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Jahrbücher

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde,

 

gegründet von                  fortgesetzt von
Geh. Archivrat Dr. Lisch. Geh. Archivrath Dr. Wigger.

 


 

Zweiundsiebzigster Jahrgang

herausgegeben
von

Geh. Archivrath Dr. H. Grotefend,

als 1. Sekretär des Vereins.

 


Mit angehängtem Jahresberichte.

 

 

Auf Kosten des Vereins.

 

 

Schwerin, 1907.

Druck und Vertrieb der Bärensprungschen Hofbuchdruckerei.
Kommissionär: K. F. Koehler, Leipzig.

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Inhalt des Jahrbuchs.


Seite
I. Auswärtige Politik des Herzogs Adolf Friedrich I. von Mecklenburg-Schwerin in den Jahren 1636-1644. Von Richard Stehmann 1 -84
II. Die Begründung und Entwickelung der kirchlichen Organisation Mecklenburgs im Mittelalter. Von Pastor K. Schmaltz, Sternberg 85 -270
III. Die Immunität der Kirchendiener und des Kirchenguts in Mecklenburg. Von der Reformation bis zum Ausgange des achtzehnten Jahrhunderts. Mit 2 Beilagen. Von Ministerialdirektor z. D. Otto Raspe 271 -332
IV. Der Sterbetag der Herzogin Katharina von Mecklenburg. Ein Nachtrag zur Stammtafel des Großherzoglichen Hauses. Von Archivar Dr. Hans Witte 333 -334

 

Vignette

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I.

Auswärtige Politik

des Herzogs Adolf Friedrich I. von Mecklenburg=Schwerin

in den Jahren 1636-1644.

Von Richard Stehmann.


 

Einleitung.

E s ist bekannt, wie sehr der große Krieg, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts alle deutschen Verhältnisse beeinflußt und umgestaltet hat. Sein Abschluß hat die neue Zeit eingeleitet und ist im weitesten Sinne ihr Fundament geworden. Aber bis heute besitzen wir noch keine umfassende Darstellung des westfälischen Friedens. 1 ) Es fehlt an den Vorarbeiten, ohne die eine solche


1) Die betreffenden Werke der polyhistorischen Zeit sind Materialiensammlungen und als sekundäre Quellen von großer Wichtigkeit, so:
"Négociations secrètes touchant la paix de Münster et d'Osnabrug, ou recueil général des préliminaires, instructions, lettres, mémoires etc. concernant ces négociations depuis 1642 jusqu'en 1648 avec les dèpêches de Mr. de Vautorte et autres pièces an sujet du même traité jusqu'en 1654 incl. 4 T. A La Haye 1725 26f.
G. H. Bougeant, Histoire des guerres et des négociations, qui précédèrent le traité de Westphalie, composée sur les mémoires du comte d'Avaux. Par. 1727. 1751.
Derselbe: Histoire du traité de Westphalie. 2 T. 1744. 1751.
J. G. v. Meiern, Acta pacis Westphalicae publica. 6 Bd. Hannover 1734-36.
Derselbe: Acta pacis executionis publica. 2 B. Hann., Gött. 1736. 38 f. u. a.
Vgl. Dahlmann - Maitz, Quellenkunde der deutschen Geschichte Quellen und Bearbeitungen systematisch und chronologisch verzeichnet. 7. Auflage, bearbeitet von E. Brandenburg. Leipzig 1906. S. 525 ff.
(  ...  )
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nicht möglich ist. 1 ) Denn die Forderung, die wir heute an jede Gesamtdarstellung der deutschen Geschichte machen müssen, gilt auch hier vor allem als unerläßliche Bedingung: Eine Darstellung eines in alle Verhältnisse des deutschen Reiches eingreifenden Ereignisses setzt eine eingehende Erforschung der Geschichte der einzelnen Territorien voraus.

Derartige Vorarbeiten in Bezug auf den westfälischen Frieden sind nun von besonderer Wichtigkeit für das gesamte Norddeutschland. Zwar fand dieses bei den Zeitgenossen nicht dasselbe Interesse wie der Süden und Westen, denn die allgemeine Aufmerksamkeit richtete sich, von den Bewegungen des Auslandes abgesehen, damals trotz aller Zersplitterung immer noch auf das ohnmächtige Kaiserhaus.

Aber Mecklenburg und Pommern, ganz Nieder= und Obersachsen waren der Tummelplatz der Streitenden in den letzten Kampfesjahren. Sie waren zugleich der Teil des Reiches, in dem zuerst Friedensgedanken entstanden und Friedensverhandlungen gepflegt wurden. Für die Erhellung des Zeitraumes vom Prager bis zum westfälischen Frieden ist daher die Geschichte der Territorien im Norden des Reiches von der größten Bedeutung.


(  ...  ) Von Darstellungen neuerer Zeit, die ein Gesamtbild zu entwerfen suchen, ist G. Winter, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Berlin 1893 (bei W. Oncken, Allgem. Gesch. in Einzeldarstellungen) als zu wenig eingehend, nicht in Betracht zu ziehen. Die ausgezeichnete Darstellung von M. Ritter, Deutsche Gesch. im Zeitalter der Gegenreformation und des 30jähr. Krieges 1555-1648 (bei H. von Zwiedineck=Südenhorst, Bibliothek deutscher Geschichte 1877 ff), Stuttgart 1877 ff, ist leider bis heute noch nicht für den Zeitraum von 1635-1648 fortgeführt. F. Philippi, Der westfälische Friede, Ein Gedenkbuch, Münster 1898 bringt einen Abdruck des Friedensinstrumentes, im übrigen kulturgeschichtlich treffende Schilderungen. Daß eine unabhängige, geschweige umfassende Darstellung am wenigsten bei M. Koch, Geschichte des deutschen Reiches unter der Regierung Ferdinands III., Wien 1865 ff., zu finden ist, wissen wir seit lange durch die scharfe Kritik, die Erdmannsdörffer (Zur Geschichte und Geschichtschreibung des dreißigjährigen Krieges, Hist. Zeitschr., her. von H. von Sybel, Bd. 14, I) mit Recht an dieser blinden Parteiarbeit geübt hat. Endlich möge von allgemeineren Arbeiten hier noch der Überblick erwähnt werden, den K. Th. Heigel (Das westfälische Friedenswerk von 1643 bis 1648, Zeitsch. für Gesch. und Pol., her. von H. von Zwiedineck=Südenhorst, Bd. 5 p. .410 ff. 1888) gibt, schon wegen der zusammenstellenden Quellencharakteristik, die diesem kurzen, mehr feuilletonistischen Artikel vorangeht.
1) Immerhin ist eine Fülle von Untersuchungen einzelner Verhältnisse und Territorien vorhanden, die in diesen Kreis gehören. Als Beispiel seien nur angeführt:
(  ...  )
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Freilich kommen da nicht so sehr innere Landesangelegenheiten als vielmehr die auswärtige Politik jener Territorien in Betracht.

Vor 1644 bildete Hamburg den Mittelpunkt aller Verhandlungen zwischen den europäischen Großmächten. Hier waren Graf d'Avaux, der Franzose, und der Vertreter Schwedens, Johann Adler Salvius, die größten Diplomaten ihrer Zeit, tätig. Und um sie herum, werbend, vermittelnd und intriguierend versuchten Engländer, Niederländer und kaiserliche Bevollmächtigte, suchte die ganze Schar kleinstaatlicher Interessenten und Zwischenträger ihre Zwecke zu erreichen, die teils selbstsüchtiger Natur waren, teils aus der allgemeinen, immer wachsenden Friedenssehnsucht entsprangen. Dort hat man damals des öfteren auch mecklenburgische Gesandte erblickt, als Träger der Wünsche und Absichten des Schweriner Herzogs Adolf Friedrich I.

Die Lübecker Witte und von Werdenhagen, die zugleich in seinem Dienste waren, wie vor allem sein Geheimsekretär Simon Gabriel zur Nedden haben so manches Mal an der Tafel des schwedischen Legaten gesessen und seine feinsinnige Liebenswürdigkeit kennen gelernt, wie sie in derselben Stadt auch wieder dem kaiserlichen Vertreter ihre Bitten vorzutragen hatten. Der Eifer dieses Schweriner Fürsten war lebhaft und wirksam genug, ihn an dem großstaatlichen Getriebe teilnehmen zu lassen. Zudem waren die Leiden seines Landes so furchtbar, daß immer neue Anstrengungen, Abhülfe zu schaffen, begründet erscheinen mußten. So wurde Mecklenburg durch den dreißigjährigen Krieg in die großen europäischen Streitfragen derart hineingezogen, daß eine Darstellung dieser seiner Politik in jenen Jahren auch geeignet erscheinen mag, ein Licht auf die allgemeinen Verhältnisse zu werfen, auf die Interessensphären wie auf das politische Leben der rivalisierenden Machtfaktoren Schweden, Habsburg, Dänemark.

Wie ein tätiger, wohlmeinender Fürst unter unsäglichen Schwierigkeiten die durch die Verhältnisse ermöglichte einheitliche


(  ...  ) K. R. Melander, Die Beziehungen Lübecks zu Schweden und Verhandlungen dieser beiden Staaten wegen des russischen Handels während der Jahre 1643-1653. (Hist. Arkisto 18, 1 ff.)
W. Langenbeck, Die Politik des Hauses Braunschweig=Lüneburg in den Jahren 1640 und 1641. (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, her. v. Hist. Ver. f. Nieders. Bd. 18) Hannover und Leipzig 1905.
H. Freiherr von Egloffstein, Bayerns Friedenspolitik von 1645 bis 47. Beitr. z. Gesch. d. westf. Friedensverhandlungen, Leipzig 1898. [Eine in darstellende Form gebrachte treffende Urkundenpublikation.]
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Verwaltung des ganzen Herzogtums behauptete und, trotz der durch den Krieg herbeigeführten, sich allmählich fast bis ins Unerträgliche steigernden Zustände von Land und Leuten, zugleich, weit entfernt, den Dingen mutlos den Lauf zu lassen, selbständig in die Friedensverhandlungen eingriff, sollen die vorliegenden Abschnitte zu schildern suchen. Ihre Erweiterung und Ergänzung, durch die eine zusammenhängende Darstellung der auswärtigen Stellung Mecklenburgs von 1630-1644 sich ergeben würde, bleibt der Zukunft vorbehalten.

 


 

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Benutzte Akten und häufiger angeführte Literatur.

1. Akten des Großherzoglichen Geheimen und Haupt=Archivs zu Schwerin:

A. F.: Acta, die Friedensverhandlungen während des dreißigjährigen Krieges in Deutschland betreffend. Fasc. 2. Ex Archivo Suerinensi.

A. R.: Acta, die Reichstagssachen betreffend. Vol. VII. Ex Arch. Suerin. 1639-44.

A. T.: Acta Tutelae, Curatelae et Veniae Aetatis Principum Mecklenburgensium, Vol. VII. - IX. Fasc. I-III, 1636 ff.

Sues.: Suecica, Vol. IV. Ex Arch. Suerin.

Vien.: Viennensia, Vol. II. Ex Arch. Suerin.

2. Häufiger angeführte Literatur:

de Beehr, Rerum Mecklenburgicarum libri VIII. Lipsiae 1741.

Barthold, Geschichte des großen deutschen Krieges vom Tode Gustav Adolfs . . . . Stuttgart 1843.

Beyer, C., Geschichte der Stadt Laage, Jbb. 52. (1887.)

Ders., Kulturgeschichtliche Bilder aus Mecklenburg. 1903. [Mecklb. Gesch. in Einzeldarstellungen, herausgegeben bei Süsserott in Berlin 1901 ff.]

von Chemnitz, Geschichte des schwedischen Feldzugs in Deutschland. 3. u. 4. T. Stockholm 1855/59.

Cordesius, Chronicon Parchimense. Rostock 1670.

Eddelin, M. P., De Bello Tricennali et Statu Dobranensi, oder kurzer und wahrhaftiger Bericht, wie es in

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Mecklenburg im dreißigjährigen Kriege, allermeist aber zu Doberan anno 1637 und 1638 dahergegangen. Doberan 1649. Handschriftlich. (In der mecklb. Ritter= und Landschaftsbibliothek zu Rostock unter: V. f. 44.)

David Franck, Altes und Neues Mecklenburg, Güstrow und Leipzig 1756. (Nur angeführt unter A. und N. Mecklb.)

Helbig, Wallenstein und Arnim, Dresden 1850.

Informatio Facti et Juris, in Vormundschaftssachen der Fürstin Eleonore Marie 1641. Nur angeführt unter: Inf. F. et J.

Jahrbücher des Vereins für Mecklb. Gesch. und Altertumskunde 1835 ff. Nur angeführt unter: Jbb.

Krafft, Geschichte des Hofgerichtes in Mecklenburg. (Bei Ungnaden Amoenitates . . . Ratzeburg 1749 ff.)

Kretzschmar, Joh., Gustav Adolfs Pläne und Ziele in Deutschland und die Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg; Hannover und Leipzig 1904. [Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, herausgegeben vom historischen Verein für Niedersachsen, Bd. 17.]

Lisch, G. E. F., Geschichte der Stadt Plau, Jbb. 17 (1852).

Ders., Dorothea von Levetzow oder der Mensch in der Not, Jbb. 16 (1851).

Londorp, Acta Publica, IV. und V. Teil.

Lorentzen, Dr. Th., Die schwedische Armee im dreißigjährigen Kriege. Leipzig 1894.

von Lützow, K., Beitrag zur Charakteristik des Herzogs Adolf Friedrich von Mecklenburg=Schwerin. Auszug aus seinen Tagebüchern. Jbb. 12 (1847).

Ders.: Mecklenburgische Gesch. III (Berlin 1827 ff.).

Odhner, Die Politik Schwedens im westfälischen Friedenskongreß. Gotha 1877. (Deutsche Übersetzung.)

Prodromus und Refutatio . . . 1641. (Gedr. Gegenschrift Adolf Friedrichs in der Vormundschaftsstreitsache. Angeführt unter Pr.(odr.) und R.(ef.) . . . .

Pufendorf, S. von, Schwedische und deutsche Kriegsgeschichte. 1688 f.

Raabe, Mecklenburgische Vaterlandskunde III: Abriß der mecklenburgischen Geschichte. Wismar 1896.

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Rikskansleren Axel Oxenstiernas Skrifter och Brefvexling II. A., VI. B.: Johan Baners Bref 1624-41. Stockholm 1893. Nur angeführt unter: RAO, B. VI.

Rönnberg, Heinrich, Forschungen, mitgeteilt von Präpositus Gammelin: Die Kriegsleiden der Stadt Kröpelin. Ostseebote, Jahrgang 13 (1892), 30. Juli ff.

Schäfer, Geschichte Dänemarks, V. Gotha 1902.

Theatrum Europaeum . . . Frankfurt 1670, gedruckt bei Balthasar Christof Wusten.

Wagner, Dr. R., Studien zur Geschichte des Herzogs Christian Ludwig von Mecklenburg=Schwerin, I. Teil, Jbb. 70. 1905.

de Westphalen, Joach., Monmuenta inedita rerum Germanicarum praecipue Cimbricarum et Megapolensium, Lips. 1739-45: Tom. IV, 5, Georgii Westphalii Diplomatarium Mecklenburgicum.

Winter, G., Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Berlin 1893. (Bei W. Oncken, Allgem. Gesch. in Einzeldarstellungen.)

 


 

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1. Kapitel.

Die Zustände in Mecklenburg während des dreißigjährigen Krieges.

Als Gustav Adolf im Sommer 1630 seinen Fuß auf deutschen Boden setzte, lebten die rechtmäßigen Herzöge von Mecklenburg, Adolf Friedrich I. und Johann Albrecht II. in der Verbannung. Wegen ihrer zweideutigen Haltung Christian IV. gegenüber, die eine freundschaftliche Gesinnung für den damals reichsfeindlichen Dänenkönig zu bekunden schien, hatten sie 1628 ihre Lande verlassen müssen. An ihrer Stelle war Wallenstein durch kaiserliche Belehnung Herr Mecklenburgs geworden. Ihre Sache schien völlig aussichtslos. Siegreich flatterten des Kaisers Fahnen über ganz Norddeutschland.

Da waren es allein die schwedischen Waffen, die ihnen helfen konnten und geholfen haben. 1 ) Bereits im Sommer 1631 hatte Gustav Adolf die kaiserlichen Heere aus den Ostseegebieten verdrängt. Seine Erfolge ermöglichten den Herzögen die Rückkehr in ihr Land, kamen aber auch ihnen teuer zu stehen, denn auf Grund des engen Bundes, den sie mit dem Könige am 29. Februar 1632 in Frankfurt am Main schließen mußten, hatten sie für die Zeit des Krieges den Schweden die Insel Poel, sowie Wismar und Warnemünde abzutreten und bei den letztgenannten Orten die Anlage eines schwedischen Seezolles zu gestatten, von dem ihnen nur ein geringer Anteil überlassen wurde. 2 )

Diese Zugeständnisse mußten bald zu einer unerträglichen Bedrückung des Landes führen, und es ist begreiflich, daß die


1) Otto Schulenburg, die Vertreibung der mecklenburgischen Herzöge Adolf Friedrich und Johann Albrecht durch Wallenstein und ihre Restitution. Dissert. Rostock 1892. p. 113 ff. Dr. Otto Grotefend, Mecklenburg unter Wallenstein und die Wiedereroberung des Landes durch die Herzöge. Jbb. 66, p. 269 ff.
2) Die Bündnisakte, aus 21 Artikeln bestehend, ist abgedruckt bei Joachimus de Westphalen, Monumenta inedita rerum Germanicarum praecipue Cimbricarum et Megapole sium: Tom. IV., 5, Georgii Westphalii Diplomatarium Mecklenburgicum, p. 1199 ff. - Eingehend handelt darüber: Kretzschmar, Joh., Gustav Adolfs Pläne und Ziele in Deutschland und die Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg: Beilagen I, 11, p. 316 ff. Hannover und Leipzig 1904. - [Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, herausgegeben vom Historischen Verein für Niedersachsen, Band XVII.] Vorarbeit zu einer bevorst. größer. Publikation über d. Heilbronner Bund, zu der Verf. von d. tgl. sächs. hist. Kommission beauftragt worden ist.
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Mecklenburger Herzöge nach dem Niedergange der schwedischen Machtstellung das Beispiel der größeren Nachbarn, Kur=Sachsen und Brandenburg, nachahmten und noch im Sommer 1635 dem Prager Frieden beitraten. 1 ) Damit wurden sie aus Feinden des Kaisers Feinde Schwedens. Der Bund von 1632 war zerrissen. Der schwedische Reichskanzler Oxenstierna erließ Drohbriefe an die Mecklenburger Herzöge. Er kündigte ihnen "den roten Hahn auf den Dächern" an. 2 ) Kein Wunder, wenn Schweden dem abtrünnigen Bundesgenossen zürnte, um den es sich Verdienste erworben zu haben glaubte.

Die neue Angliederung an das Reich, die neue Freundschaft Habsburgs brachten den mecklenburgischen Landen den gewünschten und erhofften Schutz nicht. Der Kaiser kümmerte sich nicht um das fern gelegene Land. Seine Heere schonten es in keiner Weise. Sie arbeiteten im Gegenteil nur der schwedischen Verwüstung vor.

Als Oxenstierna im September 1635 von Magdeburg, wo er zuletzt sich aufgehalten hatte, nach Wismar zurückging, das in den Händen der Schweden geblieben war, ließ er Dömitz, Schwerin und Poel besetzen, um die schwedische Operationsbasis zu sichern und zu verhindern, daß sächsische Truppen dort festen Fuß faßten. 3 )

Ein Versuch des sächsischen Generals Baudissin im Oktober den Feinden Dömitz zu entreißen, wurde durch Baner vereitelt, der rechtzeitig aus dem Lüneburgischen herbeieilte und die Sachsen vor Dömitz am 1. November empfindlich schlug. 4 ) Der Kurfürst selbst rückte im November nach Grabow, von da weiter nach Mecklenburg hinein und besetzte Parchim und Plau. 5 )


1) Auf den vermittelnden Einfluß des Kurfürsten von Sachsen hin bestimmte Artikel 14 des Friedensinstrumentes, daß der Kaiser die Herzöge von Mecklenburg wieder zu Gnaden annehmen und anerkennen werde, wofern sie den gegenwärtigen Friedensschluß annähmen. Als Johann Georg ihnen je ein Exemplar des Instrumentes zugehen ließ, beeilten sich beide ohne weiteres Abwägen ihren Beitritt zu erklären. Das Prager Friedensinstrument bei Londorp, Acta Publica IV, Buch 3, pag. 458 ff. Im übrigen de Beehr, Rerum Mecklenburgicarum, liber VII, cap. III, pag. 1304/5.
2) Jbb. d. Ver. f. M. Gesch., Bd. 68, 1903: Balck, Mecklenburg im dreißigjährigen Kriege.
3) Samuel von Pufendorf, Schwedische und deutsche Kriegsgeschichte. Buch VII. § 86.
4) Theatrum Europaeum. Frankfurt, gedruckt bei Balthasar Christof Wusten 1670. Teil III, pag. 580. Pufendorf, a. a. O. § 97. Der Sieg der Schwedischen am 1. Nov. bei Dömitz auch R. A. O., B. VI, pag. 244.
5) R. A. O., B. VI p. 244, Baner in Malchin am 3. November, in Kummerow am 10. Nov., a. a. O. p. 250; Die Kurhessen besetzen Parchim und Plau, letzteres am 3. Nov. - Theatr. Eur. p. 580 u. p. 587. Cordesius, Chronicon Parchimense, Rostock 1670. p. 79.
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Die Kaiserlichen unter Marazin standen in Pommern und strebten eine Vereinigung mit den sächsischen Regimentern an. 1 ) Baner hatte sich gegen diese gewandt und sie in mehrfachen Gefechten und Scharmützeln, 2 ) so bei Goldberg und am 7. Dezember bei Kyritz, geschlagen und endlich aus Mecklenburg herausgedrängt. Doch vermochte er ihre Verbindung mit Marazin nicht zu hindern. Sie erfolgte am 21. Dezember bei Sandow in der Mark. Nur Plau blieb in Mecklenburg in sächsischen Händen. 3 )

So wurde Mecklenburg der Hauptschauplatz des Krieges. Das schwere Los, das über sein Land heraufbeschworen wurde, hoffte Adolf Friedrich um diese Zeit dadurch abwenden zu können, daß er Verhandlungen zwischen Schweden und dem Kurfürsten von Sachsen anbahnte und Schweden auf jede Weise zur Annahme des Prager Friedens zu bewegen suchte. Diese eifrigen Bemühungen des Herzogs, der auch persönliche Anstrengung wie Reisen nicht scheute, zwischen Oxenstierna und Johann Georg eine Vereinbarung herbeizuführen, 4 ) faßt man unter dem Namen einer ersten mecklenburgischen Friedensvermittelung zusammen. Sie blieb erfolglos. 5 ) Als völlig gescheitert konnte sie im Sommer 1636 gelten.

Das Jahr 1636 brachte zunächst den mecklenburgischen Ländern eine Erleichterung. Die Hauptmacht der Schweden verließ das Land. Sie teilte sich in drei Heersäulen. 6 ) Hermann Wrangel ging nach Pommern, Alexander Lesle nach Westfalen und Baner nach Sachsen. Aber befreit war man damit von den Schweden nicht. Die an den verschiedenen Orten zurückgebliebenen Truppen, die Mecklenburg im Besitze Schwedens erhalten sollten, trieben die Bedrückung nach Gefallen weiter. Inzwischen hatte Johann Georg von Sachsen Werben, Havel=


1) Pufendorf a. a. D. § 116 und 118. Theatr. Eur. p. 605.
2) R. A. O., B. VI, S. 251.
3) Theatr. Eur. p. 605. Pufendorf a. a. D. § 118. R. A. O., B. VI, p. 254. Baner in Goldberg am 28. Nov., in Boeck bei Waren am 3. Dez. (a. a. D. p. 256), in Waren am 4. Dez. (a. a. D. p. 258); Herz. Ad. Friedrich von Mecklb. macht Waffenstillstandsvorschläge. Baner in Meyenburg am 5. Dez. (a. a. D. p. 259), in Kyritz am 7. Dez.; Kyritzer Sieg am 7. Dez. (a. a. D. p. 261).
4) R. A. O., B. VI, S. 265.
5) Die Lit. darüber vergl. Kap. III, Anm. 2.
6) de Beehr, Rer. Mecklenburgicar. VII, pag. 1319. Beehr ist hier im Gegensatz zu David Franck (Altes und neues Mecklenburg), dem eigentlich alles nachgeprüft werden muß, als recht zuverlässig zu betrachten. Er stützt sich, vom Theatrum Europaeum abgesehen, auf einheimische Quellen.
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berg, Rathenow und Brandenburg zurückerobert. Um eine weitere Ausdehnung der feindlichen Macht nach Norden zu hindern, vor allem, um Dömitz im Besitz zu erhalten, eilte Baner, der schon früher Lesle wieder an sich gezogen hatte, zurück und nahm am 6. September in und um Parchim Stellung, wie es heißt, mit über 20000 Mann zu Roß und zu Fuß. 1 ) Obwohl das Heer nur bis zum 13. blieb, litt die Stadt schwer. Es folgte am 24. September 1636 die für Schweden glückliche Schlacht bei Wittstock. 2 ) Wieder zog Baner davon. Er rückte mit Lesle erobernd durch Brandenburg und Thüringen weiter nach Süden vor. Dem mecklenburger Lande aber fiel zusammen mit der Priegnitzer Mark und dem Ruppiner Kreise die schwere Aufgabe zu, über 3000 kranke und verwundete Soldaten, die er zurückgelassen hatte, zu verpflegen.

Daß der Fürst und die Untertanen diesen unbequemen Gästen, von denen sie für die Zukunft nur das Böseste erwarten konnten, nicht gerade freundlich entgegengesehen haben, und daß, wie berichtet wird, mancher Ort seine Tore scheinbar grausamerweise auch Schwerkranken verschlossen hielt, wird man nicht unbegreiflich finden. 3 )

Die Hoffnung auf eine Befreiung des Landes durch kaiserliche Bundesgenossen mußte man völlig aufgeben. Es wäre übrigens auch kaum eine Befreiung gewesen. Am 17. Oktober wurde Plau durch die Obersten Plato und Mortaigne zurückerobert. Damit war Mecklenburg wieder vollständig in die Gewalt der Schweden gefallen. 4 )

Eine Änderung trat im folgenden Jahre ein. Nach schwerer Brandschatzung Kursachsens ging Baner, von den Verbündeten in die Enge getrieben, im Juni 1637 nach Pommern zurück, dessen Besitz jetzt nach dem am 20. März 1637 erfolgten Tode des letzten Herzogs für die Schweden von größter Bedeutung war. 5 ) Er bewerkstelligte jenen berühmten Rückzug, der sein Talent als Taktiker glänzend zeigte.

Die kaiserlichen, brandenburgischen und sächsischen Truppen folgten dem raschen Gegner. Gallas eroberte am 23. Juli


1) Cordes, p. 79.
2) R. A. O., B. VI, p. 340.
3) v. Chemnitz, Gesch. des schwed. Feldzugs in Deutschland, III. Teil, 1. Buch, Kap. XIII, p. 64.
4) v. Chemnitz, a. a. O. Jbb. 17, p. 213.
5) R. A. O., B. VI 410 ff.
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Parchim und plünderte es aus. 1 ) Dann gerieten die Gegner in Pommern aneinander, aber es gelang den Verbündeten nicht, das schwedische Heer weiter zurückzudrängen oder ihm erhebliche Verluste zuzufügen. Daher gingen die Kaiserlichen im September über Demmin und Malchin nach Mecklenburg zurück. Torstenson folgte ihnen über die Peene nach Gnoien und Dargun, mußte aber, ohne ihren Marsch aufhalten zu können, unverrichteter Sache wieder abziehen. Gallas blieb einige Tage um Goldberg und Sternberg und traf im September mit den Brandenburgern und Sachsen unter Vitzthum und Klitzing zusammen. Diese waren von der Mark aus vorgedrungen und eroberten im August Dömitz und Plau. 2 ) Aus ihren Reihen verstärkt, rückte Gallas von neuem über die pommersche Grenze. Bei diesem Hin= und Herziehen der Heere wurde der ganze fruchtbare Landesstrich südlich der Ostsee von Boizenburg etwa bis Stettin binnen wenigen Wochen völlig ausgeplündert. Und was noch erhalten blieb, mußte zu Grunde gehen, als Baner seine Winterquartiere in Vorpommern und Gallas die seinigen in Sachsen, Lauenburg und Mecklenburg nahm. 3 ) Den Befehl, die Hauptlast der kaiserlichen Armee, die sonst nach Schlesien gerückt wäre, für den Winter nach Mecklenburg zu legen, hatte der neue Vizereichskanzler Kurtz überbracht, der aus diesem Grunde zu Gallas gereist war. 4 )

Die furchtbare Lage, in die sein Land geriet, veranlaßte Herzog Adolf Friedrich, seine Bemühungen um den Frieden zu erneuern. Er knüpfte mit den feindlichen Generälen, die in und um Mecklenburg lagen, neue Verhandlungen an. 5 )

Kein Amt war im Lande, das nicht mit fünf bis acht Regimentern belegt worden wäre. Nur Schwerin, Güstrow, Bützow und Rostock sollten zunächst von Einquartierung frei bleiben, weil der Herzog in ihnen eigene Garnisonen hielt. Im folgenden Jahre griffen die Schweden, die durch neue Hülfskräfte verstärkt worden waren, die Kaiserlichen an. Sie trieben sie zurück und machten sich zu Herren in Mecklenburg, worauf das Heer des Kaisers ein festes Lager in der Umgegend von Dömitz bezog. 6 ) Auch nahmen sie die von ihnen früher als Zollstation und wichtigen Truppenlandungsplatz erbaute Warnemünder


1) Cordes, a. a. O. Juli, p. 80.
2) Theatr. Eur, p. 824. R. A. O., B. VI p. 434.
3) R. A. O., B. VI p. 542.
4) Brief zur Neddens an Pistorius, 15. Januar 1638. Vien.
5) Siehe Kap. 3.
6) Theatr. Eur. p. 95 a.
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Schanze wieder, 1 ) die der Sachse Vitzthum am 7. März 1638 erobert hatte, und die von den Rostockern demoliert worden war. 2 ) Vitzthum war bei dem Kampfe ums Leben gekommen. Die letzten kaiserlichen Schwadronen wurden hier im oberen Mecklenburg von Wismar aus bei Grevesmühlen und Sternberg vernichtet oder zerstreut. 3 ) Bei Malchin umringte Baner zehn Kompagnien und 500 Reiter der Feinde. Was sich nicht gefangen gab, wurde niedergehauen, die Stadt geplündert. 4 )

Es ist schwer, ein klares Bild der Kriegslage dieses Jahres zu gewinnen, da sich die Berichte des Theatrum Europaeum und Pufendorf nicht ganz vereinigen lassen 5 ) mit den Berichten Baners an seinen Reichskanzler. Wenn von Beehr a. a. O. p. 1346 mit Berufung auf das Theatrum Europaeum von einem größeren, für die Kaiserlichen unglücklichen Gefecht bei Grabow erzählt, so bringen weder jenes noch Pufendorf noch Baners Briefe eine Nachricht davon. Jedenfalls war, als im November Gallas die nördlichen Striche verließ, um sich nach Schlesien und Böhmen zu wenden, und als später auch Baner aus Mecklenburg hinaus und über die Elbe ging, dieses Land in jenem Jahre, in dem es fast ausschließlich den Kampfplatz gebildet hatte, in das tiefste Elend gestürzt worden.

Es ist ein Scharmützelkrieg, den man in allen Teilen des Landes führte. Kleinere Abteilungen griffen einander an und suchten den Gegner zu vernichten. Daher ist kein Amt und kein Ort zu nennen, der nicht schwer gelitten hätte oder gar verschont geblieben wäre. Der unausgesetzte Wechsel schwedischer und kaiserlicher Soldaten ließ keine Gegend zur Ruhe kommen. Und dabei wetteiferten Freund und Feind in der Verwüstung des Landes. Aber der Schweden Faust lastete doch jetzt noch grausamer als die ihrer Gegner auf deren unglücklichen Lande. 6 ) Mecklenburg wurde 1638 an Korn, Vorrat und Vieh total verwüstet, und Baner schrieb im September an Oxenstierna: "In diesen Landen ist nichts als . . . Sand und Luft und gar genau ein wenig dürre Gras übrig sondern alles vom Feinde bis auf den Erdboden verheert und verzehret. . . ." 7 ) Noch bis Anfang


1) Dahin zielender Vorschlag Baners in R A. O., B. VI, p. 526.
2) Theatr. Eur. III, p. 920 f.
3) Theatr. Eur. III, p. 961 f.
4) a. a. O. p. 973. Details R. A. O., B. VI pp. 554, 564 f; Baner in Neukloster 3. Nov. 1638 (a. a. O. p. 565).
5) Theatr. Eur. a. a. O. Pufendorf a. a. O., X. Buch, § 20-28.
6) Cordes a. a. O. Jbb. 17, p. 220.
7) R. A. O., B. VI, p. 564. R. A. O., B. VI, p. 582.
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Januar 1639 hielt sich der schwedische Feldherr in Mecklenburg. Als er dann aufbrach, rückte er vor Dömitz und ließ es beschießen. Es war neben Plau die einzige Stadt im Lande, die noch den Kaiserlichen gehörte. Aber die Besatzung ergab sich nicht. 1 ) Baner mußte abziehen. Er ging über die Elbe, zog ins Brandenburgische hinein und folgte dem Gegner darauf nach Schlesien und Böhmen. Alsbald machten sich die zurückgebliebenen Schweden daran, die letzten von den Kaiserlichen besetzten festen Plätze zu erobern. 2 ) Anfang August nahm der Kommandant von Wismar, Lillje Sparr, Plau ein, in das viele vom Adel und viele Bauern der Umgegend sich und ihre Habe geflüchtet hatten. Dömitz zu erobern, gelang ihm jedoch nicht. Die kaiserliche Besatzung dieser Festung hatte sich im Mai durch einen Ausfall einiger Waren= und Proviantschiffe auf der Elbe bemächtigt und hielt die Belagerung Sparrs von Ende September bis Anfang Oktober aus. 3 ) Wohl gelang es Sparr am 27. September sich eines Vorwerks jenseits der Elbe, und am 2. Oktober vorübergehend der Stadt zu bemächtigen, aber das Heranrücken eines brandenburgischen Heeres zwang ihn, den Sturm auf das Schloß abzubrechen und sich zurückzuziehen.

Seitdem hörte Mecklenburg im wesentlichen auf, Mittelpunkt der Kriegsereignisse zu sein. Noch einmal wurde im Februar 1640 von schwedischer Seite ein Versuch gemacht, Dömitz zu nehmen. Aber es gelang nur, einen Teil der Besatzungstruppen in der Nähe der Stadt empfindlich zu schädigen. 4 )

An dem Besitz von Dömitz war jedoch den Schweden sehr viel gelegen, nicht bloß weil es die Elbe beherrschte, sondern weil es der stärkste Platz des ganzen Landes war. 5 ) Daher eröffneten schwedische Truppen, die aus verschiedenen pommerschen und mecklenburgischen Garnisonen zusammengezogen worden waren, unter der Leitung des damaligen Gouverneurs von Wismar, Obrist Erich Hansson Ulfsparr, im Juli 1643 die Belagerung von Dömitz. Diesmal sollten endlich ihre Wünsche Erfüllung finden. 6 )


1) Theatr. Eur. IV, p. 87. R. A. O. B. VI., p. 582. Brief Baners vom 22. I. 1639.
2) Theatr. Eur. IV. p. 71. Pufendorf a. a. O. XI, § 22.
3) Theatr. Eur. IV, p. 72. Pufendorf a. a. O. § 22.
4) Theatr. Eur. IV, p. 221/2.
5) v. Chemnitz, a. a. O. IV. Teil, III. Buch, Kap. 11. Zu Anfang 1643 waren in Niedersachsen nur noch Halberstadt und Einbeck, Wolfenbüttel und Dömitz an der Elbe in der Gewalt des Kaisers. v. Chemnitz a. a. O. III.. Buch, p. 2.
6) a. a. O. Kap. 48 und 58. Pufendorf a. a. O.
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Am 11. August ergab sich die Stadt und am 11. Oktober endlich auch die Festung.

War Mecklenburg schon in der ersten Periode des Krieges im einzelnen arg heimgesucht worden - man denke an das grausige Geschick Neubrandenburgs im Jahre 1631 - und hat es auch später noch manches erleiden müssen, so bildet doch der Zeitraum vom Prager Frieden bis zum Jahre 1643 den Höhepunkt der Leiden und Bedrückungen, die das unglückliche Land zu erdulden gehabt hat. In diesen Jahren wurde sein Wohlstand durch die Heereszüge der feindlichen Heere und ihre Kämpfe, wie durch die lang andauernden Einquartierungen völlig vernichtet. Es wurde geradezu zu einer Wüste gemacht, in der alle Kulturarbeit von neuem beginnen mußte. Grauenerregend ist die Schilderung, die schon Mitte September 1637 Simon Gabriel zur Nedden, der Geheimsekretär Adolf Friedrichs, dem Herrn von Rohr in einem Privatschreiben entwirft. 1 ) "Sonsten aber ist's überall im ganzen Lande so elend, daß es nicht zu beschreiben stehet, beide kriegende Teile hausieren so schrecklich mit den Leuten, als wenn sie keine Christen wären, morden, rauben, plündern, sengen, brennen, schneiden den Leuten Nasen, Ohren und die Sohlen von den Füßen weg, tractieren sie mit schwedischen Trunken, schänden Frauen und Jungfrauen, verschonen nicht der Toten in den Gräbern, wie denn Illustrissimi nostri in Gott ruhende gnädige Frau Mutter schon zweimal aus ihrer Grabstätte herausgeworfen. . . . Alles Vieh ist aus dem Lande schon weg. ."

