  10. Münster (Hans), Grevesmühlen: Ztschr. Meckl. 23. Jg., H. 2.
  11. Sturm, Hagenow: M. Monatsh. März 1928.
  12. Kiencke (Otto), Entstehung u. Entwickelung d. Stadt Hagenow: M. Monatsh. März 1928.
  13. Schlüter (E.), Die kleine Stadt: M. Monatsh. März 1928. Betr. Bauten in Hagenow (Abb. von Haustüren).
  14. Steinmann (Adolf), Musikpflege in Hagenow: M. Monatsh. März 1928.
  15. Geschichte der Stadt Ludwigslust, von K. Goß (1851), neu herausg. u. fortges. von Otto Kaysel. 1927.
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  1. Jahn, Aus der Geschichte der Stadt und Gemeinde Grabow. 14. Forts. In: Gruß der Grabower Kirchengemeinde, Nr. 43, Aug. 1927.
  2. Wendt, Fröhliche Geschichten aus alter Neubrandenburger Zeit: Landeszeitung 1928, Nr. 5, 13, 31.
  3. Schüßler (Herm.), Alt-Woldegk: Die Schützenzunft: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., H. 3.
  4. Priester, Aus den Akten der Güter u. Dörfer der Gemeinde Dreveskirchen: Mecklb. Heimat, 6. Jg. (1927), Nr. 7.
  5. Aus d. Gutsakten von Kurzen u. Langen Trechow. Forts.: M. Heimat, 5. Jg., 1926, Nr. 6/7 u. 6. Jg., 1927, Nr. 5/6.
  6. Aus der Geschichte Dambecks: Gemeindeblatt f. die Gemeinde Dambeck-Balow, Jg. 18 (1927), Nr. 2 ff.
  7. Aus der Geschichte der Gemeinde Muchow-Zierzow: Gemeindeblatt für die Kirchgemeinde M.-Z., 3. Jg., 1927.
  8. Favreau, Geschichtliches aus der Parochie Altgaarz: Gemeindeblatt f. d. Kirchspiel Altgaarz, 1927, Nr. 1 f.
  9. Ahrendt (Joachim), Was das Spornitzer Kirchenbuch zu erzählen weiß: M. Monatsh. April 1928.
Kirche.
  1. Stoppel, Die Lage der Kirchen im Fürstentum Ratzeburg: Mitt. d. Heimatb. f. d. Fürst. Ratzeburg, 10. Jg., Nr. 1.
  2. Buhle (Paul), Aus der Vergangenheit der Schelfgemeinde, III: Das Gotteshaus im 18. Jahrh., IV: Der Schelffriedhof im 18. Jahrh., V: Leichenbitter und Küster im 18. Jahrh., VI: Das verschwundene Kirchenbuch, VII: Der Name unseres Gotteshauses: Gemeindeblatt der Schelfkirche, Schwerin, 2. Jg., 1927, Nr. 3, 4, 8, 9, 12.
  3. Dettmann (G.), Die Namen unserer Kirchen: M. Monatsh. Aug. 1927.
Universität und Schulen.
  1. Kohfeldt (Gustav), Das Frauenstudium nach einem alten Rostocker Stammbuchblatt: M. Monatsh. Dez. 1927.
  2. Witte (Friedrich), Das Lehrerseminar in Mirow: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., 1927, H. 1.
  3. Gerchow (Max), Geschichte des Mirower Schulwesens: M.-Str. Geschichtsbl. 1927, 3. Jg.
  4. Schmidt (Fr.), Die Domschule zu Ratzeburg, ein Beitrag zu ihrer Geschichte in den letzten fünfzig Jahren ihres Bestehens. Herausg. v. Heimatb. f. d. Fürst. Ratzeburg. Schönberg 1928.
Kunst und Kunstgewerbe.
  1. Baalk (Arthur M.), Eine gotische Turmform im norddeutschen Küstengebiet: Ztschr. Mecklenb. 22. Jg., H. 4.
  2. Baalk (A. M.), Unsere Dorfkirchen in der Statistik: M. Monatsh. Dez. 1927.
  3. Baalk (A. M.), Die Dorfkirche in M.-Schw.: Wasmuths Monatsh. f. Baukunst, 11. Jg., S. 150.
  4. Hustaedt (Konrad), Kirche, Fürstengruft u. Schlösser (in Mirow): M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., 1927, H. 1.
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  1. Schmaltz (Karl), Der Dom (zu Schwerin): M. Monatsh. Mai 1928.
  2. Vermehren (M.), Bilder aus d. Gesch. d. Kirche im Ostseebad Wustrow auf Fischland. Vortrag 1928. Sonderdruck, beigel. d. M. Heimat, Jg. 7, 1928, Nr. 7.
  3. Romberg, Die Kirche zu Dreveskirchen: M. Heimat, 7. Jg., 1928, Nr. 10.
  4. Josephi (Walter), Die Malchiner Triumphkreuzgruppe: M. Monatsh. Juli 1927.
  5. Die Glocken zu St. Nikolai (Rostock). Entnommen aus einem Bericht von L. Krause. St. Nikolaibote, 4. Jg., Nr. 3, 1927.
  6. Parow-Souchon (Rudolf), Die bürgerlichen Bauten in Rostock und Güstrow in der Zeit von zirka 1750 bis 1850. Diss. Rostock 1927.
