zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 115 ] zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Steinzeit.


Höhlenwohnungen und Pfahlbauten in Meklenburg,

von

G. C. F. Lisch.

Seitdem die merkwürdigen und viel besprochenen Pfahlbauten in der Schweiz entdeckt sind, habe ich ununterbrochen ein scharfes Augenmerk darauf gerichtet, auch in Meklenburg Pfahlbauten aus der ältesten Zeit des Menschengeschlechts zu beobachten und zu entdecken. Freilich war ich von vorne herein gegen das Vorhandensein eingenommen, da in Norddeutschland lose Erde im Ueberflusse vorhanden ist, welche mit leichterer Mühe in Gewässer und Moore geschüttet werden kann, um einen gesicherten Wohnsitz zu gewinnen, und da sich die Entdeckungen von Höhlenwohnungen im festen Boden aus der ältesten Zeit immer mehr wiederholten. Aber die Anzeichen von Pfahlbauten mehrten sich ununterbrochen, indem in Mooren immer häufiger Alterthümer, oft in großer Menge, gefunden wurden, welche nicht zufällig verloren gegangen sein konnten, sondern von einem menschlichen Wohnsitze ins Wasser gefallen sein mußten. Auch trat bei mir nach und nach die Ansicht, daß künstlich eingeschüttete Inseln zum Schutze ausreichend sein könnten, immer mehr in den Hintergrund, da nur

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 116 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

steil emporsteigende und an den Rändern überragende Pfahlfundamente im Wasser genügende Sicherheit gegen wilde Thiere gewähren können, gegen welche die Pfahlbauten vorzüglich errichtet gewesen zu sein scheinen. Ich erließ daher im Quartalberichte XXVII, 1, Oktober, 1861, S. 9 flgd., eine dringende Aufforderung zur Beobachtung von Pfahlbauüberresten und ließ dieselbe in den öffentlichen Zeitungen wiederholen, freilich bis jetzt ohne allen andern Erfolg, als daß schon manche Menschen an das Vorhandensein von Pfahlbauten in Meklenburg sich gewöhnen und glauben. Denn die Entdeckung derselben ist wegen des außerordentlich hohen Alters und der dadurch bewirkten Verwesung so schwierig und mühevoll, daß sie sich nur durch lange fortgesetzte Aufmerksamkeit und Ausdauer machen läßt. Dennoch ist endlich sicher zu Gägelow ein Pfahlbau in Meklenburg entdeckt worden, d.h. die Ueberreste einer menschlichen Wohnung aus der heidnischen Steinzeit auf Pfählen im Wasser, wie sie unten beschrieben sind.

Ganz gleichen Charakter mit den Pfahlbauten haben die Höhlenwohnungen in Meklenburg. Alle in beiden gefundenen Alterthümer sind völlig gleich. Jedoch ist es nicht zu erkennen, ob Höhlenwohnungen und Pfahlbauten in der Zeit neben einander standen oder auf einander folgten.

Ich lasse hier die Beschreibung der neuesten Entdeckungen hinter einander folgen.


zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

1. Höhlenwohnung von Dreveskirchen.

Meklenburg hat bis jetzt keine schweizerische Pfahlbauten, keine dänische Kjöckenmödding, keine französische vorsündfluthliche Steinalterthümerlager, u. s. w., aber es hat sicher bescheidene Höhlenwohnungen aus der heidnischen Steinzeit. Es leidet keinen Zweifel, daß hier Menschen der Steinzeit ihre Wohnungen, Küchen, Keller etc. . in der Erde auch in ausgegrabenen Höhlen hatten. Diese sind im Laufe der Jahrtausende verschüttet und können nur durch Zufall bei tiefen Ausgrabungen entdeckt werden, wozu die neue Erfindung des Drainirens des Ackers mitunter, wiewohl selten, Gelegenheit giebt.

Der Herr Koch auf Dreveskirchen bei Neu=Bukow entdeckte vor zehn Jahren beim Drainiren tief in der Erde Alterthümer aller Art aus der Steinperiode, in welchen ich zuerst die Ueberreste von Höhlenwohnungen zu erkennen glaubte. Die Alterthümer lagen immer ungefähr 5 Fuß tief

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 117 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

in der Erde am Abhange einer kleinen Hügelkette, und zwar gewöhnlich dort, wo Sandschollen im Lehmboden standen. Hiedurch aufmerksam gemacht, setzte Herr Koch in den nächsten Jahren seine Beobachtungen beim Drainiren fort und fand an der ganzen Hügelkette und weiter hinaus Spuren von mehr als 50 Höhlenwohnungen. Man vgl. Jahrb. XIX, 1854, S. 289, XX, S. 276, und XXI, S. 228.

Im Jahre 1858 wurden auch zu Bresen bei Rehna Höhlenwohnungen entdeckt, welche denen von Dreveskirchen völlig gleich waren; vgl. Jahrb. XXVI, S. 127.

Die Beschaffenheit der Höhlenwohnungen ist immer dieselbe. In einer Tiefe von etwa 5 Fuß findet sich ein Fußboden oder ein Herd von Feldsteinen, der gewöhnlich eine runde Form vermuthen läßt. Auf diesem Fußboden liegen nun viele Scherben von sehr dickwandigen Kochtöpfen, Holzkohlen, zerhauene Thierknochen und steinerne Alterthümer.

Der Herr Koch setzte seine Beobachtungen unverdrossen fort und hatte in den jüngsten Zeiten das Glück, beim Ausgraben einer Mergelgrube, welches mehr Gelegenheit und Ruhe zur Beobachtung bot, als das Drainiren, eine ziemlich vollständige Höhlenwohnung zu entdecken. Diese lag in demselben Höhenzuge an dem Bache, welcher die Häuser der unmittelbar an einander grenzenden Dörfer Dreveskirchen und Blowatz von einander scheidet, am Bache abwärts hinter dem Hofe Dreveskirchen, und ist die östlichste der dort bisher entdeckten Höhlenwohnungen, an der Furth durch den Bach, dessen Ufer zu den Seiten an 10 Fuß Höhe haben, also zunächst unmittelbar an einer natürlichen, alten Verkehrsstraße. Ungefähr 5 Fuß lief lagen in gleicher Ebene neben einander Feldsteine, von dem Fußboden oder dem Feuerherde, und auf und neben den Steinen viele Alterthümer beisammen auf einem kleinen Raume.