Wie Räuber hausten beide Armeen in diesem Lande. Von Parchim berichtet der Chronist 2 ) neben dem Frevel an Lebenden die völlige Ausraubung aller Lebensmittel, alles Gutes. Über 370 Wagen mit Korn, Hausgerät, Lebensmitteln, Gold, Silber, Leinengerät und Kleidern sollen damals aus der Stadt weggeführt worden sein. Die Bewohner wurden ohne Ausnahme aller Habe und aller Mittel des Unterhalts beraubt. Aber damit war für sie das Elend auch nur dieses einen Jahres nicht erschöpft. Der Generalstab der Hatzfeldischen Armee kam dauernd nach Parchim, und schon die für seine Verpflegung geforderten monatlichen Kontributionen mußten eine Erholung der Stadt unmöglich machen. Überdies wurde sie im Herbst 1637, als die Schweden aus Pommern von neuem vordrangen, auf drei Wochen


1) rief zur Neddens an von Rohr, 13. September 1637. Vien.
2) Cordes, Chron. Parchimense p. 80 f.
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Lagerort für drei schwedische Regimenter unter den Obristen Schlange, Dörfling und Heuking. Während zugleich die Pest, die die Schweden mit in die Stadt brachten, furchtbar unter der Bürgerschaft aufräumte, ging das letzte Hab und Gut verloren, so daß beim Abzuge der Schweden "kaum ein Ochse" übrig geblieben war.

Doberan, gerade am entgegengesetzten Teile im Norden des Landes an der Ostsee gelegen, erging es nicht besser. Die Kaiserlichen hausten hier seit dem 5. Oktober 1637 so, "daß es einen Stein in der Erden hätte erbarmen können". 1 )

"Das Weibervolk, so sie überkommen, haben sie geschändet, den Schreiber Servatius Soumann mit einem Seile oder Schnur um den Kopf gewrogelt, ihm und vielen den schwedischen Trunk von Mistwasser und anderer unreinen Materie eingegeben und ihnen hernacher mit den Knien aufs Leib gestoßen, daß das Mistwasser und die andere unreine Materie zum Munde hat wieder herausspringen müssen, . . . . einen Müllerknecht im Backofen verbrannt und den Küster Jochim Koepmann gar ums Leben gebracht, auch alles mit sich hinweggenommen" . . . .

Im Jahre 1638, als Johann Baner in Mecklenburg mit dem schwedischen Kriegsheer zu Neukloster und Wismar im Herbst Quartier nahm . . . . "ist alles erst recht angangen, Adel und Unadel, Geist= und Weltliche, Bürger und Bauern, Mann und Weib, Herr und Knecht, Alt und Jung, Gelehrt und Ungelehrt sind ohne Unterschied von den undisciplinierten schwedischen Völkern übel tractieret, sehr gejaget, heftig geschlagen, böslich verwundet, gänzlich beraubet, . . . . . unchristlich barbarisch auf mancherlei unaussprechliche Art und Weise gemartert, gepeiniget, unschuldig und erbärmlich getötet, um zu bekennen, wo das Ihre und sonsten Vieh, Geld und Gut zu finden sei. Viele haben von Frost und Hunger (der so groß gewesen, daß auch ein Teil der Leute der verstorbenen und umbgebrachten Menschen Fleisch, Gott erbarm es, gefressen haben) verschmachtet und auf den Gassen, auf dem Felde, in den Hölzern, in den Morästen liegen bleiben müssen. 2 )


1) M. P. Eddelin, De Bello tricennali et statu Dobranensi, oder kurzer und wahrhaftiger Bericht, wie es in Mecklenburg im dreißigjährigen Kriege, allermeist aber zu Doberan, insonderheit anno 1637 und 1638 dahergegangen, darin auch von des Herzogs Adolf Friedrich Geburtstag, Gemahlinnen, Kindern und Bedienten etc. zu finden. Doberan am Dreifaltigkeitstage 1649. Handschriftlich in der mecklb. Ritter= und Landschaft=Bibliothek zu Rostock. V. f. 44.
2) Die ähnliche Schilderung in einem Briefe Adolf Friedrichs vom 23. J. 1639 (Jbb. 31 p. 36): "Es ist nunmehr mit den armen Leuten
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Keine Wintersaat ist gesäet, und die Sommersaat ist auch nicht bestellet worden, weil an Korn, Menschen und Vieh großer Mangel vorhanden gewesen. Die fürstlichen Ämter, die kleinen Städte, die Dörfer sind eine geraume Zeit leer gestanden, denn man allda nicht sicher sein können, und was noch an Menschen, hohes und niedriges Standes erhalten worden, das hat sich zum Teil in Rostock und Wismar aufgehalten, zum Teil aber in ander Königreiche und Fürstentümer ernähren müssen" . . . .

Ein ähnliches Schicksal erfuhr das benachbarte Kröpelin. Wismar, der Hauptwaffenplatz der Schweden, lag in der Nähe und wurde eine furchtbare Geißel für die Stadt. Unaufhörlich wurde sie von Einquartierung betroffen. 1 )

Beyer schreibt in seiner Geschichte der Stadt Laage von den Zuständen dieser Stadt: "Im Jahre 1637 liegt sie im Sterben, 1638 ist sie tot". 2 )

In Sternberg wurden im August 1638 das Gerichtshaus und viele Häuser der Hofgerichtsverwandten von den Kaiserlichen zweimal hintereinander geplündert. 3 ) Furchtbar wütete auch dort wie in ganz Mecklenburg die Pest. 4 ) Im Sommer 1638 starb die ganze Stadt aus und war über ein halbes Jahr lang völlig verödet, da die wenigen, die am Leben blieben, flohen. Unter den Flüchtenden befand sich der Landrichter Joachim von Lützow, der von Sternberg nach Schwerin ging, hier aber nicht eingelassen wurde, weil in seinem Hause die Pest war. 5 ) Er starb mit seiner Frau in der Vorstadt im Gießhause.

Plau hatte von 1635 bis 1639 allein fünf Belagerungen abwechselnd durch schwedische, sächsische und kaiserliche Truppen zu überstehen. 6 ) Aus den aktenmäßig zusammengestellten "Nachrichten über Leiden der mecklenburgischen Pastoren im großen Kriege und über den Pfarrantritt nach dem Kriege" geht hervor,


(  ...  ) dahin geraten, daß diejenigen, die übrig geblieben, nicht allein Mäuse, Katzen, Hunde und ganz unnatürliche Sachen zur Stillung des Hungers genießen, sondern daß auch an unterschiedlichen Orten Eltern ihre Kinder gefressen, und ein , Mensch vor dem andern nicht sicher ist . . ."
1) Ostseebote, Jahrgang 13, 1892, 30. Juli ff. Die Kriegsleiden der Stadt Kröpelin, mitgeteilt von Präpositus Gammelin nach den Forschungen von Heinrich Rönnberg.
2) Beyer, Gesch. der Stadt Laage, Jbb. 52 p. 272.
3) Krafft bei Ungnaden, Amoenitates. . . . . p. 432/3.
4) Jbb. 12 p. 254 und 301 ff. und Jbb. 12 p. 354 mit Urkunden Sammlung Nr. 35 p. 366f.
5) Ungnaden, a. a. O.
6) G. C. F. Lisch, Geschichte der Stadt Plau, Jbb. 17 (18 52). Plau Während des dreißigjährigen Krieges, p. 196 ff.
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daß nur wenige ihn überlebt haben, und daß jedenfalls alle in den Jahren 1637 und 1638, wenn sie nicht zu Grunde gingen, fliehen mußten oder ihre Pfarre verließen, weil ihre Gemeinden sich zerstreut hatten. 1 )

Der Pastor in Suckow, Chr. Werner, starb, als er nach Parchim fliehen wollte, 1638 auf der Straße an der Pest. In Ruchow starb 1637 der Prediger Bernhard Calander mit all den Seinen. Die Kirche wurde völlig verwüstet und die eingepfarrten Gutshöfe geplündert und zerstört. 2 )

Simon Gabriel zur Nedden, den wir schon einmal hörten, schreibt über den Zustand des Landes im November 1639. 3 ) ". . . Es ist dieser Orts eine so elende Zeit, daß man auch privatim wohl Frieden halten und mit innerlichen dissydiis sich nicht defatigiren möchte. Nam peste, fame, militia premimur et consumimur, die elende Leute, so wenig deren noch auf dem Lande sein, ernähren sich gleich den Schweinen mit Eicheln und fressen daran Ungesundheit und den Tod. In den Städten ist kein Brot mehr zu bekommen; da noch etwas ist, nehmens die Soldaten mit Gewalt, und deren sind leider noch so viel, daß sie wie das Ungeziefer wachsen und zunehmen, und die See schmeißt uns alle Jahr neue ins Land, daß keine Besserung dies Orts zu hoffen, wann auch droben lauterer Friede wäre. Darum kann uns auch dies Orts nicht geholfen werden, wenn nicht ein Universalfried gestiftet wird . . ." Die Folge der allgemeinen Verwüstung und Entkräftung waren Hungersnot und Seuchen. "Die neuen Krankheiten gehen hier mächtig im Schwange, und viele wackere Leute starben darin weg, - in Städten und Dörfern ist kein Haus zu finden, dar nur Leute vorhanden, deren die meisten nicht krank sein sollten. Das Korn auf dem Felde ist meist von den Mäusen aufgefressen . . . . " 4 )


1) Mecklenb. Gesch. in Einzeldarstellungen, Berlin 1901 ff. C. Beyer, Kulturgeschichtliche Bilder aus Mecklenburg: Der Landpastor im evangelischen Mecklenburg (1903), Anhang I und II p. 30-46.
2) Auch Tüzen starb 1638 aus; die dortige Pfarre wurde später mit Fahrenholz vereinigt. Vergl. ferner den Bericht Pastor Stephan Schröders von Belitz, ebenso den des Pastor Joachim Schröder von Klenow (bei Ludwigslust). Herzog Adolf Friedrich ließ sich die Fürsorge für die Pastoren stets sehr angelegen sein und suchte ihnen zu helfen, wo er konnte. "Seine Arbeit geschah hier mehr im Stillen und gelangte weniger in die Öffentlichkeit. Beyer, Kulturgesch. Bilder, a. a. O. p. 38. Dort ist einer seiner Erlasse auf diesem Gebiete abgedruckt.
3) zur Nedden an Pistorius Nov. 1639. Vien.
4) zur Nedden an Pistorius im Juli 1640. Ebenda.
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Am schlimmsten hauste die Pest im Sommer 1638.

"Die Wintersaat für 1637 und die Sommersaat für 1638 waren nicht bestellt; Vorräte und Geld fehlten, die Wohnungen und Mobilien waren verwüstet und ärmlich. So fand die Krankheit das Land und wütete hier namentlich im August und September auf eine nie erhörte Weise. Ganze Städte und Ämter starben fast ganz aus; in den meisten Dörfern blieben nur zwei bis drei Menschen am Leben." 1 )

Gleichwohl hörten nicht einmal die Requisitionen und Kontributionen der Schweden im Lande auf. Man preßte, wo irgend nur noch ein Tropfen zu erwarten war.

Noch 1642 war dies verwüstete Land stetig durch Militärauflagen und Einquartierung gepeinigt, so daß der junge mecklenburgische Prinz Karl, der jüngere Sohn Adolf Friedrichs, selbst nach Schweden geschickt wurde, um Abhilfe von diesen fortwährenden Bedrückungen zu erwirken. 2 ) Seine Sendung hatte aber keinen Erfolg. - "Die Geschichte kennt wohl kaum ein so furchtbares und allgemeines Elend, wie das, welches gegen Ende des dreißigjährigen Krieges, namentlich im Jahre 1638 Mecklenburg beherrschte. Die Würgengel des Krieges, des Hungers und der Pest hausten in Vereinigung auf nie erlebte Weise und brachten das Land dem völligen Untergange nahe. Fast alle Landgüter und Dörfer waren abgebrannt und verwüstet, die Saaten nicht bestellt, die Tiere sämtlich geschlachtet oder durch die Seuche gefallen, die Menschen gestorben; sehr viele Dörfer hatten gar keine, die meisten nur einige Bewohner, viele Familien starben ganz aus". . . . . 3 )

"Wer war der Unglücklichste in jener grausigen Zeit?

Der Tote, der Gemordete, der Verhungerte sicherlich nicht; aber unter den Lebenden? Eine müssige Frage! Die Not traf jeden Einzelnen, der nicht hinter den Mauern größerer Städte geborgen war, in der höchsten Steigerung, es handelte sich nur darum, wer sie ertragen konnte" . . . . 4 )

Herzog Adolf Friedrich war die Natur dazu. Er ist recht eigentlich ein Kind dieser harten Zeit, wenn er auch vor Ausbruch des Krieges geboren wurde.


1) S, Lisch, Gesch. der Stadt Plau, Jbb. 17 p. 192,
2) Cotmann an Pistorius 24. November 1642. Vien.
3) Lisch. Dorothea von Levetzow oder der Mensch in der Not. Jbb. 16, p. 204 (1851).
4) Beyer, Gesch. d. Stadt Laage, a. a. O.
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Selbst hart, nichts weniger als seelisch zart veranlagt, muß er zugleich körperlich eine außerordentliche Zähigkeit und Widerstandskraft besessen haben. Er war ein trinkfester Herr, wovon er bei Gelegenheit in seinen Tagebüchern selbst drastisch erzählt. 1 ) Ohne aus dem Lande zu weichen, hat er Not und alle Seuchen, den ganzen Krieg mit angesehen und noch um zehn Jahre überlebt.

Schroff, unnachgiebig, mitunter aufbrausend konnte er sein. Das erfuhren wohl viele, die häufiger mit ihm in Berührung kamen. Er war kein Fürst, der leicht Gnade für Recht ergehen ließ. 2 ) Und nicht zum besten ist das Verhältnis zwischen ihm und seinem ältesten Sohne Christian gewesen, dem die gleiche Halsstarrigkeit vom Vater überkommen war. 3 )

Aber unter der rauhen Schale barg der Herzog, jedenfalls anders geartet als sein Nachfolger, eine Persönlichkeit, die aus jeder Zeile, aus jeder Handlung spricht, die, treu ihren sittlichen Forderungen, überall den guten Willen eifrig in die Tat umzusetzen strebte und im Mißlingen, in eigener Not, im Jammer des anvertrauten Landes in einem unverwüstlichen Gottvertrauen Trost fand. So gewann er immer wieder neue Hoffnung in all den Wirren, die jene dunklen Jahre mit sich brachten.

Dieser unerschütterliche Kindesglaube eines Fürsten, der oft rücksichtslos, ja roh, und gewalttätig werden konnte, wirkt rührend und wie ein reinigender Luftzug durch jene grausamen Tage. Den hoffnungsfreudigen Mut im Unglück hatte Adolf Friedrich schon in der Zeit des Exils bewiesen, als Wallenstein im Lande herrschte. Wie sein Bruder wurde er damals Mitglied der fruchtbringenden Gesellschaft und erhielt den Namen "der Herrliche in Tugenden" mit dem Zeichen "Betonienkraut". Er trat damals wohl zuerst mit Wilhelm von Kalchum, genannt Lohausen, in Verbindung, der derselben Gesellschaft angehörte und dem Herzoge


1) Vgl. das Zusammentreffen der Herzöge mit König Gustav Adolf 1620 auf mecklenburgischem Boden. Jbb. I p. 139:
26. Mai: ". . . . Auf den Abend um vier Uhren ist der König bei mir wieder angelanget, hat allerhand mit meinem Bruder und mir discuriert, daß wir uns sollen fürsehen für den Dänen, haben die ganze Nacht mit ihm saufen müssen . . .
27. . . . Mein Bruder und ich, haben ihm (dem König) das Geleit auf sein Schiff geben, da haben wir unmenschlich gesoffen; sein also mit guter Vertraulichkeit und cortoisie geschieden. Unser Herr Gott geleite ihn."
2) Vgl. die Tagebuchnotizen über die Verurteilung und Hinrichtung Samuel Plessens im Juli 1618. Jbb. 12, p. 68.
3) Vgl. Dr. R. Wagner, Studien zur Geschichte des Herzogs Christian. I. Teil, Jbb. 70, p. 191 ff.
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in freudiger Anerkennung seines Beitritts ein Exemplar seines Buchs: Von Catilinischer Rottierung etc. sandte, wofür am 22. Dezember 1629 brieflich eine herzliche Dankesantwort erfolgte. Das Schreiben ist sorgfältig stilisiert "und besonders erfreulich, weil der Fürst darin, trotz seiner mißlichen Lage in der Verbannung, eine freudige Zuversicht ausspricht" . . . . 1 )

Die Verbindung mit Lohausen brach nicht wieder ab. Am 5. Mai 1630 hatte der Herzog Wilhelm von Lohausen als Gast bei sich. Er ließ durch seinen Marschall mit ihm wegen Bestallung verhandeln. 2 ) Der Oberst sagte am 29. Juni dem Herzoge Dienst zu und wurde durch Handschlag in Pflicht genommen. Seit 1632 in schwedischen Diensten, wirkte er doch schon 1634 für Adolf Friedrichs Interessen. 1636 löste er alle Beziehungen zu Schweden und war seit dem 30. Juli d. J. allein in mecklenburgischen Diensten und meistens als herzoglicher Kommandant der Stadt Rostock beschäftigt. 3 ) Im Frühling 1639 finden wir ihn an dem von Adolf Friedrich vergeblich versuchten Handstreich auf die in kaiserlichen Händen befindliche Stadt Plau beteiligt, der dahin zielte, den Kommandanten Warasiner zum Abzug zu bewegen und die Festung zu schleifen, um sie für beide Parteien unbrauchbar zu machen. 4 )

Lohausen ist, wie manche anderen höheren Offiziere, die den schwedischen Dienst quittierten, bekannt als Anhänger der sogenannten dritten Partei, die gegen Ende 1639 im Reiche hervortritt und eine bewaffnete Mittelpartei bildete "mit der Spitze gegen die Einmischung der Fremden in deutsche Angelegenheiten, aber auch gegen den von den Jesuiten beeinflußten Kaiser". 5 ) Nun behauptet Pufendorf in seiner schwedischen Kriegsgeschichte in ganz auffallender Weise ähnliche Tendenzen vom Herzog Adolf Friedrich. 6 ) Er berichtet, daß um dieselbe Zeit, da Landgraf Wilhelm von Hessen starb, also im Herbst 1637, der Herzog von Mecklenburg mit neuen Anschlägen umgegangen sei und Soldaten habe werben lassen, um sein Land sowohl von


1) Jbb. 2, p. 190 und 209.
2) Siehe Adolf Friedrichs Tagebücher unter 1630 ff. Jbb. 12, p. 99 f. - von Lützow, Mecklb. Geschichte III, p. 260 und 272.
3) v. Schaumburg, Wilh. v. C., gen. Lohausen, 1866, p. 139 ff; 165 ff.
4) Jbb. 17, p. 222.
5) Lorentzen, Dr. Th., Die schwedische Armee im dreißigjährigen Kriege. Leipzig 1894, p. 81 und 97.
6) Pufendorf, Schwed. Geschichte. IX § 33.
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den kaiserlichen als von den Schweden zu befreien. In dem später zu schildernden Vormundschaftsstreit suchte die Herzogin=Witwe die Schweden hauptsächlich dadurch für sich zu gewinnen, daß sie ihrem Schwager vorwarf, neue Werbungen gegen Schweden vorgenommen zu haben. 1 )

Es ist hier nicht der Ort, die Frage nach der diesbezüglichen Stellung Adolf Friedrichs akttenmäßig zu entscheiden. Nach dem vorliegenden Material bleibt jedenfalls unsicher, wie weit die Werbungen des Herzogs gegangen sind, wenn auch sicher ist, daß er zu solchen, wie auch zu Waffen= und Munitionsankäufen schritt, und daß er die Besatzungen der Hauptstädte Mecklenburgs und die Rostocks nach Möglichkeit zu verstärken suchte. 2 ) Aber aus dem Angegebenen läßt sich kaum ein anderer Schluß ziehen, als daß Adolf Friedrich für die erwähnte Mittelpartei durch seinen Generalmajor Lohausen und unter dessen Einfluß in ihrem Sinne tätig war.

Jedenfalls weist jener Handstreich auf Plau, an dem Lohausen teilnahm, deutlich auf eine derartige Politik des Herzogs hin; er gewinnt daher an allgemeinem Interesse. Es zeugt von außerordentlicher Energie, wenn Adolf Friedrich in jener für Mecklenburg traurigsten Zeit, mitten unter anderen Unternehmungen, wie den Friedensvermittelungen und dem Prozeß über die Vormundschaft, sich einem Unternehmen anschloß, das neues Leben in die dumpfen Zustände des Reiches zu bringen geeignet war.

Wir sehen, wie der Herzog in den Jahren seit dem Prager Frieden unermüdlich bald auf diesem, bald auf jenem Gebiete tätig war für das Wohl des Landes und für sein eigenes Wohl. In der Tat erforderten die Zustände des Landes eine schleunige Aufbesserung, da sie sich täglich verschlimmerten.

Selbst der fürstliche Haushalt wurde aufs empfindlichste mitgetroffen. Der Ertrag der Domänen, von dem der Hof abhing, ging bis auf nichts zurück, und Barmittel befanden sich in dieser Zeit nur spärlich in der fürstlichen Schatulle. Der Herzog war völlig abhängig von den Bewilligungen der Stände. 3 ) Aber auch


1) Mehrfach in den betreffenden Akten zu finden, u. a. Adolf Friedrich an Salvius, den 21. Februar (alten Stils) 1639.
2) Vgl. den Auszug aus seinen Tagebüchern Jbb. 12.
3) Es ist gewiß keine Phrase, wenn während der Jahre nach 1636 aus den Briefen Adolf Friedrichs fortwährend die Sorge um den Unterhalt der eigenen Familie und ihre standesgemäße Existenz entgegentönt. An die Witwe Lohausens, die sich an ihn um Beistand gewandt hatte, schrieb er Anfang 1640, daß es für ihn unmöglich sei, auch nur 100 Rthlr. aufzubringen, geschweige denn die verlangten 2000, "indem wir aus unserm Lande nicht eines Hellers Wert zu genießen und unsere
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wenn diese wollten, konnten sie ihm damals kaum eine Unterstützung gewähren. Waren doch alle wirtschaftlichen Quellen verschüttet! -

Wir haben die Kriegsereignisse der Jahre 1635 bis 1643 in Mecklenburg und die durch jene hervorgerufenen Zustände kulturellen und wirtschaftlichen Niederganges zu schildern versucht, um die großen Schwierigkeiten hervorzuheben, die sich der Aufgabe, das Land aus der tiefsten Zerrüttung zu neuem Wohlstande zu erheben, fast unüberwindlich entgegenstellten. Adolf Friedrich war in seiner derben Rücksichtslosigkeit und seinem unerschütterlichen Gottvertrauen, in seiner Unermüdlichkeit und der Hartnäckigkeit, mit der er seine Ziele zu verfolgen pflegte, wohl geeignet dazu, das mecklenburgische Land wieder besseren Zeiten entgegenzuführen. Diesem Ziele näher zu kommen, schien der erste und nächste Schritt die Vermittelung des Friedens zwischen den kämpfenden Parteien zu sein, die im Reiche schon mehrere Male, auch von Adolf Friedrich selbst, versucht worden war.

Denn solange der unheilvolle Krieg dauerte, konnte das unglückliche, durch seine langgestreckte Lage an der Ostsee Schwedens Macht schutzlos ausgesetzte Mecklenburg, das aus tausend Wunden blutete, sich unmöglich wieder erheben.

Wie unendlich schwierig auch diese Aufgabe war: der erste Schritt zu ihrer Ausführung schien schon getan, wenn die Geschicke beider Mecklenburg von derselben Hand gelenkt wurden, wenn es dem Herzog gelang, beide Regierungen miteinander zu vereinigen. Und dieser Augenblick trat ein, als Herzog Johann Albrecht II. am 3. Mai 1636 das Zeitliche segnete. Mit rücksichtsloser Entschlossenheit ergriff Adolf Friedrich mit der Vormundschaft für den nachgelassenen unmündigen Neffen auch die Regierung über das Güstrower Land.

 


 


(  ...  ) Tafel zur Notdurft nicht mehr halten können" (Jbb. 31, p. 37/8.) - 1644 konnte er für die Reise seines ältesten Sohnes kein Geld mehr aufbringen und befahl, Sorge zu tragen, daß sich Christian seinen Lebensunterhalt als Offizier selbst verdiene. (Jbb. 70, p. 203.)
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2. Kapitel.

Der Streit um die Vormundschaft bis 1637.

Herzog Johann Albrecht II. von Mecklenburg=Güstrow hat seine Wiedereinsetzung nur um wenige Jahre überlebt. Er starb im besten Mannesalter am 3. Mai 1636.

David Franck, ein Geschichtsschreiber Mecklenburgs im 18. Jahrhundert, dessen Fleiß so viel Wahres und Falsches mischt, sagt von ihm, er habe sich die vielen Bekümmernisse, die noch täglich über ihn und sein Land kamen, derart zu Herzen genommen, daß er in der Blüte seiner Jahre dahingesiecht sei. 1 )

Er war in dritter Ehe mit Eleonore Maria, einer Prinzessin aus dem Hause Anhalt, vermählt gewesen. Diese Frau, eine lebhafte Anhängerin des reformierten Bekenntnisses, hatte ihren ebenfalls reformierten Gemahl nach und nach dahin zu bestimmen vermocht, daß er in seiner letztwilligen Verfügung ihr für die Zeit der Unmündigkeit seines Sohnes und Nachfolgers Gustav Adolf, dessen leibliche Mutter sie war, die Vormundschaft und Regierung des Güstrower Landesteiles übergab, ja weiterhin sogar verfügte, daß als Regierungsräte dort nur solche Männer angestellt sein sollten, die der reformierten Religion zugetan seien. 2 )

Zu Mitvormündern waren der Landgraf Wilhelm von Hessen, Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg und Herzog Ludwig von Anhalt, Eleonore Marias Bruder, ausersehen, sämtlich Kalvinisten. Auf diese Weise sollte also einmal Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg=Schwerin von der Regentschaft ausgeschlossen werden, mit dem Johann Albrecht sich niemals gut verstanden und manchen Streit gehabt hatte. Vor allem aber dachte man allen Ernstes daran, dem reformierten Bekenntnisse in Mecklenburg=Güstrow, dem man schon einige Stützpunkte verschafft hatte, zu möglichster Verbreitung und zum Siege zu


1) Altes und Neues Mecklenburg, Buch XIII, Kap. XX, 2, pag. 180.
2) Brief Adolf Friedrichs vom 7. Mai 1636, Vien. Wenn der bestimmende Einfluß hier wörtlich kalvinistischen Ministern in Güstrow zugeschoben wird, so ist damit indirekt doch nur die Herzogin gemeint, die übrigens zunächst ähnlich verfährt. Man wahrte vor vollem Ausbruch des Streites die Höflichkeit und vermied es, direkt, wie später, zu beschuldigen, wohl weil man noch auf Nachgiebigkeit rechnete.
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verhelfen. 1 ) Daß ein Vorgehen dieser Art, wenn auch immer mit dem geheiligten Nimbus der Willensvollstreckung eines Toten umgeben, auf heftigen Widerstand stoßen und einen schweren Konflikt herbeiführen mußte, konnte nach der Natur der Angelegenheit, nach der Auffassung jener Zeit und nach dem lebhaften, ja heftigen Temperament des Schweriner Herzogs, der zugleich ein eifriger Lutheraner war, nicht zweifelhaft sein.

Noch vor dem Ableben Johann Albrechts war das Gerücht von einem Testamente mit besonderen Bestimmungen laut geworden, und, wie es zu geschehen pflegt, so war, was man als ein strenges Geheimnis hatte hüten wollen, im Lande bekannt geworden und die Kunde davon auch über die Schweriner Landesgrenze gedrungen. Adolf Friedrich hatte Zeit gefunden, ein planmäßiges Handeln vorzubereiten. Er war fest entschlossen, sein gutes Recht als "der nächste Agnat und gesetzlicher Vormund" sich weder durch Testament noch Frauenlist rauben zu lassen. Sofort nach dem Eintreffen der Todesanzeige 2 ) begab er sich am 6. Mai nach Güstrow auf das Schloß und erklärte, daß er die Vormundschaft in vollem Umfange übernehmen wolle. Eleonore sprach ihren Dank aus, bat aber, von irgend welchen Maßnahmen abzustehen, da nach dem Testamente ihres Gatten jene Rechte und Pflichten ihr übertragen worden seien.

Obwohl die Testamentseröffnung erst am 2. Juni erfolgen sollte, ließ der Herzog ohne weiteres Rentamt und Kanzleien schließen, nahm die öffentlichen Siegel an sich und vereidigte die Besatzungstruppen. Den Landständen beider Mecklenburg, die nach Güstrow berufen worden waren, wurde am 14. Mai im großen Saale des fürstlichen Schlosses mitgeteilt, daß Herzog Adolf Friedrich die vormundschaftliche Regierung angetreten habe. Man forderte von ihnen Treueid und Handschlag, den alle, auch


1) Beweis dafür ist die wohl nicht zu bezweifelnde Angabe David Francks, daß damals drei reformierte Geistliche sich in Güstrow aufhielten, und das Vorhandensein einer reformierten Knabenschule dort, die Johann Albrecht gegründet und mit den Einkünften eines Amtes dotiert hatte. Den reformierten Geistlichen untersagte Adolf Friedrich dann jegliche Amtsführung, die Schule sowie die Schloßkirche ließ er schließen. (A. u. N. Mecklb., a. a. O. p. 184.)
2) A. T. Vol. VII, Fasc. 1, Vol. I, pars 1, Nr. 2: "Acta und Handlungen, wie sie von den mecklenburgischen Ständen und Landschaft aufgezeichnet so bei Bestellung des jungen Prinzen . . . . in Majo 1636 vorgangen." Vgl. dazu den abweichenden Bericht des Notars Simon Hinze a. a. O. Vol. I, pars 1, Nr. 6; ferner: Informatio Facti et Juris p. 4; Prodromus und Refutatio, p. 19. David Franck, A. u. N. Mecklb., Lib. XIII., p. 182 unklar!
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die Güstrower Regierungsbeamten und Angestellten, leisteten, ausgenommen einige Reformierte, unter ihnen der Kanzler Johann Albrechts II., Deichmann. 1 )

Auf die bittere Beschwerde und den Protest der Herzogin=Witwe brachten die Güstrower Landräte und einige Mitglieder der Ritterschaft die Entschuldigung vor, sie hätten nicht anders zu handeln gewußt, da man ihnen vorher von dem Testamente ihres verstorbenen Fürsten nichts gesagt habe. Trotzdem erklärten gleich danach die sämtlichen Landstände noch einmal ausdrücklich, es bei dem getanen Handschlage bewenden lassen zu wollen. Damit aber hatte Adolf Friedrich einen guten Schritt vorwärts getan, denn, indem ihm Ritterschaft und Landschaft zufielen, sollte der zu erwartende Streit eine für ihn günstige Wendung nehmen. Es war nun nicht mehr der Fürst, es war das ganze Land, das der Vollstreckung eines ungewöhnlichen und unbilligen Testaments widersprach und sie zu hindern suchte. Dem Verlangen der Stände aber mußten Kaiser und Reich, wenn dieser Streit weitere Kreise in seine Wirren hineinziehen sollte, in ganz anderer Weise Rechnung tragen als den Wünschen eines Einzelnen.

Die Herzogin=Witwe aber war zu nichts weniger als zum Nachgeben bereit! Wie ihr Schwager das seinige, so wollte sie das ihr durch legale, also unanfechtbare Testamentsverfügung gewordene Recht durchsetzen. Ihre Hartnäckigkeit und Zähigkeit hat sich durch nichts ermüden lassen, und, wie wir sehen werden, beinahe den Sieg errungen. Zunächst geberdete sie sich ganz als Regentin. Sie behielt zum Beispiel die Landesakten zurück, die sie von Lübeck, wo sie zuletzt aufbewahrt worden waren, nach ihrem Schlosse hatte bringen lassen, und die Adolf Friedrich mehrfach vergebens einforderte. Ja, sie ging später so weit, daß Sie auf öffentlich ausgeschriebenem Landtage an Ritter= und Landschaft Abmahnungs= und Protestschreiben gegen die Übernahme der Vormundschaft durch ihren Schwager richtete. Daß sie nicht daran dachte, den ihr zugewiesenen Witwensitz Strelitz zu beziehen, braucht kaum erwähnt zu werden.

Adolf Friedrich hatte am 15. Mai dem Kaiser von dem Tode seines Bruders und der neu übernommenen Regierung, sowie von dem Testament und allen Einzelheiten Mitteilung gemacht und um gnädige "Konfirmation" gebeten.


1) Den Vorgänger desselben im Güstrower Kanzleramte, Johann Cothmann, wie auch Hartwig von Passow hatte Johann Albrecht aus seinen Diensten entlassen, obwohl sie während der Zeit seiner Verbannung bei ihm ausgeharrt hatten. Adolf Friedrich nahm beide wieder an.
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Inzwischen wurde am 2. Juni in Güstrow das Testament des Herzogs in feierlicher Form eröffnet. Unmittelbar nach der Verlesung erfolgte der Protest Adolf Friedrichs und die Verwahrung der Herzogin=Witwe gegen ihren Schwager. Somit war der Streit um die Regierung in Güstrow offen ausgebrochen. Jede Partei war entschlossen, ihr Recht zu verfechten.

Die Lage war in der Tat verwickelt. Dem Testamente war seine Berechtigung an und für sich nicht abzustreiten, und wer dem toten Buchstaben, wer dem formalen Rechte allein folgte, mußte sich für Eleonore Maria entscheiden. Demgegenüber gab es jedoch triftige Gründe, deren Berechtigung nicht wohl außer Acht gelassen werden konnte. Bei der Wichtigkeit, die damals konfessionelle Fragen hatten, konnte das streng lutherische Herzogtum es kaum mit Gleichmut hinnehmen, wenn durch das Testament der Versuch gemacht wurde, der Verbreitung der reformierten Lehre Vorschub zu leisten. Hieraus erklärt sich auch die Einmütigkeit, mit der das ganze Land dauernd für Adolf Friedrich eingetreten ist. Ferner galt ein weibliches Regiment in Mecklenburg für etwas Unerhörtes. Die Einsetzung der Regierung Eleonore Marias wurde daher als ein Verstoß gegen das Herkommen abgelehnt. Endlich aber schien in der Zeit eines schweren Krieges und bei der eigentümlichen Stellung, die Mecklenburg zu den kriegführenden Parteien einnahm, nichts wünschenswerter zu sein, als eine straffe, wenn möglich einheitliche Leitung beider Mecklenburg.

Es ist hier nicht der Ort zu prüfen, auf welcher Seite das größere Recht war, ebensowenig den Streit, soweit die inneren Angelegenheiten des Landes durch ihn berührt wurden, des weiteren zu schildern. Für uns ist er nur insofern von Wichtigkeit, als er auf die äußere Politik Herzog Adolf Friedrichs von großem Einfluß war. Er stellte sich als ein neues Hindernis dem Bestreben in den Weg, das Mecklenburger Land in den bösen Jahren des Krieges nach Möglichkeit vor Schaden zu bewahren. Da zudem der Vormundschaftsstreit auch den Schweden willkommenen Anlaß bot, sich in die Verhältnisse Mecklenburgs einzumischen, der Kaiser, der Reichshofrat, später das Kurfürstenkollegium Veranlassung erhielten, Stellung zu diesem Streite zu nehmen, so ist er auch für die allgemeine Geschichte jener Zeit von Bedeutung.

Gleich in den ersten Tagen nach dem Tode des Bruders, noch vor der Testamentseröffnung, hatte Adolf Friedrich das streng lutherische Kursachsen um Unterstützung seiner Sache beim Kaiser

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gebeten. Johann Georg I. sandte schon am 28. Mai ein Schreiben in diesem Sinne an Ferdinand II. Er gab zu, daß in der "Polizeiordnung" des Reiches die durch Testament verfügte Vormundschaft jeder andern vorgezogen werde, wies aber auf den Bericht Adolf Friedrichs hin, wonach im mecklenburgischen Hause durch Herkommen, Erbverträge und Landesreversalen eine abweichende Gewohnheit herrsche. Auch die vereinigten Landstände Mecklenburgs sandten am 7. Juni eine Petition an den Kaiser, in der sie gleichfalls dringend für die Regentschaft des Schweriner Herzogs, hauptsächlich aus Gründen der Religion und der Aufrechterhaltung des Friedens im Lande, eintraten. An demselben Tage wandte sich Adolf Friedrich zum zweiten Male an seinen kaiserlichen Herrn mit der Bitte um schnelle Bestätigung seines Verfahrens gegenüber dem letzten Willen seines Bruders. Die Gründe und Erwägungen, die ihn zur Übernahme bestimmt hatten, wurden dabei ausführlich wiederholt. Auch für ihn wie für den Kurfürsten standen die religiösen Interessen im Vordergrund, doch waren sie für ihn nicht, wie für die Ritter= und Landschaft, schlechthin entscheidend: Ihm galten andere wichtige Momente daneben, und zwar solcher Art, von denen er auch hoffte, daß sie den Kaiser zu seinen Gunsten bestimmen helfen würden. Sie gipfeln in der Unzuträglichkeit einer Nebenregierung seiner Schwägerin, die die Verwaltung und Finanzen, die Landeswohlfahrt und endlich nicht zum wenigsten die Gesamtheit der fürstlichen, über beide Landesteile gemeinsam und ungeteilt auszuübenden Rechte und Befugnisse, wie die Oberhoheit über Rostock, die Herrschaft über die Landeskirche, die Verwaltung der kirchlichen wie der weltlichen Gerichtsbarkeit, das Recht der Besteuerung, das Recht, die Stände zu versammeln, und das Münzrecht und vieles andere aufs schwerste gefährde. Und wie anders konnte grade hier der einzige Ausweg gefunden werden, wenn nicht in der alleinigen Regierung desjenigen Mannes, der seit lange die Zügel in einem Teile des Landes in Händen hielt! Gemeinsam übrigens war diesen Gesuchen noch die eifrige Betonung der Tatsache, daß der Kurfürst von Brandenburg die Mitvormundschaft abgelehnt hatte. Man suchte durch sie die Unbilligkeit des Testamentes zu erhärten und in dem Leser die Überzeugung hervorzurufen, daß der Kurfürst Georg Wilhelm sich aus demselben Grunde, der Adolf Friedrich zur Übernahme der Regentschaft und Vormundschaft bewog, veranlaßt gesehen habe, die Mitvormundschaft an der Seite der Herzogin Eleonore Maria abzulehnen.

