zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 89 ] zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

II.

Der Seehafen der Stadt Rostock
in seiner geschichtlichen Entwickelung
bis zum dreißigjährigen Kriege

von

Kuno Voß.

Vignette
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 90 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 91 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Inhaltsverzeichnis.

    Seite
Vorwort   92
I. Kapitel: Die Kämpfe Rostocks um das Mündungsgebiet der Warnow 93-98
II. Kapitel: Die Geschichte des Rostocker Seehafens bis zum Ausbruch des dreißigjährigen Krieges 98-148
§ 1. Die Lage des Rostocker Seehafens in der ältesten Zeit 98-108
Bedeutungserklärung der Wörter "Tief" und "fangen". Zusammenhang zwischen Haffdüne und Hafen. Bisherige Forschung. Die wirkliche Lage.
§ 2. Der Hafen im 14. und 15. Jahrhundert 109-124
Verlegung des Hafens. Untersuchung über die Anlage des Tiefes A. Quelleninterpretation der bisherigen Forschung. Die Zeit zwischen 1325 und 1485. Der Durchstich vor Krekeshovet 1485/6.
§ 3. Die großen Hafenbauten des 16. Jahrhunderts 124-148
a) Die Zeit zwischen 1485 und 1570. 124-128
Der herzogliche Erlaß von 1519. Das "neue Tief neben der Heiden". Zustand des Hafens um 1570.
b) Die Zeit zwischen 1570 und 1616. 128-148
Jochim Barchmann, der Schuster, "fängt" das "neue" Tief und baut den Heidekanal. Peter Hase bietet dem Rat einen venetianischen Bagger an. Johann tor Balck erbaut die Haffdüne, "fängt" den Breitling und rät, über den ganzen Breitling ein Bollwerk zu "schlagen". Fortsetzung der Arbeiten im Sinne Johann tor Balcks: Das große Breitlingsbollwerk.
III. Kapitel: Die Arbeiten zur Sicherung des Rostocker Hafens 149-167
§ 1. Das Tief und seine Reinhaltung 149-154
Selbstreinigung, Baggern mit "plog" und "kellen". Sauberhalten des Tiefs.
§ 2. Die Bollwerke 154-164
Zweck von Bollwerken im Hafenbau. Die Verhältnisse im Gebiete des Rostocker Seehafens. Die Molen sind Steinkisten-Bollwerke. Ihr Aussehen und ihre Bauweise.
§ 3. Die Haffdüne 164-167
Mittel gegen Flugsand und Wasser. Verstopfen von Durchbrüchen.
Übersicht über die gewonnenen Ergebnisse 168-169
Anhang: Bericht über den heutigen Zustand des ältesten Rostocker Hafens an der See (mit Karte) 170-172
Übersichtskarte
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 92 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Vorwort.

Über den Rostocker Seehafen ist bereits vor einiger Zeit eine historische Abhandlung erschienen. Es ist der in den Beiträgen zur Geschichte der Stadt Rostock, Bd. XII, S. 1 - 16, im Jahre 1924 gedruckte Aufsatz von Ludwig Krause: "Die alten Warnowmündungen und der ursprüngliche Rostocker Hafen zu Warnemünde". Diese Schrift hat den Anstoß gegeben zu der vorliegenden Arbeit. Im Laufe des Studiums der Quellen zur Geschichte der Stadt Rostock im 16. Jahrhundert fand sich ein so umfangreiches, von der bisherigen Forschung unbenutztes Material zur Geschichte des Rostocker Seehafens, daß es lohnend erschien, die durch den Tod Krauses unterbrochenen Forschungen wieder aufzunehmen und den Versuch zu machen, die Entwickelung dieses Hansehafens von den Anfängen bis zu jenem Zeitpunkt zu schildern, wo der Hafen den erst 1903 verlassenen Zustand erhielt. Dieser Zeitpunkt wurde, wie sich herausstellte, etwa bei Beginn des dreißigjährigen Krieges erreicht.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 93 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Kapitel I.

Die Kämpfe Rostocks um das Mündungsgebiet der Warnow.

Rostock wurde vor 1218 zur Stadt erhoben 1 ), in jener Zeit machtvollster Entfaltung des Deutschtums, die durch den "Zug nach dem Osten" und die Gründung der Städte für die ganze weitere Geschichte des deutschen Volkes von so nachhaltiger Bedeutung ward. Rostocks schnelle Entwickelung im ersten Jahrhundert nach Gründung der Stadt ist ein anschauliches Beispiel für jene Tage des Wachsens und Blühens aus der Fülle der ungebrochenen Volkskraft: Nicht mehr als ein Menschenalter vergeht, und der Gründungsstadt mit der Kirche des heiligen Petrus gliedern sich zwei weitere Städte an, jede mit besonderem Markt und besonderer Pfarrkirche, jede von Mauern und Türmen umgeben 2 ). Erst viele Jahrhunderte später konnte die Stadt den Raum, den sie in schneller Entwickelung bis etwa 1250 einnahm, überschreiten, erst als im neunzehnten Jahrhundert eine neue Zeit neue Blühkraft gab.

Daß Rostock in kurzer Zeit eine der ersten Städte des jungen Koloniallandes wurde, beruht auf der günstigen Lage an dem Ostseefluß und den aus dieser Lage sich ergebenden Handelsmöglichkeiten mit den neu erschlossenen Gebieten des Ostens. Aus den Urkunden ersieht man, daß in der kurzen Zeitspanne von der Gründung bis 1252 der größere Teil jener Handelbeziehungen ange-


1) Vgl. zu dem ganzen Abschnitt:
Koppmann, Geschichte der Stadt Rostock, 1887.
Ludwig Krause: Die alten Warnowmündungen und der ursprüngliche Rostocker Hafen zu Warnemünde (Beiträge z. Gesch. d. Stadt Rostock (B. G. R.), XII, 1920/23, S. 1 - 16).
Friedrich Barnewitz: Geschichte des Hafenortes Warnemünde, 2. Aufl. 1925, S. 57 ff.
Max Hauttmann: Das Rostocker Stadtbild (1924).
2) Koppmann, Geschichte ... S. 2 ff. Hofmeister, Beitr. z. Gesch. d. Stadt Rostock, IV, 4, S. 1 ff. Püschel: Das Anwachsen der deutschen Städte (Abhdlg. f. Verk.- u. Seegesch., ed. Dietr. Schäfer, IV, Berlin 1910). Krause, Topographie ... S. 33. B. G. R. XIII. 1925.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 94 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

knüpft ist, die in späterer Zeit den Reichtum Rostocks gesichert haben 1 ).

Für eine solche Handelsstadt mußte, wie Barnewitz richtig sagt, "die ungestörte Verbindung mit dem Meere eine Lebensfrage" sein. "Rat und Bürgerschaft richteten also ihr Hauptaugenmerk darauf, die Rechts- und Besitzverhältnisse auf der Unterwarnow und an ihren Ufern in einer für die Stadt günstigen Weise zu regeln, womöglich das ganze Mündungsgebiet dem fürstlichen Herrschaftsbereich zu entziehen und zum Stadtgebiet zu machen" 2 ). Mit diesen Worten hat Barnewitz treffend das gekennzeichnet, was für die ersten Jahrhunderte der eigentliche Inhalt der Rostocker Ausdehnungspolitik gewesen ist: Der Erwerb und die Sicherung des gesamten Mündungsgebietes des Warnowflusses.

Den ersten bedeutenden Schritt zur Erreichung dieses nächstliegenden Zieles tat die Stadt im Jahre 1252. Geschickt die Geldnöte der mecklenburgischen Fürsten benutzend, schloß Rostock damals mit Heinrich Borwin III. gegen gewisse Geldzahlungen einen Vertrag (25. 3. 1252), der folgende für die weitere Entwickelung Rostocks als Hafenstadt wichtige Privilegien enthielt 3 ): a) Die Privilegien Borwins I. vom Jahre 1218, welche den Bürgern lübisches Recht und Zollfreiheit gewährten, wurden bestätigt. Sie wurden auch auf die inzwischen hinzugekommene Stadterweiterung ausgedehnt. b) Der Fürst trat die später so genannte "Rostocker Heide" gegen Zahlung von 450 M an die Stadt ab. Das "marinum litus" dieses Gebietes sollte sich vom "Stromgraben" im Osten "usque ad orientalem ripam sive ad aquam fluminis Warnemunde" erstrecken, d. h.. wie wir noch sehen werden 4 ), bis zum Ostufer jenes Warnowarmes, der etwas westlich des heutigen Rettungsschuppens damals in die Ostsee mündete 5 ) und wohl schon seit längerer Zeit von den Rostockern als Hafenmündung benutzt wurde. c) Sollte in diesem "ihrem Hafen" durch unvorhergesehenen Zufall ein Schiff stranden, so wollte der Fürst keinen Anspruch mehr darauf machen. Dem Handel aber sollte dortselbst bis auf die zollpflichtigen Waren völlige Freiheit gewährt sein. d) Die Fischereigerechtig-


1) Vgl. Koppmann, Geschichte ... S. 4 - 6.
2) Barnewitz, a. a. O. S. 58.
3) 25. März 1252, Meckl. Urk.-Buch (M. U.-B.) 686. Vgl. zum folgenden: Barnewitz, a. a. O. S. 58 ff. Krause, a. a. O.
4) Vgl. S. 102 ff.
5) Siehe D auf der Karte im Anhang.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 95 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

keit auf der Warnow von der Petribrücke bis hin nach Warnemünde sowie außerhalb des Hafens sollte an die Stadt fallen 1 ). Damit also war das östliche Mündungsgebiet der Warnow in die Hand der Stadt gekommen.

Der Hafen selbst aber, "portus ipsorum", "ihre" schon seit langem gewohnheitsmäßig benutzte Durchfahrt in die See, war durch diesen Vertrag noch nicht Eigentum der Stadt geworden. Nach wie vor blieb das Hoheitsrecht beim Fürsten 2 ). So mußte die Stadt ihr Augenmerk darauf richten, auch den Hafen selbst mit allen seinen Rechten in ihre Gewalt zu bekommen. Zwölf Jahre später erreichte sie dies Ziel: Am 12. Oktober 1264 übertrug ihr der gleiche Borwin III. auch die Rechte an "ihrem Hafen" zu Warnemünde mit all seiner Nutznießung 3 ). Damit hat die Ausdehnungspolitik der Stadt einen entscheidenden Erfolg errungen. Die einzige der Mündungen, welche damals für größere Schiffe befahrbar gewesen ist 4 ), war Rostocker Macht unterstellt.

Nunmehr setzte eine längere Periode der Ruhe ein, in der keine Neuerwerbungen gemacht wurden. Nach Verlauf von zwei Menschenaltern wurde jedoch noch einmal all das Erworbene und damit das Bestehen der Stadt wieder in Frage gestellt. Es spielten damals jene bekannten Kämpfe um den Besitz des Warnowmündungsgebietes, die von Krause und Barnewitz in allen Einzelheiten beschrieben sind 5 ). Auf die Ereignisse, welche historisch bedeutsam geworden sind, muß hier kurz eingegangen werden.

Das Rostocker Land geriet im Jahre 1302 auf einige Zeit in Abhängigkeit vom Dänenkönig Erich Menved, der die Politik des großen Waldemar, die ganze Ostsee zu einem dänischen Gewässer


1) Krause nimmt a. a. O. S. 1 an, daß im Falle der Verleihung der Fischereigerechtigkeit unter "Warnemunde" das Kirchdorf zu verstehen sei, während die übrigen Stellen der Urkunde sich auf den Rostocker Seehafen (unser D) bezögen. Das ist doch wohl kaum anzunehmen. In diesem Sinne würde "bis nach Warnemünde" bedeuten "bis zum Bootsgraben". Die Fischereigerechtigkeit der Rostocker sollte sich also bis zum Bootsgraben erstreckt und dann hinter Warnemünde, an der See, wieder angefangen haben. Viel näherliegend ist doch, daß den Rostockern die Gerechtigkeit auf Warnow, Breitling, Hafen und Seegebiet vor ihrem Hafen verliehen wurde.
2) Daß "portus ipsorum" nur so interpretiert werden kann, zeigt der gleich folgende Vertrag vom 12. Okt. 1264, in dem Borwin den Rostockern jenen "portus ipsorum" als Eigentum überläßt. Vorher zeigt "ipsorum" also nur den Besitz, nicht aber das Eigentum an.
3) M. U.-B. 1021.
4) Vgl. S. 122.
5) Vgl. zum folgenden Krause, a. a. O. S. 7 - 14; Barnewitz, a. a. O. S. 67 - 88.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 96 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

zu machen, wieder aufnahm 1 ). Als die Rostocker dem König Erich und seinen bundesgenössischen Turniergästen 2 ) 1311 den Einzug in die Stadt verweigerten, beschloß der König, die widerspenstige Stadt zu demütigen. Da er selber jedoch durch anderweitige Händel abgerufen wurde, machte er den Fürsten Heinrich "Leo" von Mecklenburg zum Statthalter 3 ). Dieser blockierte noch im gleichen Jahre 1311 den Hafen, indem er beiderseits der Warnow einen mit Wall und Graben versehenen hölzernen Turm errichtete, die beide durch eine über das Wasser geschlagene Brücke verbunden wurden 4 ). Das Tief aber wurde durch Steine verstopft. Diese Maßregel, die in kurzer Zeit den völligen Niedergang der Stadt bedeuten mußte, konnte natürlich nur mit Krieg beantwortet werden. So sagten die Rostocker dem Dänenkönig auf, verjagten seinen Vogt, sandten ein Heer die Warnow hinab und vernichteten die Türme nach kurzer Belagerung. Um aber dieses wichtige Gebiet in Zukunft fest in der Hand zu haben, wurde auf der Ostseite des Tiefes wieder ein Turm errichtet, diesmal aus Stein, mit dem Material der Ruinen des Kirchturms von Fürstlich-Warnemünde und des Petriturms von Rostock, der sich damals gerade im Bau befand 5 ). Aber schon am 9. September fiel die Burg nach dreimonatiger Gegenwehr in die Hand des Statthalters Heinrich "Leo", den Erich mit der Belagerung beauftragt hatte. Und nun schien Rostocks Schicksal besiegelt: Die Feste wurde mit vier 6 ) starken Türmen umgeben, die unter sich mit Wall, Graben und Mauern verbunden waren. Sie hieß nunmehr die "Danskeborg". Es war eine großartige Wasserburg, "derghelik nen


1) Vgl. dazu auch Schäfer, Die deutsche Hansa, S. 34.
2) Barnewitz, a. a. O. S. 72 und 72, 5.
3) 6. Sept. 1311, M. U.-B. 3484.
4) Siehe die bei Barnewitz angegebenen Quellen, a. a. O. S. 75, 4 u. 5, S. 78, 2.
5) Krause, a. a. O. S. 9.
6) Krause meint a. a. O. S. 12, über die Zahl der Türme schwankten die Quellen. - Tatsächlich ist es so: Alle Quellen, einschließlich Detmar, berichten von vier Türmen. Detmar kommt nach der ersten Erwähnung der Burg (S. 199) noch einmal auf dieselbe zurück und macht nun aus den vier Türmen fünf (S. 215). Das ist für einen Kenner der Laiengeschichtsschreibung, wie sie im Norden von Detmar und Korner, im Süden von Königshofen betrieben wurde, ganz erklärlich. Das Bestreben dieser Historiographen ist es, möglichst bunt und prächtig zu schildern. Da geschieht es leicht, daß eine Burg einen Turm mehr bekommt, als es den Tatsachen entspricht. Die zweite Nachricht Detmars (auf S. 215) ist also nicht als vollwertig zu betrachten. Die Zahl der Türme der Danskeborg ist vier gewesen. (Chroniken dt. Städte, IX., Leipzig 1884.)
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 97 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

in all den landen was" 1 ). Am 7. Dezember mußte auch die Stadt selbst sich ergeben und dem dänischen König Treue schwören: Rostock war auf den Stand von 1252 zurückgeworfen. Zwar wurde die Sperrung des Hafens wieder aufgehoben. Die "Danskeborg" aber blieb bestehen. Und damit waren die Pläne, deren Verwirklichung die Stadt im 13. Jh. zugestrebt hatte, gescheitert.

Äußere Ereignisse kamen schließlich der Stadt in ihrer bedrängten Lage zu Hilfe. Im Verlaufe der Jahre 1315 - 20 hatte sich Fürst Heinrich "Leo" zum Herrn über das ganze Land Mecklenburg in seiner heutigen Ausdehnung gemacht und sich als Nachfolger der ausgestorbenen Herren des "Landes Rostock" huldigen lassen (13. Nov. 1319) 2 ). Durch seine langwierigen Kämpfe war er jedoch so in Schulden geraten, daß er schließlich, um Geld zu erlangen, der Stadt Zugeständnisse machen mußte. Am 24. September 1322 3 ) verzichtete er im Vertrag zu Gadebusch zugunsten der Stadt Rostock auf die Warnowmündung und gab die Erlaubnis zum Abbruch der Danskeborg. Es wird berichtet, daß der Preis, den die Rostocker dem Fürsten zu zahlen hatten, sehr groß gewesen sei 4 ). Aber das Objekt war des hohen Preises wert. Die Burg wurde sofort abgebrochen 5 ), und der Seehafen war wieder unbestrittener Besitz der Rostocker.

Schon im folgenden Frühjahre kam die Stadt infolge der andauernden Geldschwierigkeiten des Fürsten zu einem neuen Erfolg, der sie mit einem Schlage an das Ziel ihrer langjährigen Wünsche brachte: Am 11. März 1323 verkaufte der Fürst das Dorf Warnemünde mit Grund und Boden und allen Rechten bis an die Grenze von Diedrichshagen an Rostock 6 ). Damit war das ganze Mündungsgebiet der Warnow vom Stromgraben im Osten bis


1) Detmar, a. a. O. S. 199. Über die vermutliche Lage der Burg siehe Anhang S. 172.
2) M. U.-B. 4145.
3) M. U.-B. 4377. "dat wy ... der menen Stadt tho Rostock vorcoft hebben dat Hus unde den Thorn (Burg und Leuchtturm!) to Warnemunde, also dat sy dat (nur "dat Hus"!) breken scholen." Vgl. dazu Lindeberg, Chron. Rost. 1576, IX, 1 zu 1322: "... lassen allein den neuen Turm oder die Leuchte stehen". Latomus, Gen. chron. Megapol. (Westphalen, Mon. ined. IV) 1610 "ohn die Leuchte ..." (Der Zusatz "so noch stehet" beruht natürlich auf einem Irrtum! Der Chronist denkt an die Leuchte bei A, weiß also offenbar nichts mehr vom ältesten Tief D).
4) Detmar, a. a. O., Kap. 527 S. 215.
5) Kämmereirechnung von 1325: "area, ubi turris quondam steterat" (M. U.-B. 4608 S. 255). Vgl. dazu Anm. 3 dieser Seite.
6) M. U.-B. 4424: "Praeterea trans fluvium Warnowe .... villam Warnemunde cum proprietate ... pleno jure Lubicensi."
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 98 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

nach Diedrichshagen im Westen einschließlich jenes Hafens, den Fürst Heinrich Borwin III. im Jahre 1261 in Fürstlich-Warnemünde angelegt haben soll 1 ), Eigentum der Stadt Rostock geworden.

Kapitel II.

Die Geschichte des Rostocker Seehafens bei Warnemünde bis zum dreißigjährigen Kriege.

§ 1.

Die Lage des Rostocker Seehafens in der ältesten Zeit.

Über die Lage des Rostocker Seehafens in der ältesten Zeit sind bereits Untersuchungen veröffentlicht 2 ). Für die Darstellung der ersten Jahrhunderte ist also eine Auseinandersetzung mit den früheren Forschungsergebnissen erforderlich. Über die spätere Entwickelung des Hafens liegen noch keine Arbeiten vor. In den betreffenden Abschnitten kommen demnach die Ereignisse zur Darstellung, die zum überwiegenden Teil der Forschung noch unbekannt sind.

Bevor wir jedoch beginnen, müssen zum Verständnis des Folgenden einige Bemerkungen vorausgeschickt werden. Zunächst eine Erklärung des Wortes "Tief". Mit diesem Worte bezeichnen die Küstenbewohner Durchbrüche eines Wassers durch einen Landstrich, sei es nun Durchbrüche durch größere Landmassen, wie es z. B. Tiefs gibt zwischen Rügen und dem Festlande und zwischen den Inseln des dänischen Archipels 3 ), sei es, daß Durchbrüche durch Haffdünen damit gemeint sind, wobei das Memeler und Danziger Tief als Beispiele herangezogen werden mögen. Es ist dabei gleichgültig, ob diese Durchbrüche eine natürliche oder künstliche Ursache haben, ob sie, wie im Falle einer Haffdüne, vom Meere oder vom Festlande her durch einen Fluß erfolgt sind: stets wird das aus


1) Barnewitz S. 56 Anm. 3: "Im Jahre 1261 soll auch von Heinrich Borwin III. der Hafen von Warnemünde angelegt sein. S. Hane, Übersicht ... 1804 S. 98; Raabe, Meckl. Vaterlandskunde T. II Bd. 3 S. 89. Beide ohne Quellenangabe. 1325 besteht jedenfalls schon ein Hafen in Warnemünde. Denn von Rostock wird im Jahre 1325 laut M. U.-B. 4608 S. 254 "Warnemunde et portus ibidem" erworben.
2) Vgl. S. 93, Anm. 1.
3) S. auf der Seekarte (Ausg. 1873, verm. v. "Pommerania" u. "Blitz"): Krogshage-Tief bei Gjedser. Schmettau, Karte des Herzogtums Meckl.-Schwerin, 1788: "Binnendüpe" im Ribnitzer Bodden.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 99 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

solchen Ursachen entstandene Gebilde mit dem Namen "Tief" belegt werden können. Diese Definition zeigt, daß das Wort verschiedenartige Bedeutungen haben kann. Man wird dies für die weitere Untersuchung im Auge behalten müssen. Denn innerhalb der von uns untersuchten Jahrhunderte sind durch die der Unterwarnow vorgelagerte Düne Durchbrüche der verschiedensten Art erfolgt. Alle aber werden von den Schreibern jener Quellen, auf denen sich unsere Arbeit aufbaut, mit dem einen Namen "das Tief" oder gar bunt durcheinander "das neue Tief" bzw. "das alte Tief" benannt, woraus Krause geschlossen hat, daß es wahrscheinlich unmöglich sein werde, jemals diese Frage zu klären 1 ).

Ähnlich verhält es sich mit dem Worte "fangen". "Das Tief wurde gefangen", so heißt es in den Quellen überaus häufig. Barnewitz sagt, mit "fangen" sei das "Zurückdämmen und Befestigen der lockeren Ufermassen" gemeint 2 ). Auch Krause faßt es so auf 3 ). Nach dem Wörterbuch von Grimm 4 ) wird "fangen" bei Gewässern in der Bedeutung "Einfangen, Eindämmen, Einfassen" gebraucht. Als Beispiel ist eine Stelle aus der "Carolina" (169) angeführt: "Fließend ungefangen Wasser". Danach ist die Erklärung von Barnewitz und Krause nicht falsch; das Befestigen der Ufer im Gebiete des Hafentiefs kann mit "fangen" bezeichnet werden. In den Rostocker Quellen wird jedoch in diesem Sinne das Wort niemals gebraucht. Hier kommt es in zwei weiteren Bedeutungen vor, die weder in dem Wörterbuch von Grimm noch in dem von Schiller-Lübben belegt sind 5 ). Zunächst ein Beispiel für eine umumfassendere Bedeutung des Wortes "fangen": Als im Oktober 1582 beim Radelsee ein Tief durchbricht, bemerkt der Ratsschreiber, damals sei "alle Arbeit mit Fangung und Säuberung des Tiefes verdorben". Das Wort Säuberung beweist, daß hier von dem Verderb des Hafentiefs (A) gesprochen wird. Es ist infolge des Dünendurchbruches nicht mehr "gefangen", also "ungefangen". Diese Auffassung muß zunächst Wunder nehmen, da das Hafentief doch ein ganz bestimmter, örtlich begrenzter Wasserlauf ist, der mit dem womöglich weit von ihm entfernten Dünendurchbruch nur infolge des ihn durchströmenden Wassers Zusammenhang hat. Hier muß also eine Bedeutungsübertragung stattgefunden haben von den Wassern, die das Hafentief durchströmen auf das Tief selbst,


1) Krause, a. a. O. S. 16 oben.
2) Barnewitz, a. a. O. S. 62 Anm. 2.
3) Krause, a. a. O. S. 16.
4) Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. III Sp. 1313.
5) Schiller und Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, V 197.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 100 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

ein Vorgang, der ja in der deutschen Sprache häufig stattfindet 1 ). "Das Tief fangen" bedeutet also, allen seinen Wassern, d. h. allen Wassern der Warnow einschließlich ihres Boddens das freie Fließen verwehren und ihnen nur den einen Ausweg durch das Hafentief freigeben. Mit dieser Maßnahme verfolgte man eine bestimmte, hafenbautechnisch sehr wichtige Absicht: Das ausströmende Wasser sollte das Fahrwasser von Sand und Schlick säubern, und es ist erklärlich, daß diese Selbstreinigung 2 ) des Flusses um so mächtiger wirkte, je mehr Wassermassen sein Bett durchströmten, daß sie dagegen mehr oder weniger versagen mußte, wenn an einem anderen Orte die Warnowfluten Gelegenheit hatten, ins Meer zu gelangen. Deshalb hat man stets versucht, Durchbrüche der Düne möglichst schnell wieder zu verstopfen. Man wußte: Eine "schlimme" Haffdüne bedeutete ein "schlimmes" Tief und konnte Ursache vollkommener Versandung werden 3 ). Als in der Domfehde 4 ) der Feind sich des Warnemünder Gebietes bemächtigt hatte, wurde von ihm die Haffdüne zum Schaden der Stadt durchstochen. Bezeichnend ist der Zusatz des Chronisten, mit dem diese Tat begründet wird: "Damit das Wasser überall ginge" 5 ), heißt es in der Chronik. Man war also schon im 15. Jh. sich dieses Zusammenhanges zwischen Düne und Hafentief wohl bewußt: Nur die "gefangenen" Wassermassen vermochten das Tief sauberzufegen. Dies ist das Kernproblem aller Arbeiten am Rostocker Seehafen gewesen. Wir werden im Laufe der Darstellung sehen, wie alle Arbeit in diesem Sinne getan wird: Die Wasser des Flusses immer mehr noch einzufangen, um ihnen größere Gewalt zu geben. Es ist bemerkenswert, daß selbst noch im Jahre 1837 eine Flußregulierung unter diesem Gesichtspunkt stattgefunden hat: Der "Durchstich" des Pagenwerders 6 ). Da Barnewitz und Krause das Wort "fangen" in dieser ursprünglichen, weiteren Bedeutung nicht kennen, sondern es einschränken auf Arbeiten an den Ufern des Hafentiefes und es demnach erklären als ein Eindämmen der lockeren Ufermassen am Tiefe A, so ist es erklärlich, daß sie zu unrichtigen Schlußfolgerungen gelangten.

In den Rostocker Quellen wird "fangen" noch in einer dritten Bedeutung verwendet: Wenn das "ungefangene" Wasser des


1) Der sogenannte Subjektswechsel.
2) Vgl. S. 149 ff.
3) Vgl. S. 127.
4) Barnewitz, a. a. O. S. 93 ff.
5) Vgl. S. 117.
6) Barnewitz, a. a. O. S. 287.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 101 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Hafen-Tiefes wiederum gefangen wird, indem z. B. ein Durchbruch verstopft wird, so wird auch das Verstopfen dieses Dünendurchbruches "fangen" genannt, und zwar wird es nunmehr übertragen auf den ja gleichfalls mit dem Worte "Tief" bezeichneten Durchbruch. "Das Tief wurde gefangen" kann also unter Umständen auch in übertragener Bedeutung gebraucht werden und ist dann als Verstopfen eines Dünendurchbruches auszudenken. Als z. B. im Jahre 1459 bei B ein Durchbruch erfolgt, der nun "neues Tief" genannt wird, da wird es gefangen, indem man es mit versenkten Kisten, Strauchwerk u. dgl. verstopft 1 ). Und als 1581 die Herren des Rates nach Warnemünde fahren, um den Durchbruch "nebenst der Heiden" (E), gleichfalls "das neue Tief" genannt, anzusehen und über die notwendigen Arbeiten zu beraten, da macht der Ratsschreiber den Zusatz "Und solches alles zur abschaffung (!) und dempfung (!) des neuen Tieffs" 2 ). Da im weiteren dann wieder von dem "fangen" dieses Tiefes gesprochen wird, so ist es hier gleichfalls in der übertragenen Bedeutung "verstopfen, zuschütten" gebraucht.

Das "fangen" eines Dünendurchbruches bewirkte natürlich gleichzeitig das Einfangen der Wasser des Hafentiefes in dem weiteren Sinne. So haben wir denn im Jahre 1582 beide Bedeutungen des Wortes nebeneinander. In den Quellen wird berichtet, daß am 14. Juli 1582 das "neue" Tief "gefangen" wurde. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, daß einige der Schreiber die Zuschüttung des Durchbruchtiefes, des "neuen Tiefes nebenst der Heiden" (E) meinen, daß andere aber die dadurch bewirkte Einfangung des Warnowwassers und somit die "fangung" des gleichfalls "neues Tief" genannten 3 ) Hafentiefs "A" im Auge haben. Dieses Beispiel ist wohl geeignet, die verschiedenen Bedeutungen der Begriffe "Tief" und "fangen" zu veranschaulichen, gleichzeitig aber auch eine Vorstellung davon zu vermitteln, mit welchen Schwierigkeiten die Forschung bei der ungenauen und ungleichen Ausdrucksweise der Quellen zu kämpfen hat. Erst aus der Fülle und dem Zusammenhang der Quellen heraus war es möglich, in das verwirrende Durcheinander, an dem die bisherige Forschung gescheitert war, Klarheit zu bringen.

