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B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.

 


 

 

 

 

   Da der erste Theil A dieser Jahrbücher
sehr weit ausgelaufen ist und
nicht gut getheilt werden konnte, so hat
der zweite Theil B. dies Mal sehr abgekürzt
und das vorliegende Material
für denselben für folgende Jahrgänge
zurückgelegt werden müssen.    Die Red.

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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


Vorchristliche Zeit.

a. Steinzeit.


Keil von Gutow.

Auf der Feldmark Gutow bei Güstrow ward nicht weit vom gutower See beim Canalgraben zur Wasserregulirung in einer Wiese 4 Fuß tief ein Keil gefunden und für die großherzoglichen Sammlungen erworben, welcher zu den merkwürdigsten in Deutschland gehört, da er in jeder Hinsicht sehr ungewöhnlich ist. In den dänischen Landen sind viele ungewöhnlich große Keile gefunden; aber ich habe Keile von einer solchen Größe in Deutschland bisher noch nicht gesehen. Der Keil von Gutow aber wird alle bisherigen ähnlichen Funde in Deutschland übertreffen. Der Keil ist aus hellrothbraunem Feuerstein, von schöner karneolartiger Farbe, hin und wieder hell gefleckt, 14 Zoll hamburg. Maaß (33 1/2 Centimeter) lang, unten 3 3/4 und oben 2 3/4 Zoll breit und in der Mitte 1 3/4 Zoll dick, 3 1/2 Pfund schwer, an allen 4 Seiten und überall vortrefflich geschliffen nur am äußersten Bahnende nicht, welches ausnahmsweise scharf ausläuft und nicht viereckig abgeschlagen ist.

G. C. F. Lisch.


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b. Bronzezeit.


Kegelgrab .

In einem Kegelgrabe in Meklenburg wurden bei Abtragung desselben unter kleinen Steinen neben Urnenscherben folgende Alterthümer gefunden und von dem Herrn Gymnasiallehrer Reißner zu Schwerin erworben und dem Vereine geschenkt:

eine Nadel oder ein Griffel von Bronze, 4 Zoll lang, mit festem, dunkelgrünem edlen Rost bedeckt, mit einem großen, flachen, scheibenförmigen Knopfe, 1 Zoll im Durchmesser, mit erhabenen concentrischen Kreisen verziert, wie wohl öfter sehr lange Nadeln (?) aus der Bronzeperiode;

eine Tafel aus feinkörnigem, bräunlichem Sandstein, von elliptischer Gestalt, 5 Zoll lang, 2 Zoll breit und gleichmäßig 1 1/4 Zoll dick, auf der einen Seite und am Rande überall gleichmäßig und regelmäßig glatt geschliffen, an der andern Seite rauh, an einem Ende kegelförmig durchbohrt; diese Tafel hat ohne Zweifel dazu gedient, am Gürtel getragen zu werden. Ein ähnliches Stück ist bisher noch nicht beobachtet worden.

Der Herr Dr. v. Hagenow zu Greifswald hat nach brieflichen Mittheilungen einen ähnlichen Fund erhalten, welcher eben so räthselhaft ist. In einer kleinen Urne lagen "zwei glatte, geschliffene Steine, beide einander ähnlich, regelmäßig geformt, ein einem Griffel ähnlicher gelbbrauner Stift und zwei starke Bronzedräthe, etwa 3 Zoll lang, jeder mit 3 angegossenen kreisförmigen Scheiben, etwa Zoll im Durchmesser".

G. C. F. Lisch.


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c. Eisenzeit.

Begräbnißplatz von Bartelsdorf

bei Rostock,

von

G. C. F. Lisch.

Mit einem Holzschnitt.

Im Monat September 1862 verbreitete sich die Nachricht, daß in der Kiesgrube für die Stadt Rostock auf dem Felde des nahen rostocker Pachthofes Bartelsdorf viele heidnische "Urnen" mit zerbrannten Menschengebeinen und nicht weniger unverbrannte menschliche Gerippe und "Schädel", beide von anscheinend heidnischen "Alterthümern" begleitet, ausgegraben und daß viele von diesen Alterthümern in die Hände von rostocker Sammlern gelangt seien. Diese Nachricht, welche von zuverlässigen und unterrichteten Männern kam, war, in Beihalt eingesandter Zeichnungen von dort sicher aufgefundenen Geräthen, nach dem gegenwärtigen Stande der Alterthumswissenschaft so auffallend, daß ich Gelegenheit nahm, nach Genehmigung der verehrten Cämmerei und mit Beförderung des Herrn Senators Dr. Zastrow, selbst an Ort und Stelle schleunigst genügende Nachforschungen vorzunehmen.

Die Kiesgrube für die Stadt Rostock war früher auf dem benachbarten Felde von Riekdahl gewesen, aber nach Erschöpfung derselben seit dem Frühling des J. 1862 auf dem Felde von Bartelsdorf angewiesen und seitdem stark in Angriff genommen und bald in bedeutender Ausdehnung und Tiefe, etwa 100 Quadratruthen weit, aufgedeckt. Der Hof Bartelsdorf liegt nahe an der Wiesenfläche der Petri=Vorstadt von Rostock, nicht weit rechts von der Chaussee von Rostock nach Ribnitz, sobald man die Höhe des festen Ackerlandes hinter der Wiesenfläche erstiegen hat. Nicht weit hinter dem Hofe Bartelsdorf (45 Marksteine oder 3/4 Stunden gewöhnlichen Ganges vom Neuen Markt der Stadt Rostock entfernt), rechts von der

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Chaussee, ist eine ziemlich weite, regelmäßige, abgerundete Erhebung, welche die Kiesgrube und den Begräbnißplatz birgt; rechts hinter derselben ist eine zweite, etwas mehr hervorragende Erhebung, auf welcher früher eine Windmühle gestanden hat. In früheren Zeiten lag die Erhebung mit dem Begräbnißplatze unmittelbar an der alten Landstraße, welche sich vor der Erbauung der Chaussee neben dem Dorfe oder Hofe Bartelsdorf und dem Begräbnißplatze hinzog. - Schon bei dem Bau der Chaussee im J. 1842 soll ungefähr 20 Ruthen nordwärts von der Kiesgrube Vieles gefunden, aber spurlos verschwunden und vernichtet sein. Der Begräbnißplatz hat also eine bedeutende Ausdehnung, zumal da man annehmen kann, daß er noch lange nicht erschöpft ist.

Ich kam gerade noch früh genug, um die Verhältnisse des Begräbnißplatzes beobachten zu können. Die Kiesgrube ist gegen die Chaussee hin, also ungefähr gegen Norden da geöffnet, wo die Ansteigung der Erhebung beginnt und die Einfahrt in die Grube angelegt ist.

Die nachfolgenden Berichte über den Begräbnißplatz sind theils nach den Berichten zuverlässiger Beobachter und der eben so zuverlässigen, zum Kiesgraben von Anfang an angestellt gewesenen Arbeiter, theils nach meinen eigenen Nachgrabungen und Beobachtungen abgefaßt.

Auf der vordern Ansteigung der Erhebung war in fast der ganzen jetzigen Breite der Kiesgrube ein heidnischer Begräbnißplatz, in welchem sich sehr zahlreiche heidnische Urnen fanden, welche mit dem Boden nur 2 Fuß tief unter der Erdoberfläche standen und daher alle vom Pfluge erfaßt und zertrümmert und zersprengt waren. Die Urnen waren, nach heidnischer Weise mit grobem Kiessand durchknetet, von brauner Farbe ohne alle Verzierungen und mit zerbrannten Menschengebeinen gefüllt. Ich fand gegen Osten hin, wahrscheinlich am Ende des Brandkirchhofes, noch die beiden letzten Urnen, von der beschriebenen Beschaffenheit und Lage, unten fest mit kleinen Feldsteinen umpackt. In einer dieser Urnen lag dicht unter der Pflugfurchentiefe oben auf den zerbrannten Knochen eine zierliche Spange von Eisen, gegen 3 Zoll lang und wenig vom Roste ergriffen. Es leidet also keinen Zweifel, daß dieses Urnenlager der jüngsten Periode der heidnischen Eisenzeit angehört und wahrscheinlich bis in das 12. Jahrhundert hineingereicht hat.

