zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 359 ] zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen
Inhalt:

B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.


 

 

 

Da die Geschichte der Stadt Plau in den Jahrbüchern für Geschichte nicht abgekürzt und getheilt werden konnte, so haben in diesem Jahre nur die wichtigern Erscheinungen und Forschungen auf dem Gebiete der Alterthumskunde hier zum Druck kommen können und werden die übrigen, noch vorhandenen erst im nächsten Jahre mitgetheilt werden.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 360 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 361 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

I. Zur Alterthumskunde


im engern Sinne.

1. Vorchristliche Zeit.

a. Im Allgemeinen.


Die heidnischen Alterthümer des Fürstenthums Lüneburg.

N achdem wir in Meklenburg zu einer klaren und bestimmten Ansicht der heidnischen Alterthümer dieses Landes gekommen sind, ist es unser eifriges Bemühen gewesen, zu erforschen, wie weit die hier ausgeprägte Cultur über die Nachbarländer reicht. Es ergeben sich aus dieser Vergleichung sehr interessante Resultate, und die Urgeschichte Deutschlands wird erst dann eine sichere Grundlage erhalten, wenn die heimischen Alterthümer weit genug gegen Süden und Osten durchforscht sind. Die heidnischen Alterthümer Norddeutschlands erhalten dadurch eine so große Bedeutung, daß sie frei sind von fremden Einflüssen und sich in den Perioden ihrer Entwickelung klar herausstellen, während z. B. in Süddeutschland die Forscher mit der mühsamen Ausscheidung des Fremden noch vollauf zu thun haben. Die norddeutschen Alterthümer werden daher aus diesem Grunde vorzüglich den Maaßstab geben müssen für das, was deutsch oder nicht deutsch ist, und für den Unterschied der Cultur der einzelnen Völkerschaften Deutschlands unter sich.

Wenn man von einer Gleichheit der Alterthümer redet, so muß man darunter eine völlige Identität und Congruenz verstehen. Aehnlichkeiten, auffallende Aehnlichkeiten, ja selbst Identität in einzelnen Stücken finden sich überall und aus allen Zeiten; so sind z. B. die Feuersteinkeile der Urbewohner des germanischen Nordens und der heutigen Bewohner Australiens in Material und Form identisch, aber die meisten andern

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 362 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Geräthe dieser Völker sind von einander abweichend. Die Bedürfnisse der Völker auf ihren verschiedenen Culturstufen sind gleich; wir finden daher durchschnittlich immer dieselben Geräthe wieder, freilich aus sehr verschiedenen Zeiten; die oft bedeutsamen Abweichungen bestehen oft nur in einer geringen Abweichung der Umrißlinien der Geräthe oder ihrer Verzierung

Betrachten wir die Alterthümer des germanischen Nordens, so finden wir, daß die Alterthümer aus den beiden ältesten Perioden, der Steinperiode und der Bronzeperiode, in Meklenburg, Vorpommern, Rügen, Prignitz, Kurmark, Altmark, Lauenburg, Holstein und ganz Dänemark völlig gleich sind. Die Alterthümer der Eisenperiode, welche ohne Zweifel slavisch ist, läßt sich bis jetzt eben so klar verfolgen; der jüngere Abschnitt derselben charakterisirt sich in Meklenburg vorzüglich durch die großen, schalenförmigen Urnen, welche mit fortlaufenden, aus scharfen, viereckigen (durch ein laufendes, gezahntes Rad hervorgebrachten ?) Punkten gebildeten Linien in Mäander = und Hammerformen verziert sind und eine tiefe, gleichmäßig kohlschwarze Farbe auf der Außenfläche haben. Diese Urnen mit der ganzen Cultur ihrer Zeit finden sich in Dänemark nicht; sie finden sich dagegen bestimmt in Mecklenburg = Schwerin, im hamburgischen Gebiete, in Holstein nur bis nach Wagrien hinein, in den nördlichen Gegenden der Prignitz und Mittelmark und in der Altmark: sind also ein bestimmtes, charakteristisches Zeichen des westlichsten Wendenvolkes.

Die Alterthümer des wichtigen Fürstenthums Lüneburg waren bisher noch nicht klar erkannt, weil in den nördlichen überelbischen Ländern häufig die unter einander oft sehr verschiedenen Alterthümer aus allen Theilen des jetzigen Königreichs Hannover zusammengebracht werden. Es wird jetzt aber möglich sein, eine bestimmte Ansicht zu gewinnen.

Der Herr Baumeister und Eisengießereibesitzer Wellenkamp zu Lüneburg, ein ungewöhnlich glücklicher, einsichtsvoller und vorurtheilsfreier Sammler, besitzt eine vortreffliche, reiche Sammlung heidnischer Alterthümer des Fürstenthums Lüneburg. Er ist so glücklich gewesen, hinreichendes Material aus allen 3 Hauptperioden der heidnischen Vorzeit zusammenzubringen und hat dabei die verständige Vorsicht gebraucht, den Inhalt der einzelnen Funde zusammenzuhalten. Aus dem Inhalte dieser seltenen Sammlung ergiebt sich nun, daß die heidnischen Alterthümer des Fürstenthums Lüneburg aus allen 3 Perioden, der Stein =, Bronze = und Eisenperiode, mit den heidnischen Alterthümern Meklenburgs völlig gleich sind

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 363 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

es finden sich dort, wie hier, zu allen Zeiten dieselben Geräthe, dieselben Materiallen, dieselben Formen. Auch die mit Punktlinien verzierten Urnen der Eisenperiode werden im Lüneburgischen gefunden, freilich läßt sich noch nicht mit Bestimmtheit angeben, wie weit gegen Westen hin. - Dieses aus dem Studium einer Sammlung und der Belehrung des Sammlers gewonnene Resultat hier niederzulegen, ist der Hauptzweck dieser Zeilen.

G. C. F. Lisch.


Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 364 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

b. Zeit der Hünengräber.


zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Hünengrab von Maßlow.

Bei der Seltenheit ergiebiger Aufdeckungen von Gräbern der Steinperiode wird es willkommen sein, den zuverlässigen Bericht des Herrn Candidaten Kossel über das Hünengrab von Maßlow zu vernehmen, dessen Inhalt in die Vereinssammlungen gekommen und in Jahrb. XVI, S. 253, beschrieben ist.

Das Grab, in welchem die Alterthümer gefunden sind, gehörte zu den größten und besten im Lande und lag 140 Schritte weit von einem Moore und 10 Schritte vom Wege. Es hatte eine ovale Grundform und war 40 Fuß lang, 20 Fuß breit und einige Fuß hoch, umgekehrt muldenförmig und, wie gewöhnlich, mit 4 großen Steinen bedeckt, welche ursprünglich wohl auf Stützsteinen gestanden hatten, bei der Abtragung aber alle fest auf der Erde lagen; neben den Decksteinen ragten mehrere Stützsteine aus dem Grabe hervor. Die 4 Decksteine hatten folgende Größen:

1) 7' lang und sehr schmal,
2) 8' lang, 8' breit,
3) 8 1/2' lang, 5' breit,
4) 7' lang, 3 1/2' breit.

An einem Ende lag noch ein, wie es scheint, zerbrochener Stein, dessen Bruchstücke zusammen 7' lang waren.

In dem Grabe fand sich:

1) eine kleine cylinderförmige Urne, welche freilich zerbrochen war, sich jedoch wieder zusammensetzen ließ, und
2) ein kurzer und dicker Keil aus Feuerstein,

wie diese Sachen in Jahrb. XVI, S. 253, beschrieben sind.

Ein zweites Grab, in der Nähe des ersten, welches auch zerstört, aber nicht ganz abgetragen ist, war ebenfalls von ovaler Gestalt und 50 Fuß lang und 30 ' breit und mit großen Steinpfeilern umstellt. Die Decksteine waren mehr oder weniger eingesunken. Nur der größte, in der Mitte, ward von 4 Steinen getragen, lag hohl, so daß man darunter weg kriechen konnte, und war 13' lang und 4' breit.

G. C. F. Lisch.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 365 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Wurfspießspitze

aus Feuerstein, 3? lang, oben 1 1/4? breit, gefunden zu Viecheln bei Gnoien im Acker, geschenkt von dem Herrn von Kardorff auf Remlin zu Gnoien. Dieses Geräth ist sehr selten und in diesem Exemplare zuerst in Meklenburg beobachtet. Es ist, wie es scheint, die flache, fast überall nur 1/4?dicke, abgebrochene Spitze eines Dolches, welche nach dem Bruchende nach oben hin noch mehr abgeflacht ist; sie ist oben an jeder Seite grade gegenüberstehend mit einem mehr leichtfertig gearbeiteten, kleinen Ausschnitte versehen, um sicherer in einem gespaltenen Schafte festgebunden werden zu können. In den amerikanischen Ländern finden sich solche steinerne Wurfspieß = oder Harpun = Spitzen häufiger.

G. C. F. Lisch.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Schleifstein von Dreweskirchen.

Der Herr Koch aus Dreweskirchen fand auf dem Felde zu Dreweskirchen, in einer Gegend, wo auch öfter Feuersteinspäne gefunden werden, einen großen Schleifstein für Feuersteingeräthe. Der Stein ist ein roth und weiß wellenförmig geaderter Block aus sogenanntem "alten, rothen Sandstein", aus welchem stets solche Schleifsteine bestehen. Der Stein hat einen rhomboidischen Durchschnitt von etwa 4 Zoll Durchmesser, ist 1 Fuß lang und 14 Pfund schwer. Er hat der Länge nach auf 2 Seiten 2 ausgehöhlte Schleifflächen von 4 Zoll Breite; die beiden andern Flächen sind noch rauh. An einer Kante läuft eine ganz grade Schleifrinne von 3/4? Breite (zum Schleifen der Schmalmeißel ?) entlang. - Steine dieser Art sind sehr selten.

G. C. F. Lisch.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Schleifstein von Langhagen.

Zu Langhagen bei Krakow ward ein fester, hellgrauer Sandstein in der Gestalt eines etwas zugespitzten Cylinders von 4? Länge und 1 3/4? Durchmesser gefunden; die Oberfläche ist fast regelmäßig zehnseitig und rauh. Nur zwei von diesen zehn Flächen sind völlig glatt geschliffen. Dieser Stein, welcher zu der Gattung des "alten rothen Sandsteins" gehört, war ohne Zweifel ein noch nicht lange in Gebrauch gewesener Schleifstein für die Steingeräthe zur Zeit der Steinperiode. Gewöhnlich sind diese Schleifsteine von rother, jedoch auch mitunter von hellgrauer Farbe. Man vgl. Jahrb. X, S. 269: Schleifstein von Rambow. Der Stein von Langhagen ward dem Verein durch den Herrn Pächter Haupt zu Carlsdorf bei Teterow geschenkt.

G. C. F. Lisch.


Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 366 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

c. Zeit der Kegelgräber.


zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Goldene Spiralen von Göhlen.

Zu Göhlen bei Ludwigslust wurden im Frühling des J. 1851 bei Anfertigung einer Koppelbefriedigung 3 goldene Spiralen, aus messinggelbem, also reinem Golddrath, von der Dicke eines starken Drathes gefunden, welche auseinander gereckt und in diesem Zustande zusammen 2 bis 2 1/2 Ellen lang waren. Nach dieser aus zuverlässiger Quelle uns zugegangenen Beschreibung waren diese Spiralen ohne Zweifel denen zu Röcknitz bei Dargun im J. 1849 gefundenen ganz gleich; vgl. Jahrb. XV, S. 269 flgd. - Leider sind diese Ringe, trotz aller Verbote und Vorkehrungen, wieder in die Hände handelnder Juden gekommen, haben manche Unannehmlichkeit bereitet und wohl endlich ihren Untergang in irgend einem Schmelztiegel gefunden, wie der große Goldring von dem nahen Bresegard (Jahrb. IX, S. 383), welcher ebenfalls Unannehmlichkeiten genug bereitet hat.

Schon früher wurden zu Göhlen bronzene Alterthümer aus der Zeit der Kegelgräber und in dem benachbarten Warlow geflochtene Goldfäden gefunden; vgl. Friderico - Francisceum, Erläuterung, S. 53 und 62.

G. C. F. Lisch.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Krone von Wieren,


im Herzogthume Lüneburg.

In Jahrb. XIV, S. 315 - 317, sind die drei bronzenen Kronen beschrieben, welche die schweriner Alterthümer = Sammlungen besitzen. Den Ruhm, den diese reichen Sammlungen bisher auch dadurch hatten, daß sie allein auf dem Continente vaterländische Kronen aus den verschiedensten Zeiten der Bronzeperiode besaßen, müssen sie jetzt mit einer sehr schönen Privatsammlung von vaterländischen Alterthümern theilen, welche der Herr Baumeister und Fabrikbesitzer Wellenkamp zu Lüneburg besitzt (vgl. oben S. 362). Der Herr Wellenkamp besitzt nämlich auch eine voll gegossene Zackenkrone von Bronze, welche der meklenburgischen Bronzekrone von Trechow (abgebildet in Friderico-

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 367 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Francisceum Tab. XXXII, Fig. 1, und Jahrb. X, S. 273, und XIV, S. 316) an Metall, Guß, Größe, Gestalt und Einrichtung in jeder Hinsicht völlig gleich ist. Diese Krone ist in dem Herzogthume Lüneburg, Landdrostei Lüneburg, Amt Bodenteich, zu Wieren, zwischen Emern und Wieren auf wierener Gebiete, nahe bei einem alten Grabe, in einem Torfmoor gefunden und daher ohne Rost. Wie alle lüneburgischen Alterthümer aus allen Perioden den meklenburgischen völlig gleich sind, so auch diese Krone. Etwa ein Drittheil ist abgeschnitten und dreht sich um ein Charnier zum Oeffnen; über dem Charnier ist eine verzierte Spitze, wie an den Schweriner Kronen. Der Reif hat 14 Zacken. Der äußere Durchmesser ist 5 7/8?, die Höhe bis zur Spitze der Zacken 1 1/4?, der Reif ist 1/2? dick. Die Schwere beträgt 1 Pfd. 21 Loth hannoversch Gewicht.

Unser Verein besitzt eine getreue Abbildung dieser Krone durch Geschenk des Herrn Wellenkamp.

G. C. F. Lisch.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Kegelgrab von Alt = Schwerin.

Zu Alt = Schwerin wurden unter einer Erhöhung neben zerbrochenen Urnen viele bronzene Armringe gefunden, welche durch Vergleichung an Interesse gewinnen. Mehrere dieser offenen Armringe sind von dünnem, fingerbreiten, auch wohl schmäleren Bronzeblech und an jedem Ende mit einem dreieckigen Loche versehen; andere sind voll gegossen und sehr dünne, ebenfalls geöffnet und an den Enden mit einer stumpfen Ausweitung verziert. Die Bronze ist etwas hell. Durch alle diese Eigenthümlichkeiten lassen sich diese Bronzen mit denen bei Ludwigslust gefundenen (Jahrb. II, S. 44 - 47) vergleichen, welche offenbar in die letzte Zeit der Bronzeperiode fallen, um so mehr, da neben denselben auch Eisen gefunden wird.

Der Herr Gastwirth Dalitz zu Malchow, welcher den größten Theil des Fundes an sich gebracht hat, hat dem Vereine von jeder Art von Ringen ein Exemplar geschenkt.

G. C. F. Lisch.


Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 368 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

d. Zeit der Wendengräber.


zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Wendenkirchhof und alte Geschichte von Dreweskirchen.

Im Februar 1851 entdeckte der Herr Gutsbesitzer Koch auf Dreweskirchen bei Anlegung eines neuen Weges einen Wendenkirchhof und lud mich freundlichst ein, im Interesse unsers Vereins die Leitung der Erdarbeiten zu übernehmen. Leider fand ich nicht viel mehr, als was der Herr Koch beim ersten Angriffe der Arbeit selbst gefunden hatte, jedoch giebt die Untersuchung der Oertlichkeiten und die sichere Feststellung der Gräber manche höchst interessante Ergebnisse.