Zunächst fand sich eine große Menge Scherben von Gefäßen zum häuslichen Gebrauche, alle sehr dickwandig, mit grobem Granitgrus durchknetet, ohne Verzierungen, also sehr verschieden von den Graburnen, welche immer dünnwandig, fein und verziert sind. Es lassen sich Ueberreste von wenigstens vier dickwandigen (Koch=)Töpfen unterscheiden, indem der Boden von allen noch vorhanden ist, da sie auf dem Feldsteinpflaster standen; die Bodenstücke sind 3/4 bis 1 Zoll dick. Daneben fanden sich die Scherben von wenigstens acht kleineren Krügen mit dünnern Wänden. Auch Ueberreste von zwei sehr großen, dickwandigen Gefäßen, Vorraths=

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 118 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

töpfen (?), fanden sich, deren ziemlich große Scherben fast gar keine runde Schwingung zeigen, also auf ungewöhnlich große Gefäße deuten.

Auch fand sich ein Stück von einer röthlich gebrannten Lehmwand mit ausgebrannten Stroheindrücken.

Daneben lagen viele Thierknochen. Diese sind alle zerhauen. Ich habe grade nicht so feine Ansichten, daß ich glaube, die Alten hätten die Knochen vorzüglich "deshalb" zerhauen, "um" die Leckerbissen des Markes herauszuholen, sondern ich glaube, daß sie dies gewöhnlich ganz einfach deshalb gethan haben, um die Fleischstücke in die Kochtöpfe bringen zu können, welche nicht allzu groß waren, wie dies ja auch noch heute geschieht; das Mark mögen sie sich gelegentlich dabei auch herausgeholt haben, wie heute. Es sind aber auch Knochen zerhauen, welche keine Markhöhlen haben.

Um nun den Kochherd vollständig erkennen zu lassen, fand man neben den Topfscherben noch viele ziemlich große Kohlen 1 ) von Tannenholz.

Auch die Küchengeräthe, Hausgeräte und Waffen aus Feuerstein fanden sich: eine Lanzen= oder Dolchklinge (wie Frid. Franc, Tab. XXX, Fig. 4), eine halbmondförmige Säge (wie Frid. Franc. Tab. XXVII, Fig. 4), beide schon sehr gut muschelig behauen und ausgearbeitet, ein keilartiger Feuerstein als Hammer brauchbar, drei Feuersteinspäne von verschiedenen Formen als Küchenmesser verwendbar. Alle Küchengeräthe sind offensichtlich viel gebraucht und abgenutzt.

Mehrere (scheinbar metallische) Schlacken, unter denen ein sehr großes Stück, lassen sich schwer erklären und sind wohl Producte des Kochherdes, oder später in die Erde hineingekommen.

Wir haben hier also eine vollständige Küche der Steinzeit vor uns und glauben wiederholt dargethan zu haben, daß zu einer Zeit der Steinperiode die Höhlenwohnungen in den norddeutschen Hügelländern wohl ziemlich allgemein verbreitet waren.

Diese Höhlenwohnungen haben ganz denselben Inhalt, welcher in den holländischen Steinhäusern bei Hilversum entdeckt ist (vgl. Jahrb. XXVII, S. 168).

Diese Verhältnisse sind so klar, daß man sie wohl zur Richtschnur für andere Vorkommenheiten nehmen könnte. Ich


1) In dem Mergel der Grube fand sich auch ein ziemlich großes Stück schwarzer Steinkohle als Geröll.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 119 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

kann und will mich nicht auf weit reichende Untersuchungen und Streitigkeiten einlassen, aber ich fühle mich veranlaßt, bei dieser Gelegenheit die Vermuthung auszusprechen, daß die viel besprochenen Steinalterthümer von Abbeville in Frankreich, welche unter sündfluthlichen Thierüberresten liegen oder liegen sollen, vielleicht auch Überreste von Höhlenwohnungen sein könnten, welche nach und nach von den höher liegenden steilen Wänden aus derselben Erde zugeschüttet sind. Eben so gut, als die Alterthümer von Abbeville vorsündfluthlich sein sollen, können auch die Alterthümer von Dreveskirchen dafür ausgegeben werden, da sich Mergelerde und Steinkohlengerölle über denselben gefunden hat.

Geschrieben im März 1863.

Von Wichtigkeit sind die Thierknochen. Der Herr Professor Steenstrup zu Kopenhagen hat die Güte gehabt die gefundenen Knochen zu bestimmen. Die Knochen, welche sämmtlich zu den "gewöhnlichen Haustierarten Nord= und Mittel=Europas" gehören, sind folgende:

1) vom zahmen Rind (Bos Taurus): Unterwand der Augenhöhle von einem ziemlich starken Thiere, Bruchstücke von Rückenwirbeln (durch Hundezähne angenagt), vom Becken, vom Unterarm (radius), vom metatarsus, vom humerus und zwei Phalangen;

2) vom zahmen Schwein (Sus scrofa domesticus):

zwei Backenzahne;

3) vom Schaf (Ovis Aries domest.): linker Unterkiefer;

4) vom Pferd (Equus Caballus), ziemlich mittlerer Größe: ein Backenzahn von der rechten Seite des Oberkiefers;

5) von der Gans (Anser domesticus?), ob wild oder zahm, ist nicht genau zu sagen: eine tibia (durch Raubthiere (Hunde) angenagt).

Dieses Resultat stimmt mit dem Resultate der Knochenuntersuchungen aus dem Pfahlbau von Gägelow überein, indem in diesem auch nur zahme Hausthiere vorkommen. Dennoch gehört die Höhlenwohnung noch der Steinperiode an, jedoch der Steinperiode jüngerer Zeit, da die Feuersteingeräthe schon sehr sauber und kunstvoll geschlagen sind. Es mag nicht unwahrscheinlich sein, daß je weiter nach dem Norden hinauf die Thiere in jüngern Zeiten desto mehr schon als Hausthiere in den Racen gekreuzt einwanderten.


Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 120 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

2. Pfahlbau von Gägelow.

Es ist jetzt mit Sicherheit ein Pfahlbau aus der heidnischen Steinzeit in Meklenburg entdeckt worden. Da ein Pfahlbau aber keinen hervorragenden sichtbaren Bau bildet, sondern meistentheils nur als Moder in der Tiefe eines Moores mit großer Schwierigkeit zu erkennen ist, so ist eine ausführliche und genaue Beschreibung der Entdeckung die Hauptsache für den Nachweis des Vorhandenseins.