Unmittelbar hinter diesem Urnenlager, mehr nach der Erhebung hinein, oft noch zwischen die Urnen hineinreichend, waren viele menschliche Schädel und andere Gebeine ge=

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funden, welche aber bei dem raschen Fortgange der Arbeit alle zertrümmert und wieder eingegraben waren. Das Auffallende war, daß auch neben den unverbrannten Knochen viele Alterthümer gefunden sein sollten, welche offenbar den Alterthümern der heidnischen Eisenzeit gleich sind, und doch war es bisher als Regel erschienen, daß die heidnischen Wenden ihre Todten alle verbrannt hatten. Ich nahm daher eine ruhige und regelrechte, wenn auch etwas mühsame Forschung vor, und gelangte zu folgenden bemerkenswerthen Ergebnissen. Ganz unmittelbar hinter den Urnen waren in langen Reihen und in ziemlich weiten Entfernungen von einander die Leichen neben einander begraben. Es waren in dem geöffneten Theile der Kiesgrube schon über 70 Schädel gefunden. Ich setzte daher neben den beiden letzten Urnen die Aufgrabungen gegen Osten fort und fand hier bald eine ganze Reihe unverbrannter Gerippe, von denen ich 8 sorgfältig bloß legte, so daß am 15. September sicher 80 unverbrannte Leichen zum Vorschein gekommen waren. Die Bestattungsweise ließ sich jetzt ganz klar übersehen. Unmittelbar neben der letzten Urne mit der Spange auf den zerbrannten Knochen, welche nur 2 Fuß tief stand, lag in gleicher Tiefe eine jugendliche Leiche, deren Schädel nur 1/2 Fuß von der Urne entfernt lag. Beide Leichen, die eine verbrannt, die andere nicht verbrannt, vielleicht Mutter und Tochter, waren offensichtlich mit Sorgfalt und Absicht neben einander in gleicher Tiefe beigesetzt. Von dieser Leiche ließ sich eine gerade Reihe von Leichen in der Richtung von Norden gegen Süden verfolgen. Die übrigen Leichen lagen weit von einander, alle 4 bis 5 Fuß tief in der Erde, eben so tief, wie nach den Beobachtungen der Arbeiter auch alle früher ausgegrabenen Leichen gelegen hatten. Sie schaueten alle gegen Osten, so daß die Schädel im Westen lagen. Ein oder mehrere große Steine bis zu der Größe, daß ein starker Mann einen Stein handhaben konnte, beschwerten jede Leiche, so daß die Steine unmittelbar die Knochen berührten; eine Leiche hatte einen großen Stein auf den Knieen und einen zweiten neben dem Kopfe liegen; einer anderen Leiche lag ein Stein auf der Brust, noch einer andern auf den Händen. Die Arbeiter berichteten, daß oft ein Stein, oft mehrere große Steine auf den früher ausgegrabenen Leichen gelegen hätten. Die Steine können nicht von der Oberfläche der Erde nach und nach versunken sein, da sich zwischen den Steinen und den Leichen keine Erde fand. Es waren alle Lebensalter und Geschlechter vertreten; von den 8 von mir aufgegrabenen Leichen gehörten 2 offenbar Kindern im mittlern

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Kindesalter und 2 nach allen Anzeichen jungen erwachsenen Frauenzimmern an. Die Schädel waren nicht ausgezeichnet, aber alle wohl und regelmäßig gebildet, und konnten fast alle gerettet werden; die Zähne waren ohne Annahme gesund, vollzählig vorhanden und gut gebildet. Die Knochen waren wenig verwittert; an einigen Leichen waren Hauttheile und einzelne Sehnen noch zusammenhangend. Fast alle Leichen hatten die Hände im Schooße liegen und irgend ein Geräth oder einen Schmuck bei sich; wenn ihnen, wie vorherrschend, das Geräth in die rechte Hand gegeben war, so fand sich dieses daher gewöhnlich an der linken Hüfte wohin es aus der rechten Hand geglitten war. Diese Geräthe sind nun für die Erkenntniß des Begräbnißplatzes außerordentlich wichtig, weil sie den Geräthen der letzten heidnischen Eisenzeit gleich sind, und es noch nicht beobachtet ist, daß Christen mit häuslichen Geräthen in der Hand begraben sind.

Von den drei Leichen erwachsener Personen hatte jede ein zierliches eisernes Messer, dessen Klinge ungefähr 3 Zoll lang und dessen Griff noch mit Holzresten bedeckt ist, an der linken Hüfte liegen; eines von diesen Messern mit Holzgriff steckt noch in einer wohl erhaltenen Scheide von dünnem Leder. Ein viertes Messer hatte auch eine Scheide von Leder, deren Oeffnung mit Bronzeblech beschlagen ist. Eine fünfte Leiche, welche nach der Bildung des Schädels, der Länge und Stärke des Gerippes und der großen Zierlichkeit des Gebisses wohl einem erwachsenen jungen Mädchen angehörte, hatte im Schooße einen Spindelstein von gedörrtem, (noch nicht gebranntem) braunem Thon, welcher mit drei eingegrabenen Augen aus zwei concentrischen Kreisen verziert ist. Bei der kleinsten Kindesleiche habe ich keine Geräthe gefunden.

In der Nähe der Leichen lagen schwärzliche Erdstreifen, welche oft noch faserig waren, auch einige kleine Stücke morschen Holzes. Die Arbeiter meinten freilich, daß sie früher wollene Zeugreste darin hätten erkennen können; aber nach allen Anzeichen waren diese Streifen Ueberreste von hölzernen Särgen. Denn neben einer Leiche fand ich auch zwei eiserne Nägel, voll beinahe 3 Zoll Länge, mit großem, flachem Kopf, und neben einer andern Leiche ein Bruchstück von einem gleichen Nagel. Diese Nägel sind sicher Sargnägel und ,außer der Vergrabung der Leichen, das einzige Zeichen christlicher Sitte auf dem ganzen Begräbnißplatze.

Mit diesen Alterthümern, welche durch umständliche unzuverlässige Aufgrabungen gewonnen sind, stimmen auch die

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Alterthümer überein, welche schon vor dieser Aufdeckung bei Leichen gefunden und in die Hände anderer Personen in Rostock gekommen sind.

Der Herr Ober=Appellationsgerichts=Canzlist Rogge, welcher sich unverdrossen um die Erforschung des Platzes bemüht hat, erwarb ein eisernes Messer mit einer 4 Zoll langen Klinge, welches er dem Vereine geschenkt hat.