Zunächst die Ergebnisse der früheren Forschung: "Am Seegestade zwischen Warnemünde und Markgrafenheide finden sich mehrere Stellen, die den Beinamen "Altes Tief" führen, und na-


1) Vgl. S. 116.
2) Rost. Ratsarchiv: Ratsprotokoll (R. Pr.) 1581 Febr. 15.
3) Vgl. S. 125.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 102 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

mentlich sind östlich ganz unzweifelhafte Spuren alter Hafenwerke, sowohl in der See als in den Wiesen", so schreiben Lisch und Mann in ihrem Aufsatz "Beiträge zur älteren Geschichte Rostocks" im Jahre 1856 1 ). Bei der Erklärung der Quellen, die über Rostocks Hafen in der ältesten Zeit etwas aussagen, kommen sie aber doch zu dem Ergebnis, daß der Schiffsverkehr in historischer Zeit stets durch den später so genannten "alten Strom", das von uns mit A bezeichnete Tief 2 ), gegangen sei. Von den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts an hat sich dann Ludwig Krause, wie aus seinen im Rostocker Ratsarchiv befindlichen hinterlassenen Akten hervorgeht, mit dieser Frage beschäftigt. Er ist im Verlaufe seiner Forschungen zu der Ansicht gekommen, daß der ursprüngliche Hafenort Warnemünde nicht mit dem Kirchdorf gleichen Namens gleichzusetzen ist. Als Krause dann in der ersten Auflage des Buches von Barnewitz "Die Geschichte des Hafenortes Warnemünde" 3 ) von den in der Nähe des heutigen Rettungsschuppens befindlichen alten Steinkisten-Bollwerken 4 ) erfuhr, nahm er diese Mitteilung auf und veröffentlichte die Ergebnisse seiner Arbeiten 1923 in einem Zeitungsaufsatze und in den "Beiträgen zur Geschichte der Stadt Rostock" 5 ). Diese Veröffentlichungen haben den Hauptanstoß zu der vorliegenden Untersuchung gegeben. Krause geht aus von dem schon erwähnten Vertrag Borwins III. (1252), worin jener Fürst der Stadt Rostock die Heide "secus marinum litus usque ad orientalem ripam siue ad aquam fluminis Warnemunde" 6 ) verkauft. Da hierbei von dem "portus ipsorum", von "ihrem" Hafen die Rede ist, der dann 1264 unter Stadtrecht gestellt wird 7 ), das Kirchdorf Warnemünde nach 1264 aber noch 59 Jahre fürstlich bleibt, also erst im Jahre 1323 in städtischen Besitz kommt 8 ), so könne, sagt Krause, der Rostocker Hafen am "flumen Warnemunde" und das Kirchdorf Warnemünde in jener Zeit nicht das-


1) Lisch, Jahrb. d. Ver. f. Meckl. Gesch. (J. M. G.) XXI S. 25 - 26.
2) Siehe die verschiedenen Flußläufe auf der im Anhang beigegebenen Karte.
3) Barnewitz, Geschichte des Hafenortes Warnemünde, 1. Aufl., S. 3 f.
4) Die Bollwerke, die Barnewitz in der ersten Auflage seines Buches noch für wendischen Ursprungs hielt, bestanden aus aneinandergesetzten, mit Steinen und Strauchwerk gefüllten Kisten (s. S. 154 ff.). Die Warnemünder nennen dies Bollwerk noch heute "de ollen kisten" (s. Krause, a. a. O. S. 6).
5) Vgl. S. 93, Anm. 1.
6) M. U.-B. 686.
7) M. U.-B. 1021.
8) M. U.-B. 4424.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 103 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

selbe gewesen sein. Diese Feststellung ist sicherlich richtig und ein unzweifelhaftes Verdienst der Krauseschen Arbeit. Bedenklich aber ist Krauses Versuch, die Örtlichkeit des Rostocker Hafens festzulegen. Er führt das bei Barnewitz beschriebene Bollwerk an und sagt dann: "Da haben wir den gesuchten ältesten Seehafen an der Warnowmündung, den Warnemünder Hafen der Fürstenurkunden von 1252 und 1264" 1 ). Mir scheint dies keine einleuchtende Beweisführung zu sein. Sie ist auch ohne Zweifel erst durch die Beschreibung des alten Kistenbollwerks veranlaßt, denn - dessen muß man sich stets bewußt bleiben - die von Krause herangezogenen Quellen sagen zwar mit Gewißheit aus, daß der Rostocker Hafen nicht identisch gewesen ist mit dem Kirchdorf Warnemünde, nicht aber, daß dieser Hafen nicht am "Alten Strom", also an dem von uns so genannten Tief A gelegen habe. Es wäre durchaus möglich, daß mit der "orientalis ripa ... fluminis Warnemunde" das Ostufer des "Alten Stroms" gemeint ist (A), daß also auf dieser Ostseite die Rostocker ihre Hafenhäuser hatten, während jenseits, auf dem Westufer, das Kirchdorf Warnemünde gelegen war. Ebenso ist aus dem bloßen Vorhandensein jenes Kistenbollwerks zunächst noch gar nichts zu entnehmen, und so ist die Annahme Krauses um nichts stichhaltiger als die von Barnewitz, daß die "ollen Kisten" Reste des "alten Hafens der Wenden" seien 2 ). Es müßten also weitere Beweise für Krauses Ansicht erbracht werden, denn der einzige von ihm angeführte, auch das Rostocker Gewett stände auf diesem Standpunkt - im Jahre 1909! - , ist doch wohl nicht ernst zu nehmen 3 ).

Krauses Vermutung, der alte Rostocker Hafen habe nicht am Tiefe A gelegen, wurde dann durch Friedrich Barnewitz, der sich in der zweiten Auflage seines Buches 4 ) diese Ansicht zu eigen machte, durch eindeutige Beweise, die er jedoch merkwürdigerweise alle nebenbei, in Anmerkungen liefert. zur Gewißheit gebracht 5 ). Er teilt eine Stelle aus den Kämmereirechnungen des Jahres 1323 mit 6 ), worin die Rede davon ist, daß nunmehr "Warnemünde et portus ibidem", Warnemünde und der Hafen daselbst im Besitz von Rostock sei. Das deutet darauf hin, daß es


1) Krause, a. a. O. S. 6.
2) Vgl. S. 102, Anm. 3.
3) Krause, a. a. O. S. 6. Krause führt eine Bekanntmachung des Rostocker Gewetts aus dem Frühjahr 1909 an und schließt dann: "Also das Gewett nimmt diese Steinkisten auch für die alten Warnemünder Hafenbauten".
4) Barnewitz, a. a. O. S. 62 ff.
5) Barnewitz, a. a. O. S. 87, Anm. 1; 55, Anm. 2; 77, Anm. 5.
6) Vgl. S. 98, Anm. 1.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 104 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

damals im Gebiet der Breitlingsnehrung zwei Häfen gegeben hat, einen, den die Rostocker von alters her benutzten und seit 1256 besaßen, und einen andern, den sie mit Warnemünde bekamen 1 ). Wichtiger ist eine zweite Quellenstelle, die Barnewitz anführt 2 ). In dem Kämmereiregister von 1325 wird eine Wiese genannt, "pratum dictum Mandel" mit dem Zusatz "apud aream, ubi turris quondam steterat" 3 ), bei dem Gelände, wo früher der Turm gestanden hat. Dieser Turm, die oben genannte Danskeborg 4 ), war 1323 abgerissen 5 ) und hat nach dem übereinstimmenden Bericht aller Chronisten auf dem Ostufer der Warnowmündung gestanden 6 ). Da nun jedoch östlich des "Alten Stroms" (A) sich von je die "Vogtswiese" erstreckt hat, die Vogtswiese, die in demselben Kämmereiregister des Jahres 1325 bereits erwähnt wird, so kann die Danskeborg nicht auf dem Ostufer des Tiefes A gestanden haben. Sie ist vielmehr an einem anderen der weiter östlich gelegenen Warnowausläufe zu suchen. Die weitere Frage wäre nun, wo dieser östliche Warnowauslauf sich befunden hat.

Es hat östlich des Tiefes A noch mindestens vier Mündungen oder Durchbrüche gegeben 7 ): Das "alte Tief" gleich östlich des


1) Vgl. S. 98.
2) Barnewitz, a. a. O. S. 77, Anm. 5.
3) Vgl. S. 97, Anm. 5.
4) Vgl. S. 96.
5) Vgl. S. 97.
6) Z. B. Kirchbergs Reimchronik (Chronicon Mecklenburgicon, in Westphalen, Mon. ined., Lpzg. 1739 - 45, Tom IV, 594 ff., geschr. 1378) Cap. CXLVII, S. 797 (nach der Zerstörung der beiden Türme wird der eine wieder aufgebaut): "ich meyn dy Burg geyn Ostin wart .. " Die Ostburg also ist die Danskeborg.
7) Vgl. z. folg.: Krause, a. a. O. S. 4 - 6; Barnewitz, a. a. O. S. 31, 32. Dazu die Karte im Anhang. Das Tief D ist Krause und Barnewitz noch unbekannt gewesen. Mir lagen zur Untersuchung folgende Quellen vor:
1631 Plan v. Rost. mit Wmde. (Geh. u. Haupt-Arch., Schwerin).
1696 Lust, Gründl. Abriß d. Stadt Rostock Heyde (Schw., neuere Kopie in Rost. Vgl. B. G. R. II 1, S. 25 ff.).
1719 Karte v. Rost. u. Wmde.:
    1. N. N., erste Fassung. (Schwer.),
    2. Zülow, zweite Fassung, Pause von 1, vermehrt (Rost. Ratsarchiv),
    3. Isenbarth, flüchtige Pause von 1, über 2 hinaus vermehrt (Rost.).
1748 Kopie von Isenbarth. Mitget. v. Barnewitz, a. a. O. S. 64.
1748 Karte von Möller (Rost.). Vgl. B. G. R. III, 2 S. 29 ff.
1778 Hafenbuch des Zimmermeisters Diercks (Rost.). Vgl. B. G. R. III, 2 S. 29 ff.
(  ...  )
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 105 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

"Stroms" (siehe Karte: B), das "alte Tief" bei der "hohen Düne" (C), den Ausfluß beim Radelsee (E) und womöglich noch einen am "heiligen See" 1 ). Der letztere scheidet natürlich ohne weiteres aus. Die beiden ersten, von den Warnemünder Fischern 2 ) bis in die neueste Zeit so benannten "alten Deepe" kommen am ehesten in Betracht, und es ist nur die Frage, für welches der beiden man sich entscheiden soll. Das westliche Tief (B) ist auf allen Karten vor 1903 3 ) als langgestreckter Teich, ähnlich einem alten Flußlauf, zu sehen. Das östliche, C, soll dort gelegen haben, wo der Breitling am weitesten an die Düne heranreicht, beim sogenannten "Fulen Urt" 4 ). Die Fischer nennen noch heutzutage diese Gegend "Olle depe" und erzählen, daß man an dieser Stelle früher habe ins Meer fahren können. Als nun das Buch von


(  ...  ) 1770/80 Wiebeking, Meckl. Landesaufnahme (Schw.). Entwurf zu:
1788 Schmettau, Karte des Herzgt. Meckl.-Schw., Druck.
1796/1809 Karte von Tarnow, zwei Expl. (Rost.).
1877/1879 Preuß. Landesaufnahme, Druck.
1888 Karte v. d. Unterwarnow u. d. Breitling (Rost. Hafenbauamt)
Vor 1903 Karte d. Stromgebiets der U.-Warnow von Rost. bis durchs Seegatt (Rost. Haf.-B.-Amt).
Bemerkung zur Datierung der Karten von 1719: Eingehende Untersuchung ergab, daß die Schweriner Karte (Papier, unaufgezogen) das Original ist. Tiefe Furchen zeigen, daß Pausen von ihr entnommen wurden. Einige Furchen sind sehr ungenau. Die Farben sind im Vergleich zu den beiden andern Karten frisch. - Die Karte von Zülow (auf Leinen, daher gedunkelt, auf Holz aufrollbar) stimmt mit der vorigen überein. Das Schiff im NO. von Warnemünde sowie die Windrose beweisen das. Zusätze (Nr. 123 - 128 sowie einige Bezeichnungen auf Warnemünder Gebiet) zeigen, daß diese Fassung später zu setzen ist. - Die Umrißlinien der Karte von Isenbarth (auf Leinwand, Farbe gedunkelt) weichen von denen der beiden vorhergehenden Karten ab, doch entsprechen sie genau den ungenauen Pausenfurchen der Schweriner Karte. Das Schiff auf See ist durchkopiert, doch mit entgegengesetzter Fahnenstellung. Windrose ohne sorgfältige Lilienzeichnung. Gegenüber Zülow noch ein weiterer Zusatz (Nr. 129). Somit ergibt sich, daß die Schweriner Karte das Original, Isenbarth eine erweiterte zweite Auflage, Zülow eine sehr oberflächliche, erweiterte Kopie ist.
1) S. Krause, Die Rostocker Heide (B. G. R. XIII, 1926 S. 49/50).
2) Barnewitz, a. a. O. S. 30, 2.
3) Z. B. Preuß, Landesaufnahme 1877, Hgg. 1879. 1903 finden die großen Hafenumbauten statt.
4) Barnewitz verlegt a. a. O. S. 32 den "faulen Ort" nach dem Radeldurchbruch (E). Ob es sich hier um eine Verwechselung mit dem "Priewerder" (Fauler Werder) handelt? Der "Priewerder" lag nach Tarnow bei der "Radel" (s. Karte im Anhang), nicht. wie Barnewitz a. a. O. S. 182 schreibt, nahe den Pinnwiesen. Der "Faule Ort" war die Breitlingsbucht bei C (Rostocker Straßenfischer, Möller a. a. O., Lust a. a. O. ["Faul Holtz" und "Faul Ort"], Barnewitz auf S. 183).
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 106 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Barnewitz mit seinem Bericht von den alten Molenbauten westlich des Rettungsschuppens erschien, griff Krause diesen Hinweis auf, entschloß sich für das östliche Tief (C) und vertrat die Ansicht, daß hier das alte Fahrwasser und damit auch die Stelle zu suchen sei, an der vorzeiten die Danskeborg gestanden habe. Er fügte eine Kartenskizze bei, auf der das Fahrwasser als durch jene schmalste Landstelle gehend verzeichnet wird. An der Mündung dieses Tiefes in die Ostsee sind die "Kisten" als Molen wiedergegeben; Barnewitz folgt dann in der zweiten Auflage seines Buches dieser Ansicht 1 ).

Hierbei ist Krause jedoch ein Irrtum unterlaufen. Auf einer alten Karte des Rostocker Ratsarchivs, die er unzweifelhaft gekannt hat 2 ), ist nämlich bei C ein kleiner Graben gezeichnet, der bis an die Dünen heranreicht. Diesen Graben nahm Krause, unterstützt durch die Aussagen der alten Fischer, als den Rest des gesuchten ältesten Tiefs an und brachte es nun, wie man aus seiner Skizze ersieht, mit dem von Barnewitz beschriebenen Kistenbollwerk an der See in Verbindung. Doch hat weder er noch Barnewitz daran gedacht, zu prüfen, ob dieser Graben denn überhaupt mit jenen alten Kisten in Verbindung steht.

Diese Verbindung besteht jedoch nicht! Das Bollwerk befindet sich wohl 500 m östlich jenes Grabens, etwas westlich vom Rettungsschuppen. C aber befindet sich etwas östlich der sogenannten "Hohen Düne". Besser gesagt, jenes Tief lief genau durch die Osthälfte des am weitesten nach Osten gelegenen Flugschuppens ("Halle VII"). Wenn also das bei Barnewitz beschriebene Bollwerk den Rest einer früheren Mole darstellt - und eine andere Deutung der "ollen Kisten" ist gar nicht möglich - , so mußte der auf sie zugehende Warnowauslauf weiter östlich als "C" zu suchen sein.

Ein solcher Flußarm ist auf einer von Tarnow 3 ) gezeichneten Karte von 1809, die sich im Rostocker Ratsarchiv befindet, angegeben. Sowohl den Einlauf dieses mit D bezeichneten Tiefes als auch seinen Auslauf in die See, der genau auf die Gegend der "alten Kisten" gerichtet ist, hat Tarnow als "olles Fohrwater" bezeichnet. Den Mittellauf nennt er "olle Düpe". Damit war die Lage eines vor dem Warnemünder Strom (A) als Fahrwasser benutzten Tiefes, vielleicht des ältesten überhaupt, bekannt. Der


1) Barnewitz, a. a. O. S. 62.
2) Karte von Möller im Rost. Rats-Archiv (1748?). Nach dieser Karte hat Krause, wie aus seinem Nachlaß hervorgeht, eine Kopie angefertigt.
3) Karte von Tarnow 1796/1809, zwei Expl. im Rost. Rats-Archiv. Vgl. Kohfeldt "Rostock im Jahrzehnt 1780 - 1790", Rostock 1918.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 107 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

auch auf der Schmettauschen Karte 1 ) angeführte, wenn auch nicht benannte Flußlauf gleicher Gestalt war damit gleichfalls erklärt. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß auf der sogenannten Wiebekingschen Karte 2 ), die zwischen 1770 und 1780 angefertigt wurde und den Entwurf zu der Schmettauschen Ausgabe bildete, derselbe Graben und gleichfalls am Ein- und Auslauf mit der Benennung "Altes Fahrwasser" zu finden ist. Ich begab mich nunmehr an jene Stelle der Küste, wo die "Alten Kisten" sich befinden, um womöglich den alten Flußlauf wiederzufinden. An Hand der Karte gelang es sofort 3 ). Daß dieser alte Wasserlauf wirklich jenes älteste Tief gewesen ist, an dessen Ufer einst der Kampf um die Danskeborg getobt hatte, ist nunmehr leicht zu erweisen. Es gibt nur vier Mündungen, die mit dem Namen "depe" bezeichnet sind: A, B, C und D. Das Tief A fällt nach den bisherigen Ausführungen ohne weiteres aus 4 ). Von den übrigen dreien ist nur D auf den Karten von Schmettau und Tarnow als "Olles Fohrwater" bezeichnet. Es besteht somit sehr große Wahrscheinlichkeit, daß D der älteste Hafen der Stadt Rostock gewesen ist. Folgende Erwägungen machen dies zur Gewißheit: Angenommen, unsere Vermutung sei falsch, dann müßte D vor oder nach dem von uns gesuchten ältesten Rostocker Tief als Durchfahrt und Hafen gedient haben. D könnte z. B. schon lange vor der Einwanderung der Deutschen, von den Wenden etwa, als Hafen benutzt sein. Die Rostocker hätten dann später einen anderen Mündungsarm oder Meeresdurchbruch zum Hafen gemacht, etwa B oder C. Diese Annahme ist jedoch völlig unhaltbar. Sie setzt voraus, daß die Zeichner des 18. Jh. ein altes Wendentief auf ihren Karten "Olles Fohrwater" genannt hätten, das schon um 1300, zur Zeit der Kämpfe um die Danskeborg, nicht mehr benutzt wurde und somit seit jener Zeit kein Fahrwasser mehr war, eine Durchfahrt also, über deren Geschichte und Lage nie etwas in der Überlieferung erwähnt wird, die außerdem im 18. Jh. längst dem Interesse entrückt ist. Der älteste Rostocker Hafen aber, jenes Tief, an dessen Ufern die Danskeborg gestanden hatte und die Kämpfe sich abspielten, die in der Rostocker Geschichtsschreibung nicht geringen Raum einnahmen, dieser oft genannte und geschichtenumsponnene Hafen müßte jener Annahme nach von den Zeichnern zugunsten eines sonst unbekannten, dem damaligen Interesse durchaus fernen wen-


1) Schmettau, a. a. O.
2) Wiebeking, Meckl. Landesaufnahme 1770/80. Entwurf zu Schmettau, a. a. O.
3) Siehe Ausgrabungsbericht im Anhang, S. 170 ff.
4) Vgl. S. 102 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 108 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

dischen Tiefs vernachlässigt sein. Das alles ist außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit und somit die Annahme, D habe schon lange vor dem ältesten Seehafen der Rostocker als Tief gedient, als falsch abzulehnen. Freilich ist es nicht ausgeschlossen, daß das Rostocker Tief direkt aus dem Wendentief hervorgegangen ist. Von diesem Fall aber abgesehen, wo ja D als ursprüngliches Wendentief am Ende doch zu dem von uns gesuchten ältesten Rostocker Seehafen wird, müssen wir sagen, daß unmöglich D, da es im 18. Jh. noch als "Olles Forwater" bezeichnet wird, vor dem ursprünglichen Hafen der Rostocker bestanden haben kann. Aber auch nachher nicht. Zwar könnte man behaupten, die Lage des ältesten Hafens sei, nachdem er von D abgelöst war, in den folgenden Jahrhunderten in Vergessenheit geraten, D aber sei dann um 1580 1 ) durch A ersetzt; die Erinnerung an dieses vorletzte Fahrwasser D habe sich erhalten und sei so Anlaß zu der Bezeichnung auf den Karten des 18. Jh. geworden. Doch auch diese Annahme läßt sich leicht widerlegen: Wie an anderer Stelle ausgeführt wird, hat D als Hafen infolge seiner Lage und seines gewundenen Laufes sehr erhebliche Nachteile, die eines Tages zur Verlegung an einen anderen Ort führen mußten 2 ). Bei C aber ist, wie man aus der Karte ersieht, eine um vieles bequemere Durchfahrt. Es ist wohl kaum anzunehmen, daß ein besserer Hafen zugunsten eines schlechteren aufgegeben ist. So wenig, wie etwa B mit seinem guten Boden und seiner w-ö gerichteten Küste durch D ersetzt sein kann. Demnach muß D älter sein als C und B. Da ferner nach 1323 der Stadt Rostock bereits das ganze Mündungsgebiet der Warnow einschließlich des alten Stroms A 3 ) mit seinen günstigeren Hafenbedingungen 4 ) zur Verfügung stand, ist es ebensowenig denkbar, daß noch nach diesem Zeitpunkt bei einer Hafenverlegung das um vieles ungünstigere D dem guten Tiefe A vorgezogen wäre. Wenn also D als "olles Fohrwater" bezeichnet wird, dann muß es schon vor 1323 "Fohrwater" gewesen sein. Wir haben demnach in D wirklich den ältesten Rostocker Seehafen wiedergefunden. Da an seinen Ufern die 1323 noch bestehende Danskeborg gelegen hat, so ist zu hoffen, daß zu der einen Entdeckung eines Tages noch eine weitere kommt: Die Auffindung der Reste der alten dänischen Zwingburg 5 ).


1) Vgl. S. 110 mit Anm. 3.
2) Vgl. S. 110.
3) Vgl. S. 97.
4) Vgl. S. 109.
5) Eine Beschreibung des Tiefs in seinem heutigen Zustand sowie Bemerkungen über die vermutliche Lage des Danskeborg finden sich S. 170 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 109 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
§ 2.

Der Rostocker Hafen im 14. und 15. Jahrhundert.

Als Rostock im Jahre 1325 in den Besitz des ganzen Warnowgebietes gekommen war, hätte einer Verlegung des Hafens nach dem Westen an die noch heute benutzte Stelle (A) nichts im Wege gestanden. Krause meint denn auch, sie wäre bald darauf erfolgt 1 ). Einige Gründe für die Verlegung sind von den bisherigen Bearbeitern dieses Themas angegeben 2 ): Der Boden im Warnemünder Gebiet war, wenn erst ein gut ausgetieftes Flußbett vorhanden war, wegen seiner härteren Struktur für einen Hafen besser geeignet als der sandige Untergrund im Osten 3 ). Auch war im Westen im Gegensatz zu dem Sumpfgelände des Ostens mehr Ausdehnungsmöglichkeit vorhanden. Zunächst aber war, wie es auch mündlich überliefert ist 4 ), der "Alte Strom" (A) an seinem Auslauf noch ein sehr flaches, oft genug hin- und herpendelndes Rinnsal, während sich das "Alte Tief" D in einem einigermaßen brauchbaren Zustand befand. Auch scheint die Frage des Baugeländes erst im 14. Jahrhundert brennend geworden zu sein. Bis dahin haben offenbar die wenigen "boden" der Rostocker Bürger am Tiefe D genügend Platz gehabt 5 ). Der meines Erachtens wichtigste Grund aber, der über kurz oder lang zu einer Verlegung führen mußte, ist von den bisherigen Bearbeitern nicht genannt! Es ist ein schiffahrtstechnischer Grund. Vergegenwärtigt man sich auf der Karte die Lage dieses ältesten Hafens - die Küste hat NO-SW-Richtung, die Mündung läuft gar fast genau von O nach W - , so sieht man, daß diese Lage in einem Lande mit vorherrschend westlichen Winden für einen Hafen nicht günstig war: Der vorherrschende Wind und demnach auch die vorherrschende Wellenrichtung waren direkt gegen den Hafenmund gerichtet. Das war sowohl für die Hafenanlagen als auch für die Schiffahrt eine stete große Gefahr. Den Hafenmund freilich konnte man durch entsprechende Maßnahmen einigermaßen schützen. Das hat man auch getan. Wir haben das Bollwerk bereits oben kennen gelernt 6 ). Es ist eine meisterhafte Lösung des schwierigen


1) Krause, a. a. O. S. 16.
2) Krause, a. a. O. S. 15/16.
3) Im Westen findet sich ein toniger Sand, die sogenannte "Klei". S. Barnewitz, a. a. O. S. 24.
4) Krause, a. a. O. S. 15.
5) Über die "Boden" der Bürger siehe S. 120 mit Anm. 3.
6) Vgl. S. 102 mit Anm. 4.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 110 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Problems, in dieser gefährdeten Lage ein Bollwerk vor den Hafenmund zu bauen. Die Gefahr für die Schiffahrt aber blieb nach wie vor bestehen. Es muß bei starkem Westwind recht schwierig gewesen sein, das Schiff sicher in den Schutz der Mole hineinzusteuern. Ständig war Gefahr, von der Brandung ergriffen und gegen die Küste getrieben zu werden. Je größer und damit auch je schwerfälliger die Schiffe im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurden, desto schwieriger mußte es werden, die Mündung sicher zu treffen. Dies scheint mir das allerwichtigste Moment zu sein, das eines Tages darauf hinführen mußte, den Hafen nach dem Westen zu verlegen, wo die Küste genau WO-Richtung hatte und deshalb den vorherrschenden Winden nicht so ausgesetzt war wie im Osten. Ganz bestimmte Notwendigkeiten drängten demnach darauf, das alte Tief, das 1256 in den Besitz der Rostocker gekommen war, aufzugeben und weiter westlich ein neues Tief anzulegen: Je mehr der Handel der hansischen Stadt sich entwickelte, je mehr im Zusammenhang damit die Schiffe an Umfang zunahmen, desto mehr mußte sich die Notwendigkeit herausstellen, einen für diese veränderten Zeitverhältnisse geeigneteren Hafen zu gewinnen 1 ). Wann hat nun diese Verlegung stattgefunden?

Überblickt man den überlieferten Schatz an Akten, die für diese Frage zur Verfügung stehen, so ist man zunächst durch das bunte Durcheinander der Bezeichnungen für die verschiedene Tiefe völlig verwirrt 2 ). Es gilt also zunächst einen festen Punkt zu gewinnen und von hier aus dann vorsichtig weiter zu arbeiten. Betrachten wir die Karte von Vicke Schorler, eine Abbildung der Stadt Rostock und der Ortschaften an der Unterwarnow bis Warnemünde aus dem Jahre 1582 3 )! Hier ist zu sehen, daß der Ort Warnemünde samt Kirche und Vogtei unzweifelhaft an dem zu jener Zeit als Mündungshafen benutzten Tief, dem später "Alter Strom" genannten Warnowarm A gelegen ist. Die Bollwerke, der reiche Schiffsverkehr auf dem Wasser und der Leuchtturm lassen keinen Zweifel darüber aufkommen, daß wir hier das Hafentief Rostocks vor uns haben. Zu allem Überfluß steht über dem Orte zu lesen: "Conterfei von dem Rostocker Schiffhafen Warnemünde 1582.". Dieses ist der erste durchaus feststehende Punkt unserer Untersuchung.


1) Daß diesem Streben zur Verlegung des Hafens eine andere Kraft hemmend entgegenwirkte, wird weiter unten noch gezeigt werden. Siehe S. 122 f.
2) Vgl. Krause, a. a. O. S. 16 oben.
3) Vgl. Dragendorff, Vicke Schorlers Darstellung d. Stadt Rostock. B. G. R. IV, 1 S. 31 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 111 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Weitere und in gleicher Weise unbezweifelbare Ergebnisse in der Zeit vor 1582 zu gewinnen, ist schon bedeutend schwieriger: Im Jahre 1485 schließt die Stadt einen Vertrag mit dem Holländer Alhard Johansen 1 ) "van wegen des depes unde haven halven vor Rozstock belegen, nameliken to Warnemunde", daß er soll "maken unde suweren (austiefen, baggern, säubern) dat depp unde haven ... van nedden der Munde vp, dar de huse (!) anghan, allent lynck unde lanck betthe buthen de bollwerk (!) in de apenbaren see ..." Von dort aber bis zu de "winden (!), dede steyt negest deme torne, dar de luchte (!) vppe steyt", soll das Tief "vefftich ellen wit" gemacht werden und von dort bis dahin, "dar de husze kert", so weit, daß zwei Schiffe beieinander vorbeifahren können. Daraus geht hervor, daß hier ein schon bestehender, mit Hafenwerken (Winde, "luchte", Bollwerke!) versehener Hafen der Stadt Rostock getieft und evtl. auch ausgebaut ("gemaket") werden soll. Die Örtlichkeit dieses Hafens zu bestimmen, ist schwieriger. Der Name Warnemünde besagt nichts, da ja auch der östliche Hafen Warnemünde genannt wurde. Die Häuser würden auf einen feststehenden Ort hindeuten. Da jedoch auch zu anderer Zeit, wie wir noch sehen werden 2 ), "boden" der Bürger erwähnt werden, die unzweifelhaft am alten Seehafen D und nicht im ehemaligen Fürstlich-Warnemünde, also am Tief A, gelegen haben, so beweist auch dies nichts. In dem gleichen Vertrage ist jedoch auch die Rede davon, daß Alhard seine Arbeiten auch vor "Gruckeshovet" ausführen soll 3 ). Wenn es also gelänge, den Ort "Gruckeshovet" festzulegen, dann wäre damit auch die Lage jenes Hafentiefs von 1485 bestimmt. Schon Koppmann hat sich darum bemüht, ohne jedoch zu einem Ergebnis zu kommen 4 ).