  7. Lorenz, Aus Alt-Rostock: Heiligengeisthospital 1790: M. Monatsh. Dez. 1927.
  8. Lorenz, Aus Alt-Rostock: Blick auf die Altstadt mit St. Nikolai um 1660: M. Monatsh. April 1928.
  9. Lorenz (Adolf Friedrich), Die alte Herzogsburg in Neustadt: M. Jahrb. 91.
  10. Dettmann (Gerd), Ludwigslust: M. Monatsh. Sept. 1927.
  11. Burmeister (Werner), Hohenzieritz: M. Monatsh. Aug. 1927.
  12. Warncke (Joh.), Die ältesten Bilder der Schlacht bei Bornhöved: Mitt. d. Heimatb. f. d. Fürst. Ratzeburg, 9. Jg., Nr. 4.
  13. Warncke (Johs.), Die Edelschmiedekunst in Lübeck u. ihre Meister. Veröffentlich. z. Gesch. d. Fr. u. Hansestadt Lübeck, herausg. v. Staatsarchiv Lübeck. 1927.
  14. Techen (Friedr.), Nachrichten über den Glockengießer Klaus Wachtel: Ztschr. f. lübeck. Gesch. u. Alt.-Kunde XXIV, 2.
  15. Kania (Hans), Der Architekt der Hedwigskirche und der Kommuns: Jean Laurent Legay. Ergebnisse neuester Forschung: Mitt. d. Vereins f. d. Gesch. Berlins, 44. Jg. (1927), H. 2. Referiert über die Forschungen G. Dettmanns und bringt Ergänzungen.
  16. Martins (Paul), Friedrich Wilhelm Dunckelberg, ein Mecklenburg-Strel. Landbaumeister um 1800: M.-Str. Geschichtsbl. 1927, 3. Jg.
  17. Gehrig (Oscar), Heinrich Tessenow: M. Monatsh. Nov. 1927.
  18. Scheffler (Karl), Heinrich Tessenow: Kunst u. Künstler, Jg. 26, S. 43 - 54.
  19. Schult (Friedrich), Das bürgerliche Bildnis in Güstrow: M. Monatsh. Okt. 1927.
  20. v. Langermann (Anna Marie, Freiin), August Achilles, ein Künstler der alten Zeit: M. Jahrb. 91.
  21. Dettmann (Gerd), Die Familie des mecklenb. Hofmalers Lisiewski: M. Ztg. 24. 1. 28, Nr. 20.
  22. Meyer (Ernst), Carl Wiese. Zu seinem 100. Geburtstag: M. Monatsh. Febr. 1928.
  23. Wagner (Annalise), Wilhelm Riefstahl: M. Monatsh. Okt. 1927.
  24. Meyer (Ernst), Die Malerin Elsbeth Huther: M. Monatsh. März 1928.
  25. Dettmann (Gerd), Die Beziehungen der Bildhauerfamilie Lücke zu Mecklenburg: M. Ztg. 1927, Nr. 159.
  26. Scheffler (Karl), Ernst Barlach: Kunst u. Künstl., Jg. 24, S. 286 - 89.
  27. Schult (Friedrich), Ernst Barlach, Das Denkmal für die Gefallenen im Güstrower Dom: M. Monatsh. Juli 1927.
  28. Gehrig (Oscar), Ernst Barlachs Gefallenenmal im Dom zu Güstrow: Kunst u. Künstler, Jg. 25, S. 347/8.
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  1. Winkel (Fr.), Bartholomeo Campagnoli. Ein Gedenktag: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., 1927, H. 4. Betr. den 1827 in Neustrelitz gestorbenen Geigenspieler C.
  2. Bastian (Willy), Albert Kriemann, der Schiffsschnitzer vom Fischland: M. Monatsh. Juni 1928.
Münzkunde.
  1. Niedersächsisches Münzarchiv. Verhandlungen auf den Kreis- und Münzprobationstagen des Niedersächsischen Kreises 1551 - 1625, herausg. von Max v. Bahrfeldt. I. Bd.: 1551 - 1568. Veröffentl. d. Hist. Komm. f. Hann., Oldenb., Braunschw., Schaumb.-Lippe u. Bremen X. Halle (Riechmann & Co.) 1927.
  2. Jesse (Wilhelm), Der wendische Münzverein: Quellen u. Darst. z. hans. Gesch., Neue Folge Bd. VI. Lübeck 1928.
  3. Karbe (Walter), Alte Taler im Lande Stargard, insbesondere der Golmer Fund: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., H. 2.
Wappenkunde.
  1. v. Bülow (Jobst Heinrich), Redende Wappen beim mecklenb. Uradel: Norddeutscher Adel, 1. Juni 1927, Nr. 3.
  2. Steinmann (Ulrich), Das Wappen der Stadt Hagenow: M. Nachr. 11. 1. 28 (Nr. 6).
  3. Barnewitz (Hans W.), Mecklenburger Städtewappen: M. Monatsh. April 1928.
Urkundenlehre.
  1. Biereye (Wilhelm), Die Urkunden des Grafen Albrecht von Orlamünde und Holstein: Zeitschr. d. Ges. f. Schlesw.-Holst. Gesch. 57. Bd., 1928. Insbes. S. 114 ff.: Die Bergedorf u. d. Bistum Ratzeburg betr. Urkunden.
Kriegs- und Militärgeschichte.