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Inzwischen war diese nicht müssig geblieben, wenn auch die Furcht des Schweriners, sie möchte schon im Frühjahr 1636 beim Kaiser vorstellig geworden sein, sich als unbegründet erwies. Adolf Friedrich war anfangs geneigt, die Widerstandskraft seiner Schwägerin zu unterschätzen. Er meinte, es handele sich lediglich um eine Weiberlaune, der man durch nachdrücklichen Widerspruch leicht ein Ende bereiten könne. In diesem Sinne suchte er damals immer wieder auffordernd und warnend Eleonore Maria zur Erfüllung ihrer "Pflicht" zu bewegen. Sie sollte den jungen Herzog Gustav Adolf ausliefern und den ihr zugewiesenen Witwensitz beziehen; andernfalls, so drohte er, werde seine oft mißbrauchte Geduld sich endlich erschöpfen und zuletzt seinem Zorne Platz machen.

Wohl fehlte es nicht an Versuchen einer Vermittelung. Herzog August von Braunschweig=Lüneburg und der Kurfürst von Brandenburg, der dazu den Markgrafen Sigismund entsandte, machten unter Zustimmung beider Parteien schon im Juli einen ersten Aussöhnungsversuch, aber er scheiterte sehr bald an der Hartnäckigkeit, mit der die Gegner auf ihrem Rechte bestanden. Adolf Friedrich glaubte nun nicht mehr an die Möglichkeit eines gütlichen Übereinkommens. Er hatte nun seine Schwägerin und ihren festen, unnachgiebigen Sinn erkannt. Es galt, den seinigen dagegen zu setzen und zu zeigen, wer sich dauernd als der stärkere erwies. Die Herzogin=Witwe aber dachte nicht daran, sich einschüchtern zu lassen. In dem Bewußtsein ihres guten Rechtes suchte sie ihre Regentschaft zur Anerkennung zu bringen, und als dem Herzoge endlich die Geduld riß und er gegen sie, da sie aus der Residenz Güstrow nicht weichen wollte, rücksichtslos vorging, richtete sie ihre lauten Klagen über die Mecklenburger Grenze hinaus an Kaiser und Reich, an die fremden Mächte, an Freund und Feind, an Vornehm und Gering und entfaltete dabei eine staunenswerte, rastlose Tätigkeit.

In Wien vertrat als Nachfolger des Herrn Vom Holtz seit 1613 Jeremias Pistorius von Burgsdorff als bestallter ständiger Agent die Interessen beider Mecklenburg. Auf die Mitteilung Adolf Friedrichs vom Tode des Herzogs in Güstrow und dem die Interessen Schwerins und des Luthertums gefährdenden Testament erklärte der Gesandte sofort, mit allen seinen Kräften für Adolf Friedrich eintreten zu wollen. Ohnehin war er durch den eingetretenen Todesfall Johann Albrechts II. seiner Dienstpflicht gegenüber dem Güstrower Lande entbunden. Die Herzogin=Witwe aber, die ihn wohl als einen treuen Anhänger ihres

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Schwagers kannte, hat, soviel wir wissen, niemals einen Versuch gemacht, ihn auf ihre Seite zu ziehen. Als er seines Herzogs Schreiben erhielt, war Pistorius grade im Begriff gewesen, nach Regensburg zum kaiserlichen Hoflager abzureisen. Er nahm nun dorthin die neue Aufgabe mit, eine baldige kaiserliche Bestätigung der von Adolf Friedrich ergriffenen Vormundschaft zu erwirken. Alles aber schien sich nach des Herzogs Wunsch gestalten zu sollen. Bereits am 11. Juni 1636 sandte Ferdinand II. aus Linz eine Erklärung nach Schwerin, die es bei der von Adolf Friedrich unternommenen Regentschaft bewenden ließ, der Gegenpartei zum Protest eine Frist von drei Monaten setzte, danach aber, falls kein Widerspruch erfolge, weitere günstige Schritte in der Richtung der erbetenen Konfirmation in Aussicht stellte. 1 )

Die der Herzogin gesetzte Frist verging, ohne daß sich jemand meldete. Adolf Friedrich konnte daher mit Recht glauben, seiner Sache sicher zu sein. Als am 28. September Pistorius dem Reichsvizekanzler Peter Heinrich von Stralendorf ein Memorial übergab, in dem auf Grund der seit dem 11. September verflossenen Frist um die ersehnte Bestätigung angehalten wurde, tat er es wohl in dem frohen Bewußtsein, seinem Herzoge in einer glücklichen Sache haben dienen zu können, deren schnelle Erledigung seinem Eifer alle Ehre machen würde. Das Memorandum wurde auch ohne alle Einwendung angenommen, und der Gesandte wartete nun auf die Ausfertigung der Bestätigung, was bei dem damals recht langsamen Gange aller Kanzleigeschäfte immerhin einige Wochen in Anspruch nehmen mußte. Aber Woche auf Woche verging, und es wurde November, ohne daß Pistorius eine Antwort erhielt. Er forschte nach, ob vielleicht inzwischen ein Protest der Gegenpartei eingelaufen war, aber er erfuhr nichts darüber. Er bat und trieb unablässig an, endlich die verheißene Bestätigung auszufertigen. Man beruhigte ihn immer wieder mit der Versicherung, daß am Hofe dem Testamente kein Wert beigelegt werde. Nur mangele es noch an dem Befehle zur Ausfertigung des Bestätigungsschreibens. 2 )

Noch rätselhafter mußte diese Verzögerung erscheinen, als Mitte Oktober Adolf Friedrich in einer anderen Angelegenheit zwei kaiserliche Mandate unter Ferdinands II. Hand und Insiegel


1) Abgedruckt: Inf. F. et J. Beilagen p. 1/2 Nr. I. David Francks a. a. O. p. 184 gemachte Angabe, der Kaiser habe am 11. Juni von Linz aus Adolf Friedrich zum Vormund bestätigt, ist also falsch.
2) Pistorius an den Herzog vom 29. November 1636. Vien.
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erhielt, in der indirekt seine Vormundschaft anerkannt wurde. 1 ) Der Herzog mußte aus ihnen schließen, daß der Kaiser ihr bereits die Bestätigung erteilt habe. Dringend bat er daher Pistorius um Übersendung des Schriftstückes, das er längst in dessen Hand wähnte. Er gab sorgfältig den Weg an, auf dem es ihm zugeschickt werden solle. Ja er kam auf die Vermutung, daß das Schreiben bei der damaligen Unsicherheit der Wege verloren gegangen sei. Doch dies für ihn so wichtige kaiserliche Mandat, das ihn endlich in den Besitz der Vormundschaft gesetzt hätte, war überhaupt noch gar nicht ausgefertigt worden. Beide, der Herzog und sein Gesandter, wußten damals noch nicht, was sich ihnen hemmend in den Weg gestellt hatte, wußten nicht, daß ihre anfangs von Erfolg gekrönten Bemühungen noch kurz vor Erreichung des Zieles durch die Maßnahmen der rastlos tätigen Herzogin zum Scheitern gebracht worden waren.

Eleonore Maria hatte im Herbst 1636 einen ihrer Anhänger, Kay Sehestett, an den König Christian IV. von Dänemark mit der Bitte um Unterstützung ihrer Rechte gesandt, aber der König hatte wenig Lust bezeigt, zu ihren Gunsten einzuschreiten. Erst auf Bitten des Herzogs Franz Albrecht von Sachsen=Lauenburg, des eifrigen Freundes und späteren Schwiegersohnes Eleonorens, ließ er sich, wie auch Herzog Friedrich von Holstein=Gottorp, zuletzt zu einer Vermittelung bereit finden. Er sandte im November 1636 seinen Kanzler Reventlow an Adolf Friedrich und machte ihm Vorschläge, die dahin gingen, daß Eleonore den jungen Prinzen bis zum fünften Jahre behalten, dann aber gehalten sein sollte, ihn herauszugeben. Adolf Friedrich war damit einverstanden, falls die Herzogin=Witwe genügende Bürgschaft gebe, daß der Knabe während der Frist nicht außer Landes geschafft werde, sondern bei ihr in Rostock bleibe.

Christian IV. fand dies "nicht gar unbillig" und erklärte, mehr könne er nicht verlangen. Eleonore Maria aber wollte davon nichts wissen. Sie verlangte unbedingte Unterstützung ihrer Ansprüche und lehnte jede Vermittelung ab, bei der sie nur verlieren könnte. Mit um so größerem Nachdruck beschloß sie jetzt ihre Angelegenheit in Wien zu betreiben. Sie hatte ihren Bruder, Christian von Anhalt, dazu vermocht, eine ausführliche Denkschrift an den Kaiser zu verfassen, in der er, nach


1) Es handelte sich um einen Prozeß mit einem Herrn von Buchwald, eine Mecklenburg=Güstrower Angelegenheit, die Adolf Friedrich nichts anging, wenn man ihn nicht als Vormund in Mecklenburg=Güstrow anerkannte. Cothmann an Pistorius 23. Oktober 1636.
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Schilderung der Veranlassung des Streites, die Bitte aussprach, der Kaiser möge seine Schwester rechtlich hören und danach erst sein Urteil fällen. Wiewohl schon im August 1636 entstanden, kann sie kaum innerhalb der für Einlegung des Protestes festgesetzten Frist von drei Monaten in Wien eingelaufen sein, denn nach des Pistorius Bericht war die Stimmung des kaiserlichen Hofes während jener ganzen Zeit dem Herzog günstig. Auch haben wir keine Kunde davon, wann und wie sie an den Kaiser gelangt ist und ob Herzog Christian sie selbst übergeben hat. Aber schon in der ersten Hälfte des November finden wir diesen Fürsten in Regensburg tätig, um mit allen Mitteln die Ansprüche seiner Schwester durchzusetzen. Geld und gute Worte bei einem und dem anderen Mitgliede des Reichshofsrats haben dann wohl allmählich einen Stimmungsumschwung in der Frage der Güstrower Vormundschaft angebahnt. Vor allem und zuerst scheint Dr. Söldner beeinflußt worden zu sein, der die Ausfertigung der Bestätigung für Adolf Friedrich verzögerte und Zeit gewinnen half. Über alles dies ist der Kaiser Ferdinand II. vielleicht nicht mehr unterrichtet worden. Er starb schon am 15. Februar 1637.

Die Tatsache, daß nach dem Linzer Schreiben vom 11. Juni 1636 keine weitere Willensäußerung in der Mecklenburger Streitsache bis auf diese Zeit erfolgt ist, legt den Schluß nahe, daß Ferdinand II. bei seiner Auffassung zu gunsten Adolf Friedrichs trotz der gegenteiligen Auffassung seiner Umgebung verblieben ist.

Nicht war es Christian von Anhalt allein, dessen brüderlicher Eifer eine Umstimmung am Wiener Hofe bewirkte, wenn er auch den ersten Anstoß dazu gab. Vielmehr hat Eleonore Maria vieles selbst getan, eine Wendung herbeizuführen. Schon am 28. September 1636 wandte sich die Herzogin bittend und klagend an den Kaiser. Zugleich aber richtete sie Schreiben an die Kaiserin, die Kurfürstin von Bayern, an die Gemahlin Herzog Julius Heinrichs von Sachsen, an die Herzogin von Gonzaga, die großen Einfluß auf die Kaiserin ausübte, an die Gräfin von Schlick, die ihren Mann für die Sache der Mecklenburgerin gewinnen sollte, und endlich an eine Frau Poplin, der Herzog Franz Albrecht ganz besonderen Einfluß zuschrieb. 1 ) In ihren Schreiben ging Eleonore Maria von der Rechtsgültigkeit des Testamentes aus: an allen deutschen Fürstenhöfen gelte die Gewohnheit, die Bestimmungen eines letzten Willens allen andern


1) Die Witwe des ersten Fürsten Lobkowitz.
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vorgehen zu lassen. Johann Albrecht habe seinen letzten Willen bei klarem Verstande niedergelegt, und daher seien Adolf Friedrichs Handlungen als unerhört und widerrechtlich anzusehen. Die fürstliche Frau ging aber über all das wie über Selbstverständliches verhältnismäßig kurz hinweg. Mit feinem, weiblichen Instinkte verwandte sie alle Kraft darauf, das Bejammernswürdige ihrer Lage zu schildern, wie man sie, eine Witwe, wider alles Menschenrecht von ihrem Kinde trennen, wie man sie gewaltsam aus den schützenden Mauern der Residenz hinaus nach dem Witwensitz Strelitz vertreiben wolle, einem offenen, unbewehrten Orte. Damit aber setze man sie schwerer Gefahr aus, denn bei der Soldateska sei der Respekt auch gegen Fürst und Standesperson gesunken. Allerdings war dies nicht ganz der Wahrheit gemäß. Ausdrücklich hatte ihr Adolf Friedrich gestattet, ihrer persönlichen Sicherheit halber nach Rostock statt nach Strelitz zu ziehen. Aber man nahm es damals nicht so streng mit der Wahrheit. Auch der Herzog scheute sich nicht, gelegentlich eine Unwahrheit zu sagen, und in maßlosen Übertreibungen gefallen sich nach der Sitte der Zeit beide Gegner. Indes Eleonore suchte das Mitleid des Wiener Hofes mit der verfolgten, schutzlosen Witwe, wie den Unmut der fürstlichen Frauen wegen Verletzung der einer Herzogin schuldigen Rücksicht auf alle Weise zu erregen. Und mit Erfolg. Möglich, daß auch an Geschenken und Versprechungen nicht gespart wurde. Kurz, schon im Beginn des Jahres 1637 stand der Reichshofrat auf einem ganz anderen Standpunkte, als er ihn im Sommer des vorhergehenden Jahres eingenommen hatte. Und auf diesen wohlvorbereiteten Boden sandte die fürstliche Witwe nun den früheren herzoglich Güstrowschen Rat Johann Milden, ihren Glaubensgenossen, einen Mann, der nach dem Tode Johann Albrechts durch sein "unverantwortliches" Betragen Adolf Friedrich derartig verletzt hatte, daß dieser ihn hatte verhaften lassen. Doch war es Milden gelungen, wider gegebenes Wort seiner Haft zu entkommen und im Dienste des schwedischen Generals Baner eine Anstellung zu erlangen. Milden war wie kaum ein anderer geeignet, die Sache seiner Herrin zu führen. Persönlich verletzt von Adolf Friedrich, ein leidenschaftlicher Kalvinist, bot er seinen ganzen Scharfblick, seine rücksichtslose Entschlossenheit auf, um der Sache seiner Herrin und seines Glaubens zum Siege zu verhelfen. Es war gewagt, daß er unmittelbar aus schwedischen Diensten sich an den kaiserlichen Hof begab, aber er hatte sich mit Empfehlungsschreiben des Herzogs von Braunschweig und des fürstlichen Hauses Anhalt

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zur Genüge ausrüsten lassen und trug zahlreiche andere Schreiben an einflußreiche Persönlichkeiten des Hofes, in denen er speziell beglaubigt wurde, bei sich, so an den englischen Gesandten Grafen Arundel und an den Vertreter der Niederlande Voppius von Aizema, welch letzterer bereitwillig seine Hülfe versprach. Milden befand sich am 20. Dezember in Regensburg. Er fand die Verhältnisse hier dermaßen günstig, daß er in einem an die Herzogin gerichteten Brief dringend davor warnte, sich in Verhandlungen mit Adolf Friedrich einzulassen.

Aber solange Ferdinand II. lebte, konnte Eleonore Maria an dem Erfolge ihrer Bemühungen zweifeln. Doch erreichte es Milden, daß ihm die Eingaben der Gegenpartei, mit Ausnahme des Linzer Dekretes, mitgeteilt wurden und daß man andererseits die Klagschriften der Herzogin dem Schweriner Vertreter in Abschrift aushändigte, daß also der Streit den Charakter eines Prozesses annahm. Vor allem aber gelang es ihm, der Mehrzahl der Reichs=Hofräte die Überzeugung beizubringen, daß nach dem Tode Johann Albrechts seine Witwe kraft des Testaments schon im Besitze der Vormundschaft gewesen sei.

Adolf Friedrich wollte dagegen auch den Schein, als ob er einen Prozeß zu führen gedenke, vermeiden. Er brachte keine Klage gegen seine Schwägerin ein, sondern ließ auf Rat des Pistorius durch ihn gegen ein prozessualisches Verfahren protestieren. Seine Forderung war lediglich auf Bestätigung seiner Vormundschaft gerichtet. Im übrigen schaltete und waltete der Herzog trotz aller beunruhigenden Nachrichten, die von Pistorius einliefen, im Vertrauen auf die Haltung Kaiser Ferdinands II. im Güstrower Lande als Regent und Vormund seines Neffen und ließ sich auch nicht durch die Umtriebe des Herzogs Franz Albrecht einschüchtern, der unaufhörlich schrieb, mahnte und persönlich bei dem Kurfürsten von Brandenburg, bei Johann Georg von Sachsen, bei dem Könige von Dänemark, dem Herzoge von Holstein und anderen wegen Unterstützung der Herzogin vorsprach, ja sogar den General Baner, als jener im Herbste 1636 mit seiner ganzen Armee in Mecklenburger Landen lag, um schwedische Hülfe für Eleonore Maria bat. Wenn Baner sich zunächst noch nicht einmischte, so war doch dieses skrupellose Vorgehen, das, unbekümmert um Landeswohlfahrt, die eigenen Interessen verfolgte, ganz dazu angetan, in Adolf Friedrich den letzten Rest von Rücksicht und Langmut zu ersticken. Schon früher hatte er der Herzogin=Witwe um sie zu bewegen, aus Güstrow zu weichen, jegliche Ausübung ihres Religionsbekenntnisses, auch den privaten Gottesdienst ver=

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weigert, den er ihr nur auf ihren Leibgedingsämtern gestatten wollte. Nachdem er den kalvinistischen Kanzler Deichmann aus der Stadt verwiesen hatte, brach er am 27. Januar 1637 gewaltsam in die Gemächer der Herzogin ein und bemächtigte sich des kleinen Gustav Adolf, der vergeblich in dem Armen seiner Mutter Schutz suchte. Der junge Herzog wurde nach Bützow gebracht und hier mit den Kindern Adolf Friedrichs im lutherischen Glauben erzogen. Natürlich benutzte die Herzogin=Witwe diesen Gewaltakt, um von neuem gegen den verhaßten Schwager laute Klage zu erheben und das Mitleid für sich zu erwecken.

In diesem Augenblicke trat nun die entscheidende Wendung in dem mecklenburgischen Vormundschaftsstreite ein. Am 15. Februar 1637 schied Kaiser Ferdinand II. aus dem Leben. Sein Nachfolger Ferdinand III. nahm in dem Mecklenburger Vormundsstreit einen völlig anderen Standpunkt ein. Schon Ende Dezember 1636 hatte Milden der Herzogin die frohe Nachricht senden können, daß der junge deutsche König großes Mitleid mit ihrer Lage empfinde. Grade an ihn hatten sich die Fürsprecher der Herzogin mit der Bitte um Unterstützung gewandt. Herzog Christian von Anhalt war noch immer tätig, und nachweislich haben Herzog Julius Heinrich von Sachsen und seine Gemahlin für Eleonore Maria eifrig das Wort geführt. Der Reichshofrat war inzwischen zum größten Teil für sie gewonnen worden. 1 ) Auf Widerstand stieß Milden nur noch bei dem Reichsvizekanzler Peter Heinrich von Stralendorf, der, ein geborener Mecklenburger, dem Schweriner Herzoge geneigt war, und dann aus dessen Erklärungen, wie aus denjenigen des Kurfürsten von Sachsen sich die Auffassung gebildet hatte, daß auf Grund von Familienpakten und kaiserlichen Privilegien es keinem Mecklenburger Herzog gestattet sei, letztwillig einen fremden Fürsten, geschweige eine Frau zum Vormund für seine Kinder einzusetzen. Von Stralendorf betonte auch Milden gegenüber, daß Adolf Friedrich im Besitze sei, die Landschaft ihm gehuldigt, auch ein kaiserliches Dekret ihn bereits vorläufig anerkannt habe. Auch sei die Herzogin=Witwe mit ihrer Gegenklage zu spät gekommen. Schwerlich werde sich für sie etwas tun lassen. Als der Agent Eleonorens


1) Daß Mildens Angaben von der Übereinstimmung aller Räte in ihrer Parteinahme für Eleonore Maria nicht der Wahrheit entsprechen, bezeugt er selbst durch gelegentliche Bemerkungen, so in seinem Briefe vom 18. Februar 1637 an die Herzogin: "Es wird ein harter Knoten zu lösen sein. . . . Herzog Adolph hat etzliche Räte trefflich bestochen, die seine Partei so steif halten, daß es unaussprechlich ist."
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ihm die Gründe auseinandersetzte, aus denen Herzog Adolf Friedrich von der Vormundschaft und Regentschaft ausgeschlossen worden sei, 1 ) und versicherte, daß keine Familienpakten gegen die weibliche Vormundschaft sprächen, meinte der Kanzler freilich, daß man in diesem Falle wohl der Herzogin die Vormundschaft, insbesondere die Erziehung ihres Sohnes nicht verweigern dürfe, doch müßte Adolf Friedrich die Verwaltung aller ungeteilten Hoheiten gelassen werden. Im allgemeinen glaubte nun Milden gewonnenes Spiel zu haben. Schließlich konnte ja der eine Mann, wenn auch in der ersten Stellung des heiligen römischen Reiches, das Kollegium, dessen Mehrheit sich für die Herzogin aussprach, nicht überstimmen.

Gegen Ende des Jahres 1636 hatte sich auch Herzog Franz Albrecht an den kaiserlichen Hof begeben, um die Sache der Herzogin zu führen. Sei es, daß der junge König gewisse Stimmungen und Auffassungen aus seiner näheren Umgebung am Hofe, wie es leicht erklärlich ist, für seine ersten Regierungshandlungen übernahm, sei es, daß er sich durch die Vorstellungen der Freunde und des Gesandten Eleonorens hatte überreden lassen, sei es, daß er von ihrem Rechte überzeugt war oder sich doch als Schirmer der Witwen und Waisen zeigen wollte: bereits am 11. Februar 1637 erging ein Mandat Ferdinands III. an den Herzog Adolf Friedrich, das ihm gebot, von jeder Gewalt gegen die Herzogin und ihre Dienerschaft abzustehen. Am 21. März erfolgte schon ein zweites Inhibitoriale, das dem Schweriner neue Gewalttätigkeiten verwies, ihn aufforderte, seinen Neffen der Mutter wieder zuzustellen und diese ruhig in ihrer Residenz, wie auch ihre Diener und Räte dort ungekränkt zu lassen, im übrigen aber das kaiserliche Endurteil zu erwarten.

Adolf Friedrich glaubte indes bei der damaligen politischen Lage, der kaiserlichen Majestät ungestraft Trotz bieten zu können. Er kümmerte sich nicht um die kaiserlichen Mandate, sondern ließ gerade damals seinen Neffen, der bisher noch in Güstrow verblieben war, nach Bützow bringen.

Man ist in der Hitze des Kampfes so weit gegangen, ihn zu verdächtigen, daß er das Kind an einen ungesunden und durch seine Sumpfluft gefährlichen Ort habe bringen lassen, um sich so seiner zu entledigen. Was an diesem Vorwurf ist, lehrt jedoch die Tatsache, daß seine eigenen Söhne in Bützow erzogen


1) Hier können, wenn auch sicherlich in starker Übertreibung ihrer Bedeutung, nur die alten, zwischen Adolf Friedrich und seinem Bruder noch schwebenden Streitsachen gemeint sein, auf die auch das Testament fußt.
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wurden. Der junge Herzog wurde bald darauf schwer krank, Adolf Friedrich gestattete jedoch außer der Mutter weder ihren fürstlichen Verwandten noch ihren Bedienten, die sich nach dem Befinden erkundigten, den Zutritt zu dem Knaben. Wohl nicht ohne Grund hegte der Herzog den Argwohn, daß man diese Besuche zur Entführung des Kindes benutzen könne, das ja nach den beiden letzten kaiserlichen Edikten Eleonore Maria übergeben werden sollte. Daß diese und andere Vorkommnisse den Gegensatz immer mehr verschärften, liegt auf der Hand. Und wenn bei einem solchen peinlichen Auftritte in Bützow auf Seiten der Beamten Adolf Friedrichs der Ausruf gefallen sein soll: "Wenn zwanzig Fürsten dahin kämen und hundert kaiserliche Mandate mit sich brächten, so werde ihr Herr doch nicht parieren, noch sich von seinem Rechte abdringen lassen", 1 ) so ist dies sehr wohl glaublich und für des Herzogs Anschauung äußerst bezeichnend. Die Zeit war hart und der Schweriner Herzog ein leidenschaftlicher Mann. Ganz besonders erbittert war Adolf Friedrich gegen Franz Albrecht von Sachsen, der sich in seinem Eifer für die Sache der Herzogin dazu hinreißen ließ, Unwahrheiten über ihn zu verbreiten, und unter anderm behauptet hatte, Ritter= und Landschaft seien von Adolf Friedrich zur Huldigung gezwungen worden. Adolf Friedrich zieh ihn nicht nur öffentlich der Lüge, sondern verbot ihm auch den Durchzug durch Bützow und den Aufenthalt in Güstrow, wo er vorher ohne Erlaubnis im Schloß Wohnung genommen hatte.

Unter dem Eindruck der immer neu einlaufenden Klagen entschloß sich der Kaiser, mit noch größerer Entschiedenheit gegen den Herzog aufzutreten. Seine nächsten drei Dekrete an Adolf Friedrich vom 1. April, 4. und 19. September schlugen einen schärferen Ton an und setzten ihm zugleich zwei und dreimonatige Fristen, vor deren Ablauf er alles, was er zur Begründung seiner Handlungsweise und seiner Forderungen vorbringen könne, einsenden solle.

Doch Adolf Friedrich, überzeugt von seinem Recht, unterwarf sich nicht, sondern entschloß sich, seinen Hofjunker Chr. August von Rohr mit einer "Gegennotdurft" an den kaiserlichen Hof zu senden. Er war jedenfalls durch seinen Vertreter davon unterrichtet worden, daß die Mitglieder des Reichshofrates, trotz ihrer Neigung für Eleonore, doch noch manches Bedenken hegten. Es waren besonders drei Tatsachen, an die sie sich stießen: das


1) Inf. F. et J. p. 103.
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warme Eintreten Johann Georgs von Sachsen für Adolf Friedrich, die einmütige Haltung der mecklenburgischen Ritter= und Landschaft und vor allem der Umstand, daß Kurbrandenburg die ihm durch das Testament angebotene Vormundschaft abgelehnt hatte. Milden drängte daher bei seiner Herrin immer wieder darauf, diesen letzten eigentlichen Stein des Anstoßes nach Möglichkeit bei Seite zu räumen und den bedeutenden Einfluß Brandenburgs für sich nutzbar zu machen. 1 ) Die Herzogin=Witwe wandte sich daher an den Kurfürsten Georg Wilhelm und bat ihn, die Ablehnung der Mitvormundschaft derart zu begründen, daß sie keinesfalls eine Anerkennung des Rechtes Adolf Friedrichs einschließe. Der Kurfürst gab am 28. Februar 1637 ihrem Drängen und Bitten nach, indem er sich beim Kaiser in einem übrigens sehr vorsichtig gehaltenen Schreiben günstig für die Herzogin aussprach. 2 ) So gute Wirkung dieses Schreiben auch für die Witwe hatte, Adolf Friedrich hoffte damals auf eine viel wirksamere Weise des Kaisers Gunst, die sein Ungehorsam in dieser Streitsache verscherzt hatte, wiederzugewinnen. In der Ausnutzung einer neuen Gelegenheit, die sich ihm bot, einen unmittelbaren Frieden zwischen den kämpfenden Parteien zu vermitteln, schien ihm die Möglichkeit gegeben, den ersehnten Frieden zu erlangen und sich dadurch große Verdienste um Kaiser und Reich zu erwerben.

 


 


1) Milden schrieb am 4. Februar 1637 an Eleonore Maria: "Wenn's zu erhalten eine Möglichkeit wäre, wollen Euer Fürstlichen Gnaden sich äußerst bemühen, daß Kur=Brandenburg nur einmal an Ihre Majestät deswegen schreiben und Euer Fürstlichen Gnaden Sach recommandieren möge, es ist unsäglich, wie viel solches Euer Fürstlichen Gnaden fürtragen und für Herren Adolph setzen würde". A. T. Vol. VIII, Fasc. II, Vol. II, pars 1.
2) A. T. a. a. O. Nr. 56.
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3. Kapitel.

Herzog Adolf Friedrichs Friedensvermittelungsversuche 1637 und 1638.

In der Zeit, die dem Kongreß zu Münster und Osnabrück vorausgeht, sind die verschiedensten Versuche gemacht worden, einen Frieden zwischen dem Hause Habsburg und Schweden herbeizuführen. 1 ) Auch Herzog Adolf Friedrich hatte sich schon im November 1635 auf ein solches Unternehmen eingelassen und, vom schwedischen Reichskanzler aufgefordert, die Vermittlerrolle übernommen. 2 ) Die Unterhandlungen kamen jedoch im Sommer 1636 ins Stocken. 3 ) Auch an einem ähnlichen Versuche, den Brandenburg vom Mai 1636 bis zum August 1637 durch den Markgrafen Sigismund machte, war er beteiligt gewesen, aber jener verlief ebenfalls ohne Erfolg. Bald aber gestalteten sich die Aussichten für den Frieden günstiger.

Nach dem Tiefstande seiner Macht 1635 begann sich Schweden seit dem glücklichen Gefecht bei Dömitz am 1. November n. St. 1635 und dem Waffenstillstande von Stuhmsdorf allmählich aber stetig wieder zu erholen, und seit dem Wittstocker Siege im September 1636 war der alte Glaube an das Waffenglück der schwedischen Macht wieder lebendig geworden. Doch war man sich im schwedischen Lager gleichwohl bewußt, daß die Tage Gustav Adolfs vorüber seien, und es ist ein Kennzeichen großer


1) Alle in diesem Kapitel angeführten Aktenstücke finden sich in den "Acta, die Friedensverhandlungen während des dreißigjährigen Krieges in Deutschland betreffend". Fasc. 2 Ex Archivo Suerin. (Abgekürzt A. F.) Vgl. Odhner, Die Politik Schwedens im westfälischen Friedenskongresse; p. 51 ff Gotha 1877.
2) Odhner a. a. O. p. 30/31. - Khevenhiller, Ann. Ferdinand II., Tom. XII, p. 1982 f., Chemnitz, Gesch. des schwedischen Krieges in Deutschland, III. Teil, Kap. II, III und XI. - Pufendorf, Schwed. Gesch. VII, § 105 ff. und VIII, § 49 und 77. - Londorp, Acta Publica, IV. Teil, Buch III, Kap. 51-71 (p. 523-553). Nach Londorp de Beehr, Rerum Mecklenburgicarum, lib. VII, Kap. III, pag. 1312-1318.
3) Im November 1636 verhandelte Adam Heinrich Penz als Gesandter des Herzogs Adolf Friedrich mit Baner über die Wiederaufnahme der Friedenstraktaten. Vgl. Baners Bericht R. A. O., B. VI, p. 350. S. 350. - Über den Anteil, den Hans Georg v. Arnim an den Verhandlungen im Sommer 1636 hatte, vgl. Irmer, H. G. v. Arnim S.334.
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Klugheit der Reichsregierung, daß sie, voran A. Oxenstierna, entschlossen war, sich lieber durch einen vorteilhaften Frieden einen Teil der eroberten Gebiete zu sichern, als das Ganze noch einmal der Entscheidung des Schwertes anzuvertrauen. So hat Schweden auch in seinem eigenen Interesse in diesen Jahren eine Beendigung des Krieges angestrebt. Und wenn es zu weiteren Kämpfen gezwungen wurde, in denen ihm noch große Erfolge beschieden waren, so verdankt es den reichen Siegespreis, den es zuletzt davontrug, nicht am wenigsten der verfehlten Politik des Gegners, der, anstatt realen Erwägungen zu folgen, in abenteuerndem Hochmute alles von der Entscheidung des Schwertes erwartete. Das Schicksal hat hier die Kurzsichtigkeit gestraft und eine kluge Mäßigung durch reiche Erfolge belohnt. 1 )

Wenn die österreichische Politik im Jahre 1637 jeden Friedensgedanken weit von sich wies, so lag der Grund offenbar in dem Umstande, daß sich die Lage auf dem Kriegsschauplatze zu Gunsten Habsburgs geändert hatte. Baner, der nach dem Siege bei Wittstock einen verheerenden Zug nach Thüringen, Hessen und Sachsen unternommen hatte, mußte im Sommer 1637 vor der Übermacht der Kaiserlichen und ihrer Verbündeten nach Pommern zurückweichen und die Verbindung mit Wrangel jenseits der Finow suchen. 2 )

Überall drangen die kaiserlichen Truppen nach Norden vor. Wohl wußte sich Baner der drohenden Einschließung zu entziehen, aber während er sein ermattetes Fußvolk um Stettin sammelte, bemächtigten sich die Kaiserlichen unter Gallas des größten Teiles von Pommern und Mecklenburg. 3 )

Herzog Adolf Friedrich, der eine neue Verwüstung seines Landes vor Augen sah, sandte den Schweriner Regierungsrat B. Plüskow und Joh. von Berg an den kaiserlichen Generalissimus und ließ um möglichste Schonung für sein Land bitten.

Als Plüskow nach Güstrow heimkehrte, brachte er die überraschende Nachricht mit, daß Gallas zu Friedensverhandlungen ermächtigt sei und wünsche, Adolf Friedrich möchte die Vermittlerrolle übernehmen. Der schwedische Resident Grubbe und vor kurzem auch noch der Feldmarschall Wrangel hatten bereits


1) Es ist ein Verdienst Odhners a. a. O. Kap. I u. Kap. III dieses aus nüchterner Überlegung entstandene Friedensstreben der schwedischen Diplomatie erwiesen zu haben.
2) Barthold, Gesch. des großen deutschen Krieges vom Tode Gustav Adolfs. (Stuttgart 1843.) II. Teil. Das Urteil ist einseitig parteiisch. Nur als reichhaltige Materialiensammlung ist das Werk noch benutzbar.
3) Pufendorf Suec. IX § 14. Barthold a. a. O.
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ein Gesuch um Vermittelung an den Herzog gelangen lassen, aber jener hatte ihm Folge zu leisten Bedenken getragen, da er auf ein Entgegenkommen der Kaiserlichen nicht glaubte rechnen zu können. Unter den günstig veränderten Verhältnissen rieten ihm jetzt die Güstrower Regierungsräte, den Antrag in Erwägung zu ziehen und baten ihn zugleich, er möge in die Nähe kommen, um über "dieses hochwichtige Werk" Rats zu pflegen. 1 )

Als der Herzog ihrer Bitte nicht nachkam, sandten sie schon Tags darauf, am 12. September, den Kapitän G. Christian Rheiner mit einer von ihnen selbst im Namen des Herzogs abgefaßten Instruktion an Baner und Wrangel ab, in der der Vorschlag zu einer Friedensvermittelung von dem Herzog gemacht und zugleich die Schonung der mecklenburgischen Lande sowie Exemtion der beiden Residenzen und einiger anderer Ämter als Vorbedingung gefordert wurde. 2 )

Man wird die ganze drängende Not der Zeit in Berücksichtigung ziehen müssen, um die Fälschung zu entschuldigen, deren sich jene Männer schuldig machten, da sie im Interesse des erstrebten Friedens den Herzog zu raschem Eintritt in die Friedensvermittelung geradezu zwangen. Wohl waren sie nächst ihm mit der Sorge für das Landeswohl, nicht nur für das des Güstrower Teiles, betraut, aber sie waren persönlich nicht wie der Fürst vor den Gefahren dieser fürchterlichen Zeit geschützt. 3 ) Kein Wunder, wenn sie es für notwendig halten, über den Kopf ihres Herrn hinweg die Verhandlung zu beginnen, um den Frieden, der dem Lande Mecklenburg Erlösung von erneuter Verwüstung verhieß, herbeizuführen.

Kein Weg war im Lande sicher. Beim besten Willen konnte Adolf Friedrich Schwerin nicht sobald verlassen. Von Stunde zu Stunde wurde die Lage drückender, denn Baner rückte heran. Kaum blieb den besorgten Räten, denen die Angst um Leib und Leben die Feder führte, während sie für das Wohl der Heimat arbeiteten, etwas anderes übrig, als eigenmächtig den entscheidenden Schritt zu wagen, zumahl sie überzeugt waren, daß der Herzog mit dem Plane nicht unzufrieden seien werde.