In den Gewettsrechnungen des 16. Jh. ist der Name häufiger genannt, bemerkenswerterweise in sämtlichen vier germanischen Ablautsstufen (Krekeshövet, Kriegsheupt, Krackshovet und Grukeshovet) 5 ). Aus gelegentlichen Zusätzen ist die ungefähre Lage zu ermitteln: Nach einer Gewettsrechnung des Jahres 1513 hat das "heupt" am "depen haken" gelegen 6 ). Aus andern Quellen


1) Koppmann, B. G. R. III, 1 S. XIII ff. und S. 67/8. Alhard Johansens Herkunft, für Koppmann noch unbekannt, konnte nunmehr erwiesen werden: Gewetts-Rechnungen im Rost. Rats-Arch. (G. R.) 1484/5 "Deme Hollendere, de dat Dep maken schall, vor vij Weken Kost 4 m."
2) Vgl. S. 120 mit Anm. 3.
3) S. Koppmann, B. G. R. III, 1 (1900) S. 68.
4) Koppmann, B. G. R. III, 1 (1900) S. XVI.
5) e, i, a, u (o) (nehme, nimmst, nahm, genommen).
6) G. R. 1513, 2. Sonntag nach Johanni: "vp deme depen haken steen to bringende vp Grekeshovet".
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 112 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

ist nachzuweisen, daß der "depe haken" jener Teil des Stromes war, der am "Pagenwerder" vorbeifließt 1 ). Mit "Krekeshovet" muß man also ein Stück Land bezeichnet haben, das als Ost- oder Westufer des "depe haken" genannten Stromendes in den Breitling vorsprang (hovet = Vorsprung). Für den vorliegenden Fall würde diese ungefähre Fixierung genügen. Da jedoch später noch einmal auf "Krekeshovet" zurückzukommen ist, so soll die Untersuchung zu Ende geführt werden. Für weitere Bestimmung muß die Sprachwissenschaft herangezogen werden. Das Wort "kreke", in den vier Ablautsstufen in sämtlichen germanischen Sprachen belegt 2 ), hat die Grundbedeutung "krumm, gebogen, gebuchtet". Da Krekeshovet den Gewettsrechnungen zufolge am Wasser (Breitling) gelegen war, so wird hier Kreke Flurnamenbedeutung haben, also "Bucht", "Winkel", "Ecke". In der Tat wird das Wort in dieser Bedeutung in sämtlichen mit dem Niederdeutschen verwandten Sprachen gebraucht 3 ). Die "kreke" bei Warnemünde müßte also eine Breitlingsbucht nahe der "Pagenwerder"-Stromeinfahrt sein. Gleich östlich dieses Gebietes befindet sich eine Bucht, die von den sogenannten "Pinnwiesen" und dem "Gänsewerder" 4 ) westlich umgrenzt wird. Bei den Rostocker "Straßen"-Fischern führt sie den Namen "Pinner Krüh" 5 ). Es ist im höchsten Grade wahrscheinlich, daß wir in "Krüh" eine Form des Wortes "Kreke" vor uns haben;


1) Original-Rechnungszettel (meistens Lohnzettel, abgek.: O. R. Z.) 1621, Juli 16.: "Auf dem krummen Haken am Strom bei dem Pagenwerder Kisten gesenkt." O. R. Z. 1616, Apr. 3.: "Das Wrack auf die flecke gegen Pagenwerder gebracht" und hiermit in Verbindung: O. R. Z. 1617, Okt. 14.: "an dem alten gesunkenen Wrackpram aufm Tiefen Haken im Strom ..."
2) Für die E- und I-Stufe (Krekeshovet und Kriegsheupt): hd. nd. krickel (Wirbel), mnd. krickelmore, krekeling (Kringel), dän. krig (Winkel), schw. krig (Biegung, Ecke, Winkel, Bucht), nw. krik, krikje (Krümmung), mengl. crike, creke, engl. creek (Krümmung, Bucht), holl. kreek (Bucht), ostfries. kreke, krike (gewundener Bach). Schiffahrtstechnisch schon bei Krünitz, Enzyklopädie, Bd. VIII, S, 460: Creek = Schlupfhafen.
Für U-Stufe (Grukeshovet): nhd. krücke, an. krokr (haken), dän. krog (Krücke, Biegung, Ecke, Haken). Vgl. auch den Berliner Straßennamen "Am Krögel".
Für die A-Stufe (Krakeshovet): hd. krakel und krack (Haken), an. krakr, kraki (Stange mit Haken am Ende), dän. krage (II) (wie krakr).
Vgl. Grimm, a. a. O. V Krücke. Falck u. Torp, Dänisch-norw. ethym. Wörterbuch I: krog, krage (II), krig (II). Schiller-Lübben: Mittelniederdeutsches Handwörterbuch: kroke, krake, kruke, krekeling.
3) Vgl. Anm. 2, vor allem die e-Stufe.
4) Vgl. Barnewitz, a. a. O. S. 182. Dazu die Karte im Anhang.
5) "Karte des Stromgebietes der Unterwarnow von Rostock bis durchs Seegatt", Rostocker Hafenbauamt. Undatiert, nach dem Hafenumbau von 1903.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 113 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

freilich ist sie entstellt, denn die Fischer haben die Bedeutung des alten Wortes schon lange verloren. "Pinner Krüh" heißt also "Pinner Bucht". Die südwestlichste Begrenzung dieser Kreke, ihr "hövet", ein in den Breitling vorspringender Landzipfel, wurde demzufolge "Krekeshovet" genannt. Die Westseite dieses Zipfels war also Ostufer des "depen hakens", des Eingangs zum "Alten Strom" (A). Alhard Johansen hat also, dieser Untersuchung zufolge, 1485 am Tiefe A gearbeitet.

Mit dieser Feststellung kommt man jedoch in Gegensatz zu den Forschungsergebnissen von Krause. Er sagt 1 ): "Bei der Zerstörung Warnemündes durch die Herzöge 1487 in der Rostocker Domfehde kommt meines Wissens der später für A öfter angewandte Name "das neue Tief" zum ersten Male vor 2 ). Denn neben der Zerstörung und Sperrung des alten (!) Tiefs wird in diesem Kampfe zwischen den Fürsten und der Stadt auch noch ein neues Tief erwähnt, indem die Chronisten melden, die Fürsten hätten das alte Tief durch die hineingeworfenen Steine des Leuchtturms, das neue Tief dagegen durch eingerammte Pfähle gesperrt. Man hatte also damals mindestens schon mit dem Bau einer neuen Durchfahrt bei dem heutigen Warnemünde begonnen (A), wenn auch das alte Tief (nach Krause: C) offenbar noch die Haupteinfahrt war, da das Leuchtfeuer bis dahin ja noch immer bei der "Hohen Düne" stand (bei C also, nach Krauses Ansicht 2 ). Vermutlich hat der damalige Niederbruch der Leuchte und der sie umgebenden Mauer, die Vernichtung des Bollwerks 3 ) und Verstopfung der Durchfahrt mit dazu beigetragen, den Hafen nun endgültig nach der Ortschaft zu verlegen und den dortigen Warnowarm endgültig zur Hauptmündung auszugestalten". Bis zum Jahre 1485 sind also nach Krause zwei Orte des Namens Warnemünde festzustellen, der Rostocker Seehafen und das ehemalig fürstliche Kirchdorf.

Diese Ausführungen können unmöglich richtig sein. Gesetzt, die Erwähnung des umschanzten Leuchtturms bezöge sich wirklich auf den ältesten Hafen (den Krause ja bei C annimmt), dann würde dies im Widerspruch stehen zu dem, was oben aus dem von Koppmann veröffentlichten Vertrag der Stadt Rostock mit Alhard


1) Krause, a. a. O. S. 16.
2) Die "Hohe Düne", ein Restaurant ungefähr 500 Meter von C entfernt. Zu C s. S. 106.
2) Die "Hohe Düne", ein Restaurant ungefähr 500 Meter von C entfernt. Zu C s. S. 106.
3) Das Bollwerk haben die Feinde niedergebrannt, was Krause vorher unerwähnt läßt.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 114 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Johansen (1485 ) 1 ) zu entnehmen war. Die Ausdeutung jener Quelle hatte es gewiß gemacht, daß 1485 der "Alte Strom" (A) Seehafen von Rostock war. Hier hat sich neben den anderen Hafenwerken auch der Leuchtturm befunden. Krause behauptet nun, der Leuchtturm habe bei C gestanden und jener "älteste Hafen" sei damals noch in voller Benutzung gewesen. Will man also nicht in Widerspruch geraten zu der von Koppmann veröffentlichten Urkunde des Jahres 1485, so müßte man auch für A einen Leuchtturm annehmen. Man könnte dann die Zweiheit der Anlagen gleich Krause und Barnewitz daraus erklären, daß es außer dem alten Hafen schon einen neuen bei A gab, der gerade im Bau war. Eine derartige Annahme aber ist unhaltbar. Sofort würde sich die Frage ergeben, weshalb denn nicht auch von der Zerstörung dieses neuen bzw. im Bau befindlichen Leuchtturms (A) in den Chroniken erzählt wird. Sollten die Feinde den Leuchtturm des alten Hafens zerstört, den der Neuanlage aber unbehelligt gelassen haben? Das ist völlig undenkbar! Zudem behauptet Krause, dieser Hafen, genannt das "neue Tief", sei von den Feinden durch eingerammte Pfähle versperrt. Ist denn das auch nur einigermaßen wahrscheinlich? Man denke: Innerhalb der bewegten Kriegsläufte werden von den Feinden quer durchs Tief Pfähle gerammt, eine Arbeit, die in jener Zeit selbst im Frieden sehr mühsam und langwierig gewesen ist. Der gleiche Erfolg wäre zudem um vieles einfacher, schneller und nicht minder gründlich durch die Versenkung von ein oder zwei Schiffen erreichbar gewesen, ein Mittel, das damals öfter angewandt wurde, um den Feinden den Hafen zu sperren. Die Nachricht Krauses ist also unwahrscheinlich, und man ist geneigt anzunehmen, daß es sich hier um eine falsche Ausdeutung der Quellen handelt.

Der Text der wichtigsten, von Krause benutzten Quelle 2 ), von deren Worten die übrigen Quellen wesentlich nicht abweichen 3 ), lautet folgendermaßen: "Alse de vorsten de Munde nu inne hadden, do lethen se id nu vul dale breken, allent dat dar was, de luchten, de mure vor der luchten wart geworpen in dat (!!) depe und dat bolwarck mede unde vorbrenden dat bolwarck wenthe up dat water, und dat nye dep wart uthgesteken (!!), de huse de gedecket weren mit tegel, worden afgedecket, de tegel wart von dar geforet, de huser angesticket und vorbrant wente in de grunt."


1) Vgl. S. 111.
2) "Van der Rostocker Veide" ed. Krause, 1880, S. 4.
3) Ungnad, Amoenitates hist.-dipl.-jurid., 1749 - 1754: S. 1000/1 und 732; Latomus, a. a. O. S. 420; Rost. Univ.-Bibl.: Mss. Meckl. O. 55, anno 1487.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 115 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Daraus scheint also hervorzugehen, daß es 1487 zwei Tiefe gab. Das eine führte den Namen "neues Tief". Hierauf gründete Krause seine Vermutung, daß es sich hier um das Tief A handle, das ja auch später, z. B. in dem von Krause erwähnten Aufruf der Herzöge (1519), das "neue Tief" genannt wird. Ist nun auch die Bezeichnung "neues Tief" mit dem offiziellen Namen des Tiefes A identisch, so spricht doch gegen die Gleichsetzung der beiden die Tatsache, daß der Leuchtturm, der zwei Jahre vorher in dem Vertrag mit Alhard Johansen ausdrücklich genannt wird 1 ), bei dem "neuen Tief" der vorliegenden Quelle keine Erwähnung findet. Da nun, wie schon gesagt, nicht anzunehmen ist, daß der Leuchtturm des einen Tiefs zerstört, der andere aber geschont worden ist, andrerseits gleichfalls nicht, daß nur die Zerstörung des einen Leuchtturms berichtet wurde, so erweckt dies den Anschein, daß das hier mit "neu" bezeichnete Tief nicht identisch gewesen ist mit dem von Johansen ausgebaggerten Tiefe A. Was ferner die Pfähle anlangt, die erstaunlicherweise von den Feinden vorne im "neuen" Tief eingerammt sein sollen, so handelt es sich hier, wie man leicht sehen kann, um einen Deutungsfehler: Das Wort "uthsteken" bedeutet "durchstechen", wie etwa das Durchstechen eines Dammes 2 ), nicht aber das "Einrammen von Pfählen", wie es von Krause erklärt wird. Da aber auch die nunmehr richtiggestellte Wortbedeutung noch keine Klarheit verschafft, so wenden wir uns vorerst dem anderen in der Quelle genannten Tiefe zu. "Dat Dep" besitzt den Leuchtturm, besitzt auch die Hafenwerke, die wir bei dem andern Tief vermißten. Es liegt also nahe, dieses Tief mit dem von dem Holländer 2 Jahre zuvor ausgebaggerten Tief A gleichzusetzen. Dies zu tun ist man umso mehr berechtigt, als in der Quelle, was man zunächst sehr leicht übersieht, überhaupt nicht, wie Krause berichtet, von dem "alten Tief", sondern einfach von "dem Tief" gesprochen wird. Es wäre also zu untersuchen, ob nicht der Schreiber das Tief A einfach "das Tief" genannt hat, wie ja auch später neben dem amtlichen Namen "neues Tief" häufig die Bezeichnung "das Tief" zu finden ist, oder, was gleichfalls zum Ziele führen würde, ob denn das in der Quelle genannte "neue Tief" nicht überhaupt ein Durchbruch ist, ein kurz vorher entstandenes "neues" Tief, wie sie ja oft genug bei Sturmfluten die Haffdüne durchbrachen. Daß dies letztere der Fall war, ist in der Tat an Hand der Akten zu erweisen. Wenden wir uns also zunächst dieser Frage zu.


1) Vgl. S. 111.
2) Schiller u. Lübben, Mittelniederdeutsches Handwörterbuch S. 463.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 116 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

In der Gewetts-Rechnung von 1459 lesen wir, daß am Donnerstag vor Weihnachten eine Sturmflut die vor Rostock gelegene Haffdüne durchriß, so daß hier ein "neues" Tief ausbrach. Die Wetteherren fuhren nach Warnemünde, um zusammen mit dem Hafenzimmermeister "to besende dat nye (!!!) dep, wat guden raden dar to vyndende, dat me id mochte wedder fangen" 1 ). Daß hier tatsächlich von einem Durchbruch, also einem wirklich "neuen" Tief die Rede ist, und daß demnach "fangen" hier als "schließen", "verstopfen", "zudämmen" aufzufassen ist, läßt sich leicht aus den Gewettsrechnungen erweisen. Das folgende sind wörtliche Zitate aus den Gewettsrechnungen der betreffenden Jahrgänge. Für "nye dep" ist jedesmal die Abkürzung ND. gesetzt. 1459 "palholt tom ND." / 1461 "pale tom tüne vor (!) dem ND." / 1465 "vor ene olde schute, de senket wart vor (!) dem ND." / 1467 "do dat sant dragen wart in de kisten by dem ND." / "struke vppet (!) ND." / "Sten vppet ND." / "do de sten vort wart van der hawene (!) na (!) dem ND." / 1469 "do de Mundere sant drogen ower (!) vppet (!) ND.". Weiterhin bis 1479 fortgesetzt "holt" "struke" "lem" "soden" und "sten" "vppet nye dep". Aus dem allen ergibt sich, daß im Jahre 1459 infolge einer Sturmflut ein Tief durch die Haffdüne gebrochen ist, das nun die Bezeichnung "neues Tief" führt, und daß man sich in den nächstfolgenden Jahren bemüht, es wieder zu beseitigen, zu "fangen" wie der technische Ausdruck lautet: Es wird ein Schiff davor versenkt, Material aller Art zur Verstopfung herbeigeschafft. Sogar Kisten werden gebaut und mit Sand gefüllt 2 ). Da die Warnemünder den Sand "hinüber" - tragen auf das Tief, so muß es gleich östlich des "Stroms" (A) gelegen haben. Wahrscheinlich war es die spätere "Olle Deepe", die oben mit B bezeichnet wurde 3 ).

Wir kommen jetzt zurück zu unserem Ausgangspunkt. Das von den Chronisten erwähnte "neue Tief" ist also der Durchbruch von 1459 (B). Alles, was von ihm berichtet wird, ist, daß er durchstochen wird. Jetzt endlich, nachdem man von den jahrzehnte-


1) G. R. 1459. Auch die folgenden Zitate stammen aus den Gewettrechnungen der betr. Jahrgänge.
2) Daß Kisten mit Sandfüllung zum Verstopfen von Durchbrüchen benutzt worden sind, habe ich im Sommer 1926 selbst feststellen können. Bei dem Tiefe E sind an der auf der Karte bezeichneten Stelle mit Sand gefüllte Kisten versenkt.
3) Dieser Durchbruch wird auch am Anfang des 16. Jahrhunderts gelegentlich noch als "neues Tief" erwähnt. Die Bauern fahren "Struke" hin, um es wieder zu verstopfen. Es gibt also damals zwei neue Tiefe, B und A. So ist es auch 1582, wo A und E nebeneinander "neues Tief" genannt werden. Vgl. S. 99.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 117 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

langen Bemühungen der Rostocker gehört hat, es zu verstopfen, versteht man die ganze Bedeutung dieses Wortes, begreift, welchen Schabernack die Feinde der Stadt damit gespielt haben, daß sie diese Arbeit zunichte machten. Überblickt man nun die übrigen Quellen, die, wie gesagt, alle ziemlich gleichen Wortlaut haben, so ergibt ein Zusatz der einen Quelle allen wünschenswerten Aufschluß: "Es wurde auch das neue Tief ausgestochen (!), daß das Wasser überall (!) ginge" 1 ). Wie schädlich das "Überallgehen" des Wassers für die Brauchbarkeit des Hafens war, ist bereits oben in den Vorbemerkungen zum Kapitel II gesagt 2 ). Damit ist der Beweis geschlossen: Das in jener Quelle "dat nye dep" genannte, vorher gefangene Tief wird von den Feinden wieder durchstochen, das andere aber, welches "dat dep" genannt wird, eben das Hafentief, wird durch die hineingeworfenen Steine der Leuchtturmschanze für die Schiffahrt unbrauchbar gemacht. Dies Hafentief ist also gleich dem in jener Urkunde von 1485 genannten 3 ). Damit fallen auch die Ergebnisse, die Krause aus seiner Annahme folgert: Das Nebeneinander von Kirchdorf und Hafenort Warnemünde, von dem Krause spricht, ist 1485 nicht mehr erweisbar, also vermutlich schon lange vorüber.

Wir müssen nun versuchen, auch aus der Zeit vor 1485 sichere Kunde zu bekommen. Wir haben das Tief D, den ältesten Rostocker Hafen, verlassen, als im Jahre 1325 die Danskeborg von den Rostockern geschleift wurde. Nur den Leuchtturm hat man damals stehen lassen 4 ). In den folgenden Jahrzehnten hat sich außer den üblichen Ausbesserungen nichts ereignet, was auf eine Veränderung des Bestehenden hindeuten würde 5 ). Erst aus dem Jahre 1411 werden Bollwerksneubauten gemeldet 6 ). Es ist nicht ausgeschlossen, daß damals jenes Tief gebaut wurde, das zwischen dem ältesten Tief D und dem späteren A vermutlich nur kurze Zeit 7 ) als Hafen benutzt wurde. Es ist jenes C genannte Tief, über dessen früheres Bett in der neuesten Zeit die Flughalle gebaut ist. Für seine Benutzung als Hafen sind folgende Gründe anzuführen: Noch heute besteht bei den Fischern eine Überliefe-


1) Ungnad, a. a. O. S. 733.
2) Vgl. S. 99 f.
3) Vgl. S. 111, Anm. 1.
4) Vgl. S. 97, Anm. 3.
5) Z. B. Kämmerei-Rechnungen des Rost. Rats-Arch. (K. R.), 1394: "ad bolwerck reparandum"; 1395, Dez. 18. (M. U.-B. 8696): "ad refectionem bolwerck" usw.
6) G. R. 1411/12 "do se dat bolwerck velleden". Über das "Fällen" der Bollwerke s. S. 158.
7) Vgl. S. 119.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 118 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

rung, daß man an dieser Stelle vorzeiten habe ins Meer fahren können 1 ). Natürlich könnte diese Überlieferung auf einer Verwechselung mit dem nur 500 m weiter östlich liegenden Tief D, dem ältesten Hafen, beruhen. Jedoch geht aus Resten, die nach Aussage von Baggerarbeitern 2 ) bei Instandsetzung des Seeflugplatzes 1914 - 1918 an jener Stelle des Breitlings in Gestalt von Pfählen zutage gefördert sind, hervor, daß wir hier eine alte Hafenanlage vor uns haben. Auch am Strande liegen - am Fuße der Buhnen - an dieser Stelle heute noch Findlinge, deren Vorhandensein nur so erklärt werden kann, daß sie bereits vor dem Bau der Buhnen hier gelegen haben - als Reste alter Hafenwerke. Denn andrerorts ist zum Bau der Buhnen stets nur Holzwerk verwendet worden. Damit würde übereinstimmen die Aussage der Fischer, daß vom Breitling her eine tiefe Rinne auf diesen Ort zugegangen sei. Der Name dieser Örtlichkeit ist "Ful Urt" 3 ). Er deutet darauf hin, daß hier früher ein Gewässer sich befunden haben muß, das später langsam verlandet ist. Die Wiesen jener Gegend hießen im 18. Jh. die Faulholz- und Faulortswiesen 4 ). Endlich ist auf einer Karte des 18. Jh. an dieser Stelle ein kleiner Graben angegeben, an dessen Ufer bollwerksähnliche Gebilde gezeichnet sind. Diese Karte ist es, die seinerzeit Krause zu der Annahme veranlaßte, hier sei der älteste Rostocker Hafen zu finden 5 ). Immerhin, ein Hafen ist hier gewesen, das geht aus den oben angeführten Gründen wohl hervor, und da bereits nachgewiesen wurde 6 ), daß er zeitlich nicht vor dem Tief D benutzt sein kann, und es anderseits auf der Hand liegt, daß nicht nach dem Ausbau des Tiefes A auf den Osten zurückgegriffen ist, so müßte diese Anlage in der Zwischenzeit erfolgt sein. Wann das geschah, das läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Immerhin soll das, was aus den Quellen zu ermitteln ist, berichtet werden.

Die Überlieferung ist zunächst nur karg. Lange Zeit lassen sich nur Ausbesserungsarbeiten an Bollwerk und "Luchte" nachweisen. Die erste Unterbrechung dieser eintönigen Berichte liefert das schon erwähnte Jahr 1411, wo ein Neubau des Bollwerks


1) So hat mir der Rostocker Straßenfischer Reincke im Sommer 1926 erzählt. Vgl. auch Krause, a. a. O. S. 6.
2) Sommer 1926 Arbeiter der Firma Ladewig u. S., Rostock. - Ebenso der Steuermann des Dampfers "Warnemünde", Rostock.
3) "Faul" als Beiwort für verlandende Gewässer kommt sehr häufig vor. S. Schiller u. Lübben, a. a. O. V 547. S. a. z. B.: Mi. V. Kgl. Samml. f. dt. Volkskunde, V, 2, 1918 unter "Faule See".
4) Vgl. S. 105, Anm. 4.
5) Vgl. S. 106 mit Anm. 2.
6) Vgl. S. 108.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 119 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

nachweisbar ist. Es bestände also die Möglichkeit, daß kurz vorher bei C ein Durchbruch der Haffdüne erfolgt war und dieses nun infolge seines kurzen, geraderen Laufes dem unbequemeren D gegenüber als Durchfahrt benutzt wurde. Hiermit in Zusammenhang zu bringen wäre dann die Nachricht des Jahres 1418, daß die Wetteherren das "dep vorslogen". Da dies "Zudämmen" bedeutet 1 ), so wäre zu jener Zeit aus den an anderer Stelle erläuterten hafenbautechnischen Gründen 2 ) ein Tief verstopft worden. Vermutlich also hat man damals das bisher benutzte Tief D zugedämmt. Etwa von 1410 ab wäre also C auf ein Dutzend Jahre als Hafen benutzt. Eine so kurze Zeit ist auch durchaus wahrscheinlich. Nur so wäre es zu verstehen, daß dieses Tief, das nach Überlieferung und Funden einmal ein Hafen gewesen sein muß, auf den Karten des 18. Jh. neben seinem historisch weit bedeutsameren Nachbarn zwar angegeben, aber nicht wie jenes mit dem Namen "olles Fohrwater" benannt ist. Und so auch würde es sich erklären, daß aus dem noch nicht sehr alten Bollwerke Material für die Bauten bei A genommen werden konnte, wie wir noch sehen werden 3 ). Dies wäre über das Tief C zu sagen. Doch muß betont werden, daß diese Ergebnisse nicht wie die vorher gewonnenen unzweideutig gewiß sind.

Ganz klar zu erkennen ist die geschichtlich bedeutsamere Verlegung des Hafens vom Osten nach dem Warnemünder Strom (A). Es war bereits oben darauf hingewiesen, welche treibenden Kräfte am Werke waren, die über kurz oder lang eine Verlegung forderten 4 ). Es war auch gezeigt, daß wegen der bequemen Lage 5 ) noch einmal ein ostwärts gelegenes Tief, das Tief C, an die Stelle von D getreten ist. Schließlich gab eine Sturmflut den letzten Anstoß zur Verlegung nach A. Das Unwetter ereignete sich im Winter 1420 und zerstörte das Hafenbollwerk 6 ). Die Quellen berichten, daß am Donnerstag vor Oculi (20. Febr.) 1421 die Wetteherren hinausfahren, den Schaden anzusehen. Man entschließt sich, ein neues Tief zu bauen. Um Pfingsten fahren die Bürgermeister mit mehreren des Rates nach Warnemünde. Sie "beseghen dat bolwerck vnde


1) G. R. 1418/9. "vorslogen" bei Schiller u. Lübben, Mnd. Handwb. S. 522 "vorslân", 5.
2) Vgl. S. 100 f.
3) Vgl. S. 120.
4) Vgl. S. 109 f.
5) Ein hemmendes Moment gegen die endgültige Verlegung nach dem Westen wird S. 122 f. genannt.
6) G. R. 1420/1. "It. des neghesten daghes na sunte Nicolaus daghe, do dath Bolwerck wedder braken was."
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 120 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

dat dep by den krumpalen to makende" 1 ). Es soll also bei den "Krumpalen" ein Tief und Bollwerk gemacht werden. Daß tatsächlich eine Verlegung erfolgt, kann man aus einer Reihe von Nachrichten erweisen. Eine Burg, die "Spugeborch" genannt 2 ), wird abgerissen. Die "boden" der Bürger werden "verslan" 3 ), d. h. abgebrochen, an anderer Stelle noch im gleichen Jahre wieder aufgebaut und von Abgesandten der Stadt besichtigt 4 ). Ein neues Bollwerk wird gebaut, "kisten" werden "gefällt" 5 ) und schließlich 1423 das "nige" Bollwerk obenauf der Länge nach "bebredet" 6 ). Damals also ist es fertig geworden. Um Elisabeth wird die Arbeit "gelecht". Es wird eifrig "geplogt", d. h. gebaggert, und das Holz wird von dem "olden Bollwerck" genommen, vermutlich um es noch zu den Werken an dem "neu" angelegten Tief A zu benutzen. Dies wird 1424 berichtet. 1437 wird dann das ganze "olde bolwerck" durch Meister Berthold "aufgenommen" 7 ). Eine solche Wiederbenutzung alten Baumaterials ist auch anderweitig überliefert 8 ). 1427 ist man bereits wieder mit dem Bau einer neuen Burg beschäftigt. Sie führt wiederum den Namen "Spugeborch". Mehrere Jahre wird an ihr gearbeitet. 1437 und 1439 wird sie als "nye borch" in den Rechnungen genannt 9 ). Alle diese Nachrichten zeigen deutlich, daß im Jahre 1421 eine Verlegung des Hafens mitsamt allen seinen Einrichtungen vorgenommen ist. Wohin diese Verlegung erfolgt ist, kann man leicht feststellen: Daß 1485 das Tief A als Hafen benutzt wurde, war schon oben gesagt 10 ). In der Zeit von 1421 - 1485 lassen sich in den jetzt reicher


1) G. R. 1420/1. "do de weddemestere de borgere anwiseden, dat bolwerck to makende by den krumpalen"; Di. n. pfgst.: "... beseghen dat bolwerck vnde dat dep by den krumpalen to makende (!)".
2) G. R. 1421/2. So. v. Sim.: "Item de spegeborch dale to nemende". Um Maria: "Item to besende de borch dale to nemende, dat dep unde dat nige (!!) bolwerk." Andrerorts heißt die Burg Spugeborch. (Vgl. G. R. 1427.)
3) G. R. 1421/2 "de weddeherren reden up den strant, de boden to vorslande". "Vorslan" nach Schiller u. Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch Bd. V S. 446 ff.: "abbrechen". Vgl. auch Sch. u. L., Handwb. S. 522.
4) G. R. 1422/3 "do de borgermeistere dat dep unde der borger boden beseghen".
5) Das "Fällen" der Kisten bedeutet "Senken", s. S. 158 f.
6) G. R. 1423/4. "Item 2 m kostede, dat bolwerck lanck to bebredende" (mit Brettern belegen).
7) G. R. 1437/8. "It. Oleue deme repere iij mr vor nogendredech touwe, do mester Bertholt dat olde bolwerck vpnam."
8) Vgl. S. 161.
9) G. R. 1439 "to deme dore der nyen borch".
10) Vgl. S. 117.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 121 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

fließenden Quellen keine Verlegungen mehr nachweisen. Somit kann die Verlegung des Jahres 1421 nur nach dem mit A bezeichneten Tief erfolgt sein. Hierfür sprechen auch noch folgende Tatsachen: Am Eingange des Tiefes A, am Pagenwerder, werden 1455 Arbeiten erwähnt. Und die Burg wird bereits 1433 auf dem Westufer des Tiefes A bezeugt 1 ).

Im Jahre 1421 wird also der Rostocker Seehafen vom Osten der Haffdüne nach dem Westen verlegt, und von nun an ist das bisherige Kirchdorf Warnemünde Hafenort der Stadt Rostock. Um 1450 sind die Arbeiten am Tiefe A erledigt, und man wendet sich anderen Aufgaben zu: Die Dünen werden in Pflege genommen. 1452 werden längs des Strandes Weiden gepflanzt und die Bauern fahren "tünroden" heran, aus denen Zäune geflochten werden. Diese Arbeiten erstrecken sich über mehrere Jahre 2 ). Bemerkenswert ist, daß damals bereits die ganze zu Rostock gehörige Küste unter Schutz genommen wurde und nicht nur die nächste Umgebung des Tiefs. So wurde 1457 zur Verstopfung eines Durchbruches ein Damm an der Küste vor Diedrichshagen gebaut. Im Osten aber wurde die Düne bis hin zum heiligen See mit Zäunen versehen. Man hat also bereits in der Mitte des 15. Jh. in richtiger Einschätzung der Bedeutung, die der Zustand der Haffdüne für das Hafentief besitzt, planmäßigen Dünenschutz betrieben! Das ist weit früher, als bisher die Forscher angenommen hatten. Wir werden im Laufe dieser Untersuchung sogar auf die Aussaat von Strandhafer stoßen. Von 1458 ab werden dann wieder neben den Dünenarbeiten Bollwerksbauten erwähnt. Bemerkenswert ist, daß Arbeiten am Pagenwerder stattfinden. Die nächsten Jahrzehnte bleibt dann alles beim alten 3 ), bis man auf einmal 1484 auf den Vermerk stößt, daß 4 M ausgegeben wurden für 7 Wochen Kost, "deme Hollender, de dat depp maken (!) schall". Damals also ist Alhard Johansen schon in Rostock. Im Februar des folgenden Jahres wird dann der uns schon bekannte Vertrag 4 ) mit ihm geschlossen. 1486 ist bereits von Säuberarbeiten mit einem neuen (!) "ploch", doch wohl einem der neu angefertigten "Instru-


1) Warnemünder Landgütergartenbuch, Fol. 8 a R. R. Arch. unter Warnemünde I a (Befestigung) Vol. I, Fasc. 6 a und 7.
2) G. R. 1452/3. "... vor 2 c potwiden raschen tor nyenhagen / demsuluen vor iij c vj voder tunroden und x stigen potwiden .. den dregeren to lone, de de widen patenden". S. n. Pasch.: "It. den dregeren to tunende." Ebenso die folgenden Jahre bis 1462.
3) Über die üblichen Hafenarbeiten ist im dritten Kapitel der vorliegenden Abhandlung gesprochen.
4) Vgl. S. 111 f.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 122 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

menta" des Holländers die Rede. Dann aber fehlen bis in die neunziger Jahre alle Nachrichten. Die Quellen sind, wie es scheint, samt und sonders in den Wirren der Domfehde verloren gegangen.