Der Herr Lithograph Dethleff besitzt von dieser Begräbnißstätte von Leichen: 1 großes eisernes Messer, 1 kleines eisernes Messer, 4 eiserne Sargnägel von der oben beschriebenen Art und 3 enge bronzene Armringe von etwa 2 Zoll Durchmesser, welche sehr bemerkenswerth sind. Zwei von diesen Ringen, von etwa 2 Zoll Durchmesser, welche zusammen gehören, bestehen aus ganz dünnem Bronzedrath von der Dicke eines gewöhnlichen Flechtdraths und sind geöffnet und an den Enden auf die Außenseite zurückgebogen, so daß die Haken nicht in einander fassen. Der dritte, jetzt zerbrochene Ring von gleicher Größe besteht aus dünnem Bronzeblech, ist hohl und offen und an den Enden ebenfalls so zurückgebogen, daß die Biegungen nicht in einander haken. Diese Ringe, so wie die übrigen Alterthümer gleichen bis jetzt auffallend und allein den silbernen und eisernen Alterthümern, welche vor einigen Jahren ebenfalls in einer Kiesgrube neben unverbrannten Leichen in der Gegend von Cörlin in Hinterpommern gefunden und von dem Herrn Bauconducteur Langfeld dem Vereine für meklenburg. Geschichte geschenkt wurden; diese cörliner Alterthümer lassen sich glücklicher Weise nach einer dabei gefundenen hinterpommerschen Münze in die Zeit um das Jahr 1200 setzen (vgl. Jahrbücher etc. . XXIV, S. 282 flgd.). Ferner sind diese Ringe ganz den 6 goldenen hohlen Ringen mit zurükgebogenen Enden gleich, welche in dem Burgwalle von Alt=Lübek gefunden sind und also aus dem 12 Jahrhundert stammen werden (vgl. Zeitschrift des lübekischen Vereins, Heft 2, S. 243, Abbildung Taf. 1, Fig. 5).

Der Herr Maler Gähte besitzt von dieser Begräbnißstätte von Leichen: 1 eisernes Messer von der beschriebenen Art und einen bronzenen Kopfring, welcher für den Fund sehr wichtig ist. Dieser hieneben abgebildete Kopfring besteht

Kopfring

aus einer dünnen, viereckigen, glatten Stange und ist an den

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Enden zu dünnen, ovalen Blechen ausgehämmert, welche in Schließhaken endigen; diese Enden, welche den eigentlichen Schmuck bilden, sind auf der äußern Seite an den Rändern mit eingeschlagenen Punktreihen verziert. Dieser Ring ward nach den sichern Berichten der Arbeiter "unmittelbar neben" einem Schädel gefunden. Diese Kopfringe scheinen in ihrer Gestalt den arabischen Silberringen nachgebildet zu sein, welche im 10. und 11. Jahrhundert auch in die Ostseeländer kamen; solche silberne Ringe und Schließhaken kamen viele auch in dem Silberfunde von Schwaan vor, welcher um das Jahr 1030 vergraben ist (vgl. Jahrbücher XXVI, S. 245 flgd. und S. 284).

Es ist sehr wahrscheinlich, daß sich bei fortgesetzter Bearbeitung der bartelsdorfer Kiesgrube noch mehr Alterthümer ähnlicher Art finden werden, vielleicht auch manche Dinge, welche noch wichtiger sind, als die beschriebenen.

Uebrigens sind auch in der ehemaligen Kiesgrube bei Riekdahl in den letzten 50 Jahren gleiche Erscheinungen vorgekommen und mehrere hundert Schädel, Knochen, Geräthe u. s. w. gefunden, aber verloren gegangen. Man hat in heidnischen Zeiten offenbar immer unfruchtbaren Boden zu Begräbnißstätten gewählt.

Nach allen Anzeichen fällt dieser Fund in die Zeit des Ueberganges vom Heidenthume zum Christenthume. Die verbrannten Leichen sind ohne Zweifel heidnische und reichen also wohl ungefähr bis zum J. 1150.

Ob mit dieser Zeit das Heidenthum in Meklenburg überall ganz aufhörte, ist noch sehr fraglich; jedenfalls brach sich das Christenthum nur sehr allmählig Bahn. Aber das Verbrennen der Todten hörte mit dem Siege der Deutschen aus Furcht vor denselben nach dieser Zeit wohl gewiß auf. Da nun aber die christliche Stadt Rostock erst 1218 gegrüntet und die Kirche des nächsten Kirchdorfes Bentwisch sicher nicht früher erbaut ist, so hatte die hier begrabene Bevölkerung noch keinen christlich geweiheten Kirchhof und begrub ihre Todten mit den Geräthen der heidnischen Zeit neben den Vorfahren auf der alten Begräbnißstätte. Daher werden die Urnen bis in die Zeit um das Jahr 1150 und die unverbrannten Leichen bis in die Zeit um das Jahr 1200 oder bis gegen das Jahr 1218 reichen.

Der Fund ist daher auch für die allgemeine Wissenschaft schon deshalb sehr wichtig, weil er einen Beweis giebt, daß die heidnische Eisenperiode ohne Zweifel die jüngste ist, indem sie auch örtlich in die christliche Zeit hineinreicht.

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Die wichtige Frage ist endlich, wem die verbrannten und begrabenen Leichen angehören. Ich meine, die hier bestatteten Todten sind die letzten heidnischen Rostocker und deren unmittelbare Nachkommen.

Das alte Rostock lag am rechten Ufer der Warnow in den Sumpfwiesen vor dem Petri=Thore; vielleicht besaß das alte Rostock nichts von dem Grund und Boden, auf welchem jetzt die Stadt Rostock (auf der Feldmark des ehemaligen Dorfes Nemezow, nach Jahrb. XXI, S. 26) steht, da für die damaligen Zeiten die Warnow hindernd in den Weg trat und die Petri=Thorbrücke und der vordere Petri=Damm noch nicht vorhanden waren. Die alte Burg Rostock stand auf der jetzigen Bleiche vor dem Petri=Thore, und die alte heidnische Stadt Rostock lag weiter abwärts in der Petri=Vorstadt auf der großen und kleinen Wiek (d. h. Stadt), so weit sich durch dieselbe noch der alte Weg in Krümmungen schlängelt; der alte Hafen für die kleinen Fahrzeuge war am Ende des Clemensdammes, ungefähr da, wo jetzt Carlshof liegt (vgl. Lisch und Mann zur ältern Geschichte Rostocks in Jahrb. XXI, S. 1 flgd.). Die Landverbindung der alten heidnischen Stadt Rostock war also nicht über die jetzige Stadt hinaus, sondern entgegengesetzt nach der ribnitzer Landstraße hin. Daher lagen die Aecker der Bewohner von Alt=Rostock nur nach der ribnitzer Landstraße hinaus, wie noch heute hier die Stadtfeldmark zwischen Bartelsdorf und Dierkow hineinragt. Das frühere Bauerdorf Bartelsdorf, welches bis nahe an den Begräbnißplatz gereicht haben wird, wird aber nach dem Namen eine jüngere deutsche Colonie sein, welche erst nach der Stiftung der neuen Stadt auf altrostocker Grund und Boden gegründet ist, so daß man annehmen kann, daß der bartelsdorfer Acker zur heidnischen Zeit noch mit zu Alt=Rostock gehörte. Da es nun sehr wahrscheinlich und nothwendig ist, daß die Heiden wegen der Feuergefährlichkeit ihre Todten in angemessener Entfernung von den Wohnorten verbrannten, so liegt es sehr nahe, anzunehmen, daß der bei Bartelsdorf entdeckte Begräbnißplatz der Begräbnißplatz für die Bewohner von Alt=Rostock war bis zur Vollendung der Gründung der neuen Stadt, weil dieser Begräbnißplatz der alten Stadt nach ihrer Richtung am allernächsten lag. Ein christlicher Kirchhof kann der Platz aber nicht gewesen sein, da bei Bartelsdorf nie eine christliche Kirche, also auch kein Kirchhof gewesen ist.

Vignette
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II. Zur Kunstgeschichte.


Ueber

eine in Leinen gestickte Altardecke

im

Kloster Ribnitz,

von

G. C. F. Lisch.

Mit einer Steindrucktafel.

Bei dem ehemaligen S. Claren=Kloster, jetzigen Damenstifte Ribnitz werden noch mehrere alte Stickereien und Webereien aus der katholischen Zeit aufbewahrt, welche nicht nur durch ihr hohes Alter, sondern auch durch die Schönheit der Zeichnung und Arbeit besondere Aufmerksamkeit verdienen. Unter denselben zeichnet sich eine schöne in Leinen gestickte Altardecke aus, welche auch durch die hineingestickten fürstlichen Wappen geschichtlichen Werth für Meklenburg hat.