  1. Hofmeister (Hermann), Die Wehranlagen Nordalbingiens. Zusammenstellung u. Untersuchung der urgeschichtlichen u. geschichtl. Burgen u. Befestigungen. Herausg. vom Verein f. Lübeckische Gesch. u. Alt.-Kunde. Heft 2: 1. Amt Fürstentum Ratzeburg. 2. Kreis Herzogtum Lauenburg. Lübeck, Schmidt-Römhild, 1927.
  2. Tuxen (A. P.), Carl XII. i Norge, Peter I. i Danmark 1716. Bidrag til den store nordiske Krigs Historie, udgivne af Generalstaben, 8. Band, Kopenhagen 1927.
Verfassung, Verwaltung, Recht.
  1. Maybaum (Heinz), Die Entstehung der Gutsherrschaft im nordwestlichen Mecklenburg. 1926. Besprochen in der Deutschen Literaturzeitung 49. Jg., H. 20.
  2. Krause (Hermann), System der landständischen Verfassung Mecklenburgs in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Rostocker Abhandlungen, herausg. v. d. Mitgl. d. rechts- und wirtschaftswiss. Fakultät d. Meckl. Landesuniversität, Heft II, 1927.
  3. Steinmann (Paul), Ein römisch-rechtliches Erachten (Konsilium) über die Steuerpflicht der Stadt Rostock gegenüber den mecklenburgischen Herzögen aus dem Jahre [1482]. Festschrift zum 60. Geburtstage Hermann Reincke-Blochs. Breslau 1927.
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  1. Endler (Carl August), Beiträge zur älteren Geschichte des Rats in Neubrandenburg. Festschrift zum 60. Geburtstage Hermann Reincke-Blochs. Breslau 1927.
  2. Kühn (Anton), Der Geltungsbereich des Oldenburgisch-Lübeckischen Fischereivergleichs von 1817 und die Travemünder Reede. Eutin, G. Struves Buchdruckerei, 1927.
  3. Strecker (Werner), Die hoheitsrechtlichen Verhältnisse in der Travemünder Bucht: M. Jahrb. 91.
  4. Strecker (Werner), Die Lage der Travemünder Reede: M. Jahrb. 91.
  5. Rörig (Fritz), Nochmals Mecklenburgisches Küstengewässer und Travemünder Reede. IV. Teil: Die endgültige Lösung des Reedeproblems. Sonderdruck aus der Zeitschr. d. Ver. f. Lüb. Gesch. u. Alt.-Kunde XXV, 1.
  6. Rörig (Fritz), Nochmals Mecklenburgisches Küstengewässer und Travemünder Reede. V. (Schluß-) Teil: Ausübung u. Abgrenzung von staatlichen Rechten an der Uferstrecke Priwall-Harkenbeck in alter u. neuer Zeit. Sonderdr. aus Zeitschr. d. Ver. f. Lüb. Gesch. u. Alt.-Kunde XXV, 1.
  7. Ploen (Heinrich), Verhandlung vor dem Volksgericht (Landthing) zu Petersberg wegen Straßenraub (Rowerie), Totschlag und Zauberei (Towerie) 1574 um Mitfasten: Mitt. d. Heimatb. f. d. Fürst. Ratzeburg, 10. Jg., Nr. 2.
Literatur.
  1. Jacobs (Hugo), Dialektgeographie Südmecklenburgs zwischen Lübz und Hagenow. Diss. Rostock 1923. Teuthonista, Jg. II, H. 1, Okt. 1925.
  2. Beckmann (Paul), Der Lautstand der Rostocker Mundart auf historischer Grundlage. Diss. Rostock 1927. Auszug.
  3. Baethcke, Zwei politische Flugblätter des 17. Jahrh. "Eines Soldaten und Mecklenburgischen Bauren Gespräch von der neuen Reichs-Armee: im Jahr 1659." - "Eines Hinter-Pommerischen und Mecklenburgischen Pauren Gespräch wegen des new ausgegebenen und in Druck ergangenen Gesprächs von der Reichs-Armee." 1659. Niederdeutsches Jahrb., Jg. 1926.
  4. Winkel (Fr.), Ein Spottgedicht von Johann Heinrich Voß: M.-Str. Heimatbl. 3. Jg., 1927, H. 3.
  5. Winkel (Fr.), J. F. Bahrdt, ein meckl. Dichter des vorigen Jahrhunderts: M.-Str. Geschichtsbl. 1927, 3. Jg.
  6. Thimme (Adolf), Fanny Tarnow, eine Skizze ihres Lebens nach neu erschlossenen Quellen: M. Jahrb. 91.
  7. Bahn (Max), Aus Aktenstücken zu Reuters Festungszeit: Niederdeutsches Jahrb., Jg. 1926.
  8. Kuntze (Max), Ok 'ne lütt Erinnerung an Fritz Reuter: M. Monatsh. Jan. 1928.
  9. Karbe (Walter), Scheffel in Ratzeburg: Mitt. d. Heimatb. f. d. Fürst. Ratzeburg, 9. Jg., Nr. 3.
  10. Wittko (Paul), Heinrich Seidel, der Sorgenbrecher: M. Monatsh. Febr. 1928.
  11. J. C. D., Richard Ohnsorg: M. Monatsh. Nov. 1927.
  12. Albrecht (Elisabeth), Sophie Kloerß als mecklenb. Heimatschriftstellerin: M. Heimat, 7. Jg., 1928, Nr. 6.