Südlich von den Arbeiterwohnungen des Hofes Dreweskirchen erhebt sich unmittelbar und in bedeutender Erhebung ein sandiger Höhenzug, welcher mit Tannen besetzt ist und die tiefere und flachere Gegend bis zum Meere beherrscht; von diesem Berge überschauet man gegen Norden hin die ganze Ausdehnung des lang gestreckten Gutes Dreweskirchen und der angrenzenden Güter bis zum Binnenwasser der Ostsee. Unmittelbar am Fuße dieses Berges liegt Dreweskirchen.

An diesem Berge lassen sich alle gottesdienstlichen und geschichtlichen Verhältnisse des Gutes und der Gegend klar und übersichtlich erkennen.

Der germanische Begräbnißplatz

liegt, wie gewöhnlich, auf der Höhe des Berges. Hier liegen in den Tannen mehrere Kegelgräber von etwa 4 bis 5 Fuß Höhe und kleinere Begräbnisse aus der Bronzeperiode in kaum merklichen Erhebungen.

Hier fand der Herr Koch nahe bei einem ausgebildeten Kegelgrabe unter einem unbedeutenden Haufen Erde eine ziemlich große, zwischen einige Steine verpackte Urne von ungefähr 8? Höhe, offenbar aus der Bronzeperiode. Die Wände sind sehr dick, die Masse ist mit grobem, zerstampften Granit durchknetet, die Oberfläche ist ganz höckerig und rauh und noch nicht mit geschlemmtem Thon überzogen, wogegen die innere Fläche geglättet ist. Der Herr Koch hatte die Urne, so wie er sie aus

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 369 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

der Erde gehoben hatte, aufbewahrt; ich räumte sie aus, fand aber darin nichts weiter, als die Gebeine eines Kindes: die Schädelbeine sind nur gegen 1/8? dick. Hieraus erklärt sich die geringe Mühe, die man sich bei der Verfertigung der Urne und dem Grabhügel gegeben hat.

Der wendische Begräbnißplatz

liegt ganz nahe bei dem germanischen Begräbnißplatze und an dem nördlichen Abhange des Berges.

Hier hob der Herr Koch eine Urne von dem ausgebildeten Charakter der Urnen der Wendenkirchhöfe aus, welche leider zerfiel, jedoch noch in den Scherben erhalten ist. Die Urne war schalenförmig, unten spitz und oben weit, glatt und pechschwarz, ganz mit viereckigen Punctlinien verziert, unter dem Rande mit den bekannten mäanderförmigen Verzierungen. In der Urne lag viel schwarze Brandasche und in derselben fand man zwei Hefteln aus Bronze von der bekannten Form der Hefteln in den Wendenkirchhöfen, jedoch ziemlich groß, und ein platter Spindelstein von gebranntem Thon: das Begräbniß war ohne Zweifel ein weibliches.

Nicht weit davon stand eine zweite, ebenfalls zerfallene braune Urne, welche eine rauhe Oberfläche hatte und mit einer feinen, glatten Deckschale zugedeckt war. Diese Urne hatte nach allen diesen Kennzeichen einen älteren Charakter und stammt ohne Zweifel aus der ältesten Zeit der Eisenperiode, oder aus dem Uebergange von der Bronze = Periode zur Eisen = Periode. In der Asche fand sich ein kleines prismatisches Stück von einem feinen, geglättenen Knochen, 3/4? lang und 1/4? dick, auf dessen einen ausgeschliffenen Fläche Winkel eingeritzt ist.

Diese Funde ließen vermuthen, daß ein ganzer, großer Wendenkirchhof aufgedeckt werden könne. Leider aber waren dies nicht die ersten, sondern die letzten Ueberreste des Begräbnißplatzes; es fanden sich bei der Abtragung keine Alterthümer mehr. Jedoch waren überall weithin die Brandstellen in der Erde zu verfolgen und Urnenscherben zu finden. Unter andern fand sich das Randstück einer fast roth gebrannten Urne von 3/4? Dicke. Wahrscheinlich hat die Holzcultur alles vernichtet, und nicht allein diese, sondern auch die christliche Cultur.

Der christliche Begräbnißplatz

liegt nämlich unmittelbar an dem Wendenkirchhofe; auf dem Abhange steht die Kirche mit dem Kirchhofe, die Pfarre und die Küsterei; letztere liegt vielleicht noch auf dem Wendenkirchhofe;

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 370 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

in der Tiefe liegt das Dorf. In der Ebene finden sich die Ueberreste der Steinperiode; seit der Bronzeperiode zog sich die Cultur auf die Höhen.

Man sieht hier klar, daß die neue Bevölkerung und die neuere Cultur ihre gottesdienstlichen Stellen immer unmittelbar an die ältere lehnte.

Die Kirche und Pfarre zu Dreweskirchen

sind ohne Zweifel auf heiligem heidnischen Boden gebauet und gaben dem germanisch = christlichen Dorfe den Namen.

Unmittelbar an den Häusern von Dreweskirchen, nur durch einen Bach von diesem getrennt, liegt das Dorf Blŏwâtz, sicher ein altes wendisches Dorf, welches darauf das Kloster Doberan erhielt und zu den doberaner Höfen Farpen und Redentin in der Verwaltung gehörte: von Blŏwâtz bis gegen Wismar war alles doberaner Klostergut. Das mit Blowatz zusammenhangende Dorf Dreweskirchen hieß vor dem J. 1229 Gardeskendorf und war wohl eine westphälische Colonie neben dem wendischen Blowatz. Gardeskendorf gehörte in alter Zeit noch zur Pfarre Neuburg, welche bis an die Ostsee reichte. Die Pfarre zu Neuburg gehört zu den ältesten im Lande, der Pfarrer von Neuburg war schon 1219 im Gefolge des Fürsten Borwin I. Bald klagten aber die "Leute an der See im Kirchspiel Neuburg", daß sie zu weit von der Kirche entfernt seien, und baten um die Vergünstigung, daß sie sich auf ihre Kosten zu Gardeskendorf eine Kirche, welche Filial von Neuburg bleiben sollte, bauen könnten. Dies bewilligten im J. 1229 der schweriner Bischof und die Landesherren 1 ). Diese Kirche, welche ohne Zweifel auf ehemaligem, heiligen heidnischen Grund und Boden erbauet ward, ward die Oedeskirche genannt. Und von der Kirche erhielt nun das Dorf Gardeskendorf den Namen zur Oedeskirche oder plattdeutsch: Tôr Oedeskerken, d. h. Tôr contrahirt aus: To der (Zu der). Dieser Name ward nun sehr viel abgekürzt in Tôr Oeskirchen, Roeskirchen und Drewskirchen. Im J. 1318 ward die Tochterkirche Oedeskerke, weil sie einen eigenen Pfarrer bequem erhalten könne, zur Mutterkirche erhoben 2 ) und erhielt einen ziemlich großen Sprengel.

Was der Name Oedeskirchen, welcher immer Odeskerke oder Oedeskerke geschrieben wird, bedeute, ist wohl schwer zu ermitteln; ich glaube kaum, daß das Wort "die Oede (so-


1) Vgl. Lisch Meklenb. Urk. III, S. 77, Jahrb. VII, S. 171 und 302.
2) Vgl. v. Westphalen Mon. ined. III, p. 1603.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 371 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

litudo)" im 13. Jahrh. plattdeutsch war; möglich ist es, daß nach einer jungen Sage der Name von Odin herkommt, da der Umlaut des O regelmäßig ist und z. B. im Friesischen auch das auslautende - n von diesem Namen abgeworfen wird.

Die Kirche zu Dreweskirchen,

deren Gründung im J. 1229 bewilligt ward, ist ein gut gebauetes Gebäude im Uebergangsstyl, zwar nur einfach, aber sehr tüchtig gebauet. Vielleicht ist es nicht die allererste Kirche, welche wohl aus Holz gebauet gewesen sein mag; aber sie wird doch in den nächsten Zeiten nach 1229 gebauet worden sein. Sie besteht aus einem Chor von einem Gewölbe und einem Schiffe von zwei Gewölben, von großen und harmonischen Verhältnissen, und einem Thurme. An jeder Seite stehen unter jedem Gewölbe zwei, in der graden Altarwand drei gekoppelte Fenster im Uebergangsstyle, schmal eingehend und leise gespitzt. Vom Rundbogenstyl ist nichts weiter übrig geblieben, als die Lissenen. Der Fries scheint in jüngern Zeiten verändert worden zu sein. Der Ostgiebel ist geschmackvoll mit Nischen verziert. Der ganze Bau, an Mauern und Gewölben, ist sehr tüchtig.

Im Innern ist alles Alte verschwunden. Der ganze Schmuck ist aus der Zeit des vorigen Jahrhunderts. An den Wänden hangen einige große Epitaphien in kunstvoller Arbeit und ein Harnisch aus dieser Zeit. Vor dem Altare liegen mehrere große Leichensteine, welche aber ganz abgetreten sind. Auf dem einen ist unten rechts noch das Wappen der ausgestorbenen, adeligen Familie vom See (auf Damekow), mit drei Seeblättern unten und einer Spitze oben im Schilde, und links das Wappen der von Oertzen zu erkennen. Die Altarplatte, welche ein Leichenstein ungefähr vom J. 1400 gewesen ist, liegt jetzt vor dem Altare; die Platte ist an der passenden Größe und den bischöflichen Weihkreuzen zu erkennen.

Die Kirche ist früher, noch bei Menschengedenken, an den Wänden auf den rohen Steinen roth, in den Gewölben weiß und mit Figuren bemalt gewesen; auch auf den Wänden haben hin und wieder Figuren gestanden. Die alte rothe Farbe, die etwas ins Orange verblichen ist, sitzt noch ganz dünne unter der modernen Tünche. Aber unter der rothen Farbe sitzt noch eine dicke weiße Kalktünche. Dennoch scheint die rothe Farbe alt zu sein.

G. C. F. Lisch.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 372 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Urne mit Glasfenstern.

Der Herr Hauptmann Tymich zu Lüneburg besitzt eine kleine, instructive Sammlung heidnischer Grabalterthümer, und unter diesen eine höchst merkwürdige Urne mit Glasfenstern, wenn man so sagen soll. Die Urne hat die gewöhnliche Form der Urnen aus der ältern Zeit der Eisenperiode, ist gleichfarbig schwärzlich und von mittlerer Größe. An drei gleich weit von einander entfernten Stellen und in der Mitte des Bodens ist eine Glasscherbe von ungefähr 1 1/4? Quadrat Größe eingesetzt, und zwar zur Zeit der ersten Verfertigung der Urne vor deren Härtung, wie man deutlich an den Fingereindrücken sieht, welche die Einsetzung und Eindrückung der Scherben hinterlassen hat. Die Glasscherben sind von einem und demselben, kleinen, runden Gefäße aus mattfarbigem, grünlichen Glase, welches mit rhombisch übergelegten Fäden von dunklerem Glase verziert gewesen ist. In der Sammlung des Vereins für meklenburgische Geschichte findet sich ein halbes, wohl erhaltenes, ähnliches Gefäß und einige zusammengeschmolzene Gefäße derselben Art aus der Eisenperiode (aus Wendenkirchhöfen); ähnliche Gefäße wurden noch im Mittelalter zu Reliquienurnen benutzt.

Diese Einrichtung und Verzierung durch Glasfenster, durch welche man wohl theils die Urne schmücken, theils in dieselbe hinein sehen wollte, ist allerdings geeignet, höchst interessante Forschungen und Vergleichungen zu verfolgen.

G. C. F. Lisch.


Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 373 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

2. Mittelalter.


Waffen und Geräthe von Berendshagen.

Im Frühling des J. 1851 wurden zu Berendshagen bei Bützow beim Ausmodden des alten Burggrabens folgende zahlreiche und interessante mittelalterliche Alterthümer gefunden und durch die aufopfernde Bemühung und Vermittelung des Herrn Pastors Vortisch zu Satow von dem Besitzer von Berendshagen, Herrn Hillmann, dem Vereine geschenkt:

1) ein schön erhaltenes Schwert, mit grader, breiter, zweischneidiger Klinge, 3' lang und 2 1/4? bis 1 3/4? breit, an der Spitze plötzlich zugespitzt, mit mittellangem Griff, 7 1/2? lang bis zum Knopfe, mit dem Knopfe 9 3/4? lang, mit großem, scheibenförmigen Knopfe am Ende des Griffes und einfacher viereckiger Parierstange, 8? lang. Am Ende des Griffes ist ein pyramidenförmiges Stück Messing aufgenietet; im Anfange der Klinge ist eine zierliche Verzierung von gelbem Metall eingelegt in Form einer Krone, auf welcher ein an den Enden büschelförmig verziertes Kreuz steht. Auf beiden flachen Seiten des Knopfes ist ein kleines Kreuz eingeschlagen, auf dem Griffe, dem die Umkleidung fehlt, der Stempel des Waffenschmiedes: in einem unten abgerundeten Schilde ein Thor, über welchem zwei Kugeln stehen, und über dem Schilde eine Krone; das Ganze sieht ungefähr wie ein roh dargestellter Büffelskopf aus;

2) ein eiserner Sporn;

3) ein eiserner Steigbügel;

4) ein eiserner großer Schlüssel mit durchbrochenem, schön gearbeiteten, runden Griffe, 3 1/2? im Durchmesser, die Stange mit dem Bart ist abgebrochen;

5)) zwei ganz gleiche, große, kugelförmige Töpfe aus

6)) festem, blaugrauen Thon, von 12? Höhe und Bauchweite, der eine unten ganz abgerundet, der andere mit 3 kurzen Beinen;

7) ein großer Henkeltopf aus demselben Thon, 14? hoch, unten mit 3 kurzen Beinen;

8) ein kleiner Henkeltopf, aus grauem Thon mit schwarzer Oberfläche, etwas über 6? hoch;

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 374 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

9) ein kleiner Topf oder Krug aus hellgrauem Thon, rund, mit 4 Einbiegungen im Rande, wodurch 4 Dillen rund umher entstehen, 4 3/4? hoch;

10) ein zinnerner Becher mit weitem Rande, 3 3/4? hoch, 3 1/2? weit im Bauche, 5 1/4? weit im Rande, mit verzierten, perpendikulairen Reliefstreifen als Ornament auf der Außenwand. Inwendig auf dem Boden ist ein Relief, mit dem Becher gegossen, von der Größe eines Thalers, darstellend ein Agnus Dei, ein Lamm, welches ein Kreuz trägt. Im Rande dieses Schildes steht eine verkehrt gegossne (also recht modellirte) Inschrift, welche durch Unverstand des Modelleurs sehr entstellt ist; die Inschrift lautet, im Spiegel gelesen:

Inschrift

Dies ist ohne Zweifel nichts anders als

Inschrift
(Ave . Maria . gratia . plena.),

oder der englische Gruß.

11) ein eisernes Beil, stark und schwer;

12) ein eiserner Haken (Sturm =, Feuer = oder Floßhaken), wie sie gewöhnlich in mittelalterlichen Burggräben gefunden werden;

13) eine eiserne Heugabel oder Forke;

14) ein Schädel und ein Beinknochen von einem Pferde. Der Pferdeschädel ist sehr merkwürdig. Nach den Urtheilen der Thierärzte Herren Müller zu Doberan und Peters zu Schwerin war das Pferd, ein Hengst oder Wallach, ohne Zweifel von edler Race 1 ), nicht groß und 6 bis 7 Jahre alt. Der Schädel ist schlank und edel gebauet; es sind die Hinterhauptsbeine stark ausgebildet, das Stirnbein hoch und gewölbt, die Augenhöhlen groß, die Nüstern groß und hoch. Die Knochen, gewiß 500 Jahre alt, sind sehr hart und fest, so daß sie fast klingen, wenn daran geschlagen wird;

15) mehrere Knochen von Hausthieren, z. B. eine Kinnlade von einem einjährigen Kalbe, mehrere Beinknochen von Schafen und Schweinen u. s. w.