In Lübek sind in den neuern Zeiten mehrere Decken von ganz gleicher Beschaffenheit wieder ans Licht gezogen und gewürdigt, und eine derselben, welche sowohl durch die eingestickten Darstellungen aus der Thierfabel von Reineke dem Fuchs, als auch durch die angebrachten Wappen sehr merkwürdig ist, ist in der Zeitschrift des Vereins für lübekische Geschichte und Alterthumskunde, Heft I, 1855, S. 122 flgd. besprochen und abgebildet. Da noch keine andere Decken dieser Art bekannt geworden sind, so werden die lübeker Decken zur Vergleichung dienen können, um so mehr, da Lübek mit seine Kunst Meklenburg sehr nahe liegt und das Kloster Ribnitz zur Zeit seiner Stiftung mit Lübek in vielfachen Beziehungen stand.

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Die ribnitzer Decke ist von ziemlich grober, starker, weißer, lose geschlagener Leinewand und daher ähnlich gewebt, wie die Zeuge, welche jetzt "Canevas" genannt werden, jedoch etwas dichter; die lose Weberei bot Gelegenheit zum leichtern und regelmäßigern Durchziehen der dicken Stickfäden.

Die Decke ist im Ganzen 2 Ellen breit. Leider sind nur noch Bruchstücke vorhanden. Nach den Breitenverhältnissen und dem Muster der noch ganz erhaltenen lübeker Decken wird sie ungefähr 6 Ellen lang gewesen sein.

Diese Decke ist nun ganz mit sehr schön gezeichneten und gestickten Darstellungen geziert, welche aus phantastischen, natürlichen und Wappen=Thieren und Pflanzenornamenten bestehen und auf der beigegebenen Abbildung zu erkennen sind. Die auf der Abbildung weiß gelassenen Darstellungen sind in verschiedenartigen, kunstreichen Mustern mit starkem, weißem Zwirn in geschmackvoller und geschickter Arbeit erhöhet ausgefüllt. Alle Umrisse der Figuren sind mit bunter Wolle 1 ) immer in Abwechselung von roth und grün schmal umnähet; mehr Farben hat die ribnitzer Decke nicht gehabt. Die Wolle ist aber zum größten Theile schon vergangen. Die innern, größern Hauptfigure, die Adler, greifen, Löwen, sind roth, die umfassenden lindwurmähnlichen Thiere sind grün, die Lilienverzierungen und Vögel an den Ecken und Rändern wieder roth, die Lilienkante mit der Einfassung abwechselnd roth und grün umnähet. Die Schildzeichen in der Wappenkante sind in den Hauptconturen grün und in den Nebendingen roth, die Helme in den Hauptconturen roth und in den Nebendingen grün, die Schildränder innen roth und außen grün umnähet. Füllungen von bunter Wolle sind nicht vorhanden.

Den aus der Abbildung in dunklem Tondruck dargestellten Grund bildet die etwas durchsichtige Leinewand.

Daß die Decke als Altardecke diente, leidet keinen Zweifel, um so weniger, da sie noch stark mit Wachstropfen von den tröpfelnden Altarlichtern befleckt ist und bei den übrigen Altardecken und Meßgewändern aufbewahrt wird.

Leider ist die Decke nicht mehr vollständig erhalten. Es sind nur zwei Bruchstücke, jedes von etwas mehr als 1 1/4 Ellen Länge, vorhanden, und auch von diesen ist an einer Seite etwa 1 1/4 Elle abgeschnitten, welche sich aber in der Zeichnung sehr sicher und leicht hat ergänzen lassen, da der fehlende


1) In einem lübeker Testamente von 1328 werden diese Decken "consuti cum laneis filis" genannt; vgl. Zeitschrift des lübekischen Vereins a. a. O. Heft I,. S. 123, Note.
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Streifen nicht viel mehr als die Kante eingenommen hat, welche rund umher gleich gewesen und an der andern Seite vollständig erhalten ist.

Vorhanden sind die beiden Enden der Decke, von denen das eine am Saume eine 3/4 Fuß breite Wappenkante hat, in welcher 3 Wappenschilde und die drei dazu gehörenden Helme stehen; von dem andern Ende ist leider die Wappenkante abgeschnitten. Mehr als 3 Wappen haben an jedem Ende in der Kante nicht gestanden, so daß die Decke im Ganzen 6 Wappen gehabt hat. Der bei weitem größere Theil der Decke fehlt in der Mitte, wo auf der Abbildung eine Lücke gelassen ist; in der Mitte werden sich ohne Zweifel die Darstellungen des Grundes immer abwechselnd wiederholt haben.

An dem Ende, an welchem die Wappenkante noch vorhanden ist, ist eine 1 Elle breite (nicht mit abgebildete) Kante von etwas gröberer und loserer Leinwand angenähet, in welcher drei Figuren, ein löwenartiges Thier mit gekröntem Jungfernkopf, ein greifenartiges Thier mit gekröntem Jungfernkopf und ein Einhorn, alle von ausgezeichnet schöner Zeichnung und lebhaftem Ausdruck, in der Manier der großen Decke gestickt sind. Ob diese Kante ursprünglich als Spitze an die Hauptdecke, oder erst in neuern Zeiten angenähet ist, läßt sich schwer entscheiden.

Die Decke ist nun nicht allein wegen ihrer Alterthümlichkeit und Seltenheit und wegen der Schönheit der Zeichnung und der Arbeit, sondern auch vorzüglich wegen der Wappen in der Kante von hohem Werthe.

In der Kante stehen folgende Wappenzeichnungen:

Meklenburg. Holstein. Brandenburg.
  Schild. Helm.       Schild. Helm.      Schild. Helm.   

Meklenburg steht heraldisch rechts voran, so daß es keinen Zweifel leidet, daß die Decke aus dem fürstlichen Hause Meklenburg stammt.

Die Hauptfrage in der Untersuchung ist die nach dem Alter der Decke. Nach dem ganzen Styl aller Zeichnungen stammt die Decke ohne Zweifel aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die Schildformen und Schildzeichen zeugen schon für diese Zeiten, noch mehr aber die Wappenhelme, welche noch ganz in dem alten, reinen, strengen Charakter gehalten sind, welchen die Helme auf Siegeln und Leichensteinen jener Zeit tragen. Auch das redet deutlich für das hohe Alter der Decke, daß die Schildzeichen noch alle einfach sind, also wohl sicher in die Zeit vor der Mitte des 14 Jahrhunderts zu verlegen sind. Diese Ansicht wird auch durch eine

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lübeker Decke unterstützt, welche im Grunde ganz gleiche Verzierungen und in der Kante die Wappen der von Alen und von Schepenstede hat; diese werden sicher Eberhard von Alen und Johann von Schepenstede sein, welche 1338 der Marienkirche zu Lübek das noch jetzt vorhandene Taufbecken schenkten, auf welchem die Wappen nach Form und Styl stehen wie auf der Decke 1 ).

Hiermit stimmt die wahrscheinliche Zeit der Widmung der ribnitzer Decke überein. Es liegt nahe, zu glauben, daß die Decke zu der Einweihung des Klosters Ribnitz geschenkt sei. Der erste Grund zu dem Claren=Kloster Ribnitz ward von dem Fürsten Heinrich dem Löwen von Meklenburg im J. 1323 gelegt. Kurz vor seinem Tode bedachte der Fürst das Kloster wiederholt reichlich und am Tage vor seinem Tode, am 20. Januar 1329, übergab er seine Tochter Beatrix dem Kloster mit der Bestimmung, daß sie zugleich mit den ersten Nonnen eingeführt werden sollte. Am Palmsonntage 1329 zogen die ersten vier Nonnen aus dem Kloster Weißenfels in das so eben im Bau vollendete Kloster ein und nahmen die Prinzessin Beatrix mit, welche später Aebtissin des Klosters ward. Im J. 1330 ward die Klosterkirche eingeweihet. Diese Zeiten stimmen ganz zu der lübeker Decke, welche nach Vergleichung der Originale in demselben Style gehalten ist.