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Alphabetisches Verzeichnis.

A chilles, Aug., Lithograph 172.
Ahnentafeln 28.
Ahrens, Wilh., Mathematiker 57.
Albrecht VII., Herzog v. M. 1. 18.
v. Arenstorff, Landforstmeister 56.
Asseln (Land-) 67.

B ahrdt (Dichter) 206.
Bannriten 8.
Barfurth (Prof. d. Medizin) 54.
Barlach, Ernst, 178-180.
Bauerndorf (Lauenburg) 94.
Bauernhaus 94-96.
Behrens, niederl. Feldw. 36.
Beltz, Robert, 51.
Bevölkerung 88.
Biestow 89.
Binnensee, Ribnitzer 62.
v. Blücher, Feldmarschall 43. 44.
Blutgruppenforschung 29.
Bodden, Saaler 62.
Bornhöved (Schlacht) 13-15. 164.
Brüel 126.
v. Bülow, Fam. 39.
Burgen u. Befestigungen 12. 161. 190.
Bützow (Kaiser von) 111.

C ampagnoli (Geigenspieler) 181.

D ambeck-Balow (Gemeinde) 138.
Dinnies, Fam. 34.
Dinse, Fam. 34.
Dreveskirchen 136. 155.
Dünen 63.
Dunkelberg (Landbaumeister) 168.

E delschmiede (Lübecker) 165.
Eisenbahn 113.
Erbfolgestreit (Güstrower) 19.
Erbteilungsstreit 1518 - 25 18.

F amiliengeschichte 27 ff.
Fastnachtssitten 105.
Feilcke, Fam. 42.
Fensterurnen 6.
Fischerei 62. 116. 117.
Fischland 10. 63. 103. 104. 116. 154.
Flugblätter 204.
Flurnamen 76 ff.. 126.
Franzosenzeit 21.
Friedrich Franz I., Großh. 28. 108.
Friedrich Franz IV., Großh. 28.

G aarz, Alt- (Gemeinde) 140.
Geologie 58-61. 90a.
Geschichte 11 ff.
Gewerbe s. Handwerk 62. 115-117. 119-121. 124. 165. 166.
Giesebrecht, Fam. 50.
Golchen (Ringwall) 9.
Grabow 133.
Grevesmühlen 127.
Gundlach, Glasmacher 38.
Gustav III., Kg. v. Schweden 89.
Güstrow 158. 171. 179.
Gutsherrschaft 192.

H agenow 4. 84. 102. 128-131. 187.
Handwerk u. Gewerbe 62. 115-117. 119-121. 124. 165. 166.
Häuser (runde in Dörfern) 97.
Heide (Rostocker) 60. 64. 70.
Heimatmuseum 92.
Heinrich V., Herzog v. M. 1. 18.
Heuschrecken 67.
Hohenzieritz 163.
Hospital (Heil. Geist):
   Wismar 118.
   Rostock 159.
Huther, Elsbeth, Malerin 176.

I nsekten 68.

J acobson, Isr. 46.
Jagd 108.
Jahn, Turnvater 47.

K arl XII., König v. Schweden 191.
Karsten, Rud., Pastor 55.
Kirche 142-144.
Kirchenbau 149 ff..
Kirchenglocken 157. (Rostock) 166. (Wismar)
Kleinsäuger 67.
Kloerß, Sophie 213.
Kreis, Niedersächs. 20. 183.
Krieg (Nordischer) 191.
Kriegs- u. Militärgeschichte 53. 190. 191.
Kulturgeschichte 91 ff.
Kunst u. Kunstgewerbe 149 ff.

L ampen (Rüböl-) 100.
Landeskunde 58 ff..
Landstände 18. 193.
Landthing 201.
Legay (Baumeister) 167.

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Lehrerseminar (Mirow) 146.
Lisiewski, Maler 173.
Literatur 202 ff..
Lücke (Bildhauerfamilie) 177.
Ludwigslust 132. 162.
Luise, Königin v. Preußen 26.
v. Lützow, Fam. 40. 41.

M alchin 156.
Mirow 23. 50. 73. 75. 76. 122 ff.. 146 f.. 152.
Mirowdorf 86.
Moore (bei Demern) 87.
v. Morin, Fam. 30.
Muchow-Zierzow (Gemeinde) 139.
Mundart 202. 203.
Münzkunde 183-185.

N aturschutz 90.
Nerger (Kapitän z. S.) 53.
Neschow 80.
Neubrandenburg 120. 121. 134. 195.
Neubukow, Gegend von, Vorgesch. 2.
Neustadt (Burg) 161.
Niendorf (Fürst. Ratzeb.) 81.

O hnsorg (Gründer d. Hamb. niederd. Bühne) 212.
Ollndorf 78.
Ortsgeschichte 118 ff..
Ortsnamen 74. 84.
Ostsee 61.

P achtverhältnisse 112.
Personengeschichte 27 ff..
Peter I., Zar 191.
v. Petkum, E. A. 19.
Pflanzen 69-73.
Pilze (Brand-) 69.
Ploen, Heinr., Prof. Dr. 52.
Polypen (Süßwasser-) 67.
Presse 107.

Q uellen 1.