Daß Adolf Friedrich nichts lieber sah, als solche Friedensverhandlung zwischen den streitenden Mächten, und nichts sehn=


1) . . . an den Herzog, 11. September 1637.
2) Die dritte Residenz Bützow ist hier nicht erwähnt.
3) Wenn sie auch für ihn sein Regiment in Güstrow führten, so zog er sie doch bei allen wichtigen Anlässen zur Beratung heran; besonders der Kanzler Cothmann stand ihm nahe, ja er war geradezu des Herzogs rechte Hand, wie er denn fast alle Instruktionen und andere Schriftstücke aufsetzte.
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licher wünschte, als selbst das Werk fördern zu können, das beweisen die schon erwähnten früheren Versuche, die er in dieser Richtung unternommen hatte. Er hoffte, auf diesem Wege schnell allem Elende Mecklenburgs ein Ende zu machen und sich den Dank zugleich des unglücklichen deutschen Vaterlandes zu erwerben. Aber gerade das Scheitern jener Versuche mahnten ihn zu Vorsicht und Zurückhaltung. Man hatte Sich daher am Schweriner Hofe nicht ganz so eilig für die Anträge der Räte entscheiden können. Es galt doch das "Für" und "Wider" abzuwägen. 1 ) Auf der einen Seite hoffte man, daß die Vermittelung den Herzog mit beiden kriegführenden Parteien in nahe Verbindung bringen werde, und daß sie, um ihn sich wohlgeneigt zu erhalten, alles tun würden, sein Land zu schonen. Überließ man die Vermittelung anderen Fürsten, war dann nicht zu befürchten, daß Mecklenburg und sein Fürstenhaus stark zur Entschädigung Schwedens herangezogen werden würden, da nach ausdrücklicher Erklärung der Schweden der Feldzug Gustav Adolfs zum guten Teile auf die Wiedereinsetzung der Herzöge gerichtet gewesen war? 2 )

Schon um dieser Gefahr zu begegnen, schien es am besten, wenn Mecklenburg sich durch die Vermittelung die streitenden Mächte zum Danke verpflichtete. Gegen den Eintritt in die Verhandlungen sprach aber zunächst die Tatsache, daß Kurbrandenburg doch ausdrücklich vom Kaiser mit der Vermittlerrolle betraut worden war. Ohne besonderen Auftrag Ferdinands III. erschien daher das Anknüpfen von Friedensverhandlungen bedenklich. Und Gallas hatte keine ausdrückliche Vollmacht vorgezeigt. Er bekannte selbst bald darauf, eine solche nicht zu besitzen. Seine Erklärungen konnte lediglich seine persönliche Neigung zum Frieden diktiert haben. Von den Schweden brachte Rheiner auch nicht mehr als freundliches Entgegenkommen. Sie erklärten gleichfalls, Vollmachten zur Unterhandlung über den Frieden von ihrer Regierung nicht erhalten zu haben, wenn sie auch versicherten, daß die Krone einen angängigen Frieden nicht ausschlagen werde. 3 ) Das Schlimmste aber war, daß die Annahme


1) Beweis dafür ist ein bei den Akten befindlicher halber Bogen ohne Namen und Datum, auf dem die Gründe für und wider dargelegt sind. Im Folgenden ist der Inhalt kurz wiedergegeben.
2) Diese Erwägung hat sich im westfälischen Frieden als nur zu wahr bewiesen.
3) Baner selbst scheint kaum recht an erfolgreiche Friedensverhandlungen mit dem Kaiser geglaubt zu haben. Vgl. R. A. O., B. VI, p. 489 u. 514 f.
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eines dem Feinde auch nur unnachteiligen Friedens von Österreich nicht erwartet werden konnte. Denn man kannte die Politik des Wiener Hofes.

Diese und andere Erwägungen hielten den Herzog Adolf Friedrich von der Annahme der Vermittlerrolle zurück. Er schrieb an Gallas vorsichtig und ausweichend. Aber noch an dem selben Tage, am 18. September 1637, hat er sich zum Zeichen, wie sehr ihn der Plan wieder anregte, an die beiden Bevollmächtigten Schwedens auf deutschem Boden, an Steno Bielke, den Gouverneur in Alt=Stettin, und an Joh. Adler Salvius in Hamburg gewandt und angefragt, ob Schweden ernstlich geneigt sei, die Hand zum Frieden zu bieten. Salvius antwortete umgehend. Er schickte zum Beweise, daß es Schweden Ernst mit seinen Verhandlungen sei, seine Vollmacht ein. 1 ) Zugleich aber stellte er als Vorbedingung für die Verhandlung an den Herzog das Ansinnen, den Kaiser dahin zu bringen, daß er einen Spezialgesandten mit unzweifelhafter Machtbefugnis und klarer Instruktion zu diesem Zwecke abfertige, da sonst aller Zeit= und Kostenaufwand vergeblich bleiben werde.

Während die im Auftrage Brandenburgs von dem Markgrafen Sigismund geführten Verhandlungen ohne Aussicht auf Erfolg blieben, trat Adolf Friedrich nun in ein Unternehmen ein, dem seine Person in der Tat eine gewisse Bürgschaft auf glücklichen Ausgang zu gewähren schien. 2 ) Denn eine schnelle


1) Auszug aus der Vollmacht des Salvius, gegeben in Stockholm 24. April 1637. - ". . . . In mandatis propterea dedimus ac commisimus, sicuti et vigore harum in mandatis damus ac committimus Nostro consiliario . . . .Dn. Joh. Salvio . . ., eique plenam ac tantae rei sufficentem potestatem tribuimus, ut si aliqua occasio cum Caesarea Maiestate Eius tractandi offeratur, eam nomine Nostro decenter acceptet; et iis, quos Caes. Maiestas Sua ad hanc rem legitimis ac sufficientibus mandatis ac plenipotentia instructos constituit aut imposterum constituere poterit, commissariis, vel ipse, vel per subdelegatos suos congrediatur, tractet, agat ac statuat de viis, mediis ac conditionibus omnibus quibus propositus utrinque scopus, amicitiae nimirum ac pacis redintegratio obtineri ac stabiliri possit. Quidquid igitur dictus legatus Noster cum alterius partis commissariis aut eorum subdelegatis in hunc finem sive per se, sive per suos subdelegatos tractaverit, egerit et statuerit, id Nos omni meliori modo ratum gratumque habituras vigore Eorum Regia ac inviolabili fide promittimus . . . . ."
2) Salvius an Herzog Adolf Friedrich, 23. September 1637: "Markgraf Sigismund, f. Gn., haben zwar eine Vollmacht, aber nur ad praeparatiora und doch darin nicht weiter als ad locum et tempus.
(  ...  )
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Beendigung des Krieges war seit langem das dringendste Bedürfnis für Mecklenburg, das nur im Frieden wieder erträgliche wirtschaftliche Zustände gewinnen konnte. Des Herzogs eigenstes Interesse forderte den Friedensschluß. Hintergedanken waren von ihm nicht zu befürchten. Und indem man seine Person als Vermittler wählte, vermied man den leidigen Aufschub und die Gefahr, wie sich das eben bei dem brandenburgischen Vermittelungsversuche gezeigt hatte, in den Vorbereitungen stecken zu bleiben. Da man von den früher erwähnten Verhandlungen, die Adolf Friedrich im Jahre 1635 wegen einer Vermittelung zwischen Schweden und Sachsen geführt hatte, ausging, und die Punkte, über die damals schon eine Einigung erzielt worden war, als erledigt betrachtete, so war man eigentlich schon mit Hülfe des Herzogs beim Beginn über die Hälfte des schwierigen Weges dem Ziele nahe. Denn man konnte sogleich in die Beratung über die drei Hauptpunkte eintreten, die, bisher unerledigt, in der Satisfaktion Schwedens, der Befriedigung der Soldateska und einer allgemeinen Amnestie bestanden. Wiederholt ließ auch in der nächsten Zeit die schwedische Regierung dem Herzog versichern, daß ihr niemand lieber zur Anknüpfung der Friedensverhandlungen sei als gerade er. 1 ) Noch Mitte Mai 1638 wurde zum Beispiel von schwedischer Seite versichert, daß, ob auch Dänemark und Venedig sich als Vermittler angeboten hätten und angenommen worden seien, man in Schweden den mecklenburgischen Herzog doch gern dabei behalten möchte, da er früher im Jahre 1635 "das Fundament gefaßt habe und der Sachen zum Besten kundig sei." 2 ) Es ist daher, auch ohne Berücksichtigung ähnlicher Versicherungen des Kaisers, nicht richtig, wenn Odhner sagt: 3 ) "Unter allen Friedensvermittlern, die zu Ende des Jahres 1636 ihre Dienste anboten, begegnete die schwedische Regierung keinem mit größerem Vertrauen als dem Herzog August von Braunschweig=Lüneburg. 4 )


(  ...  ) Was nun damit in 6 Monaten hero vor edele Zeit vergebens zugebracht worden, ist E. f. Gn. nicht unbekannt. Wir hoffen also wenig gutes mehr von dannen."
1) Salvius an den Herzog am 24. Jan./3. Febr. 1638, am 30. März/9. April 1638, Relation zur Neddens am 18./28. Mai 1638 A. F.
2) Nach der erw. Relation zur Neddens, 18./28. Mai 1638.
3) a. a. O. p. 55.
4) Durch die völlige Unkenntnis dieser zweiten wichtigen Teilnahme Adolf Friedrichs an der Friedenspolitik wird Odhners lichtvolle Darstellung teilweise (p. 55 ff.) unklar und schief, wenn er auch die Wirksamkeit der Herzöge von Sachsen=Lauenburg betont, die neben der mecklenburgischen verläuft und sie überdauert.
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Im Interesse seiner Vermittelung sandte der Herzog Adolf Friedrich den Regierungsrat Hartwig von Passow und den Kanzler Cothmann in den ersten Tagen des November 1637 an Gallas. Die Folge war, daß der kriegsmüde General einen höheren Offizier mit dem mecklenburgischen Vermittelungsvorschlage nach Wien schickte, um den Kaiser für ihn zu gewinnen. Und als bald darauf die Nachricht kam, daß der Reichsvizekanzler Dr. Graf Kurtz nach Norden unterwegs sei, da war das wohl die beste Unterstützung, die Adolf Friedrich im Augenblicke seiner Sache wünschen konnte. Alle Welt verfolgte diese Reise, die schnell auch in Frankreich, England und Holland bekannt wurde, mit der größten Spannung. Das Gerücht ging, Graf Kurtz sei zu Friedensunterhandlungen abgesandt worden. Niemand wußte freilich etwas Bestimmtes über seine Sendung. Aber der Herzog glaubte, jener sei vom Kaiser hauptsächlich an ihn abgefertigt. 1 )

Inzwischen wurden diese kaum angebahnten Unterhandlungen durch den drohenden Abschluß eines neuen französisch=schwedischen Bündnisses schwer gefährdet. Der schwedische Reichskanzler war im Jahre 1636 zu Wismar mit dem Franzosen St. Chaumont über ein Bündnis einig geworden, dem er jedoch aus klugen, politischen Gründen bisher die schriftliche Bestätigung vorenthalten hatte. 2 ) Einige Wochen vor dem Auftauchen des mecklenburgischen Projektes nun war Salvius aus Schweden die Ratifikation gesandt worden mit dem Befehl, sie dem französischen Gesandten in Hamburg Grafen d'Avaux "in Gottes Namen" auszuliefern, weil man sie ein und ein halbes Jahr vergeblich zurückgehalten habe. Wohl waren noch einige Einwürfe zu erledigen gewesen, aber jetzt mußte die letzte Erklärung der beiden Kronen täglich erfolgen. Von der Auslieferung des Ratifikationsinstrumentes aber hing es ab, ob Frankreich und Schweden fortan gemeinsam oder getrennt verhandeln würden. Im ersteren Falle war Adolf


1) Im Postscr. lit. Adolf Friedrichs vom 27. November 1637: "Kais. Majestät hat einen eigenen Legatum, den H. Gr. Kurtz zu Beförderung der Friedenstraktaten von dero Hof abgeschickt, welcher in gar kurzem zu uns gelangen wird."
2) Oxenstierna hatte sich (1636) bewegen lassen, in Wismar einen neuen Bundesvertrag mit Frankreich zu schließen. Dieser Traktat wurde jedoch so wenig als der in Compiègne 1635 verabredete von der Regierung ratifiziert; der Kanzler wollte nämlich durch diese Verträge dem Feinde zeigen, daß die alte Freundschaft zwischen Schweden und Frankreich noch ungeschwächt bestünde, aber er wollte nicht, daß Schweden sich definitiv mit Frankreich verbände, ehe jede Aussicht auf einen vorteilhaften Separatfrieden dahin wäre.
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Friedrichs Vermittelung und überhaupt die Hoffnung auf schnelle Beendigung des Krieges als gescheitert anzusehen.

Wenn Salvius als Trost dagegen geltend machte, daß diese Verbindung zweier Großmächte die Gegenpartei nur um so schleuniger zum Frieden treiben werde, so wußte dieser scharfblickende Mann wohl selbst am besten, daß das nichts als eine diplomatische Phrase war. Der Schweriner Herzog drang dagegen eifrig in Salvius, die Ratifikation zurückzuhalten und ließ zugleich durch den schwedischen Rat und Hofmarschall Ad. Heinrich Pentz neue Friedensvorschläge an Axel Oxenstierna gelangen. Er wies insbesondere Salvius darauf hin, daß Gallas wegen der Schweriner Vermittelung nach Wien gesandt habe, und bat, diese neue, erfolgversprechende Möglichkeit der Übereinkunft der schwedischen Reichsregierung zu berichten. Salvius fand des Herzogs Gründe so durchschlagend, daß er fürs erste von der Aushändigung der Ratifikationsurkunde Abstand nahm und, wie erwähnt, seine Vollmacht an den Herzog sandte, um zu erkennen zu geben, daß er allein imstande sei, falls es zu Verhandlungen käme, für seine Regierung den Frieden abzuschließen. Als nun die Reise des Reichsvizekanzlers von Wien nach Norden bekannt wurde, ohne daß der Schleier über ihren Zweck und ihr Ziel sich lüftete, gelangte auch er zu der Überzeugung, daß es den Kaiserlichen dieses mal mit dem Frieden ernst sei. Er hielt es nun ebenfalls für das beste, wenn Graf Kurtz ankäme, unter mecklenburgischer Vermittelung unmittelbar mit dem kaiserlichen Vizekanzler zu verhandeln und abzuschließen. Als Ort schlug er Lübeck vor. So wurde den Franzosen, deren Interessen zu vertreten das nordische Reich bis zu allerletzt nicht die geringste Lust hatte, noch im letzten Augenblick von den Schweden gezeigt, daß man auch ohne sie zum Frieden mit dem Kaiser gelangen könne. Aber Eile tat not. Salvius wurde von allen Seiten, nicht nur von Frankreich, zur Auslieferung des Ratifikationsinstruments gedrängt. Immer größere Versprechungen machte ihm d'Avaux, nur um das Bündnis zum Abschluß zu bringen. Salvius geriet in eine schwierige Lage. Er legte daher dem Herzog nahe, durch einen Kurier den Grafen Kurtz um Beschleunigung seiner Reise bitten zu lassen.

Die fürstlichen Räte in Güstrow fanden das bedenklich. Sie machten mit Recht darauf aufmerksam, daß man noch gar nicht sicher wisse, ob Kurtz mit einem Auftrage nach Mecklenburg kommen werde. Diese Männer bewiesen also eine größere Ruhe und Besonnenheit als der schwedische Diplomat. Als Adolf

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Friedrich im Einverständnisse mit ihnen wenigstens bei Gallas anfragte, wohin sich Kurtz begeben werde, erhielt er die lakonische Antwort, der Reichsvizekanzler sei in Berlin, und ob er ins Lager komme, sei noch zweifelhaft. Tags darauf (18./28. Dezember 1637) freilich kam dann doch aus dem kaiserlichen Hauptquartier, damals bei Loitz, die Nachricht, daß Graf Kurtz dort eingetroffen sei. Der Herzog nahm das für ein günstiges Zeichen. Sogleich sandte er in das kaiserliche Lager und beeilte sich, Salvius von dieser Sendung in Kenntnis zu setzen.

Dieser trieb nur immer zur Eile an und bat zugleich, wenn etwas aus dem mecklenburgischen Plane werden solle, Hamburg statt Lübeck als Ort der Verhandlung zu wählen. Er fügte hinzu, ein Bürger der Stadt halte für Kurtz schon eine passende Wohnung bereit. Zunächst aber solle jener seine Vollmacht vorweisen. 1 )

Um einen Druck auf den kaiserlichen Gesandten auszuüben und ihn zu rascherem Eintritt in die Verhandlung zu veranlassen, appellierte jetzt Adolf Friedrich bei Gallas und dem Reichsvizekanzler nicht mehr, wie früher, nur an die kaiserliche Friedenssehnsucht, sondern faßte dort an, wo er allein auf Empfindlichkeit und Empfänglichkeit stoßen konnte: Er wies auf die bevorstehende französisch=schwedische Allianz und auf ein damals schwebendes weiteres Bündnisprojekt zwischen Schweden, Frankreich, England und Holland hin. Aber alles war umsonst. Die vom Grafen Kurtz den mecklenburgischen Gesandten erteilte Antwort, die in den Akten nicht enthalten ist, muß nichtssagend gewesen sein. Sie bezeichnen sie als zu allgemein und zu unbestimmt gehalten. Und bald danach ging der Reichsvizekanzler, von dem man so viel erwartet, dessen Bewegungen Furcht und Hoffnungen begleitet hatten, zurück, ohne ein Wort vom Frieden gesprochen zu haben. 2 ) Übrigens schrieb Salvius


1) Seine Schreiben, die die Lage besonders klar erkennen lassen, siehe im Anhange I.
2) Bei Ohdner findet sich, wie gesagt, von dem allen keine Spur. Er scheint die erste Reise des Grafen Kurtz garnicht zu kennen, sonst hätte er sie nicht übergangen, zumal auch Pufendorf sie bespricht. (Vgl. Pufendorf IX, § 62.) Dort erfahren wir einiges über die Mission des Grafen. Er sollte Winterquartiere besorgen. Was er weiter bei Kurbrandenburg wollte, wissen wir nicht. - Salvius schreibt an den Herzog am 21./31. Januar 1638: "Von Graf Kurtzen Commission ist nicht allein das ganze Reich, sondern auch alle umliegende Königreiche vollgewesen Jetzt ist er davon nach Wien, da er herkommen, und hat nicht ein Wort vom Frieden, sondern nur wie hiesige evangelische Stände je länger
(  ...  )
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später 1 ) die Schuld daran, daß diese erste Reise des Grafen Kurtz, der schon damals, wie alle Welt wisse, Vollmacht gehabt habe, vergeblich, ja "ohne jeden Anfang" gewesen sei, der "Schulfuchserei" des brandenburgischen Grafen Schwarzenberg zu, der den kaiserlichen Reichsvizekanzler von "seiner guten Intention" mit dem Vorgeben abgebracht habe, man brauche keinen Frieden mit Schweden, da man sie schon im Sack habe!

Daß Schweden seit langem nicht mehr viel Hoffnung auf die habsburgische Friedensfreudigkeit setzte, haben wir gesehen. Es hatte sich entschlossen, die Ratifikation übergeben zu lassen, und war wohl dem Zögern seines Gesandten deshalb noch nicht entgegengetreten, weil es noch günstigere Bedingungen von Frankreich erpressen zu können hoffte, und weil es die äußerste Gelegenheit, einen Separatfrieden mit Österreich zu erreichen, nicht unversucht lassen wollte. 2 )

Jetzt mußten diese Rücksichten fallen. Man konnte nach der Haltung, die der Gegner eingenommen hatte, nicht mehr an Österreichs Ernst zum Frieden glauben. Von Frankreich hatte man, was man erhalten konnte. Den Bogen nutzlos zu überspannen, wäre eine Torheit gewesen, die sich Schwedens Lenker und Vertreter damals nicht zu schulden kommen ließen. Bisher hatte Salvius immer wieder durch Erhebung von allerhand Schwierigkeiten sowohl bei der Regierung in Schweden als beim französischen Gesandten in Hamburg nicht ohne Mühe die Auslieferung der Ratifikation aufgeschoben in der unzweifelhaften Hoffnung, die Gegenpartei werde endlich ernst machen und die Hand zum Frieden bieten. In dieser Hoffnung war Salvius von verschiedener Seite hohen Orts bestärkt worden. Die Tatsache, daß aber nun seit so langer Zeit keine befriedigende Erklärung des Kaisers erfolgt war, hatte die Reichsregierung in dem lange gehegten Verdacht bestärkt, daß die Wiener Politik nur dahin strebe, Zeit zu gewinnen und Frankreich und Schweden auseinanderzuhalten. So war denn der Entschluß gereift, die Ratifikation nun endlich auszuliefern und die lange umgangene Verbindung mit Paris herzustellen. 3 ) Gleichwohl wollte Salvius bis zum letzten Augenblick versuchen, zu einem Separatfrieden mit dem


(  ...  ) je mehr durch den Krieg und Armeen verheert und verdorben werden sollen, mitgebracht" . . . (Letzteres bezieht sich auf das, was Kurtz für die Winterquartiere anzuordnen hatte.)
1) Relation zur Neddens, Mai 1638. A. F.
2) Vgl. Odhner a. a. O. p. 57, Anmerkung.
3) Salvius an den Herzog 5./15. Dezember 1637. A. F.
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Kaiser zu gelangen. Er trieb und drängte den Mecklenburger, wie er nur konnte, zur Vermittelung, wobei er immer wieder sich anheischig machte, die Ratifikation ferner zurückzuhalten, vorausgesetzt, daß jener bald von der anderen Seite in den noch unerörterten drei Hauptpunkten Schwedens Entgegenkommen erlangen werde. 1 ) Adolf Friedrich sandte noch einmal von Passow und Cothmann an Gallas, der bei Sternberg stand, und ließ ihm melden, daß das neue Bündnis zwischen Schweden und Frankreich, das man vermeiden wollte, nun in Hamburg ratifiziert werden müsse, falls sich nicht ungesäumt ein kaiserlicher Bevollmächtigter mit annehmbaren Bedingungen zeige. Gallas, der genügend Vollmacht zum Verhandeln zu haben behauptete, sandte alsbald den kaiserlichen Generalquartiermeister Hubalt Ruck nach Schwerin. Dieser begann denn auch im Namen des Feldmarschalls, aber ohne Beglaubigung, am 27. und 29. Januar 1638 Verhandlungen mit dem Herzoge. Gallas wünschte zunächst die Spezialvollmacht Salvius' einzusehen; Adolf Friedrich hoffte sie zu erhalten und versprach, sie dann ins Lager zu schicken. 2 ) Dagegen ließ er nun auch ernstlich durch Ulrich Pentz bei dem kaiserlichen General um Mitteilung der seinigen anhalten, um endlich in die Verhandlungen eintreten zu können. Zugleich wurde für Salvius ein Sicherheitsbrief erbeten, während an von Passow und Cothmann der Befehl erging, sich mit allen einschlägigen Akten in Schwerin einzustellen. Der Herzog hoffte wohl, Salvius noch dazu zu bewegen, sich in die Nähe Schwerins zu begeben. Die Antwort, die Pentz zurückbrachte, die auch von Ruck speziell mündlich wiederholt wurde, lautete recht verheißungsvoll. Gallas habe in der Friedensangelegenheit noch einmal eine eilige Post an Ferdinand III. gesandt, worauf in zwölf Tagen Antwort ein=


1) "Da aber E. f. Gn. einige mehre Versicherung vom Gegenteil wußten und getraueten sich, das Werk zu einer eilfertigen Resolution . . . zu bringen, daß man daraus sähe, daß mit Bestand darauf zu bauen wäre, so wollte ich mich noch einmal, Gott gebe, was ich darüber hazardieren sollte, unterwinden, einen Einwurf in die Allianztraktaten zu finden, daß sie annoch eine Weil aufgezogen werden möchten." A. F. a. a. O.
2) Salvius hatte am 13. Sept. 1637 neue Vollmacht und Instruktion erhalten. Vgl. Odhner, a. a. O. p. 56 und 57 Anmerk. Vgl. auch den Eingang des im Anhang abgedruckten Schreibens des Legaten vom 2./12. Dez., wo es heißt: "Ich habe noch eine ganz vollkommene, untadelhafte Vollmacht auf mich allein gerichtet . . ." Wenn also Pufendorf a. a. O. IX § 62 sagt: "Solche (d. h. unmittelbare) Traktaten könnte zwar Oxenstierna eingehen, der keinen unbeschränkten Befehl hatte, Salvius aber war an seine Ordre gebunden und durfte solches vor sich, nicht wagen" . . . so ist das, wie die Tatsachen beweisen, nur Kombination.
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treffen müsse. Man erwartete im Lager jetzt allen Ernstes von Wien Vollmacht zur Verhandlung auf Grund von Bedingungen, die für Schweden annehmbar waren. War man doch im österreichischen Lager des Treibens herzlich müde. Nur seine Spezialvollmacht sollte Salvius vorzeigen; Gallas wollte dann gern auch eine beglaubigte Abschrift der kaiserlichen Vollmacht mitteilen. 1 )

Inzwischen hatten auch die Herzöge von Lauenburg eine Vermittelung zwischen den streitenden Mächten versucht. 2 ) Herzog Franz Albrecht hatte im Frühjahr 1637 die Überzeugung gewonnen, daß der Kaiser zum Frieden neige und sich auf annehmbare Friedensbedingungen einlassen werde. Er begab sich daher nach Hamburg und begann Verhandlungen mit Salvius und dem Franzosen St. Chaumont, deren Haltung ihn in seiner Hoffnung bestärkte. Von da reiste er sodann selbst nach Wien. Daraus, daß er dort nichts erreichte, geht durchaus nicht hervor, daß man in Wien den Frieden nicht wünschte, zumal seine Brüder später erfolgreicher waren. Vielmehr liegt die Annahme nahe, daß man seine Person nicht ernst nahm und das deutlich zu verstehen gegeben hat.

Als er zurückkam, erhielt Salvius statt der erwarteten kaiserlichen Bedingungen einen Entschuldigungsbrief, in dem der Herzog erklärte, daß er die Vermittelung aufgegeben habe. Sie wurde aber von seinen Brüdern Julius und Franz Karl, unterstützt durch ihren eifrigen Rat Dr. H. Mithoff, im August 1637 wieder aufgenommen. Als diese sich an Salvius mit der Bitte wandten, seine Vollmacht einsehen zu dürfen, gab er diese zwar nicht heraus, aber er legte ihnen die in Berlin gedruckte Vollmacht Bielke's vor und gab ihnen genau an, worin die seinige von jener abwich, so daß die Herzöge über deren Inhalt nicht im Zweifel sein konnten. Überdies waren inzwischen die von Axel Oxenstierna mit Adolf Friedrich von Mecklenburg gepflogenen Verhandlungen von 1635 veröffentlicht worden. Aus ihnen konnten die Lauenburger die Bedingungen ersehen, ohne deren Erfüllung die Schweden sich nicht zu einem Frieden verstehen wollten.

Im Verlaufe der Verhandlungen, die nun die lauenburgischen Herzöge anknüpften, setzte Mithoff eine Schrift auf, deren Vor=


1) Salvius trug nach seinem Schreiben an den Herzog vom 24. Jan. 1638 kein Bedenken, die seinige auszuantworten, wenn er die kaiserliche dagegen sehen werde.
2) Wir folgen unabhängig von Odhner (a. a. O. p. 55 ff.) ganz der Darstellung, die Salvius in dem Schreiben vom 24. Januar 1638 davon gibt. Über Mithoff u. Franz Alb. vgl. Baner R. A. O., B. VI, 514.
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schläge nach Ansicht der Herzöge geeignet waren, einen Vergleich zwischen Schweden und Österreich zu stande kommen zu lassen. Sie wurde an Salvius gesandt, der sie wohl las, aber eine Antwort bis zur Anknüpfung der definitiven Unterhandlungen der beiden Mächte sich vorbehielt. Auf diese Unterhandlungen arbeiteten Anfang 1638 Mithoff und die beiden Herzöge in Wien mit allem Eifer hin.

Während in solcher Weise Adolf Friedrich von Mecklenburg und die sachsen=lauenburgischen Herzöge getrennt von einander die Friedensunterhandlungen in Gang zu bringen sich bemühten, war am 27. Januar 1638 der königlich schwedische Sekretär Schmaltz in Hamburg mit dem ausdrücklichen Befehl an Salvius eingetroffen, das Ratifikationsinstrument des französisch=schwedischen Bündnisses auszuliefern. Salvius konnte nicht wohl länger zögern. Noch am 12./22. Februar 1638 hatte er an Adolf Friedrich berichtet, daß er durch allerhand Verhandlungen mit dem französischen Gesandten die Aushändigung jenes Instruments verzögert habe.

"Weil aber von Friedenstraktaten noch nirgends etwas einkommt", schrieb er jetzt, "so besorge ich mich nicht unbillig, ich werde als ein Diener kein kgl. Befehl länger übersitzen können, sondern endlich demselben zu Folge gemelte Ratifikation notwendig ausliefern müssen."

Auf der Gegenpartei hat man sich diese Gelegenheit, die letzte, die sich bot, unter Vermeidung des französisch=schwedischen Bündnisses einen Separatfrieden mit Schweden zu schließen, entgehen lassen. Wer weiß, ob man sie nicht mit Absicht verpaßt hat! Denn Graf Kurtz, der nun zum zweiten Male nach Norddeutschland kam, ging bald zu Verhandlungen nach Dänemark, und wir wissen, daß Christian IV. sich dem Kaiser schriftlich verpflichtet hatte, "wenn Schweden seine angebotene Vermittelung und den Frieden nicht annähme, seine Waffen mit denen des Kaisers zu vereinigen. 1 ) Nimmt man hinzu, daß in Wien die Politik nach der augenblicklichen Kriegslage täglich wechselte, und daß das Jahr 1637 auf dem Felde für die Kaiserlichen Erfolge gebracht hatte, so ist bei dem Laufe der oben dargestellten Vermittelungsversuche, bei der unzweideutigen Aufrichtigkeit Schwedens in dieser Beziehung der Gedanke naheliegend, daß Habsburg dahin neigte, Christian IV. beim Wort zu nehmen und den Weg des Friedens ganz wieder zu verlassen. Indessen ist eine Ent=


1) Vgl. Odhner a. a. O. p. 58 und Anm. daselbst.
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scheidung hier unmöglich, und immerhin könnte richtiger sein, was Odhner meint, daß Kurtz den Auftrag hatte, entweder Separatfrieden zu schließen oder die niedersächsischen Stände und Christian IV. zum Bündnis mit dem Kaiser zu bewegen.

Wenn am 18./28. Februar 1638 von dem mecklenburgischen Gesandten 1 ) aus Wien die Nachricht eintraf, daß Graf Kurtz und Herzog Franz Karl zu Sachsen=Lauenburg nach Norden unterwegs seien "mit vollkommener Vollmacht, den Frieden abzuschließen", wenn Gallas, von Adolf Friedrich nochmals zur Eile angetrieben, endlich am 21. Februar/3. März mit der frohen Botschaft aufwarten konnte, daß Franz Karl mit kaiserlicher Resolution bereits bei Salvius eingetroffen sei, dem der Reichsvizekanzler mit Vollmacht folge, so läßt sich nicht mehr entscheiden, ob darin wirklich ein ernster Gesinnungsumschwung des Kaisers zu sehen war, oder ob es sich nur darum handelte, den Abschluß zwischen Schweden und Frankreich aufzuhalten. Denn am 24. Februar/6. März 1638 wurde mit der Übergabe der Ratifikation in Hamburg der Bündnisvertrag zwischen Frankreich und Schweden abgeschlossen, der "ein diplomatisches Meisterstück von Salvius und d'Avaux", obgleich nur für drei Jahre bindend, den Grund zu dem engen Bunde legte, der seitdem bis zum Ende des Krieges Schweden und Frankreich vereinigte. Dieser Vertrag, "der außer der Bestätigung des Wismarschen Traktates von 1636 verschiedene neue Artikel enthielt, wurde ein Programm für die gemeinsame Politik der beiden Mächte in Deutschland." 2 ) Die Wahrheit dieser Worte Odhners lehrt die Folgezeit bis zum endlichen Frieden! Aber wenn derselbe Verfasser kurz vorher von Salvius sagt, er habe von Frankreich "durch Vorspiegelung eines Separatfriedens" mit dem Kaiser die günstigsten Bedingungen zu erreichen gewußt, so irrt er. Ohdner sah ganz richtig das auffallende Zögern des schwedischen Vertreters; da er aber von den Vermittelungsversuchen, die Mecklenburg in jenen Tagen machte, keine Kenntnis hatte, so hielt er jenes Zögern des schwedischen Gesandten, obwohl er den Ernst der schwedischen Friedenslieben betonte, lediglich für einen diplomatischen Schachzug und geriet dadurch mit sich selbst in Widerspruch. Unrichtig ist auch seine Darlegung, wenn er nach der Erzählung des Bündnisses, auf die Rückkehr der Lüneburger überleitend, schreibt:


1) Es ist wohl von Rohr gemeint, der im November 1637 dorthin gesandt wurde (vgl. Kapitel 4, Seite 64) und dort Anfang 1639 starb.
2) Odhner, a. a. O. p. 57.
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"Indessen hörten die separaten Friedensverhandlungen darum nicht auf. Gerade zu der Zeit, wo der Traktat mit Frankreich abgeschlossen wurde, kamen die lauenburgischen Herzöge und Mithoff von Wien nach Hamburg zurück, nachdem sie den Auftrag des Kaisers, mit Salvius zu unterhandeln, bekommen hatten."

Die Tatsachen stellen sich, wie wir sehen, anders. Franz Karl von Lauenburg ist vor der erfolgten Ratifikation am 24. Februar/6. März in Hamburg eingetroffen, und sodann hängt seine wie Kurtz'ens und der übrigen Ankunft von Wien sicherlich mit jener zweiten eiligen Post, die Gallas der Friedensunterhandlungen wegen an den kaiserlichen Hof abgehen ließ, zusammen.

Weiteres läßt sich nicht mit Sicherheit erkennen.

Aber wenn der Lauenburger wirklich, wie Gallas sagt, schon am 21. in Hamburg war, also drei Tage vor der bedeutungsvollen Stunde des Bündnisschlusses, so wird die von ihm mitgebrachte schriftliche Erklärung des Kaisers wohl nicht viel deutlicher und besser gewesen sein als alle früheren, die bisher in dieser Beziehung von Wien abgegangen waren. Hätte der Kaiser ernstlich jene Friedensliebe bekundet, so hätte Salvius unzweifelhaft auch jetzt noch das Ratifikationsinstrument der Allianz mit Frankreich in der Tasche behalten. "Nur mit Widerwillen entschloß sich die schwedische Regierung, diesen Schritt zu tun, denn abgesehen davon, daß er Schweden an einem Separatfrieden verhinderte, machte er dessen Politik und Absichten bei den deutschen Ständen verdächtig. Schweden hatte bis jetzt nur einigen Ersatz für seine Aufopferung verlangt, nun aber sollte es zugleich die Interessen Frankreichs, die offenbar auf Eroberungen hinausliefen, befördern." 1 )

Klarer als Odhner es hier ausspricht, lassen sich die in der schwedischen politischen Tendenz wurzelnden Gründe für unsere Darstellung gar nicht zusammenfassen! -

Der neue mecklenburgische Versuch, zu vermitteln, war auch diesmal vergeblich geblieben. Man hatte ihn ernst genommen, man war vor allem von schwedischer Seite auf die Unterhandlung eingegangen, aber an dem Hochmute Habsburgs, das sich zu einem redlichen Friedensschluß nicht entschließen konnte, war er gescheitert. Wenn Salvius am 9. März 1638 dem Herzoge brieflich anheimgab, die schwedische Regierung noch einmal zu einer unmittelbaren Unterhandlung mit dem nun in der Nähe befindlichen Grafen


1) Odhner a. a. O. p. 56.
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Kurtz "eilends" aufzufordern, da die Ratifikation des in Hamburg am 6. März zwischen Frankreich und Schweden geschehenen Schlusses: nicht anders als gemeinsam zu traktieren, noch auf zwei Monate aufgeschoben worden sei, so war das nur ein höfliches Trosteswort für die vergebens angewandte Mühe. So hat es der Herzog auch aufgefaßt. Jener Vorschlag ist von ihm nicht berücksichtigt worden. Anders lag die Sache mit einem kaiserlichen Schreiben, das am 20./30. März in Schwerin anlangte und am 5. März, also einen Tag vor dem Hamburger Vertrag zwischen Schweden und Frankreich, aus Preßburg abgesandt worden war. Hierin wurde Adolf Friedrich mitgeteilt, daß kürzlich eine aussichtsvolle "Eröffnung" zu ernsten Verhandlungen zwischen Habsburg und Schweden erreicht worden sei, bei denen Mecklenburg sich gefallen lassen möge, seine erprobten Dienste zu leisten. Zum Verständnis dieses Briefes mag dienen, daß er an den bisher dargestellten mecklenburgischen Vermittelungsversuch, also an die letzte eilige Post Gallas', anknüpft, da Ferdinand III. sein Wohlwollen für Adolf Friedrichs bisherige Arbeit ausspricht, zweitens daß er mit jener "Apertur" unzweifelhaft auf die lauenburgischen Bemühungen in Wien hinweist, und daß er am Tage vor dem Abschlusse der drohenden schwedisch=französischen Allianz, also ohne Kenntnis von ihr, verfaßt wurde.

Seine tatsächliche Bedeutung sinkt damit erheblich. Von Schwedens Teilnahme an den Verhandlungen war nicht mehr die Rede. Und auf den guten Willen dieser Macht kam es doch vor allem an, sollte der Abschluß eines unmittelbaren Friedens zustande kommen. Herzog Adolf Friedrich hat in seinen optimistischen Friedenshoffnungen diesen Gedanken nicht aufkommen lassen und die kaiserliche Aufforderung zur Vermittelung höher bewertet, als sie verdiente. Noch am Tage, da er das Schreiben erhielt, trug er in sein Tagebuch die Bemerkung ein: "Habe ein Schreiben von seiner kaiserlichen Majestät empfangen, darin sie mir gnädigst aufgetragen, daß ich wegen des Friedens mit der Krone Schweden traktieren soll." 1 ) Man hat aus dieser Notiz den Schluß gezogen, der Kaiser habe "am 5. März 1638 in einem eigenhändigen Brief dem Herzog Adolf Friedrich den Auftrag erteilt, wegen des Friedens mit der Krone Schweden zu traktieren." 2 )


1) von Lützow, Beitrag zur Charakteristik des Herzogs Adolf Friedrich von Mecklenburg=Schwerin. Jbb. XII p. 106.
2) Raabe, Mecklenburgische Vaterlandskunde 2. A. III, Abriß der mecklenburgischen Geschichte, p. 316. Der Verf. hat den wahren Sachverhalt nicht durchschaut, da er die Akten nicht kannte und nur scheinbar unzweideutigen Wortlaut der Tagebuchstelle benutzte.
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Mit Unrecht. Der Kaiser, der noch keine Kenntnis davon hatte, daß die Allianz bereits abgeschlossen worden sei, versuchte lediglich durch den Schein, als sei er bereit, mit Schweden Friedensverhandlungen anzuknüpfen, die beiden Mächte auseinander zu halten.