Die ribnitzer Decke wird also aus der Zeit der Stiftung des Klosters stammen.

Die fernere Frage ist, ob sich die Wappen deuten lassen und mit dieser Zeit übereinstimmen, ob sich in der Genealogie des fürstlichen Hauses Anhaltspunkte zu einer bestimmten Deutung finden lassen.

Das meklenburgische Wappen ist das erste. Dieses ist ganz in dem alten Style gehalten und stimmt mit den Siegeln aus der Zeit der Vormundschaft der Söhne des Fürsten Heinrich des Löwen am meisten überein (vgl. Lithographie zu Jahrb. Jahrg. VII, Fig. 1), fällt also in die Zeit um das Jahr 1330. Dazu stimmt vorzüglich der daneben stehende meklenburgische Helm, welcher sowohl in der Form, als auch in der Stellung ganz die alte Bildung hat. Der meklenburgische Helm ist nämlich in den ältesten Zeiten immer seitwärts gekehrt, um den seitwärts gestellten Pfauenfächer und den davor an die Seiten auf den Helm gestellten (hier freilich fehlenden), zur Hälfte sichtbaren meklenburgischen Schild sehen zu lassen (vgl. Lithographie zu Jahrb. Jahrg. VII, Fig. III).


1) Vgl. Zeitschrift des lübekischen Vereins a. a. O. S. 124.
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Das zweite Wappen ist das holsteinsche. Der Schild zeigt wie gewöhnlisch das holsteinsche Nesselblatt. Der holsteinsche Helm läßt zwar vorherrschend immer seine Eigenthümlichkeit durchblicken, hat aber doch zu verschiedenen Zeiten abweichende Anordnungen. Nach umfänglichen Siegelstudien stimmt der Helm des Grafen Gerhard V. von Holstein, welcher drei aufgerichtete Fähnlein zwischen zwei liegenden Pfauenwedeln auf dem Helme führte, ganz und am meisten mit der Darstellung auf der ribnitzer Decke überein. Gerhard V. war ein Sohn Gerhards IV. (1300, † um 1323), welcher mit des Grafen Nicolaus I. von Schwerin=Wittenburg Tochter Anastasia vermählt war. Gerhard V. erscheint in der Zeit von 1334 - 1350. Preßt man die Zahl der Fähnlein auf dem Helme nicht so sehr, so könnte das Wappen auch auf den Grafen Johann III. (1314 - 1359), den Bruder Gerhards IV., zielen welcher vier Fähnlein zwischen zwei Pfauenwedeln auf dem Helme führte. Jedenfalls deuten die alten Umrißlinien des Helmes auf die Zeit der genannten Grafen, also wieder auf die Zeit der Stiftung des Klosters Ribnitz.

Das dritte Wappen scheint das brandenburgische zu sein. Der Schild führt einen Adler, welchen man für den brandenburgischen halten kann. Die Markgrafen von Brandenburg führten allerdings einen offenen Flug (zwei Flügel) auf dem Helme; dieser ist aber auf allen alten Darstellungen immer seitwärts gekehrt, so daß man die beiden Flügel, von denen der hintere nur wenig vor dem vordern hervorragte von der Seite sieht. Es ist bis jetzt keine Ausnahme von dieser Stellung bekannt geworden, und erst seit dem 16. Jahrhunderte fängt man an, den Helm vorwärts gekehrt darzustellen. Die ribnitzer Decke zeigt aber einen vorwärts gekehrten Helm, welcher zwei mit Pfauenfedern besteckte Hörner trägt, welche aber auch wohl durch Verschönerung Flügel vorstellen können. Dennoch sind namhafte brandenburgische Heraldiker, wie v. Ledebur, Ragotzky, Voßberg u. a., nach vielfältiger Ueberlegung und Correspondenz der Ansicht, daß das Wappen auf der ribnitzer Decke das brandenburgische sein solle und durch Verschönerung auf einem Kunstwerke etwas abweichend von den Siegelbildern dargestellt sei. Forscht man nach der möglichen Veranlassung der Aufnahme des brandenburgischen Wappens in die ribnitzer Decke, so ergiebt sich nur, daß der Fürst Heinrich II. der Löwe von Meklenburg in erster Ehe (1292 - 1314) mit der Markgräfin Beatrix von Brandenburg vermählt war, welche auf dem einzigen erhaltenen Exemplare ihres Siegels einen seitwärts gekehrten Flug auf

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dem Helme hat. Das Wappen mag immerhin das brandenburgische sein; es wäre aber doch möglich, das Wappen einem andern Fürstenhause zuzuweisen, den Grafen von Lindow, welche ebenfalls einen Adler im Schilde führten. Aber auch hier trifft wieder der Helm nicht zu. Die Grafen von Lindow führten in der ältesten Zeiten an einem vorwärts gekehrten Helme zwei aufgerichtete, grade Federn, wie Reiherfedern, zwischen welche im Laufe der Zeit ein Brackenkopf gestellt erscheint (vgl. Köhne Zeitschrift für Münzkunde I, S. 27 und 309). Wenn man aber bei dem brandenburgischen Helme eine Abweichung in der Gestaltung gestaltet, so kann man sich dies auch eben so gut bei dem lindowschen Helme erlauben, obgleich die Krone auf dem Helme Bedenken erregen kann. Diese könnte auch gestatten, bei diesem Wappen an den Kaiser Carl IV. zu denken. Doch liegt es sehr nahe, auf das lindowsche Wappen zu zielen. Die dritte Gemahlin des Fürsten Heinrich II. des Löwen († 1329) war Agnes, geborne Gräfin von Lindow, welche ihren Gemahl bis 1343 überlebte und nicht nur an der Stiftung des Klosters Ribnitz den allerlebhaftesten Antheil nahm, sondern auch nach dem Tode ihres Gemahls die Einrichtung und Einweihung desselben auf das eifrigste betrieb. Um dieselbe Zeit fand noch eine andere nahe Beziehung zu dem gräflichen Hause Lindow statt. Die meklenburgische Prinzessin Luitgard, Tochter des Fürsten Johann III. von Meklenburg, welcher 1289 bei Pöel ertrank, und der Helena von Rügen, war zuerst an den Grafen Gerhard II. von Hoya, darauf an den Grafen Adolph VII. von Holstein und in dritter Ehe (1318 † 1352) mit dem Grafen Günther III. von Lindow vermählt (vgl. Jahrb. XXV, S. 69). Hier liegen also viele Beziehungen zu den Häusern Meklenburg und Holstein, zwischen welchen auch alte verwandtschaftliche Verhältnisse bestanden.

So viel steht aber wohl fest, daß die Wappen nach ihrer Gestaltung und nach den geschichtlichen Beziehungen in die Zeit der Stiftung des Klosters Ribnitz, also ungefähr in die Zeit um das Jahr 1330, fallen müssen.