R addingsdorf 80.
Ratzeburg, Bistum 15. 15. 142.
Ratzeburg (Domschule) 148.
Recht 192 ff..
Reinhard (Rektor) 49.
Reuter, Fritz 208. 209.
Revolution v. 1848 22-25.
Riefstahl, Maler 175.
Riemann, Heinr. Arm. 48.
Ringwall (in Golchen) 9.
Roloff, Rektor 23.
Rostock 21. 106. 117. 157-160. 194. 203.
Rufnamen, deutsche 31.
Rundling 93.

S achse, Leop. 45.
Schatzfunde, wendische 3.
v. Scheffel, Jos. Vikt. 210.
Schiffahrt 116.
Schnecken (Süßwasser-) 67.
Schomann, Fam. 37.
Schulwesen 146-148.
Schwerin 5. 113. 143. 153.
Seen 82. (Labus-) 85. (Galenbecker)
Seidel, Heinr. 211.
Siemz (Gr. u. Kl.) 77.
Spornitz 141.
Sport 108-110.
Stargard (Land) 17. 99.
Sternberg 125.
Straßen (via regia) 114.
Straßennamen 98.

T arnow, F., Schriftstellerin 207.
Tessenow, H., Baumeister 169. 170.
Teterow (Burgwall) 12.
Törpt 78.
Travemünder Bucht (Reede) 196 ff..
Trechow (Kurzen u. Langen) 137.
Triumphkreuzgruppe (Malchiner) 156.
Turne (Land) 7.

U niversität 145.
Urkundenlehre 189.

V erfassung, Verwaltg. 16. 18. 192 ff..
Vögel 64-67.
Volkskunde 91 ff..
Vorgeschichte 2 ff.. 190.
Voß, Joh. Heinr. 205.

W achtel (Glockengießer) 166.
Wappen (Adel.) 186.
Wappen (Städte-) 187. 188.
Wiese (Maler) 174.
Wilhelm, Prinz v. Preußen (1848) 24. 25.
Willeken, Agneta 35.
Wirtschaftsgeschichte 112 ff..
Wismar 118. 119.
Wittenburg 102.
Woldegk 135.
Wustrow 79. 154.

Z ünfte 119-121. 124. 126. 135.

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Professor Dr. Richard Wagner
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LXXXXII.                                 Schwerin, 1. Juli 1928.

Jahresbericht

über das Vereinsjahr

vom 1. Juli 1927 bis 30. Juni 1928.


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Im beendeten Vereinsjahre ist wiederum, anderthalb Jahre nach August Rudloff, einer der älteren mecklenburgischen Geschichtsforscher von uns geschieden, der Studienrat i. R. Gymnasialprofessor Dr. Richard Wagner, gestorben zu Schwerin am 15. April 1928. Wagner gehörte von 1884 bis Ostern 1928 dem Lehrerkollegium des Schweriner Gymnasiums an. Als Historiker trat er zuerst hervor mit einer Abhandlung über das Bündnis Karls des Großen mit den Abodriten, die im Jahrbuche 63 (1898) abgedruckt ist. Es hat dieses Bündnis, das im Jahre 780 geschlossen wurde, insofern noch seine besondere Bedeutung, als mit den Nachrichten darüber, also mit dem Jahre 780, die schriftlichen Quellen für die mecklenburgische Geschichte beginnen. Die Abhandlung Wagners war eine Vorstudie zu seinem rühmlichst bekannten Werke über die Wendenzeit, das 1899 als zweites Heft der Mecklenburgischen Geschichte in Einzeldarstellungen veröffentlicht wurde. Die große Arbeitskraft des Forschers machte es ihm möglich, bereits wenige Jahre später ein neues umfangreiches Werk vorzulegen, die eingehende Schilderung des Güstrower Erbfolgestreites, gedruckt in den Jahrbüchern 67 und 68 (1902, 1903). Die Beschäftigung damit führte ihn auf die Geschichte des Herzogs Christian (Louis) I., über den er 1906 in den Einzeldarstellungen ein starkes Heft veröffentlichte. Studien zur Geschichte Christian Louis' hat Wagner ferner in den Jahrbüchern 70 und 74 (1905 und 1909) erscheinen lassen, schließlich im Jahrbuche 86 (1922) einen kurz vorher im Geschichtsverein gehaltenen Vortrag über den Feldzug des Herzogs und des Regiments Halberstadt für Ludwig XIV. Es ist dies seine letzte historische Arbeit. Neben seiner wissenschaftlichen Forschung ist Wagner auch darauf bedacht gewesen, die mecklenburgische Geschichte und Sagenwelt in einer für die Schüler der höheren Lehranstalten geeigneten Form darzustellen 1 . Die Hoffnung, daß er nach seinem Ausscheiden aus


1) Er arbeitete an den von A. Rudloff herausgegebenen, 1898 in erster Auflage gedruckten Bildern aus der mecklenburgischen Geschichte
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dem Schuldienst zu Ostern 1928 sich noch weiter als Historiker betätigen werde, hat sich leider nicht erfüllt. Schon die todbringende Krankheit in sich spürend, versah er sein Amt bis zur letzten Stunde seiner Dienstzeit, um sich erst dann in die Hände des Arztes zu begeben, der ihn nicht mehr retten konnte. Mitglied unseres Vereins ist Wagner seit 1897 gewesen.

