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Es ist jetzt mit Sicherheit ein Pfahlbau aus der heidnischen Steinzeit in Meklenburg entdeckt worden. Da ein Pfahlbau aber keinen hervorragenden sichtbaren Bau bildet, sondern meistentheils nur als Moder in der Tiefe eines Moores mit großer Schwierigkeit zu erkennen ist, so ist eine ausführliche und genaue Beschreibung der Entdeckung die Hauptsache für den Nachweis des Vorhandenseins.
In dem Dorfe Gägelow bei der Stadt Wismar, in der Nähe des Kirchdorfes Proseken, wurden in einem Torfmoor zwei Hirschhörner gefunden, welche gespalten und an allen Enden mit rohen Werkzeugen angearbeitet waren, um daraus Material zu kleinen Werkzeugen zu gewinnen (dgl. Jahrb. XXVI, S. 132). Ich veranlaßte den für den Verein eifrig bemüheten Sergeanten Herrn Büsch zu Wismar, diese Hörner für die Sammlungen zu erwerben; der Besitzer Erbpächter Herr Seidenschnur, welcher die Jahrbücher des Vereins mit großer Theilnahme liest, gab im Jahre 1861 die Hörner dem Vereine gerne zum Geschenke. Darauf ward in demselben Torfmoore eine zur Handhabe für einen Steinkeil bearbeitete kleine Elenschaufel gefunden (dgl. Jahrb. XXVII, S. 172). Ich vermuthete, daß da, wo diese Hörner gefunden seien, sich noch mehr finden müsse, und sprach schon in den Jahrb. XXVII, 1862, S. 172, die Vermuthung aus, daß hier wohl ein Pfahlbau gestanden haben könne. Aber trotz aller Nachforschungen ist bis jetzt in diesem Torfmoore nichts weiter gefunden. Ich ließ jedoch nicht nach, im Jahre 1862 den Herrn Büsch fortwährend zu ermuntern, die Erkundigungen nach Ueberresten von Pfahlbauten in Gägelow fortzusetzen und die Sache dort ununterbrochen anzuregen. Dies hatte die Folge, daß Herr Seidenschnur ihm im Anfange des Jahres 1863 die Mittheilung machte, er habe in einem Wasserloche eichene Pfähle und innerhalb der Pfähle Alterthümer der Steinzeit gefunden, und daß derselbe dem Herrn Büsch die Alterthümer zur Uebersendung an mich auslieferte. Nach der Anschauung dieses Fundes zweifelte ich nicht mehr daran, hier einen Pfahlbau gefunden zu haben, um so mehr, da hier die beiden nothwendigen Faktoren, eingerammte Pfähle und neben denselben Alterthümer der Steinzeit, vorhanden waren. Ich trat daher im Mai 1863 mit dem Herrn Büsch bei dem Herrn Seidenschnur in Gägelow zusammen, um die Sache an Ort und Stelle genauer zu untersuchen, und fand meine Vermuthung bestätigt. Das Verdienst der Entdeckung gehört den unverdrossenen
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Bemühungen des Sergeanten Herrn Büsch unter dem treuen und bereitwilligen Beistande des Erbpächters Herrn Seidenschnur.
Der Pfahlbau von Gägelow liegt auf dem weit gestreckten Acker des Herrn Seidenschnur, eine weite Strecke von dem Dorfe, rechts von der Chaussee von Wismar nach Grevismühlen, ungefähr zwischen den Landgütern Wendorf und Hoben, gegen eine halbe Stunde von dem wismarschen Meerbusen der Ostsee. Hier ist auf einem niedrigen Landrücken in dem Boden eine ziemlich große, fast runde Einsenkung, welche rings umher von sanft ansteigenden Höhen völlig und ohne Unterbrechung eingeschlossen ist und noch jetzt der "Krambeker Soll" genannt wird. Der ebene Grund dieser Einsenkung war feucht, bestand aber aus Sand und Thon. Der Herr Seidenschnur suchte auf seinem Felde nach Moder zur Düngung und Verbesserung seines Ackers, und fand ihn in großer Mächtigkeit in dieser Einsenkung unter dieser Sand= und Thonschicht. Es ergab sich bei der Fortsetzung der Arbeit, daß die Einsenkung in den ältesten Zeiten Wasser gewesen war und nach und nach zugewachsen und mit Moder gefüllt ist und daß nach der Befestigung des Moderbodens im Laufe vieler Jahrhunderte der Sand und Thon von den nahe umher liegenden Höhen nach und nach über die Moderfläche so gewehet und geschlemmt ist, daß diese feste Erddecke eine Schicht von beinahe 2 Fuß Dicke über dem Moderlager bildete. Die begrenzenden Höhen sind überhaupt gegen die Einsenkung hin vorgerückt, indem sich die Moderlage noch etwa 7 Fuß weit unter die Anhöhen fort erstreckt, so daß es viele Arbeit kosten wird, dieses Moderlager ganz von der immer rascher ansteigenden festen Höhe zu befreien.