Der Fund ist, außer den vielen Formen, die er bietet, auch dadurch interessant, daß er eine ungefähre Zeitbestimmung zuläßt. Daß der Fund dem 14. Jahrhundert, höchstens der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts angehöre, ist nach seiner ganzen Beschaffenheit außer Zweifel. Den vorzüglichsten Anhalt


1) Schon in den frühesten Zeiten des Mittelalters wurden Pferde arabischer Race, "arabische Pferde", aus Nordafrika, der Berberei, über See auf langen Transportschiffen in Italien eingeführt; sie wurden z. B. 813 caballi maurisci (maurische Pferde) und im 14. Jahrh. equi barbaresci (berberische Pferde) genannt. Vgl. Schiern's Uebersicht der Auswanderung der Normannen, aus dem Dänischen von E. F. Mooyer, Minden, 1851, S. 41 flgd.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 375 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

bietet aber der zinnerne Becher durch das Agnus Dei; die Buchstaben der Umschrift deuten auf das Ende des 13. oder den Anfang des 14. Jahrhunderts. Und hiezu stimmt auch das Schwert: es ist noch nicht übermäßig lang, der Griff hat noch keine übertriebene Länge; dagegen ist es breit und einfach und doch geschmackvoll gearbeitet. Man kann also den Fund wohl um das Jahr 1300 setzen. Interessant ist dabei der Pferdeschädel, welcher ohne Zweifel alt und von edler Race ist und wohl zu dem Schwerte gehört.

Man könnte annehmen, daß die Sachen zu verschiedenen Zeiten im Burggraben verloren gegangen seien; es ist auch möglich, daß einige Sachen nicht zu der Mehrzahl der Gegenstände des Fundes gehören. Jedoch gehören erstens die großen Töpfe sicher zusammen und ferner auch Schwert, Sporn und Steigbügel, welches alles wieder zu den Schriftzügen des Ave Maria stimmt. Es scheint also, als wenn einmal ein Reiter und mit ihm Gepäck aller Art im Burggraben versunken sei, um so mehr da sich auch ein Fragment einer Schuhsohle bei den Knochen fand. Freilich sind keine Menschengebeine gefunden, aber es ist immer möglich, daß sich der Mensch mit Zurücklassung seiner Waffen gerettet habe.

Beim Auffinden der Sachen ward folgende Sage wieder lebendig. "Vor langer Zeit brach auf dem Hofe zu Berendshagen Feuer aus. Der Edelmann von Hohen = Lukow, ein "Bassewitz, kommt zu Pferde herbeigeeilt, um das Feuer zu besprechen. Er sprengt zu diesem Zwecke in gestrecktem Galopp um das Feuer und dann in den Burggraben. Das Feuer steht, der Edelmann aber ist versunken."

G. C. F. Lisch.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Eiserne Lanzenspitze von Peccatel.

Als nach dem am 11. October d. J. erfolgten Hinscheiden unsers freigebigen und eifrigen Freundes und Beförderers Reichsfreiherrn Albrecht von Maltzan auf Peccatel, Peutsch etc. . auf dem Kirchhofe seines Gutes Peccatel bei Penzlin sein Grab gegraben ward, fand sich in der Erde wunderbarer Weise eine ungewöhnlich große und breite eiserne Lanzenspitze, gleichsam als wollte er den Verein auch nach seinem Tode nicht verlassen. Der Vater des Heimgegangenen, der Herr Landrath Reichsfreiherr von Maltzan auf Rothenmoor, hat diese Reliquie den Sammlungen des Vereins zum Andenken übergeben.

Schwerin, Weihnacht 1852. G. C. F. Lisch.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 376 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

II. Zur Baukunde.

Mittelalter.

a. Kirchliche Bauwerke.

Die alte Wandmalerei der Kirche zu Alt = Röbel.

Die alt = röbelsche Kirche wird gegenwärtig restaurirt. Nachdem schon einige Jahre lang an einem neuen Thurme 1 ) gebauet war, wurden im Sept. 1850 die ersten Berathungen über den innern Schmuck der Kirche gepflogen. Einige leise Andeutungen ließen vermuthen, daß unter der weißen Kalktünche, welche im J. 1701 aufgetragen ist, alte Wandmalereien verborgen seien. Der erste Versuch mit der Entfernung der Kalktünche bestätigte sogleich diese Vermuthung; in den Jahrb. XVI, S. 290, ist sowohl über diese Decoration, als über andere alte Kirchenmalereien, vorläufig Bericht erstattet. Es ward nun im Herbste 1850 beschlossen, in dem nächstfolgenden Jahre den ganzen Chor der Kirche von der Kalktünche zu befreien, da die Ausbesserung der Gewölbe und Wände doch eine vollständige Bloßlegung derselben wünschenswerth machte. Dies ist nun auch geschehen, und der Erfolg der Arbeit ist ein sehr glänzender gewesen: es ist die ganze ursprüngliche Decoration des Chors entdeckt. Die Entdeckung ist so wichtig, daß Se. Königl. Hoheit der allerdurchlauchtigste Großherzog die Kosten zur vollständigen Copie 2 ) aller Malereien durch den Hofmaler C. Schumacher hergegeben haben.

Diese Entdeckung ist von der allerhöchsten Bedeutung, indem wir endlich einmal eine vollständige, ursprüngliche


1) Der Baumeister des Thurmes und der Kirchen = Restauration ist der Bau = Conducteur Theodor Krüger; Regierungs = Commissarien für diesen Bau sind der Landbaumeister Voß zu Plau (zuerst der Baurath Bartning zu Schwerin) und der Archivar Dr. Lisch zu Schwerin.
2) Die Hauptansicht und die wichtigern Einzelnheiten dieser Decoration werden in der Zeitschrift für Bauwesen, herausgegeben unter Mitwirkung der königl. preuß. Bau=Deputation und des Architekten=Vereins zu Berlin, Jahrgang 1852, in Farbendruck veröffentlicht werden.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 377 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Decoration einer Ziegelkirche kennen gelernt haben, welche in jeder Hinsicht zum Muster dienen kann. Zwar fühlt man überall die Geschmacklosigkeit der weißen Kalktünche und der schwarzgrauen Rippen, aber man kann sich bei neuen Anstrichen über ein Grüngrau noch nicht erheben, wie z. B. im Dome zu Schwerin; ja in Rostock ist man so weit gegangen, die schwarzgrauen Rippen zu vertilgen und die Kirchen nicht etwa grau, sondern - ganz schneeweiß zu tünchen, was freilich kaum zu ertragen ist. Will man die Kirchen weiß lassen, so lasse man doch auch die einmal seit 150 Jahren dazu gehörenden schwarzgrauen Rippen; nimmt man aber diese weg, dann muß auch die weiße Kalktünche fort. Glücklicher Weise ist die röbelsche Kirchen = Decoration eine äußerst geschmakvolle, gefällige und stylgemäße und kann dreist als Muster zum Studium hingegeben werden. Sie liefert auch den Beweis, daß man sich auch im hohen Norden Deutschlands nicht damit begnügte, die Kirchen im Rohbau stehen zu lassen, was allerdings oft auch roh ausgesehen haben mag; etwas malerischen Schmuck, ja viel Schmuck verlangt der Ziegelbau, da seine Gliederungen nicht sehr kräftig sind.

Die Kirche zu Alt = Röbel besteht aus zwei wesentlich verschiedenen Theilen: Chor und Schiff. Der Chor der Kirche, ein Oblongum von zwei Gewölben Länge, mit zwei Fenstern unter jedem Gewölbe in den Seitenwänden und drei Fenstern in der Altarwand, ohne Seitenschiffe, stammt ohne Zweifel aus der Zeit der Gründung der Stadt 1220 - 1230. Er hat noch einen kräftigen Rundbogenfries und in der Nordwand eine, jetzt zugemauerte Rundbogenpforte; die schmalen, schräge eingehenden Fenster sind im Uebergangsstyle gewölbt und leise zugespitzt. Das Schiff der Kirche ist etwas jünger, jedoch sind die Fenster auch noch im Uebergangsstyle construirt; die rohen Pfeiler und die Gewölbe stammen aber wohl aus dem 14. Jahrhundert.

Das Schiff der Kirche stand vor der Uebertünchung im Rohbau.

Der Chor ist dagegen derjenige Theil, welcher die merkwürdigen Malereien trägt. Um diese Malereien aufnehmen zu können, ward der Chor zur Zeit der Erbauung oder etwas später ganz mit einem dünnen, festen, glatten Kalkputz bedeckt. Die Malerei ist folgende.

Auf dem Fußboden stehen an den Wänden ringsumher niedrige gemalte Rundbogenarkaden 1 ), nämlich auf kurzen


1) Zu gleicher Zeit mit den Malereien in der Kirche zu Röbel sind (1851 durch Lübke) auch ähnliche Wandmalereien in der Kirche zu Methler bei (  ...  )
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 378 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Pilastern, welche mit dünnen Platten bedeckt sind, Halbkreisbogen aus Quadern, abwechselnd dunkelroth und blau gemalt. Unter diesen Bogen ist die Wand nicht gemalt, sondern zeigt den ungefärbten, gelbgrauen, festen Putz. Ueber diesen Bogen sind die Wände bis zu den Gewölben ganz roth gemalt und groß quadrirt, so daß Quadersteine, von größerm Format als die Ziegel, nachgeahmt werden. Das Roth ist äußerst schön und milde, und fast mehr orange, als roth. Die Quadrirung ist durch Linien hervorgebracht, welche bald weiß sind, bald mehr ins Bläuliche, bad ins Graue spielen. Die Fensterleibungen sind weiß. Die Wulste, welche die Fenster einfassen, sind rein dunkelziegelroth; in der Wölbung, über den Capitälern, sind diese rothen Wulste mit wechselnden halben Scheiben, die aus blauen und weißen Kreisen bestehen, verziert: eine Verzierung, die an eine sehr frühe Zeit erinnert. Mit eben solchen Scheiben sind die dunkelziegelrothen Gewölberippen oder Wulste, welche die Seitenwände einfassen, verziert. Um aber die rothen Wandflächen etwas zu brechen, sind die Fenster mit breiten, weißen Pilastern 1 ) auf den Wandflächen eingefaßt; die Pilaster haben fein in grau gezeichnete Capitäler, welche weiße Bogen tragen. Die Wandflächen zwischen je zwei Fenstern werden von diesen Pilastern grade gefüllt und sind mit bläulichen, wellenförmigen, senkrechten Parallelbändern verziert. Eben so sind die Consolen, welche den Gurtbogen zwischen beiden Gewölben tragen, mit schuppenförmigen Verzierungen bedeckt, an der Südwand in blau, an der Nordwand in roth. Neben den Fenstern stehen auf weißen Scheiben die in hochroth schön gemalten 7 bischöflichen Weihkreuze mit rothen und blauen Ornamenten.


(  ...  ) Dortmund entdeckt. Diese stammen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, aus der ursprünglichen Anlage der Kirche, welche im Uebergangsstyle gebauet ist. Den untern Theil der Chorwände beleben Wandarkaden. Die obern zwei Drittheile der 3 Chorwände sind mit großen Gemälden bedeckt, in zwei Reihen, in der untern Reihe mit den Aposteln in Lebensgröße. Auch die Gewölbekappen sind bemalt. In der östlichen ist Christus in einem großen von zwei schwebenden Engeln gehaltenen Medaillon (Oval des Antlitzes, gespaltener Bart, lang herabwallendes, in der Mitte gescheiteltes Haar, mit erhobener Rechten, althergebrachter, feierlich strenger Typus). In den Seitenkappen sind die 4 Evangelisten. In der westlichen Kappe anbetende Engel. Sämmtliche Gurten und Rippen sind mit Arabesken und Bändern bemalt etc. . - Vgl. Deutsches Kunstblatt, Berlin, 1851, Nr. 39, S. 308 flgd. von W. Lübke. - Lübke besuchte im April 1852 auch Meklenburg.
1) In alten italienischen Ziegelkirchen, welche freilich reicher gemalt sind, findet sich ein ähnliches Farbenspiel in der Hauptsache. So z. B. in der S. Andreaskirche aus dem 13. Jahrhundert zu Vercelli sind die Wandflächen und Gewölbekappen grau, aber die Einfassungen der Wandflächen, Fenster und Bogen ziegelroth (wie Ziegelbau) gemalt. Ein schönes Blatt ist in Lewis Gruner Specimens of ornamental art, London, 1850, Plate 44.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 379 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Die Gewölbekappen sind weiß geputzt, tragen aber einen reichen Schmuck in Malereien. Die Gewölberippen sind abwechselnd mit Bändern in blau und gelb, roth und weiß, blau und roth, auch roth mit halben Scheiben in blau und weiß bemalt. Die Gewölbekappen tragen einen Schmuck von Arabesken und Figuren. Die Arabesken sind noch sehr natürlich gehalten. Unmittelbar an den Gewölberippen liegen nach oben sich verjüngende Baumäste, von denen Zweige auslaufen, die sich in Ranken und Blätter verlieren; wo dieser Arabeskenschmuck zu voll werden würde, sind Zweige als abgehauen dargestellt. In dem östlichen Gewölbe sind alle Arabesken nur gelb; in dem westlichen Gewölbe sind sie abwechselnd roth und blau. Das westliche Gewölbe hat einen Schlußstein; das östliche Gewölbe hat statt dessen, wie in den Kirchen um Güstrow, eine mit einem Wulste umfaßte Scheibe, welche zu einem Medaillon benutzt ist.

Der Gurtbogen zwischen Chor und Schiff, der Triumpfbogen, unter welchem das große Crucifix mit Maria und Johannes steht, ist schlechtweg ganz roth quadrirt, wie die Wandflächen.

Der Gurtbogen zwischen dem ersten und zweiten Chorgewölbe ist aber sehr reich und eigenthümlich bemalt. Auf gelbem Grunde, mit Stabwerk und weißen Einfassungslinien, stehen 9 Medaillons, welche auf grauem, gelbem, blauem oder rothem Grunde eben so viele Brustbilder weltlicher, wahrscheinlich fürstlicher Personen tragen.

1) In der Mitte ein männliches, bärtiges Brustbild, mit rother Krone auf dem Kopfe, im gelben Gewande und rothen Mantel.

Darauf folgt nach der nördlihen Seite hinab:

2) ein männliches, bärtiges Bild, mit runder, blauer Mütze, weißem Gewande und blauem Mantel;

3) ein männliches, bärtiges Bild mit weißer Krone, gelbem Gewande und rothem Mantel;

4) ein weibliches Bild mit langem, ungeflochtenen, über die Schultern hinabfallenden, gelben Haare, rother, mit weißen Perlen besetzter Stirnbinde, weißem Kleide und rothem Mantel;

5) ein männliches Brustbild, von welchem jedoch nichts mehr zu erkennen ist.

Auf das mittlere Medaillon folgt nach der südlichen Seite hinab:

6) ein weibliches Bild mit kürzerm, in den Nacken hinabfallenden, gelben Haar, ohne Stirnbinde, mit blauem Kleide und gelbem Mantel;

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 380 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

7) ein männliches, unbärtiges Bild, mit langem, auf die Schultern fallenden, gelben Haar, mit einer runden, rothen, mit Perlen besetzten Mütze, mit gelbem Gewande und rothem Mantel;

8) ein männliches, unbärtiges Bild, mit kurzem, dunklen Haar, einer spitzen, rothen Mütze, rothem Gewande und blauem Mantel;

9) ein wunderliches Bild, welches aber leider sehr zerstört ist, jedoch ist noch klar zu erkennen: ein großes, grobes, bärtiges Gesicht von schmutzig gelber Farbe, mit etwas grotesken Zügen, auf der Stirne zwei große bläuliche oder graue Hörner und zwischen denselben zwei etwas kleinere, Hörnern ähnliche Dinge tragend; das an den Hals anschließende Gewand hat dieselbe blaugraue Farbe, wie die Hörner.