Sein Bildnis haben wir diesem Jahresbericht beigefügt. Ebenso die Bildnisse der beiden Freiherren von Rodde, die im September 1927 wenige Tage nacheinander gestorben sind. Der Forstmeister a. D. Cuno v. Rodde (Vereinsmitglied seit 1895) ist durch seine erfolgreichen genealogischen Forschungen weit über die Grenzen unseres Landes hinaus bekannt geworden. Ein besonderes Verdienst um die Familiengeschichte erwarb er sich, als er 1908 nach dem Tode Ottos v. Dassel die von diesem gegründete Zeitschrift "Familiengeschichtliche Blätter", deren Bestehen damals in Frage gestellt war, erwarb, sie bis 1909 von Schwerin aus herausgab und damit das Werk Dassels rettete. Weil die Last der Schriftleitung für einen einzelnen auf die Dauer zu schwer wurde, verkaufte er die Zeitschrift Ende 1909 an die Dassel-Stiftung bei der Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte in Leipzig. Wie Cuno v. R., so war auch sein Vetter, der Generalmajor z. D. August Frhr. v. Rodde (Vereinsmitglied seit 1905), lange Zeit hindurch ein gerne gesehener Benutzer des Schweriner Archivs, wo er sich mit der Geschichte der mecklenburgischen Kavallerie beschäftigte. Sein zweibändiges Werk über das Dragonerregiment Nr. 17, dem er von 1866 bis 1885 selber angehört hatte, nimmt in der militärwissenschaftlichen Literatur einen ehrenvollen Platz ein.

In den übrigen Verstorbenen des Vereinsjahres haben wir ebenfalls langjährige Mitglieder verloren. Es gehörten dem Verein an seit 1883 der Staatsminister a. D. Friedrich v. Dewitz auf Cölpin und der Univ.-Prof. Geheimrat Dr. Giesenhagen in München, seit 1890 der Oberamtsrichter Geh. Justizrat Philipp Behncke in Schwerin, seit 1892 der Obermedizinalrat Dr. Axel Wilhelmi in Schwerin, seit 1893 der Obermedizinalrat Dr. Franz Viereck in Ludwigslust, seit 1908 der Bürgermeister a. D. D Dr. Johann Neumann in Lübeck.

Eingetreten sind 29 Mitglieder, darunter drei, der Verband der Mecklenburgischen Ritterschaft, die Stadt Grabow und die


(  ...  ) mit und ließ 1900 die Bilder aus der mecklenburgischen Geschichte und Sagenwelt für die unteren Klassen der höheren Lehranstalten erscheinen, die acht Auflagen erlebt haben.
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Freiherr Cuno v. Rodde und General August Freiherr v. Rodde
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Seestadt Rostock, als Beförderer, ausgetreten 31 (vgl. Anl. A). Am Schlusse des Jahres 1927/28 zählte der Verein 4 Ehrenmitglieder, 7 korrespondierende Mitglieder, 7 Beförderer und 621 ordentliche Mitglieder.

Am 8. Juli wurde unter Leitung des Ersten Sekretärs der Motorbootausflug durch die Lewitz nach Neustadt-Glewe unternommen, den die Hauptversammlung vom April 1927 beschlossen hatte. Es beteiligten sich mehr als 50 Vereinsmitglieder und Gäste. Auf einem Spaziergange in der Lewitz von der Gaartzer Brücke bis zur Kreuzschleuse machte Forstmeister Freiherr v. Maltzan zu Friedrichsmoor dankenswerter Weise den Führer. In Neustadt, wo uns Herr Bürgermeister Seeler freundlich begrüßte, wurden Burg, Schloß und Kirche besichtigt.

Die Zahl der Vereine und Institute, mit denen wir einen Zeitschriftenaustausch unterhalten, hat sich um zwei vermehrt. Vom Provinzial-Museum in Hannover werden uns neuerdings dessen Jahrbücher und von der Leo-Gesellschaft am Bodensee zu Bregenz die Vierteljahrschrift Alemannia geliefert.

Auf den sechs Vortragsabenden, die im Herbst und Winter im Schweriner Archivsaal veranstaltet wurden, trugen vor: am 6. Oktober Pastor D Dr. Schmaltz (Schwerin) über die mecklenburgische Dorfkirche, am 4. November Dr. Wentscher (Berlin) über die Nachkommenschaft der genialen Menschen, am 9. Dezember Prof. Dr. Beltz (Schwerin) über die Burgwälle der Wendenzeit, am 13. Januar Geh. Hofrat Prof. Dr. Erhardt (Rostock) über den Zweck in der Geschichte, am 9. März Prof. Dr. Beltz, in Fortsetzung seines Vortrages vom 9. Dezember, über wendische Burgwälle in Mecklenburg, am 27. März Staatsarchivrat Dr. Steinmann (Schwerin) über Burg und Siedlung Stargard. Die Vorträge der Herren Schmaltz, Beltz und Steinmann wurden durch Lichtbilder veranschaulicht.