Wenn man sich um die Vermittelung gerade an den Mecklenburger wandte, so geschah dies, weil er wegen seiner Bemühungen, das Friedenswerk zu fördern, sich bereits einen Namen gemacht hatte, und weil seine Wahl den Schweden eine gewisse Bürgschaft zu geben schien, daß es sich nicht blos um einen diplomatischen Winkelzug handele.

Herzog Adolf Friedrich war in seiner Friedenssehnsucht nur zu sehr geneigt, an redliche Absichten des Wiener Hofes zu glauben Noch einmal schien sich ihm die Gelegenheit zu bieten, durch die Übernahme der Vermittelung seinem schwergeprüften Lande Frieden und damit die Rettung aus dem Verderben zu bringen.

Ohne das Spiel des Wiener Hofes zu durchschauen, nahm er in seinem naiven Optimismus den Brief wie er war, besser gesagt, wie er klang, und übertrieb zudem die Bedeutung der ihm in demselben zugedachten Rolle in seiner Einbildungskraft, wie der Vergleich des Eintrags in sein Tagebuch mit dem Hauptinhalt des kaiserlichen Schreibens erkennen läßt. Er überlegte nicht, daß das französisch=schwedische Bündnis inzwischen geschlossen worden war, sondern er verließ sich einfach auf die Worte des römischen Kaisers, die eine glückverheißende "Friedensapertur" verkündeten und baute darauf neue Hoffnungen. Alsbald wandte er sich unter Mitteilung des kaiserlichen Antrags an die Güstrower Regierungsräte, deren Rat er in allen wichtigen Angelegenheiten anzuhören pflegte, und forderte von ihnen ein Gutachten über die Frage, ob und wie weit Mecklenburg die Vermittelung des Friedens weiter übernehmen solle und könne. Die Räte mahnten zur Vorsicht. Zunächst müsse man abwarten, was die Geschäftsträger des Kaisers ihm des weiteren für Eröffnungen machen würden. Im übrigen schlugen sie vor, inzwischen General Gallas brieflich auszuholen. Vielleicht daß man über jene kaiserliche "Apertur" Aufklärung erhalten könne. Adolf Friedrich handelt in diesem Sinne.

Sobald im April 1638 die Nachricht kam, daß Graf Kurtz im kaiserlichen Hauptquartier eingetroffen sei, sandte er sogleich Ulrich von Pentz dorthin, um in der Friedensangelegenheit die Vermittelung zu übernehmen. Der Reichsvizekanzler, der jetzt zum zweiten Male im kaiserlichen Feldlager weilte, trat nun sofort

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in lebhaften Verkehr mit dem Mecklenburger. Rasch folgten einander mehrere ausführliche Schreiben. Ja es müssen bald auch persönliche Zusammenkünfte stattgefunden haben, wie aus den Akten geschlossen werden kann. Die Versprechungen des Reichsvizekanzlers, seine Zuvorkommenheit in betreff der mecklenburgischen Spezialforderungen auf Dömitz und die Boizenburger und Warnemünder Zölle haben das ihrige getan, den Herzog willfährig zu machen, wenn auch die Zukunft zeigte, wie wenig ernst sie gemeint waren, und Salvius, als zur Nedden bei ihm war, vor drohenden kaiserlichen Ränken gegen das Schweriner Fürstenhaus, wohl in etwas übertriebener Weise, zu warnen mehrfach Gelegenheit nahm. 1 ) Die Lage hatte sich im Frühjahr 1638 völlig verändert.

Bisher wollte der Kaiser den Schweden hauptsächlich aus zwei Gründen nicht entgegenkommen. Er glaubte nach der günstigen Kriegslage, wie Schwarzenberg es ja deutlich aussprach, sie "bald im Sack zu haben", und war überzeugt, daß zwischen Frankreich und Schweden ein Bund nicht zustande kommen könne. Von beidem trat das Gegenteil ein. Mit jedem Tage fast wurden die Schweden im Felde glücklicher, und der 6. März brachte das schwedisch=französische Bündnis, das bis zum Frieden nicht wieder zerriß. Sein Abschluß leitete recht eigentlich die allgemeinen Friedensverhandlungen ein. Sie begannen von jetzt ab ihren schleppenden Gang, um erst nach zehn langen Jahren ihren Abschluß zu finden.

Aber nun war es der Kaiser, der, begreiflicherweise erschreckt, die allgemeinen Unterhandlungen, die Schweden jetzt forderte, auf jede Weise zu umgehen und öffentlich wie insgeheim Sonderverhandlungen mit Schweden anzubahnen strebte. Im geheimen sollte der mecklenburgische Herzog als Vermittler dienen, öffentlich sollte Dänemark, dessen Vermittelung beiderseits endlich angenommen worden war, diese Wünsche befördern helfen.

Es ist bekannt, wie lange Schweden sich gegen eine Vermittelung des dänischen Königs, die er wiederholt dem Kaiser und Schweden hatte antragen lassen, gewehrt hat. Man kannte Christian IV. in Stockholm nur zu gut. Zuletzt aber war seine Vermittelungen nicht zu umgehen gewesen. Die lauenburgischen Bemühungen begann Schweden schon jetzt als wenig erfolgversprechend zu betrachten, wie sie denn Ende 1639 überhaupt zurückgewiesen wurden. 2 ) Dem Schweriner Herzoge hat die nordische


1) Salvius machte zur Nedden in dieser Beziehung sehr interessante Andeutungen. S. die Relation des Geheimsekretärs v. 18. Mai im Anhange II.
2) Salvius an den Herzog 30. März 9. April l638. A. F. Vgl. Odhner, a. a. O. p. 65 und Anmerkung daselbst.
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Macht, wie gesagt, in dieser Beziehung, wenigstens äußerlich, stets eine günstigere Gesinnung bewahrt.

In Ulrich Pentz's Instruktion für Kurtz und Gallas wurde dem Wiener Hof ein verspätetes Anknüpfen zum Vorwurf gemacht: Salvius habe sich auf die Mitteilung des Herzogs bedauernd geäußert, daß die sehr erwünschte Erklärung des Kaisers nicht ein oder zwei Monate früher, also vor Auslieferung der Ratifikation, eingekommen sei, da er überzeugt sei, daß man in diesem Falle schon jetzt Frieden haben würde.

Was der mecklenburgische Gesandte von dort zurückbrachte, ob er vielleicht gar von dem kaiserlichen Kanzler einen direkten Vorschlag für seinen Herrn erhalten hat, wieder Sonderverhandlungen einzufädeln und zu vermitteln, wissen wir nicht, da keine Relation über den Erfolg seiner Mission berichtet. Genug, schon am 4./14. Mai wurde der Geheimsekretär des Herzogs, Simon Gabriel zur Nedden, mit einem von den Güstrower Regierungsräten verfaßten, von Adolf Friedrich unterzeichneten Memorial an Salvius nach Hamburg abgeschickt. In ihm findet sich klar und deutlich der alte Vorschlag, unmittelbar und separat zu verhandeln, erneuert, aber mit einer Zuversicht, wie sie kaum während der hoffnungsfreudigen Tage vor Aushändigung der Ratifikation des französisch=schwedischen Bündnisses zu Tage getreten war. Forderte dieses, gemäß eines Vorschlags von Kaiser und Kurfürstenkollegium in Regensburg, gemeinsame Verhandlungen mit dem Kaiser für Schweden in Lübeck und Frankreich in Köln, so wies die mecklenburgische Note nun zur Aufdeckung der Gesinnung Frankreichs auf die Lage in Köln hin, wo der päpstliche und der kaiserliche Deputierte sich bereits seit vierzehn Monaten aufhielten, ohne daß während dieser Zeit aus Frankreich jemand sich eingestellt hätte. 1 ) Unmöglich könne sich Schweden durch die Hamburger Allianz ein= für allemal die Hände gebunden haben, gleichsam nur für das französische Interesse zu arbeiten. Jetzt sei die beste Gelegenheit einen schnellen Frieden zu erhalten, da ein kaiserlicher und ein schwedischer Gesandter, beide mit unbeschränkter Vollmacht, sich nahe beieinander befänden.

Adolf Friedrich erbot sich nochmals als Vermittler und schlug als Verhandlungsort Lübeck vor. Er war überzeugt, daß sich der Erfolg zeigen werde, wenn es nur erst zu einer Zusammen=


1) Dabei sollte ein französischer Agent in Lübeck und ein schwedischer in Köln ohne Votum den Verhandlungen beiwohnen, um die gegenseitigen Übermittelungen zu besorgen.
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kunft käme. Es ist nicht denkbar, daß der Herzog zu diesem Vorgehen ganz aus sich heraus bewogen worden ist. Vielmehr ist sicherlich von österreichischer Seite ein starker Antrieb erfolgt, wenn wir ihn auch nicht direkt aktenmäßig nachweisen können.

Von dem Plane, den zur Nedden brachte, wollte der schwedische Legat zunächst nichts wissen. Er verschanzte sich immer wieder hinter das neue Bündnis und sein Gewissen. "Secretissime" ließ er endlich doch verlauten, daß, wenn Graf Kurtz ein Projekt nach dem früher (1635) von Adolf Friedrich aufgesetzten entwerfen und darin die drei Hauptpunkte, Amnestie und Satisfaktion der Krone Schweden wie der Soldateska in annehmbarer Weise "erläutern" werde, so sei er selbst bereit, innerhalb zwanzig Tagen persönlich darüber Ratifikation aus der Heimat einzuholen.

Zur Nedden rühmt sich, dieses überraschende Entgegenkommen dadurch herbeigeführt zu haben, daß er Salvius während eines zweiten Besuches die Unbeständigkeit der Franzosen, besonders in ihren Bündnissen, vor Augen geführt habe. Salvius habe schließlich ihm zustimmen müssen und erklärt, er habe selbst schon einen Vers nach Schweden geschrieben, der ihm einst an deutschen Universitäten zu Ohren gekommen sei: Qui non vult falli, fugiat consortia Galli!

Es ist unzweifelhaft, daß die Männer, die in Christinens Namen die Regierung in Stockholm führten, ja daß der schwedische Reichsrat in seiner Mehrheit bis vor kurzem immer wieder unmittelbar mit dem Kaiser über einen Frieden sich hatten einigen wollen. Andererseits wissen wir, daß sich Schweden gezwungen sah, den vielgescheuten Bund mit Frankreich einzugehen und daß dieser seit seiner Verwirklichung am 6. März 1638 ununterbrochen fortgedauert hat und zum Fundament des westfälischen Friedens geworden ist. Da ist die Tatsache dieses Geheimpunktes, den zur Nedden am 18. Mai in seiner Relation mit nach Hause brachte, doppelt interessant zum Verständnis der Politik Schwedens und zur Beleuchtung der österreichischen Hauspolitik, die trotz aller Winkel= und Schachzüge, in der Sucht, alles zu erreichen, den nächstliegenden wahren Vorteil verkannte.

Zunächst indessen schien der neue Versuch einer Vermittelung einen Erfolg zu versprechen.

Herzog Adolf Friedrich wurde durch die Mitteilung Salvius' natürlich veranlaßt, sofort und voll Eifer einen Weg weiter zu verfolgen, den er zu seinem und seines Landes Wohl so gerne längst eingeschlagen hätte, und der sich ihm wider Erwarten nun in der glücklichsten Weise darbot.

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Die Güstrower Räte von Passow und Cothmann wurden alsbald nach Schwerin berufen und erhielten hier ihre Instruktion für die Verhandlungen mit dem kaiserlichen Abgesandten. Besondere Schwierigkeiten bei den Verhandlungen über ein Abkommen zwischen Schweden und Österreich mußte in erster Linie die Frage nach der "Satisfaktion", nach der Entschädigung Schwedens, bereiten.

Seit Gustav Adolf war es ein feststehender Satz der schwedischen Politik, daß, um die zur Sicherheit des eigenen Landes nötige Herrschaft über das baltische Meer behaupten zu können, das Königreich eine gesicherte Stellung an der deutschen Küste gewinnen müsse. In erster Linie kam jetzt, da Schweden für sein Eingreifen in den deutschen Krieg als Frucht seiner Siege eine Entschädigung beanspruchen durfte, nach dem Tode seines letzten Stammesfürsten (März 1637) das Herzogtum Pommern in Betracht, das Schweden seit den dreißiger Jahren mehr oder weniger in Besitz hatte, ganz abgesehen davon, daß "ohne Pommern Schwedens übrige Besitzungen in Deutschland ihm mehr eine Last als eine Verstärkung werden mußten". 1 ) Wenn auch die Bevölkerung gemäß der früheren Abmachungen zwischen beiden Ländern in dem Kurfürsten von Brandenburg ihren neuen Landesherrn erblickte und anerkannte, so führte der feierliche Protest Georg Wilhelms und die dadurch veranlaßte Auflösung der einheimischen pommerschen Zwischenregierung nur eine solche Lage der Dinge herbei, "daß die schwedische Regierung sich nicht nur für berechtigt, sondern geradezu für verpflichtet halten mußte, die Verwaltung zu übernehmen." 2 ) Während Schweden entschlossen war, den Besitz Pommerns zu behaupten, setzte Österreich alles daran, jede Abtretung deutschen Bodens an das nordische Reich zu hintertreiben. Denn eine solche bedeutete einen unzweideutigen endlichen Sieg der feindlichen Waffen. Noch dachte man in Wien garnicht daran, daß man, um den Frieden zu gewinnen, Opfer bringen müsse. Die allgemeine Ansicht war hier vielmehr durchaus die, daß es mit der Zeit sicher gelingen werde, den Feind über die Ostsee zurückzutreiben. An der Frage der Entschädigung der Krone Schwedens sind alle früheren Verhandlungen, die über Formalien hinausgelangten, wie die Versuche, die Adolf Friedrich machte, um zwischen Kursachsen und Schweden 1635/6 zu vermitteln,


1) Odhner a. a. O. S. 22.
2) Odhner S. 37.
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gescheitert. Leichter war es, die Forderungen der schwedischen Soldateska zu befriedigen. Die Kaiserlichen hatten schon verlauten lassen, sie würden für den Fall eines Friedens die Leute an sich ziehen und zufrieden stellen.

Auch bei der schwedischen Forderung allgemeiner Amnestie mochten sich nicht unüberwindliche Schwierigkeiten erheben. Wenn Schweden auch entschlossen war, für die verbündeten und exkludierten Stände einzutreten, so handelte es sich dabei doch nicht um eine entscheidende Frage der schwedischen Politik. Daher konnte Salvius zur Nedden gegenüber geradezu äußern, diese Sache solle so geordnet werden, wie es der Herzog von Mecklenburg im Interesse der Evangelischen für gut finde. Er hatte aber gleich, indem er damit auf den Angelpunkt der Verhandlungen hinwies, hinzugefügt und zwar so deutlich und bestimmt, daß er nicht mißverstanden werden konnte, Schweden werde sich, abgesehen von der Geldfrage, nur durch Lehnsübertragung Pommerns befriedigen lassen. Er begründete diese Forderung, um sie dem Kaiser annehmbarer zu machen, mit dem Hinweis auf die wachsende Größe Brandenburgs, das zuletzt selbst dem Kaiser gefährlich werden würde.

Für den Vermittler erwuchs also die Aufgabe, zwischen den streitenden Mächten eine Einigung in der Entschädigungsfrage herbeizuführen. Adolf Friedrich war sich der Schwierigkeiten, die die Entschädigungsfrage in sich barg, wohl bewußt. Da er nicht von vornherein die Verhandlungen an dieser Klippe scheitern lassen wollte, war sein Bestreben darauf gerichtet, zunächst den Punkt der Abtretung deutscher Gebiete garnicht zu berühren. Hoffnungsvoll wie er trotz aller herben Enttäuschungen immer wieder in die Zukunft sah, erwartete er, daß, wenn man sich über die anderen Punkte geeinigt habe, auch in dieser wichtigen Frage eine Vereinbarung möglich sei.

Daher schweigt die Hauptinstruktion, die er Passow und Cothmann mitgab, ganz über die Entschädigungsfrage, ja sie berührt nicht einmal direkt jenen Geheimpunkt Salvius', sondern verweist schlechthin auf die allgemeinen Verhandlungen und bittet, diese baldmöglichst unter mecklenburgischer Vermittelung in Lübeck von seiten Schwedens und des Kaisers beginnen zu wollen. Mit Leichtigkeit kommt er dabei auch über die Schwierigkeiten hinweg, die das französisch=schwedische Bündnis seinen Versuchen, einen Separatfrieden zwischen Österreich und Schweden herbeizuführen, in den Weg stellte. Er begnügt sich mit der Bemerkung, man sei überzeugt, daß Schweden sich gewiß nicht durch die Allianz auf einmal allen

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freien Handelns beraubt habe und daher für den Fall guter Bedingungen ohne Rücksicht auf Frankreich in Lübeck Frieden schließen werde. Nur in einem Nachtrag wurde die Entschädigungsforderung Schwedens, die Salvius noch kurz vorher, wie gesagt, gegen zur Nedden mit Hinweis auf Pommern erhoben hatte, behandelt, aber nur für den Fall sollten die Gesandten auf diese Frage eingehen, daß Graf Kurtz von dieser Äußerung des schwedischen Gesandten in Hamburg gehört haben sollte. Der Herzog verwies in diesem Nachtrag auf seine eigenen früheren Äußerungen, besonders auf seine Stellungnahme bei dem Vermittelungsversuch von 1635. Aus dessen Verlaufe gehe hervor, daß er von einer Abtretung Pommerns nie etwas habe wissen wollen. Der Herzog betonte sogar, Salvius habe sicherlich eine so weitgehende Forderung nur aufgestellt, um sie in der Verhandlung auf ein billiges und mögliches Maß zurückzuführen. Hierdurch sollte also die Vorstellung erweckt werden, als handele es sich nur um einen Vorschlag, wie ihn der Kaufmann liebt, um bei Kauf und Verkauf nicht zu kurz zu kommen.

Adolf Friedrich mochte in genauer Kenntnis der Verhältnisse und der Bedingungen schwedischer Politik immerhin noch jetzt, unter der Voraussetzung, daß der Kaiser Ernst machen werde, günstige Aussichten für einen Separatfrieden erhoffen, aber er mußte wissen, daß Schweden nach seinen letzten Erfolgen und durch das Bündnis mit Frankreich zu neuer Stärke gelangt, niemals in einen Frieden willigen werde, der ihm nicht Pommern als Siegespreis brachte. Wenn er sich nun den Anschein gab, als wenn er glaube, daß Schweden mit sich handeln lassen werde, so ließ er sich von dem Wunsche leiten, die Parteien zunächst nur einmal zusammen zu bringen. In der Folge, so hoffte er, werde es ihm gelingen, durch kluge Vermittelung sie nachher auch über das schlimme Hindernis hinwegzuführen.

Mag man über seine Leichtgläubigkeit und Kurzsichtigkeit, wie sie bei Gelegenheit des kaiserlichen Schreibens vom 5. März 1638 zum Vorschein kamen, abfällig urteilen, diese Hoffnung, daß er imstande sein werde, alle Schwierigkeiten der Verhandlung durch seine Vermittelung zu überwinden, diese Hoffnung, die dem heißen Wunsche entsprang, sein Land aus allem Jammer und Elend zu erretten, hat etwas Rührendes an sich, und indem sie immer wieder so natürlich echt und elementar hervortritt, erweckt sie eine Freude an dieser Persönlichkeit, die ihr auch bei Handlungen zu folgen vermag, deren Keime schon ihre Aussichtslosigkeit offenbaren.

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Über die folgenden Verhandlungen wegen eines Separatfriedens sind wir nicht unterrichtet. Auch wissen wir nicht, woran sie eigentlich scheiterten.

Die beiden Güstrower Räte gingen zunächst zum Reichsvizekanzler Grafen Kurtz, von ihm zu Salvius. Von Hamburg zurückgekehrt, haben sie noch einmal Mitte Juni das kaiserliche Feldlager bei Grabow aufgesucht. Was haben sie gebracht, was erreicht? Wir wissen es nicht. Tatsächlich war es dem Herzoge noch einmal gelungen, die Verhandlung über einen Separatfrieden in Fluß zu bringen. Und daß die geheime Eröffnung Salvius' im Mai ernst gemeint war, wird auch von anderer Stelle bestätigt.

Pufendorf erzählt bei Gelegenheit der Lauenburger Bemühungen von 1638: 1 ) "Eben dieses (der Vorschlag zum Separatfrieden) trug der Herzog von Mecklenburg schriftlich und durch einen Minister vor. Es mißfiel auch Salvius nicht . . . . Dem Herzoge von Lauenburg wurde öffentlich zur Antwort gegeben, man müsse die Partikular=Traktaten aufgeben und nach einem allgemeinen Frieden trachten . . . . Doch heimlich gab Salvius Vertröstung, er wolle sich auf alle Weise bemühen, Partikular=Traktaten zu verschaffen, wenn er wüßte, daß der Kaiser dieselben wirklich verlange . . . . Deswegen bat er auch den Herzog von Mecklenburg, wegen des Projektes zwischen Oxenstierna und Kursachsen (1635) mit dem Grafen Kurtz zu reden".

Noch am 19. Juni richtete Salvius an Adolf Friedrich die dringende Bitte, "alles in integro zu behalten", womit doch wohl die Separatunterhandlung gemeint ist.

Allein sie blieb ohne Erfolg. Sie wurde völlig abgebrochen, als Graf Kurtz in den letzten Tagen des Juni vom Kaiser die Nachricht erhielt, daß er auch in Verhandlungen wegen eines allgemeinen Friedens einwilligen möge. 2 ) Es ist nicht klar, wem der größere Teil der Schuld an dem Abbruch dieser Verhandlungen zufällt. Die Behauptungen der Parteien stehen einander gegenüber. Wenn eine Vermutung erlaubt ist, so scheint es, als wenn diesmal Salvius, nachdem nicht sofort günstige Anerbietungen von der österreichischen Seite erfolgten, sich hinter die bindende Kraft des französischen Bündnisses und seine offizielle Instruktion zurückzog und sich auf keine weiteren Verhandlungen über einen Separatfrieden einließ.


1) Schwedische Kriegsgeschichte, X § 65.
2) Adolf Friedrich an Oxenstierna und an Salvius am 20./30. Juni 1638. A. F.
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Adolf Friedrich, der im Interesse seines Landes auch nach dem Scheitern seines Lieblingsplanes mit allen Mitteln versuchte, die Hand im Spiele zu behalten, tat von nun an nach Kräften sein Bestes, daß die allgemeinen Friedensverhandlungen ernstlich aufgenommen und fortgeführt würden. Er war entschlossen, an den Verhandlungen in Lübeck persönlich teilzunehmen und hatte deshalb schon mit Bürgermeister und Rat dieser Stadt wegen einer passenden Wohnung für sich und für sein Gefolge Abrede treffen lassen. Aber auch aus dem Kongreß in Lübeck ist nichts geworden.

Wie allgemein auch der Wunsch nach dem Frieden werden sollte, die ersehnten Verhandlungen kamen nicht von der Stelle. Und noch sechs lange Jahre vergingen, ehe die Hoffnungen der Verwirklichung näher rückten, ehe dieses unselige Friedenswerk endlich seinen trägen Gang vorwärts nahm und es dem Herzoge vergönnt wurde, den westfälischen Kongreß zu beschicken.

 


 

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4. Kapitel.

Das Ende des Vormundschaftsstreites.

Während des Vermittelungsversuches hatte der Vormundschaftsstreit seinen Fortgang genommen. Die Herzogin=Witwe von Mecklenburg=Güstrow zeigte sich im Herbst 1637 plötzlich sehr entgegenkommend. Sie schrieb damals an den Kaiser, wenn man Bedenken habe, der Religion wegen ihr den jungen Prinzen zuzustellen, bäte sie, zu verfügen, daß jener dem evangelisch lutherischen Herzoge August von Braunschweig=Lüneburg bis zur Erledigung des Hauptstreites übergeben werde. Ihre kluge Nachgiebigkeit trug gute Früchte. Der Kaiser ging sofort auf das Anerbieten ein. Er ersuchte den Herzog von Braunschweig, sich den Knaben von Adolf Friedrich übergeben zu lassen, und sandte diesem am 19. Oktober 1637 den Befehl, den jungen Herzog an die Gesandten des Beauftragten auszuliefern. Zugleich erging am 19. Oktober ein kaiserliches Mandat, durch das allen Beamten, Zollverwaltern und dem Rentmeister von Mecklenburg=Güstrow befohlen wurde, die Landeseinkünfte bis auf weitere kaiserliche Entschließung oder rechtlichen Entscheid an die Herzogin auszuliefern. Obwohl der Kaiser in dem früher erwähnten Schreiben vom 19. September 1637 dem Herzog zur Verantwortung eine dreimonatige Frist gesetzt hatte, war er durch das Drängen der Gegenpartei nun nach nicht mehr als einem Monat zu jenen beiden Edikten vom 19. Oktober verleitet worden! Kein Wunder, wenn der Herzog von bitterem Groll erfaßt und zu immer schrofferem Auftreten geneigt wurde. Die braunschweigischen Gesandten, die seinen Neffen zu holen kamen, mußten unverrichteter Sache heimkehren. von Rohr aber erhielt Anfang November zum zweiten Male den Auftrag, in der peinlichen Angelegenheit an den kaiserlichen Hof zu gegen. Zugleich sollte er, nach einem von Pistorius gegebenen Rat, in aller Stille sich auch an den Hof des Kurfürsten von Bayern begeben, um diesen zu gewinnen. Aber ehe er noch in Wien eintraf, war Milden ihm schon zuvorgekommen und hatte Kurbayern und Kurmainz in das Interesse seiner Herrin zu ziehen gesucht. Die Partei Eleonorens zeigte sich überhaupt der des Herzogs überlegen. Sie arbeitete im allgemeinen schneller und

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wirksamer. Zudem verfügte sie über zahlreichere Kräfte. Milden vor allem war unermüdlich und sehr verschlagen. Er sagt von sich, er habe täglich Memorialia zu übergeben, denn für den kaiserlichen Hof heiße es mit Recht: Jura vigilantibus sunt scripta. 1 ) Und Pistorius verrät uns über seine Gegner: "Sie feiern nicht und spendieren dabei tapfer, sie nehmen's, wo sie wollen und bezahlen hernach wieder, wie sie können . . . ." 2 ) Was konnte dieser rastlosen Tätigkeit gegenüber eine neue Gegenschrift Adolf Friedrichs, wenn auch noch so weitläufig, ausrichten, die von Rohr nach Wien brachte! Was Adolf Friedrich hatte von Anfang an vermeiden wollen: der Streit um die Vormundschaft war längst zu einem verwickelten Rechtshandel geworden, ja noch mehr, die Sache stand 1638 sogar auf dem Punkte, daß der Mecklenburger sich beklagen konnte, daß er nicht, wie es in jedem Prozesse Rechtens sei, behandelt werde. Wenn, trotz der dem Herzog gestellten dreimonatigen Frist, der Kaiser zu entschiedenen Mandaten gegen ihn griff, so mag das teilweise damit zusammenhängen, daß der Vizereichskanzler von Stralendorf, der bisher immer noch auf Seiten der Schweriner Partei gestanden hatte, am. 18. Oktober 1637 gestorben war. Wenigstens war dies die Ansicht des Pistorius.

Jedenfalls mußte der Herzog jetzt einsehen, daß er seine Hoffnung auf Bestätigung seiner Vormundschaft endgültig aufzugeben habe. So blieb ihm nur übrig, auf dem Wege des Prozesses sein Recht durchzusetzen. Da mußten beide Parteien gleichmäßig gehört werden, ehe das endgültige Urteil fiel.

Im Sommer 1637 waren auch König Wladislaus von Polen, der auf Bitten Eleonorens seine gewichtige Stimme abgeben zu müssen glaubte, weil mit drei kaiserlichen mandatis restitutoriis bishero nichts verrichtet sei 3 ) und Erzbischof Anselm Casimir von Mainz 4 ) für die Herzogin Witwe beim Kaiser vorstellig geworden. Am wirksamsten aber hatte sich die bereits erwähnte Eingabe Brandenburgs erwiesen. So gelang es dem Drängen Eleonorens den kaiserlichen Hofrat dahin zu bestimmen, daß ein Pönalmandat gegen den Herzog beschlossen wurde. 5 )


1) Brief vom 24. Januar/3. Februar. A. T. Vol. VIII Fasc. II Vol. II pars 1.
2) Brief vom 6./16. Januar 1638. Vien.
3) A. T. a. a. O. No. 122.
4) A. T. a. a. O. No. 124.
5) El. M. an Kurbrandenburg, 4. Okt. 1637. Georg Wilh. an El. M. 16. Okt. 1637. A. T. a. a. O. No. 128 und 130.
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Der Beschluß kam indes aus unbekannten Gründen nicht zur Ausführung. Der Kaiser entschloß sich vielmehr dazu, den mecklenburgischen Streit der Beurteilung des Kurfürstenkollegiums zu unterbreiten, da die Sache "Statum publicum concernire". Unterdessen sollte alles im alten Stande gelassen werden. Das war im Herbst 1637. Das folgende Jahr sah die Kaiserlichen zurückweichen und ihre Gegner wieder im vollen Besitze des nördlichen Küstenstrichs. Und nun wurde Adolf Friedrichs Stellung auch im Lande schlechter. War er bisher tatsächlich im Güstrowischen Herr gewesen, so verstand Eleonore, die Schweden, die noch Güstrow besetzt hielten, auf ihre Seite zu ziehen und die kalvinistische Propaganda unter den Schutz der Fremden zu stellen. Ja es gelang ihr in der Folge mit schwedischer Hülfe, das Güstrower Schloß wieder in Besitz zu nehmen, nachdem sie alle Schweriner Räte, als letzten den Hofmeister Adolf Friedrichs, von Ihlefeld, der dort bisher noch ein Zimmer gehabt hatte, vertrieben hatte. Baner, dessen Hülfe sie durch den Oberstleutnant Meyer hatte anrufen lassen, 1 ) sandte ihr, wie David Franck 2 ) erzählt, noch am 24. November 1639 einen Schutzbrief aus Leitmeritz. So unterstützt, konnte sie schon den ernstlichen Plan fassen, ihren jungen Sohn dem Schwager mit List oder Gewalt wieder zu entreißen. Inzwischen war am 28. August 1638 schon wieder ein neues kaiserliches Dekret ergangen, das dem Herzoge eine Frist von drei Monaten zur Unterwerfung setzte: 3 ) anderenfalls werde die Publikation des Endurteils erfolgen. Wie es schien, war dieses schon zu Beginn des Jahres 1638 verfaßt worden. Mit Recht konnte Adolf Friedrich dies ganze Verfahren, weil er nicht einmal gehört worden war, anfechten. Er erteilte daher Pistorius zunächst den Auftrag, beim Kaiser alles aufzuwenden, daß ihm zu einer Verteidigungsschrift noch eine weitere Frist von drei oder vier Monaten gewährt werde, da bei der Vertreibung der Schweriner Räte aus Güstrow alle Akten und Dokumente in die Hände der Gegenpartei gefallen seien und daher ihm nicht mehr zur Verfügung ständen. Hiernach wurde die Verteidigungsschrift unterm 26. November 1638 eingesandt. 4 )


1) Vgl. R. A. O., B. VI, p. 680.
2) a. a. O. p. 222 und 227. Vgl. auch Pr. u. Ref., Beilage V.
3) Der Herzog sollte "paritionem dociren," noch dazu "sub poena praeclusionis!"
4) Inf. Jur. et F., Beilage No. XII. Sie trägt das Datum: Schwerin, den 26. November 1638, und nicht: Schwaan, den 6. November 1638, wie Franck a. a. O. 205 angibt.
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Sie gipfelte in der Forderung, daß seine Anklägerin gegen ihn, der "in possessione" sei, den Rechtsbeweis zu führen habe und überhaupt zunächst zur Übergabe einer ordentlichen Klageschrift anzuhalten sei, auf die dem Gesetze nach die Verteidigung erfolgen könne. Auch wurde gebeten, in dieser Angelegenheit die Kurfürsten um ihr Gutachten zu ersuchen, wie ja bereits früher beschlossen worden sei. 1 ) Als aber Pistorius nach Einlauf der mecklenburgischen Akten die Bitte mündlich wiederholte, antwortete man ihm, daß die meisten Kurfürsten schon für die fürstliche Frau Witwe entschieden hätten. Es sei daher von einer Befragung des Kurfürstenkollegiums für seine Partei nichts zu hoffen. Daß dies nicht den Tatsachen entsprach, können wir heute feststellen. Wie wir wissen, hatte sich Georg Wilhelm von Brandenburg sehr zurückhaltend ausgedrückt. Er hatte lediglich auf Bitten Eleonore Marias darauf gedrungen, daß man dem Rechte und der Billigkeit zum Siege verhelfe. Das war keine eigentliche Parteinahme, denn Adolf Friedrich war sicher ebenso sehr von der Rechtmäßigkeit seiner Forderungen überzeugt, wie seine Schwägerin.

Hinsichtlich Kurköln und Kurmainz hatte der Schweriner Gesandte 2 ) seinem Herrn geschrieben, daß sie auf seiner Seite stünden, und daß zu hoffen sei, daß sie das ganze Kollegium zu seinen Gunsten beeinflussen würden. Das ist für Kurmainz gerade das Gegenteil wie im vorhergehenden Jahre, und dieser schnelle Stellungswechsel zum wenigsten auffällig. Kursachsen hatte, wie schon gesagt, stets mit Adolf Friedrich gehalten, und von den übrigen Kurstimmen, so Bayern, ist wenigstens niemals eine absprechende Meinung laut geworden. Dann im März 1639 hören wir von Adolf Friedrich die Behauptung, sämtliche Kurfürsten hätten sich seinen Gesandten gegenüber erklärt, daß sie seiner Sache recht geben müßten, wenn ihr Bedenken nur eingefordert würde.

Die Folgezeit lehrt, daß Adolf Friedrichs Behauptung im allgemeinen der Wahrheit mehr entsprach, als die Versicherung der kaiserlichen Beamten.

Mit dem Vormundschaftsstreit aufs engste verbunden war nun die Erledigung einer anderen Angelegenheit.

Der Herzog hatte bei Ferdinand III. um Belehnung nachzusuchen und zwar, da er als Vormund seines Neffen auftrat,


1) Lit. Pist. vom 4. Mai 1639. Vien.
2) Es war Barthold von Plessen und sein Subdelegierter Heinrich Friedrich; vgl. dessen Brief an Pistorius. Vien. 14./24. April 1638.
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für beide Mecklenburg. Er hatte dies im Herbst 1636 getan und am 12. August 1637 sein Gesuch wiederholt, aber am 5. November 1637 nur die übliche Empfangsbescheinigung für seine Eingabe, zugleich mit dem Bescheid, vor dem 5./15. Februar 1638 wieder einzukommen, erhalten. Er wiederholte die Mutung demgemäß im folgenden Jahre durch seinen Gesandten von Rohr. "Weil aber der Streit wegen der Vormundschaft noch nicht entschieden war," erhielt er im Januar 1639 nur die Belehnung für den Schweriner Landesteil. Adolf Friedrich begnügte sich aber im Interesse der Vormundschaft über seinen Neffen mit diesem Entscheid nicht, sondern forderte weiter die gleichzeitige Belehnung für Schwerin und Güstrow. Er ließ dies durch seine Gesandten folgendermaßen begründen. Aus allen Lehnbriefen gehe hervor, daß man immer nur dem nächsten männlichen Agnaten die Vormundschaft übertragen habe. So sei es auch unter anderm bei seiner und seines verstorbenen Bruders Minderjährigkeit, als Herzog Karl für sich und für sie beide belehnt worden sei, gehalten worden. Überhaupt so lange das fürstliche Haus bestehe, sei es nicht vorgekommen, daß ein "Weibsbild" den Lehnsempfang gefordert oder der Regierung sich angemaßt habe. Der Reichshofratspräsident war jedoch anderer Meinung. Er erklärte, wenn man bisher in Mecklenburg anders verfahren habe, so hänge dies damit zusammen, daß Testamente, wie das jetzt vorliegende, bisher nicht vorgekommen seien. Gebühre dem letzten Willen einer Privatperson Ehre, um wie viel mehr dem eines Fürsten. Herzog Adolf Friedrich in der gewünschten Weise belehnen, hieße nichts anderes, als auch seine Vormundschaft bestätigen.

Adolf Friedrich gab sich jedoch mit der Abweisung nicht zufrieden. Im Frühjahr 1639 sandte er an Pistorius, denn von Rohr war kurz vorher gestorben, ein Memorial zur Aushändigung mit der erneuten Bitte um Belehnung für sich und den minderjährigen Gustav Adolf. Auch dieses Gesuch blieb ohne Wirkung, und wenn im Herbst 1641 eine besondere Gesandtschaft Adolf Friedrichs in Regensburg wiederholt darum anhielt, so hat sie doch wieder nur eine Empfangsbescheinigung ihres Gesuches erhalten.

In dieser Frage hat man am Wiener Hofe nicht nachgegeben, und noch 1649, als der Herzog von allen Ständen des Reiches bei Gelegenheit der Friedensverhandlungen als legitimer Vormund anerkannt worden war, war die Angelegenheit nicht erledigt. 1 )


1) Pistorius an Adolf Friedrich 12./22. September 1649. Der Herzog ist anerkannt, niemand kann in Wien etwas wider die Gesamt= (  ...  )
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Für Eleonore Maria schien jetzt gegen Ende 1638 die Zeit gekommen, die ihr die Erfüllung ihrer Wünsche bringen sollte.