Bevor wir nun diesen Abschnitt über die Geschichte des Rostocker Seehafens im 14. und 15. Jh. beschließen, muß noch auf eine Stelle jenes öfter genannten Kontraktes mit Alhard Johansen vom Jahre 1485 1 ) eingegangen werden, die nicht ohne weiteres verständlich ist und uns noch weitere Aufschlüsse über die Beschaffenheit des Rostocker Seehafens in diesem Zeitabschnitt geben wird. Jener Vertrag von 1485 fordert von Alhard, daß er "instrumenta" bauen lassen soll, die ihm dazu dienen können, die Mündung des Tiefes (vom "Bootsgraben" bis hin zur See) auszubaggern. Doch ist dies nicht die einzige Bedingung. "Ok overst umme de grunt by Gruckeshovet hefft Alhardt dem rade lovet", so heißt es weiter, "dat he wil laten maken instrumenta (!), ... dede to der grundt denen moghen mede van dar tho bringende". Diese Zusatzbedingung ist doch sehr auffallend! Nachdem Alhard bereits für das letzte Ende des alten Stroms Werkzeuge angefertigt hat, damit das Fahrwasser auszutiefen, sollen, um den Grund vor Grukeshovet fortzuschaffen, noch besondere "instrumenta" gebaut werden!! Was liegt näher, als anzunehmen, daß es sich hier um eine ganz besondere Arbeit gehandelt hat, eine Arbeit, die mit dem gewöhnlich für Baggerarbeiten verwendeten Geschirr nicht bewältigt werden konnte! Es ist in der Tat keine andere Erklärung für diese auffallende Bedingung möglich! Damit aber wird eine andere Annahme um vieles wahrscheinlicher, die sich schon vorher im Verlaufe der Studien mehr und mehr in mir gefestigt hatte, daß nämlich in den ältesten Zeiten die Schiffe mit Ausnahme der kleineren Boote 2 ) den Breitling im großen NO-NW-Bogen überquerend, von Osten her, etwa durch das heutige "Pinnerloch", in den "Warnemünder Strom" gefahren sind 3 ). Von jenem ältesten Breitlingsfahrwasser ist mir zuerst im Sommer 1926 durch den Kapitän Schmidt 4 ) berichtet, dessen Aussagen sich auch in anderen Fragen als wertvoll und zuverlässig erwiesen haben 5 ). Karten bestätigen diese Über-


1) Vgl. S. 111 f.
2) Die Boote konnten auch durch die sog. "olle Warnow" fahren. (S. Karte am Anhang, Westufer von Pagenwerder.)
3) Das "Pinner Loch" ist auf der beigegebenen Karte bei A/2 zu finden.
4) Kapitän Schmidt-Rostock ("Unkel Andreas"), gest. Spätsommer 1926.
5) Vgl. S. 145.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 123 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

lieferung. Auf einer Tiefenkarte des Jahres 1888 aus dem Besitz des Rostocker Hafenbauamts ist jenes Fahrwasser noch zu erkennen. Es war der ursprüngliche Haupttiefenzug des Breitlings 1 ). Er lief in ständiger Durchschnittstiefe von mindestens 2 m von der Oldendorf-Petersdorfer Ecke ("Breitlingsecke") beginnend in NO.-Richtung auf die "Mövenflecken"-Halbinsel zu 2 ). Man sehe auf der Karte die durch a, b, c bezeichnete Richtung. Bei c fand eine Gabelung statt. Die eine Tiefe (e) ging an dem Westufer der "Mövenflecken"-Halbinsel entlang auf das Tief C zu. Die schon erwähnte Rinne 3 ) wie auch das Tief D gehörten zu diesem Tiefenzug. Der andere Zug war auf Pagenwerder gerichtet (d) und fand über A1 seine Fortsetzung im Warnemünder Strom (A). Reste dieses Fahrwassers zeigen noch die Karten des 18. Jahrhunderts 4 ) in dem Krekesheupter Wiesengebiet, also bei A1. Es ist ungefähr die Gegend, wo auch heute wieder eine östliche Durchfahrt besteht, das sogenannte "Pinner Loch" 5 ). Danach sind in der frühesten Zeit alle Schiffe, die das Warnemünder Hafentief benutzen wollten, gezwungen gewesen, durch A1 ihren Weg zu nehmen, ein Umweg, der sicherlich hemmend jenem Streben, den Hafen vom Westen nach dem Osten zu verlegen 6 ), im Wege gestanden hat. Als dann schließlich die endgültige Verlegung nach A erfolgt war, mußte man darauf sehen, diesen Umweg zu beseitigen, und so hat im Jahre 1485 Johansen den Auftrag bekommen, Werkzeuge zu bauen, die geeignet seien, den "Grund" vor Krekeshovet fortzuschaffen. Er hat also vermutlich durch das Untiefengelände östlich Pagenwerders einen Durchstich gemacht 7 ) und bis ins offene Breitlingswasser eine Fahrrinne geschaffen. Da hiermit der


1) Hierbei ist von dem heutigen Fahrwasser abgesehen! Barnewitz, a. a. O. S. 24 spricht davon, daß nach Geinitz die Furche des diluv. Warnowbettes zwischen Warnemünde und der Rostocker Heide zu suchen sei. Es wäre möglich, daß sie dem hier genannten Tiefenzug a, b, c, e entspricht.
2) Nach der Karte von Möller, a. a. O.
3) Vgl. S. 26, 1.
4) Wiebeking, a. a. O., Tarnow, a. a. O. Diese Karten sind der im Anhang beigegebenen Orientierungskarte zugrundegelegt.
5) An dieser Stelle hat es dreimal Durchfahrten gegeben: Zuerst ist hier der ursprüngliche Warnemünder Strom (A/1), später der von Johann tor Balck freigelassene Pinngraben (s. S. 142), dann im 19. Jh. der heute noch bestehende Durchstich, der wieder den Namen Pinngraben oder Pinnerloch führt.
6) Vgl. S. 109 f.
7) Dreimal also ist in diesem Gebiete ein "Durchstich" erfolgt: zuerst 1485/6 (A/2), dann 1837 die heutige Einfahrt in den "Strom", später der Pinngraben. Von drei "Durchstichen" wußte auch der schon genannte Kapitän Schmidt zu berichten.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 124 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

"depe haken" 1 ), der Strom bei Pagenwerder, eine andere Richtung bekam, wurde er jetzt auch der "neue Haken" genannt. Dieser Durchstich hatte aber eine zwiefache Biegung, und so bekam er den Namen "dubbelter haken". In der Tat wüßte ich die Namen "neuer" und "dubbelter haken" nicht anders zu erklären, als daß ein ursprüngliches, hakenförmiges Fahrwasser eine neue und nunmehr zwiefach gebogene Gestalt bekommen hat 1 ). Genau so verhält es sich mit dem Namen "neues Tief". Vor 1485 - und das ist bemerkenswert - ist der Name für A nicht nachzuweisen. Die Verlegung im Jahre 1421 nach A erfolgte ja auch in einen schon bestehenden 2 ), wenn auch bis dahin wohl wenig benutzten 3 ) Hafen. Wenn nun nach 1485 A den offiziellen Namen "das neue Tief" trägt, so muß Alhard Johansen auch wirklich etwas Neues geschaffen haben: Er machte durch seine Arbeit vor Krekeshovet die südliche Durchfahrt frei. Erst hierdurch wurde der "Strom" bei Warnemünde ein den neuzeitlichen Verhältnissen angepaßtes Tief. Er lebte nunmehr als "neues Tief" in dem Gedächtnis der Leute fort.

§ 3.

Die großen Hafenbauten des sechzehnten Jahrhunderts.

a) Die Zeit zwischen 1485 und 1570.

Nach 1485 stößt die Darstellung der Geschichte des Rostocker Hafens auf erhebliche Schwierigkeiten. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts sind die Quellen vieler Jahre, ja ganzer Jahrzehnte, verloren gegangen, vor allem die Gewettsrechnungen, neben denen die anderen Quellen dieser Zeit noch eine untergeordnete Rolle spielen. In dem ganzen Zeitraum von 1485 bis 1553 sind von diesen Rechnungen nur die Jahrgänge 1494/5, 1502 - 22, 1525/6,


1) Daß der "depe haken" beim "Pagenwerder" liegt, wurde oben bereits bewiesen (s. S. 112, Anm. 1).
G. R. 1514 "by den depen haken";
O. R. Z. 1614, Okt. 14. "aufm Tiefen Haken im Strom";
O. R. Z. 1624, Juli 19. "3 prame mit Sandes vom tieffen haken geliefert";
O. R. Z. 1621, Juli 9. "kisten so auffm krummen haken sollen gesenkt werden";
O. R. Z. 1625/6, Dez. 11. "bei dem dubbelten haken kisten gesenkt";
1635, April 9. "auf dem neuen haken ..."
1) Daß der "depe haken" beim "Pagenwerder" liegt, wurde oben bereits bewiesen (s. S. 112, Anm. 1).
G. R. 1514 "by den depen haken";
O. R. Z. 1614, Okt. 14. "aufm Tiefen Haken im Strom";
O. R. Z. 1624, Juli 19. "3 prame mit Sandes vom tieffen haken geliefert";
O. R. Z. 1621, Juli 9. "kisten so auffm krummen haken sollen gesenkt werden";
O. R. Z. 1625/6, Dez. 11. "bei dem dubbelten haken kisten gesenkt";
1635, April 9. "auf dem neuen haken ..."
2) Vgl. S. 98, Anm. 1.
3) Vgl. S. 109 f.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 125 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

1541/2 erhalten, und auch diese sind lückenhaft und für die Geschichte des Hafens ohne Bedeutung. Die überlieferten Nachrichten geben nur Auskunft über die üblichen Hafenbauarbeiten, wie sie im dritten Teil dieser Arbeit geschildert werden 1 ). Für die geschichtliche Darstellung kommt nur ein einziges, freilich bemerkenswertes Aktenstück in Frage, ein Erlaß der Herzöge Heinrich und Albrecht von Mecklenburg, gegeben in Güstrow Montag nach Kantate (23. Mai) 1519. Es ist ein im Entwurf erhaltenes Rundschreiben 2 ) der Herzöge an ihre "Verwandte und Vndertanen, geistlicke unde wertlicke", worin aufgefordert wird, für den durch eine Sturmflut verwüsteten Rostocker Seehafen "NNN" Stücke "Eichen oder Buchenholzes" zu liefern. Dieses Aktenstück ist deshalb wichtig, weil es die amtliche Bezeichnung des Hafens überliefert: "Unser haven vor Rostock, genennet dat nyge diep" heißt es in dem Schreiben. In der Tat ist diese Bezeichnung "dat nyge dep" auch weiterhin in dem amtlichen Sprachgebrauch der Urkunden, z. B. auch in den Testamenten, der Name für jenes Tief A 3 ). Aber auch sonst ist der Inhalt jener "Missive" bemerkenswert: Es stände zu befürchten, so schreiben die Herzöge, daß dieser Hafen "endlich ganz zunichte gemacht und unwiederbringlich verderbet würde", falls man nicht sofort tatkräftige Gegenmaßregeln ergriffe. Denn - und dies ist ein sehr bemerkenswerter Zusatz - "solckes nicht alleine gemelter vnserer Stadt eine ewige verwustunge, sunder ock unsern landen und luden, ock andern ummegesettenen einen ewigen vorderffliken nhadeil und schaden wolde infuren". Die Herzöge haben also die


1) Vgl. S. 149 ff.
2) Rostocker Ratsarchiv: U.-Warnow II, Vol. I, 1501 - 1600.
3) Folgendes Beispiel ist für den erhaltenden Geist der Urkundensprache sehr bezeichnend: Ungefähr von den sechziger Jahren des 16. Jh. ab, also ca. 75 Jahre nach Erbauung des "neuen" Tiefes A durch Alhard Johannsen, hat es im Osten der Düne bei E einen Durchbruch gegeben. Jahrzehntelang wird er in den Akten als "neues Tief" geführt. Dennoch wird 1582 in einem Kontrakt, den der Rat mit dem Bruder des Peter Hase (s. S. 138 ff.) schließt, von der Säuberung des "neuen" Tiefes gesprochen, wo es sich ganz zweifellos um "das" Tief (A) handelt. (In dem Kontrakt vom gleichen Tage, der mit Peter Hase geschlossen wird, spricht man von "dem" Tief.) Und 1608 wird in der Neuen Cassen Rechnung vom Mai 22 bei der ersten Erwähnung des "Meister Gert Ottsen aus Ambsterdam" von dem "neu bestallten Meister zum neuen Tief" gesprochen. Obwohl es seit über 40 Jahren damals ein jüngeres "neues" Tief gibt. - Es mag bei dieser Gelegenheit erwähnt werden, daß es noch heutigen Tages bei alten Rostockern üblich ist, die Mittelstadt im Gegensatz zur Altstadt die Neustadt zu nennen, obwohl inzwischen seit zwei Menschenaltern eine andere Neustadt herangewachsen ist.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 126 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Bedeutung des Rostocker Hafens für den Wohlstand auch des ganzen Hinterlandes richtig erkannt und greifen in diesen schweren Tagen des Jahres 1519 selber helfend ein, indem sie einen Aufruf an die umwohnenden Besitzer richten, der bedrängten Hafenstadt zu helfen. Mehr noch: einer der Herzöge hat sich, wie aus dem Schreiben hervorgeht, selbst nach Warnemünde begeben, um den Schaden in Augenschein zu nehmen. Dabei hat er feststellen müssen, daß die Stadt das Unheil unmöglich aus eigener Kraft tragen könne. Der Aufruf der Herzöge geht sogar so weit, auch die freie Anfuhr mit den eigenen Pferden bis zum "nigen Diep" zu verlangen (und zwar bis zum Tage Petri Pauli, 29. Juni) 1 ) und schließt mit den Worten: Und Ihr mögt Euch "des nicht weigern, noch vns solckes geringen notdurftigenn temeliken Begerens affschlagen, wo wy uns der angetogedenn mercklichen Notturfft nha to jw gentzliken vorlaten und geneigt sin willen, gegen jw mit besunderem gnedigen Willen to bedenken. Datum ..." usw. So schließt dieses wertvolle Schriftstück.

Wir wenden uns nun der Geschichte der großen Hafenbauten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu und betrachten zunächst einen Vermerk im Rechnungsbuch des "Alten Kasten" 2 ) aus dem Jahre 1574. "Vthgifft Geldt thom Buwte des Nien Depes zu Warnemunde anno 74 neben der Heiden 200 fl." heißt die Überschrift der einen Seite, und an anderer Stelle steht geschrieben: "To erbuwinge des nyen Depes" und "thom Buwte des nien Depes tho Warnemunde nebenst der Heiden". Danach hat es damals ein Durchbruchstief "neben" der Heide gegeben. In den nächsten Jahren wird ständig an seiner "Dämpfung" gearbeitet. Bemerkungen auf Rechnungszetteln aus späterer Zeit


1) Da das Schreiben Cantate abgesandt wird, also im Mai, sind bis zum 29. Juli nur wenige Wochen Frist. Es spielt hierbei übrigens auch ein sozialer Grund mit: "... Petri Pauli nestkunftig alse to der bequemesten vnnd lidelikesten tydt, wyle die armen lude in des nicht vele hebben touersumen."
2) O. R. Z. 1585, Dez. 10. "2 große helden schlosse (Schlösser an Ketten) so bei dem Diepe gebraucht". (Beischrift: "der radel vor den Boom gelecht".) Kehrseite: "nach dem nien depe 2 grote helden schlote vordinget". Man hat also damals dort auch einen Baum gehabt, um das Tief zu versperren. Daß tatsächlich Schiffe hindurchgefahren sind, beweist eine Notiz aus G. R. 1581. Damals müssen die Wetteherren hinausfahren, um "Schuten" zu retten, die im Eise "bei der Heide" festgefroren sind.
O. R. Z. 1617, Dez. 23. "... alles was Michel Baden bei seinem neuen Werk gebrauchet, vom Neuen Tiefe geholet und zu Warnemünde auf die Vogtei geliefert. It. dem Knecht, so die retschafft von der Markgrafenheide (!) in das boht tragen geholfen."
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 127 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

weisen darauf hin, daß es bei der Markgrafenheide, bei der Radel, also am westlichen Rande der Heide gelegen hat. Es ist das auf der beigefügten Karte mit E bezeichnete Tief. In der Tat sind an jener Stelle noch heute, wie ich im Sommer 1926 feststellen konnte, mit Sand gefüllte Kisten zu finden, Reste jener Bollwerksarbeiten, durch die man vorzeiten den Durchbruch "gefangen" hat. Wann dieser Durchbruch stattgefunden hat, war aus den Quellen nicht zu ermitteln. Da eine Schädigung der Haffdüne durch eine Sturmflut unmittelbar vorher nicht nachweisbar ist, so muß man annehmen, daß der Durchbruch schon seit langem bestanden hat. Das wird auch durch einige Nachrichten aus der Zeit vor 1574 bestätigt. Als 1572 vom Rat ein Bote nach Stralsund geschickt wird, fahren ihn die Warnemünder in einem Boot zum "Neuen Tief" 1 ). Aber schon 1568 wird ein "neues Tief" genannt, welches kaum mit A identifiziert werden kann 2 ), und bereits am Anfang des Jahrzehnts werden Ausbesserungsarbeiten an der Düne gemacht. 1564 wird vom Rat ein Meister von auswärts gerufen, vermutlich aus Holland, dem klassischen Lande der Wasserbaukunst. Der Fremde soll "dat deep" "fangen", doch scheint dies Vorhaben nicht ausgeführt zu sein, denn noch im folgenden Jahre wird über die Dringlichkeit dieser Arbeiten im Rate gesprochen. Obwohl es aber heißt, daß die Düne "gemacht" werden müsse, und beschlossen ist, eine Abordnung des Rats solle sich "hinausbegeben", "zu ratschlagen, wie man der Düne helfen möchte", so scheint sich doch die Ausführung immer weiter hinausgezogen zu haben. Auch 1569 kommt ein Holländer nach Rostock, Harmenß van Enckhusen, um das "neue Tief zu fangen", aber da wieder im folgenden Jahre von den "gebreken des depes" gesprochen wird und auch in den Rechnungen nichts von den Arbeiten des Holländers erwähnt wird, so scheinen auch diese Verhandlungen ergebnislos verlaufen zu sein. In der Folgezeit versandete der Hafen, da ja das Tief nicht "gefangen" war, vollkommen. Kaum ein Boot könne noch in den Hafen herein, so heißt es in der "Deliberatio" der Rostocker auf dem Landtag


1) G. R. 1572. "Eyn erbar radt ßende j baden vth, de Warnemunder brochten (en) mith j bothe by nach vp(t) nige dep; j Warnemunder ginck myth deme baden bei thome Stralßunde."
2) Rost. R.-Arch., Rats-Protok. (R. Pr.)-Extrakte, 1568, Juli 5., und N. wö. Rost. Nachr. u. Anz. 1838 S. 390: "Per sententiam werden denen Warnemünder Strandtfischern und Binnenfischern limites gesetzt, wie weit ein jeder gegen das alte und neue Tieff, item auff dem Breitling zu fischen vergönnet sei." Da hier zweifellos von Warnemünde, also vom Tief A aus gerechnet ist, so ist das alte Tief A oder C, bzw. D, das neue Tief aber E.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 128 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

am 19. Oktober 1571 1 ). So weit sei es nun gekommen, daß man jährlich 4000 fl. für seine Wiederherstellung auswerfen müsse, und insgesamt würden die Hafenneubauten mindestens 100 000 fl. verschlingen 2 ). Diese Hafenneubauten nahmen die Stadt während des letzten Jahrhundertviertels in Anspruch. Die Aufgaben, die der Lösung harrten, waren folgende: Das Durchbruchstief mußte abgefangen und verstopft, die Düne erhöht und gefestigt werden; der Hafen aber war so zu vertiefen und auszubauen, daß eine derart starke Versandung in Zukunft unmöglich gemacht wurde. Das Gedeihen der Stadt hing ab von der glücklichen Vollendung dieser Aufgaben.

b) Die Zeit zwischen 1570 und 1616.

Am 3. Mai 1572 wurde im Rate beschlossen, fortan solle während des ganzen Sommers ein Ratsherr zwei oder drei Tage wöchentlich sich in Warnemünde aufhalten und die Arbeit beaufsichtigen. Es besteht also die Absicht, in Zukunft unter ständiger Überwachung der Verwaltungsbeamten die Arbeit tatkräftiger und stetiger fortzuführen. Diese Absicht ist auch aus anderen Maßnahmen ersichtlich: 1572 wird beschlossen, das Breitlingsbollwerk vor "Krekeshovet" weiter auszubauen. Auch das Ostbollwerk vorne an der See wird verlängert, nachdem im Jahre 1577 eine schwere Sturmflut große Verwüstungen an den Hafenbauten angerichtet hat. Es ist bezeichnend, daß der ersten Besichtigung am 6. Juli 1578 die ältesten Warnemünder beiwohnen, damit deren Ratschläge bei der weiteren "Hinausschlagung" des Bollwerkes gehört werden können. Auch die umfangreichen Arbeiten an der Haffdüne deuten auf die jetzt einsetzende größere Betriebsamkeit des Rates. Bemerkenswert sind zwei "Missiven" des Jahres 1574. Am 18. und 19. Dezember 1574 werden Schreiben an den Herzog versandt mit der Bitte "um etlichen Dannensamens, dessen die Stadt zur beseihung etlicher wöster Plätze in der Rostocker Heiden und fürnemlich der Haffdünen und zur Erhaltung des Tiefs benötigt seien" 3 ). Ob Tannensamen geliefert oder gar ob sie ausgesät sind, ist nicht mit Gewißheit zu sagen. Immerhin werden im nächsten Jahre an den Dünen umfangreiche Arbeiten vorgenommen: Die hohen Sandberge, die sich an der Westseite des Stroms beim Leuchtturm aufgetürmt


1) Rost. Rats-Archiv: Landtags-Acten de annis 1560 - 71.
2) Vgl. S. 135 mit Anm. 1.
3) Rost. Rats-Archiv: Missiven, 1574, Dez. 18. und 19. Beide ziemlich gleichen Inhalts.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 129 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

hatten, werden eben "gedragen". Vierzehn Tage dauert die Arbeit unter Mitwirkung aller Warnemünder. Dann schaffen die Diedrichshäger Mist herbei, um das weitere Fliegen des Sandes zu verhindern, vielleicht auch, um das Anwachsen sandflughemmender Gewächse zu ermöglichen 1 ). Schließlich sei noch eines Ereignisses des Jahres 1578 gedacht: der für die Rostocker Schiffahrt sehr bedeutsamen Erbauung des Rostocker Petriturms. Am 1. April wurde Laurens Junge mit einem Beglaubigungsschreiben ausgeschickt, um aus Gotland Holz für die Errichtung des Turmes zu besorgen 2 ). Das Holz war von Friedrich II. von Dänemark geschenkt, offenbar zur Sicherung der Schiffahrt, denn in dem Beglaubigungsschreiben an den Statthalter von Wisby heißt es, daß das Holz gebraucht werde zur "Erbauwinge einer Spitzen allhier in der Stadt Rostock, so dem gemeinen sehefahren Manne eine besondere Kunde und Nachrichten zur Sehefahrt geben wirt". Wer einmal draußen auf See gewesen ist und diesen zehnthöchsten Kirchturm der Welt in der Ferne hat grüßen sehen, wenn ringsum nichts als Wasser den Horizont berührte, der weiß, daß diese "Spitze" in der Tat ein Schiffahrtszeichen ersten Ranges ist. Diese Ereignisse bilden die Einleitung zu dem 1579 einsetzenden Zeitabschnitt, der zweifellos die Glanzzeit des Rostocker Hafenbaues bildet. Es wurden Pläne entworfen und ausgeführt, so großzügig, wie sie, gemessen an den Mitteln jener Zeit, von den Enkeln nicht wider erreicht sind. Zum ersten Male bildet die Fürsorge für den Seehafen der Stadt einen ständigen Verhandlungsgegenstand in den Ratssitzungen, zum ersten Male auch werden Männer bekannt, die entscheidend den Gang der Arbeiten in Warnemünde beeinflussen. Der erste dieser Männer ist Jochim Barchmann, der Schuster.

Gelegentlich einer Ratsverhandlung (am 14. März 1579) mit den "verordneten Bürgern" über den Zustand der von ihnen verwalteten Landgüter tritt Jochim Barchmann, der Verordnete der Müggenburg 3 ), auf und sagt unter anderem, er wolle einen "Graffen" der Stadt zum Besten in die Heide "ziehen" und "das Depf zugleich buwen".


1) G. R. 1575, Juni 24. "Alle de Warnemunder de drogen de hogen Santberge euen by der Luchte, se drogen auer 14 Dage." Okt. 2. "De Diderichsheger fehrden den Meß vp de Haffdünen, ock (!) by der Luchten, dar de Barge euen maket werden (!). Niegels vnd en Man tho sick, de schowen tho Warnemünde den Meß vth den Stellen, se arbeideden 4 Dage. Ock hulpen se Meß mit vp de Berge schaben."
2) R. Pr. 1578, Apr. 1. Laurenß Junges Beglaubigungsschreiben für Gothlandfahrt.
3) Ein Hof in der Rostocker Heide.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 130 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Dem Bürger wird erklärt, daß der Rat so bald wie möglich mit ihm über diesen Punkt sprechen wolle 1 ).

Dies ist die erste Nachricht, daß Jochim Barchmann dem Rate anbietet, das Durchbruchstief E zu beseitigen. Daneben ist es die früheste Urkunde von einer Kanalanlage, die für die Instandsetzung des Tiefes noch von großer Bedeutung werden sollte und bis auf den heutigen Tag für den Personen- und Güterverkehr in die Heide hinein diese Bedeutung noch nicht ganz eingebüßt hat: Die Nachricht von der Erbauung des Torfgrabens (K), jenes Kanals, der aus dem Breitling bei Markgrafenheide bis zum großen Torfmoor sich erstreckt. Die bisherige Forschung hat die Erbauung dieses Kanals ins 18. Jahrhundert hinein verlegt 2 ). Glücklicherweise ist uns eine Urkunde aus dem Jahre 1587 erhalten, die alle etwaigen Zweifel zerstört und gleichzeitig auch über die Wichtigkeit dieses Grabens für die Bauten an der See jede wünschenswerte Auskunft gibt 3 ). Es ist ein Brief des Ratsherrn Dr. Friedrich Heine an den Rat folgenden Inhalts: Der Rat habe ihn aufgefordert, alle die Unkosten, die er mit dem weiland Bürgermeister Thomas Gerdes für die Errichtung des "neuen Grabens in die Heide" aufgewandt habe, anzugeben. Bekanntlich habe er und Gerdes im Jahre 1579 (also im Jahre der oben mitgeteilten Ratsverhandlung), nachdem nach mehrmaligen Verhandlungen die Frage der Einträglichkeit des von Jochim Barchmann vorgeschlagenen Grabens verneint war, auf eigene Unkosten die Verfertigung des Grabens übernommen, und zwar unter der Bedingung: Würde sich später herausstellen, daß der Graben sich bezahlt mache, so solle die Stadt ihnen alle auf ihn gewendeten Unkosten erstatten, falls nicht, dann sollten sie "außer dem Schaden auch den Schimpf behalten". In diesen acht Jahren (1579 - 1587) sei aber der Nutzen des Kanals erwiesen: Von St. Jakob Ziegelhofe würden für die Herabführung des Torfes (!) jährlich 50 fl. entrichtet, von Jochim Barchmann 100 (!), der andere Ziegelhof müsse gleichfalls jährlich 100 fl. geben, so daß hieraus zusammen jährlich allein 250 fl. Einnahme sich ergäben, ohne das, was die zu zahlen hätten, die als Privat-Personen ihren Torf (!) aus der Heide (!) führten. Zu all dem


1) Alle folgenden Zitate stammen, soweit nicht besonders vermerkt, aus den Ratsprotokollen der betr. Jahrgänge und werden deshalb in der Regel nicht mehr gesondert in den Anmerkungen erwähnt.
2) Krause: Die Rostocker Heide, S. 15 (B. G. R. XIV 1926). Leider ist die Quelle nicht angegeben, auf die Krause seine Behauptungen stützt.
3) Dieses Stück fand sich unter ungeordneten Akten und ist nunmehr unter "Akten Warnemünde, Neues Tief" eingeordnet worden.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 131 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

käme die Verbilligung der Holzbeschaffung, wie man denn auch Korn und anderes den Graben hinabschaffen könne 1 ), zu welchem allen man früher Pferde und Wagen hätte brauchen müssen. Zudem sei es ohne den Graben ein unmöglich Ding gewesen, dieses Jahr (1578!) das Neue Tief zu fangen, wofern man nicht etliche tausend Fuder Wasen (Faschinenbündel, Reisigwerk) hätte aus der Heide holen können. Aus allen diesen Gründen möge der Rat die verordneten Bürger der gemeinen Kasse beauftragen, ihm und den Erben des Bürgermeisters Gerdes die Unkosten, "so auf Verfertigung des neuen Grabens aus dem Breitling ins Torfmohr (!) aufgewandt wurden", zu erstatten. Dieses Schreiben ist in mehrfacher Hinsicht wertvoll für unsere Untersuchung. Zunächst seien noch einmal die Worte unterstrichen, die von seiner Bedeutung für die Einfangung des Neuen Tiefs E im Jahre 1587 zeugen: Etliche tausend Fuder Faschinenbündel sind damals den Graben hinabgeführt. Man ersieht hieraus recht eindrucksvoll, welche Anstrengungen man damals gemacht hat, die Hafenanlagen wieder instandzusetzen. Der Brief zeigt auch, daß der Rat Barchmanns Vorschlag vom 14. März 1579 abgelehnt hat. Er wäre niemals zur Ausführung gekommen, wenn nicht der Ratsherr Dr. Heine, einer der reichsten Männer der Stadt 2 ), eine größere Weitsichtigkeit besessen hätte als seine Amtsgenossen: Er faßt den Entschluß, den Kanal auf eigene Faust zu bauen, gewinnt einen Partner und setzt sich mit Barchmann in Verbindung. Wie aus dem Schreiben und auch aus den Gewettsrechnungen ersichtlich ist, wurde der Graben noch im gleichen Jahre in Angriff genommen. Daß diese Anlage sich infolge der Prahm- und Bootsgelder gut bezahlt gemacht hat, zeigen die im Brief genannten Summen. Zudem sind die Unkosten nicht groß gewesen, da ein gut Teil derselben von der Stadt getragen werden mußte. Jochim Barchmann hatte nämlich mit seinem Kanalplan gleich zwei Dinge im Auge gehabt: Der Kanal sollte zur Erschließung der Heide dienen 3 ). Die Menge der beim Bau des Grabens ausgestochenen Grassoden aber wie auch die gewonnene Erde sollten zur Fangung des Tiefs und zum Bau der Haffdüne verwandt


1) Damals war ja die Heide zu einem großen Teil noch Kulturland.
2) Als z. B. der Ratsherr Heinrich Gerdes "durch nachlessigkeit zu schaden gerathen" und deshalb seine Güter verkaufen mußte, hat sich "D. Friedrich Heine darhin vorfüget und die güeter sembtlich vmb 4300 fl. ... gekauft". (R. Pr. 1579, sept. 9).
3) Neben Wald und Feld sollten vor allem die großen Torflager ausgebeutet werden. B. weist in einer Ratssitzung auf die Einträglichkeit der "Torfgruben" hin; aber ohne Erfolg.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 132 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

werden. Es liegt auf der Hand, daß dadurch der Bau bedeutend wohlfeiler wurde.