In dem Dorfe Gägelow bei der Stadt Wismar, in der Nähe des Kirchdorfes Proseken, wurden in einem Torfmoor zwei Hirschhörner gefunden, welche gespalten und an allen Enden mit rohen Werkzeugen angearbeitet waren, um daraus Material zu kleinen Werkzeugen zu gewinnen (dgl. Jahrb. XXVI, S. 132). Ich veranlaßte den für den Verein eifrig bemüheten Sergeanten Herrn Büsch zu Wismar, diese Hörner für die Sammlungen zu erwerben; der Besitzer Erbpächter Herr Seidenschnur, welcher die Jahrbücher des Vereins mit großer Theilnahme liest, gab im Jahre 1861 die Hörner dem Vereine gerne zum Geschenke. Darauf ward in demselben Torfmoore eine zur Handhabe für einen Steinkeil bearbeitete kleine Elenschaufel gefunden (dgl. Jahrb. XXVII, S. 172). Ich vermuthete, daß da, wo diese Hörner gefunden seien, sich noch mehr finden müsse, und sprach schon in den Jahrb. XXVII, 1862, S. 172, die Vermuthung aus, daß hier wohl ein Pfahlbau gestanden haben könne. Aber trotz aller Nachforschungen ist bis jetzt in diesem Torfmoore nichts weiter gefunden. Ich ließ jedoch nicht nach, im Jahre 1862 den Herrn Büsch fortwährend zu ermuntern, die Erkundigungen nach Ueberresten von Pfahlbauten in Gägelow fortzusetzen und die Sache dort ununterbrochen anzuregen. Dies hatte die Folge, daß Herr Seidenschnur ihm im Anfange des Jahres 1863 die Mittheilung machte, er habe in einem Wasserloche eichene Pfähle und innerhalb der Pfähle Alterthümer der Steinzeit gefunden, und daß derselbe dem Herrn Büsch die Alterthümer zur Uebersendung an mich auslieferte. Nach der Anschauung dieses Fundes zweifelte ich nicht mehr daran, hier einen Pfahlbau gefunden zu haben, um so mehr, da hier die beiden nothwendigen Faktoren, eingerammte Pfähle und neben denselben Alterthümer der Steinzeit, vorhanden waren. Ich trat daher im Mai 1863 mit dem Herrn Büsch bei dem Herrn Seidenschnur in Gägelow zusammen, um die Sache an Ort und Stelle genauer zu untersuchen, und fand meine Vermuthung bestätigt. Das Verdienst der Entdeckung gehört den unverdrossenen

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 121 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Bemühungen des Sergeanten Herrn Büsch unter dem treuen und bereitwilligen Beistande des Erbpächters Herrn Seidenschnur.

Der Pfahlbau von Gägelow liegt auf dem weit gestreckten Acker des Herrn Seidenschnur, eine weite Strecke von dem Dorfe, rechts von der Chaussee von Wismar nach Grevismühlen, ungefähr zwischen den Landgütern Wendorf und Hoben, gegen eine halbe Stunde von dem wismarschen Meerbusen der Ostsee. Hier ist auf einem niedrigen Landrücken in dem Boden eine ziemlich große, fast runde Einsenkung, welche rings umher von sanft ansteigenden Höhen völlig und ohne Unterbrechung eingeschlossen ist und noch jetzt der "Krambeker Soll" genannt wird. Der ebene Grund dieser Einsenkung war feucht, bestand aber aus Sand und Thon. Der Herr Seidenschnur suchte auf seinem Felde nach Moder zur Düngung und Verbesserung seines Ackers, und fand ihn in großer Mächtigkeit in dieser Einsenkung unter dieser Sand= und Thonschicht. Es ergab sich bei der Fortsetzung der Arbeit, daß die Einsenkung in den ältesten Zeiten Wasser gewesen war und nach und nach zugewachsen und mit Moder gefüllt ist und daß nach der Befestigung des Moderbodens im Laufe vieler Jahrhunderte der Sand und Thon von den nahe umher liegenden Höhen nach und nach über die Moderfläche so gewehet und geschlemmt ist, daß diese feste Erddecke eine Schicht von beinahe 2 Fuß Dicke über dem Moderlager bildete. Die begrenzenden Höhen sind überhaupt gegen die Einsenkung hin vorgerückt, indem sich die Moderlage noch etwa 7 Fuß weit unter die Anhöhen fort erstreckt, so daß es viele Arbeit kosten wird, dieses Moderlager ganz von der immer rascher ansteigenden festen Höhe zu befreien.

Der Herr Seidenschnur unternahm seit dem Jahre 1858 die Ausbeutung des Moderlagers. Nach Abräumung der Sand= und Thondecke fand er die ganze Einsenkung mit Moder, größten Theils Pflanzenmoder von Baumblättern und Wasserpflanzen, aber auch Thiermoder, von großer Mächtigkeit gefüllt, welcher in der Tiefe auf festem Boden stand. Er brachte den ganzen Vorrath, so weit er nicht von den hoch aufsteigenden Ufern mit Lehm zu hoch bedeckt war, auf das trockene Land, und nach nicht langer Zeit füllte sich das Loch wieder mit klarem Wasser so daß wieder ein kleiner See, wie früher, gebildet ist, welcher jetzt ungefähr 110 Fuß lang und 90 Fuß breit ist, also groß genug, um einige Pfahlwohnungen aufzunehmen. Jedoch erstreckt sich die ehemalige Wasservertiefung noch eine ganze Strecke weiter unter den

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 122 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Ufern fort, so daß der alte See noch viel größer gewesen ist.