Zwischen je zwei Medaillons stehen auf dem gelben Grunde des Gurtbogens schöne Blätterarabesken in rothbraun, mit weißen Rippen, und begleitende Blätterformen in blau und weiß.

Die Seitenflächen des Gurtbogens sind gelb und weiß quadrirt.

Eine höchst wichtige Verzierung steht über dem westlichen Fensterpaare der südlichen Seitenwand, unter der Gewölbekappe mit dem Löwen, der (jetzt zugemauerten) Rundbogenthür des Chores gegenüber: nämlich ein großes Wappen der Fürsten von Werle: im gelben Schilde der vorwärts schauende, schwarze werlesche Stierkopf, ohne Halsfell, mit geschlossenem Maule, mit aushangender rother Zunge, mit silbernen Hörnern und goldener Krone, ganz in den Formen, wie es die Siegel aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. zeigen.

Die merkwürdigen Malereien auf den weißen Gewölbekappen sind folgende:

Erstes Chorgewölbe über dem Altare.

Die Gewölberippen sind abwechselnd mit Bändern in roth und weiß, oder roth und blau, oder blau und gelb umwunden. Die Arabesken oder Baumzweige sind alle gelb.

Die kreisförmige Schlußfläche ist von einem roth und weiß gegitterten Wulst umgeben und mit drei Linien in blau, roth und gelb eingefaßt. In blauen Wolken ist das Brustbild eines segnenden Christus dargestellt; der Kopf hat ein jugendliches Gesicht, langes, gescheiteltes Haar und schwachen, gespaltenen Bart, mit einer gelben Scheibe um den Kopf.

1) Oestliche Gewölbekappe. Die Kreuzigung Christi. In der Mitte Christus an einem Tförmigen Kreuze, mit einem anliegenden Schurze von den Rippen bis gegen die Kniee be=

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 381 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

kleidet, mit einer rothen Scheibe um das Haupt, welche über den Queerbalken des Kreuzes hinüberragt. Links neben dem Kreuze knieet eine kleine weibliche Figur (Maria Magdalena?), mit gelbem Haar, ohne Heiligenschein, in rothem Gewande, die rechte Hand zu Christum hinaufstreckend. Rechts neben dem Kreuze steht eine kleine Figur, deren Kopf nicht mehr zu erkennen ist (Joseph von Arimathia?), in weitem, gelben Gewande, mit fliegendem, blauen Mantel, die rechte Hand von dem Kreuze weg in die Höhe gestreckt; die Gewänder scheinen weibliche zu sein, sind jedoch kurz und reichen nur bis an die Knöchel, so daß die rothbraunen Fußbekleidungen ganz zu sehen sind. - Vielleicht können diese beiden Figuren auch die Donatoren darstellen, da sie keine Heiligenscheine haben. - Ueber dem Kreuze schweben unter einer an die Schlußfläche gelehnten Wolke Engel. in gelb und roth, die jedoch nicht mehr klar zu erkennen sind. - Alle diese Darstellungen sind nur klein gehalten. - Zu jeder Seite der Kreuzigungsgruppe steht in den Arabesken eine Figur, welche fast noch einmal so groß ist, als die Figuren in der Kreuzigungsgruppe. - Rechts vom Kreuze steht Maria, die beiden Arme über die Brust gekreuzt, mit einer gelben Scheibe um das Haupt, im ganz gelben Gewande und blauen Mantel. - Links vom Kreuze steht Johannes d. Ev., die rechte Hand auf die Brust lehnend, mit einer rothen Scheibe um das Haupt, in rothem Gewande und gelbem Mantel. - Diese beiden Figuren sind groß und schlank gehalten, Johannes größer, als Maria.

2) Westliche Gewölbekappe, der Kreuzigung gegenüber. Diese Kappe enthält nur einen anbetenden, kleinen Engel, in kurzem, rothen Gewande, mit vor der Brust zusammengelegten Armen, mit rother Scheibe um das Haupt, mit Flügeln in gelb und blau, mit gekreuzten Beinen.

3) Südliche Gewölbekappe. Ein anbetender Apostel (Andreas oder Petrus?), wahrscheinlich Andreas, ohne Attribut, mit kahler Stirne und weißlichem Bart, die Hände zusammengelegt, mit gelber Scheibe um das Haupt, in gelbem Gewande und rothem Mantel. Diese Figur stimmt in der Färbung ganz zu dem zunächst stehenden Johannes.

4) Nördliche Gewölbekappe. Eine weibliche Heilige (die H. Katharine?), mit erhobenem rechten Arme, mit gelber Scheibe um das Haupt, im gelben Gewande, unter welchem unten ein rothes über den rothen Schuhen hervorragt, mit rothem Halsbande mit weißen Perlen, im blauen, roth gefutterten Mantel. Diese Figur stimmt in der Färbung ganz zu der zunächst stehenden Maria.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 382 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Zweites Chorgewölbe neben dem Schiffe.

Die Gewölberippen sind vorherrschend roth mit blauen und weißen Halbkreisen. Die weniger reichen Arabesken bestehen abwechselnd aus gelben Stämmen mit rothen Zweigen oder aus rothen Stämmen mit blauen Zweigen.

5) Oestliche Gewölbekappe. Der heil. Georg, den Drachen tödtend. Der h. Georg zu Pferde, stößt die eingelegte Lanze in den Rachen des Drachen, der ihm entgegensteht. Das Gewand des h. Georg ist blau, das Pferd ist roth. Der Drache ist roth mit blauen Flügeln.

6) Südliche Gewölbekappe. Simson, den Löwen zerreißend. Eine jugendliche, männliche Figur, ohne Bart, mit kurzem, gelockten Haar, mit einem runden Hute von blauer Farbe, im blauen Gewande und rothen Mantel, steht neben einem rothen Löwen und faßt diesen mit der rechten Hand in die Mähne und mit der linken Hand an den in die Höhe gekrümmten Schwanz.

7) Nördliche Gewölbekappe. Ein männlicher Heiliger, der h. Heinrich oder der h. Alexander (?), stehend, mit langem Haar, im Harnisch, mit einem (Fürsten) = Hute auf dem Kopfe, im gelben, blau gefutterten Mantel, mit einem schräge hin aufgerichteten Schwerte in der rechten Hand, mit der linken Hand an den Rittergürtel fassend.

8) Westliche Gewölbekappe gegen das Schiff hin. Das Thier der Apokalypse, ein rothes Thier mit Löwenfüßen. Ueber dem Rachen hat es statt der Stirn einen gekrümmten Hals mit einem Schlangenkopfe, welcher zwei Hörner trägt. (Apokal. 13, 11: Und ich sahe ein anderes Thier aufsteigen von der Erde; und hatte zwei Hörner gleich wie das Lamm, und redete wie der Drache - - Und verführet die auf Erden wohnen.) Aus einem großen Höcker auf den Schultern windet sich nach hinten hin ein großer blauer Hals mit einem Menschengesichte, welches das Schwanzende des Thieres im Munde hat. Aus dem aufgesperrten Rachen des Thieres ragt ein nackter Menschenleib hervor, dessen obere Hälfte bis an den Bauch das Thier verschlungen hat.


Von dem höchsten Interesse ist die Frage über das Alter dieser Malereien. Der Chor der Kirche wird gleich bei der Erbauung der Stadt (1220 - 1230) gebauet sein. Vielleicht sind die Malereien so alt, wie der Chor. Darauf deutet die Rundbogenarkade unter den Wänden, vielleicht auch der Abputz der Wände, welcher wohl gleich nach Vollendung des

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 383 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Baues aufgetragen ist; darauf deutet der alte, ernste und tiefe Styl der Gewölbemalereien des ersten Gewölbes über dem Hochaltare mit den hohen, schlanken Figuren; darauf deuten die bischöflichen Weihkreuze, ohne Zweifel die Kreuze aus der ersten Weihung der Kirche. Gegen ein so sehr hohes Alter spricht der werlesche Wappenschild, welcher dieselbe ausgebildete, schöne Form hat, wie sie die Siegel von etwa 1270 - 1290 zeigen; in der Zeit 1220 - 1230 war die Landestheilung noch gar nicht vollbracht und eine fürstliche Linie Werle noch gar nicht gegründet; auch war um diese Zeit die Cultur in der kleinen, abgelegenen Stadt auch gewiß noch nicht so ausgebildet, um ein solches Werk zu schaffen.

Dagegen redet viel dafür, daß die Malerei am Ende des 13. Jahrhunderts vollendet sei. Um diese Zeit war nämlich die Stadt Röbel der Sitz einer ungewöhnlichen Cultur. Seit dem J. 1283 hatte die Gemahlin des Fürsten Johann I. von Werle = Parchim, Sophia, des Grafen Günther von Lindow = Ruppin Tochter, ihren Wittwensitz zu Röbel; Sophia starb in dem ersten Jahrzehend des 14. Jahrhunderts, wirkte aber sicher bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, ungefähr 20 Jahre lang, sehr anregend in Röbel; sie erscheint häufiger in den Urkunden, als irgend eine andere werlesche Fürstin. Nicht allein die Fürstin Sophie, sondern auch ihre beiden Söhne Bernhard und Heinrich, welche Dominikanermönche zu Röbel waren, und ihre Schwiegertochter Mechthild, ihres Sohnes Johann II. Gemahlin, geborne Herzogin von Braunschweig, wurden zu Röbel begraben. Kirchberg sagt in seiner meklenburgischen Reimchronik cap. 178:

Darnach die edele furstynne myld
hern Johannis (II.) wib frow Mechthild
starb dyses lebens kortzir vard;
zu Robele dy begraben ward
by hern Johannis mutir gar
vnd by syne brudere beyde virwar.
her (Johannes II.) wart mit ungehabin
zu Doberan begrabin.

Ob diese fürstlichen Personen nun alle oder zum Theile in der altstädter Pfarrkirche oder in der Dominikaner = Klosterkirche begraben sind, ist nicht mehr zu ermitteln. Die beiden Mönche wurden wohl in der Klosterkirche begraben. Von der Klosterkirche ist aber schon lange keine Spur mehr vorhanden. Früheren, freilich nicht immer zuverlässigen Angaben zufolge will man beim Abbruch der Kirche fürstliche Begräbnisse gesehen haben. Dagegen ist es wahrscheinlich, daß die beiden Fürstinnen in der altröbelschen Pfarrkirche begraben wurden.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 384 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Diese Zeit war in ältern Zeiten die glänzendste, welche Röbel gehabt hat. Die Stadt hatte 2 Pfarren, 2 Pröpste oder Archidiakone: einen des havelberger und einen des schweriner Bisthums, 2 Klöster: schon vor 1273 ein Nonnenkloster der Büßerinnen der Heil. Magdalene (1298 nach Malchow verlegt) und 1285 ein Mönchskloster des Dominikanerordens. Das geistliche Leben, und mit demselben die geistige Cultur, mußte hiedurch in Röbel einen ungewöhnlichen Aufschwung nehmen. Sophie hatte selbst 2 Söhne in dem dortigen Dominikanerkloster.

Aus dieser Zeit, etwa 1290, stammt ohne Zweifel das werlesche Wappen; wenn in dem Chore das erste Gewölbe über dem Hochaltare unzweifelhaft der Clerisei gehörte, so hatte die fürstliche Familie wohl unter dem zweiten Gewölbe des Chores ihren Sitz, der Thür gegenüber, unter dem Wappen, welches wohl deshalb dahin gemalt ist. Aus dieser Zeit stammen denn auch wohl die fürstlichen Bilder in den Medaillons auf dem Gurtbogen. Es wird aber wohl immer unentschieden bleiben, welche Personen diese Bilder darstellen sollen. Man könnte annehmen, sie sollten die Vorfahren der Fürstin Sophia und ihres Gemahles darstellen, also die Ahnen ihrer Kinder. Dagegen ist es eben so wahrscheinlich, daß die Bilder ihren Gemahl und ihre Kinder darstellen sollen. Jedenfalls sind sie sehr interessant. Der Styl der Gemälde des westlichen Gewölbes scheint auch etwas härter zu sein, als der Gemälde in dem östlichen Gewölbe.

Man kann nun auch annehmen, daß die Malerei um 1230 begonnen sei, nämlich daß damals die Bemalung der Wände, der Gewölberippen und der Gewölbekappen des östlichen Gewölbes angefertigt sei, - daß ferner die Decoration des Chores, durch Bemalung des Gurtbogens, der Kappen des westlichen Gewölbes und durch Anbringung des Wappens, um 1290 vollendet sei: immer wird es ohne Zweifel bleiben, daß die Bemalung des Chores in der Zeit von 1230 - 1260 angefangen und größtentheils vollendet worden sei.

Es giebt auch noch einige andere Beweise, wenn sie nicht im Style selbst schon klar lägen, daß die Malerei sehr alt sei, indem auf den bemalten Wänden alte Malereien, jedoch von jüngerm Alter, stehen, also dafür zeugen, daß die Bemalung der Wände schon vor diesen Malereien da gewesen sei. Links neben dem Altare ist auf die Wand das schon sehr verblichene Wappen der von Morin gemalt, einer alten adeligen Familie, welche bei und in Röbel ansäsig war: in rothem Schilde zwei goldene oder silberne Angelhaken, auf dem Helme ein Flug; dieses Wappen scheint im 14. Jahrhundert gemalt zu sein. An der Wand unter dem werleschen Wappen ist schon in alter Zeit ein Ge=

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 385 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

mälde oder ein Altar, und darüber eine Inschrift angebracht gewesen; von der Inschrift sind noch einige Buchstaben (ohne Zusammenhang) zu erkennen: sie sind in gothischer Minuskel (also nach 1350) gemalt und scheinen aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu stammen; sicher sind sie nicht jünger als 1450 oder 1460.


Eben so interessant war eine alte Malerei auf der der Stadt zugekehrten, südlichen äußern Wand des Chores, eine Malerei, welche ebenfalls aus der Zeit der Erbauung der Kirche stammt. Unter den Fenstern stand nämlich ein Gurtgesims, welches geputzt ist und auf zierlichen, kleinen Ziegelconsolen ruhet, welche alle verschieden sind. Dieses Gesims war sehr hübsch gemalt: auf bläulichem Grunde ein Zickzackband, welches eine sogenannte Stromschicht von Ziegeln darstellt; diese breiten Zickzackbänder waren links hinab grau, rechts hinauf in der untern Hälfte ziegelroth, in der obern Hälfte orange gemalt. Dieser Gurt war an beiden Seiten zunächst von einer dunkleren Linie, dann von einem orangefarbenen Bande und endlich zu beiden Seiten von einem ziegelfarbenen, etwas breitern Bande eingefaßt. Der Grund, auf dem die Consolen stehen, war mit einem kalkgrauen Putz bedeckt.


Die Gewölbemalereien haben durch die Uebertünchung, die Reinigung und durch die nothwendige Restauration der Gewölbe so sehr gelitten, daß sie nicht erhalten werden können. Die Wände und Gewölberippen sollen jedoch getreu wieder hergestellt werden, so wie auch im Schiffe die Pfeiler und Gewölberippen wieder gereinigt und zum Rohbau wieder hergestellt werden sollen.

G. C. F. Lisch.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Der Hochaltar der Kirche zu Doberan

und

die Goldene Tafel der Kirche des S. Michaelis=Klosters zu Lüneburg.

Der in Jahrb. XIV, S. 352 flgd. beschriebene und zur Untersuchung gezogene, sehr alte und prächtige Hochaltar in der Kirche der ehemaligen Cistercienser = Abtei Doberan ist einzig in seiner Art in Meklenburg, indem, als Tradition aus ältester

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 386 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Zeit, die Mitteltafel desselben aus einem Schreine zur Aufstellung von Reliquien besteht; überdies ist der Altar der älteste, merkwürdigste und schönste in Meklenburg. Es ist a. a. O. bemerkt, daß auch die Klosterkirche zu Eismar in Holstein noch einen ähnlichen Altar besitzt.