Im Jahre 1579 finden umfangreiche Arbeiten an der Haffdüne statt. Meister Claus Jendrick, der Zimmermeister, arbeitet mit seinem Volke den größeren Teil des Jahres auf der Düne. Außerdem hat man dort einen "sodensteker" oder "grewer" angestellt. Daneben werden ständig Arbeiten am "Graben" genannt und aus dem Zusammenhang der Nachrichten ergibt sich, daß es sich darum handelt, die bei dem von Dr. Heine unternommenen Bau des Torfgrabens gewonnenen Rasensoden und Erdmassen an die Düne zu fahren. Diese Arbeit wird von den Bauern getan. Auf der Düne wird von der Ausschachtungserde ein Wall errichtet, dessen Oberfläche mit den Soden belegt wird. Dazwischen aber - und das ist wichtig, weil auch hier wie bei der Anlage des Torfgrabens die bisherige Forschung bedeutend spätere Daten annahm - wird Hafer gesät 1 ). Am Strande werden Buhnen gebaut. Demgemäß ist schon damals, wie wir schon an anderer Stelle feststellen konnten 2 ), alles das zum Schutz der Düne getan, was im 19. Jahrhundert als ganz neue Errungenschaft gefeiert wurde. Diese Dünenarbeiten werden auch noch im folgenden Jahre fortgeführt. Außerdem werden umfangreiche Anpflanzungen von "pardtwiden" vorgenommen 3 ).

Im Herbste dieses Jahres 1580 tritt der Rat mit Jochim Barchmann aufs neue in Verhandlung, daß er das "Neue Tief" fangen soll. Am 30. September beschließt man, wegen Barchmanns "Angebent, das neue Tief zu fangende", Abgeordnete nach Warnemünde zu schicken, die seine Vorschläge anhören und ihre Brauchbarkeit prüfen sollen. Am 17. Oktober heißt es in den Ratsprotokollen des gleichen Jahres: "wegen der zwischen (!) dem neuen Tief und Warnemünde gelegenen Haffdüne beschlossen, mit Barchmann dem Schuster zu reden, welcher sich angegeben, eine Düne zwischen dies und künftigen Weihnachten zu machende, danach vff künftigen Pfingsten das Tief zu fangende". Diese Stelle zeigt eindeutig, daß es sich um Fangung eines Durchbruches (E) handelt. Wichtig ist, daß Barchmann den Auftrag bekommt, zuerst die Haffdüne zu bauen und dann erst das Tief


1) G. R. 1579, Juni. "Andreas de greuer de hadde 2 greuer tho sick; sesetteden soden vp vor lanck strandes vp de haffdunen ... vor j scheffel haferen gegeuen 6 ß, den seiheden de groffer twischen di sohden."
2) Vgl. S. 121.
3) Z. B. G. R. 1580. "Achim Schütten vnd sinen nabarn abgekoffte 17 stigen pradtwiden, so by der haffdüne gesettet, jeder stige vor 8 ß: 5 fl. 16 ß."
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 133 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

zu fangen. Man wußte sehr wohl, daß ohne Instandsetzung der Haffdüne alle andere Arbeit vergeblich war. Barchmann versucht trotz dieses Auftrages zuerst das Durchbruchstief zu fangen, was ihm später schwere Vorwürfe im Rate eingetragen hat 1 ). Den Auszügen aus den Ratsprotokollen zufolge müßten dann die "Punkta Contracti" am 19. Dezember 1580 geschlossen sein; doch ist im folgenden Jahre von einer Tätigkeit Barchmanns nirgends die Rede. Die Verhandlungen des Herbstes sind also ergebnislos verlaufen. Im Frühjahr kommt man noch zweimal auf Barchmanns Anerbieten zurück. Im Februar werden zur Besichtigung des Durchbruches einundzwanzig Herren vom Rate nach Warnemünde geschickt, "und solches alles zur Abschaffung (!) und Dämpfung (!) des Neuen Tiefs" 2 ). Im Mai wird gleichfalls eine Abordnung beschlossen, um "daselbst alle Gelegenheit zu besichtigen und ihren guten Rat mitzuteilen, wie und wasserleigestalt mit dem neuen Tief verfahren werden soll". Hierauf müssen die Verhandlungen bis zum nächsten Jahre ins Stocken geraten sein, aus welchem Grunde, habe ich nicht ermitteln können. Inzwischen aber hat sich der Rat um einen auswärtigen Baumeister bemüht und am 18. Januar 1582 fahren die Bürgermeister in Begleitung "des lübischen Baumeisters" mit mehreren des Rates nach Warnemünde "na dem Nyen Depe vnd dat besehen / daran wedder vp Warnemunde" 3 ). Der Name des Lübeckers war Peter Hase. Am 17. Februar 1582 verhandelt der Rat darüber, ob man nun Hase oder Barchmann zur Fangung des Tiefes nehmen soll. Es wird beschlossen, daß der lübische Baumeister und zugleich mit ihm - als ein Aufseher - Jochim Barchmann angestellt werden soll. Barchmann bekommt den Auftrag, sofort mit den Arbeiten zu beginnen. Im März ist Peter Hase wieder in Rostock und am 12. geschieht eine neue Besichtigung. Diesmal werden die Mängel des "alten und neuen" Tiefs, also doch wohl des Hafens wie auch des Durchbruches, in Augenschein genommen. Am Tage darauf werden dann im Rate die Abschlußverhandlungen geführt. Es wird fest beschlossen, "mit dem neuen Tiefe zu verfahren", und man spricht mit Hase, daß er zugleich mit Barchmann das neue Tief fangen soll. Auch sollen zur Beförderung der Arbeit zwei Herren des Rates als Lohnherren abgeordnet werden: Michael Breide und Nikolaus Bolte. Da also infolge der umfangreichen


1) Vgl. S. 141.
2) Dies ist Beweis, daß es sich um Verstopfung eines Durchbruches handelt und nicht um Uferbefestigung des Hafens. S. dazu S. 134, Anm. 3.
3) Diese Nachricht bestätigt aufs neue, daß an einem außerhalb Warnemündes befindlichen "neuen Tief" gearbeitet werden soll.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 134 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Bauten in Warnemünde von nun an mehr Arbeiter dort tätig sein müssen, so werden ganz andere organisatorische Maßnahmen notwendig, als der bisherige Betrieb mit den etwa fünfzehn ständig in Warnemünde arbeitenden Leuten erforderte. Nachdem diese Punkte in der Ratsverhandlung festgelegt sind, wird Jochim Barchmann vorbeschieden und mit ihm ein fester Vertrag gemacht 1 ). Mit der Arbeit wird sofort begonnen. Schon am 15. März fahren die Herren der Verwaltung in die Heide hinaus, um zu sehen, "welches Holz Barchmann schlagen ließ und wie es auf den Dünen stand". Auch während der folgenden Wochen werden Besichtigungsfahrten gemacht, und immer ist der Schuster bei der Arbeit. Aus den Bemerkungen dieser Fahrten geht - im Zusammenhang mit den anderen Nachrichten - wiederum hervor, daß diese Arbeiten sich auf das Durchbruchstief E "neben der Heide" bezogen haben: Ständig fahren zu dieser Zeit die Herren durch die Heide auf den Arbeitsplatz und fahren dann schließlich "vth der Heide ower dat Dep vp (!) Warnemunde" 2 ). Die Arbeiten Barchmanns beziehen sich also nicht, wie die bisherige Forschung angenommen hat, auf das Zurückdämmen der lockeren Ufermassen des Tiefes A. Auffallend ist, daß niemals Peter Hase als Mitarbeiter erwähnt wird. Da später Barchmann im Rate sagt, er habe das Tief gefangen, das der lübische Baumeister habe fangen sollen, so muß Peter Hase an der Ausführung seines Auftrages vom 12. März gehindert sein. Erst im August tritt er wieder in Rostock auf, nun aber mit einem ganz neuen Plan: Er bietet dem Rat einen Bagger an. Wir werden noch davon hören 3 ).

Am 11. April wird vom Rate einhellig ein wichtiger Entschluß gefaßt: Da die Arbeit keinen Verzug leide, so solle "in diesem Jahre alle Arbeit am Graben liegen" bleiben und dem "neuen Werke am neuen Tiefe" zugute kommen. Zudem solle für diesmal nicht nach den Häusern und Wohnungen, sondern nach dem Reichtum eines jeden Bürgers eine Steuer erhoben werden. Die beiden Lohnherren sollen sich deshalb mit den Quartiermeistern in Verbindung setzen. Man sieht also, und man wird es auch noch weiterhin beobachten, in jeder Weise, in Ver-


1) B. soll 3 Thaler wöchentlich und "nach Vorrichtung des Werckes des Newen Tieffes, da es bestendig sein würde ... 600 Thaler ... und von allem Holze die Lohe" als Lohn haben. (R. Pr. 1582, Febr. 17).
2) G. R. 1582, Mai 3. "Ich vnde Jacob in die Heide gefahren na deme Roffershagen. Dar betalt ... Van dar gefahren tho Jochim Barchmann vp dat deep, dar bethalt ... Vnd wy lethen vns mit dem pram auer na Warnemunde setten vnd, wie wi darhen gefahren (!), vor kost vthgegeuen." - So auch Mai 7. und Juni 1.
3) Vgl. S. 138.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 135 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

waltung, Organisation und Finanzierung werden jetzt Neuerungen getroffen, die zeigen, daß der Rat zu tatkräftigem Handeln entschlossen ist. Aus den Rechnungen ist ersichtlich, daß die Vermögenssteuer dieses Jahres 2500 fl. eingebracht hat, das waren zusammen mit dem, was aus dem "Alten Kasten" bewilligt war, 5500 fl., die nun für die Arbeit zur Verfügung standen. In den vorhergehenden Jahrzehnten beliefen sich die Aufwendungen für den Hafen höchstens auf ein Zehntel dieser Summe 1 ). Nach diesen Ratsbeschlüssen geht die Arbeit schnell vorwärts, denn die Zahl der Mitarbeiter Jochim Barchmanns wächst ständig. Waren es am 7. April noch 28 Mann, so sind es schon zwei Tage nach dem Ratsbeschluß etwa 40 und im Mai steigt die Zahl gar auf 70, für die damalige Zeit sicher eine stattliche Arbeiterschar. Zudem hatte man außer den Ungelernten auch Fachleute beschafft: Drei "Sodensteker" werden in den Rechnungen genannt, daneben ein "Wrosensetter". Am 9. Mai werden mit den "Pramherren" Verhandlungen angeknüpft, "damit zur Beförderung des neuen Tiefes Erde, Steine und, was mehr dazu nötig, möchte dahin geschafft werden". Für jeden beladenen Prahm sollen ihnen 2 fl. vergütet werden. Am 11. Mai kommt ein neuer wichtiger Plan zur Annahme: "Die Hundsburg soll nach dem neuen Tieff gebracht werden, dasselbe damit zu fangen" 2 ). Da man zur Einfangung des Tiefs eine große Menge Füllmaterial gebrauchte, Erde und Steine aber - nachdem nun der Heidekanal fertiggestellt war - in der erforderlichen Menge nicht zu beschaffen waren, so ist man demnach auf den Gedanken gekommen, Erde und Steine des längst verfallenen und unbenutzt daliegenden Hundsburggrundstückes an den Seestrand zu schaffen 3 ). Man nimmt nun sofort wieder Verhandlungen mit den Prahmherren auf, und zwei Tage später kommt ein neuer Vertrag mit ihnen zustande, demzufolge ihnen für jeden beladenen Prahm 1 1/2 fl. - also 1/2 fl. weniger, als zuerst ausbedungen war - zugesagt werden. Doch wird hinzugefügt: "Im Falle die Pramschuwer und sie selbst damit nicht bleiben konnten, alß wollte man ihnen Zulage thun". "Und sollten solche Präme die Erde der Hundsburg holen und nach dem Neuen


1) 1553: 550 fl.; 1554: 492 fl.; 1555: 67 fl.; 1556: 379 fl.; 1568: 62O fl.; 1569: 499 fl.; 1752: 673 fl.; 1573: 479 fl.
2) Die Hundsburg wurde also nicht, wie Krause und Barnewitz meinten, als Uferbefestigung für den Hafen verwandt.
3) Ohne diese Hinschaffung wäre die Einfassung des Tiefes wohl unmöglich gewesen. Da ja auch der Kanalplan von Jochim Barchmann stammt, so ist es nicht ausgeschlossen, daß auch diese Idee von ihm ausgedacht wurde.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 136 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Tiefe bringen". Am 14. Juni sind bereits 21 Arbeiter mit den Aufräumungsarbeiten auf der Hundsburg beschäftigt. Die Zahl der Arbeiter am Tief E ist inzwischen auf 100 gestiegen. Tag und Nacht wird gearbeitet, wie die Rechnungen berichten, und so müssen besondere Vergünstigungen an die Arbeiter verteilt werden 1 ). Am 14. Juli endlich ist das Tief gefangen. So groß ist der Eindruck dieses Werkes auf die Zeitgenossen, daß in sämtlichen Chroniken davon die Rede ist 2 ). Und auch der Urheber dieses Werkes wird genannt: "Anno 1582 wartt das neue Tieff vor Warnemünde gefangen von einem Schumacher, Jochim Berckmann genannt" 3 ). In der Woche darauf ist der gesamte Rat in Warnemünde, um das Werk anzuschauen. Bei dieser Gelegenheit wird die Haltbarkeit erwiesen: Der Schulzenknecht von Willershagen verdient sich einen ß als Preis, "dat he dat erste Stucke Holtes vorde awer dat nige Dep" 4 ). Das war die Probe auf die Tauglichkeit dessen, was Barchmann gemacht hatte. Sie war bestanden. Und so liest man denn auch in den Chroniken, er habe das Tief gefangen, "also daß man mit Wagen und Pferden darüber fahren konnte". Freilich war hiermit noch nicht die Arbeit beendet. Nur an einer bestimmten Stelle war das Durchbruchstief überbrückt, das Wasser gefangen. Das übrige Bett bedurfte noch weiterer Aufschüttung, und so gehen die Arbeiten noch weiter fort bis gegen Ende September. Am 1. Oktober erscheint Barchmann vor dem Rat, um seinen Lohn für die vollendete Arbeit zu fordern. Er erklärt, "wie mit ihm wegen des neuen Tiefes gehandelt. Alles, was zur Dempfung (!) und Fangung des Tiefes gehörig, das habe er verschafft, und es sei nun wohl sicher." Demnach bäte er um die ihm zugesagten 600 Taler. Am 3. Oktober wird dann von den Kastenherren "geschlossen", daß man Barchmann auf die zugesagten 600 Tlr. vorerst 400 Tlr. geben wolle. Sollte sich aber herausstellen, daß das neue Tief nicht beständig wäre, dann solle er auch nicht mehr bekommen.

Aber schon während dieser Lohnverhandlungen ist Jochen mit einem neuen Plane herausgekommen. Er sagt, "er habe auch das


1) Rost. Rats-Arch.: Akten U.-Warnow II. B. Vol. II, Fasc. I, 1582: "Ablohnunge des Arbeidesvolkes bei dem Gebewte des Diepfs zu Warne Munde de anno 1582."
2) "Rost. Chronik v. 1311 - 1586", Hs., Rost. Rats-Arch. 1582, Juli 14. Ungnad, a. a. 1152. Das Datum (Juli 4.) ist falsch.
3) Die Namen Barchmann und Berckmann kommen nebeneinander vor. Die hier angeführte Quelle meint übrigens "fangen" in dem umfassenden Sinne und somit, daß (durch Verstopfung von E) das "neue Tief" A gefangen wurde.
4) G. R. 1582, Juli 23.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 137 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

alte Tief (A) besichtigt, und obwohl dasselbe zwischen den Bollwerken jetzt tief genug sei, so wäre doch vorne im Seheschlage eine zerteilte Banke, dieselbe wolle er mit einer Harke wegbringen" 1 ). Auch am nächsten Tage wird hierüber verhandelt. Die "Eidge" soll von den beiden Bollwerken aus mittels "Spillen" durch das Tief gezogen werden 2 ). Man sieht also, kaum ist die eine Arbeit beendet, da erscheint dieser unruhige Geist vor dem Rate mit dem Plan zu einer neuen. Hierbei spielt übrigens auch Eifersucht mit auf Peter Hase aus Lübeck. Hase war nämlich, nachdem er seinen Auftrag vom 12. März des Jahres ganz zugunsten Barchmanns abgetreten hatte 3 ), im August aufs neue vor dem Rat erschienen und hatte eine "Suwerkunst", einen Bagger, im Modell vorgeführt 4 ), mit der er das Hafentief gegen eine hohe Entschädigung austiefen wollte. Das weitere hierüber werden wir noch später erfahren. Damals ist noch keine Entscheidung gefallen, aber ganz zweifellos hat dies den Schuster, der anderen auswärtigen Baumeistern Arbeit und Ruhm mißgönnte, veranlaßt, nun auch seinerseits, nachdem seine erste Aufgabe erledigt war, mit einem von ihm erdachten "Suwerinstrument" aufzutreten. Da es sich um genau jene "Flecken vor dem Gate" handelte, deretwegen der Rat


1) R. Pr. 1582, Okt. 1. "Außerdem habe er das alte Tief besichtiget und obwohl es nun zwischen den bolwercken jetzt tief genug gemacht sei, so wäre doch vorne im seheschlage eine zertheilte banke; dieselbe wolle er mit einer barke wegbringen." Daß es sich hier nur um das Tief A handeln kann, geht daraus hervor, daß auch Peter Hase dieselbe "zerteilte", also aus zwei Teilen bestehende "Banke" am Hafenmund fortsäubern soll. R. Pr. 1582, Aug. 20.: "die flecken vor dem gate ..." Aug. 27.: "die flecken für der sehe"; ebd.: "um der beiden flecken willen solch Instrument zu machen ..." Daß Hase am Hafentief arbeitet (also an A), wird unter anderem auch aus einer Bürgschaftserklärung seines Bruders Hans erwiesen, worin von dem Tiefe wieder, da es sich um eine Urkunde handelt (s. S. 125 mit Anm. 3), als von dem "Neuen Tiefe" gesprochen wird. 1582, Okt. 19.: "das Instrument ... zu dem newen Tiefe nutzlich". Am gleichen Tage wird eine Bestallungsurkunde für Peter Hase ausgefertigt, wo von dem (!) bzw. "unserem" Tief gesprochen wird. Wir haben hier also den Fall, daß in ein und demselben Jahre der Seehafen drei Bezeichnungen hat: "Dat deep", "dat niege dep" und "dat olle dep"!
2) R. Pr. 1582, Okt. 2. "... daß er das alte Tief mit einer Eidge wollte seubern, also daß auf beiden Seiten durch eine Spille diese Egge durch das Tief gezogen werden könnte."
3) Vielleicht hat man ihm den Auftrag wieder entzogen, auf Betreiben von Barchmanns mächtiger Freundschaft (Dr. Heine!). Hase ist während seines Wirkens in Rostock ständig durch Quertreibereien an seiner Arbeit gehindert oder gestört worden.
4) Vgl. S. 139, Anm. 1.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 138 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

mit Peter Hase in Verhandlungen stand 1 ), so ist der Beweggrund Barchmanns ziemlich durchsichtig. Aber während noch diese Verhandlungen laufen, vom 3. bis 4. Oktober, da tobt an der mecklenburgischen Küste ein fürchterlicher Weststurm, und am 4. ist bereits wieder neben dem gerade "zugemachten" ein "neues" Tief entstanden, "welchen Durchbruch man gefährlicher erachtete als den ersten". Die neue größere Gefahr erforderte neue größere Mittel, auch neue erfahrene Männer. Im Laufe des Spätherbstes noch entschließt man sich, einen kundigen Mann von auswärts kommen zu lassen. Es ist Johann tor Balcke, der Holländer. Bevor wir jedoch hierzu übergehen, muß von dem Rivalen Jochim Barchmanns erzählt werden, von Peter Hase, dem "Meister der Süwerkunst".

"Doselbst ein Meister aus Lübeck anhero gekommen," so heißt es in den Ratsprotokollen im August 1582, "so zu Rate eine Kunst übergeben, wesserleigestalt das Tief und Flecken für der Sehe konten gesäubert werden" 2 ). "Er wolle damit uff ein mal eine Elle diep auß der Diepe Sandt und Dreck holen und eine reine und saubere Diep halten. Auch die Flecke vor der Gate zu Warnemünde wegbringen mit lichter Arbeit und ringer Unkosting. Derselbe ist durch zwei des Rates nach Warnemünde gefahren worden und ist ihm alle Gelegenheit erst gezeigt worden". In den nächsten Tagen finden Verhandlungen statt, aus denen näheres über Peters Angebot zu ersehen ist. Peter hat, wie er behauptet, den Bagger in Venedig 3 ) gebraucht, wo er auch jetzt noch jährlich zu tun habe. Außerdem habe er vor etlichen Jahren ein kleineres "Instrument" in Lüneburg 4 ) geliefert. Dafür habe er 300 Tlr. bekommen, zu


1) Vgl. S. 137, Anm. 1.
2) R. Pr. 1582, Aug. 25.
3) Das S. 139, Anm. 1 angeführte Modell, ein Löffelbagger, entspricht der Skizze zufolge genau den in Venedig gebräuchlichen Baggern, die dann später von Bonajuto Lorini verbessert wurden. Vgl. Krünitz, a. a. O. XXI. S. 36 und G. Hagen, Kupfertafeln zum Handb. d. Wasserbaukunst, Berlin 1865, Teil III; Seeufer und Hafenbau, IV. Bd., Tafel XXXIX, Fig. 203 a.
4) Peter Hase hat, wie ich einer freundlichen Mitteilung des Lüneburger Archivdirektors Herrn Dr. Reinecke entnehme, in Lüneburg gearbeitet. Lüneburger Stadtarchiv: Soldmeisterrechnung 1574 B 158. "150 daler syn vth beuel eines erbaren rathes Peter Haszen van Venedigh (!) gegeuen, wo men desz mith eme einsz geworden. Dayeghen er sich erbot, ein Kunststucke vnd Instrument antorichtende, dardorch mith geringem volcke vnd vnkosten mehr alsz mit deme plogende (über das "plogen" s. S. 151) dath santh vth der Ouw liderlich konte gebracht vnd de dupe gemaket werden. Und alsz die viserunge aller schafflun daruf von gedachtem meister by Everth Langen snitker isz vorfertiget worden,
(  ...  )
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 139 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Venedig aber habe er jährlich 1500 fl. "zu heben". Das Rostocker Werk werde er für 1500 fl. liefern, doch stehe er gut dafür, daß man damit "im Tiefe zu Warnemünde, so woll bei Sommer alß winter tage, wan es gutt Witter ist, in igliche Stunde oder zum hochsten in einer Stunde vnd ein vierthel durch vier Personen auß der Grundt vier Mhall ein Fhaden langk vnd einen Fhaden breitt vnd drei Quartier einer Ellen tieff Erde oder Sandt nhemen vnd also dasselbe sieben oder achte Ellen tieff machen khonne". Sollte aber das Instrument nicht ganz und gar "beständig" sein, so wolle Peter der Stadt allen daraus erwachsenen Schaden ersetzen. Zur Sicherung dieser Summe werde er einen Bürgen stellen. Gleichzeitig übergibt er dem Rate ein Modell 1 ) seiner Kunst, von dem der Ratsschreiber eine flüchtige Federskizze seinem Protokoll beifügt.

Am 14. September wird über Hases Anerbieten im Rate verhandelt. Es sei ihnen allen bewußt, so spricht der worthabende Bürgermeister, "welch ein schedtlich Tieff zu Warnemünde und da dasselbe in der Zeidt mit Fleiße nicht solte gewartet werden, würde es dieser guten Stadt großen Schaden geben, da eß hin und wieder im Reiche Denemarken und sonsten ruchtig würde, und obwohl teglichs daran gearbeitet würde, so schloge doch der Seeschlagk solches alles wiederumb zu. Wan dan einer sich von Lübeck bei dem Rate angegeben, der zu Venedigh eine Seuberkunst gebreuchet" und nun auch in Rostock dieses Werk bauen wolle, so habe er mit ihm gehandelt, "weil denn an dem Tiefe der Stadt mercklich und hoch gelegen, und da man dasselbe solte zukommen lassen, würde der ganzen Stadt Frohling und Plog dadurch gelecht sein". Hase werden 1200 Tlr. zugesagt, doch muß er sich verpflichten, den Bagger in keiner anderen Stadt mehr zu verkaufen. Nach der Sturmflut Anfang Oktober finden die Verhandlungen mit der Bestallung Peter Hases ihren Abschluß. In der Bestallungsurkunde sind die schon bekannten Bedingungen festgesetzt. Der Preis ist auf 1050 fl. hinabgedrückt, außerdem wird verlangt, der Meister solle selber mit dem Instrumente solange arbeiten, bis seine Brauchbarkeit erwiesen sei. Die für die Stadt sehr günstigen Aussichten waren des hohen Preises wohl


(  ...  ) isz dieselbige einem erb. rathe uf deme rathusze in ogenschein gebracht und vorgestellet vnd darnach vff die Cemmerie gesettet worden." S. 63: "24  Euerth Langen deme snitker vor die vieszerunge touerfertigende."
1) Hans Hase 1582, Sept. 15.: "... auch Euer erbar Weisheit hat gesehn dat werk indt kleine, darbei man erkennen mag, wen es inß große wirdt gemacht, das ime (dem Tief) kann geholfen werden."
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 140 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

wert. Dennoch ist die Angelegenheit anders verlaufen, als man gehofft hatte. Eine Chronik 1 ) meldet folgendes: Den 10. Nov.... hat Ein Erbarer Rat ... ein sonderlich eisern Instrumente von ihm machen lassen, damit er zu jedesmal 6 Ctr. schwer Erde auß dem Tiefe säubern können. Wan aber der Grund madig gewesen, so hette es im Tiefe sehr nutzig gewesen. Aber weil es Haffsand war, wart das Instrument durch das harte Schraubent zerbrochen und mußte man es bleiben lassen. Doch mußte ihm ein Erbarer Rat allen erlittenen Schaden außrichten. Das Instrument, damit er die Erde aus dem Tiefe nahm, liegt annoch auf der Louinge 2 ).

Außer mit Barchmann und Hase, dessen Wirksamkeit für das Tief ja freilich ohne Folgen blieb, hat aber der Rat noch weitere Schritte unternommen, um den Hafen wieder instandzusetzen. Vor allem der Durchbruch 3 ) machte ihm schwere Sorgen. Fast jede Woche, anfänglich gar mehrmals wöchentlich, wird über diesen Gegenstand beraten. Die Haupteinnahmequellen der Stadt, Schiffahrt und Heide, sind gleichermaßen bedroht. Zunächst glaubt man, das Werk Barchmanns habe nicht standgehalten. Nach einigen Tagen aber erfährt man, daß der Durchbruch, "so gefangen, zwar Bestand gehabt, doch habe der Seheschlag nebenan zwei Ronnen gemacht". Diese seien so gefährlich, daß zu befürchten stände, die Rostocker Heide käme noch ganz und gar zunichte, wenn dem nicht "vorgebaut" würde. Da sich die Gelegenheit bietet, werden einige holländische Schiffer mit hinaus an die See genommen. Sie erteilen den Rat, "zunächst das kleinere Loch zu dämpfen". Das große müsse sofort an beiden Enden mit Pfählen verrammelt werden, um ein weiteres "Ausreißen" zu verhindern. Andernfalls stände zu fürchten, daß jenes Land "ein Wasser mit dem Breitling" werde. Der Sturm hat massenhaft Seetang an den Strand geschlagen. Die Holländer erzählen, bei ihnen zu Hause baue man Dämme aus dem Tang. Schließlich unterhandelt man mit einem von ihnen. Nach seinen Angaben soll im Herbste "das kleine Loch" gefangen werden. Dabei soll Jochen Barchmann in der holländischen Kunst des Deichbaus unterrichtet werden. Am 28. Oktober bekommt der Holländer für seinen Rat, "wo men dat Dyp mit Dancke fangen konde und wo men de Deunen damit bauen konte",


1) Rost. Chronik von 1311 - 1586, a. a. O, 1582, Nov. 10.
2) Die "Louinge" war im Rathause eine Laube auf der Marktseite. Nur der Korb, der Löffel, wird dort oben gelegen haben. Denn die ganze Maschine war zweifellos zu groß. Hierfür spricht auch die Mitteilung der Chronik, die von einem "eisernen" Instrument berichtet. Peter Hases Instrument war aber zum überwiegenden Teil aus Holz. Nur der Korb bestand aus Eisengeflecht.
3) Vom 4. Okt. 1582, vgl. S. 138.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 141 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

16 fl. In der gleichen Zeit spielen die Verhandlungen mit Peter Hase wegen seiner Suwerkunst. Der Rat arbeitet also ernsthaft daran, die eingerissenen Schäden zu beseitigen. Und nun setzt sich - trotz Barchmanns Freundschaft mit dem machtvollen Dr. Hein - allmählich die Überzeugung durch, daß man sich für die seit der Sturmflut noch um vieles schwierigere Aufgabe einen Fachmann, der über eingehende Kenntnisse und lange Erfahrung verfügt, kommen lassen müsse. So wird denn "am 27. November geschlossen, daß Christoff Kerkow, wegen des neuen, wiederumb ausgebrochenen Tiefes zu Warnemünde nach der heiden (!) ins Niederland verreisen solle, daselbst einen erfahrenen Mann zu erkundigen, so mit den vordiken (!) und dergleichen ausgebrochenen diken (!) wüßte umzugehen". Aus irgendwelchen Umständen ist diese Reise dann unterblieben. Vielleicht hatte man sich schon schriftlich nach einem Meister umgesehen. Elf Tage später wenigstens ist schon ein Holländer in Rostock und wird auf Befehl eines ehrbaren Rates zu Rostock angenommen, die Haffdüne zu bauen. Es ist Johann tor Balck(e), auch Johann van der Balcke genannt. Er hat dem Rostocker Hafen auf zwei Jahrhunderte die endgültige Gestalt gegeben. Als Lohn ist ihm zugesagt "wenn er auf dem Lande arbeitet 3 fl. und wenn er in dem Wasser arbeitet alle Weke 4 fl.". Am 18. Dezember fahren die Ratsherren "mit dem nigen Baumeister hinaus, de Gebreke des Landes vor der Heide zubesehen". Und dann geht es sofort an die Arbeit. Am 2. Januar ist bereits die erste Besichtigung dessen, "was der Hollender gemaket".