Die zweite Frage muß auf die Bedeutung der Wappen gerichtet sein. Es liegt nahe, in den Wappen die Ahnentafel des fürstlichen Gebers aus dem Hause Meklenburg zu vermuthen; aber so vielfach auch das meklenburgische Fürstenhaus mit dem holsteinschen verwandt war, so will doch die Folge der Wappen sich nicht in eine Ahnentafel fügen. Es ist viel wahrscheinlicher anzunehmen, daß die Wappen den Gründern und Bereicherern des Klosters Ribnitz und den Schenkern der Decke angehören, wie auch lübeker Decken

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an den Enden ohne Zweifel die Wappen der Donatoren tragen. Nimmt man diesen Fall an, so mußte das meklenburgische Wappen das erste sein, weil der Fürst Heinrich II. von Meklenburg das Kloster Ribnitz stiftete. Wenn das dritte Wappen das gräflich lindowsche ist, so spricht dafür, daß des Fürsten Heinrich II. dritte Gemahlin, Agnes von Lindow, die eifrige Mitstifterin des Klosters war, welche das Kloster eigentlich zu Stande brachte; ist dieses Wappen aber das brandenburgische, so kann für dessen Aufnahme der Grund gelten, daß des Fürsten erste Gemahlin Beatrix von Brandenburg war. Schwieriger ist es, einen Grund für die Aufnahme des holsteinschen Wappens zu finden, da in dieser Zeit die verwandtschaftlichen Beziehungen Meklenburgs zu Holstein nicht sehr nahe lagen. Gehören aber die Wappen den Beförderern des Klosters an, so möchte sich in diesem Falle auch wohl ein Grund für die Aufnahme des holsteinschen Wappens finden lassen. Am 1. August 1303 verkaufte der Fürst Heinrich II. von Meklenburg seinem Oheim, dem Grafen Gerhard IV. von Holstein, das Eigenthumsrecht des Dorfes Schmachthagen bei Grevismühlen und anderer Dörfer in derselben Gegend für den Fall der Einlösung von den Vasallen, denen sie verpfändet waren (vgl. Holstein. Urk. Buch II, S. 5, Nr. V). Nun finden wir aber in der Zeit 1336 - 1339 das Dorf Schmachthagen im Besitze des Klosters Ribnitz. Es ist also mehr als wahrscheinlich, daß die Grafen von Holstein dem Kloster das vor kurzem erworbene Eigenthum dieses Dorfes zu seiner Gründung geschenkt haben.

Von Bedeutung ist die dritte Frage, was die Figuren zu bedeuten haben, welche den ganzen Grund der Decke füllen. Die zahlreichsten Figuren sind lindwurmartige Figuren, von denen immer je vier einen aufgerichteten gekrönten Löwen wen einschließen. Man könnte diese Lindwürmer für eine Anspielung auf die dem meklenburgischen Fürstenhause sehr nahe stehenden Grafen von Schwerin halten, welche zum Siegelbilde vorherrschend zwei Lindwürmer an einem Baume hatten, und die Löwen für das Wappen der Grafen. von Kefernburg, welche den Grafen von Schwerin nahe gestanden hoben werden, oder der Grafen von Gleichen. Aber genau besehen, sind die Löwen keine Wappenzeichen, da sie an einem Ende der Decke männliche, am andern Ende weibliche Menschenköpfe haben, und den Lindwürmern fehlen die Flügel. Man darf also diese Figuren nur für reines Ornament halten, um so mehr, da auch auf lübecker Decken aus derselben Zeit, welche keine Beziehung zu den Grafen von

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Schwerin haben können, dieselben und ähnliche Figuren stehen, und ähnliche Ornamente im 14. Jahrhunderte sehr verbreitet waren. Es läßt sich hiemit aber sehr wohl die Ansicht vereinigen, daß man solche Ornamente wählte, welche zu den Wappenzeichen verwandter Familien Beziehung hatten. Aus densesben Gründen darf man auch die Gänse und andere Vögel an dem Ende mit den weiblichen Löwen nur für Ornamente halten, wenn man auch die Gänse für Anspielungen auf die nahe stehende Familie der Edlen Gans von Putlitz zu halten geneigt sein möchte.

Wichtiger scheinen die Thierfiguren zu sein, welche die Mitte der ganzen Decke füllen und ebenfalls von vier lindwurmartigen Thieren eingeschlossen werden. Diese Thierfiguren, ein Adler und ein Greif, sind offenbar Wappen=thiere und scheinen eine bestimmte Bedeutung zu haben. Wenn dies der Fall ist, so möchte der Adler auf des Fürsten Heinrich II. erste Gemahlin Beatrix von Brandenburg, nach welcher des Fürsten Tochter zweiter Ehe Bealrix, die mit der Zeit Aebtissin des Klosters Ribnitz ward, den Namen führte, der Greif aber auf des Fürsten Heinrich II. Mutter Anastalia von Pommern gedeutet werden können.

Mögen nun auch andere Deutungen aller Bilder der Decke, und vielleicht mit mehr Glück, versucht werden, so scheint doch das fest zu stehen, daß die Decke aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts und mehr als wahrscheinlich aus der Zeit der Einweihung des Klosters Ribnitz um das Jahr 1330 stammt.

Was aber die Decke für Meklenburg besonders wichtig macht, ist, daß das auf derselben stehende meklenburgische Wappen, außer den Siegelabdrücken, wohl das älteste Wappendenkmal des meklenburgischen Fürstenhauses ist.

 


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Die gemalten Fenster

der

Klosterkirche zu Ribnitz ,

von

G. C. F. Lisch.

Die Klosterkirche zu Ribnitz sieht jetzt bleich und nüchtern aus und hat keinen alten Schmuck mehr, wenn man nicht das beachtenswerthe, große Epitaphium auf die Herzogin Ursula aus dem Ende des 16 Jahrhunderts und deren Leichenstein dazu rechnen will.

Früher besaß die Kirche acht gemalte Fenster mit reicher Ausstattung, von denen kaum eine Spur 1 ) übrig geblieben ist. Im Sommer 1861 entdeckte ich zu Ribnitz in einem Anhange zu des Kloster=Lesemeisters Lambert Slaggert bekannter handschriftlicher Chronik des S. Claren Klosters=Ribnitz eine Beschreibung dieser Fenster, ungefähr vom J. 1530, welche ich hier der kunstgeschichtlichen Merkwürdigkeit wegen unten mittheile, auch um zu zeigen, wie ungefähr unsere Kirchen im Mittelalter ausgesehen haben.

Ich schicke einige Bemerkungen zum bessern Verständniß dieser Beschreibung vorauf, wobei ich einer andern Ordnung folge, als die von Slaggert gegebene.

5 Fenster. Das älteste Fenster hatte der Fürst Heinrich der Löwe von Meklenburg, der Stifter des Klosters, und dessen Gemahlin geschenkt, wahrscheinlich die zweite Gemahlin Anna von Sachsen=Wittenberg († 22. Nov. 1327). Das Kloster war von Heinrich, unter besonderer Beförderung seiner Gemahlin Anna, im J. 1323 gestiftet, der Nonnen=Convent im J. 1329 eingeführt und die Kirche im J. 1330 geweihet. Der Fürst Heinrich der Löwe starb schon 21. Januar 1329. Also wird wohl seine dritte Gemahlin Agnes (seit 1328), geborne Gräfin von Lindow, die Vollendung des geschenkten Fensters befördert haben. Dieses Fenster stand hinter der kleinen Orgel, wahrscheinlich in der Südseite der Kirche, nach dem Kreuzgange hin, welcher sich an die Südseite der Kirche lehnte, und in nächster Nähe an der Brüstung des obern Nonnenchors. Das Fenster enthielt das Bild


1) Von allen alten Glasmalereien der Klosterkirche scheint nur noch ein defectes kleines Bild der H. Clara übrig geblieben zu sein, welches jetzt in dem Fenster über dem Denkmale auf die Herzogin Ursula steht
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der Heiligen Clara, der Heiligen des Ordens und des Klosters, und des Fürsten Heinrich, des Schenkers, mit seinem Wappen. Das Fenster war also nach seinem Inhalte und an seiner Stelle sehr sinnreich und vollkommen passend.

6 Fenster. Neben diesem Fenster, über der Treppe, welche zu der Orgel führte, war ein Fenster, welches ein König mit seiner Königin geschenkt hatten, wie ihre Bilder auswiesen. Unter den Bildern hatten ihre Wappen, Schild und Helm, gestanden; aber die Schilde waren damals ausgenommen und die Lücken zugemauert. Wahrscheinlich war dies geschehen, weil sich ein Theil der Kreuzgangsgebäude an die Kirchenwand lehnte.