Ein gleicher Altar war die sogenannte Goldene Tafel in der Kirche des Michaelis = Klosters zu Lüneburg am Kalkberge. Die Kirche dieses Klosters, sowohl die frühere auf dem Kalkberge, als die jetzige am Füße des Berges, nahm eine ähnliche Stelle in der Landesgeschichte ein, indem eine große Menge von Landesfürsten in derselben begraben wurden, wie auch der erste christliche meklenburgische Fürst Pribislav eine Zeit lang hier begraben lag. Daher genoß das Kloster auch eines großen Ansehens und einer reichen Gunst.

Der Altar dieser Kirche war nun sehr merkwürdig. Die Mitteltafel bildete ebenfalls, wie die des doberaner Altars, einen Schrein mit mehrern Abtheilungen, oder mehrere architektonisch verbundene, mit Schnitzwerk verzierte, nach der Kirche hin geöffnete Schreine, in denen viele kostbare Reliquien aufgestellt waren, von welchen noch viele im Museum der ehemaligen Ritterakademie zu S. Michaelis aufbewahrt werden. Umher war der breite Rand dieser Mitteltafel mit getriebenem Goldblech belegt: daher der Name: Goldene Tafel. Das Goldblech ward gestohlen, die Tafel zerstört und so ist die eigentliche goldene Tafel verschwunden; jedoch sind noch ziemlich genaue Zeichnungen von der ganzen Tafel und Reste von dem Schnitzwerke der Schreine auf dem hohen Chore vorhanden.

An dieser Tafel hingen, wie an der doberaner, Doppelflügel, welche an der Vorderseite mit geschnitzten und vergoldeten Heiligenfiguren und auf der Rückseite mit Gemälden bedeckt sind. Diese wohl erhaltenen Flügel werden noch auf dem hohen Chore der Michaeliskirche aufbewahrt und sorgfältig geschützt. Der Styl dieser Schnitzerei und Malerei ist sehr gut, jedoch lange nicht so alt, schön und sinnreich, wie auf dem doberaner Altare.

Die "gravirten Messingplatten" auf den Gräbern des Herzogs Otto des Strengen von Braunschweig = Lüneburg († 1330) und seiner Gemahlin Mechthild († 1339), welche in Orig. Guelf. IV, p. 77, abgebildet sind, sind ebenfalls gestohlen und spurlos verschwunden; jedoch wird die treffliche, gleichzeitige geschnitzte Einfassung des Grabes ebenfalls noch auf dem Chore der Michaeliskirche aufbewahrt.

Es ist in der That sehr wünschenswerth, daß diese beiden ehrwürdigen, schönen und merkwürdigen Denkmäler wieder auf=

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 387 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

gerichtet werden und den abscheulichen "Revolutionsstyl" verdrängen helfen, in welchem Kirche und Altar dieser schönen und ausgezeichneten Kirche am Ende des vorigen Jahrhunderts aufgeputzt ist und schändlich verunstaltet wird.

Bemerkenswerth ist, daß die Kirche, wenn auch im Spitzbogenstyl erbauet, doch eine schöne Krypta hat.

G. C. F. Lisch.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Die Kirche zu Wilsnack.

Die um das J. 1400 vollendete Kirche zu Wilsnack in der Prignitz ist ein großes und schönes Gebäude, welches, wie es scheint ,ganz oder doch an den meisten Stellen noch im ursprünglichen Style erhalten ist. Die Wandflächen sind meistentheils überweißt, jedoch sind mehrere Theile noch von der Tünche unberührt geblieben.

Namentlich sind die Pfeiler des Schiffes noch im Rohbau (ohne irgend eine Uebertünchung) von sehr festen Steinen und Mörtel. Die Verzierung der Pfeiler ist ein Spiralband von dunkel gefärbten Ziegeln. Ferner sind die meisten Fensternischen im Rohbau, eben so die Gewölberippen. Nur die vertieften Wandflächen sind geweißt und die Gewölbekappen geputzt, auch die Wandflächen zwischen den nahestehenden Fenstern des Chores sind geweißt. Die Kirche kann also zum Muster einer Kirchen = Decoration dienen; ganz rein scheint jedoch der Styl nicht mehr zu sein.

Bemerkenswerth sind: einige gemalte Fenster, ein aus Sandstein kunstreich gearbeiteter, großer Taufstein im Spitzbogenstyl und an einem Pfeiler unter einem Baldachin ein steinernes Bischofsbild in Lebensgröße, welches ganz bemalt ist.

Im Juli 1851. G. C. F. Lisch.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 388 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen
b. Weltliche Bauwerke.

Beiträge
zur Geschichte des Renaissance=Ziegelbaues
in Meklenburg aus der Mitte des 16. Jahrh.

Der Renaissancestyl der Schlösser zu Wismar, Schwerin und Gadebusch, mit den reichen Gliederungen und Verzierungen in gebranntem Thon (vgl. Jahrb. V, S. 1 flgd.), haben eine große theoretische und praktische Wichtigkeit für die Geschichte der Baukunst im nördlichen Deutschland. Dieser Styl, in welchem ein großer Theil des schweriner Schlosses gegenwärtig restaurirt wird, muß im 16. Jahrh. in Meklenburg sehr verbreitet gewesen sein, da sich bei Aufgrabung von Fundamenten beim Bau von Privathäusern häufig Reste von gebrannten Ziegelreliefs finden. Dieser Styl ist in seiner Eigenthümlichkeit vorzüglich und wesentlich in Meklenburg, namentlich in Prachtbauten, ausgebildet worden und kann nur hier von allen Seiten studirt werden. Der Baumeister des wismarschen Schlosses, des ältesten dieses Styls (von 1552). Gabriel von Aken, verpflanzte den Styl nach Lübeck (vgl. Jahrb. X, S. 320).

Es ist nun von dem höchsten Interesse, die Verbreitung dieses Styls in Norddeutschland außerhalb Meklenburg möglicher Weise weiter zu verfolgen. Die wenigen Spuren, die sich in Pommern und Holstein finden, sind in unsern Jahrbüchern beschrieben. Es war die Frage, ob sich nicht am linken Elbufer Spuren finden sollten. Auf einer wissenschaftlichen Reise im Frühling 1851 ward ich in Beziehung auf diesen Gegenstand auf die beiden Städte Hannover und Lüneburg beschränkt. Südlich von Hannover in Hildesheim tritt der Ziegelbau schon ganz zurück und der Holzbau mit einem kolossalen und ausgebildeten Uebergewicht in den Vordergrund.

In Hannover sind noch viele höchst ausgezeichnete, merkwürdige Ziegelbauten. Alle zeichnen sich durch eine seltene, fast einzige Leichtigkeit, Schlankheit und Zierlichkeit im Style aus, und man möchte sagen, daß dieser Styl der Stadt Hannover

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 389 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

ganz eigenthümlich sei; denn die schönern Bauten in den nördlichen Hansestädten sind mehr im strengern, ernstern Style gehalten, wenn er auch vollkommen ausgebildet ist, der hannoversche Styl strebt aber, möchte man fast sagen, über das Maaß hinaus und erhebt sich zu einer sonst ungewöhnlichen Schlankheit und Grazie. Diese Ziegelbauten gehören aber noch alle dem Spitzbogenstyle aus dem 15. Jahrhundert an und finden ihr Vorbild in dem in demselben Style aufgeführten Rathhause zu Hannover, welches die Jahreszahl 1455 trägt; dieses ist auch mit vielen Reliefs geschmückt, aber noch ganz im Spitzbogenstyle.

Ein ganz anderes Bild zeigt die Stadt Lüneburg. Fast die ganze Stadt besteht aus Giebelhäusern im Rohbau, und es ist auffallend, hier einmal ein abgeputztes Haus zu sehen. so wie die alten hannoverschen Bauten sich durch eine ungewöhnliche Schlankheit auszeichnen, so fällt die Schwere des lüneburger Styls augenblicklich in die Augen: auch Lüneburg hat seinen eigenen Styl, dessen durchgehender Charakter die Schwere ist: massenhafte Formen, gedrückte Verhältnisse, flache Bogen, ungewöhnlich starke Ausladungen der Gliederungen, dies sind die eigenthümlichen Kennzeichen des lüneburger Styls, der den allerletzten Verfall des Spitzbogenstyls zeigt, aber so eingewurzelt ist, daß selbst in unsern Tagen neue Bauten in diesen Verhältnissen aufgeführt werden. Der Styl gehört noch dem Spitzbogenstyle an, zeigt aber schon in den Verzierungen Anklänge aus der Renaissance. Hiezu gehört die Verzierung der Gesimse mit Reliefköpfen, welche in Lüneburg sehr häufig ist. Aber diese Reliefköpfe stehen nicht auf großen Ziegelquadern, sondern sind runde, blau und gelb glasurte Kacheln, welche in einen gemauerten Kranz von geformten, runden Ziegeln eingelassen sind. Es ist dies also keine Ziegelarbeit, sondern Töpferarbeit. Es giebt in Lüneburg mehrere mit diesen glasurten Kacheln verzierte Häuser, welche eine Jahreszahl tragen, also bestimmt die Zeit des Styls bezeichnen: so das bedeutendste Giebelhaus dieser Art an der Ecke des Sandes und der Glockengießerstraße vom J. 1548, ein kleines Queerhaus in einer Nebenstraße vom J. 1550, ein großes Queerhaus in der Rothen Straße Nr. 107 vom J. 1553: diese und viele andere Häuser sind mit denselben Kacheln verziert. Alle diese Häuser haben aber auch denselben Styl, wie alle übrigen Häuser Lüneburgs, und es scheint hiernach, als wenn fast ganz Lüneburg im 16. Jahrh. in dem verfallenden lüneburger Spitzbogenstyl neu aufgebauet worden ist. Aeltere Häuser, wie z. B. ein altes Eckhaus an der Apothekenstraße, welches außen mit demselben Friese verziert ist, wie die

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 390 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Johanniskirche an der innern Wand des südlichen Seitenschiffes, sind in Lüneburg sehr selten.

Aber Lüneburg besitzt noch Eine treffliche Reliquie in dem Geiste des meklenburgischen Ziegel = Renaissancestyls; in der Neuen Sülzestraße Nr. A. 77. steht noch die Hälfte eines alten Queerhauses, welches ganz in diesem Style erbauet ist. Die Eingangspforte ist von einem in Ziegel geformten, halben Kreisbogen in Relief überdeckt und hat unter demselben einen in Ziegel geformten Reliefkopf von so großer Feinheit und Schönheit, wie er in diesem Style je gefunden wird. Die großartigen Verhältnisse der Wandflächen sind durch feine Wandstreifen mit zarten Ziegelreliefs getheilt, wie sie sich an den meklenburgischen Schlössern finden. Dieses Haus scheint das einzige außerhalb Meklenburg in diesem Style zu sein. Leider ist es sehr verfallen.

Aehnlich, aber doch anders, ist das bekannte, große, prachtvolle, sogenannte Witzendorffsche Haus in der Bardewiker Straße vom J. 1559. Dieses Queerhaus, einzig in seiner Art, zeigt eine Vermischung des lüneburger Styls und des italienischen Renaissancestyls. Maurerarbeit, Fenster = und Thüröffnungen u. s. w. sind lüneburgisch. Aber die Verhältnisse sind sehr großartig. Die Verzierungen sind denen der meklenburgischen Ziegel = Renaissance ähnlich, aber doch anders; alle Medaillons sind aus Sandstein, die vielen Wappen natürlich in flachem Relief, aber die vielen Köpfe auf runden Scheiben in starkem Hautrelief aus Sandstein. Daher nimmt dieses Haus eine ganz eigenthümliche und eigene Stellung in der Geschichte des norddeutschen Renaissancestyls ein.

G. C. F. Lisch.

Ueber die Kirche zu Dreweskirchen

vgl. oben Wendenkirchhöfe S. 371.


Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen   zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen   zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen
Münzfund von Malchow. 1846.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 391 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

III. Zur Münzkunde.


Die meklenburgischen Hohlmünzen

und

der Münzfund von Malchow,

von
G. M. C. Masch.
Mit einer lithographirten Tafel Münzenabbildungen.

Bei der wissenschaftlichen Bearbeitung der stummen Münzen liegen zunächst stets zwei Fragen zur Beantwortung vor: die nach dem Lande, welches sie hervorbrachte, und die nach der Zeit, in welcher sie entstanden sind. Hinsichtlich der meklenburgischen Münzen ist nun die erstere leicht zu beantworten; sie haben alle das Kennzeichen der norddeutschen Hohlmünzen: stärkeres Münzblech und eine mehr rohe unförmliche Behandlung des Bildes, und das Bild auf ihnen ist sehr einfach, der Stierkopf.


Es scheint, als müsse dieses Bild in seinen Eigenthümlichkeiten, wie es denn ja auch auf den Siegeln der Herren im Lande erscheint, hinreichende Haltpunkte gewähren, wenn es auf nähere Bestimmung der Münzen ankommt; aber leider schwindet diese Hoffnung bald genug, wie ein allgemeiner Ueberblick über die Siegelbilder, hier nicht nach den älteren, meistens fehlerhaften Abbildungen, sondern nach Abgüssen von den Originalen angestellt, zeigen wird.

Die allerältesten Siegel der Herren im Lande zeigen den Stierkopf nicht; das älteste vorhandene, des Nicolaus, Wartislavs

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 392 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Sohns, von 1190, hat einen Reiter. Borwin I., obgleich er sich "magnopolensis" nennt, desgleichen sein Sohn Heinrich Borwin, der sich "de Rostock" bezeichnet, zu Anfange des 13. Jahrhunderts, haben einen Greifen 1 ), der auch noch auf dem vormundschaftlichen Siegel der Söhne von 1230 erscheint 2 ) und dann in der meklenburgischen Linie verschwindet, wo er erst wieder nach Aussterben der rostocker Linie, die ihn beständig geführt hat, unter Heinrich dem Löwen in das Secretsiegel mit aufgenommen wird.

Der älteste Stierkopf auf Siegeln ist der, welchen Nicolaus (Sohn Borwins I., 1219) gebrauchte. Es ist gewiß nie zu ermitteln (und die Mährchen späterer Zeit, über den Stierkopf gefabelt, sind nicht der Anführung werth), wie er, der jüngere Sohn, zu diesem Bilde kam, welches demnächst von seinem Neffen erst wieder aufgenommen ward, zumal er sich in der Umschrift des Siegels nur als "filius Burwini" bezeichnet (der den Greif führte und sich "magnopolensis" nannte), da er nie zur Regierung gekommen ist, und die Vormundschaft seines Bruders den Greif beibehielt, den der Vater geführt hatte. - Der Stierkopf ist gut gebildet, ohne Krone, die Hörner auf der Stirn sind ziemlich groß, Augen, Nasenlöcher und Maul treten deutlich hervor.

Mit Johann I. dem Theologen von Meklenburg († 1264) wird der Stierkopf Bild des Landes; auf seinen beiden Siegeln ist er ziemlich breit, die Nase tritt bedeutend hervor, die Nüstern sind scharf bezeichnet, und der Kopf gekrönt mit einem Reif, auf welchem in der Mitte eine Lilie steht, an den Seiten aber sich halbe Lilien zeigen; die Hörner sind innerhalb der Krone, die Augen sind sehr groß. Auf dem Siegel, das zuerst vorkommt 3 ), sind zwei hauerähnliche Verzierungen am Maule. Um jeden Zweifel zu entfernen, ob der Stierkopf jetzt schon wirklich Landeswappen geworden und nicht bloß Siegelbild sei, ist das Siegel seiner Gemahlin Luitgard anzuführen, welche auf dem Schilde, den sie in der linken Hand hält, den Stierkopf gekrönt und wohlgestaltet führt.