Der Herr Seidenschnur unternahm seit dem Jahre 1858 die Ausbeutung des Moderlagers. Nach Abräumung der Sand= und Thondecke fand er die ganze Einsenkung mit Moder, größten Theils Pflanzenmoder von Baumblättern und Wasserpflanzen, aber auch Thiermoder, von großer Mächtigkeit gefüllt, welcher in der Tiefe auf festem Boden stand. Er brachte den ganzen Vorrath, so weit er nicht von den hoch aufsteigenden Ufern mit Lehm zu hoch bedeckt war, auf das trockene Land, und nach nicht langer Zeit füllte sich das Loch wieder mit klarem Wasser so daß wieder ein kleiner See, wie früher, gebildet ist, welcher jetzt ungefähr 110 Fuß lang und 90 Fuß breit ist, also groß genug, um einige Pfahlwohnungen aufzunehmen. Jedoch erstreckt sich die ehemalige Wasservertiefung noch eine ganze Strecke weiter unter den
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Ufern fort, so daß der alte See noch viel größer gewesen ist.
Im Anfange ging die Ausgrabung des Pflanzenmoders ziemlich leicht von statten. Später ward aber die Arbeit schwieriger, indem an der einen Seite, nicht sehr weit von dem jetzigen festen Ufer, die Vertiefung mit ziemlich nahe bei einander stehenden Pfählen besetzt war. Die Pfähle standen hier in einem kleinen Halbkreise; sie waren aus Eichenholz, noch 7 und 8 bis 10 Fuß lang, 7 bis 8 Zoll im Durchmesser, zum Theil behauen, zum Theil roh und noch mit Rinde bedeckt, unten zugespitzt, oben vermodert, und von unregelmäßiger Gestalt. Es scheinen zwei Pfahlbauten in diesem See gestanden zu haben, an jedem Ende der Längenausdehnung des Sees, im Osten und im Westen, ein Bau. Die Pfähle standen aufrecht in dem Moder und die Köpfe derselben lagen ungefähr in dem jetzt wieder entstandenen Wasserspiegel. An dem einen Ende im Westen, in der Richtung nach dem Dorfe Wendorf hin, standen noch 11 Pfähle aufrecht in einem Halbkreise den 18 bis 22 Fuß Kreisdurchmesser, die einzelnen Pfähle 2 und 3 Fuß auseinander. Neben diesen Pfählen fanden sich auch mehrere Balken, welche horizontal auf dem Boden unter dem Moder lagen. Am östlichen Ende, in der Richtung nach dem Dorfe Hoben hin, standen auch Pfähle, welche auch wohl im Kreise gestanden haben; vor denselben standen nach dem Lande hin noch 4 Pfähle, welche wohl eine Brücke getragen haben werden. Die Pfahlwerke haben also ohne Zweifel kreisförmige Fundamente gebildet, von denen Brückenpfähle gegen das feste Land hin gingen. - Hier sind also ohne Zweifel die Ueberreste von menschlichen Wohnungen, welche rund waren und im Wasser auf Pfählen standen, also Pfahlbauten. Es werden sich sicher noch mehr Pfähle finden, wenn die Aufgrabung unter dem festen Ufer noch fortgesetzt werden sollte. Die Pfähle und Balken sind herausgenommen und zum Verbrennen leider zersägt und gespalten; es sind jedoch noch mehrere lange Stücke in die Sammlungen gekommen. Das Eichenholz ist im Innern noch ganz fest und schwarz.