Nach den Mißerfolgen des Jahres 1582 und wahrscheinlich unter dem Einfluß der Holländer geht man zunächst an den Bau der Haffdüne, um sie vor weiteren Durchbrüchen zu schützen. Ohne den Ausbau der Haffdüne werde alle Arbeit vergebens sein, so heißt es in dem Ratsprotokoll vom 18. Februar 1583. "Daß aber die Bürger hin und wieder gingen und ihre faule Mundt hätten, das wäre mehr denn wahr. Das verursache sich aber alles daher, daß Barchmann nicht, wie des Rates und der Bürger Meinung gewesen, die Haffdüne zuerst gebessert, sondern das neue Tief gefangen habe". Darum also müsse nunmehr zuerst die Haffdüne gebaut werden. Aus diesem Protokoll geht wieder einmal hervor, daß die Hafenangelegenheit damals die Gemüter gar sehr zu Haß und Gunst erregt hat. Johann tor Balck und Peter Hase haben das an ihrem eigenen Leibe - im wörtlichen Sinne des Wortes - erfahren müssen 1 ). Johann der Holländer


1) Vgl. S. 143 f.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 142 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

arbeitet an der Erhöhung der Haffdüne. Der jetzt sehr rührige Rat ist des öfteren in Warnemünde, den Fortgang der Arbeiten zu besichtigen, und als im Mai des Jahres wiederum holländische Schiffe im Hafen liegen, da fahren die Herren mit dem "fremden holländischen Schiffer nach dem deepe, um seine Meinung über die nötigen Arbeiten zu hören". Und wie die Aufsicht durch die Verwaltung, so wird auch die Organisation der Arbeit durch den neuen Meister jetzt besser: Vom Sommer ab wird neben dem Bau der Düne die Befestigung der Ufer in Angriff genommen. Der Breitling soll "gefangen" werden, so ist der Plan des Meisters. Die Ufer sollen durch Reisigwerk geschützt und stellenweise auch gewisse Teile des Breitlings durch diese Werke zur Gewinnung eines einheitlicheren, weniger gefährdeten Ufers von dem Hauptgewässer abgeschnitten werden. Da man bei der Senkung des Reisigs, der sogenannten "Wasen", zunächst Steine zur Beschwerung gebrauchte, so war der technische Ausdruck hierfür "mit Wasen und Steinen awerfangen". Bei einer Summierung der Wasenbündel, soweit sie der Anzahl nach in den Rechnungen angeführt sind, ergibt sich, daß allein vom Januar 1583 bis zum Januar 1585, also in genau zwei Jahren, eine halbe Million Wasenbündel in den Faschinenwerken Johanns des Holländers verarbeitet worden sind. Rechnet man dazu nun alles, was in den folgenden Jahren weiterhin verbraucht ist, bis zu jenem schon genannten Jahre 1587, wo nach dem Zeugnis Dr. Heines in einem Jahre mehrere tausend Fuder Wasen den Torfgraben hinab gefahren sind, dann ermißt man, welche ungeheure Arbeit damals geleistet wurde. Während Johann im Januar 1583 noch mit 22 Mann arbeitet, sind es im nächsten Jahre schon 50. Damals machte er ein Probestück, "bei Krekeshovet den Breitling überzufangen". Es wird also jene Tiefe (A1), die durch die Arbeit des Alhard Johansen hundert Jahre zuvor überflüssig und damit schiffahrtstechnisch gesprochen schädlich geworden war, da sie die Kraft des Wasserstroms lähmte 1 ), geschlossen und das ganze Gebiet vor Krekeshovet zusammengefaßt, "gefangen". Nur für die Fahrt in die Heide wird den Booten und Prähmen eine Rinne freigelassen, das sogenannte "Pinnerloch" oder der "Pinngraben", dessen Name zuerst im Jahre 1614 genannt wird. Am 10. Oktober ist das Probestück fertig 2 ).


1) Zweck aller Hafenbauten war, das Wasser möglichst zusammenzuhalten, damit das Tief durch die Wassermassen ausgespült wurde. Das wurde aber durch die breite Einfahrt vor Krekeshovet verhindert. - S. auch Barnewitz, a. a. O. S. 286/7.
2) Rechnung des Warnemünder Vogts Hinrik Boddiker Okt. 1582: Die Herren Bürgermeister und eine Anzahl Bürger kamen hinaus, an-
(  ...  )
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 143 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Im September 1585 wird in einer Ratsverhandlung darüber gesprochen, ob nun, nach Fertigstellung der Probe, nachdem die "struke", "so über den Breitling verarbeitet werden", verbraucht seien, weiter gearbeitet werden solle. Man beschließt, die Arbeit unter Johanns Leitung fortzusetzen und hierüber einen Vertrag aufzustellen 1 ). Auf Grund des Vertrages, dessen Wortlaut im Bestallungsbuch des Rostocker Ratsarchivs erhalten ist, wurde dann "Johann thor Balcken die Haffdüne zu bessern und zu bauen, auch den Breitling mit Wasen überzufangen, bestellet und angenommen" 2 ).

Von nun an geht die Arbeit ununterbrochen, Sommer und Winter, vorwärts. Im Winter, zur "Wadelzeit", d. h. wenn infolge des Vollmondes die Sträucher am besten für Faschinen zu gebrauchen waren, werden "Struke" gehauen und in den übrigen Tagen "Wasen" davon gebunden 3 ), an den Kanal gefahren und von da an den Bestimmungsort geschafft. Im Sommer werden sie dann weiter verarbeitet. Inzwischen ist Johanns Stellung


(  ...  ) zusehen "dat angefangene Gebuwte, mit den Wasen und Stenen vp Krekeshovet avertofangende, so Johann de Hollender hefft angefangen." Daß diese Arbeit oft quer durch das Wasser ging, ersieht man leicht aus den Rechnungen, da Johann laut Arbeitskontrakt (s. S. 141) bei Wasserarbeiten statt der gewöhnlichen 3 fl einen fl mehr bekommt. Heißt es z. B. im März 1583, daß Johann 4 fl bekäme, "weil er nun am Hoefede arbeitet", so ist dies ein Beweis dafür, daß jene Arbeit am "Hoefede" ("Krekeshovede") im Wasser stattfand.
1) Die Bürger fügen hinzu, er solle aber während der Arbeit "fleißig Aufsicht haben und nicht so viel spazieren gehn".
2) Johann bekommt sieben "Orthdaler" wöchentlich. Wie vormals dem Schuster, so wird auch Johann freigestellt, für diese Arbeit an "Haffdüne, Breitling und Niendepe" so viele Tagelöhner anzunehmen, wie für die Arbeit erforderlich seien. Solle er aber mit seiner "Süwerkunst" im "Oldendepe", also im Hafentief, arbeiten, so würde er hierfür besonders bezahlt werden. Demnach hat also auch der Holländer dem Rat eine Baggermaschine angeboten. Sie ist aber andrerorts nie belegt, also auch wohl nie in Tätigkeit gewesen. Die Kündigung des Meisters soll laut Vertrag ein viertel Jahr vorher erfolgen. Damit er aber am ganzen Strande desto bessere Aufsicht haben könne, soll ihm und seinen Erben jener Platz auf der Markgrafenheide, den er sich ausgesucht habe, von 1586 ab auf 12 Jahre ohne jede Pension zu "Ackerwerck, Hüdung und Weide" überlassen werden. Er soll den Platz mit einem "Grafen" umziehen. Nach Ablauf der 12 Jahre aber soll ihm von der Stadt für jede Rute 1 1/2 ß lüb. gegeben werden. (Rost. Rats-Arch.: Bestallungsbuch Fol. 48 ff.)
3) Einen weiteren Beleg für diesen Brauch fand ich in Neue Cassen Rechnung (N. C. R., Rost. Rats-Arch.) 1614, Jan. 31.: "Hans Luschen selb 6 für 3 Wochen Arbeit in der Heide, Wasen zu werben, wanns wadel gewesen und Pfahle zu klöwen und zuzurichten, wenn es außerhalb wadels gewesen."
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 144 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

beim Rate gefestigt. Strenge wird dafür gesorgt, daß er vor Übergriffen Einheimischer geschützt ist. In der "Alten Kasten Rechnung" von 1586 liest man z. B., daß am 14. Juli zwei Wächter nach Warnemünde geschickt werden, die "den schomaker griefen scholden, der Johann van der Balcken geschlagen hatte" 1 ). In dem gleichen Jahre wird Johann nach Gester (Gjedser) geschickt, "um Kundschaft zu holen". Leider war nicht zu ermitteln, um was für eine Kundschaft es sich gehandelt hat. Als im Jahre 1587 im Oktober beschlossen wird, das Westerbollwerk weiter in die See hinauszustrecken, da bereden die Verwalter den Plan mit dem Holländer, obwohl dieser Bau in das Arbeitsgebiet des Meisters Claus, des Hafenzimmermeisters, gehörte. Nachdem im Frühjahr dies Bollwerk gesenkt ist, bekommt Johann dafür, daß er "mit seiner Kunst und fleißiger Beförderung mit Rat und Hilfe angewandt", zu einer "Verehrung" 50 fl. In der Zwischenzeit hatte sich freilich das Vertrauen zu ihm noch weiter festigen müssen, da er im Sommer endlich das neue Tief (E) gefangen hat. Aus dem Mai des Jahres wird berichtet, daß er angefangen habe, vor dem neuen Tief auf dem Breitling einen "halben Moon" zu machen. Ganz zweifellos ist es das Werk, von dem Dr. Heine in dem schon genannten Schreiben betreffs des Markgrafenheider Kanals 2 ) spricht. Johann hat also mit einem halbmondförmigen Faschinenwerk, das er im Breitling vor dem Durchbruch anlegte, das Tief gefangen. Neujahr des nächsten Jahres fügt eine Sturmflut erneut der Düne großen Schaden zu und Johann wird am 10. Januar vor den Rat geladen, um dort Vorschläge zum weiteren Schutz der Düne zu unterbreiten. Johann rät, vorne in der Brandung "Vorzäune" zu machen. Daneben aber hat er noch einen weiteren Plan: Von "Krekeshovet" ab, so meint er, solle man quer über den ganzen Breitling auf den "Winkel", also auf das Oldendorfer Ufer ("Breitlingseck") zu, ein Bollwerk schlagen. So würde man bei Sturmfluten die durch das Hafentief eindrängenden Wassermassen von der Heide abhalten und auch bei Auslauf des Stromes eine noch größere Zusammenfassung der strömenden Fluten und damit eine bessere Reinigung des Strombettes erreichen. Das Tief also sollte noch weiter eingefangen werden. Diesen Plan hat Johann nicht mehr zur Ausführung bringen können. Schon im nächsten Jahre muß er Rostock verlassen haben. Weshalb er ging, ist nicht festzustellen. Die Arbeit, auch diejenige an der Haffdüne, war noch nicht vollendet; der Vertrag war noch


1) Der Name des Schusters ist nicht genannt.
2) Vgl. S. 130.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 145 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

nicht abgelaufen. Möglich, daß er sich den ständigen Anfeindungen der Einheimischen gegen den "Utlandschen" entzogen hat. Denn noch im Jahre 1588 tut in einer Ratsversammlung Claus Nettlenbladt dem Holländer "viel Speit" an und behauptet, jener betröge die Stadt. Wie dem auch sei, in den Rechnungen des Jahres 1589/90 wird er zum letzten Male erwähnt und bekommt einen Rest (!) von 75 fl. 20 ß und 6 pfg. ausgezahlt 1 ). Sein bisheriger Aufseher, Jochim Augstin, leitet die Arbeit in seinem Sinne weiter; aber natürlich sind diese Arbeiten, soweit sie sich um Instandhalten des bestehenden Zustandes handelt, historisch nicht mehr von Belang. Eine Frage nur bliebe offen! Ist der großzügige Plan des Holländers, den ganzen Breitling nach Süden hin mit einem Bollwerk zu überqueren, nach seinem Weggang zur Ausführung gekommen? Es gibt Gründe, die dafür sprechen: Mündlicher Überlieferung gemäß soll früher ein derartiges riesenhaftes Bollwerk bestanden haben. Mir wurde dies von zwei verschiedenen Seiten berichtet: Der im Spätsommer 1926 verstorbene Kapitän Schmidt ("Unkel Andreas") versicherte mir, früher habe es einen Treidelweg an der Warnow entlang gegeben, der längs dem Gehlsdorfer Ufer über den ganzen Breitling hinweg bis nach Warnemünde geführt habe. Diesen Weg hätten die Pferde benutzt, welche die Schiffe warnowauf- bzw. -abwärts schleppten. Auch der älteste Rostocker "Straßen"-Fischer, Reincke 2 ), erzählte mir von diesem Bollwerk. Danach hat sein 1796 geborener Vater noch "hinter dem Bollwerk", also östlich davon, gefischt. Er hat um die alten Kisten herumfahren müssen, auch sind noch heute vereinzelte Pfähle zu finden, an denen die Fischer sich zuweilen die Netze zerreißen. Da aber auf den Karten des 18. Jahrhunderts als Breitlings-


1) Rost. Rats-Arch.: Rechnungen "Neue Cassa" (N. C. R.) 1589/90: "den 28 Juni Johan van der Balcke ahn auffgelaufenen und hinderstelligen Wochenlohn von Catedra Petri an zu rechnen, wahr der 5. sept., bis vff Michaelis, ist der 29. sept. dieses laufenden 89. Jahres. sein 31 Wochen, vor die Woche 2 fl. 8 ß, in alles entrichtet 72 fl. 16 ß. Item wegen Johan van der Balcke noch zum Rest (!) Claus Huenemordern entrichtet 3 fl. 4 ß 6 pfg. Darunter 1 fl. 30 ß 6 pfg., so Johann obbemeltes Frawe selbst entfangen. Sa. der Ausgabe, so Johann van der Balcke sein hinderstellige Wochenlohn zum Rest (!) bekommen 75 fl. 20 ß 6 pfg." Man könnte ja auch annehmen, Johann sei gestorben. Doch heißt es dann stets, "NN nagelatne wedewe". Z. B. N. C. R. 1596/7, Aug. 23.: "margareten, seligen Jochim Augstin widwen an ihres Mans verdienter halbjeriger Besoldung entrichtet 16 fl 16 ß usw. Aug. 26 Jochim Augstin selig widwen ... vorehret".
2) Ludwig Reincke, Rostock, Fischerbruch 25, im März 1927 80 Jahre alt.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 146 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

bollwerk stets nur 112 Kisten angeführt sind, die sich kaum bis zur Mitte des Breitlings erstrecken, und auch in dem Verzeichnis des Stadtzimmermeisters Diercks 1 ) die gleiche Anzahl genannt wird, so schien das ganze um so mehr ins Reich der Fabel verwiesen werden zu müssen, als mir von Fachleuten ein solches Riesenunternehmen als für damalige Zeiten unmöglich hingestellt wurde. Und doch hat um 1600 ein solches Breitlingsbollwerk bestanden! Diese Feststellung ist wohl die schönste Frucht, die aus wochenlangem Durchsuchen verstaubter, bislang unbeachteter Rechnungszettel 2 ) mir erwachsen ist. Rostock hat demnach in der Zeit vor dem dreißigjährigen Kriege im Interesse seines Hafens ein Werk vollbracht, das alles später Geleistete an Großartigkeit überragt. Der Bau des Bollwerkes währt von 1592 bis etwa 1616. Zunächst wird von "Krekeshovet" ab gebaut. Das dauert acht Jahre. Im Jahre 1600 aber, am 28. März, fahren die Kastenherren "nach Georg Moltke, um etzliche Veltstene zu behuff des neuen Bollwerkes, so von seinem (!) Lande nach dem Krekeshöwet soll geschlagen werden, bei ihme zu werben". Hieraus geht deutlich hervor, daß das Bollwerk vom "Moltkenlande" aus gebaut werden soll. Auch ein Originalrechnungszettel vom 12. Juni gleichen Jahres beweist dies: "das nye Bollwerck to makende van Moltenlande aff". Natürlich muß noch ein Beweis erbracht werden, daß tatsächlich das Bollwerk von "Krekeshovet" auf das "Moltenland" zu, bzw. das Bollwerk vom Moltenlande "aff" in Nordsüdrichtung über den ganzen Breitling sich erstreckt hat. Dieser Beweis ist schnell zu liefern: Das "Molten-" bzw. "Moltkenland" ist natürlich das der Familie Moltke gehörige Land. Die Familie hatte außer Toitenwinkel das ganze südliche Breitlingsufer, also die Dörfer Oldendorf, Petersdorf und Petz in Besitz 3 ). Das Bollwerk ist also in Nordsüdrichtung verlaufen. Da nun die Fischer erzählen, es sei direkt auf die "neddersten Oldendörper Dannen",


1) Rost. Rats-Archiv: "Rostocker Stadthafenbuch" des Zimmermeisters Siegmund Diercks jr., 22. Januar 1778.
2) Die in dieser Arbeit mit O. R. Z. bezeichneten Lohnzettel, Originalbelege der "Alten" und "Neuen Cassa", werden in ca. 200 Paketen und Säcken aufbewahrt. Alle für Warnemünder Hafenbauten in Betracht kommenden Zettel habe ich aus den reichlich 200 000 herausgesucht. Sie werden nun unter "Unter-Warnow" bzw. "Warnemünde" eingeordnet.
3) S. Schlie, Kunst- u. Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Meckl.-Schwerin, 1896, Bd. I, S. 325.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 147 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

die junge Tannenanpflanzung am "Breitlingseck" zugegangen. und da auch tatsächlich noch heute hier Reste solcher alten Anlagen zu finden sind, so haben wir hiermit die Richtung und Lage jenes großartigen Baues genau festgelegt. Auf der beiliegenden Karte ist er verzeichnet. Im Jahre 1600 hat man mit den Bauten begonnen. Sie erstrecken sich über ein halbes Menschenalter. Neben den Hägern fahren auch die "Moltenbauern" Steine und Wasen. Jahr für Jahr müssen in Gotland umfangreiche Holzeinkäufe gemacht werden, da die Heide bei weitem nicht diesen großen Holzbedarf zu decken vermag. 1616 endlich ist die Arbeit vollbracht. Zwischen den beiden Bollwerken aber, dem Kreksheupter und dem von Süden her kommenden, wird eine Durchfahrt freigelassen, das sogenannte "Krekesheupter Loch". Auch von dem Vorhandensein dieser Durchfahrt hatte man mir bereits erzählt. In den Akten ist sie mehrfach bezeugt 1 ). Im Jahre 1623 wird sie durch Versenkung von Bollwerkskisten geschlossen, und die Fischer halten am 25. August um ein "neues Loch durchs Bollwerk" an. Am 22. November wird ihrem Antrag stattgegeben: Das nunmehr sogenannte "Loch am alten Bollwerk am Moltenlande, da hinfüro die Präme und Böthe können durchleggen", wird "reingemacht und zugerichtet". Und nun etwas sehr Beachtliches: 1625 macht ein um Rat gefragter Fremder, Cornelius Claessen 2 ), den Vorschlag, an dem Orte, da die Präme durchfahren, zur "Bestruwung (?) 3 ) des andern Tiefs" "Velporten" zu machen und zum Schutze dieser Schleusen gegen Nordwesten ein kleines Bollwerk zu bauen. Erst aus dem Zusammenhang der vorher angeführten Nachrichten wird dieser Vorschlag erklärlich. Barnewitz, der ihn erwähnt, mußte natürlich zu ganz falschen Schlußfolgerungen kommen, da er ihn nicht im Zusammenhang der


1) N. C. R. 1616, Juni 11.: "wegen Besichtigung der Bollwerkskisten, so auf dem Krekeshovet sollte gesenket werden, wie weit und breit das Loch, dadurch die Torfprame leggen pfleggen, gelassen werden solle."
2) Rost. R.-Arch. U.-Warnow III, VI 1, 1625: Protokoll über die Vorschläge des Cornelius Claessen: "Vnd wehre guth zur Bestruwung (?) des andern Tieffs, das an dem Ortt, da die Prame durchfahren, Flügel oder Velporten fürgemacht wurden, als (anstatt!) Castenwerck mit 2 Puntdören, die man auff und zu tun könnte und dieselbigen mit einem kleinen Stuck Bolwerckes gegen Nordwest beweren, das alle zeit still Wasser vor dem Durchgang were, vnd der Storm die Pforten nicht beschädigen könnte."
3) Das Wort muß verschrieben sein. Barnewitz liest "bestauung" (a. a. O. S. 114). Auch best(r)urung hätte Sinn.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 148 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