Sein Sohn Heinrich der Pilger hat auf dem ältesten Siegel, wo er sich, als noch nicht regierend, "filius Johannis domini de Slavia" nennt, das Schildfeld mit vierblätterigen Blumen bestreuet, und ein solches Blatt ist auch auf der Krone des Kopfes, dessen Hörner weit auseinander stehen. Das spätere Siegel "domini Magnopolensis" hat den Stierkopf mit einem


1) Vgl. Jahrb. X, S. 9.
2) Vgl. Jahrb. X, S. 7.
3) Vgl. Jahrb. X, S. 15.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 393 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Halsfelle, welches den Kopf unten und an der linken Seite umgiebt; die sehr große und weit überstehende Krone hat lilienförmiges Laub. Von jetzt an bleibt das Halsfell das charakteristische Zeichen der Stierköpfe in der Linie Meklenburg.

Mit Albrecht († 1379) bekommt der Stierkopf eine andere Bildung, das Maul ist weit geöffnet und die Zunge hängt heraus, der obere und der untere Kiefer haben eine ringförmige Gestalt ("Blarrkopf" ist der Name, der sich in alten Transsumpten mit Siegelbeschreibung findet); die Hörner, mächtig und stark, stehen an der Seite der Stirne, die Krone ragt nicht über sie hinaus, das Kronenlaub ist bald drei =, bald fünfblätterige Blume.

Aus dieser Bildung des Kopfes entwickelte sich, sei es nun durch Ungeschicklichkeit der Künstler oder sei es eine neue Geschmacksform, ein eigenthümlicher Charakter, also daß vom Kopfe selbst nur Stirne, Nase und Maul höher hervortreten, die Seiten des Kopfes fast gar nicht angedeutet sind und die Augen neben die Nase gestellt werden. Diese Form, zuerst erkennbar auf einem Secretsiegel des Herzogs Albrecht, findet sich auf den Siegeln seines Sohnes Heinrich, also etwa von 1348 - 1383. Die Köpfe auf den Siegeln des Schwedenkönigs Albrecht und seiner Gemahlin Agnes sind freilich auch kurz und gedrungen, aber haben eine richtige Zeichnung; dessen Sohn Magnus hat den Stierkopf also gebildet, daß allerdings die vorhin genannten Theile scharf markirt sind, aber zugleich auch die Conturen des Kopfes deutlich hervortreten.

Auf den Siegeln der spätern Herzoge, so weit sie in Hinsicht auf die Zeit der Bracteaten in Berücksichtigung kommen, ist der Stierkopf klein, überall ist das Halsfell, bei einigen tritt auch die Zunge hervor, der Unterkiefer wird immer mehr ringförmig, namentlich bei Magnus und Balthasar, bis er sich zuerst auf dem Siegel des Herzogs Albrecht, welches die Jahrszahl seines Regierungsantrittes 1519 trägt, zu einem Ring gestaltet.

In dem Hause Werle ist von Anfang an bis zum Erlöschen desselben der Stierkopf das einzige Bild gewesen, welches die Fürsten auf ihren Siegeln führten. Nicolaus, der Stifter des Hauses, hat ihm auf seinem ältesten Siegel 1 ) dieselbe hauerähnliche Verzierung gegeben, welche sein Bruder Johann der Theologe von der meklenburgischen Linie dem seinigen anheftete, und legte sie wieder ab 2 ), wie jener sie abgelegt hat. Die Form der Stierköpfe ist im ganzen genommen besser, künstle=


1) Vgl. Jahrb. X, S. 17.
2) Vgl. Jahrb. X, S. 18.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 394 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

rischer, als in dem verwandten Hause. Entscheidend ist, daß niemals das Halsfell vorkommt, welches seit Heinrich dem Pilger in Meklenburg sich findet, ein Unterschied, der bis in die Jetztzeit geblieben ist. Die große Krone mit den Lilien in der früheren und dem blätterigen Laub in der spätern Zeit ist hier, wie dort; die Hörner unterscheiden sich in ihrer Gestalt nicht von denen in dem andern Hause, die ausgeschlagene Zunge kommt zuerst bei Johann 1320 vor, fehlt später oder erscheint wieder, so daß man sie nicht als ein unterscheidendes Merkmal des werleschen Stierkopfes betrachten darf. Der Unterkiefer ist fast auf allen Siegeln deutlich markirt, ist bei Johann 1370 fast zum Ringe geworden, und der Kopf im Siegel des Laurentius 1361 bis 1400 entspricht in seiner Bildung dem "Blarrkopfe" des Herzogs Albrecht.

Als Beizeichen finden sich drei Punkte in den drei Ecken des Schildes bei Nicolaus I. 1240, dann Sonne, Mond und Stern an derselben Stelle bei Johann 1281, Nicolaus 1298 und Johann 1319.

In der Linie Richenberg führte Pribislav zuerst einen Stierkopf von kräftiger Bildung; aus dem Bruchstücke seines Siegels ergiebt sich, daß sich zwischen den Hörnern ein Ring befunden hat 1 ).

Die Linie Rostock hat den uralten Greif beibehalten und kommt also hier nicht zur Berücksichtigung. In der stargardischen Linie ist das große Siegel des Herzogs Johann dem seines Bruders Herzogs Albrecht mit dem "Blarrkopfe" zum Verwechseln ähnlich; auf den kleinen Siegeln von ihm und seinen Nachfolgern ist der Stierkopf mit Krone, Zunge und Halsfell denen des meklenburgischen Hauses durchaus gleich.


Wenden wir nun das, was diese Zusammenstellung bietet, auf die meklenburgischen Bracteaten an, so ergiebt sich alsbald klar genug, daß aus der Gestalt des Stierkopfes kein bestimmtes Merkmal genommen werden kann, um die vorkommenden einem bestimmten Hause oder einer bestimmten Person beizulegen. Einem Hause nicht, denn es finden sich gar keine Bracteaten, auf welchen das Halsfell bestimmt erschiene, und es ist doch, da zumal urkundlich feststeht, daß alle meklenburgischen Häuser gemünzt haben, unglaublich, daß alle die tausende von Hohlmünzen, die zur Anschauung gekommen sind, wegen des fehlenden Halsfelles dem Hause Werle angehören


1) Vgl. Jahrb. X, S. 25, und XI, S. 237.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 395 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

sollten. Auch auf einzelne Personen läßt sich keine Anwendung auffinden; denn die wenigen Beizeichen, welche auf den Siegeln sich finden: die Blätter bei Heinrich, die Punkte und Sonne Mond und Stern in dem Hause Werle finden sich auf den Münzen nicht, und die Beizeichen der Münzen sind nicht auf den Siegeln vorhanden. Diese Aussicht auf Hülfe muß man fallen lassen.

Nun hat freilich Evers Münzverf. II, S. 11 u. 12, einen Versuch gemacht, auf diese Weise die Münzherren zu bestimmen, aber er ist, man muß es bekennen, höchst unglücklich ausgefallen. Wenn er S. 11 die drei ersten Bracteaten, wo der Büffelskopf ohne Krone und zuletzt in einem dreieckigen Schilde erscheint, dem Fürsten Nicolaus von Werle beilegt und sich dabei auf das Siegel bei v. Westphalen IV, Taf. 7, Nr. 3, bezieht, so ist zuförderst zu bemerken, daß diesem das Siegel gar nicht gehört, sondern daß es das im höchsten Grade entstellte Siegel des Nicolaus, Burwins Sohns, ist, der nicht regierte, also auch nicht Münzen schlagen ließ, und dann ferner, daß gerade diese kleinen mit dem Stierkopfe ohne Krone bezeichneten diejenigen Bracteaten sind, welche ins 14. Jahrhundert gestellt werden müssen. Eben so wenig statthaft ist es, den S. 12 angeführten Bracteaten mit den Schweinszähnen Johann dem Theologen beizulegen, denn abgesehen davon, daß Nicolaus von Werle gleichfalls die Schweinszähne anwandte und ablegte, ist der fragliche Bracteat, von dem die genaueste Zeichnung von Hrn. Kretschmer vorliegt, der Größe und dem Typus nach in das 14. Jahrhundert zu stellen, wo an eine solche Verzierung auf den Siegeln nicht mehr gedacht ward. Und ein Gleiches gilt auch von dem dem Fürsten Pribislav beigelegten Bracteaten, wo sich in einem Perlenrande der Stierkopf zeigt, zwischen dessen Hörnern ein Ring ist. Ein Exemplar liegt vor: es hat 15 Millimeter Größe und wiegt 8 Aß, gehört also unstreitig in eine Zeit lange nach Pribislav, welcher schon in der Mitte des 13. Jahrhunderts abtrat.


Während man es demnach aufgeben muß, aus den Münzen selbst den Münzherrn zu bestimmen, läßt sich aus dem Typus und der Größe die Zeit der meklenburgischen Bracteaten feststellen, wobei man sich aber hüten muß, daß man nicht jeden Bracteaten, der einen Stierkopf zeigt, nach Meklenburg verlegt. Dies könnte z. B. mit den großen (= 35 Millim.) und sehr dünnen Hohlmünzen der Stadt Schleiz geschehen, welche einen Stierkopf bald in dem Thore einer Burg, bald über derselben zwischen Thürmen darstellen, wenn man außer Acht läßt, daß sie durch Typus und Fabrik auf das innere Deutschland hinweisen.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 396 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

So weit unser Material reicht, lassen sich aber folgende Zeitabschnitte feststellen.

I. Vor 1240. Nach den mit ihnen gefundenen Münzen würden 2 Bracteaten zu setzen sein, welche durch Herrn Etatsrath Thomsen in Kopenhagen der Vereinssammlung zukamen und die wegen ihrer großen Seltenheit, und weil man sie bis jetzt als die ältesten eigentlich meklenburgischen Münzen betrachten darf (die Wendenpfennige kommen nicht zur Berücksichtigung, da ihr meklenburgischer Ursprung nicht nachzuweisen ist, wenn sie gleich im Lande in Umlauf waren), eine ausführliche Beschreibung verdienen.

a. In einem glatten Rande ein gut gebildeter Stierkopf mit deutlichen Augen, ohne Ohren, mit auf die Stirn aufgesetzten Hörnern. Eine Krone ist nicht da, aber zwischen den Hörnern sind 5 Punkte zu einer Blume gestellt, und neben den Hörnern auswärts zwei Punkte. Neben dem Kopfe stehen 2 mit der Spitze auswärts gekehrte Schwerter, deren Handgriff, durch eine Queerstange begränzt, eben so groß ist, wie die Klinge. Größe 21 Millim., das Gewicht 13 Aß. - Ein ähnlicher Bracteat, jedoch nur 19 Millim. groß, ist im königlichen Cabinet in Berlin, wo der Stierkopf auch von 2 Schwertern begleitet ist, jedoch sind die kurzen Hörner an die Seiten des Kopfes angesetzt und über denselben liegt ein Halbmond, der 3 Punkte einschließt.

b. In einem glatten Rande ein Stierkopf mit Augen, gekrönt mit einer großen Krone, deren äußere halbe Blätter und mittleres ganzes Blatt aus drei Blättchen gebildet sind; die Hörner stehen innerhalb der Krone. Neben dem Kopfe sind 2 gestürzte Flügel, welche die innere Seite (Sachsen) dem Kopfe zukehren, und wo sowohl die Federn, wie die Gelenkknorpel deutlich zu erkennen sind. Größe 23 Millim., Gewicht 14 Aß. Unverkennbar entsprechen beide Münzen dem Typus der Stierköpfe auf den Siegeln von Nicolaus und Johann dem Theologen und Nicolaus von Werle, und die angegebene Zeit wird dadurch bestätigt.

II. Aus einer etwas spätern Zeit, jedoch noch aus dem 13. Jahrhundert sind die Bracteaten, welche in Stintenburg gefunden wurden. Der ganze Fund ist nicht verzeichnet; es waren die meist ganz allgemein gehaltenen Städtemünzen von einem starken Bleche und ziemlich sauberem Gepräge 1 ). Die königliche Münzsammlung in Berlin erhielt 3 meklenburgische Münzen. Die Stierköpfe haben eine gedrungene, dicke Form;


1) Ueber die dem Verein zugekommenen Münzen vgl. Jahresber. VIII., S. 88.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 397 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

auf dem einen ist kein Beizeichen, ein zweiter hat einen Punkt oder Stern zwischen den Hörnern, und auf dem dritten, der einen geperlten Rand hat, zeigt sich daselbst der Ring, wiewohl wenig deutlich. - In diese Zeit gehört auch ein Bracteat, von dem die Zeichnung vorliegt, wo ein Stierkopf über einer Mauer von drei Oeffnungen erscheint, eine Form, welche auch noch später vorkommt. Er ist in der Gegend von Magdeburg gefunden mit Münzen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts (1230 - 1270) und hat mit den vorerwähnten gleiche Größe, 17 - 18 Millimeter.

III. An diese schließt sich der malchowsche Fund aus dem Ende des 13. Jahrhunderts, von dem unten ausführlich die Rede sein wird.

IV. Aus dem 14. Jahrhundert und wohl noch etwas in das 15. hinein sind nun alle die häufiger vorkommenden Bracteaten, welche mit den ihnen beigemischten, nicht einheimischen Münzen früher bei den in Kolbow 1 ) und in Reinshagen 2 ) gemachten Funden ausführlicher besprochen sind. Leider hat sich bei allen diesen Funden, welche eine sehr bedeutende Anzahl zur Anschauung brachten, keine einzige redende Münze gefunden, die eine bestimmte Zeitangabe ermöglicht hatte. Das allgemeine Kennzeichen dieser Münzen ist auf dem starken Bleche ein wenig gut gebildeter Stierkopf, dessen Form den Siegeln aus diesem Zeitalter in der Hinsicht analog ist, daß entweder nur die Nase mit dem Maule und die Stirn mit den Hörnern deutlich hervortritt, oder daß ein dicker Stierkopf erscheint. An Beizeichen fehlt es nicht, aber die Deutung derselben, mögen sie nun Münzherren oder Münzarten bezeichnen, ist bis jetzt noch nicht gefunden. Der Rand ist glatt, in der letzteren Zeit gekerbt und die Größe 15 Millimeter, das Gewicht 8 - 9 Aß.

V. Das 15. Jahrhundert und wahrscheinlich noch der Anfang des 16. hatten, wie in den benachbarten Ländern, so auch in Meklenburg, zur Ausgleichung mit den größeren Münzen Hohlpfennige, welche sich leicht von den früheren unterscheiden. Es sind 3 verschiedene Münzwerthe in ihnen ausgedrückt; sie sind alle drei aus dünnem Blech und am Rande gereifelt und zeigen einen gekrönten Stierkopf mit weitem Maule und heraushangender Zunge, bald in seiner ganzen Form (charakterisirt), bald nur durch die Umkreislinien (conturirt) dargestellt; die größeren haben bei 20 Milllim. Größe ein Gewicht von 8 Aß; die mittleren wiegen bei 15 Millimeter 6 Aß, die


1) Vgl. Jahrb. VI, S. 126.
2) Vgl. Jahrb. XVI, S. 311.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 398 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

kleinen bei 10 Millimeter 3 Aß. - Diese Hohlpfennige sind mit meklenburgischen, pommerschen u. a. redenden Münzen zusammen gefunden worden, so daß über ihre Zeitbestimmung kein Zweifel stattfinden kann.


Aus dieser Classificirung ergiebt sich nun leicht, wie viel noch zu bestimmen übrig bleibt, und wie wichtig ein jeder Münzfund für uns ist, welcher mit meklenburgischen Bracteaten andere Münzen enthält, deren Zeit man ermitteln kann. Das ist nun gerade die Bedeutung des

Münzfundes von Malchow,

von dem ein Theil in die Sammlung des Vereins gekommen, ein anderer in der Sammlung der Universität Rostock bewahrt wird, während viele Stücke zerstreuet und untergegangen sein mögen.