Im Anfange ging die Ausgrabung des Pflanzenmoders ziemlich leicht von statten. Später ward aber die Arbeit schwieriger, indem an der einen Seite, nicht sehr weit von dem jetzigen festen Ufer, die Vertiefung mit ziemlich nahe bei einander stehenden Pfählen besetzt war. Die Pfähle standen hier in einem kleinen Halbkreise; sie waren aus Eichenholz, noch 7 und 8 bis 10 Fuß lang, 7 bis 8 Zoll im Durchmesser, zum Theil behauen, zum Theil roh und noch mit Rinde bedeckt, unten zugespitzt, oben vermodert, und von unregelmäßiger Gestalt. Es scheinen zwei Pfahlbauten in diesem See gestanden zu haben, an jedem Ende der Längenausdehnung des Sees, im Osten und im Westen, ein Bau. Die Pfähle standen aufrecht in dem Moder und die Köpfe derselben lagen ungefähr in dem jetzt wieder entstandenen Wasserspiegel. An dem einen Ende im Westen, in der Richtung nach dem Dorfe Wendorf hin, standen noch 11 Pfähle aufrecht in einem Halbkreise den 18 bis 22 Fuß Kreisdurchmesser, die einzelnen Pfähle 2 und 3 Fuß auseinander. Neben diesen Pfählen fanden sich auch mehrere Balken, welche horizontal auf dem Boden unter dem Moder lagen. Am östlichen Ende, in der Richtung nach dem Dorfe Hoben hin, standen auch Pfähle, welche auch wohl im Kreise gestanden haben; vor denselben standen nach dem Lande hin noch 4 Pfähle, welche wohl eine Brücke getragen haben werden. Die Pfahlwerke haben also ohne Zweifel kreisförmige Fundamente gebildet, von denen Brückenpfähle gegen das feste Land hin gingen. - Hier sind also ohne Zweifel die Ueberreste von menschlichen Wohnungen, welche rund waren und im Wasser auf Pfählen standen, also Pfahlbauten. Es werden sich sicher noch mehr Pfähle finden, wenn die Aufgrabung unter dem festen Ufer noch fortgesetzt werden sollte. Die Pfähle und Balken sind herausgenommen und zum Verbrennen leider zersägt und gespalten; es sind jedoch noch mehrere lange Stücke in die Sammlungen gekommen. Das Eichenholz ist im Innern noch ganz fest und schwarz.

Innerhalb dieser Pfähle war der Raum ganz mit festem Pflanzenmoder gefüllt, welcher zahllose Ueberreste von Pflanzen aller Art und von Holz, vielleicht auch Thiermoder enthielt. Dieser Moder ist auf das feste Land gebracht und lag noch im Sommer 1863 in einer Masse von mehrern hundert Fudern auf einer Stelle beisammen. Er enthielt überall große Klumpen von reinem Pflanzenmoder, unter denen

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 123 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

noch die Fasern von Baumstämmen, auch Wurzeln, Rinden und Zweigen erkennbar waren, und dabei Alterthümer mancherlei Art.

Daß diese Stelle ein Pfahlbau der heidnischen Steinzeit war, ward durch zahlreiche Alterthümer bestätigt, welche sich sowohl gleich beim Ausgraben, als auch hinterher in dem ausgeworfenen Moder fanden.

Zuerst fand sich, als vorzüglicher Beweis, innerhalb der Pfähle eine granitne Handmühle, d. h. ein halbmuldenförmig auf einer Fläche glatt und tief ausgeriebener Granitblock, ungefähr 1 1/2 Fuß lang, gegen 1 Fuß breit und 1/2 Fuß hoch, wie solche im Lande sehr häufig gefunden werden (vgl. Jahrb. XXV, S. 212 flgd.). Leider ist dieser Stein in Abwesenheit des Herrn Seidenschnur von den Maurern beim Ausmauern eines neuen Brunnens unten in demselben vermauert worden.

Daneben und in dem ausgeworfenen Moder fanden sich viele runde oder rundliche Reibsteine und dazu bestimmte zerschlagene, noch rohe Steine, von 3 bis 4 Zoll Durchmesser, auch kleinere, ganz rund geschliffene, aus festem Granit oder altem Sandstein. Es sind bis jetzt 8 abgerundete und abgeriebene Reibsteine und 2 offenbar zu Reibsteinen bestimmte zerschlagene kubische Steine gesammelt. Diese Steine sind ohne Zweifel Reibsteine zum Zermalmen des Getraides und anderer Früchte; vgl. Jahrb. XXIII, S. 276.

Diese Handmühle mit den Reibsteinen innerhalb eingerammter Pfähle beweiset am sichersten das Vorhandensein eines Pfahlbaues, da man nur annehmen kann, daß sie beim Untergange des Pfahlhauses in die Tiefe des Wassers gefallen sei, und es nicht glaublich ist, daß sie hier durch irgend einen andern Zufall verloren gegangen sein könne.

Ferner fanden sich zum Beweise überall zahlreiche Scherben von sehr großen, dickwandigen Töpfen, welche nach heidnischer Weise bereitet und im Innern mit grobem Granitgrus durchknetet sind. Die Töpfe müssen zum Theil sehr groß gewesen sein, da die Schwingungen der Scherben sehr weit sind. Einige Scherben haben die Dicke von fast 3/4 Zoll. Einige sind röthlich gebrannt, andere geschwärzt, auch gehenkelt. Diese großen, dickwandigen Töpfe sind ohne Zweifel Kochtöpfe der Steinzeit, wie sich dieselben ganz genau auch in den Höhlenwohnungen Meklenburgs und in den Pfahlbauten der Schweiz finden.

Bei diesen Scherben fanden sich auch viele Thierknochen, welche, wie die Thierknochen der Höhlenwohnungen,

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 124 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

alle queer zerhauen sind, um das Fleisch mit den Knochen in die Kochtöpfe bringen zu können.

Außerdem sind bis jetzt an Geräthen gefunden:

ein roh zugehauener Keil aus fettlosem, grauem Feuerstein, von der unvollkommenen Art, wie sie sich in den dänischen Austerschalenbänken finden;

ein dünner, geschliffener Keil aus Feuerstein, von welchem am obern Bahnende etwas abgeschlagen ist;

ein Feuersteinblock, von welchem Späne zu Messern abgeschlagen sind;

eine durchbohrte und geschliffene Streitaxt aus Diorit oder aus feinem Gneis, von Größe und Gestalt, wie Frid. Franc. Tab. XXVIII, Fig. 6;

ein Spindelstein aus gelblich gebranntem Thon, 1 3/4 Zoll im Durchmesser, roh gearbeitet, ganz ähnlich den Spindelsteinen der schweizerischen Pfahlbauten;

ein Mörser aus grauem Basalt, viereckig, 3 1/2 Zoll hoch und 2 1/2 Zoll in der Basis, in den Außenflächen geschliffen und an den Ecken abgeschliffen, mit einem eingeschliffenen Loche von 2 Zoll Tiefe und 1 1/2 Zoll Weite. Mörser ganz gleicher Art, bald von viereckiger, bald von achteckiger Form, einige auch mit einem einpassenden Stöpsel, sind wiederholt in Meklenburg=Schwerin gefunden, ohne daß man sie einer bestimmten Zeit hätte zuweisen können; auch in der Sammlung zu Neu=Strelitz befindet sich ein gleicher achteckiger Mörser.