Innerhalb dieser Pfähle war der Raum ganz mit festem Pflanzenmoder gefüllt, welcher zahllose Ueberreste von Pflanzen aller Art und von Holz, vielleicht auch Thiermoder enthielt. Dieser Moder ist auf das feste Land gebracht und lag noch im Sommer 1863 in einer Masse von mehrern hundert Fudern auf einer Stelle beisammen. Er enthielt überall große Klumpen von reinem Pflanzenmoder, unter denen
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noch die Fasern von Baumstämmen, auch Wurzeln, Rinden und Zweigen erkennbar waren, und dabei Alterthümer mancherlei Art.
Daß diese Stelle ein Pfahlbau der heidnischen Steinzeit war, ward durch zahlreiche Alterthümer bestätigt, welche sich sowohl gleich beim Ausgraben, als auch hinterher in dem ausgeworfenen Moder fanden.
Zuerst fand sich, als vorzüglicher Beweis, innerhalb der Pfähle eine granitne Handmühle, d. h. ein halbmuldenförmig auf einer Fläche glatt und tief ausgeriebener Granitblock, ungefähr 1 1/2 Fuß lang, gegen 1 Fuß breit und 1/2 Fuß hoch, wie solche im Lande sehr häufig gefunden werden (vgl. Jahrb. XXV, S. 212 flgd.). Leider ist dieser Stein in Abwesenheit des Herrn Seidenschnur von den Maurern beim Ausmauern eines neuen Brunnens unten in demselben vermauert worden.
Daneben und in dem ausgeworfenen Moder fanden sich viele runde oder rundliche Reibsteine und dazu bestimmte zerschlagene, noch rohe Steine, von 3 bis 4 Zoll Durchmesser, auch kleinere, ganz rund geschliffene, aus festem Granit oder altem Sandstein. Es sind bis jetzt 8 abgerundete und abgeriebene Reibsteine und 2 offenbar zu Reibsteinen bestimmte zerschlagene kubische Steine gesammelt. Diese Steine sind ohne Zweifel Reibsteine zum Zermalmen des Getraides und anderer Früchte; vgl. Jahrb. XXIII, S. 276.
Diese Handmühle mit den Reibsteinen innerhalb eingerammter Pfähle beweiset am sichersten das Vorhandensein eines Pfahlbaues, da man nur annehmen kann, daß sie beim Untergange des Pfahlhauses in die Tiefe des Wassers gefallen sei, und es nicht glaublich ist, daß sie hier durch irgend einen andern Zufall verloren gegangen sein könne.
Ferner fanden sich zum Beweise überall zahlreiche Scherben von sehr großen, dickwandigen Töpfen, welche nach heidnischer Weise bereitet und im Innern mit grobem Granitgrus durchknetet sind. Die Töpfe müssen zum Theil sehr groß gewesen sein, da die Schwingungen der Scherben sehr weit sind. Einige Scherben haben die Dicke von fast 3/4 Zoll. Einige sind röthlich gebrannt, andere geschwärzt, auch gehenkelt. Diese großen, dickwandigen Töpfe sind ohne Zweifel Kochtöpfe der Steinzeit, wie sich dieselben ganz genau auch in den Höhlenwohnungen Meklenburgs und in den Pfahlbauten der Schweiz finden.
Bei diesen Scherben fanden sich auch viele Thierknochen, welche, wie die Thierknochen der Höhlenwohnungen,
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alle queer zerhauen sind, um das Fleisch mit den Knochen in die Kochtöpfe bringen zu können.
Außerdem sind bis jetzt an Geräthen gefunden:
ein roh zugehauener Keil aus fettlosem, grauem Feuerstein, von der unvollkommenen Art, wie sie sich in den dänischen Austerschalenbänken finden;
ein dünner, geschliffener Keil aus Feuerstein, von welchem am obern Bahnende etwas abgeschlagen ist;
ein Feuersteinblock, von welchem Späne zu Messern abgeschlagen sind;
eine durchbohrte und geschliffene Streitaxt aus Diorit oder aus feinem Gneis, von Größe und Gestalt, wie Frid. Franc. Tab. XXVIII, Fig. 6;
ein Spindelstein aus gelblich gebranntem Thon, 1 3/4 Zoll im Durchmesser, roh gearbeitet, ganz ähnlich den Spindelsteinen der schweizerischen Pfahlbauten;
ein Mörser aus grauem Basalt, viereckig, 3 1/2 Zoll hoch und 2 1/2 Zoll in der Basis, in den Außenflächen geschliffen und an den Ecken abgeschliffen, mit einem eingeschliffenen Loche von 2 Zoll Tiefe und 1 1/2 Zoll Weite. Mörser ganz gleicher Art, bald von viereckiger, bald von achteckiger Form, einige auch mit einem einpassenden Stöpsel, sind wiederholt in Meklenburg=Schwerin gefunden, ohne daß man sie einer bestimmten Zeit hätte zuweisen können; auch in der Sammlung zu Neu=Strelitz befindet sich ein gleicher achteckiger Mörser.