übrigen Nachrichten betrachtet hat. Er meint, Claessen habe seinen Vorschlag auf die Mündung des ältesten Tiefes (unser D) bezogen. Das aber würde eine Reihe von Unmöglichkeiten voraussetzen. Es ist nicht einzusehen, weshalb die "Präme oder Stekenschippe", die mit "Staken" durch "Pramschuwer" fortbewegt werden, auf dem hohen Meere herumfahren sollten, noch überhaupt, weshalb es für die Präme eine von den übrigen Schiffen nicht benutzte Ausfahrt in See gegeben hat. Aus den vorangegangenen Untersuchungen aber erklärt sich alles ganz mühelos. Jener Ort, an dem die Schleusen angebracht werden, war natürlich das "Loch" im Breitlingsbollwerk 1 ). Man sieht aus diesem Beispiel, daß nur aus dem Zusammenhang heraus derartig vereinzelt überlieferte Nachrichten wie die Vorschläge des Cornelius Claessen richtig zu deuten sind. Ich habe denn auch in allen jenen Fällen zufälliger Einzelnachrichten, wo ein Zusammenhang nicht zu ermitteln war, auf die Deutung verzichtet 2 ). Am 4. April 1644 wird das Bollwerk samt der Durchfahrt zuletzt in den Akten erwähnt. Später muß es allmählich zerfallen sein. Zwar haben die Straßenfischer noch im Anfang des 19. Jahrhunderts, also zweihundert Jahre nach jener letzten aktenmäßigen Belegung, um das Bollwerk herumfahren müssen, wenn sie im östlichen Breitling fischen wollten. Aber vermutlich war das Bollwerk schon damals arg zerfallen, denn offiziell instandgehalten wurde es lange nicht mehr. Weder in dem grünen Zimmermannsbuch von 1734 noch in den Verzeichnissen des Zimmermeisters Diercks ist von Arbeiten an diesen Bollwerken die Rede, wie es denn ja auch auf den frühesten Karten (1719) 3 ) nicht mehr zu finden ist. Vielleicht sind nach dem dreißigjährigen Kriege die Unterhaltungskosten zu groß gewesen. So blieben denn nur die vom "Krekeshovet" ab nach Süden sich erstreckenden Bollwerkskisten bestehen. Sie blieben, bis im Jahre 1823 durch den Pagenwerder eine neue Durchfahrt, der "Durchstich", gemacht wurde 4 ). Heute sind auch von ihnen nur noch Reste unter Wasser zu finden.

~~~~~~~~~~


1) Vgl. S. 147, Anm. 1.
2) So ist mir eine Festlegung des bei Krause, a. a. O. S. 16 und Barnewitz, a. a. O. S. 128 genannten "Alten Tiefs" nicht gelungen.
3) Siehe die im Quellenverzeichnis genannten Karten.
4) Am 8. Oktober 1837 fertiggestellt. S. Barnewitz, a. a. O. S. 286/7. Man ersieht aus den bei Barnewitz gemachten Ausführungen, daß auch dieser Durchstich im Sinne der Selbstreinigung wirken sollte.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 149 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Kapitel III.

Die Arbeiten zur Sicherung des Rostocker Seehafens.

§ 1.

Das Tief und seine Reinhaltung.

Die geographischen Bedingungen in den Mündungsgebieten der Ostseeflüsse stellen der Anlage guter Häfen gewisse Hindernisse entgegen. Die Flüsse münden in dem Gebiete beweglichen Dünensandes, der ihren Wassern kein festes, beständiges Bett zu geben vermag. Ständig weht Sand von der Düne in die Fahrrinne, zuzeiten so stark, daß die Massen jegliche Schiffahrt unmöglich zu machen drohen. Verstärkt wird diese Gefahr, wenn, wie es auch bei der Warnow der Fall ist, eine längs der Küste gehende Meeresströmung, ein sogenannter "Küstenstrom" 1 ), ständig seine mitgeführten Sandmassen vor der Mündung ablagert. Nur durch kluge und energische Anwendung geeigneter Abwehrmaßnahmen ist es möglich, der vollständigen Verstopfung solcher Flüsse vorzubeugen und ihnen weiterhin die Brauchbarkeit für die Schiffahrt zu erhalten. Werden diese Maßnahmen jedoch versäumt, oder hat ein Naturereignis die Wehrwerke der Menschen zunichte gemacht, so kann es vorkommen, daß der Hafen so voll Sand schlägt, daß er für die Schiffahrt einige Zeit ganz unbrauchbar wird. In den Quellen der vergangenen Jahrhunderte findet man häufig genug Nachrichten über die Versandung des Hafens. Sie ist zuweilen so stark gewesen, daß, wie z. B. 1571, lange Zeit "kaum ein Boot" die Mündung befahren konnte 2 ).

Freilich haben alle diese Flüsse eine Eigenschaft, die geeignet ist, die schlimmen, der Anlage eines Hafens entgegenstehenden Bedingungen zu einem guten Teil wieder aufzuheben; das ist die Erscheinung der Selbstreinigung: Das Wasser des Flusses, zuweilen gestaut, treibt plötzlich mit großer Gewalt wieder dem Meere zu und reißt dabei alle angesetzten Sandbänke mit sich fort. Unseren Vorfahren ist diese Erscheinung sehr vertraut gewesen. Als z. B. im Jahre 1701 die Gewettsherren in Warnemünde sind, um von den Älterleuten zu erfragen, "woher diese Sandbanck entstanden


1) Siehe Barnewitz, a. a. O. S. 26.
2) Vgl. S. 127. S. auch Krünitz, a. a. O. XXI. S. 35 und 61.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 150 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

und auff waß Weise und Wege selbige bestens weg geräumt werden könne", da wird ihnen die Antwort, "eß entstünden die jetzo befundene und visitierte Sandbäncke theils von dem Sand, so in dem Hafen hineintreibe (!), theils auch von dem Sand, so über dem Glinde gewehet; die Sandbäncke wären zu einigen Zeiten hoher und würden, wan der Strom außginge, wieder kleiner, auch stünden die Sandbäncke nicht jährlich an einem Orte beständig, sondern sie setzten sich bald an diesen, bald an anderen Örtern ...", und ein anderer Sachverständiger bekundet, man solle sich nur keine Sorge machen, denn "vor diesem die Sandbäncke sich woll an einigen Orthen höher gefunden hätten, wären aber von dem starken Strohm, wan er außgegangen, wieder weg und in die See gespühlet" 1 ). Unsere Vorfahren verließen sich also auf die Erscheinung der Selbstreinigung. Sie haben auch alle Vorkehrungen so getroffen, daß diese reinigende Wirkung des ausströmenden Wassers noch verstärkt wurde. Fast alle Arbeiten, die im Interesse des Hafens unternommen wurden, die Bollwerksbauten, der Dünenschutz, die Stromregulierungen, das immer weitere Zusammenfassen des Wassers, eben das, was in der damaligen Sprache mit dem Worte "fangen" bezeichnet wurde, alles das ist aus diesen Erkenntnissen erwachsen und erst von hier aus für uns begreiflich. In der vorliegenden Abhandlung mußte und muß denn auch immer wieder auf den Zusammenhang aller Arbeit mit dieser Erscheinung der Selbstreinigung hingewiesen werden.

Bis zum Jahre 1400 etwa scheint man sich allein auf diese Naturreinigung verlassen zu haben. Denn von Baggerarbeiten ist uns außer dem Unternehmen des Rotger Horn 2 ), von dem wir aber nicht einmal wissen, ob es je ausgeführt wurde, nichts bekannt. Aber selbstredend mußte man eines Tages daran denken, sich von dem Wetter einigermaßen unabhängig zu machen, um


1) Warnemünder Protokollbuch des Gewettgerichts von 1672 bis 1701 S. 195 - 197, März 18. Hier ist auch von einem "Riff" die Rede: "... ein kleines steinriff bey 30 Ellen in dem strohm, welches nicht weg gebracht werden könnte, und hinter diesen steinen setzete sich zu zeiten der Danck. Wann nun der Sand dazu in dem Danck sich würfe, so würde dadurch die Sandbanck causieret. Eß hinderte aber die Schiffahrt nichts (!), sondern könnte in der Furth evitieret werden." Wie ich aus dem Nachlaß von Krause entnehme, ist dieses "Riff" noch im 19. Jh. vorhanden gewesen. Am 14. Mai 1888 wird in der Bürgerschaft laut Rostocker Zeitung hierüber verhandelt, da der Dampfer "H. v. Witt" einen Schraubenflügel daran zerbrochen hat. Die Christophorus-Sage, die bei Krause, a. a. S. 15 mitgeteilt wird, ist wohl auf diese Furt zurückzuführen.
2) M. U.-B. 1977. Vgl. Barnewitz, a. a. O. S. 63 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 151 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

zum mindesten in normalen Zeiten ein annehmbares Fahrwasser zu besitzen. Etwa von 1400 ab sehen wir denn auch in den Quellen ständig Nachrichten, die darauf schließen lassen, daß man zu künstlicher Vertiefungsarbeit übergegangen ist. Es kommt der Prahm vor, der später beim "Suwern" eine so große Rolle spielt, und man trifft auf den Titel "plogator" 1 ). Was dies bedeutet, erfährt man im Jahre 1422 durch die Nachricht "de yserne Ploch" und daß das Dep "geplogt" wurde. "Plogator" ist also offenbar jener Meister, der am "Plog" arbeitet. Im 16. Jahrhundert führt er den Titel "Süwermeister". In den Reparaturrechnungen der folgenden Generationen wird der "Ploch" ("Plog" oder "Plug") ständig genannt. Aus der Bezeichnung "de yserne Ploch" und de "Santpluch" erfährt man, daß er aus Eisen besteht und daß in der Tat sein Zweck ist, den Sand aus dem Tiefe fortzuschaffen. Über seine nähere Beschaffenheit ist aber zunächst nichts zu ermitteln. Das wird erst anders im 16. Jahrhundert, durch Nachrichten aus den Jahren 1510 und 1515 2 ). Danach hat auf dem Prahm sich ein "Instrument" befunden, mit dem man das "plogen" ausführte. Dieses Instrument besaß ein "Waterrad", ein Kammrad aus Hagebuchenholz, auch eine Welle. Ferner wird davon gesprochen, daß der Schmied die Schaufeln, 24 an der Zahl, wieder aufschlägt. Wer denkt da nicht sofort, daß dieser Plog die Anfangsform des Baggers gewesen ist! Gegen diese Auslegung spricht aber wohl der Name, der doch auf ein Auflockern, Aufwühlen des Grundes hindeutet. Außerdem steht etwas anderes dem entgegen: Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts werden - neben dem Ploch - andere Instrumente erwähnt, die Kellen, auch "Suwerkellen" genannt. Diese aber haben ganz zweifellos das Baggern besorgt. Gleich im Jahre 1560, wo sie zum erstenmal in dem Aktenmaterial auftauchen, wird gesagt, ihr


1) G. R. 1412. "... Plogatori in Warnemunde ..."
2) G. R. 1510. "... to deme rade to bolten ..." (Schmiederechnung) G. R. 1515. "Na den Sondag Cantate gehat vp der grund to warnemunde 1 praem vnd 1 henneken 12 dreger vnde 4 timmerlude, plogeden dre daghe";
G. R. 1515. "Crutzeweke, 4 Zimmerleute und 6 Dreger: 5 Tage ... plogeden vp der grunt" (Dies wird die Gegend bei Krekeshovet sein, da in dem Vertrag von 1485 dort auch von der "grunt" gesprochen wird.);
G. R. 1515. "Vtgelecht tho dem waterrade vp dem nyen pram dar men mede ploghen schall"; "... dede welle wedder makeden tom rade"; "... do he de schuffelen halp wedder upslan"; "... wedderumme 24 schuffelen nye vnd alle reschop noch so stark alß idt tovorne waß"; "... tor droge hageboken holt tom kamrade".
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 152 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Zweck sei, den Sand damit aus dem "Dep" zu nehmen. Folglich kann der Plog nicht gleichfalls ein Baggerinstrument sein. Das geht auch hervor aus einem Bürgerbescheide des Jahres 1582, worin es heißt, man solle doch statt Geld auszugeben für teure neue Suwerinstrumente (gemeint ist das Instrument des Peter Hase), lieber mit "plogen und (!) kellen" fortfahren 1 ). Ein Gewettgerichtsprotokoll des Jahres 1701, das gleichzeitig auch über die Arbeitsweise der Kellen Klarheit bringt, ist wohl mit Nutzen zur Klärung heranzuziehen. Es heißt dort, man müsse die Säuberung des Fahrwassers vornehmen durch eiserne Harken und mit Haken, auch Kellen genannt, und zwar so, daß bei auslaufendem Strom der Sand "gelüchtet" würde, wodurch er dann vom Wasser mit in die See genommen werde. Das übrige aber, was auf den Kellen sitzen bleibe, müsse in den Prahm oder ins Boot geschlagen werden 2 ). Hier wird neben dem Baggern durch die Suwerkellen ein Instrument zum Auflockern des Bodens erwähnt, die Harke. Ein Instrument zu dem gleichen Zweck wird der Pflug gewesen sein. Es wurde mit ihm der Grund gepflügt, wie die Quellen berichten. Die beim Suwerprahm 1515 erwähnten Räder, vor allem die 24 Schaufeln, sind freilich nicht hierdurch erklärt. Wir sind hier auf Vermutungen angewiesen. Möglich, daß ein auf einer Welle laufendes Rad, das mit Schaufeln besetzt war (Waterrad!), durch eine Übersetzung (Kammrad!) in Bewegung gebracht und dadurch der Grund aufgewühlt wurde. Möglich! Sicher ist es nicht 3 ). Im Jahre 1582 kommt der Rivale des Peter Hase, der Schuster Jochim Barchmann, auf den Gedanken, mit einer Harke oder Eidge (Egge) das Tief zu pflügen, und es scheint, daß dieses Werkzeug, das bei seiner Einfachheit doch den gleichen Enderfolg aufwies, dann den Santploch verdrängt hat, so daß im Jahre 1701 nicht mehr wie im 16. Jahrhundert von Kellen und Pflügen, sondern von Kellen und Harken gesprochen wird. Über die Einrichtung der Kellen sind wir besser orientiert, da sich die Erinnerung an sie noch erhalten hat. Wie mir erzählt wurde, waren es lederne Säcke, an der Öffnung mit einem eisernen Ring versehen, der auf langen Stangen stak. Der Ring hatte "Krallen", mit denen man den Sand anpacken konnte. Die Instrumente sind also etwa mit unsern Obstpflückern zu vergleichen. Vom Ufer oder vom Prahm aus


1) R. Pr. 1852, Aug. 27.
2) Warnemünder Protokollbuch, a. a. O. S. 195 - 197, März 18.
3) Vielleicht ist dieses Werkzeug noch eins von den "Instrumenta" des Alhard Johannsen (vgl. S. 111 ff.).
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 153 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

wurde mit ihnen gekellt. Auf dem Prahm waren Laufbretter, der Sand wurde hineingenommen und später wieder herausgeschaufelt. Aus dem Jahre 1576 stammt eine Notiz über sechs eiserne Schaufeln, eigens mit dem Vermerk, "die Erde auß dem Suwerpram mith tho werfende". Somit hätten wir ein Bild von der "Suwer"-Arbeit im Rostocker Tief entworfen. Die damals benutzten Instrumente sind noch bis spät ins 18. Jahrhundert hinein benutzt. Über einen Versuch, einen Löffelbagger einzuführen, ist bereits im zweiten Teil der Arbeit gesprochen 1 ).

Noch bevor man daran dachte, künstlich das Fahrwasser zu vertiefen, muß man dafür Sorge getragen haben, Hindernisse, die dem Schiffsverkehr im Wege lagen, zu beseitigen. So kommen Nachrichten hierüber denn auch bedeutend früher vor, als die über künstliche Vertiefung der Mündung. Als Hindernis kam alles mögliche Treibgut, wie Stämme, Balken, Pfähle, aber auch Wracks und Steine in Betracht, letztere besonders, seit die Ufer und die Einfahrt durch Bollwerke befestigt waren, deren Steinfüllungen bei den Zerstörungen durch die Stürme natürlich ins Fahrwasser absackten. Außerdem kam es trotz Verbotes immer wieder vor, daß Schiffer Ballaststeine in die Fahrrinne warfen. Diese Hindernisse also galt es zu beseitigen. Die schwimmenden Hölzer waren ja verhältnismäßig einfach zu entfernen. Schwieriger stand es um das Fortschaffen gesunkener Schiffe. Zwar muß man auch hierbei das schmale und flache Wasser in Betracht ziehen. Immerhin hatten an einem Wrack 12 Mann zwei Tage zu tun. Das größte Übel waren jedoch die Steine, denen so viel schwerer beizukommen war, als den hölzernen Verkehrshindernissen. Und doch waren gerade sie dauernd im Wege, wie man aus den häufigen Nachrichten über das Heben von Steinen ersieht. Man bediente sich hierbei besonderer Werkzeuge, welche die schwere Arbeit erleichtern sollten. Das einfachste Hilfsmittel war das Tau. Man wartete, bis "kleines Wasser" war, und hob die Steine vom Bollwerk aus. Für gewöhnlich aber und in der Mitte des Tiefes mußte man in anderer Weise vorgehen. Für die kleineren Steine hatte man eine Zange verfertigt, mit der man die Steine faßte und aus dem Wasser herauszog. Hierbei konnte man wie mit den Kellen vom Suwerprahm aus arbeiten. Diese "tangen" kommen Jahrhunderte hindurch in den Rechnungsbüchern vor, das Wort "stentange" zum ersten Male 1448. Es gab kleinere und größere Zangen, je nach dem Material, das zu heben war. Auch heute werden zum Herausnehmen von Steinen derartige Zangen von


1) Vgl. S. 138 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 154 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

den Hafenbauarbeitern Rostocks benutzt. Für die ganz großen Steine mußte man natürlich Hebelkraft verwenden. So hatte man die "Stenwuppe" gebaut, die "in einem Halsband stand", wie der Schreiber sich ausdrückt 1 ). Vielleicht ist das "wyntysen" des Jahres 1453 der Steenwuppe gleichzusetzen.

Überblickt man am Schlusse dieses Abschnitts das Erbrachte, so sieht man, daß drei Stadien in der Entwicklung der Rostocker Baggerkunst festzustellen sind: Im ersten Stadium verläßt man sich ganz auf die Natur, die durch das Ausströmen der aufgestauten Wassermassen immer wieder für eine Austiefung des schmalen, sandigen Mündungsbettes sorgt. In dieser Zeit ist lediglich dafür Sorge getragen, daß hindernde Gegenstände, wie Pfähle, Wracks, Steine, entfernt wurden. Dieser Zustand währte vermutlich bis etwa 1400. Im zweiten Stadium geht man dazu über, diese Selbstreinigung des Flusses durch das Aufwühlen des Grundes zu unterstützen und zu mehren. Das währt etwa bis 1550. Im dritten Stadium endlich sucht man unabhängig von dem Naturvorgang zu werden und den Sand durch Baggerung aus dem Fluß zu entfernen. Das zutage geförderte Baggergut wird dann durch Prähme fortgeschafft. Hiermit ist, da ja im Prinzip zwischen den mit der Hand bedienten Suwerkellen des 16. bis 18. Jahrhunderts und den Maschinen der neusten Zeit kein Unterschied besteht, der heut noch waltende Zustand erreicht.

§ 2.

Die Bollwerke 2 ).

Zu den Anlagen eines jeden Hafens gehören Bollwerke. Man unterscheidet mehrere Arten. Zunächst sind die sogenannten Molen zu nennen. Es sind dies in die See hinausgebaute Dämme, welche einerseits bei Sturm den Schiffen sichere Einfahrt gewähren, andererseits die Mündung vor Versandung schützen, indem sie nicht nur den mit der Meeresströmung treibenden "driffsand" fernhalten, sondern auch gleichzeitig die zuweilen stark ausströmenden Wassermassen des Flusses eng zusammenfassend, dessen oben bereits erwähnte ausspülende, selbstreinigende Kraft bis an jene Stellen des Meeres wirken lassen, wo die Schiffe bereits durch die natürlichen Verhältnisse genügend tiefes Wasser vorfinden. Nach diesem Prinzip sind die meisten Ostseehäfen gebaut.


1) G. R. 1554. "... enen groten halsbant dar de stenwuppe ynne steyt in deme prame".
2) Vgl. Krünitz, a. a. O. Bd. XXI, S. 1 ff., vor allem S. 74 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 155 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Neben diesen Seebollwerken finden sich auch stets Uferbefestigungen, Bauwerke also, die zum Schutze der inneren Hafenufer angelegt sind. Schließlich muß ein Hafen, falls in seiner Umgebung die Küste flach ist und die Gefahr eines Durchbruches der See besteht, auch längs der Küste durch geeignete Bollwerke oder andere Maßnahmen geschützt werden.

Für Rostock kamen außer den Seebauten, welche die Einfahrt vor den von der Stolteraküste her ständig antreibenden Sandmassen schützen mußten, auch Molen auf der Breitlingsseite in Betracht, weil auch dort Versandungsgefahr bestand. Uferbefestigungen sind im Warnemünder Gebiet wegen des sandigen Geländes unumgänglich notwendig. Außerdem haben sie den Zweck, die Wasser des Flusses recht zusammenzufassen. Die ersten uns bekannten Nachrichten über Bollwerksbauten im Rostocker Seehafen - sie stammen aus dem Jahre 1343 - zeigen bereits Uferbollwerke an. Aber schon das älteste Tief (D) hat, den Ausgrabungen nach zu urteilen 1 ), solche Anlagen gehabt. Da das Gebiet vor Rostock ein Gebiet der Flachküste ist, deren Dünen in der damaligen Zeit stellenweise sehr niedrig waren, so mußte man außerdem auch auf Sicherung der Haffdüne bedacht sein. Anlage von Dünenschutzbauten und Beseitigung der durch den Sturm hervorgerufenen Schädigungen, der Dünen-An- bzw. -Durchbrüche, waren also die dritte Aufgabe des städtischen Hafenbaues.

Zunächst soll von dem Seebollwerke gesprochen werden. Wir wissen hierüber durch Funde (D), aus Rechnungsbüchern, Ratsprotokollen und einer Beschreibung aus dem Jahre 1767. Ferner sind einige Karten des 18. Jahrhunderts, ein Modell aus der gleichen Zeit (Rostocker Ortsmuseum), sowie drei neuere Ansichten (Rostocker Ortsmuseum) als Quellenmaterial heranzuziehen. Eine der zuletzt genannten Ansichten ist datiert. Sie trägt die Jahreszahl 1825. In der Tat ist die Bauweise der Seebollwerke mindestens seit dem Jahre 1423 bis ins 19. Jahrhundert die gleiche geblieben.

Eine Beschreibung der Steinkisten ist uns aus dem Jahre 1767 überliefert. Damals hatte ein furchtbarer Sturm gewütet und im Hafen großen Schaden angerichtet. Gelegentlich eines Berichtes hierüber werden auch über die Kistenbollwerke einige Bemerkungen gemacht 2 ). Danach bestand damals die Mole aus


1) Vgl. S. 170 - 172.
2) 1767 Gem. Aufs. S. 59 ff. "... Diese (in die See hinein sich erstreckenden) Bollwerke machen, wie bekannt, 132 große, viereckige, 7 - 10 Fuß hohe, 14 - 16 Fuß breite und 20 - 34 Fuß lange Kisten aus, die in zwei Reihen, wovon aber die eine doppelt ist, ungefähr in ge-
(  ...  )
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 156 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

hintereinandergereihten, viereckigen Kisten, welche 7 - 10 Fuß hoch, 14 - 16 Fuß breit und 20 - 30 Fuß lang waren. (Nach heutigem Maßsystem: Höhe etwa 2,50 - 3,00 m; Breite etwa 4,50 m; Länge etwa 6 - 10 m) 1 ). Die Kisten hatten demgemäß die Maße eines recht geräumigen Zimmers. Ihre Wände bestanden aus rechteckig geschnittenen Balken, "die im länglichen Quadrat aufeinander lagen" und mit starken eisernen Bolzen verbunden waren. Der Innenraum war angefüllt mit Faschinen, d. h. mit Reisigwerk, außerdem mit "ganz großen Steinen". Zwei Reihen solcher Kisten gingen, das Wasser wie in einem Kanal zusammenhaltend 2 ), in die See hinaus. Das westliche Bollwerk, infolge der vorherrschenden Westwinde ungleich mehr den Mächten der See ausgesetzt als das östliche, bestand aus einer Reihe von doppelten, das "Osterbollwerk" aus einfachen Kisten. Einfach war auch die Kistenreihe, die "zur Erhaltung der Tiefe des Stromes" in den Breitling hineingesetzt war. Es waren 132 Kisten von nur 7 - 8 Fuß Höhe. Jede Kiste der Bollwerke war "auf eine ähnliche alte, aber bereits zutief in den daselbst befindlichen sandigen Grund gesunkene unmittelbar oben auf gesetzt, steht also (so meint der Schreiber) sehr fest und unbeweglich". Daß einige dieser Kolosse in Sturmesstunden den Gewalten der


(  ...  ) rader Linie aneinandergesetzt sind. Die Kisten bestehen aus Balken, die in länglichem Quadrat auf einanderliegen und die man mit starken eisernen Bolzen zusammen befestigt. Den inwendigen Raum oder das inwendige Viereck jeder Kiste füllen Faschinen und dazwischen gelegte ganz große Feldsteine. Jede von den Kisten ist auf eine ähnliche Alte, aber bereits zu tief in den daselbst befindlichen, sandigen Grund gesunkene unmittelbar oben auf gesetzt, steht also dadurch, und weil sie selbst unten der Sand zum Teil umgibt, sehr fest und unbeweglich. Gleich wohl hatten nicht nur 30 Kisten stark gelitten, sondern die See hatte auch verschiedene hiervon herausgehoben, mehrenteil zerschlagen und die Balken auch von einigen ganze noch zusammenhängende Teile oder Vierecke wohl eine Viertelmeile weit entweder rechter Hand auf das Land getrieben oder linker Hand in den Breitlink hineingeführt. In diesem Breitling ist eben dergleichen, wiewohl nur eine Reihe ausmachendes Bollwerk von 112 Kisten, welche mit den vorgedachten gleicher Länge und mehrenteilß einerlei Breite haben, aber nur 7 - 8 Fuß hoch sind, zur Erhaltung der Tiefe des Stroms, befindlich."
1) Das Rostocker Stadthafenbuch des Zimmermeisters Diercks nennt im Jahre 1778 folgende Größen: Seemolen: Höhe 8, Länge 35, Breite 17 Fuß. Vom "Hövet" bis zum Molenfuß nimmt die Breite beträchtlich ab: Vorne 28, in der Mitte 17, am Lande 10 und zuletzt gar 8 Fuß. Breitlingsmolen: 10 mal 35 mal 15 Fuß. Dem entsprechen die Maße, die in dem Grünen Warnemünder Zimmerhofsbuch von 1737 angegeben sind.
2) Diese Wirkung ist besonders gut zu beobachten auf einem Aquarell im Rostocker Ortsmuseum.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 157 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

entfesselten Elemente nichts als ein Spielball waren, das zeigen die Sturmflutsberichte aller Jahrhunderte. Das muß auch der Berichterstatter von 1767, staunend vor der Gewalt des Meeres, zugestehen.

Der Bau eines Kistenbollwerks ging folgendermaßen vonstatten: Nachdem zunächst von den Abgesandten der Stadt alles Nötige mit dem Zimmermeister besprochen war, wurden die "sagere" in die Heide geschickt, um die erforderliche Menge Bauholz zu schneiden. Die gefällten Stämme wurden dann auf Wagen oder, nachdem 1579 vom Radelsee aus der Kanal in die Heide hinein gebaut war 1 ), wohl auch auf dem bequemeren Wasserwege, zum Zimmerhof geschafft 2 ). Hier war der Ort, wo nunmehr aus dem Rohmaterial die Kisten gebaut wurden. Das Modell von Warnemünde, zu sehen im Rostocker Altertumsmuseum, zeigt sehr anschaulich, wie diese Arbeit vonstatten ging: Links vom Zimmerhof sieht man vier Männer mit den Vorarbeiten beschäftigt. Sie schlagen die rohen Stämme mit der Axt zu vierkantigen Balken. Rechts vom Häuschen sind zwei Zimmerer dabei, diese Rohbalken, "de Blokke", in die zum Bau benötigte Form zu schneiden. Einer der Handwerker, gleich den übrigen mit einem Schurzfell bekleidet, steht auf dem Boden, der andere auf dem Balken, der auf Sägeböcken ruht. So führen sie die lange Säge hinauf und herunter, viele Stunden lang, in langsamer, schwerer Arbeit das verrichtend, was heute mit der elektrisch betriebenen Bandsäge in wenigen Minuten bewältigt werden kann. Seitlich hat man eine größere Menge dieser zurechtgeschnittenen Balken aufgestapelt. Ein Mann steht dabei, in der Hand einen Maßstab mit Fußeinteilung. Offenbar sollen die Balken zum Bau von Kisten eingerichtet werden. Links von dem Hause steht eine fertige Kiste, an welcher einer der Männer gerade die letzte Hand anlegt. Das winzige, aber wunderbar sauber gearbeitete Modell der Kiste zeigt deutlich deren Konstruktion im Großen. Nachdem zunächst der Boden bereitet war, baute man die Balken, immer vier durch Nuten rahmenartig zusammenhaltend, schichtweise auf. In den Nuten befanden sich Bohrlöcher, durch welche schließlich eiserne Bolzen gesteckt wurden, die das ganze fest verbanden. Nachdem die Kisten auf diese Weise fertig gezimmert waren, wurden sie an ihren Bestimmungsort geschafft und dort solange durch Taue in der gewünschten Lage


1) Über die Anlage des Torfgrabens im Jahre 1579 vgl. S. 130 ff.
2) Der Zimmerhof lag auf dem Ostufer des Hafentiefs A, dort, wo heute noch der städtische Bauhof des Hafenamtes sich befindet.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 158 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

festgehalten, bis sie durch "stenende" sich gesetzt hatten. Natürlich brauchte man zum Bau eines Kistenbollwerks eine ganz ungeheure Menge Steine, viel mehr, als man in der Rostocker Gegend beschaffen konnte. So hat man denn auch anderes Material zur Füllung herangezogen: "Struke, dar de Kisten mede senket worden", außerdem "Grus" und "Settstene" von den Ziegelhöfen 1 ). Das Füllen der Kisten dauerte meistens mehrere Tage. Die Bauern fuhren "Sten unde Struke" an den Strand, von wo aus dann alles durch die Warnemünder und die städtischen Arbeiter zu Wasser oder über die fertigen Bollwerke hinweg an den Bestimmungsort geschafft und in die allmählich sinkende Kiste geworfen wurde. War dies getan und die Kiste also "gesetzt", so wurden die Haltetaue wieder abgenommen. Nach dem Setzen wurden die Kisten weiter befestigt, d. h. mit Pfählen umschlagen, auch wurde nach einiger Zeit das neue Bollwerk evtl. nochmals mit Steinen beschüttet, da das Füllmaterial naturgemäß noch zusammensackte. Aus dem Jahre 1423 hören wir, daß schließlich das Bollwerk dann noch "lank bebredet" wurde. Wahrscheinlich hatte man also, wie dies auch anderorts üblich war 2 ), die Kisten oben geschlossen, um den Wellen ein Herausreißen der Steine unmöglich zu machen. Auch eine Bemerkung des Jahres 1583 deutet darauf hin: Es wird nachgesehen, ob der Zimmermeister auch noch genügend Vorrat an Eichenholz hat, welches er "bawen vp dat Bolwerck leggen scholde". Natürlich waren auch nach Fertigstellung des Bollwerkes auch weiterhin noch dauernd Arbeiten daran vorzunehmen, so daß Jahr für Jahr, zum mindesten in der Zeit vom März bis etwa Ende Oktober, ständig Zimmerleute in Warnemünde zu tun hatten. Die erste Nachricht über Ausbesserung des fertigen Bollwerks stammt aus dem Jahre 1359. "Ad refectionem Bolwerck", zur Wiederherstellung des Bollwerks, werden damals Ausgaben verbucht. Näheres über die Art der Arbeiten findet man selten. Entweder heißt es, "sie arbeiteten an dem Bollwerke". Das findet man fast jedes Jahr. Oder "se beterden das Bolwerck" bzw. "etlike Kisten". Immerhin, ein paar Bemerkungen über die Instandsetzungs- bzw. Ausbesserungsarbeiten sind uns erhalten. In dem


1) G. R. 1569. "... don wy de 3 kisten sencken lethen an der ostersiden, do halpen to alle Warnemunder, myn maschop vnde ick vnde de Kastenherrn, wy weren tho Warnemunde, do de kisten gesencket worden. Wy hedden den pram van vnßer leuen frouwen thegel haue vnde den pram van ßunte Jacop thegel haue, ße nemen hyr vam strande (in Rostock!) de beyden prame vul settstene na Warnemunde. De prame hedde wy 3 dage tho Warnemunde. Ider pram worth 4 malle ful stene geworpen, dar de kisten mith gesenket worden".
2) Krünitz, a. a. O. Bd. XXI, S. 74 f.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 159 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Vertrag, den die Stadt 1609 mit "Meister Gert Ottsen aus Ambsterdam" schließt 1 ), wird darauf hingewiesen, er müsse, falls die Kisten "durch Verlauf des Sandes oder sonsten sich abgeben oder tiefer sinken sollten", dieselben "wieder erhöhen und vergleichen". Es ist also öfter vorgekommen, daß die Kisten, weil der Sand unter ihnen weglief, verrutschten oder gar absackten, wie es z. B. 1570 berichtet wird. In solchen Fällen mußten sie also wieder erhöht werden. Das geschieht auch 1570. Daneben wird eine andere Arbeit erwähnt: Das "vpnemen". "Da sie das Bollwerk aufnahmen und wieder senkten", heißt es 1572. Zu welchem Zweck dies geschah, sagt ein Rechnungsbuch des Jahres 1586 aus: "Er nahm die Kisten auf und machte sie dicht". Danach wurden die Kisten, nachdem sie im Laufe der Zeit schadhaft geworden und ihres Inhaltes größtenteils durch Wettersgewalt beraubt waren, herausgezogen und wieder ausgebessert. Sehr aufschlußreich ist die Rechnung von 1469. Dort ist eine Summe für bastene und hanfene Taue vermerkt, mit denen man Kisten herausgezogen habe, außerdem ein Posten für Weinfässer, welche diese Kisten "in Vlote", im Fluß, d. h. schwimmend erhalten hätten. Denn die Balken waren durch das lange Liegen im Wasser nicht mehr schwimmfähig. Darauf wurden die Kisten dann abgedichtet und versenkt.

Es seien noch einige Worte über die Heranschaffung des Baumaterials und über die von den Handwerkern benutzten Werkzeuge gestattet. Zunächst einiges über die Steine. 1278 hört man zum erstenmal, daß für Steine Ausgaben gemacht sind: "ad portum Warnemunde". 1283 werden "lapides campestres", also die auch später ständig in den Rechnungen vorkommenden "veltstene", genannt. Sie mußten meistens unter großen Mühen von weither nach Warnemünde gebracht werden. Der größere Teil der Steine kam von der Diedrichshäger Feldmark. In der katholischen Zeit hat der Abt von Doberan Jahr für Jahr ein "Stoweken Wyns to Presente" bekommen 2 ), wenn die Abgesandten


1) Rost. Rats-Archiv, Bestallungsbuch, Fol. 217 B.
2) G. R. 1446. "it. 13 ß vor 1 stoweken wyns deme abbete do se to eme reden vme stene to vorende tom bolwercke";
G. R. 1451: "2 mr vor maknesie vnd wyn deme abbete to Doberan to present, do de buren worden besen to vorende. It 3 m 3 ß vor 2 elen beydesch wandes deme voghede to Doberan to enem schon clet, dat he deste mer wagen scholde schicken to vorende";
G. R. 1455: "8 ß kostede de stenwaghe (!) ouer de hauene to bringende";
G. R. 1455: "Den stenwagen to vorende vam Diderikeshagen bet tor Munde".
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 160 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

der Stadt Rostock wegen der Steinfuhren zu ihm ritten. Dabei fielen auch jedesmal für den "ebdischen Vogt" 2 Ellen "beydisch Want to enem schon Clet" ("damit er desto mehr Wagen zum fahren schicken solle (!)") und für seinen Knecht ein paar Schilling als Trinkgeld ab. Nach diesem Eröffnungsverfahren ging es an die saure Arbeit des Steinebrechens. Das geschah mit eisernen Stangen. 1465 sind außer den "Ebdiern" 12 "dreger" damit beschäftigt, "den Sten" "ute der Erden to brekende unde vort uppe de Wagen tho settende". Nachdem das Werk des Brechens und Zuwagenbringens der Steine vollbracht war, kam das nicht minder mühselige des Fahrens "tor Munde". Man stelle sich den Weg vor: Sand, nichts als Sand, bergauf, bergab, so wie es auf der Federzeichnung des Schweriner Archivs zu sehen ist 1 ). Dazu bedenke man, wie schwer belastet die Wagen waren, dann mag man wohl empfinden, welchen Schweiß und welches Schnaufen von Mensch und Vieh diese Fuhren gekostet haben. Als Ersatz für die immerhin nicht im Überfluß vorhandenen Steine wurde, wie schon erwähnt, der "Grus" von den Ziegelhöfen nach Warnemünde gebracht. Außer von den Gemarken der Umgegend, wie Diedrichshagen oder auch Moltenland (z. B. Petersdorf) 2 ), sind bereits seit den ältesten Zeiten 3 ) Steine von auswärts bezogen. In der Regel kamen die Steine aus Gotland. Die Schiffe brachten sie als Ballast mit und bekamen, wie es 1575 heißt, für "etlike grote Stene vth deme Schepe" 1 fl. Die Steine aus dem Schiffe zu "boren" hatte man "Zele" und "Zelrepe". Für besonders große Steine hat man wohl auch die Winde benutzt, die im übrigen auch beim Heraufholen des andern wichtigen Materials in Anwendung kam: beim Heraufholen des Holzes.

Über die Heranschaffung und Bearbeitung des Holzes ist das Wesentlichste bereits gelegentlich der Beschreibung des Kistenbaus gesagt worden. Neben dem in der Heide geschlagenen Holze mußte ständig Holz von auswärts eingeführt werden. Besonders zur Zeit der großen Hafenbauten am Ende des 16. Jahrhunderts sind jährlich große Mengen "Dannenbalken", meistens aus Gotland, herübergeholt worden. Auch über die "Struke" ist schon gesprochen. Es ist ganz ungeheuerlich, was im Laufe der Jahrhunderte alles an Holz und "Struken" aus der Heide nach Warne-


1) Siehe Kopie bei Barnewitz, a. a. O. S. 97. Eine Kopie im Format des Originals ist 1926 für das Rostocker Ratsarchiv angefertigt.
2) G. R. 1459: "12 dreger vor en dach stene to brekende to petersdorp tom bolwercke."
3) K. R. 1283: "Item iis, qui duxerunt lapides de Gotlandia 1 marcam."
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 161 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

münde gekommen ist. Zahlenmäßig lassen sich die Mengen nicht festlegen. Aber man bedenke: Fast wöchentlich fahren zeitweilig die Bauern. Das bedeutet, daß an jedem Tag, an dem sie "denen", etwa 26 Wagen ständig unterwegs sind. Mit dem Holz wurde sparsam gewirtschaftet. So wurde häufigen Rechnungsvermerken zufolge das vom Sturm vertriebene Holz nach Möglichkeit wieder zusammengeholt und zum Neubau der zerstörten Bollwerke verwandt. Bis zu seinem Abtransport wird das Holz bewacht, ja, wer abgetriebenes Holz meldet, bekommt eine Belohnung. Daß man neben dem gebrauchten Holz auch abgetakelte Schiffe oder Wracks zum Kistenbau verwandte, wird weiter unten noch berührt werden. Schließlich ist noch eines Werkzeuges zu gedenken, das beim Bollwerksbau von großer Wichtigkeit ist: die Ramme. Man findet Nachrichten über das Vorhandensein einer großen und einer Handramme. Die große Ramme ist auf dem Warnemünder Modell dargestellt, auch wissen wir einiges über sie aus gelegentlichen Ausgabeposten in den Gewettsrechnungen. Sie bestand aus dem großen, senkrecht aufgerichteten "boom", auch "rickpahl" genannt, der an beiden Seiten wie auch von hinten durch je einen schrägen Stützbalken gehalten wurde. An dem Rammboom saß der Rammklotz. Er war merkwürdigerweise nicht aus Eisen, sondern, soweit das Modell 1 ) erkennen läßt, ein großer Eichenklotz von ungefähr 0,60 cbm Inhalt. Auf der dem Baum zugekehrten Seite hatte er oben und unten je zwei Hölzer, mit denen er den Baum umklammert hielt. Durch die Hölzer waren eiserne "Schlutbolten" gesteckt, die ihn am Baum festhielten. An der Spitze des "Pahlricks" hing eine "Rulle", über die hin das Tau, an welchem der Klotz befestigt war, zur "Spindel" ging. Die Spindel war zwischen dem Baum und dem hinteren schrägen Stützbalken aufgestellt. An ihr wurde das Tau aufgewunden, der Klotz wurde hochgeholt und oben dann wahrscheinlich auf die heute noch gebräuchliche Art zum Fallen gebracht.

Die Bauweise der Kistenbollwerke hat sich, wie schon erwähnt, Jahrhunderte hindurch gehalten. Es wäre zu untersuchen, ob es bereits in den frühesten Zeiten zur Anwendung kam. Die erste Nachricht fand ich 1423. Daß auch vorher die Bollwerke nach dieser Weise errichtet wurden, kann man vermuten. Die Anlagen beim Tief D, der ältesten uns bekannten Hafenanlage Rostocks, müssen jedenfalls schon so gebaut sein. Denn die Umfassungspfähle, die ja noch heute dort nahe der Küste zu finden sind, stehen


1) Rostocker Ortsmuseum, Modell von Warnemünde (von 1789). (Vgl. Dragendorf, Pläne von Warnemünde ... in B. G. R. III, 2.)
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 162 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

zu weit auseinander, als daß eine andere Bauart in Frage käme 1 ). Demnach ist anzunehmen, daß im Rostocker Hafengebiet der Bau der Bollwerke von früh an nach dem Kistensystem erfolgt ist. Es wäre interessant zu erfahren, wie man auf diese Bauweise gekommen ist. Sie hat nämlich ihre ganz bestimmten Schattenseiten. Zunächst: Die zehn Meter langen Balken schlossen den unebenen Grund natürlich nicht dicht genug ab. Dadurch war stete Gefahr, daß dennoch der Sandstrom nicht von dem Bollwerk aufgehalten wurde. Außerdem geschah es oft genug, daß der Grund einfach "unter ihnen wegfloß". Sie standen trotz der Schwere nicht fest genug. Zwar wurden um die "gesetzten" Kisten Pfähle herum gestoßen, doch haben sie in keiner Weise genügt, die Kisten vor dem Versinken zu bewahren. An anderen Orten wurde diesem Fehler dadurch vorgebaut, daß man als erste Unterlage für die Kisten "Struke" nahm 2 ). Diese paßten sich eher an und wühlten sich allmählich immer tiefer in den Grund. Dies Verfahren wird 1588 auch nach Rostock verpflanzt 3 ), scheinbar


1) Z. B. das Pfahlwerksystem mit Steinfüllungen zwischen den beiden Pfahlreihen. Hierbei müssen die Pfähle dicht nebeneinander stehen, damit die Steine nicht seitlich herausfallen. Bericht des Cornelius Claessen (1625): "So were es auch besser, gedoppelte rehge Pfähle zu gebrauchen, alß kisten, dan die begeben sich nicht so leicht, vnd das dieselben wohl 15 fuß in den grunt gestoßen würden. Vnd da gleich darunter der sant solte ausfüllen, so würden doch die steine die Löcher gestracks erfüllen, dan in denen kein boden wäre. Vnd wollte er sich erfreuen, daß der Strom den Sand so tief bis unter den Pfählen wegnähme, denn so hätte man erlanget, was man begerte, nemlich ein besser Tieff."
2) S. Krünitz, a. a. O. XXI, S. 74 f.
3) R. Pr. 1588, Jan. 10.: "Doselbst ein Rat beide Meister, welche zum neuen und alten diepe sein gesetzet (hier natürlich das alte A und das neue E), vorbeschieden und wegen ausschlahung des westerbollwerkes, welcher gestalt solches aufs bequemste und bestendigste gebauet werden konnte, aus und ingeredet. Und obwohl M. Claus Jendrich, Zimmermeister zu Warnemünde, sich understanden, das Bolwerck hinaußen zu senken, da doch die grundt uneben und keine ursache anziehen können, wie er das Bolwerck unten auf der grundt, weil dieselbe uneben, dicht machen wolte, und mir angezeiget, er wolle es mit brettern aus füttern, welches doch nicht möglich im Wasser zu tun, weile man dieser Orter keine Düker (!) hette. Zudem hatte Jochim Barchmann sich vornemen lassen, er wolle es oben beschweren, und so viel aufbauen, welches fundament auch nicht gehaftet, denn die balcken sich nach der unebenen grund nicht haben lenken und geben können. Derentgegen Johann zur Balcke vorgestellt und sein Bedenken erfordert. Derselbe sich diesergestalt erkläret: Weil der Grund uneben und der struk im Wasser dauerhaftig, also wolle er denselben dieser gestalt ausarbeiten, daß man darauf das Bollwerk lichtlich senken solte und solches dieser-
(  ...  )
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 163 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

aber nur für kurze Zeit. Wenigstens wird schon 1625 wieder Klage darüber geführt, daß die Kisten sich so "leicht begeben", d. h.: daß der Grund unter ihnen wegrutscht. Man scheint also doch wieder zu der alten Methode zurückgekehrt zu sein. Wie aber ist man überhaupt auf dies System gekommen, das ist die Frage. Ich glaube, man kann aus ein paar Nachrichten, die freilich aus der Zeit nach 1550 stammen, der Beantwortung dieser Frage näherkommen: 1560 wird eine alte Fährschute gekauft, "um das Bollwerk darauf zu bauen". Sie wird "rein gemacht", aufs Land gebracht, instandgesetzt und wieder zu Wasser gelassen. Schließlich wird das Bollwerk auf ihr erbaut. Um die Pfingstmarktzeit kommt ein "Dwerwint", so daß der Prahm, auf dem das Bollwerk gemacht war, "zugrunde sank". Die beiden "Weddeherren" reiten daraufhin nach Warnemünde und lassen den Prahm wieder "uposen", d. h. sie lassen das Wasser wieder herauskellen. Später wird dann das neue Bollwerk, "so vp de Verschute gebuwet", gesenkt, und die Warnemünder haben "nene ringe Arbeit mit Stene natofohrende" 1 ). Diese Worte würde man wohl zunächst so interpretieren, daß man die Kisten zu jener Zeit auf Prähmen baute, sie an den Bestimmungsort fuhr und sie dort zu Wasser ließ. Das aber ist technisch unmöglich, da der Prahm zweifellos beim Senken der Kisten kentern würde. Eine Rechnungsnotiz des Jahres 1574 zeigt, daß in Wirklichkeit zusammen mit dem Bollwerk auch der Prahm versenkt wurde. Es ist eine Ausgabe verzeichnet für ein Tau, das unter dem gesenkten Prahm in sechs Stücke "geschrawen und intweigewunden wart". Daß man also bei Gelegenheit statt der Kisten Fahrzeuge benutzt hat,


(  ...  ) gestalt: Er wolle auf beiden Seiten hinaussen Pfähle schlahn und auf dieselben zu beiden Seiten wolle er die Prähme, darin er die Struke und Materialien hette, leggen, aus welchen Pramen er gegeneinanderüber von Weiten gedreite weden, daruff er den struk senken wolte, vnd darvff solte Meister Claus sein werk senken";
R. Pr. 1588, Juni 10.: "Doselbst auch wegen deß neugesenkten Bolwerckes mit den Kastenherren geredet ob auch dies ander stucke Bolwerckes sollte mit Strauch undersencket werden. Ein Rat aber hat es für rahtsam erachtet".
1) G. R. 1560: "It. so hebbe ick gerekent vnd betalt Laurentz wickebolde van Negelen thom Prame, den ick koffte van Thomas Gerdes, dar das Bolwerck vp senket wird tho Warnemunde. ... So hebbe ick Boldewanen Kinderen geuen vor eyne olde Verschute, dar dat Bolwerck wart vp gebuwet ... / enen mans gegeuen, de schute reine to makende ... / de schute vp lant to bringende ... / ... leten dat nige bolwerck, so vp de Verschute gebuwt, senken. Den Warnemundern, so darto hulpen, ok nenen ringen arbeit deden mit stene natoforen ..."
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 164 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

steht außer jedem Zweifel. Alte Wracks werden regelrecht aufgekauft oder daraufhin besehen, ob man wohl ein Bollwerk darauf bauen könnte 1 ). Und diese mit Steinen und "Struken" gefüllten Fahrzeuge, meine ich, sind die Urformen der Kisten gewesen. Daß sie an Stelle von Kisten benutzt wurden, ist auch sonst überliefert. Einen Fall haben wir oben bereits kennen gelernt: Als das neue Tief B, der Dünendurchbruch des Jahres 1459, wieder "gefangen" werden soll, da kauft man eine "schute" ausdrücklich zu dem Zweck, sie vor dem Tief zu versenken 2 ). Neben dieser Schute werden auch mit Sand gefüllte Kisten verwendet. Hatte man also günstige Gelegenheit, ein Schiff zu kaufen, dann war dies das einfachste, hatte man keine Schiffe, so mußte man Kisten herstellen lassen. Die Schiffe aber sind vermutlich die Ausgangsform gewesen. Den andern Bollwerksbauweisen gegenüber hat das Kistensystem einen großen Vorteil, den schon die Vorgänger, die Wracks, hatten: Die Kisten waren vollständig an Land herzustellen. Sie brauchten später nur noch gesenkt und befestigt zu werden. Jedes andere Verfahren hätte umfangreiche Pfahlrammungen vorausgesetzt. Und während die Rammungen beim Kistensystem von der eben gesenkten Kiste, also sozusagen vom Festlande aus, erfolgen konnten, so hätten sie andernfalls von See aus, vom Fahrzeuge aus erfolgen müssen. Dazu aber scheinen alle Voraussetzungen gefehlt zu haben. So ist man erst vor hundert Jahren etwa zu einer anderen Methode gekommen.

§ 3.

Die Haffdüne.

Die Mündung der Warnow, ganz und gar eingebettet in die Düne, mußte zunichte gehen, wenn die Düne in schlechtem Stand war: Sei es nun, daß der Sand vom Westen her ins Tief gewirbelt ward, eine Erscheinung, die ja bis auf den heutigen Tag zuweilen dem Fahrwasser Schaden antut, sei es, daß die sandige Umgebung des Flusses dem Wind, der Strömung, den Wellen nachgab und damit ihm anderen Lauf wies, sei es endlich, daß an anderen Orten ein "neues" Tief aufbrach, wodurch die oben


1) G. R. 1581: "Ick forde ock na der Munde, do besach Mester Claweß dat Wrack van der fuer blase, offt he ock darup buwen konde dat bolwerck."
2) Vgl. S. 116.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 165 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

besprochene Selbstreinigungswirkung des Flusses, die nur durch engen Auslauf gewährleistet war, ins Stocken geriet. Dies zeigt die Bedeutsamkeit eines guten Küstenschutzes für die Erhaltung der Hafenanlagen an, gleichzeitig auch die drei Aufgaben, die ihm demzufolge zufielen: Die Fernhaltung des Flugsandes vom Tief, die Dünenpflege und schließlich, falls ein Durchbruch stattgefunden hatte, der Dünenaufbau.

Die Mündung des Fahrwassers an der See, am Rande des Seestrandes auf beiden Seiten von der offenen Düne flankiert, war vor allem auf der Westseite gegen den herüberwehenden Sand zu schützen. Man mußte also Vorkehrungen treffen, den Flugsand abzufangen, bevor er das Gebiet des Fahrwassers erreichte. Dies bewirkte man, indem man westlich hinter den äußersten Häusern des Dorfes bis an die See dem Fahrwasser gleichlaufende Bretterzäune, sogenannte "Glinde" anlegte. Hierdurch wurde die nähere Umgebung des Fahrwassers gänzlich nach Westen abgeschlossen. 1418 wird dies "glint" zum erstenmal erwähnt. Später findet man es häufiger in den Rechnungen wieder, sei es, daß der Sturm es "daelslog", sei es, daß ein ganz neues angelegt wird. Dort, wo das "Glint" sich dem Seestrande näherte, ging es allmählich an das Bollwerk heran und wurde damit verbunden 1 ). Dieser Teil wurde das Bollwerksglint genannt. Aber selbstredend hätten diese Bretterzäune alleine auf die Dauer keinen Schutz gewährt: Allmählich sammelte sich der Sand vor ihnen an, zuweilen zu "großen Bergen", und wehte dann ungehindert über die Glinde hinweg, wenn er sie nicht gar unter sich begrub. Es genügte also nicht, Schutzglinde gegen den Flugsand aufzurichten, auch konnte man kaum des öfteren eine solche Arbeit unternehmen, wie sie 1575 berichtet wird 2 ), wo man die großen Berge westlich des Fahrwassers wieder eben tragen mußte, weil sie zu gefährlich angewachsen waren, - man mußte deshalb darauf sinnen, den Flugsand überhaupt unmöglich zu machen: dadurch, daß man ihn festhielt, daß man die Düne zum Stehen brachte, dadurch, daß man, wie wir heute sagen würden, Dünenkultur trieb.

1423 wurden 75 Fuder "Tünroden" nach Warnemünde gefahren, "to tünen vppem Sande". Auch "Pale tom tünen" werden herangeschafft. Man hat also damals Zäune von geflochtenen (tünen!) Weidenruten auf der Düne errichtet, ein Verfahren, welches, den alten Enzyklopädien zufolge, im 18. Jahrhundert


1) Vgl. Barnewitz, a. a. O., Abbildung S. 224 und 225.
2) Vgl. S. 128.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 166 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

ganz allgemein zur Sicherung der Dünen Anwendung fand 1 ). Jene "tüne" waren etwa 1 - 1 1/2 m hoch und leicht aus Weidengeflecht und Haltepfählen gebaut. Auch "Struke" hat man vielfach dazu verwandt. Die "Tune" wurden quer über den Strand gesetzt, auch wohl so, daß sie Winkel oder Vierecke untereinander bildeten. In den Zwischenräumen wurde in der Regel Laubwerk oder Stroh ausgebreitet. Dies war ein bewährtes und verbreitetes Mittel, den Flugsand abzufangen und die Düne zu erhöhen. Die Rostocker haben statt des "Laubreiths" Seetang genommen. Daneben fand im Rostocker Bereich auch Mist und Heidekraut Verwendung 2 ). Der Mist war ganz besonders für diese Zwecke geeignet. Er beschwerte den schon liegenden Sand. Er fing mit seinem Stroh den Flugsand auf. Er machte den Boden für Anpflanzungen geeigneter. Deshalb ist er denn auch noch im 17. und 18. Jahrhundert zur Sicherung der Düne genommen 3 ). Auf diese Weise ist, zum mindesten an den gefährdeten Orten, die ganze Haffdüne befestigt gewesen, bis hin zum heiligen See, von dessem "Tun"-Werk 1458 berichtet wird. Daneben finden sich schon früh Mitteilungen von Anpflanzungen. Um 1450 wurden innerhalb von zwei Jahren 4 1/2 tausend junge Weiden "gesetzt". Auch als 1575 die Berge westlich des Tiefs ebengetragen waren, wurden auf dies Land, nachdem es ein Jahr lang unter Dung gestanden hatte, Weidensetzlinge gepflanzt. Auch Tannen scheint man angepflanzt zu haben, wie bereits im zweiten Teile berichtet wurde. Ebenso ist das Aussäen von Strandhafer aus den Jahren 1579/80 und 1610 überliefert. Am interessantesten ist eine Rechnungsnotiz des Jahres 1610. Es werden drei Personen nach Karow geschickt, um von dort "Santhabern" zu beschaffen. Sie sammeln vier Säcke voll und bringen sie über Güstrow nach Rostock. Dort wird der Hafer gedroschen und dann nach Warnemünde geschafft. An der Ostdüne ist hier bereits durch drei "großen kleiner Pauren" gepflügt und geegt, und nun wird der Hafer von denselben Bauern ausgesät.

Um die Düne auch gegen den Anprall der See zu schützen, wurden Schutzbauten errichtet, sogenannte Schlengen. 1510 wird


1) Vgl. Krünitz, a. a. O. IX, S. 681 ff.
2) G. R. 1576: "... die heide auertoholende vnd vorstraewt auff die haffdünen vor 3 dage sulffander ..."
N. C. R. 1619/20, Aug. 5.: "Jochim Schlorffen wederbezahlt, was er im verschienen Julio Michel Baden bezahlet zu verschaffung der heidstreucher auff die Düne ...". Über die Benutzung von Mist vgl. S. 129.
3) Ihn herbeizuschaffen war die Aufgabe der Diedrichshäger. Vgl. Barnewitz, a. a. O. S. 185.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 167 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

zum erstenmal von ihnen berichtet. Sie wurden zu beiden Seiten des Bollwerks gebaut, indem man vom Lande aus, rechts und links der Mündung schräg durchs Wasser bis ans Bollwerk hin zwei Packwerke baute, die den Bollwerksfuß vor den Wellen schützen sollten. Später hat man, den Karten zufolge, an dieser Stelle auch einige Kisten "langstrandes" gesetzt, da hier das Wasser, gestaut durch den Winkel von Bollwerk und Küste, das Ufer am leichtesten durchbrach. 1579 sind "Koken" und "Kribben" genannt. Da außer von Bauten auch von Ausbesserungen der "Koken" und "Kribben" die Rede ist, so sind sie also schon vor 1579 zum Küstenschutz verwendet. Es sind Außenwerke, bestehend aus zwei Parallelreihen von Pfählen, deren Zwischenräume mit "Grus" und Steinen gefüllt werden 1 ). Sie wurden an den gefährdeten Stellen in die See "hinausgeschlagen", um die Wellen zu brechen. Oft hatten sie Winkelform, auch waren sie in Zickzacklinien gebaut. Die Bauten des Jahres 1579 waren nach diesem System errichtet, denn es wird gesagt, daß die Koken und Kribben "hen und wieder" gemacht wurden.

War eine Düne durch eine Sturmflut durchbrochen, so mußte sie neu gebaut werden. So wurde 1457 vor Diedrichshagen ein Damm gebaut. Einzelheiten darüber fehlen leider. Genauer unterrichtet sind wir über die große Anlage im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts. Damals ist die ganze Haffdüne östlich Warnemündes bis hin zum heiligen See aufgebaut. Diese Arbeiten sind bereits im zweiten Teile behandelt. Vor allem Johann tor Balcke hat großen Anteil daran. Er ist der "Erbauer der Haffdüne" geworden.

Weit früher, als die bisherige Forschung angenommen hatte, ist also von der Stadt Rostock planmäßige Sicherung der Düne betrieben; mindestens seit 1400 geschah das, wobei zu bedenken ist, daß erst ab 1400 die Quellen reichlicher fließen. Dies Ergebnis war aber nach allem, was in dieser Arbeit gesagt wurde, zu erwarten. Wir haben es im Laufe der Arbeit immer wieder festgestellt, daß der gute Zustand des Fahrwassers aufs engste mit dem guten Zustand der Haffdüne zusammenhängt. So kommt es denn, daß gleich mit den ersten (zusammenhängenden!) Nachrichten über Bollwerksbauten auch Nachrichten über Maßnahmen zur Sicherung der Haffdüne in den Quellen angetroffen werden.