Endlich fand sich

ein ganz regelmäßig geformtes, kubisches Stück gedörrten Thon, 2 1/2 Zoll groß, die Hälfte eines durchschlagenen Geräthes, welches in der Mitte ein eingebohrtes Loch gehabt hat, vielleicht ein Leuchter, an einer Seite von Rauch geschwärzt.

Um nun die Aehnlichkeit mit den schweizerischen Pfahlbauten zu vervollständigen, läßt sich noch berichten, daß sich wiederholt Schalen von aufgeknackten Haselnüssen in dem Moder fanden.

Auch Pflanzensamen fanden sich in der Tiefe überall und zahlreich zwischen den Schichten des reinen dunkelbraunen Pflanzenmoders, jedoch lagen die Körner nur zersprengt und nicht haufenweise neben einander, so daß sie wohl nicht gut verloren gegangene Massen gesammelten Samens sein konnten, wie in der Schweiz. Es waren ziemlich wohl erhaltene, glänzende, gebliche Kapseln desselben Samens, welcher überall in den Moder eingesprengt war. Es ist nur noch die glänzende Haut des Samens vorhanden; der Kern der Körner ist, wahrscheinlich durch Keimen, verschwunden. Nach der Bestimmung

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 125 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

des Herrn Professors Röper zu Rostock gehört der Same sicher der Gattung des Potamogeton an, wahrscheinlich dem Potamogeton natans, einer sehr gewöhnlichen Wasserpflanze, welche aus der Tiefe der Gewässer emporkommt und mit ihren Blättern und Blüthen die kleinen Seen und Teiche bedeckt. Diese Samenkörner hangen also nicht mit dem Pfahlbau zusammen.

Es wird aus dem Vorgetragenen sich unzweifelhaft ergeben, daß wir hier einen vollständigen Pfahlbau mit allen Kennzeichen und Eigenthümlichkeiten gehabt haben. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sich im Winter bei der Abfuhr des Moders auf den Acker noch zahlreiche Alterthümer in demselben finden werden. Für die fernere Untersuchung bemerke ich jedoch, daß sich, außer dem ausgeworfenen Moder, an Ort und Stelle nichts weiter mehr findet, als ein kleiner See, und daß in diesem nichts mehr zu sehen und zu untersuchen ist.

Ich bin jetzt fest überzeugt, daß an vielen Stellen im Lande, wo sich im Moor oder Moder steinerne Alterthümer, namentlich Reibsteine, und Holzüberreste finden, Pfahlbauten gestanden haben. So z. B. ist es mir höchst wahrscheinlich, daß in dem dem gägelower sehr ähnlichen Moderlager zu Friedrichshöhe bei Rostock, in welchem auch an 16 Reibsteine und andere Alterthümer gefunden wurden, ein Pfahlbau gestanden hat (vgl. Jahrb. XXIII, S. 276, und XXIV, S. 265), und daß die Funde aus dem Sühring=Moor bei Bützow, welche in dem Anhange zu dieser Abhandlung wieder zusammengestellt sind, ebenfalls von einem Pfahlbau herstammen.

Geschrieben im Mai 1863.

Von großer Wichtigkeit sind die bisher in diesem Pfahlbau gefundenen Thierknochen. Ich sandte deshalb dieselben an den Herrn Professor Rütimeyer zu Basel, welcher sich darüber folgendermaßen brieflich äußert.

"Die bisher gefundenen Thierknochen von Gägelow sind folgende:

Rind: Bos Taurus, Kuh, und zwar Hausthier:

1 Stück vom rechten Schienbein,
2 Stücke vom linken Oberarm,
1 rechtes Schulterblatt,
1 Fersenbein von einer kleinen Kuh, ohne Zweifel Bos Brachyceros, unzweifelhaft benagt, wahrscheinlich von Thieren;

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 126 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Pferd: Equus Caballus:

linke Beckenhälfte,
1 Stück vom rechten Oberschenkel,
dritter unterer rechter Backenzahn,
Eckzahn eines männlichen Pferdes;

Ziege: Capra Hircus:

Vorderarmknochen, linke Speiche.

Ueber das Rind, Die Skeletstücke gehören durchweg kleinen Thieren an, einige auch noch jungen Thieren (die beiden Oberarmknochen), einem sehr kleinen erwachsenen Thiere das Schulterblatt, einem mittelgroßen Thiere das Schienbein. Ueber Race lassen die Knochen, außer dem Schädelstücke nichts vermuthen, unzweifelhaft aber gehören sie zahmen Thieren an. Das Schädelstück stammt von einem größeren Thiere, als alle anderen Knochenstücke, und ebenfalls von einem Hausthiere. Die Race ist jedenfalls durchaus nicht mehr rein, sondern aus mehrern Quellen gemischt. Im Ganzen trägt das Schädelstück den Typus der Primigenius=Race; dies geht hervor aus dem breiten Ansatz des Hornzapfens an die Stirne, der derben Textur des Hornzapfens und den starken Furchen an deren Hinterrand. Allein die reinen Primigenius=Schädel haben eine vollkommen flache Stirn mit gerader Hinterhauptskante, niedrigerem Stirn= (Occipital=)Wulst und geringere Diploë des Schädels, dabei weniger abgeplattete Hörner und steilere Emporrichtung ihrer Spitzen. - Alle diese letzteren Eigenthümlichkeiten, namentlich aber die gewaltige Diploë und die Depression der Hornzapfen und die Kantenbildung am hintern Umfange der letztern sind sonst bei der Frontosus-Race zu Hause, so daß ich eine Mischung von Bos Primigenius mit Bos Frontosus in diesem Schädel vermuthe, jedoch offenbar mit Vorwiegen des erstern. Hiergegen spricht nur ein Umstand, der sehr dichte Hornansatz und das offenbar sehr schmale Hinterhaupt; allein beides finde ich, trotzdem daß ein Einfluß von Bos Frontosus das Occiput den Bos Primigenius noch breiter machen sollte, doch bei recenten Schädeln, welche ich ebenfalls einer ähnlichen Mischung von Bos Primigenius und Bos Frontosus zuschreibe. Es stimmt nämlich das Schädelstück von Gägelow vortrefflich zu Schädeln der jetzigen Westerwälder und Vogelsberger Race, die ich beurtheile als eine mit Bos Frontosus gemischte Primigenius-Race. (Ueber Bos Primigenius vgl. unten: Zur Naturkunde, Rinderskelet von Malchin.)