Die äußere Geschichte dieses Fundes ist sehr einfach; die Münzen wurden auf einer Stelle, 1 1/2 Fuß unter der Oberfläche, von Arbeitern bei der Schüttung des Erddammes, auf der Klosterseite auf einem Stück Acker, 3 1/2 Ruthen von dem an der Schmiede belegenen Wege gefunden und von den Findern zu sich genommen. Der Acker auf der Fundstelle hatte tiefer liegenden Humus gehabt. Ueber ein etwa vorhanden gewesenes Gefäß findet sich keine Nachricht. - Der Herr Klosterhauptmann v. Bork übersandte gütigst am 4. Febr. 1846, zunächst zur Ansicht, 10 große, 11 kleinere Hohlmünzen und 3 Denare, welche demnächst durch seine gewogentliche Verwendung vom Landtage Dec. 1846 dem Verein überwiesen wurden. Die rostocker Universität erhielt 6 große und 11 kleinere Hohlmünzen und 6 Denare. - Durch Herrn Schornsteinfegermeister Heinroth in Stavenhagen erhielt der Verein später einen zerbrochenen großen Bracteaten, einen kleineren und einen Denar. Das ist Alles, was von diesem Funde der Wissenschaft zu gute gekommen ist.

Von meklenburgischen Bracteaten fanden sich:

1) Im glatten Rande ein gut geformter Stierkopf in einem dreieckigen Schilde. (Fig. 1.) 6 Ex. 1 ) 2 zu 10, eins zu 12 Aß. Größe, hier wie bei den übrigen, 17 Millimeter.

Diese Münzen gehören sicherlich den Landesherren, ob aber dem Hause Meklenburg oder Werle, steht dahin, denn aus dem


1) Die nach Rostock gekommenen Exemplare sind, so wie hier, so auch ferner in die angegebene Zahl mit einbegriffen.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 399 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

fehlenden Halsfell ist kein sicherer Schluß zu ziehen, wie schon früher bemerkt ward. Gehören sie nach Meklenburg, so sind sie Heinrich dem Pilger oder der Landesverwaltung unter Anastasia zuzuschreiben, auf deren Wappenschildlein auf dem Siegel auch kein Halsfell zu erkennen ist; gehören sie nach Werle, so sind sie unter Nicolaus oder seinen Söhnen Heinrich und Johann geschlagen, deren Siegel eine Schildesform haben, und es ist gewöhnlich genug, daß auf Siegeln diese die Stelle des eigentlichen Schildes ersetzt. Diese Münzform ist schon von Evers II., S. 10, erwähnt worden.

2) Im glatten Rande ein Stierkopf, statt der Hörner mit einem Hirschgeweih. (Fig. 2.) 4 Ex. Das eine wiegt 9, zwei andere 11 Aß.

Da sich auf keinem Fürstensiegel eine solche abweichende Form der Hörner findet, so liegt es nahe genug, den Ursprung dieser Münze in einer Stadt des Landes zu suchen und Parchim anzunehmen. Diese Stadt führte bereits 1305 auf ihrem Siegel zwischen den Hörnern des Stierkopfes ein Geweih von 8 Enden (Cleemann Parch. Chron. S. 207), gerade wie das Geweih hier, jedoch ohne Stirnhörner, vorkommt, und besaß, wenigstens später, die Münzgerechtigkeit.

3) Im glatten Rande ein Stierkopf mit aufgesteckten Zweigen statt der Hörner. (Fig. 3.) 4 Ex., von 9 und 10 Aß.

Für die Beizeichen der aufgesteckten Zweige findet sich weder in irgend einem Fürsten =, noch in einem Stadtsiegel eine Analogie,

4) Im glatten Rande ein Halbmond zwischen den Hörnern, über dem ein Punkt. (Fig. 4.) 3 Ex. 12 Aß schwer.

Auch hier geben die vorhandenen Siegel keine Andeutung, denn es finden sich auf ihnen solche oder auch nur ähnliche Zeichen nicht zwischen den Hörnern, und so muß man, da der Stierkopf völlig gebildet ist, in dem Beiwerke wohl nur ein Münzmeisterzeichen erblicken.

5) Im glatten Rande ein Stierkopf mit einer aufrecht stehenden Pfeilspitze (Stral) zwischen den Hörnern, (1 Ex. in der Rostocker Sammlung.)

Das Beizeichen weiset nach Stralsund, aber die Verbindung des auswärtigen Stadtzeichens mit dem Landesbilde ist räthselhaft.

Da nun die vorliegenden 9 Stücke zusammen 5/16 Loth wiegen, so wurden 458 Stück solcher Pfennige aus der rauhen Mark geschlagen, deren Korn aber hier nicht genau angegeben werden kann; dem Striche nach steht es zwischen 12 löth. und fein. Das Stück wäre nach dem 14 Thaler = Fuße 1 ßl. 5 1/2 Pf., nach unsern Schillingen 1 Thlr. 10 Pf. werth,

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 400 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Mit diesen meklenburgischen stimmen nun im Schrote die hier gefundenen auswärtigen Hohlmünzen überein.

1) Im glatten Rande ein zum Kampf gerüsteter, links gekehrter Löwe, schreitend, über dem Bogen eines Thores, mit dem Kopfe nach vorne gewendet. (Fig. 5.) 11 Aß schwer.

Es ist gar keinem Zweifel unterworfen, daß diese Münze nach Braunschweig gehöre, und kommt der Löwe auf jenen Münzen in dieser auf den ersten Anblick etwas verzerrten Form auf frühern und spätern Münzen oft genug vor.

2) Im glatten Rande in einer Mauer ein Thor, oben mit einem Thurme und auf dessen Spitze ein Knopf. (Fig. 6.) 9 Aß schwer.

Diese Vorstellung auf Städtemünzen ist so allgemein, daß eine nähere Bestimmung wohl nicht gegeben werden kann.

3) Im glatten Rande ein gekröntes Angesicht, vorwärts gekehrt. (Fig. 7.) 13 Aß schwer (auch Rostock hat ein Ex. aus diesem Funde).

Dänemark hat seine früheren Münzen mit einem gekrönten Angesicht bezeichnet, und so haben denn viele, und ich mit ihnen, die unter allen meklenburgischen Funden vorkommenden, ziemlich zahlreichen Kopfbracteaten diesem Lande zugeeignet, nicht die äußern und innern Bedenklichkeiten verkennend, welche sich dieser Annahme entgegenstellten. Es ist nun die frühere Vermuthung, daß diese Münzen nicht dänische, sondern ächt norddeutsche sind und nach Greifswald gehören, zur Gewißheit geworden, denn Herr Kretschmer in Berlin theilt nicht allein mit, daß noch gegenwärtig im Rathsarchive zu Greifswald ein Bracteatenstempel, freilich aus späterer Zeit, aufbewahrt wird, wo ein gekrönter Kopf mit Locken erscheint (Abbildung ist unter Fig. 14 beigegeben), sondern giebt auch die Zeichnung einer überaus seltenen und noch gänzlich unbekannten Silbermünze - eines Wittenpfennigs wahrscheinlich -, welche dasselbe Bild mit der Umschrift Umschrift zeigt. (Fig. 13.) So kann man denn nun die Anwendung dieses Menschenbildes von unserm oben angegebenen Stücke an ins 14. Jahrhundert hindurch auf den Bracteaten von Kolbow und Reinshagen, auf dem Wittenpfennig aus Anfang des 15. Jahrhunderts und auf dem wohl gleichzeitigen und um Weniges jüngern Stempel verfolgen und hat damit eine neue und ganz verläßliche Bestimmung für eine sehr zahlreiche Classe von Münzen gewonnen, womit das häufige Vorkommen derselben in Meklenburg mit stralsundischen und andern pommerschen Pfennigen völlig übereinstimmt.


Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 401 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Um nun das Zeitalter dieser Münzen zu bestimmen, enthält unser Fund, und das ist gerade die hohe Bedeutung desselben für die Wissenschaft, Bracteaten, deren Alter man genau bestimmen kann 1 ). Es sind die Münzen Heinrichs des Erlauchten, Markgrafen von Meißen, welcher, 70 Jahre alt, zu Anfange des Jahres 1288 vor dem 8. Febr. (Tittmann Gesch. Heinr. d. Erl. Bd. II, S. 284) gestorben ist. Er hat zwar eine lange Reihe von Regierungsjahren, welche die zu treffende Bestimmung eben nicht erleichtern; aber seine Münzen lassen Vergleichungen zu mit denen seiner Zeitgenossen, die in der Nähe des meißner Landes ihr Münzrecht übten, und auf diese Weise ergiebt sich schon mehr der Zeitraum, der für die Entstehung und den Umlauf der vorliegenden Stücke zu berechnen ist. Beweise bieten vor allen die Gepräge der Bischöfe von Naumburg (vgl. v. Posern: Sachsens Münzen im Mittelalter. Th. I. Leipzig, 1846). Hierher gehörige erscheinen zuerst von Theodorich, einem Bruder Heinrichs des Erlauchten, welcher von 1245 - 1272 den bischöflichen Stuhl einnahm: sie sind nämlich ihrer Fabrik nach schon ziemlich mit den vorliegenden übereinstimmend; dann folgt Graf Meinher, Bischof von 1272 - 1281, dessen Bracteaten fast ganz mit diesen übereinstimmen. Demnach müssen also unsere Stücke in die letzten Jahre Heinrichs des Erlauchten fallen, und wir haben als Zeitalter unsers Fundes das letzte Jahrzehend des 13. Jahrhunderts.

Von diesen meißnischen Pfennigen sind 17 Stücke erhalten worden, von denen das rostocker Cabinet 6 bewahrt. Sie sind aus sehr dünnem Bleche und von bedeutender Größe, von 38 - 42 Millimeter, also zum Theile noch größer, als ein Doppelthaler (= 40 Millim.), und schwankt das Gewicht der vollständig erhaltenen Stücke zwischen 16 und 20 Aß, so daß sie also unter den früher erwähnten norddeutschen Pfennigen in Umlauf sein konnten, wo sie wohl so viel als 2 derselben gehalten haben mögen, womit der Werth etwa übereinstimmt. Ihre Feine ist nach Schönemann 13 Loth 16 Grän.

Die meisten unserer Exemplare sind sehr zerdrückt, so daß auf einigen das Bild gar nicht mehr zu erkennen ist, jedoch sind 2 derselben vollständig und 3 andere leidlich erhalten.

1) Der Markgraf stehend, die rechte Hand hält eine Fahne mit drei abwärts hangenden Spitzen, die linke einen bedachten Thurm mit einem Knopf oben auf der Spitze. Außerhalb dieses Bildes im Rande stehen die Buchstaben


1) Herr Kretschmer in Berlin hatte die Gefälligkeit, nicht allein die Münzen zu zeichnen, sondern auch bei den Forschungen über dieselben mich auf das Bereitwilligste zu unterstützen, wofür ich ihm meinen besten Dank sage.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 402 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Umschrift

d. h. Henricus dei gratia misnensis et orientalis marchio. (Fig 8.) = 19 Aß.

In dem felsdorfer Münzfunde, von dem Schönemann in der Leitzmannschen Numismatischen Zeitung, 1842, Nr. 19 - 21 und 24, 25, Nachricht giebt, und der mit unserm Funde gleichzeitige Münzen enthält, fanden sich zerschnittene Exemplare dieses Gepräges, und bezieht er sich auf Schlegel de cella veteri p. 33, welches nicht zur Hand ist.

2) Der Markgraf hält in der rechten Hand ein entblößtes Schwert, in der linken, wie es scheint, eine abwärts gekehrte Lilie. Außerhalb auf dem Rande stehen gleichmäßig vertheilt vier achtspitzige Sterne, und auf der Schwertklinge zeigt sich ein sechsspitziger Stern als ein Münzzeichen. (Fig. 9.) = 20 Aß.

Beide Bracteaten sind noch nicht abgebildet. Abbildungen der Münzen von Heinrich dem Erlauchten sind enthalten in Sal. Frankii Numophylacii Wilhelmo - Ernestini, quod Vinariae fulget, rariores bracteati numique figuris aeneis expressi breviterque explicati, Vinariae 1723; dann in Neumann: Neues Lausitzisches Magazin, Jahrg. 1821, I., Heft 1, S. 22.

3) Der Markgraf hat in der rechten Hand ein Lilienscepter, in der linken eine Lanze mit breiter Lanzenspitze. Der Rand hat kein Zeichen. = 19 Aß.

Schönemann a. a. O. S. 186, Nr. 67 erwähnt die linke Hälfte dieser Münze.

4) Der Markgraf hat in der Rechten ein Scepter, das in einem Stern sich endet, die linke Seite ist zerdrückt. Im Rande sind 4 Punkte. = 17 Aß.

5) Der Markgraf in der Darstellung von Nr. 1, mit Schwert und Thurm, im glatten Rande. = 19 Aß.


Von den zweiseitigen Münzen, den Denaren, hat die Sammlung des Vereins 4 in verschiedenen Geprägen und die rostocker 6 in drei Geprägen erhalten, welche aber auch unter den ersteren sich befinden. Es sind folgende.

1) Hauptseite. Der Fürst stehend und in den ausgestreckten Händen 2 Lanzen haltend, umgeben von 2 Thürmchen.

Rückseite. In einem dreieckigen Schilde ein Adler vor einem Gemäuer oder einer Stadtmauer mit 3 Thürmen, von denen der mittelste, als der höchste, über

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 403 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

dem Schilde oben hervorragt. (Fig. 10.) Größe 15 Millimeter. Gewicht 14 Aß.

Diese Münze gehört sicher einem brandenburgischen Markgrafen vom ascanischen Stamme, welcher in der letzten Hälfte des 13. Jahrh. lebte. Die beiden Thürmchen, welche zu den Seiten des Fürsten stehen, haben wohl keine bestimmte Bedeutung, sondern sind vom Stempelschneider mit ins Gepräge aufgenommen, um den Raum des Feldes genügend auszufüllen. - Das Mittelalter haßt die Leere!

2) Hauptseite. Der stehende Fürst, welcher mit ausgestreckten Händen rechts eine Lanze, links aber eine Fahne hält; ihm zur Seite rechts steht ein O.
Rückseite. Ueber dem Bogen eines Thores ragt ein bedachter Thurm hervor und an jeder Seite desselben steht ein aufgerichteter Schlüssel, den Bart dem Thurme zugekehrt. Im Thore selbst ist der Kopf eines Adlers. (Fig. 11.) 15 Millim. Gewicht 8 Aß.

Diese Münze, von welcher Rostock ein zweites Exemplar besitzt, muß eine große Seltenheit sein, denn in Berlin befindet sich weder ein gleiches, noch ein ähnliches Gepräge. Wenn man nun das O zur Rechten nicht für ein bloßes Zeichen, sondern, und wohl mit Recht, für einen Buchstaben annimmt, so gehört diese Münze dem Markgrafen Otto III. von Brandenburg, der 1268 starb, und nach den beiden Schlüsseln wurde sie zu Salzwedel geprägt. Der Adlerkopf kommt auf den ältern brandenburgischen Münzen häufig genug vor, und der ganze Charakter dieser Denars paßt zu denen des Landes Brandenburg aus der angegebenen Zeit vollkommen.

3) Hauptseite. Das Brustbild eines Fürsten über einem Bogen, rechts ein Schwert, links eine Lanze haltend, und in dem Bogen ein schwebendes Kreuz.

Rückseite. Ein schreitender Greif, welcher sich rechts hin wendet, ohne alle Beizeichen. (Fig. 12.)

Dieses Stück kommt selten vor und ist auch im königlichen Münzcabinet in Berlin nicht enthalten. Es gehört Pommern an und zeigt in dem Greifen das Wappenbild des Landes, und hat in dem Kreuze ein Zeichen, welches auf den pommerschen Münzen des 13. Jahrhunderts häufig vorkommt, wo man es allgemein als Zeichen des Christenthums oder als Wappenbild des Stiftes Camin deuten kann.