Endlich fand sich
ein ganz regelmäßig geformtes, kubisches Stück gedörrten Thon, 2 1/2 Zoll groß, die Hälfte eines durchschlagenen Geräthes, welches in der Mitte ein eingebohrtes Loch gehabt hat, vielleicht ein Leuchter, an einer Seite von Rauch geschwärzt.
Um nun die Aehnlichkeit mit den schweizerischen Pfahlbauten zu vervollständigen, läßt sich noch berichten, daß sich wiederholt Schalen von aufgeknackten Haselnüssen in dem Moder fanden.
Auch Pflanzensamen fanden sich in der Tiefe überall und zahlreich zwischen den Schichten des reinen dunkelbraunen Pflanzenmoders, jedoch lagen die Körner nur zersprengt und nicht haufenweise neben einander, so daß sie wohl nicht gut verloren gegangene Massen gesammelten Samens sein konnten, wie in der Schweiz. Es waren ziemlich wohl erhaltene, glänzende, gebliche Kapseln desselben Samens, welcher überall in den Moder eingesprengt war. Es ist nur noch die glänzende Haut des Samens vorhanden; der Kern der Körner ist, wahrscheinlich durch Keimen, verschwunden. Nach der Bestimmung
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des Herrn Professors Röper zu Rostock gehört der Same sicher der Gattung des Potamogeton an, wahrscheinlich dem Potamogeton natans, einer sehr gewöhnlichen Wasserpflanze, welche aus der Tiefe der Gewässer emporkommt und mit ihren Blättern und Blüthen die kleinen Seen und Teiche bedeckt. Diese Samenkörner hangen also nicht mit dem Pfahlbau zusammen.
Es wird aus dem Vorgetragenen sich unzweifelhaft ergeben, daß wir hier einen vollständigen Pfahlbau mit allen Kennzeichen und Eigenthümlichkeiten gehabt haben. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sich im Winter bei der Abfuhr des Moders auf den Acker noch zahlreiche Alterthümer in demselben finden werden. Für die fernere Untersuchung bemerke ich jedoch, daß sich, außer dem ausgeworfenen Moder, an Ort und Stelle nichts weiter mehr findet, als ein kleiner See, und daß in diesem nichts mehr zu sehen und zu untersuchen ist.
Ich bin jetzt fest überzeugt, daß an vielen Stellen im Lande, wo sich im Moor oder Moder steinerne Alterthümer, namentlich Reibsteine, und Holzüberreste finden, Pfahlbauten gestanden haben. So z. B. ist es mir höchst wahrscheinlich, daß in dem dem gägelower sehr ähnlichen Moderlager zu Friedrichshöhe bei Rostock, in welchem auch an 16 Reibsteine und andere Alterthümer gefunden wurden, ein Pfahlbau gestanden hat (vgl. Jahrb. XXIII, S. 276, und XXIV, S. 265), und daß die Funde aus dem Sühring=Moor bei Bützow, welche in dem Anhange zu dieser Abhandlung wieder zusammengestellt sind, ebenfalls von einem Pfahlbau herstammen.
Geschrieben im Mai 1863.
Von großer Wichtigkeit sind die bisher in diesem Pfahlbau gefundenen Thierknochen. Ich sandte deshalb dieselben an den Herrn Professor Rütimeyer zu Basel, welcher sich darüber folgendermaßen brieflich äußert.
"Die bisher gefundenen Thierknochen von Gägelow sind folgende:
Rind: Bos Taurus, Kuh, und zwar Hausthier:
1 Stück vom rechten Schienbein,
2 Stücke vom linken Oberarm,
1 rechtes Schulterblatt,
1 Fersenbein von einer kleinen Kuh, ohne Zweifel Bos Brachyceros, unzweifelhaft benagt, wahrscheinlich von Thieren;
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Pferd: Equus Caballus:
linke Beckenhälfte,
1 Stück vom rechten Oberschenkel,
dritter unterer rechter Backenzahn,
Eckzahn eines männlichen Pferdes;
Ziege: Capra Hircus:
Vorderarmknochen, linke Speiche.