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 127 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Ueber das Pferd. Die vorliegenden Ueberreste gehören einem kleinen Schlage an, welcher kleiner war, als das arabische Pferd; allein sie bieten durchaus nichts dar, was zu einem eingehenden Urteil berechtigen dürfte.

Ueber die Ziege, von der nur ein Knochen vorhanden ist, läßt sich sagen, daß es ein ziemlich ansehnliches Thier war."

In seiner gedruckten Fauna der Pfahlbauten der Schweiz sagt Rütimeyer über die

"Ziege"

S. 127: "In den ältern Pfahlbauten der Schweiz überwiegt die Ziege das Schaf in Menge in unverkennbarem Grade, nach den neuern hin kehrt sich das Verhältniß um. Es fällt dies insofern auf, als die historischen Nachrichten über unsere Hausthiere das Schaf überall mit dem ältesten Hausthier, der Kuh, erwähnen, wahrend die Ziege erst viel später genannt wird. - Die Reste weisen auf ein Thier, das von der in der Schweiz so allgemein verbreiteten gewöhnlichen Race heutiger Ziegen nicht im geringsten abwich und, wie diese, in Größe nicht sehr viel variirte."

"Sollte man nach den wenigen Resten irgend einen Schluß ziehen dürfen, so wäre er, spätere Funde vorbehalten, folgender. Die Sammlung enthält:

1) nur Hausthiere,
2) keine reine Viehrace,
3) dabei Pferd und Ziege.

Wenn nicht noch zu erwartende Funde dieses Resultat ändern, so erscheint, im Vergleich zu den schweizerischen Resultaten, diese Knochenablagerung relativ sehr jung, jedenfalls viel jünger, als das Steinalter in der Schweiz, wo Hausthiere nur spärlich und nur in reinen, den Stammthieren höchst ähnlichen Racen sich finden, auch das Pferd wahrscheinlich als Hausthier fehlt. Auch in anderer Beziehung weicht die kleine Sammlung von Gägelow von den schweizerischen Pfahlbauüberresten ab. In diesen ist keine Spur von Bos Frontosus.

Dennoch, schreibt Rütimeyer weiter, muß ich das Fragment von dem Stierschädel durchaus für alt halten, und von demselben Alter, wie alle andern dort gefundenen Thierknochen. Es hat vollkommen die Farbe, Textur, Schnittspuren und, was nicht ohne Interesse ist, die gleichen Umfangsverhältnisse, wie unsere Torfknochen, und es müßte ein auffallender Zufall sein, wenn neben den andern Knochen ein solches Hornstück, so zerbrochen, so zugeschnitten, so er=

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 128 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

halten, aus späterer Zeit hinzugekommen wäre. Daß neuere Knochen auch diese Farbe tragen könnten, bezweifle ich zwar nicht, aber die Schlachter hatten schon damals ihre bestimmten Zerlegemethoden, eben so gut wie die unsrigen, aber verschieden von diesen."


Das Resultat der ganzen Untersuchung wird nun dahin ausfallen, daß der Pfahlbau von Gägelow der jüngsten Zeit der Steinperiode angehört. Daß er überhaupt noch in die Steinperiode fällt, geht daraus unwiderleglich hervor, daß sich, außer den thönernen Geräthen mit dem Charakter der Steinperiode, nur steinerne Geräthe finden und Metall ganz fehlt. Dagegen scheinen die Thierknochen zu sprechen, welche alle nur Hausthieren, und darunter dem Rind von gekreuzter Race, angehören. Jedoch sind die Thiere und Racen noch alt, und man muß im Norden vielleicht ein anderes Verhältniß vermuthen, als in der Schweiz, wo in den Pfahlbauten der Steinperiode das uralte Rind von der Frontosus-Race ganz fehlt. Für die Steinperiode spricht vorzüglich die oben beschriebene Höhlenwohnung von Dreveskirchen, welche dieselben Thierknochen enthält, aber nach allen Geräthen sicher in die Steinperiode fällt. Das Vorkommen der Ziege als Schlachtvieh in Gägelow spricht jedenfalls für eine alte Zeit und weist die Vermuthung zurück, als könnten die Knochen durch Zufall in den Sumpf gerathen sein. Jedoch wird man einräumen müssen, daß der Pfahlbau von Gägelow der jüngsten Zeit der Steinperiode angehört, da in demselben schon eine durchbohrte Streitaxt von einer jüngern und schönern Form, als der einfachen Form der Steinperiode, vorkommt, welche die dänischen Forscher nach mannigfachen Erfahrungen schon der Bronzeperiode zuschreiben.


Im Herbst des Jahres 1863 ließ Herr Büsch im Auftrage des Vereins unter seiner Aufsicht einen großen Theil des ausgeworfenen Moders, der sich sehr hart gelagert hatte, umstechen und fand dabei noch viele Alterthümer, welche die ausgesprochene Ansicht vollkommen bestätigen. Diese sind:

1 breiter Keil aus bräunlichem Feuerstein, an allen vier Seiten sehr regelmäßig und gut geschliffen, jedoch am obern Ende verstümmelt und vielfach zerschlagen;

1 breiter Keil aus bräunlichem Feuerstein, an beiden breiten Seiten geschliffen, am obern Ende ebenfalls verstümmelt und an einer Seite vielfach zerschlagen.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 129 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Ueberhaupt scheinen die meisten steinernen Geräthe durch häufigen Gebrauch vielfach gelitten zu haben und durch Rauch gebräunt zu sein.