Im Lande hohe schwedische Offiziere, die für sie Partei nahmen und Hülfe leisteten, und im Reiche der deutsche Kaiser und der Reichshofrat, der ihre Sache durch Dekrete und mit der Feder verfocht.

Wahrhaftig, diese reformierte Fürstin konnte sich rühmen, die beiden Mächte, deren Gegensatz die zweite und grausigere Hälfte des großen Krieges beherrschte, in ihrem Dienste friedlich vereint zu sehen!

Eleonore meinte endlich den lang erstrebten, mit kluger Berechnung und entschlossener Tatkraft vorbereiteten Sieg in den Händen zu halten. Voll Ungeduld wandte sie sich mit einer Reihe von Briefen an den kaiserlichen Hof, an die fürstlichen Damen, die sie anfangs um Beistand angefleht hatte, und auch unter andern an den neuen Vizereichskanzler, den Grafen Kurtz. Da der Termin verstrichen sei, während dessen Adolf Friedrich sein Vorgehen hätte rechtfertigen müssen, - sie wußte offenbar nichts von seiner Eingabe am 26. November - da er vor allem unterdessen den kaiserlichen Mandaten keinen Gehorsam geleistet habe, solle nunmehr, so beantragte sie, die Veröffentlichung des kaiserlichen Endurteils erfolgen. Ja, ihre Forderungen gehen weiter. Sie verlangte bereits eine Exekution gegen den Herzog, unbekümmert um die schweren Gefahren, die damit über das unglückliche mecklenburger Land heraufbeschworen wurden.

Sie begnügte sich aber nicht allein mit Bittschreiben. Zur Beförderung und Vertretung ihrer Forderungen sandte sie Ende 1638 einen gewissen Zacharias Quetz nach Wien, der nachher auch auf dem Regensburger Reichstage für sie tätig war.

Es ist undenkbar, daß die Herzogin alle die aus Gesandtschaften, so auch wieder aus dieser neuen, entstehenden Kosten; den ganzen Aufwand für die nötigen Geschenke und das damals unerläßliche, häufige "Spendieren" aus eigenen Mitteln oder eigenem Kredit hat leisten können. Man wird wohl annehmen müssen, daß auch der fürstlich anhaltische Schatz für den guten kalvinischen


(  ...  ) belehnung haben. "Wenn ich aber täglich sehe und erfahre, daß Fürsten und Stände des Reiches, welche auch ihre Regalia vor diesem gesucht, noch wirklich nicht belehnet worden, fast täglich einkommen, die Lehen nach dem Instr. Pacis innerhalb Jahr und Tag von dem Schluß an zu rechnen, requiriren, teils die wirkliche Investitur, teils Indulta bis auf künftigen Reichstag suchen, so halte ich für notwendig, daß dergleichen auch von E. f. Gn. geschehe. -" Vien.
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Zweck mit angegriffen wurde. Jedenfalls haben Adolf Friedrich bei weitem nicht ähnliche Geldmittel zur Verfügung gestanden, obgleich auch er "tapfer spendiert" hat. 1 ) Dafür hatte er als unschätzbaren Vorteil das Land, und zwar beide Mecklenburg auf seiner Seite. Noch einmal, am 24. Januar 1639, verwendete sich der lutherische Kurfürst von Sachsen 2 ) für den Herzog beim Kaiser. Er wies darauf hin, daß Ferdinand die Absicht gehabt habe, die Kurfürsten zu Rate zu ziehen, und indem er bat, diese Absicht auszuführen, warnte er dringend, den Herzog ungehört zu verurteilen, damit er nicht gerechten Grund habe, sich wegen Rechtsverweigerung mit Fug zu beschweren. Zum mindesten sei jener bis zu erfolgtem Urteil der Kurfürsten in dem Besitze von Vormundschaft und Regentschaft zu belassen. Auch Christian IV. von Dänemark, der schon im vorhergehenden Jahre an den Kaiser das Ersuchen gerichtet hatte, den Herzog im Besitze zu lassen oder wenigstens bis zur Entscheidung des Kurfürstenkollegiums, von allen strengen Mandaten abzusehen, wiederholte jetzt, im Januar 1639, seine Fürsprache. Nur daß sie, weil ihm keine Antwort geworden war, viel schroffer ausfiel. Man müsse annehmen, so schrieb er, daß es in diesen schweren Kriegszeiten mehr im Interesse Ferdinands liege, Fürsten und Stände des römischen Reiches in Treue und Gehorsam zu erhalten, als sie durch allzu schleunige, ungerechte Prozesse zu erbittern. Der Kaiser sei aber dem Herzog Adolf Friedrich, einem vornehmen Stand und Mitglied des Reiches, mit herben Exekutionsmandaten über den Hals gekommen und habe ihm nicht einmal Abschriften von den Eingaben der Gegenpartei mitgeteilt. Wenn man aber einem Angeschuldigten die Forderung auf Mitteilung der Anklage versage, so zerstöre man damit die ganze Justiz samt allen Gesetzen, Reichsabschieden und Konstitutionen! Noch schlimmer aber sei es, daß man gegen einen nicht Vorgeladenen und nicht Verhörten vor dem Entscheide des Kurfürstenkollegiums und auf einseitigen Bericht des Klägers hin einen Urteilsspruch erlassen habe. Er gebe dem Bedenken des Kaisers anheim, welches Mißtrauen, was für "weitläufiges Nachdenken" derartige Maßnahmen bei den übrigen Ständen erwecken könnten. Christian IV. forderte endlich noch einmal, alles


1) . B. erhielten Dr. O. Melander von Schwarzenthal und Dr. J. Gebhard, Reichshofräte, und der Reichshofratspräsident jeder noch bei Lebzeiten von Rohr's 300 Reichstaler, blieben dem Herzoge aber doch zuwider. Pistorius an Adolf Friedrich 1./11. Januar 1640. Vien.
2) Johann Georg an den Grafen von Trautmannsdorf, den 24. Jan. 1639. Vien.
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auf das Gutachten des Kurkollegiums ankommen zu lassen und bis dahin nichts zu unternehmen. Er forderte dies, so betont er nachdrücklich, nicht nur für sich, "sondern für alle übrigen hohen Anverwandten des mecklenburgischen Hauses."

Christian IV. spielte hier mit die Macht der Nation, der er feindlich wie keiner andern gesinnt war, deren damalige gebietende Stellung an der Ostsee ihn stets mit Neid erfüllt hatte, deren Zurückdrängung, ja Unterwerfung sein Lieblingsplan blieb, 1 ) - er spielte die Macht Schwedens dem Kaiser gegenüber aus und legte sie in eine Wagschale mit der seinigen. 2 )

Aber wenn er glaubte, die beabsichtigte Einschüchterung zu erreichen, so irrte er sich, denn man hatte nach der Kriegslage jener Jahre keinen Grund in Wien sich vor den Schweden zu fürchten.

Den gesteigerten Bemühungen der Herzogin=Witwe und ihrer Leute gelang es zunächst, wenigstens einen Teil ihrer Forderungen durchzusetzen. Ein kaiserliches Mandat vom 7. Mai 1639 erteilte dem Herzog August von Braunschweig=Lüneburg den Auftrag, Adolf Friedrich noch einmal zum Gehorsam zu mahnen. Dem Mandat war das unter demselben Datum ausgefertigte Endurteil in der mecklenburgischen Streitsache beigefügt, das der Herzog, wenn sein Mahnen fruchtlos bleiben sollte, sogleich zu überreichen hatte. Danach sollte er das fürstliche Mündel abfordern und an seinem Hofe erziehen lassen. Da Herzog August lutherisch war, so nahm man Adolf Friedrich den Hauptgrund, den er für seine Forderung der Vormundschaft immer vorgebracht hatte, denselben Grund, der Ritter= und Landschaft auf seine Seite getrieben hatte. Ferdinand III. wies zunächst die Einwendungen, die der Schweriner Herzog am 26. November 1638 gegen das Testament erhoben hatte, 3 ) zurück und erkannte sodann den Inhalt des Testamentes Johann Albrechts II. in der Hauptsache an. Die Witwe wurde also Vormünderin


1) Vgl. Schäfer, Gesch. Dänemarks, Band V.
2) Neben kleinen Fürstenhäusern, die an dieser Stelle nicht in Betracht kommen können, war Schweden nah mit dem mecklenburgischen Hause verwandt. König Gustav I. jüngste Tochter Elisabeth war mit Herzog Christoph von Mecklenburg vermählt. Die einzige Tochter aus dieser Ehe, Margarethe Elisabeth, die also mit König Gustav Adolf Geschwisterkind war wurde die erste Gemahlin Johann Albrecht II. von Mecklenburg. Von ihr stammt jene Christ. Margarethe, die Herzog Franz Albrecht von Sachsen heiratete, während, wie mehrfach erwähnt, des Prinzen Gustav Adolf leibliche Mutter Eleonore Maria war!
3) Vgl. p. 66.
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ihres jungen Sohnes und Regentin von Mecklenburg=Güstrow. Die Mitvormundschaft aber fiel, da Wilhelm von Hessen in zwischen gestorben war, dem Fürsten Ludwig von Anhalt und dem Kurfürsten von Brandenburg zu, obwohl letzterer sie abgelehnt hatte. Die Erziehung des jungen Herzogs sollte in die Hände Augusts von Braunschweig, des Stiefschwiegersohnes der Herzogin gelegt werden. So war es wirklich dahin gekommen, daß der Kaiser einen Reichsfürsten, ohne ihn gehört und ohne die Entscheidung der Kurfürsten hinzugezogen zu haben, verurteilt und dadurch "incognita causa" seiner Ansprüche auf die Vormundschaft und Regentschaft in Güstrow für verlustig erklärt hatte.

Das hatte Adolf Friedrich bis zum letzten Moment nicht erwartet. Er war aufs tiefste ergrimmt, und die meisten seiner Standesgenossen teilten seine Gefühle. Aber nicht nur, daß der kaiserliche Hof die dem Fürsten gebührende Rücksicht aus dem Auge gelassen hatte, das Recht des Einzelnen überhaupt schien mit Füßen getreten worden zu sein. Voll Erbitterung schrieb der Herzog am 15. Oktober 1639 an seinen Agenten, daß er geringer als der geringste Bauersmann seines Landes behandelt worden sei, welchen er vermöge aller Völkerrechte und der natürlichen Billigkeit so lange bei seinem Besitze schütze, bis sein Gegenteil ein besser Recht erweise.

Am 10. Oktober 1639 erhielt Eleonore Maria das von Adolf Friedrich so langersehnte kaiserliche Tutorium, die Bestätigung ihrer Vormundschaft und Regentschaft. 1 ) Demgemäß ergingen auch im Beginn des Oktober von Wien die Befehle an alle Beamten des Güstrower Landesteiles, an die Stadt Rostock und an die Schweriner Regierungsräte in Güstrow, nicht länger Befehle von Adolf Friedrich anzunehmen und alle Akten auszuliefern. Zugleich wurde am 4. Oktober an Herzog Adolf Friedrich ein Exekutorialmandat abgesandt, das ihm gebot, bei kaiserlicher Ungnade und Strafe von tausend Mark lötigen Goldes binnen sechs Wochen Gehorsam zu leisten.

Adolf Friedrich war im Urteil das Recht der Berufung zugestanden worden. Es war selbstverständlich, daß er davon Gebrauch machte. Aber weniger als je dachte der Erzürnte daran, in der Zwischenzeit dem kaiserlichen Mandate zu gehorchen Er drückt das bezeichnend so aus: "Bis dahin müssen wir's Gott und der Zeit befehlen."


1) Inf. F. et J.
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Am 30. August 1639, als die Wogen der ersten Erregung sich wohl etwas gelegt hatten, trug er die Sache einem allgemeinen mecklenburgischen Landtage vor. Er erhielt hier den Rat, den Versuch eines gütlichen Vergleiches zu machen, und Adolf Friedrich hat eingewilligt. Das macht der Überlegung dieses sanguinischen Charakters alle Ehre. Er war imstande, trotz seiner Empörung einen Weg, der ihm nach den letzten Ereignissen der widerlichste sein mußte, zu betreten, weil er ihm politisch rätlich erschien und ihm im Augenblick Hoffnung gab, weiter zu kommen. Er glaubte dadurch die Exekution aufhalten zu können.

Die Witwe ging darauf ein, schob aber den Termin klug hinaus, bis das kaiserliche Mandat vom 4. Oktober, bei Ungnade und einer Strafe von 1000 Mark Goldes binnen sechs Wochen sich zu verantworten, zur Veröffentlichung gelangt war.

Der Vermittelungsversuch selbst zerschlug sich sehr bald, weil, wie vorauszusehen, beide Seiten schon in der Frage der Konfession und Erziehung des fürstlichen Mündels gleich wenig nachzugeben geneigt waren. Daß die Herzogin=Witwe aber vorschützte, sie könne sich wegen des kaiserlichen Urteils in keinen Vergleich einlassen, es sei ihr dies vom Wiener Hof aus widerraten worden, konnte die Kluft nur erweitern. Adolf Friedrich erfuhr sehr bald, daß derartiges weder vom Kaiser noch von seinen Räten jemals ausgesprochen worden war und daher von einem der Agenten Eleonorens erfunden und ausgestreut sein mußte. Der Reichshofratspräsident gab ausdrücklich zu verstehen, daß solche "üblen Reden" weder vom Kaiser noch von seinen Räten stammten, vielleicht habe es Zach. Quetz geschrieben. 1 ) Er fügte hinzu, sie seien auch niemals auf den Gedanken gekommen, die reformierte Religion in Mecklenburg einführen zu lassen. Nur deshalb, weil die Herzogin kalvinisch sei, könne man aber nicht von der Vollstreckung des Testamentes absehen. Überhaupt habe man den ganzen Handel gründlich satt und würde froh sein, wenn er sich beilegen lasse. Aber zu einer Urteilskassation und Restitution in integrum könne man sich nicht entschließen. Es bleibe daher nur das Mittel gütlichen Vergleichs, und nichts sähe man am Hofe lieber, als wenn ein solcher einträte! 2 )


1) Dieser tritt jetzt als treibende Kraft besonders hervor. Die Reichshofratsprotokolle vom 4. und 13. Oktober 1639 in A. T. vol. IX A Fasc. 3a vol. II, pars II Nr. 56 und 61.
2) Pistorius an den Herzog, Wien, den 19./29. Februar 1640 Vien.
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Man sieht, die Stimmung am Wiener Hofe war schon anders geworden, und Eleonorens beste Tage waren gerade in dem Augenblick vorüber, wo sie glaubte, ihr Ziel erreicht zu haben. Aber dies kam ihr damals nicht zum Bewußtsein, da sie die tatsächliche Herrschaft im Lande immer mehr in ihre Hände zu bekommen schien. Schon 1638 hatte der Eifer dieser Frau nicht gescheut, während sie in Wien alle Hebel in Bewegung setzte, durch eine eigene Gesandschaft die schwedische Regierung um Unterstützung ihrer Ansprüche zu ersuchen. Sie wurde hier kurz und scharf mit dem Bescheide abgewiesen, das Testament sei ohne Vorwissen und Billigung der Krone Schwedens entstanden und mit kaiserlicher Hülfe zur Vollstreckung gelangt. Daher habe Schweden mit ihm nichts zu tun.

Merkwürdig ist aber, daß Eleonore Maria trotz dieser deutlichen Ablehnung der schwedischen Regierung seit dieser Zeit und teilweise schon vorher die dauernde Hülfe schwedischer Truppen, schwedischer Offiziere, ja Baners selbst gefunden hat. Schon vor der Austreibung der Schweriner Regimentsräte, im Beginn des Jahres 1639, hatte der Kommandant von Wismar in Güstrow durch Offiziere Baners alle mecklenburgischen Besatzungstruppen abgeschafft, eine für Adolf Friedrich empfindliche Maßregel, weil ihm dadurch die Möglichkeit, in Güstrower Verhältnisse einzugreifen, genommen war. Von diesem Augenblicke an war Eleonorens Herrschaft gesichert gewesen. Dem Kalvinismus war Vorschub geleistet worden. Ja, die Herzogin=Witwe und Franz Albrecht von Sachsen hatten ungestört in Güstrow eine neue Leibkompagnie aufgestellt. Stolz rühmte sich Franz Albrecht, von dem Pistorius sagt, er pflege aus einer Mücke eine Elefanten zu machen, 1 ) er sei kaiserlicher Statthalter der Güstrower Lande, habe "Urteil und Sentenz" gegen den Schweriner Herzog in den Händen und die Exekution zu verrichten. Seine Stellung wurde weiter durch die Vermählung mit Christine Margaretha, der Stieftochter Eleonorens, am 11. Februar 1640 gefestigt. Und das alles geschah unter den Augen der Macht, die für die lutherische Sache wie kein anderer Staat unter ihrem großen Könige eingetreten zu sein, mit Recht behauptete, der Macht, die seit 1630 bis zum Frieden der erbittertste Gegner des Hauses Habsburg blieb!

Wenn es allein das schwedische Heer war, nicht die schwedische Regierung, die die kalvinistische Herzogin, den Schützling Habs=


1) Pistorius an Adolf Friedrich, 7./17. März 1638. Vien.
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burgs, stützte, so nimmt es nicht wunder, wenn Adolf Friedrich durch eine Enthüllung dieser sonderbaren Sachlage eine rasche Abänderung herbeiführen zu können hoffte. Als sein Gesandter Johann von Berg, über dessen Mission an anderer Stelle zu berichten ist, im Februar 1639 nach Schweden ging, wurde er auch beauftragt, 1 ) die schwedische Regierung über die Stellung ihrer Truppen zum Vormundschaftsstreit in Kenntnis zu setzen. Der Herzog konnte hoffen, auf diesem Wege Eleonore Marias Stellung zu erschüttern, zum wenigsten den Besitz Güstrows wieder zu erlangen.

Diese Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht. Von Berg besorgte, als er in Jönköping zuerst mit der Reichsregierung in Berührung kam, sofort, daß man sich sehr ungern in die mecklenburgischen Händel einmenge, und der Beschluß der Regierung bewies ihm, daß diese Empfindung begründet gewesen war, indem sie die Frage der Vormundschaft mit Stillschweigen überging. Aber während der Audienzen, die dem Gesandten gewährt wurden, kam zuletzt doch auch die Güstrower Frage mehrfach zur Sprache, und da zeigte sich, daß die schwedischen Reichsräte ohne Ausnahme auf Adolf Friedrichs Seite standen. Sie hielten ihn für die Vormundschaft berechtigt, aber sie überließen es ihm, seine Sache selbst zu verfechten. Ausdrücklich erklärten sie, daß Schweden ihm nichts in den Weg legen werde, aber als von Berg ihnen gerade heraus sagte, daß man in Güstrow den Kaiser oder vielmehr den Reichshofrat als Richter und Schweden zur Vollstreckung des Urteils gebrauche, und die Frage an sie richtete, wie sich das zusammen reime, suchte man hinter verlegenen Ausflüchten Schutz.

Von Berg bat dringend um eine schriftliche Antwort, aber er mußte sich mit dem Gehörten begnügen.

Die Regierung wollte offenbar ihrem Feldherrn, dem sie so viel verdankte, mit der größten Vorsicht begegnen. Auch im Beginn des nächsten Jahres kam von Berg bei Gelegenheit einer zweiten Sendung nicht zum Ziele. Die schwedische Regierung gab wohl ihr großes Mißfallen an dem Verlaufe des mecklenburgischen Vormundschaftsstreites kund, wollte sich aber nach wie vor nicht einmischen. Nur gab sie die Vertröstung, sie lasse die Kalvinisten in Güstrow nicht aufkommen und könne Herzog Franz Albrecht nicht gestatten, daß er in Mecklenburg sich aufhalte, geschweige denn, daß er dort Grundbesitz erwerbe. Ja,


1) Adolf Friedrich an von Berg, 28. März 1639. Suec. Vol. IV.
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im geheimen teilte sie mit, sie wolle ihn beim Kopf nehmen und wie den Feldmarschall von Arnim 1 ) aufheben, da er Konspirationen mit dem Feinde habe und Schweden feindlich gesinnt sei. Auch muß damals an die schwedischen Befehlshaber die Aufforderung ergangen sein, in dem mecklenburgischen Streit nicht weiter Partei zu nehmen, sondern sich neutral zu verhalten, wie ein Schreiben an den Kommandanten in Wismar aus dem Jahre 1640 beweist. 2 ) Dem ist dann auch Folge geleistet worden, und im Sommer 1640 ist die Schweriner Regierung wieder in den Besitz des Güstrower Schlosses gelangt. 3 )

Adolf Friedrich hat gegen die kaiserliche Entscheidung am 1. November 1639 in einer Schrift Berufung eingelegt, die den Titel "Deductio Causalium oder Deductio Nullitatis" führt und im Januar 1640 dem Kaiser selbst übergeben wurde.

Sie legte noch einmal, weitläufig ins einzelne gehend, Ursache und Verlauf des ganzen Handels dar und gipfelte in der Zurückweisung aller bisherigen kaiserlichen Mandate, weil sie rechtswidrig seien. "Ja, es mag . . . sein, was es wolle, dadurch Sie, kaiserliche Majestät, gegen mich verleitet und hintergangen, so ist und bleibet doch immer wahr und unbeweglich, daß, weil darauf me inaudito et non servato juris ordine verfahren, alles, was darauf gegen mich angeordnet, von keinem Bestande sei . . ." 4 )

Der Vorsitzende des geheimen Rates, der Graf von Trautmannsdorf, versprach auf des Herzogs Bitte, dessen Sache zu vertreten, sobald sie an den geheimen Rat komme. Auf die Verhandlungen im Reichshofrate einzuwirken, erklärte er sich außerstande. 5 )

Im März 1640 sandte Adolf Friedrich Dr. Abraham Kaiser, den nachherigen mecklenburgischen Gesandten auf dem westfälischen Friedenskongresse, zu dem Kurfürstentage, der nach Nürnberg berufen worden war. Hier ließ er seine Sache mit Nachdruck führen. Auch seine Bundesgenossen rührten sich tatkräftig für


1) Johann Georg von Arnim, geb. 1583 in Boitzenburg, nacheinander in schwedischen, polnischen, kaiserlichen und sächsischen Diensten, wurde 1637 auf seinem Schloß Boitzenburg aufgehoben und nach Stockholm in Haft gebracht, entfloh 1638, gestorben 1641 in Dresden. Vgl. Dr. G. Irmer, Hans Georg von Arnim. Leipzig 1894. Bes. Beziehungen zu Adolf Friedrich. p. 334 ff. und P. 343.
2) v. Bergs 2. Relation, Stockholm, d.29. August 1640. Suec. Vol. IV.
3) Inf. F. et J. p. 158.
4) Ded. Caus. Punkt 17. A. T. Vol. VII Fasc. I.
5) Schreiben vom 2. Nov. 1639. Vien.
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ihn. Von Christian IV. von Dänemark wissen wir, daß er noch am 14. April sich beim Kaiser wie beim Kurfürstenkollegium für den Herzog aufs wärmste verwandte.

Und endlich winkte ihm der Erfolg. Das Kurfürstenkollegium sprach sich nach Prüfung der Ansprüche beider Parteien für den Herzog aus und richtete an den Kaiser ein Schreiben zu seinen Gunsten.

Inzwischen hatte der Kurfürstentag in Nürnberg im Februar 1640 vom Kaiser die Berufung eines Reichstages gefordert, der dann noch im selben Jahre in Regensburg zusammentrat. Von Adolf Friedrich und dem Lande wurden der Kanzler Cothmann und ein Herr von Behr dorthin gesandt. Aber vergebens suchen wir diese im Theatrum Europaeum in der Liste zu der bekannten Abbildung der Session vom 3./13. September 1640. Wohl findet sich der Anhalter Gesandte Dr. Milagius und Zach. Quetz, die beide das Interesse Eleonorens vertraten, unter den Gesandten. 1 ) Auch hier wieder war die Witwe schneller gewesen, da sie nicht wie ihr Schwager Verhandlungen mit den Landständen zu führen hatte, um Geld bewilligt zu erhalten.

Quetz und Milagius taten übrigens bei Beginn des Reichstages im Interesse der Witwe einen Schritt, der zum Schaden Mecklenburgs gereicht und Verwirrung angerichtet hat.

Als sie mit ihrer Vollmacht und Legitimation etwas spät angekommen waren, hatten die vier Fürstenhäuser Baden, Württemberg, Hessen und Pommern 2 ) sich betreffs der Reihen=


1) Vgl. Bild und Namensliste bei Winter, G., Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Berlin 1893. [Oncken, Allgemeine Gesch. in Einzeldarstellungen.]
2) Wer vertrat Pommern auf diesem Reichstage, nachdem seit 1637 der letzte Stammesherzog verstorben war und Schweden wie Brandenburg Ansprüche erhoben? Wir wissen, daß auf dem späteren allgemeinen Friedenskongreß die pommerschen Landstände selbst zwei Bevollmächtigte in Osnabrück hatten (Dr. Fr. Runge und Markus von Eickstedt), die eifrig in Tätigkeit gewesen sind. Vgl. M. Wehrmann, Gesch. von Pommern, II. Bd., Gotha 1906 p. 137 ff. [Allgemeine Staatengeschichte, III. Abteilung, deutsche Landesgeschichten: V. Werk.] - 1640/1, während der Verhandlungen in Regensburg, finden sich unter den anwesenden Ständen zwei Pommern vertreten, P.=Stettin und P.=Wolgast, gemäß alter Gliederung. Vgl. Londorp, Acta Publ. IV, 866 bei Gelegenheit der ersten Sitzung u. ff. Wer vertrat sie? Weder Odhner a. a. O., Wehrmann a. a. O., O. Melmström, Bidrag till svenska Pommerns historia 1630-1653, Diff. Lund 1892, noch die sonst zitierte und herangezogene Literatur bringt Aufschluß darüber. Einen Hinweis, der allerdings Bestätigung verlangt, gibt nur Albert Georg Schwartz, Versuch einer
(  ...  )
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folge in Sitz und Stimme bereits auf eine gewisse Alternation geeinigt. Um nun nicht rückständig zu bleiben und zugleich, auf bequeme Weise den sich verspätenden Schweriner Rivalen den Rang abzulaufen, scheute Quetz sich nicht, am 11. und 12. September 1640 vor der zweiten Sitzung, als sei er für ganz Mecklenburg bevollmächtigt, mit Pommern, Württemberg, Hessen und Baden wegen der Session einen Vergleich einzugehen, der, allerdings ausdrücklich nur für diesen Reichstag gemeint, folgende Alternation der fünf Häuser einführte:

1.   Pommern,     Württemberg,    Hessen,    Baden,    Mecklenburg.
2.   W. B. M. H. P.
3.   M. W. P. H. B.
4.   P. W. M. B. H.
5.   W. H. B. M. P. 1 )

In der dreizehnten Sitzung am 1./11. Oktober 1640 protestierten die Gesandten Adolf Friedrichs, Kanzler Cothmann und Landrat Kurt Behr, die vierzehn Tage vorher eingetroffen waren, feierlich gegen eine Neuerung, die ohne Vorwissen Adolf Friedrichs geschehen und, da er Vormund für Mecklenburg=Güstrow sei, auch für diesen Landesteil keine Gültigkeit haben könne.


(  ...  ) Pommersch= und Rügiauischen Lehn=Historie, Greiffswald 1740, wo es unter dem Jahre 1640, pp. 1057/8, heißt: "Man war schwedischerseits bedacht, sich das Herzogtum Pommern und dessen zubehörige Lande sonst zu versichern . . . . Es räumte zwar der Kaiser den brandenburgischen Gesandten auf dem Regensburger Reichstage 1640 Sitz und Stimme wegen Pommern ein. Aber das konnte, bei gegenwärtiger der Sachen Bewandtnis, nicht entscheiden, wer Pommern haben oder behalten sollte." Schwartz beruft sich auf die ältere Arbeit von E. S. Schurtzfleisch, Origines Pommeranic., Wittenberg 1673, die in not. b zum § 9 ausführt: "A. 1641 Fridericum Wilhelmum Patris in septemviratu et Pomerania successorem, legatos ad comitia dimisisse, qui respectu ducatus Pomeraniae, Stettinensis et Wolgastensis, ratione quorum A. 1551 Duces ipsi pacti sunt mutuam successionem, sedendi suffragandique dignitatem habuerunt." - Nimmt man aber zu diesen Äußerungen, daß unter den Unterfertigten im Reichsabschiede 1641 für Pommern lediglich angegeben ist: "Vor wegen . . . . Friedrich Wilhelms . . . . als Herzogen in Pommern . . . . wegen Pommern=Stettin Urban Kaspar von Freilitsch, wegen Pommern=Wolgast Matthaeus Wesenbecius" (vgl. Neue . . . Sammlung der Reichsabschiede, Frankfurt a.M. bei E. Koch 1747, III 569) daß also zwei bekannte Brandenburger Beamte, die Gesandten des Kurfürsten hier als Vertreter beider Pommern sich finden, so ist das sich ergebende Resultat kaum noch zu bezweifeln. Schweden ist nachweislich nicht auf diesem Reichstage gewesen, und von Gesandten der pommerschen Landstände dort keine Spur. So. bleibt nur Brandenburg, und die übereinstimmenden Nachrichten bestätigen dies.
1) Londorp, Acta Publica, IV, 874, V. 724/25.
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Mecklenburg hatte seit alters die Oberstelle vor jenen vier Fürstenhäusern inne, 1 ) und die Schweriner Gesandten erhielten Befehl, den Reichstagsberatungen nicht eher beizuwohnen, als bis Quetz entfernt worden sei. Da dies nicht geschah und auch die vier alternierenden Häuser auf den Protest Mecklenburg=Schwerins nicht eingingen, so haben Behr und Cothmann an diesem Reichstage wohl überhaupt nicht teilgenommen. 2 ) Der hier entstandene Sessionsstreit aber spielte noch 1645 in Osnabrück eine traurige und für den schleppenden Gang der Friedensverhandlungen bezeichnende Rolle.

Es wirft einen Schatten auf die Anhalterin, daß sie neben diesen öffentlichen Bemühungen, die ihr keiner verdenken wird, auch Wege einzuschlagen suchte, die von Verleumdung und Doppelzüngigkeit nicht weit entfernt waren. Während sie Adolf Friedrich öffentlich beim Kaiser wegen vertraulicher und gefährlicher Korrenspondenz und Freundschaft mit Schweden anklagte, 3 ) soll sie durch ihre Leute und durch Gesandten der Generalstaaten ihn in Stockholm "einer sehr gefährlichen Correspondence und der Krone Schweden nachteiliger Consiliorum mit dem Kaiser und dem Könige von Dänemark" beschuldigt haben. 4 ) Aber jetzt nützte ihr weder großer Eifer noch Intrigue mehr. Der Bogen war überspannt worden und gesprungen, und mit jedem Augenblicke gewann der Schweriner Herzog in dem Streit um die Vormundschaft auch außerhalb der Landesgrenze an Boden. Wie die Dinge lagen, konnte der Kaiser es nicht gut auf einen Bruch mit den Kurfürsten ankommen lassen. Dazu war auch der ganze Handel nicht angetan. Im Januar 1641 setzte er in Regensburg eine Kommission mit der Aufgabe ein, den


1) Adolf Friedrich an v. Berg, 6./16. November 1640. Suec. IV. Vgl. Prodromus künftiger Refut. § 35 ff. (Hier finden sich Angaben über Mecklenburgs Stellung auf früheren Reichstagen.)
2) Vgl. Londorp, Acta Publ., Tom. IV und V, a. a. O. und IV, 914 ff. Die Schweriner Gesandten sind hier nach dem 11. Oktober in keiner Sitzung wiederzufinden, und so wird D. Franck wohl recht haben, wenn er (a. a. O. p. 245) berichtet, die Schweriner Gesandten hätten nicht stimmen, auch nicht den Reichsabschied unterschreiben wollen, weil sie mit den alternierenden Häusern, besonders mit Württemberg in Streit geraten seien. In den von ihm dafür angezogenen Stellen der Acta Publica findet sich freilich von diesem allem nichts. Vgl. auch de Beehr a. a. O. p. 1368 ff.
3) In der letzten Klageschrift, auf die sie noch ein kaiserliches Mandat vom 20. August 1640 aus Regensburg gegen den Herzog erreichte.
4) Adolf Friedrich an von Berg, 6. November 1640. Suec.
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Vormundschaftsstreit gütlich zu begleichen. Die Kommission, die aus Juristen bestand, unter denen sich der Reichshofratspräsident Freiherr von der Recke und der Vizereichskanzler Dr. Graf Kurtz befanden, hatte die Vollmacht, die Gesandten beider Parteien vor sich zu fordern, und sie, wenn möglich, zu versöhnen. 1 )

Sie stieß auf Schwierigkeiten, denn beide Parteien suchten jetzt ihr Recht in langatmigen Druckschriften zu erhärten. Eleonore in der Informatio Facti et Juris, der Schweriner Herzog im Prodromus und der Refutatio. Diese Druckschriften gingen auch den Kurfürsten zu. Nach genommener Einsicht entschieden diese in einem dem Kaiser eingereichten Gutachten vom Anfang des Jahres 1642 dahin, daß die Eingaben der Herzogin=Witwe unbegründet und Adolf Friedrich in der Vormund= und Regentschaft zu schützen und zu erhalten sei, bis ein gütlicher Ausgleich oder rechtlicher Austrag erfolge.

Damit waren alle bisherigen Handlungen des Herzogs gerechtfertigt. Nicht lange darauf kam Franz Albrecht bei einer Kriegsexpedition in Schlesien ums Leben, und damit schwand die Seele der Opposition. So lange er lebte, hatte Quetz auf seinen Befehl sich jedem Gedanken eines gütlichen Ausgleichs eifrig widersetzt. Auf das kurfürstliche Gutachten entschloß sich Ferdinand III., dem Könige von Dänemark, dem Kurfürsten von Brandenburg und dem Herzog Friedrich von Holstein aufzutragen, nochmals eine Aussöhnung zwischen Adolf Friedrich und seiner Schwägerin zu versuchen. Die Erteilung dieses Auftrags zog sich bis Januar 1643 hin, da für den Fall, daß der Ausgleich fehlschlüge, alle Akten beider Parteien zur gegenseitigen rechtlichen Auswechselung im Reichshofrate noch einmal zusammengeschrieben werden mußten. Außerdem fehlte es wieder am Gelde; die Schreibgebühren beliefen sich auf über 130 fl.; Adolf Friedrich sandte kein Geld; Pistorius mußte schließlich das Geld auslegen. Endlich am 2./12. August 1643 sandte Pistorius den Auftrag und die Prozeßakten nach Schwerin. Noch während des Jahres 1642 hatten, nach Franck, auf Adolf Friedrichs Ersuchen hin auch die mecklenburgischen Landräte und die Gesandten der Seestädte die Herzogin=Witwe zum gütlichen Vergleich zu bewegen gesucht. Sie hatten ihr vorgestellt, wie sehr die Residenz Güstrow darunter zu leiden habe, daß dort kein Fürst residiere. Schon damit Gustav Adolf in Güstrow weiter erzogen werden könne, müsse sie die Residenz räumen.


1) Vgl. Prodr. u. Ref. Beilage Nr.
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Als sie nun auch zu ihrem Schmerz sehen mußte, wie der Kaiser, der bisher ihre ganze Hoffnung gewesen war, seine Meinung änderte, brach wohl allmählich die Widerstandskraft dieser tatkräftigen Frau. Sie entschloß sich, Güstrow dem Gegner zu überlassen. Am 3. Juli 1644 konnte der Rat der Stadt Güstrow dem Herzoge Adolf Friedrich berichten, "daß die fürstliche Frau Wittibe sich gänzlich nach I. f. Gn. Wittiben=thuembs Ampt Strelitz begeben," und zwar in dem Augenblicke, als gerade der dänisch=schwedische Konflikt ausbrach, der den Streit von neuem anzufachen geeignet war.

Der Schweriner hatte gesiegt. Man würde fehlgehen, wollte man annehmen, daß nur persönliche Motive diesen Mann bewogen haben, seinen Willen so hartnäckig durchzusetzen.

 


 

Anhang I.

Der schwedische Gesandte in Hamburg Johann Adler Salvius an Herzog Adolf Friedrich I. von Mecklenburg=Schwerin, (Originale im Großherzoglichen Geheimen und Hauptarchiv zu Schwerin unter A. F.) Vgl. oben p 47.

1.                                                           Hamburg, den 2./12. Dezember 1637.

Durchlauchtigster . . . .

Nachdem Euer fürstlichen Gnaden Trompeter weg war, fiel mir ein, Euer fürstlichen Gnaden etwas näher zu advisieren, daß ich bin nicht allein mit Herrn Bielke in einer Commission zusammen, sondern habe noch eine ganz vollkommene, untadelhafte Vollmacht auf mich allein gerichtet, da der kaiserlichen Majestät gefiele, jemanden herabzuschicken, den Frieden ohne Weitläufigkeiten oder solemniteten zu schließen. Sollte nun der Herr Graf Kurtz bald an Euer fürstlichen Gnaden kommen, und Sie vernehmen würden, daß er raisonnable und annehmliche conditiones mitbrächte, benebenst einer untadelhaften Vollmacht vom Kaiser, bitte ich untertänigst mir solches eilends wissen zu lassen. Es ist aber hoch nötig, daß alles sehr geheim gehalten werde noch zur Zeiten. Denn sein Abzug von Wien ist schon in Frankreich, Holland, England kund worden, und werden selbige Könige und Staaten sich mächtig befleißigen, zu hindern, daß Schweden nicht absonderlich schließe. Maßen dann der französische Ambassadeur allhier

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mir schon sieben Tonnen Goldes offeriert, nur daß ich die Ratifikation ausliefern möge. Die Englischen erbieten sich auch auf ein ehrliches mit mir zu schließen . . . . Derowegen stehet nun alles darauf, daß Graf Kurtz bald komme, aber gute conditiones bringe. Sonsten wissen Euer fürstlichen Gnaden gnädigst wohl, daß das Geld ist unsern Armeen sehr lieb und nötig, und ich möchte deswegen bald Ordre kriegen, mit der Extradierung fortzufahren. Schweden kann die continuation des Krieges so gar hoch nicht schaden, als dem lieben Deutschland, bevorab anjetzo dem sächsischen Kreise! Derowegen solche momenta temporis hoch zu beobachten. Dieses aber alles deponiere ich so offenherzlich in sinum Euer fürstlichen Gnaden, bitte es secretissime zu halten.