4) Hauptseite. Das Brustbild eines Mannes auf dem Bogen eines Thores, mit zwei angehefteten Flügeln statt der Arme. Im Thore ein Ring mit einem Punkte in der Mitte.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 404 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Rückseite. In einer vierbogigen Einfassung, in deren Winkeln Punkte stehen, ein Ankerkreuz. Größe 15 M. Gewicht 13 Aß. (Auch in Rostock vorhanden.)

Nach Schönemann a. a. O. S. 189, Nr. 80, war diese Münzsorte (in Rau Brandenb. Münztaf. 19, Nr. 4) im selsdorfer Funde die zahlreichste, und bemerkt er, daß es noch nicht entschieden sei, ob man sie jünger, als Otto III. annehmen könne.

Dem Gewichte nach stimmen diese Denare mit den meklenburgischen Hohlmünzen des Fundes ziemlich überein, und sie konnten demnach mit ihnen zugleich in Umlauf sich befinden.


Fassen wir nun den Gewinn zusammen, den die Münzkunde aus dem malchower Funde ziehen kann, so besteht er, abgesehen von den noch unbekannten Geprägen, darin, daß er die Form, so wie die Größe und das Gewicht der meklenburgischen Bracteaten aus dem letzten Jahrzehend des 13. Jahrhunderts feststellt, und zeigt, wie mit ihnen zugleich nicht nur die brandenburgischen und pommerschen Denare, sondern auch die obersächsischen großen Pfennige in Umlauf sein konnten, welche letzteren hier zum ersten Male in einem meklenburgischen Funde vorgekommen sind.


Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 405 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

IV. Zur Wappen = und Geschlechterkunde.


Siegel des Günther von Lewetzow.

Der Herr Gutknecht auf Wackstow fand früher zu Klewerhof bei Dargun einen v. Lewetzowschen Original = Siegelstempel aus Messing und schenkte diesen jetzt dem Vereine. Dieses Siegel ist sehr interessant. Das Siegel ist rund und von der Größe eines

Umschrift

Der Name Günther ist der eigenthümliche Familien = Vorname der Familie von Lewetzow und kommt, namentlich im 14. Jahrh., häufig vor. Nach den Schriftzügen stammt das Siegel ohne Zweifel aus dem 14. Jahrhundert und gehörte einem Knappen Günther v. Lewetzow, welcher freilich späterhin vielleicht Ritter geworden sein kann. Wichtig ist aber die Bezeichnung seines Wohnsitzes "de Willershagen".

Die Familie v. Lewetzow, welche von dem Gute Lewetzow bei Wismar stammt, war zuerst im Lande Rostock zwischen Rostock und Ribnitz ansässig, wo sie noch bis in das 17. Jahrh. ihr altes Erbbegräbniß in der Kirche zu Bentwisch hatte. Hier besaß sie namentlich das Gut Willershagen bei Ribnitz, wo noch 1349 - 1350 der Knappe Arnd Lewetzow d. ä., der Stifter der Linie Markow, wohnte. Nach dem Aussterben der fürstlichen Linie Rostock erwarb die Familie um die Mitte des 14. Jahrh. die zahlreichen Güter im Amte Neu = Kalen, wo sie noch heute ihre alten Sitze hat. Im 14. Jahrh. besaß sie hier sicher auch den Hof Chlewe oder Klewe, welcher in neuern Zeiten Klewerhof genannt ist; im J. 1371 wird wiederholt "Werner Lewezowe to deme Chlewe" genannt. Im J. 1361 verkaufte Conrad v. Lewetzow das Gut oder doch seinen Antheil in Willershagen.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 406 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Das Siegel stammt daher aus jener Zeit, wo die Familie v. Lewetzow aus dem Lande Rostock in das Land Kalen, oder genauer von Willershagen nach Klewe zog, und hier in Klewe wird in der Mitte der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. das Siegel verloren gegangen sein. Es kommen im 14. Jahrh. viele v. Lewetzow mit dem Vornamen Günther vor. Ein Knappe Günther v. Lewetzow erscheint 1318 - 1329 noch in der Gegend von Rostock, und diesem wird das Siegel gehören. Ein Siegelabdruck an einer alten Urkunde von ihm ist nicht bekannt.

G. C. F. Lisch.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Ueber die Familie von Negendank.

In der Familie der von Negendank, welche mit der im J. 1809 zu Bützow verstorbenen Oberstlieutenantin von Both, geb. von Negendank, ausgestorben ist, ward ein Ring aufbewahrt, welcher auf die mit dem Kammerherrn von Raven verheirathete Tochter der Frau von Both und nach dem Ableben derselben auf deren Söhne vererbt ist, in deren Besitz er sich noch gegenwärtig befindet. Der antike Ring ist aus 22karätigem Golde, und der in denselben kräftig gefaßte Stein ist ein Türkis; das Gewicht des Ganzen beträgt 4 3/8 Ducaten. Nach einer Sage, die in der Familie von Negendank, welche auf dem Helme ein geharnischtes Bein (einen Schenkel) führte, durch mündliche Ueberlieferung erhalten war, soll auf dem Turnier, welches der König Erich VIII. von Dänemark im J. 1311 auf dem Rosengarten vor Rostock hielt, ein Ritter von Schinkel neun Mal den Preis oder Dank errungen und seitdem den Namen Negendank erhalten haben. Einer der Preise jenes Turniers soll der Ring gewesen sein, an welchen sich der Glaube knüpfte, daß die Familie von Negendank nicht aussterben werde, so lange der Ring in derselben erhalten bleibe.

Rostock, 1847. von Raven, Oberstlieutenant.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 407 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

V. Zur Naturkunde.


Der Ur = Stier (Wisent, Ur, Tur, Büffel),
Bos primigenius.

In unsern Torfmooren werden nicht selten gewaltige Gehörne, Zähne und andere Knochen ausgegraben, welche dem jetzt ausgestorbenen Ur = Stier gehört haben (vgl. Jahrb. IX, S. 496, und X, S. 418, und erster Bericht über das Antiquarium zu Schwerin, S. 19). Es hat uns aber bis jetzt ein vollständiger Schädel dieses Thieres gefehlt, welches für Meklenburg von besonderem Interesse ist.

Der Reichsfreiherr August von Maltzan Exc. auf Duchnow etc. . schenkte seinem Neffen, dem wail. Reichsfreiherrn Albrecht von Maltzan auf Peutsch, Peccatel etc. ., einen vollständigen, prachtvollen Schädel dieses Thieres, welcher in Polen hinter Warschau ausgegraben ist. Zugleich mit diesem ungeheuren Schädel kamen die Urnen von Lippiny an, welche unser Verein sogleich zum Geschenke erhielt (vgl. Jahrb. XII, S. 442 flgd.). Ich habe diese Seltenheiten selbst ausgepackt, als sie im J. 1846 aus Polen ankamen. Nachdem unser unvergleichlicher und unvergeßlicher Freund am 11. Oct. d. J. gestorben ist, hat dessen Vater, der Herr Landrath Reichsfreiherr von Maltzan auf Rothenmoor, in Uebereinstimmung mit seinen Söhnen, in dem lebhaften Wunsche, im Geiste seines Sohnes in dessen wissenschaftlichen Bestrebungen fortzuhandeln, diesen Schädel unserm Vereine geschenkt, um demselben ein dauerndes Andenken an seinen verstorbenen Sohn und dessen frühes Hinscheiden zu hinterlassen.

Ueber diesen Schädel ist eine polnische Abhandlung geschrieben:

O turach i zubrach z okolicznosci znalezienia niedawno czaszki wolu kopalnego w pruszkowie w plocki przez Antoniego Wage. Warszawa, 1843.

Diese zu dem Schädel gehörende Abhandlung hat der Reichsfreiherr von Maltzan auf Gr. Lukow aus dem Nachlasse seines verstorbenen Bruders Albrecht dem Vereine geschenkt.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 408 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Außer diesem und dem wissenschaftlichen Werthe hat dieser Schädel für Meklenburg noch das große Interesse, daß er uns endlich ein gutes Vorbild zu dem meklenburgischen Landeswappen gewährt. Denn nach vieljährigen, tiefen Forschungen ist der Kopf dieses Thieres unzweifelhaft das Wappenbild der Herrschaft Meklenburg, während der Kopf des jetzt lebenden Rindes das Wappenbild der Herrschaft Werle ist.

Die Bestimmung dieses Thieres ist sehr schwierig, da in dem Namen desselben eine unglaubliche Verwirrung herrscht, eine noch größere, als in den Namen der Fichte und Tanne in den verschiedenen Gegenden Deutschlands.

Eine Beschreibung und Untersuchung des Schädels wird ohne Zweifel die Bestimmung feststellen. Die Stirn unsers Schädels ist viereckig und nicht allein platt, sondern sogar eingedrückt; die "vorspringende Queerleiste", zwischen Stirne und dem platten, etwas eingedrückten Hinterhauptbein, ist horizontal ganz grade und trägt an seinen Enden die Hörner. Die Hörner sind weit, halbmondförmig gebogen und nur an den Spitzen sehr wenig, kaum bemerkbar nach oben gekrümmt. Die Stirn ist zwischen den Hörnern 8 1/2? hamburg. Maaß, an der schmalsten freien Stelle 9?, zwischen den Augen 12? breit und vom Hinterhaupt bis zur Mitte der Augen 12? lang. Die Hörner stehen in ihrer weitesten Biegung 27? und in den Spitzen 22? aus einander und haben an der Wurzel einen Umfang von 14?. Von unten angesehen erscheinen die Hörner ganz halbmondförmig, wie an dem Büffelskopfe auf dem meklenburgischen Wappen. Durch die Stirn unterscheidet sich dieser Stier wesentlich von dem noch im bialowieser Walde lebenden Urochsen (bos urus, bison), welcher eine gewölbte Stirn hat.

Wenn nun auch der Ochse, dem unser Schädel angehört, der Gattung nach bestimmt ist, indem er ziemlich bekannt ist, so ist er doch keinesweges dem Namen nach bestimmt. Wir können ihn nur den Ur = Stier nennen, von dem unsere Stiere als Hausthiere herkommen; es ist nicht der litthauische Urochse, nicht der Auerochse, nicht der Bison, von denen jetzt Gattung und Namen feststehen. Ueber dies Alles hat Oken in seiner Naturgeschichte VII, 2, S. 1420 flgd. sehr ausführlich historischen Bericht erstattet. Schon im frühen Mittelalter war die Namensverwirrung sehr groß; vgl. Oken a. a. O. Unser Ur = Stier ist gewiß das Thier, welches in der deutschen mittelalterlichen Poesie unter dem Namen Ur und Wisent (bison) neben dem Elch (Elen) als Thier der hohen Jagd häufig vorkommt. In Meklenburg, wie überhaupt in den slavischen Ländern, hieß er, wie noch jetzt in Polen und Masovien, Tur; daher kommt in

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 409 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Meklenburg der Name des Landstriches Ture und der öfter vorkommende Name Turow. Seit der Germanisirung scheint er in Meklenburg Büffel genannt zu sein, da die Bezeichnung des meklenburgischen Wappens mit dem Namen Büffelskopf ganz volksthümlich ist und schon in Urkunden des Mittelalters vorkommt.

Schwerin, Weihnacht 1851. G. C. F. Lisch.
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Rennthiere in Meklenburg.

In Jahrb. XI, S. 496, ist über ein zu Gerdshagen bei Güstrow und XVI, S. 350, über ein bei Carlow im Fürstenthume Ratzeburg gefundenes Rennthiergeweih Nachricht gegeben. Kaum war diese Nachricht gedruckt, als die Mecklenburgische Zeitung, Nr. 83, vom 9. April 1851, folgende Mittheilung machte:

"Wismar. Auf dem Gute Luttersdorf bei Wismar ist vor Kurzem die rechte Stange eines Rennthiergeweihes in einer etwa 10' tiefen Moddegrube gefunden worden. Dieselbe ist im Ganzen wohl erhalten, hat eine glatte, zum Theil noch glänzende Oberfläche von gelblich = grauer Farbe, und mißt von der Rose bis zur Krone, welche abgebrochen ist, 4 Fuß 1 Zoll. Unmittelbar über der Rose findet sich die wagerecht nach vorne gerichtete - wie es scheint - einfache, leider gewaltsam abgestochene, 3 Zoll lange Augensprosse. Ueber letzterer ragt, aufwärts gekrümmt, ebenfalls nach vorne gerichtet, der 1 Fuß 6 Zoll lange, am Ende dreifach verzweigte Eissprießel hervor. Außer einer 1 1/2 Zoll langen Sprosse in der Mitte zeigt das Geweih keine Verästelungen. Längs der Stange und den Sprossen laufen mehrere Furchen, an deren Bildung man dentlich die Eindrücke von Blutgefäßen erkennt, die das sich entwickelnde Geweih ernähren und dasselbe sammt der behaarten Haut umgeben. Stange und Sprossen erscheinen ihrer ganzen Länge nach zusammengedrückt, erstere in einer S = förmigen Biegung nach oben und vorne. - Ich habe dies Factum der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten zu dürfen geglaubt, theils weil durch dasselbe die Wahrscheinlichkeit für die frühere Existenz des Rennthiers in Meklenburg bedeutend gesteigert wird, theils aber auch, um die sich geltend machende Behauptung zu entkräften, nach welcher dies

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 410 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

Thier diesseit des baltischen Meeres überall nie vorgekommen sei. - Schließlich erkläre ich mich gerne bereit, Freunden der Zoologie das Geweih auf Verlangen vorzuzeigen. Die hiesige Bürgerschule verdankt dasselbe der Aufmerksamkeit des Herrn Lembcke aus Luttersdorf, so wie ein zweites, üppig entwickeltes lappländisches Geweih von 24 Enden dem Herrn Schiffscapitain Plagemann hieselbst. Beide Geweihe bieten zu interessanten Vergleichungen nicht unerheblichen Stoff dar. Theodor Friese, Lehrer an der Bürgerschule".

In dem Berichte über die Jahresversammlung des Vereins der Freunde der Naturgeschichte am 11. Juni 1851 zu Güstrow (im Mecklenb. Gemeinnützigen Archiv, 1851, Juni, S. 293) heißt es:

E. Boll legte eine ihm von Herrn Friese in Wismar mitgetheilte Zeichnung eines daselbst im Torfmoor gefundenen Rennthiergeweihes vor, durch welches endlich jeder Zweifel an dem frühern Vorhandensein dieses Thieres in Meklenburg gehoben wird. Herr F. Koch legte ein Geweih vor, welches bei Hinrichshagen unweit Woldegk im Moor gefunden war und welches gleichfalls dem Rennthiere anzugehören schien; da das Geweih aber sehr defect war, so blieben noch einige Zweifel hinsichlich der Bestimmung übrig, welche nur durch Vergleichung mit einem wirklichen Rennthiergeweihe gehoben werden können".

Ausführlichere Forschungen über dieses lutterstorfer Geweih hat seitdem der Herr Lehrer Friese zu Wismar in dem Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Meklenburg, Heft V, 1851, S. 113 flgd., angestellt, und der Verein hat diese Forschung mit einer Abbildung dieses Geweihes begleitet.

Im Laufe der Untersuchung erwähnt der Herr Friese a. a. O. S. 118 noch eines zu Gädebehn bei Stavenhagen gefundenen muthmaßlichen Rennthiergeweihes.

Am Ende des J. 1851 machte der Herr Minister = Präsident Graf von Bülow zu Schwerin, Präsident unsers geschichtlichen Vereins, die Mittheilung, daß auf seinem Gute Cummerow in Hinterpommern tief im Moore ein Geweih ausgegraben sei, welches er nach persönlicher Untersuchung ebenfalls sicher für ein Rennthiergeweih halte.

G. C. F. Lisch.

Vignette