Ferner fand sich:

1 Dolch aus geschlagenem grauen Feuerstein, mit viereckigem Griff, vollständig;

1 Dolch aus geschlagenem grauen Feuerstein, mit viereckigem Griff; die Hälfte der Klinge fehlt;

1 Stück von einer langen, schmalen, geschliffenen Streitaxt aus Gneis; dieses Bruchstück, die Spitze, ist ein Viertheil einer Streitaxt, 5 1/2 Zoll lang, 1 Zoll hoch und 1/2 bis 3/4 Zoll breit; die Streitaxt ist nicht nur im Schaftloche durchbrochen, da noch ein Theil des ausgeschliffenen Bohrloches vorhanden ist, sondern die lange Spitze ist auch der Länge nach gespalten;

3 Bruchstücke von Feuerstein=Spänen oder Messern; auch diese sind zerbrochen und nach den stumpfen Schneiden offensichtlich gebraucht;

1 scheibenförmiges, abgeschlagenes Stück Feuerstein von 2 Zoll Durchmesser, wie sich dergleichen auf Feuersteingeräthfabrikstätten auf Rügen häufig finden.

Ferner fanden sich Bruchstücke von bearbeiteten hölzernen Geräthen, welche fast das Ansehen und den Geruch von Braunkohle haben.

Endlich fanden sich noch ungewöhnlich viele Topfscherben, alle sehr stark und mit grobem Granitgrus durchknetet; einige haben eine braune Farbe, andere sind röthlich gebrannt. Viele Bodenstücke und Seitenstücke sind sehr dick, so daß sie sichtlich von sehr großen und starken Kochtöpfen stammen. Andere Seitenstücke und Randstücke, auch mit kleinen Henkeln, sind dünner und scheinen zu Krügen gehört zu haben. An einigen Bodenstücken und Seitenstücken sitzen inwendig schwarze, zähe Massen, als wären dies Ueberreste oder Niederschlag von gekochten Speisen. Einige wenige Scherben gehören zu kleinen Krügen von feiner Masse, dünnen Seitenwänden, gleichmäßig dunkelschwarzer Farbe, glänzender Politur; ein Randstück, das einzige mit Verzierung, zeigt feine, eingeritzte, parallele Schräglinien; diese Stücke gleichen ganz manchen feinen schwarzen Begräbnißurnen der Bronzeperiode.

Aus diesen vervollständigenden Funden läßt sich mit noch größerer Sicherheit schließen, daß der Pfahlbau von Gägelow der jüngsten Zeit der Steinperiode angehört.

Geschrieben im November 1863.


Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 130 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Am 14. December 1863 nahm der Herr Büsch wieder eine Nachsuchung in der ausgeworfenen Modde vor und fand wieder:

1 Reibstein aus feinkörnigem Granit, fast regelmäßig rund abgerieben, 4 Zoll im Durchmesser;

1 Reibstein, eine fast regelmäßige Kugel von Feuerstein, 2 Zoll im Durchmesser, völlig glatt, wahrscheinlich Geröll vom Meeresstrande;

1 Keil aus bräunlichem Feuerstein, auf den beiden breiten Seiten ganz, auf den beiden schmalen Seiten gar nicht geschliffen, an der Schneide überall abgesplittert;

1 Keil aus hellgrauem Feuerstein, welcher ausnahmsweise an beiden Enden scharf und auf der ganzen Oberfläche geschliffen, aber durch vielen Gebrauch überall vielfach zerschlagen ist;

1 kleine Streitaxt aus Diorit, völlig zugerichtet, aber noch nicht geschliffen und in der Bohrung des Loches an beiden Seiten mit konischen Vertiefungen angefangen, jedoch noch nicht durchbohrt;

1 roh zugehauener kleiner Feuersteinblock, von welchem rund umher Späne zu Messern und Pfeilspitzen abgehauen sind.


Im März 1864 beim Aufthauen der Modde suchte Herr Büsch wieder in der ausgeworfenen Modde und fand wieder:

1 Reibstein aus feinkörnigem Granit,

1 Keil aus Feuerstein, ebenfalls bräunlich von Farbe, am obern Ende vielfach zerschlagen, am untern schräge und scharf geschliffen, und

1 Granitplatte aus grobkörnigem Granit, ungefähr 2 1/2 Zoll im Quadrat und 1 Zoll dick, auf einer Fläche ganz glatt geschliffen.


So weit waren die Untersuchungen an Ort und Stelle gediehen, als der Druck der vorstehenden Forschung, welche wegen ihrer Wichtigkeit nicht länger zurückgehalten werden durfte, beginnen mußte. Es läßt sich vermuthen, daß sich im nächsten Frühling und Sommer in dem noch lagernden Reste der Modde noch Alterthümer finden werden. Aber der bisherige Fund ist mehr als hinreichend, um den Pfahlbau über alle Zweifel zu erheben.


Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 131 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Andere Pfahlbauten in Meklenburg.

Wenn man alle Umstände und Erscheinungen bei der Entdeckung des Pfahlbaues von Gägelow sorgfältig betrachtet, so wird man zu der Ansicht gelangen, daß viele Alterthümer, welche in größerer Zahl nach und nach an denselben Stellen in Torfmooren gefunden und zu verschiedenen Zeiten in die Vereinssammlungen gekommen sind, ebenfalls von Pfahlbauten stammen, welche nur nicht als solche erkannt und gehörig beobachtet sind. Wenn man diese nach und nach an einem Orte gefundenen Alterthümer auf Eine Stelle zusammenbringt und an Ort und Stelle darüber genauere Nachforschungen anstellt, so wird man zu der überraschenden Erkenntniß kommen, daß Ueberreste eines Pfahlbaues vorliegen. Zu einem solchen Pfahlbau gehören z. B. gewiß die Alterthümer aus dem Sühring=Moor bei Bützow.


zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Pfahlbau von Bützow.

Vor dem Rostocker Thore der Stadt Bützow liegt in einer Viehweide im sogenannten Sandfeldsbruch, an dem Ackerschlage Freiensteinsberg, nicht weit von Parkow, ein Torfmoor, welches "die Sühring" genannt wird, eine im Lande oft vorkommende Benennung. In neuern Zeiten wurden beim Torfstechen nicht weit vom festen Boden im Moor an Einer Stelle zu verschiedenen Zeiten immer viele Alterthümer gefunden, welche sich hinterher als Reste eines Pfahlbaues deuten lassen. Es ist dies erst nach völliger Erschöpfung der Alterthümer auf dieser Stelle zum Bewußtsein gekommen und daher während des Grabens nicht so genau darauf geachtet, als zur sicheren Erkenntniß nothwendig gewesen wäre. Die Erfahrung steht aber fest, daß die Alterthümer von der Sühring alle auf Einer Stelle nicht weit vom Rande des Moores in der Tiefe desselben lagen und daß die Auffindung ganz aufhörte, als die Torfstecher mehr nach der Mitte des Moores vordrangen. Die mehr künstlich bearbeiteten Alterthümer sind durch die Fürsorge des Herrn Friedr. Seidel alle in die Sammlungen zu Schwerin gekommen.