 

2.                                                           Hamburg, den 29. Dez. 37/8. Jan. 38.

Durchlauchtigster . . . .

Euer fürstlichen Gnaden gnädiges Schreiben vom 23. Dezember habe ich den 28. dito spät zu recht erhalten und daraus mit mehrerem verstanden, daß Euer fürstlichen Gnaden Geheimeräte ins kaiserliche Lager an den Herrn Vizereichskanzler Graf Kurtz das bewußte geheime negotium zu fördern, abgefertigt, von deren Verrichtung Sie mir dann unverzügliche vertrauliche communication gnädigst verheißen, begehrende, daß ich inmittelst rem integram allhier behalten wolle, in guter Hoffnung, Gott werde Gnade und Segen zu einer allerseits gewünschten perfection verleihen. Zur untertänigsten Antwort dürfen Euer fürstlichen Gnaden ganz nicht zweifeln, daß die königliche Majestät und Krone Schweden zum rechtschaffenden Frieden wohl geneigt, inmaßen Sie denselben zu erlangen keine einzige occasion bishero aus den Händen gehen lassen. Sie stehen aber an ihrem Ort in großem Zweifel, ob auch dem Gegenteil ein gleichmäßiger Ernst dabei sei, weil er so gar langsam mit seiner Resolution einkommt und haben Euer fürstlichen Gnaden aus der eingeschlossenen kaiserlichen Erklärung vor Württemberg hochvernünftig abzunehmen, was Hoffnung von der Universalamnestie (so doch der prinzipalste Punkt im Frieden) übrig sein muß. Bishero habe ich noch alles allhier in integro behalten, ohnangesehen Frankreich und England durch ihre hiesigen Gesandten gleichsam täglich sehr hart das contrarium getrieben. Besorge aber sehr, dafern der Herr Graf Kurtz sich nicht bald mit genüglichen Conditionen herauslasset, daß ich es nicht länger werde halten können. Sage derowegen Euer fürstlichen Gnaden untertänig hohen Dank, daß Sie mir seine Erklärung gnädigst

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zusagen, bitte, daß solches so schnell wie möglich geschehen möge, damit ich daraus sehen könne, ob er auch zu solchem Friedenstraktat wie sich's gebühret, bevollmächtiget, und wie weit er in den Conditionen zu gehen ermächtigt, wonach die Resolutionen auch dieserseits alsdann gefasset werden müssen. Vorhin habe Euer fürstlichen Gnaden ich ratione loci an Lübeck gedacht, könnte es aber zu Hamburg sein, wäre es so viel besser und bequemer. Denn hier hat man beiderseits das Postwesen an der Hand, welches zur Förderung der Traktaten, da etwas hin und her zu referieren nötig, sehr dienlich ist. Ein E. Rat dieser Stadt hat auch schon ein logiment vor hochwohlgedachten Graf Kurtz bestellet, und da Euer fürstlichen Gnaden geruheten, jemand der Ihrigen dabei zu haben, könnte das ganze Werk so viel geschwinder durchgearbeitet und nächst göttlichem Beistande in der Stille abgehandelt werden. Wozu . . . .

 


 

Anhang II.

Der mecklenburgische Geheimsekretär zur Nedden berichtet über den Erfolg einer Gesandtschaftsreise nach Hamburg zu Salvius im Frühjahr 1638 an den Herzog Adolf Friedrich in der Relation vom 18./28. Mai 1638. (Original im Großherzoglichen Geheimen und Haupt=Archiv zu Schwerin unter A. F.) Vgl. oben p. 58.

Die folgende Stelle aus derselben bringt Äußerungen des Legaten, die, übertrieben oder nicht, die Stellung Mecklenburgs und des Schweriner Herzogs zum damaligen Kaiserhofe treffend kennzeichnen. "Er (Salvius) wolle nicht sagen, wie gefährliche consilia gegen Euer fürstlichen Gnaden selbsten vorgingen, des Stifts Bützow wären Sie nicht gesichert und würde es in kurzem eingezogen werden, die Komturei Mirow sollte auch in kurzem dem Grafen von Schwarzenberg eingeräumt werden. Die Lehen hätten Euer fürstlichen Gnaden noch nicht empfangen und sollten auch Euer fürstlichen Gnaden nicht belehnet werden, es seien denn allerhand höchst präjudicierliche Sachen versprochen.

In der Vormundschaftssache hätten Ihre fürstlichen Gnaden dem Kaiser einen Schimpf und Ungehorsam in nicht Abfolgung des Pupilli, wie am kaiserlichen Hofe vorgegeben würde, erwiesen; solche contumacia müßte mit Ernst gestraft und der Güstrowsche

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Teil von Ihrer kaiserlichen Majestät und deren Ministris selbsten administrieret, auch der fürstliche Pupillus von Ihro educieret werden. Die Elbzolle könnten und sollten nicht restituieret werden, die beschehenen Vertröstungen wären nur lautere Aufzüge, und wenngleich die Restitution auf eine Zeitlang, wie doch nicht zu hoffen, erfolgete, so würden doch solche Assignationes darauf geschehen, daß Ihre fürstlichen Gnaden nichts davon zu genießen hätten, zumalen dieselbe und deren Intraden von etlichen hochmeritierten kaiserlichen Offizieren auf eine Zeitlang schon ausgeboten und erhalten wären. Andere Gefährlichkeiten mit vorhabender Occupation Euer fürstlichen Gnaden eigener Residenzen diesmal zu geschweigen. Welches alles nicht effectuieret würde, weil die Schweden in totum noch nicht gedämpfet und sie sich die Gedanken machen, daß Euer fürstlichen Gnaden denselben leicht wieder zutreten möchten, von denen Sie mehr guts als von ihnen empfangen; Euer fürstlichen Gnaden hätten an etlichen benachbarten Kurfürsten und Grafen nicht gar gute Freunde und sich wohl vorzusehen, denn es würde viel Böses gegen Sie am kaiserlichen Hofe durch dieselben prakticieret . . .

. . Das Stift Bützow sei den Herzogen zu Sachsen zugesagt, wenn sie die Capitularen contentieren. Die Belehnung wird daher diffikultieret, weil Ihre fürstlichen Gnaden kaiserlichen mandatis in der Vormundschaft nicht parieren und den Herzog von Braunschweig, der den Pupillum abholen sollen, schimpflich abgewiesen, und wäre sonsten Eure fürstlichen Gnaden am kaiserlichen Hofe in dem Praedicament, daß Sie kein devoter Fürst wären; Mirow sollte conte de Negro Monte eingeräumt werden" 1 ) . . . .

 

Vignette

1) Nach der gleichlautenden Äußerung oben wohl kein anderer als Graf Schwarzenberg!
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II.

Die Begründung und Entwickelung
der kirchlichen Organisation Mecklenburgs im Mittelalter.

Von

Pastor K. Schmaltz , Sternberg.

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D ie Christianisierung Mecklenburgs ist von Wigger in seiner grundlegenden Arbeit über den ersten Bischof von Schwerin, Berno (M. Jbb. 28) behandelt worden. Auch andere, wie Ernst und Salow in ihren Arbeiten über die Germanisierung Mecklenburgs, Wiesener in seiner Pommerschen Kirchengeschichte zur Wendenzeit, haben sie gestreift, neuerdings wieder Rudloff im 3. Hefte der mecklenburgischen Geschichte in Einzeldarstellungen ihr längere Abschnitte gewidmet; über die ersten Anfänge des Bistums Ratzeburg haben wir eine wertvolle Arbeit von Hellwig (Jahrbb. des Vereins für Geschichte des Herzogtums Lauenburg VII, 2, 1 - 26). Aber alle diese Darstellungen, so manches sie bringen, über die eigentliche Christianisierung des Landes und der Bevölkerung verbreiten sie wenig Licht. Die Begründung der Bistümer und Domkapitel, der Übertritt der Landesfürsten, die mehr oder minder zwangsweisen Massentaufen der Bevölkerung bilden doch nur den Anfang derselben. Die eigentliche Christianisierung des Volkes aber beginnt erst da, wo es wirklich unter dauernde lokale Beeinflussung und Erziehung von Seiten der Kirche kommt, ohne welche die Massentaufen jeder Wirkung entbehren, mit anderen Worten erst dann und dort, wo Kirchen gebaut und Priester dauernd an ihnen stationiert werden, um die Erziehung des zwangsgetauften Volkes in die Hand zu nehmen. Wie und wann aber die Kleinarbeit der Kirchenerrichtung und Pfarrgründung begonnen hat, nach welchen Grundsätzen sie geschah, wie sie allmählich vorgeschritten ist, welchen hemmenden und fördernden Einflüssen sie unterlag, und zu welchem Ziele sie geführt hat, darüber bieten die bisherigen Arbeiten wenig genug.

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In diese Lücke möchte die gegenwärtige Arbeit eintreten, zugleich aber die Entwickelung des mecklenburgischen Parochialsystems im Mittelalter über das Ziel der Christianisierung des Landes hinaus bis zu seiner vollen Ausbildung verfolgen. Für einen Teil desselben, das Bistum Ratzeburg, sind wir dabei in der günstigen Lage, ein völlig ausreichendes urkundliches Material zu haben. Für das übrige Mecklenburg ist dieses leider recht lückenhaft. Indes wird es zum Teil ergänzt durch die steinernen Urkunden, welche die mittelalterlichen Kirchenbauten selbst darstellen, und die jetzt in dem großen Schlie'schen Werke für Mecklenburg=Schwerin vollständig beschrieben vorliegen. Freilich ist in der Ansetzung von Bauten rein nach Stilmerkmalen die größte Reserve zu beobachten - um nur eins zu nennen, ist Schlie meistens geneigt, die Bauten des Uebergangsstiles reichlich früh anzusetzen -Immerhin gewähren sie auch bei Beobachtung der größten Vorsicht für unsern Zweck manche dankenswerten Daten. Weiter aber lassen sich aus den Größenverhältnissen und der Lagerung der Kirchspiele mancherlei Schlüsse ziehen, wobei allerdings die Voraussetzung ist, daß im allgemeinen die Kirchspielsgrenzen unverändert geblieben sind, und das ist, wie ein Blick in das Ratzeburger Zehntregister von 1230 zeigt, in der Tat der Fall. Dasselbe ergibt sich aus dem Visitationsprotokoll von 1541/42, soweit dasselbe über die zu den einzelnen Kirchen eingepfarrten Ortschaften Auskunft gibt, was es allerdings nicht immer und auch dann bisweilen nicht vollständig tut. Veränderungen späterer Zeit sind meist nur Zusammenlegungen kleinerer Kirchspiele, wobei doch jeder Kirche die ihr zugehörigen Ortschaften geblieben sind. Neugründungen von Kirchspielen haben nach der Reformation so gut wie garnicht mehr stattgefunden. Es ist der Arbeit eine Kirchspielskarte von Mecklenburg beigegeben, auf der das Parochialsystem, wie es im Ausgange des Mittelalters war, rekonstruiert ist. Die Abweichungen desselben von dem heutigen sind ihres Ortes in der Arbeit begründet. Endlich lassen Sich auch noch aus den Patronatsverhältnissen gelegentlich wertvolle Schlüsse ziehen. Nimmt man alles dies zusammen, so dürfte auch für das Mecklenburg, welches nicht mehr zum Ratzeburger Sprengel gehört, soviel Material vorhanden sein, daß sich ein einigermaßen zuverlässiges Bild der Entwickelung herstellen läßt.

Über die Zitierungsweise in der nachfolgenden Arbeit bemerke ich, daß die Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde mit "M. Jbb.", das große Schlie'sche Werk: Kunst= und Geschichtsdenkmäler Mecklenburgs

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einfach mit "Schlie" zitiert werden, und daß die eingeklammerten Zahlen die Nummern der Belegurkunden im Mecklenburgischen Urkundenbuch (M. U.=B.) geben.

Seit der Katastrophe des Jahres 1066 waren die Wendenlande östlich der Elbe auf fast zwei Menschenalter wieder sich selbst und ihrem Heidentum überlassen gewesen. Das Vordringen der christlichen Kirche und der deutschen Macht war nicht nur ins Stocken geraten, sondern in eine Rückwärtsbewegung umgeschlagen. Der Elbstrom und die Sachsengrenze bildeten wiederum die Grenze beider. Allmählich aber bereitete sich in der Stille mit dem Wachsen der deutschen Volkskraft eine neue Vorwärtsbewegung gegen die Slavenländer vor. Bald nach dem Beginn des neuen Jahrhunderts finden wir die deutsche Macht überall wieder im Vordringen. Zugleich erwachte von neuem der Missionstrieb, der fast ganz geruht hatte. Noch auf den christlichen Polenkönig, der eben Pommern unterworfen hatte, gestützt, unternahm der zugleich von dem Eifer des Missionars und der praktischen Umsicht des Kirchenfürsten beseelte Bischof Otto von Bamberg im Jahre 1124 seinen ersten Missionszug in das Land der Pommern. Schon 4 Jahre darauf, bei seiner zweiten Reise, war es nicht mehr Polen, auf das er sich stützte, sondern die wachsende deutsche Macht, an deren Spitze der Sachsenherzog Lothar stand, der nach dem Tode des letzten Saliers auch die Königskrone gewonnen hatte. Die feierliche Annahme der christlichen Religion, Massentaufen und die Errichtung einer ganzen Anzahl von Kirchen war das erfolgreiche Resultat dieser beiden Missionszüge. Pommern galt seitdem als christliches Land. Freilich fehlte noch viel daran, daß es das in Wirklichkeit wurde; noch lange dauerte es, bis die mühsame Arbeit der Christianisierung des Volkes vollendet war, und noch am Ende des 12. Jahrhunderts klagte man in Dänemark, die Pommern hätten nur den Namen des Christentums, in Wahrheit seien sie noch Heiden. Immerhin war hier das Heidentum für immer gebrochen und schritt die Christianisierung, wenn auch langsam, so doch stetig fort. Zur selben Zeit (im Jahre 1126) begann im Westen Mecklenburgs der Bremer Kanonikus Vizelin seine Wirksamkeit unter den wagrischen Wenden Ostholsteins, freilich zunächst ohne nennenswerten Erfolg, bis das Erstarken des sächsischen Stammes und sein erneutes Vorwärtsdringen zu Anfang der vierziger Jahre des zwölften Jahrhundert die Kraft der Wagrier brach und eine umfangreiche Einwanderung deutscher Bauern die deutsche Herrschaft für immer sicherte. Von Süden

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her drängte die junge Kraft Albrechts des Bären von der Nordmark aus über die Elbe. Die Mark Brandenburg kam von neuem unter deutsche Herrschaft und die märkischen Wendenbistümer Havelberg und Brandenburg erwachten zu neuem Leben. Auch hier wie in Wagrien begann eine zahlreiche deutsche Einwanderung die wendische Bevölkerung zu durchsetzen, wurden Kirchen gebaut und das Land der christlichen Kirche gewonnen. So von allen Seiten isoliert, mußte endlich auch für Mecklenburg die Stunde schlagen. Unaufhaltsam drängten die Sachsen vorwärts; Wagrien war unterworfen. Unmittelbar darauf - um 1142 - besetzten sie das westliche Mecklenburg, das Land der Polaben, und errichteten hier eine neue Grenzgrafschaft, die Grafschaft Ratzeburg. Aber auch hier blieben Sie nur für kurze Zeit stehen. Zwanzig Jahre darauf ward das Obotritenland den sächsichen Marken hinzugefügt und organisiert und die Anerkennung der Hoheit des Sachsenherzogs bis zu dem pommerschen Demmin getragen. Auch hier folgte die Christianisierung der politischen Bewegung. Die alten, seit fast 100 Jahren ruhenden Bistümer Oldenburg, Ratzeburg und Mecklenburg erstanden von neuem. Wagrien zuerst, dann Polabien und endlich auch das östliche Mecklenburg ward Schritt für Schritt mit Kirchen und Priestern besetzt und der abendländischen Kirche hinzugefügt.