~~~~~~~~~~


1) Vgl. Krünitz, a. a. O. Bd. VII, S. 253 ff. u. XII, S. 259 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 168 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Übersicht über die gewonnenen Ergebnisse.

Am Schlusse dieser Untersuchung seien noch einmal die gewonnenen Ergebnisse zusammengefaßt. Zunächst sei das genannt, was auf dem Gebiete der Lokalhistorie erbracht wurde:

Die Behauptung Krauses, der älteste Rostocker Seehafen habe nicht bei dem heutigen Warnemünde (am Tiefe A) gelegen, wurde nochmals überprüft. Die bisherigen Beweise wurden durch stichhaltigere ergänzt, die Krauses Vermutung zur Gewißheit machten. Die Lage dieses ältesten Hafens, von der Forschung bisher bei C angenommen, wurde bei D festgelegt. Es ist gelungen, auch das alte Flußbett bis auf einen Teil des Mittellaufs wiederzufinden. Ausgrabungen förderten umfangreiche Felsenbollwerke und Faschinenbauten zutage. Da durch die Wiederentdeckung des ältesten Rostocker Seehafens auch die Lage der Danskeborg, die 1325 zerstört wurde, einigermaßen genau bestimmt ist, so wird hiermit weiterer Forschung, z. B. Ausgrabungen, Raum gegeben. Das Tief C, bisher als ältester Hafen angenommen, ist nach Aufgabe des Hafens D auf kurze Zeit, von 1410 (?) bis Dezember 1420, als Hafen benutzt worden. Das Datum der Verlegung des Hafens nach dem Kirchdorf Warnemünde, bisher 1485 angenommen, konnte auf 1421 berichtigt werden. Der für diesen Hafen (A) später gebräuchliche Name "das neue Tief" wurde erklärt durch die Arbeit des Alhard Johansen im Jahre 1485. Dieser Holländer hat neben der Verbreiterung und Vertiefung des Tiefes A einen Durchstich am Ostende des "Pagenwerders" nach Süden gemacht und durch Fortschaffung des Grundes vor "Krekeshovet" eine neue Fahrrinne geschaffen. Die in dem mit Alhard geschlossenen Vertrage genannte Örtlichkeit "Krekeshovet" oder "Grukeshovet", bisher nicht zu ermitteln, konnte genau festgelegt werden: Es ist der Landvorsprung östlich Pagenwerder, der die Pinnwiesen und den Gänsewerder umfaßt. Er grenzt die "Pinner Krüh" (Pinner Bucht) westlich ab. Die Zerstörung des Rostocker Hafens zur Zeit der Domfehde, bisher auf den ältesten Hafen bezogen, hat nach den Untersuchungen der vorliegenden Arbeit das Tief A betroffen. Das in den Berichten aus jener Zeit erwähnte "neue" Tief ist dagegen nicht A, sondern ein Dünendurchbruch vom Winter 1459, aller Wahrscheinlichkeit nach die bisher unbestimmbar gewesene "olle Deepe" B. Das Tief an der Radel, E, ist ein Durchbruchstief vom Winter 1582, genannt das "neue" Tief. Schon seit etwa

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 169 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

1560 hat hier "nebenanst" ein Dünendurchbruch bestanden, gleichfalls mit dem Namen "neues Tief", auch das Tief "nebenst der Heiden" genannt. Es wurde am 14. Juli 1582 durch den Schuster Jochim Barchmann mit dem Material der Hundsburg "gefangen". Die in den Chroniken erwähnte Fangung des "neuen Tiefs" im Jahre 1582 bezieht sich also nicht, wie bisher angenommen wurde, auf Uferbefestigungen am Hafentief A! Der für die Hafenbauten wichtige Markgrafenheider Kanal, der sogenannte Torfgraben (K), wurde auf Anregung des Jochim Barchmann von einem Unternehmer 1579 angelegt. Die bisherige Forschung nahm diesen Bau im 18. Jahrhundert an. Alle Hafenarbeiten waren darauf gerichtet, die Wasser des Stromes immer mehr einzufangen, um durch die Gewalt ihres Flusses das Hafentief sauber zu fegen. Den krönenden Abschluß dieser Arbeiten bildete ein großes Steinkistenbollwerk, das in den Jahren 1600 - 1616 von Krekeshövet, also von der Einfahrt in den "alten Strom" (A) ab, über den ganzen Breitling bis hin zum "Breitlingseck" "geschlagen" wurde. Nur inmitten dieses Bollwerkes wurde für die Durchfahrt in den östlichen Breitling und in die Heide ein Raum freigelassen, das sogenannte "Kriegsheupter Loch".

Über das rein Lokalhistorische hinaus hat die Untersuchung folgendes erbracht: An Hand einer Darstellung der Geschichte des Rostocker Seehafens bei Warnemünde von der ältesten Zeit bis zum Ausbruch des dreißigjährigen Krieges wurde die Fürsorge einer hansischen Stadtverwaltung für ihren Seehafen, für dieses wichtigste Glied innerhalb ihres Wirtschaftslebens, klargelegt. Auf dem Gebiete der Verwaltung wie der Organisation der Arbeit, auf dem der Finanzierung wie der technischen Maßnahmen wurden die Bemühungen der Stadt, einen guten Hafen zu bekommen bzw. zu behalten, geschildert.

~~~~~~~~~~

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 170 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Anhang.

Bericht über den heutigen Zustand des ältesten Rostocker Hafens an der See.

Durch die Auffindung der Karte von Tarnow "Geometrischer Plan von dem Städtlein Warnemünde und der angrenzenden Feldmark Großen Klein" (entstanden 1796 - 1809) war die Lage des ältesten Rostocker Seehafens wieder bekannt geworden. Es galt nun, an Hand der Karte den Ort desselben womöglich wiederzuentdecken. Ich begab mich also mit einer Kartenskizze auf das Gelände, in dem der Hafen sich befunden haben mußte. Überraschenderweise gelang die Auffindung sofort. Beim Kilometerstein 2,0 schneidet das alte Mündungsgebiet die Chaussee Warnemünde - Markgrafenheide. Scharf hebt es sich durch helleren Graswuchs von dem trockenen braungrünen Grunde der Umgebung ab. An Hand der Skizze ließ sich das alte Tief mühelos von der Chaussee aus einige hundert Schritt zum Breitling hin verfolgen. Seewärts geht durch die Tannenpflanzung eine Senke direkt auf das bei Barnewitz 1 ) beschriebene Bollwerk zu. Besonders beim Rückblick von der Höhe der Düne aus sieht man ganz unverkennbar den alten Mündungslauf. Es ist bemerkenswert, daß heute noch zwischen den Tannen, einer Trockenpflanze, vereinzelte Schilfhalme von etwa 2,50 m Höhe wachsen, ein Zeichen, daß hier früher ein anderer Untergrund gewesen ist. Breitlingswärts geht das Tief als etwa 5 m breite grabenförmige Senke von km 2,0 der Chaussee ab in den Formen, wie sie auf der beiliegenden Karte wiedergegeben sind, durch die Wiesen. Danach ist es ein sehr gewundener Lauf gewesen, wahrscheinlich ein natürlicher Warnowarm, was denn auch eines Tages zur Aufgabe dieser Durchfahrt führen mußte. Bei dem ersten Knick (b) wird das Bett schmäler. Es ist deutlich durch Graswuchs, Sumpfigkeit und Höhenunterschied (etwa 0,35 m) von dem übrigen Gelände unterschieden. Bei dem zweiten Knick (c) bemerkt man, daß das dem Meere zu gelegene Ufer erhöht ist und sich durch Festigkeit auszeichnet. Hier fand sich in 0,50 - 2,50 m Tiefe ein großes Bollwerk. Es besteht aus eingerammten Eichenpfählen, zwischen denen Fels-


1) Vgl. S. 102, Anm. 3.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 171 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

blöcke liegen, die neben- und übereinander geschichtet sind, dazwischen findet sich zur Ausfüllung der Lücken Schutt von den Ziegelhöfen, Feldsteine und Strauchwerk. Das Strauchwerk befand sich in einem so wohlerhaltenen Zustande, daß jeder Beschauer es zunächst für ganz frisch hielt. Nur der Umstand, daß auch ganz zutiefst unter den Felsen noch derartiges Strauchwerk gleichen Zustandes zu finden war, vermochte vor dem Argwohn zu bewahren, daß diese Faschinen erst in allerjüngster Zeit, vor vielleicht 5 oder 10 Jahren, hier versenkt worden sind. "Der Struk" ist tatsächlich "im Wasser sehr dauerhaftig" 1 ) 2 ). Denn er ist, da das Tief im 15. Jahrhundert aufgegeben wurde 3 ), wahrscheinlich schon etwa 200 Jahre vor Johann tor Balcke zur Hafenbefestigung hier versenkt worden. Als die Sträucher dann freilich an die Luft kamen, sind sie in einigen Wochen auf etwa ein Viertel ihres früheren Durchmessers zusammengeschrumpft. Das Bollwerk besteht aus mehreren Schüttungen. In 0,40 m Tiefe stößt man zunächst auf Lehm und Mergel, eine in diesem Gebiete des Sandes sofort auffallende Formation. Hierauf kommt eine Steinschüttung. Zuweilen überwiegen die Feldsteine, zuweilen der Ziegel-"Grus", je nach dem, was den Inhalt der Wagen, die das Schüttungsmaterial herbeischafften, ausgemacht hat. Dieser Schüttung folgt das eigentliche Felsenbollwerk. Die Oberfläche von Felsen ließ sich noch in einer Tiefe von 2,20 m mit der Sondiernadel feststellen. Das übrige Ufer des Tiefs ist, soweit bisher Ausgrabungen gemacht werden konnten, mit Faschinen eingefaßt, auf denen zur Festigung eine Ziegelschuttlage sich befindet. An der engsten Stelle (g) ist das Tief bis etwas über die Hälfte mit Strauchwerk verschlossen. Offenbar ist dies eine spätere Maßnahme, um es im Sinne der oft genannten "Fangung" des Hafentiefs A zu verstopfen 4 ). Von dem zweiten Rechtsknick ab läuft das Tief dann in der Richtung d - e auf den Flugplatz zu, biegt darauf, dem Rand des Flugplatzes ungefähr folgend, nach Süden und bekommt allmählich immer mehr Ostrichtung. Hier, im Mittellauf, ist das alte Bett nicht mehr mit der gleichen Sicherheit zu bestimmen, wie in seinen übrigen Teilen. Breitlingwärts zieht es sich dann wieder, klar abgegrenzt als Binsengraben, durch das Schilf. Durch niedrigeren Wuchs und andere Farbe heben sich die Binsen deutlich als blaugrüner Graben aus


1) Vgl. S. 142 ff.
2) Vgl. S. 162, Anm. 3.
3) Vgl. S. 109 ff.
4) Vgl. S. 100 f.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 172 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

der helleren und höheren Schilfmasse ab. An der Stelle, wo der Graben in den Breitling tritt, befindet sich eine Bucht (am sogenannten "Räwer Urt"). Sie gibt noch ein ungefähres Bild von der Breite des ehemaligen Fahrwassers. Nach diesen Feststellungen haben am 20. August 1926 sechs Herren des Rostocker Altertumsvereins meine Berichte an Ort und Stelle überprüft. Der Lauf des Tiefs wurde vom Kilometerstein 2,0 ab bis zum Breitling hin verfolgt. Bei einem Vergleich mit der Karte kamen die Herren zu der Überzeugung, daß hier tatsächlich das von Tarnow (und, wie sich später herausstellte, 1770 - 1780 schon von Wiebeking aufgezeichnete "Olle Fohrwater" und damit der älteste Seehafen der Stadt Rostock wiederentdeckt war.

Damit ist natürlich auch die Lage der Danskeborg wieder einigermaßen zu bestimmen. Sie muß an einer Stelle des Ostufers gelegen haben. Den Quellen zufolge war es eine Burg, in deren Gräben Koggen fahren konnten, also eine Wasserburg. Da aber auch gesagt wird, sie hätte "zu Warnemünde auf dem Wall", also auf der Düne, gelegen, so muß sie, wenn auch nicht auf, so doch gleich hinter der Düne gelegen haben. Nun ist noch 1809, zur Zeit der Abfassung der Tarnowschen Karte, gleich hinter den Dünen ein Graben vorhanden gewesen, der auffallend an einen Burggraben erinnert. Die beigegebene Sonderkarte gibt die Örtlichkeit in ihrem heutigen Zustande wieder. Es wäre wünschenswert, wenn die Lokalhistorie sich in den nächsten Jahren um dies Problem bemühte und womöglich auch Ausgrabungen veranstaltete, bevor der Flugplatz sich auch über dieses Gebiet hin ausgebreitet hat.

Vignette
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen   zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Übersichtskarte
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen   zur ersten Seite zur vorherigen Seite
Ausgrabungen Danskeborg