Ueber das Rind, Die Skeletstücke gehören durchweg kleinen Thieren an, einige auch noch jungen Thieren (die beiden Oberarmknochen), einem sehr kleinen erwachsenen Thiere das Schulterblatt, einem mittelgroßen Thiere das Schienbein. Ueber Race lassen die Knochen, außer dem Schädelstücke nichts vermuthen, unzweifelhaft aber gehören sie zahmen Thieren an. Das Schädelstück stammt von einem größeren Thiere, als alle anderen Knochenstücke, und ebenfalls von einem Hausthiere. Die Race ist jedenfalls durchaus nicht mehr rein, sondern aus mehrern Quellen gemischt. Im Ganzen trägt das Schädelstück den Typus der Primigenius=Race; dies geht hervor aus dem breiten Ansatz des Hornzapfens an die Stirne, der derben Textur des Hornzapfens und den starken Furchen an deren Hinterrand. Allein die reinen Primigenius=Schädel haben eine vollkommen flache Stirn mit gerader Hinterhauptskante, niedrigerem Stirn= (Occipital=)Wulst und geringere Diploë des Schädels, dabei weniger abgeplattete Hörner und steilere Emporrichtung ihrer Spitzen. - Alle diese letzteren Eigenthümlichkeiten, namentlich aber die gewaltige Diploë und die Depression der Hornzapfen und die Kantenbildung am hintern Umfange der letztern sind sonst bei der Frontosus-Race zu Hause, so daß ich eine Mischung von Bos Primigenius mit Bos Frontosus in diesem Schädel vermuthe, jedoch offenbar mit Vorwiegen des erstern. Hiergegen spricht nur ein Umstand, der sehr dichte Hornansatz und das offenbar sehr schmale Hinterhaupt; allein beides finde ich, trotzdem daß ein Einfluß von Bos Frontosus das Occiput den Bos Primigenius noch breiter machen sollte, doch bei recenten Schädeln, welche ich ebenfalls einer ähnlichen Mischung von Bos Primigenius und Bos Frontosus zuschreibe. Es stimmt nämlich das Schädelstück von Gägelow vortrefflich zu Schädeln der jetzigen Westerwälder und Vogelsberger Race, die ich beurtheile als eine mit Bos Frontosus gemischte Primigenius-Race. (Ueber Bos Primigenius vgl. unten: Zur Naturkunde, Rinderskelet von Malchin.)
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Ueber das Pferd. Die vorliegenden Ueberreste gehören einem kleinen Schlage an, welcher kleiner war, als das arabische Pferd; allein sie bieten durchaus nichts dar, was zu einem eingehenden Urteil berechtigen dürfte.
Ueber die Ziege, von der nur ein Knochen vorhanden ist, läßt sich sagen, daß es ein ziemlich ansehnliches Thier war."
In seiner gedruckten Fauna der Pfahlbauten der Schweiz sagt Rütimeyer über die
S. 127: "In den ältern Pfahlbauten der Schweiz überwiegt die Ziege das Schaf in Menge in unverkennbarem Grade, nach den neuern hin kehrt sich das Verhältniß um. Es fällt dies insofern auf, als die historischen Nachrichten über unsere Hausthiere das Schaf überall mit dem ältesten Hausthier, der Kuh, erwähnen, wahrend die Ziege erst viel später genannt wird. - Die Reste weisen auf ein Thier, das von der in der Schweiz so allgemein verbreiteten gewöhnlichen Race heutiger Ziegen nicht im geringsten abwich und, wie diese, in Größe nicht sehr viel variirte."
"Sollte man nach den wenigen Resten irgend einen Schluß ziehen dürfen, so wäre er, spätere Funde vorbehalten, folgender. Die Sammlung enthält:
1) nur Hausthiere,
2) keine reine Viehrace,
3) dabei Pferd und Ziege.