7 Fenster. Ueber dem Chore, wo die Brüder zu stehen und zu singen pflegten, wahrscheinlich auch an der Südseite neben dem Hochaltare, war ein Fenster, welches der Rath der Stadt Lübek geschenkt hatte. Dieses Fenster war reich geschmückt. Es enthielt die Bilder der Patrone des Ordens, den H. Franziscus und die H. Clara, zu deren Seiten den H. Ludwig und den H. Antonins von Padua, und außerdem viel symbolischen Schmuck in Figuren. Unter den Bildern der Patrone stand das Wappen der Stadt Lübek, ein queer getheilter Schild, unten roth und oben weiß.

8 Fenster. Das Fenster über der Kanzel ("Predikstol") hatten einige Patriciergeschlechter in Lübek geschenkt. Unter vier Heiligenbildern standen die Wappen, von denen jedoch nur eines, und zwar nur halb am Schlusse der Beshreibung beschrieben, jedoch am Rande mit Dinte ganz beigezeichnet ist. Dieses hatte im längs getheilten oder gespaltenen Schilde rechts ein halbes rothes Rad in einem weißen Felde, links einen (weißen) Queerbalken im (rothen) Felde. Dies ist das Wappen der lübeker Patricierfamilie Eremon, welches mit dem Wappen der altadeligen meklenburgischen Familie von Eramon völlig übereinstimmt, jedoch mit der Abweichung, daß in diesem jetzt die Schildestheile umgekehrt stehen.

4 Fenster. Das Hauptfenster war das östliche Fenster über dem Hochaltare. Dieses hatte der König Albrecht († 1412) von Schweden, Herzog von Meklenburg, mit seiner zweiten Gemahlin Agnes gebornen Herzogin von Braunschweig=Lüneburg (1396 - 1434), geschenkt. In dem Fenster war oben Christus am Kreuze mit Maria und Johannes dem Evangelisten, unten in der Mitte Johannes der Täufer (?) und rechts davon das Bild des Königs und links das Bild der Königin; unter den Bildern des

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Königs und der Königin standen ihre Wappenschilde mit Helmen. Auf einem eigenen Blatte hinter der Beschreibung stehen mit Dinte drei Wappenschilde gezeichnet 2 1 3 , in der Art, wie auf den Siegeln der Zeit noch die Schilde einzeln neben einander gestellt sind: unten 2 rechts ein queer getheilter Schild, unten längs getheilt; in der obern Hälfte Schweden, in der untern Hälfte Meklenburg; die beiden andern Schilde sind leer. Daneben und darunter steht geschrieben:

Koninck Albrecht des greuen
tho Zweden Rixa dochter tho zwerin
sin erste frowe
hertich h (?) dochter tho
brunswick vnde luneborch Agneta
sin ander vorstynne 1395.

Die rein biblische Darstellung in diesem Fenster ist ganz der Darstellung auf dem Altare in der fürstlichen Begräbnißkapelle in der Kirche zu Doberan ähnlich (Jahrb. XIX, S. 355 und 363 flgd.), welcher vielleicht auch von dem Könige Albrecht geschenkt ist. Wir finden überhaupt, daß das Fürstenhaus viele Ereignisse aus dem Leben Christi durch die Kunst darstellen ließ. In der Beschreibung des ribnitzer Fensters hat sich Slaggert wahrscheinlich versehen, indem er das zweite Bild des Johannes auch für Johannes den Evangelisten ausgiebt. Der König Albrecht, welcher auch das Kloster Ribnitz besonders besonders beförderte, ließ nach seiner Befreiung aus der Gefangenschaft (1395) viele kirchliche Kunstwerke machen, wie z. B. die Königskapelle in der Kirche zu Gadebusch, die Karthäuser=Kirche zu Arensbök (Jahrb. XVI, S. 6) und andere beweisen.

Die im Folgenden beschriebenen Fenster standen an der Nordseite der Kirche, welche an der Stadt an einer Straße liegt.

2 Fenster. Ueber dem Stuhle neben dem Marien=Altare im Chore der Kirche an der "Nordseite", also auch neben dem Hochaltare, dort wo jetzt das Epitaphium der Herzogin Ursula steht, also wohl dem lübeker Rathsfenster gegenüber, stand ein Fenster, welches der Herzog Wilhelm von Geldern geschenkt hatte, wie sein und seiner Gemahlin Bilder, ihre Wappen und Inschriften bezeugten. Auf einem Blatte hinter der Beschreibung stehen die beiden Wappen mit Dinte gezeichnet: das Wappen rechts ist leer, das linke längs getheilt und rechts leer und links weiß und blau gerautet. Darunter steht geschrieben:

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Hertich Wilhelm tho Gelre myt frowe
des palsgreuen dochter van deme
ryne syner uorstinne wapent.

Dies ist wahrscheinlich der Herzog Wilhelm IX. von Geldern (1372 † 1402), welcher 1388 eine Wallfahrt nach Preußen machte und in Pommern gefangen genommen und gehalten, und dessen Gefolge nach der Befreiung von den Behr im Lande Barth, also in der Nähe von Ribnitz, auch gefangen genommen ward (vgl. Detmars Lüb. Chronik, von Grautoff I, S. 344 und 348, und Kantzow Pomerania, von Kosegarten I, S. 414).

1 Fenster. In dem Fenster Über dem Marien=Altare, also zunächst neben dem eben beschriebenen Fenster 2, in der Nordseite der Kirche, stand ein Fenster, welches zwei Patriciergeschlechter in Lübek geschenkt hatten. Unter den Bildern standen vier Wappenschilde. Zwei hatten sechs ausgerichtete rothe "Balken" oder Perpendiculairlinien, das eine im weißen, das andere im gelben Schilde. Dieses Wappen ist nach den Forschungen unserer Freunde Deecke und Milde noch nicht bekannt Die beiden andern Wappen hatten einen schwarz en Bärenkopf, das eine in einem weißen, das andere in einem gelben Schilde. Nach Forschungen von Deeke und Milde war dies wahrscheinlich das Wappen der lübeker Patricierfamilie Brekewold, welche einen halben Bären, jedoch mit einem Kleeblatt in der Tatze, im gelben Schilde führte. So ist auch das Siegel des Aeltesten der Familie, des Conrad Brekewold, welcher 1408 - 1447 im Rathe saß; ein zweiter Conrad Brekewold war 1455 - 1480 Rathmann und Burgemeister in Lübek. Ein bloßer Bärenkopf kommt in den Wappen der lübeker Rathslinie nicht vor.

3 Fenster. In dem Fenster bei der großen Orgel, nach der vorstehenden Beschreibung wahrscheinlich auch in der Nordseite, stand ein Fenster, welches vier Personen geschenkt hatten. Es enthielt vier Bilder und die vier Wappen der Schenker, welche jedoch leider nicht beschrieben sind.

Dieser prächtige und sinnreiche Schmuck ist sehr werthvoll gewesen. Leider ist keine Spur mehr davon übrig. Wahrscheinlich sind die Fenster während der Reformationszeit verachtet und vernachlässigt und dann im J. 1578 durch ein starkes Hagelwetter zum größten Theile zerstört. Die kleine Chronik des Klosters Ribnitz aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Jahrb. XXII, S. 204 flgd.) sagt: "Anno 1578 den 6. Mai ist ein groß vngewedder entstanden vnd so ein grosser Hagel gefallen, das es de fenster ausschlog, den

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"de Steine weren wie eiger, etliche kleener, das es Lude nicht gedacht hebben sollich ein hagell, den de Steine hebbenn angesichte gehatt. - Junius den 12. wurden de fenster wedder gefticket in der kercken, de de hagell toschlagenn hatte". Die letzten Ueberreste werden in der Zeit des g schmacklosen Ausweißens der Kirchen die G laser bei Seit gebracht haben, welche neben den Straßenjungen über zw Jahrhunderte lang die stillen Vertilger der Glasmalereien ge wesen sind, obgleich ihre Zunftvorfahren mit Sinn und Ge schick die Prachtlilder geschaffen hatten.