Zuerst fanden sich oft an einer Stelle Pfähle und behauenes Holz, sehr viele Thierknochen und ganze Haselnüsse. Dies alles ist untergegangen, jedoch sind noch Haselnüsse erhalten.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 132 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Darauf wurden an derselben Stelle bei den Pfählen, ungefähr seit dem Jahre 1860, in den Jahren 1860-62 nach und nach folgende Alterthümer gefunden und an die schweriner Sammlungen abgegeben:

zwei kugelförmige Reibsteine aus feinkörnigem Granit, von gewöhnlicher Größe (Jahrb. XXVI, S. 133);

ein kugelförmiger Reibstein eben so (Quartalbericht, Oktober 1861, XXVII, 1, S. 3);

ein halbmondförmiges Messer (Säge) aus geschlagenem Feuerstein (Jahrb. XXVI, S. 133);

ein halbmondförmiges Messer (Säge) aus geschlagenem Feuerstein (Quartalbericht, October 1861, XXVII, 1, S. 3);

ein Ende von einem starken Hirschgeweih, welches offenbar durch Feuersteinkeile abgekeilt und bearbeitet ist (Jahrb. XXVI, S. 133);

ein Ende von einem dünnen Rennthiergeweih, ebenfalls mit Spuren von Bearbeitung (Jahrb. XXVI, S. 301);

ein Hundsschädel (Jahrb. XXVII, S. 290);

eine starke Nadel aus Bronze, 3 1/2 Zoll lang (Quartalbericht, Januar 1861, XXVI, 2, S. 4).

Dies alles, welches sicher auf Einer Stelle im Moor gefunden ist, scheint mit großer Sicherheit auf einen Pfahlbau schließen zu lassen.

G. C. F. Lisch.


zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Pfahlbauten von Wismar.

Mehrere glaubwürdige Nachrichten lassen darauf schließen, daß auch an den Ufern des wismarschen Meerbusens in den ältesten Zeiten Pfahlbauten gestanden haben.

Der Herr Rentier Mann zu Wismar gab nach vielfacher öffentlicher Besprechung der bekannten schweizerischen Pfahlbauten darüber im Jahre 1863 zuerst folgende Nachrichten. Bei der seit zehn Jahren (seit 1854) betriebenen Reinigung und Verbreiterung des Fahrwassers durch einen Bagger sind in dem Meerbusen von Wismar nicht weit von dem Ufer in den ungeheuren Massen des ausgebaggerten Moders oft sehr zahlreiche Alterthümer beobachtet worden, namentlich zahllose Thierknochen, feuersteinerne Keile und Dolche oder Messer, Hirschgeweihe u. s. w. Alles dies ist aber zum größten Theile mit dem Moder an tiefen Stellen des Meerbusens wieder versenkt, zum kleinsten Theile von den Arbeitern gesammelt, aber bald wieder zerschlagen oder sonst zerstreut, so daß gegenwärtig wohl nichts mehr davon aufzufinden sein dürfte. Solche alterthumsreiche Stellen fanden sich namentlich

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 133 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

von Wismar aus an dem rechten Ufer des Meerbusens hinter dem sogenannten Baumhause. Es sollen dort auch oft alte Pfähle gefunden sein. Der Herr Mann hat von den dort gefundenen Alterthümern nichts weiter mehr auftreiben können, als einen verzierten Taschenbügel aus Rennthierhorn, welcher jedoch auch in jüngern Zeiten hier verloren gegangen sein kann.

Der Herr Sergeant Büsch zu Wismar übernahm es darauf im Jahre 1864, in Grundlage dieser allgemeinen Nachrichten genauere Nachforschungen bei einzelnen Arbeitern in Wismar, welche bei der Ausbaggerung des Fahrwassers beschäftigt gewesen sind, anzustellen. Das Ergebniß ist folgendes. Mehrfache Aussagen von Arbeitern geben an, daß an mehrern Stellen des wismarschen Meerbusens, namentlich in der nächsten Nähe des Landungsplatzes für die Schiffe bei Wismar (also hinter dem Baumhause), ferner in der Gegend zwischen Redentin und der Insel Wallfisch, auch in der Nähe des Kirchsees auf der Insel Poel, sobald sie in dem Moder eine Tiefe von 8 Fuß erreicht gehabt hätten, in der Regel viele Knochen und "Steine von sonderbarer Form", namentlich von Feuerstein, ans Tageslicht gekommen seien. Besonders sind viele Keile und Schmalmeißel aus Feuerstein gefunden. In der Regel haben die Arbeiter, wenn sie solche gefunden, die dünne geschliffenen Spitzen abgeschlagen, um sie zum Feueranschlagen für sich zu verwenden, und die dickern Enden wieder ins Wasser geworfen. Herr Büsch hat noch ein Mittelstück von einem großen Schmalmeißel aus Feuerstein, 4 Zoll lang, 1 1/8 Zoll breit und 3/4 Zoll dick, in Wismar aufgetrieben. Dies ist aber der einzige Ueberrest; alle andern Alterthümer sind spurlos verschwunden. Zwei Feuersteinmesser, "sehr zerhackt", das eine aus gelbem, das andere aus weißem Feuerstein, sind beim Auffinden von den Arbeitern an einen englischen Steuermann verkauft. Ein Hirschgeweih mit abgesägten Spitzen und eingebohrten Löchern ist an einen Kaufmann in Wismar verkauft. Eine "trichterförmig ausgehöhlte Schale von Stein" (Mühlstein?) ist in der Nähe von Wismar wieder ins Wasser versenkt. Bronzesachen sollen viele gefunden, aber an den Kupferschmied Vosseck in Wismar verkauft und von diesem eingeschmolzen sein.

Dies ist Alles, was sich noch hat ermitteln lassen, und auf mehr ist nicht zu hoffen. Diese wenigen Nachrichten scheinen aber auch sicher Pfahlbauten anzudeuten.

G. C. F. Lisch.