Unter der Leitung des Vizepräsidenten fand am 27. April in Schwerin die 93. Hauptversammlung des Vereins statt, zu deren Beginn der Kunsthistoriker unserer Landesuniversität, Prof. Dr. Sedlmaier, in einem Lichtbildervortrage die baugeschichtliche Entwicklung und Bedeutung der mecklenburgischen Stadttore schilderte. Es folgten ein vom Unterzeichneten gegebener Geschäftsbericht und der Kassenbericht für das Vereinsjahr 1926/27 (s. Anl. B), erstattet vom Rechnungsführer, dem die Versammlung Entlastung erteilte. Auf Antrag des Ersten Sekretärs wurde beschlossen, den Jahresbeitrag von 6  auf 8  zu steigern und demgemäß im § 7 der Vereinssatzung die Worte "sechs Mark" durch die Worte "acht Mark" zu ersetzen. Diese

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Erhöhung ist durch die Finanzlage des Vereins nötig geworden. Zwar schließt der in der Anlage B aufgestellte Kassenbericht für 1926/27 mit einem Vermögensbestande von 3310,69  ab, doch mußte hiervon inzwischen das Jahrbuch 91 (1927) bezahlt werden, das wie üblich erst nach dem Ablaufe des Vereinsjahres, im Winter, erschienen ist. Die Kosten des Jahrbuches 91 betragen, außer den Versendungskosten, 4590,60  . Hiervon sind 780  (je 40  für den Bogen) von der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft in Berlin getragen worden, der wir für die beträchtlichen Zuschüsse, die sie zu den Kosten der letzten drei Jahrbücher geleistet hat, aufrichtigen Dank zollen. Ferner hat die Regierung für den Abdruck zweier Rechtsgutachten und gelieferte Sonderdrucke 500  gezahlt und eine weitere Beihilfe von 100  geleistet. Den Rest von 3210,60  mußte der Verein tragen. Der Erste Sekretär begründete die Erhöhung des Beitrages damit, daß nach einer auf der letzten Ausschußsitzung vorgenommenen Prüfung die Jahresausgaben des Vereins bei den heutigen Druckkosten auf etwa 5900  zu berechnen sind. Sie können nicht wesentlich eingeschränkt werden, wenn der Verein seine Aufgaben erfüllen will. Dagegen würden die Einnahmen bei Erhebung des bisherigen Beitrages von 6  nur etwa 5000  betragen, und zwar einschließlich erhoffter weiterer Zuschüsse der Notgemeinschaft. Die fehlenden 1000  sollen durch die Steigerung des Beitrages auf 8  aufgebracht werden. Die Versammlung gab durch ihren zustimmenden Beschluß der Überzeugung Ausdruck, daß unsere Mitglieder dem Verein das Opfer dieser Erhöhung bringen würden, die so gering wie möglich angesetzt ist und nur ein Drittel des bereits 1835 festgesetzten bisherigen Beitrages ausmacht, während die Druckkosten im Verhältnis zur Vorkriegszeit um 102 % gestiegen sind. - Auf Vorschlag des Ersten Sekretärs wurde ferner beschlossen, am 6. Juli einen Ausflug nach Teterow und dem wendischen Burgwall auf der Insel im Teterower See zu unternehmen. Die nach § 14 der Satzung ausscheidenden Vereinsbeamten wurden wiedergewählt.

Für die erwähnte Änderung des § 7 der Satzung, die durch den Beschluß über die Beitragserhöhung herbeigeführt wurde, ist die nach § 23 erforderliche ministerielle Genehmigung erbeten und am 10. Mai 1928 erteilt worden.

Schließlich geben wir unseren Mitgliedern davon Kenntnis, daß nach dem Vorbilde anderer deutscher Länder am 22. Juni in Güstrow eine Historische Kommission für beide Mecklenburg begründet worden ist. Sie setzt sich zusammen aus Vertretern der Universität Rostock, der wissenschaftlich ge-

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leiteten Archive und Bibliotheken sowie der historischen und heimatkundlichen Vereine beider Länder und verfolgt den Zweck, die landesgeschichtliche Forschung durch gemeinsame planmäßige Arbeit, insbesondere durch die Herausgabe von Geschichtsquellen und wissenschaftlicher Hilfsmittel, zu fördern, ohne jedoch in die Arbeiten der einzelnen Vereine einzugreifen. Zum Vorsitzenden ist Univ.-Prof. Dr. Spangenberg in Rostock, zum stellvertretenden Vorsitzenden Staatsarchivdirektor Dr. Stuhr in Schwerin erwählt worden. Als erste Aufgabe beabsichtigt die Kommission, die Zusammenstellung einer mecklenburgischen Bibliographie, unter Anknüpfung an das bekannte Werk F. Bachmanns, in Angriff zu nehmen. Wir werden unsere Mitglieder über die nähere Ausgestaltung und die Tätigkeit der Historischen Kommission auf dem Laufenden halten und wünschen ihrer Arbeit das beste Gedeihen.

Vereinsausschuß für das Jahr 1928/29.

Präsident: Staatsminister a. D. D Dr. Langfeld, Exz.
Vizepräsident: Ministerialdirektor a. D. v. Prollius.
Erster Sekretär: Staatsarchivdirektor Dr. Stuhr.
Zweiter Sekretär: Staatsarchivrat Dr. Strecker.
Rechnungsführer: Rechnungsrat Sommer.
Bücherwart: Landesbibliotheksdirektor Dr. Crain.
Bilderwart: Rechtsanwalt Regierungsrat Dr. Wunderlich.
Repräsentanten: Ministerialdirektor Dr. Krause,
                     Generaldirektor Gütschow,
                     Geh. Archivrat Dr. Grotefend, Ehrenmitglied,
                     Generalleutnant a. D. v. Woyna, Exz.

Der zweite Vereinssekretär.
W. Strecker.      

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Anlage A.

Veränderungen des Mitgliederstandes

im Vereinsjahre 1927-1928.

Als Beförderer sind eingetreten:

der Verband der Mecklenburgischen Ritterschaft, Rostock; die Stadt Grabow; die Seestadt Rostock.