Wenn nicht noch zu erwartende Funde dieses Resultat ändern, so erscheint, im Vergleich zu den schweizerischen Resultaten, diese Knochenablagerung relativ sehr jung, jedenfalls viel jünger, als das Steinalter in der Schweiz, wo Hausthiere nur spärlich und nur in reinen, den Stammthieren höchst ähnlichen Racen sich finden, auch das Pferd wahrscheinlich als Hausthier fehlt. Auch in anderer Beziehung weicht die kleine Sammlung von Gägelow von den schweizerischen Pfahlbauüberresten ab. In diesen ist keine Spur von Bos Frontosus.
Dennoch, schreibt Rütimeyer weiter, muß ich das Fragment von dem Stierschädel durchaus für alt halten, und von demselben Alter, wie alle andern dort gefundenen Thierknochen. Es hat vollkommen die Farbe, Textur, Schnittspuren und, was nicht ohne Interesse ist, die gleichen Umfangsverhältnisse, wie unsere Torfknochen, und es müßte ein auffallender Zufall sein, wenn neben den andern Knochen ein solches Hornstück, so zerbrochen, so zugeschnitten, so er=
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halten, aus späterer Zeit hinzugekommen wäre. Daß neuere Knochen auch diese Farbe tragen könnten, bezweifle ich zwar nicht, aber die Schlachter hatten schon damals ihre bestimmten Zerlegemethoden, eben so gut wie die unsrigen, aber verschieden von diesen."
Das Resultat der ganzen Untersuchung wird nun dahin ausfallen, daß der Pfahlbau von Gägelow der jüngsten Zeit der Steinperiode angehört. Daß er überhaupt noch in die Steinperiode fällt, geht daraus unwiderleglich hervor, daß sich, außer den thönernen Geräthen mit dem Charakter der Steinperiode, nur steinerne Geräthe finden und Metall ganz fehlt. Dagegen scheinen die Thierknochen zu sprechen, welche alle nur Hausthieren, und darunter dem Rind von gekreuzter Race, angehören. Jedoch sind die Thiere und Racen noch alt, und man muß im Norden vielleicht ein anderes Verhältniß vermuthen, als in der Schweiz, wo in den Pfahlbauten der Steinperiode das uralte Rind von der Frontosus-Race ganz fehlt. Für die Steinperiode spricht vorzüglich die oben beschriebene Höhlenwohnung von Dreveskirchen, welche dieselben Thierknochen enthält, aber nach allen Geräthen sicher in die Steinperiode fällt. Das Vorkommen der Ziege als Schlachtvieh in Gägelow spricht jedenfalls für eine alte Zeit und weist die Vermuthung zurück, als könnten die Knochen durch Zufall in den Sumpf gerathen sein. Jedoch wird man einräumen müssen, daß der Pfahlbau von Gägelow der jüngsten Zeit der Steinperiode angehört, da in demselben schon eine durchbohrte Streitaxt von einer jüngern und schönern Form, als der einfachen Form der Steinperiode, vorkommt, welche die dänischen Forscher nach mannigfachen Erfahrungen schon der Bronzeperiode zuschreiben.
Im Herbst des Jahres 1863 ließ Herr Büsch im Auftrage des Vereins unter seiner Aufsicht einen großen Theil des ausgeworfenen Moders, der sich sehr hart gelagert hatte, umstechen und fand dabei noch viele Alterthümer, welche die ausgesprochene Ansicht vollkommen bestätigen. Diese sind:
1 breiter Keil aus bräunlichem Feuerstein, an allen vier Seiten sehr regelmäßig und gut geschliffen, jedoch am obern Ende verstümmelt und vielfach zerschlagen;
1 breiter Keil aus bräunlichem Feuerstein, an beiden breiten Seiten geschliffen, am obern Ende ebenfalls verstümmelt und an einer Seite vielfach zerschlagen.
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Ueberhaupt scheinen die meisten steinernen Geräthe durch häufigen Gebrauch vielfach gelitten zu haben und durch Rauch gebräunt zu sein.