Van den vinsteren.

1. Item dat vinster bauen Marien altar, dar men de erste misse plecht leßen, hebben gegheuen II slechte van Lubeck ghenomet de (Lücke), dar ynne stan IIII schilde. In den ersten twen schilden stan VII balken wyt vnde VI rode, ofte VII gele balken vnde VI rode. De anderen II schylde sin ock ghelick, dar in steyt eyn swart barenkop in enem geleIt welde vnde in deme anderen des ghelyken in enem wytten welde. Bauen den schylden stan IIII bylde: sunte Johannes ewangeliste, sunte Peter sunte Pawel vnde sunte Jacob.

2. Item dat vinster bauen deme stoelte negest marien altar in deme kore an der norder syde heft gegeuen de eddele here hertich wilhelm van gelre, also de scryft mede bringet, de dar steyt bauen synem byld e neddene in deme vinster vnde ock dat bylde siner vorstynne myt den wapen vnde schylde. Hir ynne stan IIII hilgenbilde. sunte cristofer, sunte margareta, sunte Barbara vnde sunte Jurgen; dar bauen steyt eyn crucifixus, Maria, Johannes vnde sunte Katherina.

3. Item dat vinster by der groten orgelen hebben IIII personen geuen, dar in stan IIII bilde, also Maria my erem kinde, sunte Barbara, sunte Cristoffer vnde sunte Mathens, vnde dar vnder stan de schylde myt den wapen der genen, de se hebbe geuen.

4. Item dat vynster bauen deme hoghen altae heft ghegheuen koninck Albrecht tho Sweden myt siner vorstynne, des hertoghen tho Luneborch dochter, also de wapene mede bringen vnde ere bylde. In deme vinster stan eyn crucifixus, Maria vnde Johannes u vnde Johannes ewa=

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gelista middene in deme vinster vnde vp der vorder hant dat bylde des konynges vnde tho der luchter hant dat bylde der konyngynne vnde dar vnder stan ere wapene myt den helen teken. Desse konynck Albrecht was eyn ghebaren vorste tho Mekelenborch, men he wurt ghekaren in enen konynck tho Sweden etc. .

5. Dat glaßevinster by deme ofte achter den klenen orgelen heft ghegeuen hertich Hinrick de lowe tho Mekelenborch, eyn styster desses closters myt syner vorstynne. Dar ynne steyt tho der luchter hant eyn bylde in deme klede sunte Claren myt ener corden vnde heft vp der hant ene kerke ofte eyn closter vnde tho der vorder hant steyt eyn ghebylde des hertogen hertich Hinrick tho Mekelenborch vorbestemmet myt sulk enem wapent.

6. Dat vinster bauen der treppen so men vp de orgele vpstycht heft gegeuen eyn konynck myt syner konynginen so er bylde nawysen, de dar ynne stan. In deme myddel des vinstere stan bat bylde Marien vnde sunte Bartholomeus bylde. Dar vnder stan er helmeteken, men de schylde myt eren wapen sint wechghenamen vnde thoghe muret etc. .

7. Dat vinster bauen deme kore, dar de brober pleghen stan vnde synghen, hebben gegeuen de heren van Lupke, alzo mede bringet er wapent, dat in deme vinster steyt. In desseme vinster stan de patronen vnses ordens, also sunte Franciscus vnde sunte Clara, in dem myddel des vinsters vnd vp beyden syden sunte Ludowicus vnde sunte Anthonius van Padua, vnder den patronen dat wapent der stadt van Lubeck, rot vnde wyt, wyt bauen, rot vnder, myt twen engelen, de. dat wapent myt deme schylde holden, vnde tusken den engelen steyt ene figure, also eyn vorste myt voderden klederen vnde wyßet myt deme vingeren in de hoghe vnde heft enen titel in der hant, dar ynne steyt also ghescreuen: Hec est filia mea. Vor em syt eyn bilde vp enem stole ghecledet also eyn ghestlyke juncfrow. Nedden in deme vinstere sitten IIII propheten, de erste ys eyn koninck vnde heft enen titel, dar ynne steyt also ghescreuen: Dat mach temen wysen heren; de ander propheta spreckt: Dat se mogen rechte dut; de drudde secht: De ende nicht kan werden gut: de verde secht: We syne rechte vnde vnrechte kan keren etc. .

8. Dat vinster bauen deme preddikstole hebben gegeuen etlyke slechte von Lubeck ghenomet           (Lücke). Dar ynne stan bauen in deme myddel II bilde, also Marien bylde vnde sunte Katherinen bilde, vnde dar vnder an beyden

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syden sunte Thomas vnde sunte Bartholomeus, als neddene sunte Jurgen vnde sunte Johannes ewangelista. Dar tusken stan II engele myt den wapen der gheslechte, also eyn half rot rat in enem wytten welde etc. .

Aus Lambert Slaggert Chronik des Klosters Ribnitz, Anhang.

 


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III. Zur Naturkunde.


Rennthiergeweih von Bützow.

In unsern Jahrbüchern XXVI, 1861, S. 299 und hiernach im Archive des Vereins für Naturgeschichte in Meklenburg, 16. Jahrg., S. 171, sind die urweltlichen Rennthiergeweihe aufgezählt, welche in Meklenburg gefunden und in den angrenzenden baltischen Ländern bekannt geworden sind. Nach den Jahrbüchern waren bis 1861 in Meklenburg 10 Stück gefunden, zu denen die kurz vorher gefundenen Geweihe von Güstrow, vielleicht das schönste und vollständigste von allen, und ein Geweih von Bützow kamen, welche im "Archiv" noch nicht mit aufgezählt werden. Dagegen sind im "Archiv" a. a. O. als neu gefunden aufgeführt: ein Geweih von Badresch bei Friedland, im J. 1858 im Moder 10 Fuß tief gefunden, im Besitze des Herrn E. Boll zu Neu=Brandenburg, und ein Geweih von Lapitz bei Penzlin, im J. 1862 gefunden 5 Fuß tief auf dem Boden eines Torflagers, auf sogenanntem Schindel ruhend, im Besitze des Herrn Neumann in Neu=Brandenburg.

Das Geweih, über welches Herr L. Fromm in der Mecklenburg. Zeitung, 1862, Nr. 283, berichtet, und welches 1849 zu Hütten bei Doberan 6 Fuß tief im Torfe gefunden und in den Besitz des Herrn Erbpächters Rosenow gekommen ist, ist nach der im Jahre 1862 angestellten Untersuchung des Herrn Oberforstmeisters v. Wickede zu Doberan nicht von einem Rennthier sondern von einem gewöhnlichen Edelhirsche.

Die Sammlung des Vereins für meklenburgische Geschichte ist im December 1862 durch ein neues Horn vermehrt worden, welches der Herr Navigationslehrer Peters zu Wustrow dem Vereine geschenkt hat. Dieses ist in einem Torfmoore bei Bützow gefunden, durch Geschenk in den Besitz des Herrn Peters gekommen und seit ungefähr 20 Jahren im Besitze desselben gewesen. Das Horn gleicht sehr dem in den Jahrbüchern

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XXVI. S. 298 beschriebenen Horne von Güstrow, ist jedoch nicht so gut erhalten, da die Schaufeln und Zinken an den Enden abgebrochen sind.

Es sind also bisher in Meklenburg 15 urweltliche Rennthiergeweihe beobachtet worden.

G. C. F. Lisch.

Vignette
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In Leinen gestickte Altardecke (14Jahrhundert) im Jungfrauen-Kloster zu Ribnitz in Mecklenburg.
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