Ordentliche Mitglieder.

Eingetreten sind:

1. Versicherungsdirektor Walter Gütschow, Schwerin. 2. Oberleutnant a. D. Rudolf Gütschow, Schwerin. 3. Frau Sanitätsrat Dr. Frieda Gebhard, Schwerin. 4. Regierungsbaurat Hans Schmidt, Ludwigslust. 5. Bürgermeister Hans Seeler, Neustadt-Glewe. 6. Oberstleutnant a. D. Hans Kohl, Schwerin. 7. Oberstabsarzt a. D. Dr. med. L. von Römer, Residentschafts-Inspekteur des Gouvern.-Gesundheitsamtes zu Pamekasan. 8. Fräulein Martha Rose-Grabow, Schwerin. 9. Frau Victoria Claßen, geb. Becker, Schwerin. 10. Pastor Theodor Rohrdantz, Schwerin. 11. Das Mecklenburg-Strelitzsche Amt Stargard. 12. Gesandter a. D. Wirklicher Geheimer Rat Adolf von Prollius, Exz., Schwerin. 13. Staatsanwalt Wilhelm Beusch, Schwerin. 14. Oberpostrat a. D. Dr. phil. Ludwig Plog, Schwerin. 15. Gerichtsassessor Dr. jur. Rudolf Stein, Schwerin. 16. Ministerialrat Wilhelm Laudahn, Schwerin. 17. Bürgermeister Hermann Warncke, Röbel. 18. Kaufmann Hans Löhn, Schwerin. 19. Eisenbahninspektor Friedrich Gertz, Schwerin. 20. Univ.-Prof. Dr. Richard Sedlmaier, Rostock. 21. Ministerialrat Hermann Haack, Schwerin. 22. Diplom-Ingenieur Philipp Becker, Schwerin. 23. Die Stadt Boizenburg a. E. 24. Das Vorgeschichtliche Seminar der Universität Berlin. 25. Propst August Schumacher, Teterow. 26. Max Heydemann, Berlin.

Ausgetreten sind:

1. Seminarschullehrer Heinrich Timm, Neukloster. 2. Lehrer Willi Henning, Warnow. 3. Studienrat Dr. Friedrich Scheven, Rostock. 4. Bürgermeister a. D. Geh. Hofrat Friedrich Paschen, Bützow. 5. Studienrat Erich Creutzfeldt, Schwerin. 6. Dr. Wilhelm Jesse, Direktorialassistent am städt. Museum in Braunschweig. 7. Studienrat Friedrich Wesemann, Neustrelitz. 8. Dr. phil. Walter Eckermann, Kiel. 9. Dr. jur. Walter Freier, Berlin. 10. Ingenieur Wilhelm Goldammer, Allenstein. 11. Oberstudiendirektor Dr.

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Alfred Huhnhäuser, Breslau. 12. Domänenpächter August Kiele, Besendorf. 13. Amtsgerichtsrat Franz Schultze, Ribnitz. 14. Dr. Leo Kalthoff, Essen. 15. Schutzverband Mecklenburg, Schwerin. 16. Obersekretär Heinrich Jakobs, Berlin. 17. Kreismedizinalrat und Generalarzt a. D. Dr. Ludwig Klipstein, Marburg. 18. Landgerichtsdirektor Karl Buschmann, Schwerin. 19. Kanzlist Franz Dalitz, Stavenhagen. 20. Lehrer Johannes Bohnsack, Ludwigslust. 21. Pfarrer Joh. Thomes, Gesmold. 22. Gutsbesitzer Friedrich Glantz, Wölzow. 23. Domänenpächter Ernst Zarncke, Reppentin. 24. Pastor Lic. Gottfried Holtz, Gammelin. 25. Konsul a. D. Friedrich Kohlenberg, Schwerin. 26. Pastor Bernhard Husmann, Sögel. 27. Ökonomierat Hans Ohloff, Rostock. 28. Rentner Hans Stubbendorf, Schwerin. 29. Pastor Heinrich Karsten, Gehlsdorf. 30. Dr. phil. Hermann Pohl, Wessin. 31. Bankbeamter Karl Großkopf, Schwerin.

Gestorben sind:

1. Obermedizinalrat Dr. med. Franz Viereck, Ludwigslust, am 22. Aug. 1927. 2. Forstmeister a. D. Cuno Freiherr v. Rodde, Prüzen, am 11. Sept. 1927. 3. Generalmajor z. D. August Freiherr v. Rodde, Schwerin, am 28. Sept. 1927. 4. Oberamtsrichter Geheimer Justizrat Philipp Behncke, Schwerin, am 31. Dez. 1927. 5. Staatsminister a. D. Friedrich v. Dewitz, Cölpin, am 31. März 1928. 6. Bürgermeister a. D. D Dr. Johann Neumann, Lübeck, am 7. April 1928. 7. Studienrat i. R. Gymn.-Prof. Dr. Richard Wagner, Schwerin, am 15. April 1928. 8. Univ.-Prof. Geheimrat Dr. C. Giesenhagen, München. 9. Obermedizinalrat Dr. Axel Wilhelmi, Schwerin, am 20. Juni 1928.

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Anlage B.

Auszug aus der Vereinsrechnung

für den Jahrgang 1926/27.

Auszug aus der Vereinsrechnung für den Jahrgang 1926/27.

Der Rechnungsführer.
Sommer.        

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