Ferner fand sich:
1 Dolch aus geschlagenem grauen Feuerstein, mit viereckigem Griff, vollständig;
1 Dolch aus geschlagenem grauen Feuerstein, mit viereckigem Griff; die Hälfte der Klinge fehlt;
1 Stück von einer langen, schmalen, geschliffenen Streitaxt aus Gneis; dieses Bruchstück, die Spitze, ist ein Viertheil einer Streitaxt, 5 1/2 Zoll lang, 1 Zoll hoch und 1/2 bis 3/4 Zoll breit; die Streitaxt ist nicht nur im Schaftloche durchbrochen, da noch ein Theil des ausgeschliffenen Bohrloches vorhanden ist, sondern die lange Spitze ist auch der Länge nach gespalten;
3 Bruchstücke von Feuerstein=Spänen oder Messern; auch diese sind zerbrochen und nach den stumpfen Schneiden offensichtlich gebraucht;
1 scheibenförmiges, abgeschlagenes Stück Feuerstein von 2 Zoll Durchmesser, wie sich dergleichen auf Feuersteingeräthfabrikstätten auf Rügen häufig finden.
Ferner fanden sich Bruchstücke von bearbeiteten hölzernen Geräthen, welche fast das Ansehen und den Geruch von Braunkohle haben.
Endlich fanden sich noch ungewöhnlich viele Topfscherben, alle sehr stark und mit grobem Granitgrus durchknetet; einige haben eine braune Farbe, andere sind röthlich gebrannt. Viele Bodenstücke und Seitenstücke sind sehr dick, so daß sie sichtlich von sehr großen und starken Kochtöpfen stammen. Andere Seitenstücke und Randstücke, auch mit kleinen Henkeln, sind dünner und scheinen zu Krügen gehört zu haben. An einigen Bodenstücken und Seitenstücken sitzen inwendig schwarze, zähe Massen, als wären dies Ueberreste oder Niederschlag von gekochten Speisen. Einige wenige Scherben gehören zu kleinen Krügen von feiner Masse, dünnen Seitenwänden, gleichmäßig dunkelschwarzer Farbe, glänzender Politur; ein Randstück, das einzige mit Verzierung, zeigt feine, eingeritzte, parallele Schräglinien; diese Stücke gleichen ganz manchen feinen schwarzen Begräbnißurnen der Bronzeperiode.
Aus diesen vervollständigenden Funden läßt sich mit noch größerer Sicherheit schließen, daß der Pfahlbau von Gägelow der jüngsten Zeit der Steinperiode angehört.
Geschrieben im November 1863.
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Am 14. December 1863 nahm der Herr Büsch wieder eine Nachsuchung in der ausgeworfenen Modde vor und fand wieder:
1 Reibstein aus feinkörnigem Granit, fast regelmäßig rund abgerieben, 4 Zoll im Durchmesser;
1 Reibstein, eine fast regelmäßige Kugel von Feuerstein, 2 Zoll im Durchmesser, völlig glatt, wahrscheinlich Geröll vom Meeresstrande;
1 Keil aus bräunlichem Feuerstein, auf den beiden breiten Seiten ganz, auf den beiden schmalen Seiten gar nicht geschliffen, an der Schneide überall abgesplittert;
1 Keil aus hellgrauem Feuerstein, welcher ausnahmsweise an beiden Enden scharf und auf der ganzen Oberfläche geschliffen, aber durch vielen Gebrauch überall vielfach zerschlagen ist;
1 kleine Streitaxt aus Diorit, völlig zugerichtet, aber noch nicht geschliffen und in der Bohrung des Loches an beiden Seiten mit konischen Vertiefungen angefangen, jedoch noch nicht durchbohrt;
1 roh zugehauener kleiner Feuersteinblock, von welchem rund umher Späne zu Messern und Pfeilspitzen abgehauen sind.
Im März 1864 beim Aufthauen der Modde suchte Herr Büsch wieder in der ausgeworfenen Modde und fand wieder:
1 Reibstein aus feinkörnigem Granit,
1 Keil aus Feuerstein, ebenfalls bräunlich von Farbe, am obern Ende vielfach zerschlagen, am untern schräge und scharf geschliffen, und
1 Granitplatte aus grobkörnigem Granit, ungefähr 2 1/2 Zoll im Quadrat und 1 Zoll dick, auf einer Fläche ganz glatt geschliffen.
So weit waren die Untersuchungen an Ort und Stelle gediehen, als der Druck der vorstehenden Forschung, welche wegen ihrer Wichtigkeit nicht länger zurückgehalten werden durfte, beginnen mußte. Es läßt sich vermuthen, daß sich im nächsten Frühling und Sommer in dem noch lagernden Reste der Modde noch Alterthümer finden werden. Aber der bisherige Fund ist mehr als hinreichend, um den Pfahlbau über alle Zweifel zu erheben.