Mit der Christianisierung Wagriens begann diese große Vorwärtsbewegung der christlichen Kirche, von Westen nach Osten Mecklenburg durchdringend. Es ist dieselbe Bewegung, es sind dieselben Verhältnisse und Kräfte, welche sich hier und weiterhin auswirken. Es ist daher angezeigt, die Erörterung über die Christianisierung Mecklenburgs mit einer kürzeren Betrachtung Wagriens, von der uns Helmold ein anschauliches Bild gibt, zu beginnen. Mancherlei wertvolle Fingerzeige werden sich dabei für die weiteren Untersuchungen ergeben.

~~~~~~~~~~~

I.

Die Begründung der wagrischen Kirche

(Bistum Oldenburg=Lübeck).

Im Herbst 1126 war Vizelin als mit der Wendenmission beauftragter Sendling des Erzbischofs von Bremen (dedit ei legationem verbi Dei in Sclavorum gente vice sua idololatriam exstirpandi. Helmold I, 46) mit zwei Genossen in Lübeck bei

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dem Wendenfürsten Heinrich erschienen mit der Bitte um die Erlaubnis, innerhalb seines Gebietes

predigen zu dürfen. Heinrich, selbst ein Christ, hatte die drei opferwilligen Männer ehrenvoll aufgenommen und ihnen die Kirche in Lübeck - die einzige im Wendenbereich noch bestehende, und auch sie wie es scheint zur Zeit unbesetzt - zugewiesen. Alles hatte sich aufs beste angelassen. Jedoch ehe die Arbeit aufgenommen werden konnte, vereitelte der Tod Heinrichs (am 22. März 1127) das ganze Unternehmen. Seine Söhne gerieten in Krieg, wiederum war das Wendenland von Wirren erfüllt; Vizelin und seine Genossen konnten nicht wagen, das Werk anzugreifen.

Jahrelang saß er nun hart an der Grenze des Wendenlandes als Pfarrer seiner Wartestation Wippendorf im Gau Faldera mit der mühsamen Arbeit beschäftigt, die verwilderte halbheidnische deutsche Bevölkerung der Umgegend zu reformieren. Allmählich sammelte sich eine klösterliche Genossenschaft von Priestern und Laien um den heiligen Mann, die unter seiner Leitung in strenger Askese lebte und aus der sich das Stift Neumünster entwickelte. Aber mit der Predigt zu den Wenden zu gehen war keine Gelegenheit. Ein erneuter Versuch in Lübeck, wo die Priester an den dortigen sächsischen Kaufleuten immerhin einigen Halt und Schutz hatten, die Arbeit wieder aufzunehmen, scheiterte. Die beiden Sendlinge Vizelins, Ludolf und Volkward, hatten sich kaum dort niedergelassen, da machte ein räuberischer Überfall der Rügener den Ort in Flammen aufgehen. Die beiden Glaubensboten mußten sich glücklich schätzen, unversehrt nach Faldera entkommen zu sein. Auch die Herrschaft des Dänen Knut Laward über Wagrien war zu kurz, um eine wirkliche Besserung der Lage herbeizuführen. Über den Wiederaufbau der Kirche in Lübeck kam man nicht hinaus. Und kaum war Knut der Eifersucht seines Vetters zum Opfer gefallen (am 7. Jan. 1131), so waren die beiden truculentae bestiae, wie Helmold sie nennt, Pribislav und Niklot, die nach dem Tode der Söhne Heinrichs an der Spitze der Wagrier und Obotriten erschienen wieder oben auf, und an Missionstätigkeit war nicht zu denken.

Erst als Kaiser Lothar die Wenden wieder zur Unterwerfung gebracht hatte - das Jahr steht nicht genau fest; Jensen (Schleswig=holsteinsche Kirchengeschichte, I, 202) nimmt 1134 an - konnte wieder ein Schritt vorwärts getan werden, indem Lothar auf Vizelins Rat, nun schon im Wendengebiete, die Veste Segeberg anlegte und in ihrem Schutze ein Stift gründete, das er dem Vizelin überwies. Auch die nun von

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neuem wiederhergestellte Kirche in Lübeck ward ihm übergeben. Das neue Stift ward von Vizelin von Neumünster aus besetzt und gleich diesem zu einer Kongregation regulierter Priester ausgestaltet. So hatte man nun an zwei Stellen im Wendenlande Fuß gefaßt, an beiden unter dem Schutze der Deutschen, hier der Kaufmannskolonie, dort der Burgbesatzung und der sich um die Burg wohl bald ansiedelnden deutschen Bauern. Die Tätigkeit der Priester wird sich aber in der Hauptsache noch auf diese beschränkt haben, von Missionsbemühungen wird nichts berichtet und noch weniger von Erfolgen; mit Ingrimm sahen die Wenden auf den Kahlkopf, der dem Kaiser geraten hatte, ihnen die Zwingburg ins Land zu setzen. Der Fortschritt war demnach zunächst ein sehr bescheidener, und noch einmal sollte er wieder ganz in Frage gestellt werden.

Beide Stationen wurden von neuem zerstört, als Pribislav den nach dem Tode Kaiser Lothars ausbrechenden welfisch=staufischen Kampf zu einer erneuten Erhebung gegen die deutsche Herrschaft benutzte. Wieder ging das Suburbium von Segeberg in Flammen auf, mit ihm Kapelle und Stift. Sogar einer der Genossen Vizelins, der Priester Volker, fand dabei den Tod. Zur selben Zeit fiel Lübeck einem Einfall des Crutonen Race zum Opfer; es wurde zerstört. Glücklich entkamen die dortigen Priester nach Neumünster (1138). Nach fast zwölfjährigen Bemühungen stand somit die Christianisierung Wagriens wieder da, wo sie gewesen war, als Vizelin sie in Angriff genommen hatte. Aber dieser harrte aus, und nun erfolgte der Umschwung, freilich wohl in ganz anderer Weise, als er gehofft haben mochte.

Heinrich von Badewide, der als Lehnsmann des von König Konrad mit Sachsen belehnten Albrecht des Bären das Grafenamt in Holstein an Stelle des welfisch gesinnten Adolf von Schaumburg verwaltete, brachte ein Heer zusammen und durchzog im Winter 1138 /39 verwüstend das ganze Plöner, Lütjenburger und Oldenburger Land. Was er verschont hatte, zerstörten im folgenden Sommer die durch diesen Erfolg kühn gemachten holsteinischen Bauern. Auch der Burgwall von Plön, die Hauptveste Wagriens, fiel in ihre Hände und ward geschleift. Nach Helmold hausten sie so, daß das ganze Land zur Einöde wurde. So schlimm ist es nun freilich, wie aus anderen Notizen Helmolds hervorgeht, in Wirklichkeit nicht gewesen. Immerhin hatte sich die langaufgehäufte Erbitterung in einem furchtbaren Schlage Luft gemacht und war die Widerstandskraft des Wagrischen Wandervolkes fortan gebrochen, und als Graf Adolf

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im Gefolge des Frankfurter Friedens nach Holstein zurückkehrte, stand er vor der Aufgabe, die teilweise verödeten Striche Wagriens wieder zu bevölkern und endgültig der deutschen Herrschaft zu sichern. Er zeigte sich ihr gewachsen. Graf Adolf ist der erste Fürst, der in größerem Maßstabe eine deutsche Kolonisation auf wendischem Boden ins Werk gesetzt hat. Holsteiner, Westfalen, Holländer und Friesen siedelten sich auf seine Einladung in Wagrien an; Lübeck ward von neuem aufgebaut (im Jahre 1143). Nur die Umgegend von Lütjenburg und Oldenburg bis an die Kieler Bucht einerseits und die von Lübeck andererseits blieb von der Einwanderung vorläufig noch ganz unberührt. Hier hielt sich das unterdrückte wendische Volkstum noch lange Zeit. Die Umgegend von Plön aber blieb zunächst nach Helmold ohne Einwohner, was jedoch ebenfalls cum grano salis zu verstehen ist, verrät er doch selbst später, daß es an einer wendischen Bevölkerung nicht ganz fehlte.

Mit diesem Umschwung war nunmehr ein ganz neuer Boden geschaffen, auf dem Vizelin seine Arbeit wieder aufnehmen konnte. Freilich war sie nun zum guten Teil eine andere geworden; anstatt Wenden zu bekehren, hatte er jetzt in erster Linie für die kirchliche Versorgung der Einwanderer zu sorgen. Mit Hülfe des Grafen ward das Segeberger Stift in dem benachbarten Högersdorf wiederhergestellt, in Segeberg selbst aber eine Pfarrkirche gebaut und aus dem benachbarten Neumünster besetzt. Die weitere Tätigkeit Vizelins schildert Helmold mit den Worten: "Domnus quoque Vicelinus novellae ecclesiae sibi commissae sollers curator, omni studio enisus est, ut ecclesiae locis opportunis aedificarentur, providens eis de Faldera (Neumünster) tam sacerdotes quam reliqua altaris utensilia (I, 58). Giesebrecht nimmt danach (Wend. Gesch. III, 13) die tatsächliche Errichtung einer Reihe von Kirchen in den ersten Jahren nach 1143 an. Haupt jedoch (Vizelinskirchen S. 131) zieht das in Zweifel, fragt, wer denn diese Kirchen geweiht habe, und meint, diese ganzen Schilderung Helmold gehöre vielleicht doch erst in die Zeit nach 1149, als Vizelin Bischof geworden war. Indes steht doch schon nach Helmold, welcher (I, 69) erzählt, daß Vizelin sofort nach seiner Bischofsweihe die Stiftskirche zu Högersdorf, die Pfarrkirche zu Bornhöved und einen Altar in Lübeck geweiht habe, wenigstens die Gründung dieser Kirchen in der Zeit vorher fest, und die Tatsache, daß wir bei den 1147 von wendischen Streifscharen überfallenen Friesen in Süsel einen Priester namens Gerlav finden, unter dessen Führung sie sich

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tapfer in ihrer munitiuncula verteidigen, läßt darauf schließen, daß jene Einwanderer von Anfang an mit Priestern versehen waren, die sie entweder mitbrachten wie 1106 die von Erzbischof Friedrich in den Wesermarschen angesiedelten Holländer (cf. Jensen=Michelsen: Schlesw.=holst. Kirchengesch. I, 194 f.), oder durch Vizelin erhielten. Diese Friesen in Süsel scheinen nämlich damals erst vor kurzem eingerückt gewesen zu sein, da, als jener Überfall erfolgte, gerade der größere Teil derselben in die Heimat zurück gegangen war "propter ordinandum peculium illic relictum". Hatten diese Einwanderer aber Priester, so wird es auch sehr bald an schnell errichteten Holzkirchlein nicht gefehlt haben. Immerhin wird die Schilderung Helmolds nicht auf die ersten Jahre nach 1143 beschränkt werden dürfen, sie faßt die gesamte Tätigkeit Vizelins vom Beginn der Einwanderung bis zu seinem Tode kurz zusammen. Und wenn sie auch anfangs einen kräftigen Anlauf genommen haben mag, so kam sie doch bald genug wieder in's Stocken.

Das gute Einvernehmen nämlich, welches bis dahin zwischen Vizelin und dem Grafen geherrscht hatte, dauerte nicht lange. Die zwischen dem Herzoge und dem bremischen Erzstift bestehende Gegnerschaft hatte auch für die kirchlichen Dinge Wagriens die mißlichsten Folgen. In Bremen war 1149 der energische und hochstrebende Hartwig von Stade auf den erzbischöflichen Stuhl gelangt. Er war entschlossen, alles daran zu setzen, den alten Glanz desselben wiederherzustellen. Schon als Domherr hatte er die größten Opfer für denselben gebracht. Kaum zur Regierung gelangt, ging er daran, die drei seit einem Jahrhundert ruhenden slavischen Suffraganbistümer Bremens zu erneuern. Ohne sich zuvor mit der weltlichen Macht in Einvernehmen zu setzen, weihte er den Vizelin zum Bischof von Oldenburg, einen gewissen Emmehard für Mecklenburg; ein höchst unbesonnener Schritt, da er für die notwendige Dotation der erneuten Bistümer auf die Freigebigkeit der Fürsten angewiesen war. Und Heinrich der Löwe war nicht gewillt, irgend etwas in seinen Wendenländern geschehen zu lassen, zu dem er nicht seine Zustimmung gegeben hatte. Er antwortete sofort damit, daß Graf Adolf auf seinen Befehl dem neuernannten Bischofe alle Zehnten sperrte, und daß er die Forderung stellte, dieser solle das Bistum aus seiner, des Herzogs Hand empfangen - ein ohne Frage unbilliges Verlangen, da von Temporalien, welche der Bischof aus seiner Hand zu empfangen gehabt hätte, noch garnicht die Rede und es überdies

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ein neuer und unerhörter Eingriff in die Rechte des Königs war, wenn der Herzog die Verleihung des Bistums für sich beanspruchte. Vergebens bemühte sich Vizelin um die Freigabe der ihm zustehenden Zehnten. Da weder er noch sein Erzbischof in der Investiturfrage nachgeben wollten, war nichts zu erreichen und es kam wie Heinrich von Witha vorausgesagt hatte: facite voluntatem eius (des Herzogs), ut aedificentur ecclesiae in Sclavia et dirigatur cultus domus dei in manibus vestris; alioquin frustrabitur labor vester (Helmold I, 69). Der Kirchenbau, die Errichtung von Pfarren kam ins Stocken, überall fehlten die Mittel. Es konnten nur die schon begonnenen Kirchen zu Bornhöved und Lübeck sowie die Klosterkirche in Högersdorf vollendet werden. Ein Versuch, die direkte Missionierung der Wenden wieder aufzunehmen, hatte geringen Erfolg. Helmold (I, 69) berichtet, daß Vizelin in Oldenburg gepredigt und ein kleines hölzernes Sanctuarium in der Nähe des Burgwalles errichtet habe, aber nur wenige Wenden seien der Einladung zur Taufe gefolgt, und es hat den Anschein, als ob auch dieser Versuch nur vorübergehend war und nicht zur Errichtung einer ständigen Station in Oldenburg geführt hat. Eine Pfarre konnte nicht errichtet werden, da der Graf weder Pfarrhufen hergab noch die Zahlung des Wendenzehnten zuließ, und dem Bischof die Mittel fehlten, dort einen ständigen Priester aus seiner Kasse zu erhalten.

Schon nach einem Jahre sah sich Vizelin daher doch genötigt, den Forderungen des Herzogs nachzugeben; er empfing (Ende 1150) das Bistum "per virgam" aus seiner Hand. Zugleich schenkte der Herzog das am Ploener See gelegene Dorf Bosau und Graf Adolf gestand die Hälfte des Zehnten zu. Aber auch jetzt noch litt das Werk Vizelins unter der fortdauernden Gegnerschaft des Herzogs und des Erzbischofes, und Graf Adolf war ebenfalls kein eifriger Förderer desselben; ihn mochte es von vornherein widerwillig machen, daß die zu erwartende Dotierung des Bistums garnicht anders als auf seine Kosten geschehen konnte. So kam es denn auch, daß diese immer wieder hinausgeschoben wurde, und Vizelin auf Bosau angewiesen blieb. Hier hatte er aber sogleich Kirche und Pfarre errichtet und einen seiner Genossen, den Priester Bruno, als Pfarrer hingesetzt. Wie oben bemerkt, war der pagus Plunensis, zu dem auch Bosau gehörte, nach Helmold bis dahin verödet (desertus) geblieben, d. h. er besaß wohl nur eine spärliche wendische Bevölkerung. Nun aber zogen nach und nach auch hierher deutsche Ansiedler und besetzten die

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umliegenden Orte. Fleißig predigte ihnen Vizelin und ermunterte sie, in der von Räubereien der Wenden unsicheren Gegend auszuhalten. Von eigentlicher Wendenpredigt ist wiederum nicht die Rede. (Helmold I, 75).

Es war die letzte Tätigkeit Vizelins; ein erneuter Schlaganfall, den er im Juni 1152 erlitt (Böhmer: Vizelin S. 68), fesselte ihn für den Rest seines Lebens ans Lager. Am 12. Dezember 1154 starb er zu Neumünster.

In demselben Jahre war endlich der Streit um die Investitur der Wendenbistümer zwischen dem Erzbischof und Herzog auf dem Hoftage zu Goslar zu einem vorläufigen Entscheid gekommen. König Friedrich gestand seinem Vetter, Heinrich dem Löwen, auf dessen Macht er sich stützte, das von ihm beanspruchte Recht der Investitur zu. So war es denn der Herzog, der nach Vizelins Tode den Nachfolger bestimmte. Er übertrug das Bistum dem Braunschweiger Domscholastikus Gerold, und obgleich der Erzbischof diesem die Konsekration weigerte, erschien er im Winter 1155/56 in seinem Bistum und nahm die Verwaltung desselben in die Hand.

Er begann seine Amtsführung damit, daß er das Epiphaniasfest in Oldenburg beging. Es sah dort noch immer trostlos aus. Die Stadt war gänzlich ohne Bewohner und hatte nur jenes kleine, von Vizelin gebaute, verlassene Kapellchen. Nur wenige Wenden fanden sich zur Festfeier zwischen den Schneehaufen, die es umgaben, ein, unter ihnen der alte Pribislav, dessen Einladung auf seinen benachbarten Sitz der Bischof folgte. Von da aus drang er weiter in das noch von Wenden bewohnte Gebiet vor, zerstörte einen Hain des Prove und versuchte schließlich auf einer Versammlung zu Lübeck das Wendenvolk zur Annahme der Taufe zu bestimmen. Charakteristisch und bekannt sind die bitteren Klagen über die unsichere Lage und die unerträgliche Bedrückung, mit denen seine Aufforderung beantwortet wurde. Der alte Pribislav erklärte, wenn hier Erleichterung eintrete, wenn man den Wenden sächsische Rechte geben wolle, so seien sie bereit, das Christentum anzunehmen und die kirchlichen Pflichten und Lasten - Kirchenbau und Zehnten - zu leisten. Davon aber war nicht die Rede. Auf einer herzoglichen Provinzialversammlung in Artlenburg wurde noch einmal über die Christianisierung der Wenden verhandelt, aber daran, ihre Lage zu erleichtern, dachte man nicht. Der Herzog, dessen Kassen infolge des eben beendeten Römerzuges leer waren, bedurfte des Geldes und so wurden die Wenden weiter ausgesogen. Daß

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unter diesen Umständen ihre Christianisierung nur geringe Fortschritte machen konnte, ergibt sich von selbst. Dagegen erreichte Gerold jetzt vom Herzog und Grafen eine wenn auch schmale Dotation des Bistums, die letzterer dem Bischof um Eutin anwies; es war eine schon - von Holländern - besiedelte Gegend, und daher war in Eutin schon eine Kirche vorhanden. Auch in Oldenburg selbst wurde jetzt eine Pfarre errichtet und ein ständiger Pfarrer dorthin gesetzt, jener Bruno, der früher Pfarrer in Bosau gewesen war, aber nach Vizelins Tode das Wendenland wieder verlassen hatte - ein nicht sehr günstiges Zeichen für die Ausdauer und Zuversicht der Gehülfen des Wendenbischofs. - Zum erstenmal hören wir hier jetzt wieder von eigentlicher Missionsarbeit. Helmold erzählt von Bruno: vocavit gentem Sclavorum ad regenerationis gratiam, succidens lucos et destruens ritus sacrilegos (I, 83). Zum Begraben ihrer Toten auf dem Friedhofe und zum Besuch des Gottesdienstes mußten sie freilich durch den Befehl des Grafen gezwungen werden, und auch die Unterweisung scheint mangelhaft genug gewesen zu sein. Da Bruno die wendische Sprache nicht beherrschte - dabei gehörte er zu Vizelins Genossen und war schon Pfarrer unter den Wenden gewesen! - las er ihnen in derselben aufgeschriebene Predigten vor. Immerhin war es doch etwas, was geschah. Ja, wahrscheinlich war es noch viel, wenn auch nur in dieser Weise etwas für die Bekehrung der Wenden getan wurde. Helmold würde es wohl kaum des Berichtens für wert gehalten haben, wenn er nicht darin schon eine hervorragende Leistung gesehen hätte. Indes fühlte sich der einsame Priester unter der wendischen Bevölkerung so unglücklich, daß auf sein Bitten Graf Adolf die Stadt zu einer sächsischen Kolonie machte: "ut esset solatium sacerdoti de populo, cuius nosset linguam et consuetudinem." Nun kam es auch zum Kirchenbau: et factum est hoc (die Anlegung der Kolonie) novellae ecclesiae non mediocre adiumentum. Siquidem aedificata est ecclesia honestissima in Aldenburg . . . . et dedicata est ecclesia a pontifice Geroldo . . . . ."

Nach Grundlegung der Oldenburger Kirche bestimmte Gerold den Grafen zur Errichtung einer Kirche (Alten=Krempe) im Gau Süsel. "Crevit igitur opus Dei in Wagirensi terra, et adiuverunt se comes et episcopus ope vicaria (I, 83). In bestem Einvernehmen mit einander bestimmten sie weiter in Lütjenburg und Ratekau "atria aedificandis ecclesiis, alle drei Kirchen in noch von Wenden bewohntem Gebiete. Helmold

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schließt die Schilderung, nachdem er den Wiederaufbau der Burg und die Gründung der Stadt Ploen, wo ebenfalls, wie aus I, 94 hervorgeht, zu Ende der Regierungszeit Gerolds eine Kirche bestand, berichtet hat, mit dem Satze: "et recesserunt Sclavi, qui habitabant in oppidis circumiacentibus et venerunt Saxones et habitaverunt illic. Defeceruntque Sclavi paulatim in terra" (I, 83).

Im Jahre 1163 erlebte Gerold noch die Einweihung des Domes zu Lübeck, wohin seit etwa 1160 der Sitz des Bistums verlegt worden war, und die Errichtung des dortigen Domkapitels. Im selben Jahre starb er. Von seinem Nachfolger Conrad berichtet Helmold nicht, daß er die kirchliche Einrichtung seines Sprengels weiter ausgebaut habe, und in den Jahren des wieder ausgebrochenen Investiturstreites, welche der Bischof, von der Übermacht des Herzogs gezwungen, als Verbannter fern von seiner Diözese zubringen mußte, wird auch nichts in dieser Richtung geschehen sein. Erst als Conrad im Herbst 1168 sich dem Herzog unterwarf und nun zurückkehren durfte, ward die Lage wieder günstiger. Mit dem Jahre 1171 bricht dann Helmolds Chronik ab; sein Fortsetzer Arnold läßt uns leider über den weiteren Fortschritt der Kirchenerrichtung im Dunkeln. Erst bei Bischof Dietrich (1186-1210) erwähnt er flüchtig (V, 11) "consecrationes ecclesiarum", jedoch ohne jede genauere Angabe.

Was nun das nähere bei der Errichtung dieser Kolonisationspfarren betrifft, so war man nicht ohne Vorgang. Bei der seit einigen Menschenaltern auf altdeutschem Boden in den zahlreichen Wald= und Marschgegenden kräftig vorwärtsschreitenden inneren Kolonisation scheint sich bereits ein ziemlich feststehendes Herkommen für die Errichtung von Kirchen gebildet zu haben. Als Erzbischof Friedrich von Bremen im Jahre 1106 einen großen Teil der Wesermarschen zur Besetzung und Urbarmachung durch unter Erbzinsrecht anzusetzende Bauern an ein Konsortium von 6 holländischen Unternehmern vergab, wurde sofort auch die kirchliche Versorgung der neuen Siedelungen in's Auge gefaßt; die Ansiedler dürfen Kirchen bauen wie sie wollen, haben sie aber mit je einer Hufe zu dotieren; der Erzbischof gibt zu ihrem Unterhalt nur den Zehnten des Zehnts dazu. Die Ansiedler bringen ihre eigenen holländischen Priester mit (cf. A. Meitzen: Siedelung und Agrarwesen der Westgermanen u(c). II, 344 ff). Ebenso wirft Erzbischof Wichmann von Magdeburg, als er 1159 Flamänder in Gr.=Wusterwitz ansiedelt, eine Hufe für die zu erbauende Kirche aus. Ebenso verfährt er bei der Besiedelung

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von Pechau, und Abt Arnold von Ballenstedt macht es bei der Besetzung von Naundorf an der Muldemündung mit Flamändern nicht anders. Beachtenswert ist, daß diese Bestimmungen schon im voraus bei dem Abschluß mit den Unternehmern, welche die Ansiedler zu beschaffen haben, getroffen werden, bei der Besetzung also sofort eine Pfarrhufe reserviert wird. (Die betr. Urkunden sind abgedruckt in Heinemann: Albrecht der Bär. S. 468 ff. Nr. 39, 40, 41). Ja, die kirchliche Versorgung der Ansiedler gehörte so sehr zu den notwendigen Bedingungen, daß 1171 der Abt von Helmarshausen bei seinem Bischof darum anhalten mußte, daß er das vom Kloster mit großen Kosten neu angelegte Dorf Langenthal (Kreis Hof=Geismar) aus dem entfernten Herstelle aus= und in das nähere Deisel einpfarre, da die Ansiedler "gravi labore longioris viae" abgeschreckt werden würden und dann das Kloster die Kosten der Rodung umsonst gemacht habe (Meitzen a. a. O. II, 325). Der Kirchenbau selbst liegt, wie jener Vertrag von 1106 zeigt, und wie sich auch aus den anderen Urkunden ergibt, den Ansiedlern selbst ob; er ist nicht Sache des Bischofs oder des Grundherrn.

Standen nun die Einzelheiten der Pfarrerrichtung im Mutterlande bereits herkömmlich fest, so handelte es sich in Wagrien nur um ihre Übertragung auf die Verhältnisse der wendischen Kolonisationsgebiete. Wir finden darüber bei Helmold zwar nur einige wenige zufällige Notizen, doch genügen sie, um die Sache klarzustellen.

Nach dem Rat, den Heinrich v. Witha dem Vizelin gibt (I, 69), ist dieser bei dem Bau von Kirchen von dem guten Willen des Herzogs resp. des Grafen abhängig. Zu Gerolds Zeit finden wir, daß dieser zusammen mit dem Grafen atria aedificandis ecclesiis bestimmt. Damit stimmt, daß nach der epistula Sidonis Vizelin für einige Orte den Bau von Kirchen bestimmt hat. Die Errichtung eines Kirchspiels und die Bestimmung des Kirchortes war also zunächst Sache des Bischofs; da aber in dem eroberten Lande der Herzog, oder an seiner Stelle der Graf der Eigentümer des gesamten Grund und Bodens war, so war der Bischof faktisch auf den guten Willen dieses angewiesen, der Grund und Boden zum Kirchenbau wie zur Ausstattung der Pfarre zu geben hatte. Ja, wie wir schon im voraus sagen können, da das Kirchen= und Pfarrgut nicht Lehen sondern Eigentum sein mußte, fast alles Land aber, auch wo es nicht direktes Eigentum des Grafen war, doch von ihm zu Lehen ging, so war, was allerdings für diese älteste Zeit noch

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kaum in Betracht kommt, auch der ritterliche Grundbesitzer, der zu einer Pfarrgründung willig war, an die Zustimmung des Landesherrn gebunden, der das Eigentum an der Pfarrdos schenken mußte, und der dabei sich häufig das Patronat vorbehielt.

Was dann den Kirchenbau selbst anbetrifft, so spricht der Brief Gerolds an die Bauern ("universi cives ad ecclesiam Burnhovede pertinentes") der Bornhöveder Gemeinde (I, 91) von ihrem Eifer "in construendis ecclesiis", während sie in der Zahlung des Zehnten säumig seien. Die Baupflicht lag also auch hier nicht dem Patron, d. h. in jener ältesten Zeit zumeist dem Landesherrn, oder dem Bischof ob, sondern den Gemeinden.

Hatte aber die Gemeinde die Baupflicht, so mußte von vornherein feststehen, wer zur Gemeinde gehörte, und so ergibt sich, wenigstens für die deutschen Gemeinden, daß das Kirchspiel sofort bei seiner Einrichtung nach außen abgegrenzt wurde. Auch die Zehntpflichtigkeit machte das notwendig, und überdies war im übrigen Deutschland, aus welchem die Kolonisten kamen, die feste Pfarreinteilung schon längst so eingebürgert, daß eine Zugehörigkeit zur christlichen Kirche ohne die zu einer bestimmten Kirche undenkbar erschien. Sie ist denn auch hier, wie die obenerwähnte Adresse jenes Schreibens an die Bewohner von Bornhöved zeigt, selbstverständlich. Wie es in dieser Beziehung in den rein wendischen Gebieten stand, erhellt aus Helmold nicht.

Was endlich die Frage betrifft, woher der Klerus der neugegründeten Pfarren kam, so hat man meist angenommen, daß die Ansiedler sich ihre Priester mitgebracht hätten, wie es nachweisbar z. B. jene Holländer taten, die Erzbischof Friedrich um 1106 in der Wesermarsch ansiedelte. Nach Helmold scheint es hier jedoch kaum so, wenigstens erzählt er, wie Vizelin um die kirchliche Versorgung der Ansiedler bemüht gewesen sei: providens eis de Faldera tam sacerdotes quam reliqua altaris utensilia. Hiernach wäre wenigstens die Mehrzahl der Priester unter Vizelin aus Neumünster hervorgegangen, und auch jener tapfere Süseler Priester Gerlav (I, 64), den man als einen von den Ansiedlern mitgebrachten in Anspruch nehmen zu können glaubt, kennt den Charakter der Wenden viel zu gut, um weit her zu sein. Die übrigen aber, die Helmold nennt, stammen alle aus dem Neumünster=Segeberger Kreise. Vizelin mußte sich also in der Hauptsache seinen Klerus erst selbst heranziehen. Dem entspricht denn auch, daß, als Neumünster sich nach Vizelins Tode von dem neugegründeten Bistum trennte - wie es ja von vornherein zu Hamburg gehörte -, und nun die Segeberger

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Kongregation die einzige im Bistum war, sofort Mangel an Priestern eingetreten zu sein scheint. Wenigstens erreichte Gerold bei seinen vergeblichen Bemühungen Neumünster zurückzugewinnen doch dies, daß der Erzbischof dem Präpositus von Neumünster befahl: "ne penitus retraheret manum a subsidio novellae ecclesiae huius (Gerolds) sed subveniret episcopo tam in personis quam in ceteris adiumentis." Und Gerold machte sofort davon Gebrauch, indem er Oldenburg und Altenkrempe - allerdings beides Wendenpfarren - mit Neumünsterschen Klerikern besetzte.

Überblicken wir nun, was sich um 1171 nach Helmold als das Resultat 45jähriger Arbeit darstellt, so sind es, abgesehen von jener allgemeinen Bemerkung über Kirchenbauten aus den vierziger Jahren, nicht viel mehr als zehn Pfarrkirchen, die sich als bestehend nachweisen lassen und zwar: I. aus Vizelins Zeit: (Neumünster scheidet, weil nicht zum Bistum gehörig aus) Segeberg, Lübeck, Bornhöved, Bosau und vermutlich Süsel und Eutin. II. aus Gerolds Zeit: Oldenburg, Altenkrempe, Plön, Lütjenburg, Ratekau. Indes können das unmöglich alle Kirchen sein, die bis dahin existierten. Schon der Umstand, daß die ganze Umgegend von Ahrensboek, in welcher man den Pagus Dargunensis Helmolds sieht, und welcher nach ihm mit Westfalen besiedelt war, danach ohne Kirche sein mußte, zeigt, daß wir noch weitere Kirchen zu suchen haben - Kirchen, die sich vermutlich unter jener allgemeinen Bemerkung Helmolds verbergen, und hier bieten uns die versus antiqui de Vizelino eine erwünschte Ergänzung:

"ecclesiis positis accrevit turba fidelis
Aldenburg, Sarow, Plunen, Burnhavede, Bosow
cum Zlameresthorp, Suslen, Wensina, Todeslo."

Dazu erwähnen sie den Porokensis Ecbrecht, doch vermutlich den Priester von Preetz. Endlich sagt die epistula Sidonis, daß Vizelin selbst die Kirchen von Segeberg, Högersdorf, Lübeck, Bornhöved und Oldesloe geweiht und vor seinem Weggange (wohin?) die Plätze für einige andere bestimmt habe. Hiernach würden für Vizelin noch folgende 6: Sarau, Schlamersdorf, Warder (=Wensina), Oldesloe, vielleicht Preetz, und das, wie es nach Helmold scheint, aber auch nur scheint, erst Gerold zugewiesene Ploen in Anspruch zu nehmen sein. Doch beanspruchen auch diese Notizen nicht alle Kirchen Vizelins zu geben; unmöglich könnten sonst in den versus Segeberg und Lübeck fehlen.

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Nun ist freilich die Glaubwürdigkeit dieser Nachrichten arg angefochten und auch Jensen (I, 206, abgeschwächt II, 288) zweifelt noch. Indes hat es R. Haupt (Die Vizelinskirchen, 1884) von baugeschichtlichen Unternehmungen ausgehend unternommen, nicht nur diese, sondern noch eine ganze Reihe weiterer Kirchen dem Vizelin mit großer Zuversicht zu vindizieren. Es sind dies die Kirchen zu Lebrade, Selent, Neukirchen, Pronstorf, Ratekau, Leezen, Gleschendorf, Eutin, Curau und Gnissau, sodaß also dem Vizelin allein 22 Kirchen zuzuschreiben wären. Indem wir diese Aufstellungen Haupts und seine Beweisführung prüfen, wird sich, wie ich hoffe, auch die Glaub- oder Unglaubwürdigkeit jener angezweifelten Nachrichten herausstellen.

An den Granitkirchen Bosau, Warder, Pronstorf, Ratekau, Süsel und Neukirchen, welche bei ziemlich gleichen Maßen die völlig übereinstimmende Anlage, gewölbten quadratischen Chor mit halbrunder Apsis, breiteres flach gedecktes Gemeindehaus und runden Westturm, zeigen, sowie an den größeren mehrschiffigen Ziegelbauten der Kirchen von Neumünster, Oldenburg, Segeberg, Lübeck (Dom) und Eutin und ihrer engen Verwandtschaft untereinander erweist Haupt die Existenz einer von Segeberg ausgehenden planvollen und einheitlichen Bautätigkeit rein romanischen Stils, die sich von allen jüngeren Bauten deutlich abhebt, einesteils durch die eigentümliche Anlage der aus Granitfindlingen erbauten Landkirchen, andrerseits durch die Anwendung des reinen Segeberger Gipses als Mörtel, und eine in diesem Material arbeitende Stucktechnik. An diese abgeschlossene Gruppe von Kirchen schließen sich als mehr oder minder sicher auch zu ihr, und zwar 1) zu den Granitkirchen gehörig Bornhöved, wo nur das Schiff, Sarau und Preetz, wo nur die Chöre teilweise noch erhalten sind, Selent, wo das Schiff noch aus Granit und in den charakteristischen Maßen von 10 . 16 m besteht, Leezen, dessen abgerissene Kirche nach Bildern und Notizen wohl hierher zurechnen ist, Lebrade, dessen alte Granitkirche zwar nicht mehr steht, das aber "ganz von Anfangskirchspielen eingeschlossen" ist, Curau, dessen abgebrochene Kirche aus Feldsteinen mit Gipsmörtel bestand, und endlich die ehemalige Kirche von Gleschendorf, die ebenfalls aus Granit war und eine "runde" Apsis hatte. Endlich gehört hierher die eigentümliche auf dänische Vorbilder zurückgehende Rundkirche von Schlamersdorf. An die Ziegelbauten schließen sich vermutungsweise: Ploen, Oldesloe und sehr unsicher Gnissau, deren alte Kirchen nicht mehr erhalten sind.

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Unter diesen baulich ältesten Kirchen des Bistums sind, soweit der noch vorhandene Bestand es feststellen läßt, sämtliche von Helmold, Sido und den versus als von Vizelin erbaut bezeichneten Kirchen, dazu noch ein Ueberschuß von 8 weiteren, von denen wenigstens 3 (Pronstorf, Ratekau, Neukirchen) mit Sicherheit zu dieser Gruppe gehören, und daher, wenn die ersteren Vizelinsgründungen sind, mit höchster Wahrscheinlichkeit ebenfalls ihm zuzuweisen sind. Haupt tut dies denn auch, von folgender Erwägung ausgehend: "Wann sind unsere Bahnhöfe gebaut? In der Regel, als die Eisenbahnen angelegt wurden, und die Kirchen, als die Leute Christen wurden und kirchliche Ordnung erhielten. Die Einführung kirchlicher Ordnung im westlichen Teile Wagriens unter Vizelins Bistum fand statt 1149-54; daß die von ihm geordneten Gemeinden auch damals ihre Kirchen erhielten, ist der nächste Schluß." Ganz richtig! nur fragt sich, ob die gegenwärtig noch stehenden Kirchengebäude wirklich aus Vizelins Zeit stammen und nicht etwa alle oder teilweise erst an die Stelle der ersten, bei der Einführung kirchlicher Ordnung errichteten Bauten getreten sind. Läßt es sich wahrscheinlich machen, daß eben diese Bauten Werke Vizelins sind?

Deutlich läßt sich innerhalb der von Haupt umgrenzten Gruppe von Bauten eine innere Entwicklung erkennen, nach welcher die Segeberger Kirche infolge ihrer unentwickelten Stucktechnik zeitlich vor die aus Feldsteinen erbauten Landkirchen zu stehen kommt, welche diese in ausgebildeter Form zeigen (Beispiele: Bosau, Neukirchen, Süsel. (cf. Haupt, S. 77 u. 51 f.) Ebenso steht die Segeberger Kirche am Anfange der Ziegelbauten und ist der Lübecker Dom, die Eutiner Kirche und vielleicht auch die Oldenburger ebenfalls als jünger zu betrachten (S. 80 f. cf mit 43 ff. und 53 f. 64 ff.).

Durch diese Beobachtung sieht sich Haupt genötigt, mit dem Bau der Segeberger Kirche "in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts" hinaufzugehen. Er ermöglicht dies durch eine Untersuchung über das erste Auftreten des Ziegelbaus in unseren Gegenden. Indem er dann Helmolds Notizen über Segeberg betrachtet, kommt er zu dem Resultate: "sie ist nicht 1156, nicht 1147, nicht 1139-40 gebaut, sondern 1134-38 auf des Kaisers Anordnung, also, worauf auch ihr baulicher Charakter hinweist, von Sachsen" (p. 144 f.). Allein er muß dabei zu bedenklichen Mitteln greifen. Freilich, daß 1138, wie er annimmt, bei der Zerstörung des suburbium von Segeberg, wobei nach Helmold (I, 55) ibi oratorium novum et monasterii recens structura

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igne consumpta sunt, die Mauern und Gewölbe der Steinkirche stehen geblieben seien, ist nicht undenkbar. Aber die Deutung des Satzes "Porro forensis ecclesia in curam parrochiae ad radices montis posita est" (I, 58) "Die Pfarrkirche also hatte der Bischof vom Kloster getrennt. Er legte sie zur Stadt, d. h. ließ sie bei der Stadt", entspricht kaum dem, was Helmold sagen will. Existierte schon eine forensis ecclesia im Unterschiede vom Oratorium des Klosters, so brauchte sie nicht erst ad curam parrochiae gelegt zu werden, und überdies müßte man bei dieser Deutung des posita est das ad radices montis zu parrochiae ziehen - eine höchst eigentümliche Bezeichnung der Parochie; gehörte denn die Burg nicht zu ihr? und die umliegenden Dörfer? - Helmold kann nur sagen wollen: es wurde nun für den Markt Segeberg eine eigene Pfarrkirche am Fuße des Berges erbaut. Dann aber ist jenes erste Oratorium im Brande von 1138 nach Helmolds Ansicht wirklich untergegangen. Wir werden also zunächst sagen müssen, daß die Kirche frühstens damals, nach 1139, erbaut worden ist. Nun gesteht aber Haupt selbst, "daß es überkühn erscheint, eine gewölbte romanische Basilika dieser Art in diesen Gegenden so bestimmt der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts zuzurechnen". Und m. E. ist es durchaus unwahrscheinlich, daß ein solcher Bau sofort am Fuße einer in unsicheres, halbunterworfenes Gebiet vorgeschobenen, eben errichteten Befestigung entstanden sein soll. Wenn man bedenkt, wie lange es z. B. in Schwerin oder Doberan dauerte, bis es zu ansehnlicheren Bauten kam, wird man diese frühe Ansetzung schon aus diesem Grunde als unglaublich zurückweisen müssen. Ja selbst 1139/40 scheint dafür noch reichlich früh. War es, wie Helmold berichtet, eine Pfarrkirche, welche damals erbaut wurde, so hatten (vergl. S. 97 f.) die Pfarrkinder die Baupflicht. Schwerlich aber werden diese sobald nach den Verwüstungen Pribislavs und vor dem eigentlichen Beginn der deutschen Einwanderung in der Lage gewesen sein, einen so stattlichen Bau zu errichten. Vermutlich wird man noch weiter herunter zu gehen und den Beginn des Baues in das Jahr 1156 zu setzen haben. I, 83 erzählt Helmold nämlich von Gerold: Quia autem congregatio clericorum non habebatur in Aldenburgensi episcopatu, praeter eam quae erat Cuzeline, . . . . annuente duce fecit eos transmigrare Segeberch ad locum primae fundationis, quatenus in sollempnitatibus, quando pontificem oportet esse in populo, haberet in clero supplementum . . . . . Et fecit illic domum episcopus. Da

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Oldenburg zu abgelegen war, hatte offenbar Gerold zu Anfang seines Episcopats, ehe er den Gedanken der Verlegung seines Sitzes nach Lübeck faßte, den Plan, Segeberg zu seinem Sitz und die Segeberger Kirche zur Domkirche zu machen, die Högersdorfer Kongregation aber zum Domkapitel. Daher verlegte er diese dorthin zurück und baute sich hier "domum". Dazu gehört aber auch die Domkirche. In diese Jahre wird daher der Bau der Kirche zu setzen sein, wobei noch zu beachten sein dürfte, daß die leider abgerissene Kirche des mit Segeberg rivalisierenden Stiftes Neumünster, welche nach Helmold (I, 93) 1163 geweiht wurde, nach den vorhandenen Zeichnungen (Haupt p. 40 ff.) ein einfacherer und fast altertümlicherer Bau gewesen ist, als die von Segeberg, es also auch um dieser willen kaum geraten ist, höher als 1156 hinaufzugehen.

Haupt verlangt nun freilich: wer später als er datiere, müsse erstens zeigen, was aus dem alten Gebäude geworden ist, zweitens "wann eine Kirche wie diese neu zu bauen Anlaß und drittens die Mittel vorhanden waren," müsse viertens "ihre Altertümlichkeit gegenüber den sonst Gerold zugeschriebenen Bauten erklären", solle endlich fünftens Süsel, Bosau, Neukirchen usw. "sämtlich aus der Vizelinischen Zeit streichen und neu bestimmen." Aber die erste Forderung erledigt sich leicht; war jenes alte Kirchengebäude, wie wahrscheinlich, eine Holz-, d. h. Fachwerk oder Bohlenkirche, so mußte sie beim Neubau einer steinernen vollständig verschwinden. Die zweite ist schon erfüllt, die dritte beantwortet sich durch den Hinweis auf die Mittel der Högersdorfer Kongregation und die des Bischofs, der eben seine Dotation erhalten hatte. Um die beiden letzten wird es sich im folgenden handeln.

Allerdings müssen nun sämtliche sog. Vizelinskirchen - vielleicht bis auf die von Schlamersdorf - aus der Vizelinischen Zeit gestrichen werden. Sehen wir, wie es sich damit verhält. Ich beginne mit Oldenburg: "Die großartige Schlichtheit dieser Kirche, dieses Domes, sagt Haupt (p. 148) ist hier nur bei absichtlicher Einschränkung in der Zeit von 1150, geschweige später zu erklären". Allein um diese Behauptung mit Helmold in Einklang zu bringen, muß er ihm die schändlichste Gewalt antun. Dieser erzählt (I, 69), wie Vizelin in der Zeit seines Konflikts mit dem Herzog und Grafen in Oldenburg den Wenden ziemlich vergeblich gepredigt habe, und schließt: Dedit autem episcopus pecunicam caesoribus lignorum ad impensas sanctuarii, et ceptum est opus fabricae prope vallum urbis antiquae, quo

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omnis terra die dominica propter mercatum convenire solebat. Um den Dombau in Vizelins Hände zu spielen, macht Haupt daraus: "Den Bau des sanctuarii ließ er (Vizelin) sogleich in Angriff nehmen, welches in der Burg angelegt, 1156 der einzige brauchbare Raum im Innern derselben gewesen sein soll", (wo in aller Welt steht geschrieben, daß Vizelins sanctuarium im Innern des Burgwalles gelegen hat? hier und I, 82 gewiß nicht.) "Und man begann das opus fabricae, die Kirchenfabrik, am Walle, neben dem Markte; d. h. den Dombau." Helmold berichtet also, offenbar ohne es selbst zu wissen, von zwei verschiedenen Bauten, dem des sanctuarium und dem des Doms. Haupt läßt nun Vizelin Backsteine herstellen, Gips aus Segeberg holen u(c). Freilich auf die Frage, woher er die Mittel und Kräfte zu dem großen Bau nahm, da "guter Wille", wie er selbst gesteht, "weder bei den Wenden noch bei den Brüdern zu Wippendorf" war, und Vizelin sich gerade in der prekärsten Lage befand, - Zwang konnte er nicht anwenden, und sein einziges subsidium war eben Wippendorf, - bleibt er die Antwort schuldig. Dennoch war, als Gerold 1156 dort Epiphanias feierte, "das Meiste vollendet" und dieser "konnte nach Beseitigung des Schnees in dem halbvollendeten Dom Messe lesen. Das berichtet Helmold I, 82 mit den Worten: Erat autem urbs deserta penitus, non habens moenia vel habitatorem nisi sanctuarium parvulum, quod s. m. Vicelinus ibidem erexerat. Illic in asperrimo frigore inter cumulos nivis officium peregimus! - Gerold brauchte den Bau nur zu vollenden." Über diese Auslegungskünste ein weiteres Wort zu verlieren ist überflüssig. Den wirklichen Beginn des Baues der Domkirche erzählt Helmold I, 83 im Zusammenhang mit der Ansiedelung von Sachsen in Oldenburg: Et factum est hoc novellae ecclesiae non mediocre adiumentum. Siquidem aedificata est ecclesia honestissima in Aldenburg. Er datiert die Wiederaufrichtung des Cultus divinus an diesem Orte auf etwa 90 Jahre nach Gottschalks Tode, also ca. 1156 und berichtet dann noch, daß Gerold die (vollendete) Kirche geweiht habe, was, da dieser 1163 starb, bis dahin erfolgt sein muß.

Nachdem sich so für die beiden, abgesehen von Neumünster ältesten Ziegelkirchen der Segeberger Bauschule ihre Entstehung unter Gerold und nicht mehr unter Vizelin als das nach den Quellennachrichten Anzunehmende erwiesen hat, wende ich mich zu den granitenen Landkirchen. Daß hier die 6 Bosau, Warder, Pronstorf, Ratekau, Süsel und Neukirchen so eng zusammen=

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gehören, daß mit einer aus ihnen zugleich alle auf einen engbegrenzten Zeitraum festgelegt sind, ergibt der Baubefund. Haupt geht nun davon aus, daß Vizelin 1150 Bosau erhalten habe, um sich Kirche und Haus daselbst zu bauen, und daß er 1152 dort in der - jedenfalls schon vollendeten - Kirche seine letzte Messe gelesen habe. Also sei die Kirche damals erbaut. Aber wer sagt, daß der Bau Vizelins die jetzt stehende Kirche ist? Gewiß liegt diese Annahme nahe, - aber sobald sich zeigt, daß eine dieser 6 Kirchen erst bedeutend später gebaut ist, wird diese Annahme im Zusammenhang mit der unsers Erachtens notwendigen Datierung der Segeberger Kirche auf 1156 und folgende Jahre höchst unwahrscheinlich. Und das ist in der Tat der Fall; die Kirche in Ratekau ist nach Helmold I, 83 erst unter Gerold, oder gar noch später, da er nur berichtet, daß dieser dort und in Lütjenburg "atria aedificandis ecclesiis" bestimmt habe, gebaut worden. Haupt hilft sich wieder (p. 135 f.) durch eine sehr willkürliche Auslegung. Er behauptet, der Name Ratekau sei hier wie einige Sätze vorher Süsel nicht für den Ort sondern den Gau, "die Gegend" genommen, Gerold habe, nachdem in Ratekau selbst längst eine Kirche bestand, nun in der Umgegend, im Gau, etwa die Kirchhöfe in Gleschendorf und Curau bestimmt. - Leider hat Haupt dabei übersehen, daß Helmold dort bei Süsel ausdrücklich sagt, daß er den Gau (und nicht den Ort) meine "in pago qui dicitur Susle" und dann erzählt, daß der beabsichtigte Kirchenbau bei Alten=Krempe angebahnt worden sei, hier aber sagt: opportunum videbatur, ut aedificaretur ecclesia in Lutelenburg et Rathecowe, et abierunt illuc episcopus et comes et signaverunt atria aedificandis ecclesiis. Ist Lütjenburg auch etwa als Gauname gemeint? Dort weiß auch Haupt (p. 155 cf p. 9) von keiner weiteren Kirche des 12. Jahrhunderts als der in Lütjenburg selbst, es ist also doch wohl der Ort gemeint - dann aber auch bei Ratekau. Oder warum unterläßt es Helmold zu sagen, an welchen Orten des "Radegaues" diese atria bestimmt worden sind, was er doch beim Süselgau getan hat? - Weil er überhaupt nicht von den Gauen - wenn es überhaupt solche waren - spricht, sondern von den Orten. Steht es also nach Helmold fest, daß erst Gerold die Errichtung der Ratekauer Kirche angeregt hat, so wird die ganze Gruppe von Landkirchen, der sie angehört, in seine Zeit hinabzurücken sein. Und in der Tat sehe ich nicht, was sich dagegen einwenden ließe, sobald man zwischen der Errichtung des Kirchspiels und dem Bau einer steinernen Kirche

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als zwei Dingen unterscheidet, die nicht notwendig, ja man kann vielleicht sagen in jenen Zeiten selten, zusammenfallen. Bis auf Ratekau handelt es sich bei diesen 6 Kirchen um deutsche Kolonistenkirchen. Wie oben gesehen, lag die Kirchenbaupflicht auf den Gemeinden. Ist es nun auch nur wahrscheinlich, daß die jungen Kolonistengemeinden sofort in den ersten Jahren so stattliche, mit dem Luxus hochragender (cf. Neukirchen) Türme ausgestattete Bauten errichtet haben - in den ersten Jahren, wo sie mit dem Bau ihrer eigenen Häuser und Wirtschaftsgebäude, mit der Neueinrichtung und z. T. auch Urbarmachung der Äcker genug zu tun hatten? Kirchliche und weltliche Obrigkeit pflegten den Kolonisten diese erste schwere Zeit durch den Erlaß der Abgaben auf 3-10 Jahre zu erleichtern - und da sollen diese Gemeinden kapitalkräftig genug gewesen sein, solche Bauten aufzuführen? Ist es nicht von vornherein als wahrscheinlich anzunehmen, daß man sich zunächst mit schnell errichteten Fachwerkbauten behalf - wie Vizelin in Oldenburg - bis sich die Verhältnisse konsolidiert hatten und man zum Bau stattlicherer Kirchen schreiten konnte? Sehr deutlich zeigt sich dies in Mecklenburg als das durchgehende. In dem ganzen, bis Ende des 12. Jahrhunderts kirchlich organisierten Teile des Ratzeburger Sprengels sind hier nicht mehr als vielleicht 2-3 Kirchenbauten, die mit einiger Wahrscheinlichkeit vor das Jahr 1200 angesetzt werden können. Es dauerte meist ein bis zwei, ja oft genug noch mehr Generationen, ehe man zum Bau steinerner Kirchen schritt (vergl. unten).

Sehen wir uns also genötigt, mit diesen Kirchenbauten bis in die Zeit Gerolds herunterzugehen, so werden wir allerdings auch nicht gut weit über diese hinabgehen dürfen. Ging diese Bautätigkeit von Segeberg aus und nahm sie ihren Aufschwung mit der Zurückverlegung des Stiftes aus Högersdorf dorthin, dem Plane Gerolds Segeberg zum Mittelpunkt seines Bistums zu machen und den Bauten, die dadurch notwendig wurden, so mag sich diese Segeberger Bauschule wohl noch eine zeitlang weiter gehalten haben, als mit der Verlegung des Bistums nach Lübeck Segeberg wieder von seiner Höhe zur Unbedeutendheit zurücksank, bald aber mußte sie von dem Einfluß des mächtig aufstrebenden Lübeck ganz zurückgedrängt werden. Ihre Blüte wird mit der Regierungszeit Gerolds (1155-63) zusammenfallen und man wird daher ihre Erzeugnisse mit mehr Recht Gerolds= als Vizelinskirchen nennen können, ohne damit behaupten zu wollen, daß nun auch alle schon unter Gerold gebaut sein müssen.

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Ist nun aber auch der Bau dieser Gruppe von Kirchen erst unter Gerold anzusetzen, so sind wir nach dem Gesagten doch berechtigt, gerade daraus den Schluß zu ziehen, daß die Einrichtung der Kirchspiele, denen sie angehören, um 10 bis 20 Jahre weiter zurückliegt, mithin in die Zeit Vizelins fällt, wo nicht, wie bei Ratekau, das Gegenteil ausdrücklich bezeugt ist. Demnach würden wir die Errichtung der Pfarren Bosau, Warder, Pronstorf, Süsel und Neukirchen dem Vizelin zuzuschreiben haben. Bedenken erweckt nur um seines Namens willen Neukirchen, das nach Analogie aller Zusammensetzungen mit "Neu" eine spätere Gründung sein muß, als die Nachbarkirchen. Jedoch macht es die Lage seines Kirchspiels zu Lütjenburg (cf. Haupt p. 137) wahrscheinlich, daß es älter als dieses ist, also spätestens in die Anfangszeit Gerolds gehört. Die neben der "Neuen" als ältere in Betracht kommende Kirche ist Eutin, dessen Umgegend bald nach 1143 von Holländern besiedelt ward; 1147 waren sie dort, und (Helmold I, 63) Eutin selbst (Utinensis civitas) durch die Festigkeit der Lage vor der Zerstörung durch den Wendeneinfall geschützt. Hatte Süsel damals einen Priester, so wird das offenbar schon weiter entwickelte Eutin nicht ohne Kirche gewesen sein, obgleich sie unter den Vizelin zugeschriebenen fehlt. Man denke überdies an die oben erwähnten Holländerkolonien, bei deren Gründung sofort auch die kirchliche Versorgung vorgesehen ward. Die jetzige stattliche Kirche gehört allerdings erst in die Zeit Gerolds oder seiner Nachfolger.

An diese 5 Kirchen, von denen drei auch durch die versus als vizelinisch bezeugt werden, schließen sich nun auf Grund des Baubefunds mit einiger Wahrscheinlichkeit Sarau, Preetz und Bornhöved, alle drei ebenfalls durch die versus bezeugt und, allerdings sehr unsicher, Selent, Leezen und Lebrade. Von Curau und Gleschendorf, die selbst Haupt (p. 159) dem Gerold zuzusprechen geneigt ist, darf zunächst wohl abgesehen werden. Besonderer Erwähnung bedarf noch der Rundbau von Schlamersdorf, den Haupt (p. 137) auf die dänischen Einflüsse unter Knudt Lawards Regierung (ca. 1129) zurückführen möchte. Allein einerseits ist die Gründung einer dänischen Kirche mitten im Wendenland, über zwei Meilen von Knudts Burg, dem späteren Segeberg, zu jener Zeit sehr unwahrscheinlich, zumal nicht einmal bei Segeberg selbst von einem Kirchenbau die Rede ist. Andrerseits zählen die versus die Kirche zu den von Vizelin gegründeten; Helmolds Erzählung von der Lage Vizelins in dem ersten Jahrzehnt nach 1126 aber schließt es, wenn sie richtig ist, aus, daß

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er damals eine Kirche im Wendenlande gegründet hat. So werden wir doch in die Zeit nach 1143 herabzugehen haben. Unter den dänischen Rundbauten, auf die die Kirche zurückzugehen scheint, läßt sich nur die von Bernde auf Seeland einigermaßen datieren, etwa auf 1150-80 (cf. Haupt p. 31 ff.). Diese aber zeigt schon den Spitzbogen des beginnenden Übergangstiles. So mag denn die Kirche in Schlamersdorf immerhin bereits unter Vizelin, aber jedenfalls nicht vor 1143 erbaut sein. Dänischer Einfluß bei ihrem Bau ist auch in dieser Zeit nicht ausgeschlossen.

Wir kommen nun zu den übrigen Stadtkirchen, die für Vizelin in Anspruch genommen werden. Von Eutin ist schon die Rede gewesen. Ohne Zweifel gehört die Einrichtung des Kirchspiels Vizelin an und zwar vor 1147; es war zudem eins der größten Kirchspiele und zeigt schon dadurch sein Alter an. Gerold baute sich nach 1156 "civitatem et forum Uthine fecitque sibi domum illic." (Helmold I, 83). Die Kirche (Haupt p. 64 ff. und 156 ff.), baulich zwischen der von Segeberg und der jüngeren von Alten=Krempe stehend, gehört wohl der Zeit Gerolds an, wie auch Haupt geneigt ist anzunehmen, wenn sie nicht noch ein wenig mehr herabzurücken ist. Nachrichten über ihre Erbauung fehlen, wenn sie nicht vielleicht in Helmolds "fecitque sibi domum illic" eingeschlossen ist. Über die untergegangenen Kirchen von Ploen und Oldesloe wissen wir (cf. Haupt p. 71 f.) zu wenig, um Schlüsse ziehen zu können. Da sich indes die versus inbezug auf die übrigen Kirchen, die sie Vizelin zuschreiben, als zuverlässig erwiesen haben, werden auch diese beiden ihm angehören. Bei Oldesloe ist es überdies durch seine Bedeutung als Saline wahrscheinlich. Ploen's Kirche ist nach einer alten, leider unkontrollierbaren Nachricht (cf. Haupt S. 153 ff.) 1151 gebaut; 1152 war die Burg noch nicht wiederhergestellt. Nach Helmold ist es dann während der Regierungszeit Gerolds geschehen, und bestand dort, wie sich aus dem Verbot des Bischofs, an den Sonntagen Markt zu halten, da es den Gottesdienst störe, ergibt, eine Kirche. Da sie eine der ecclesiae stationales ist, wird sie schon Vizelin angehören.

Was aber wird nun aus den sonst der Zeit Gerolds zugeschriebenen Kirchenbauten wie Alten=Krempe und vor allem dem Dom in Lübeck? Steht nicht von letzterem das Jahr der Weihe 1163 fest? Und ist er nicht, mit der Kirche von Segeberg verglichen, die ihm nun etwa gleichalterig würde, entschieden der jüngere Bau? Aber ist denn, muß wieder gefragt werden, die jetzige Domkirche jener 1163 geweihte Bau? Glücklicherweise

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haben wir eine Antwort auf diese Frage: die Pöhlder und Magdeburger Annalen bemerken zu 1163, es sei eine hölzerne Kirche gewesen, die damals geweiht sei. (Haupt (p. 166) bezweifelt allerdings die Richtigkeit dieser Angabe aber ohne Grund. Sollte sie richtig sein, meint er, so war diese hölzerne Kirche wohl "ein schnell errichtetes Schiff am schon vollendeten Chor." Das kann man ihm ruhig zugeben, denn - der Chor steht nicht mehr, und der gegen die Segeberger Kirche als jünger erscheinende Teil des Domes ist eben der Steinbau des Schiffes. Wann aber dieser in Angriff genommen oder vollendet ist, wissen wir nicht. Somit rücken die von Haupt Gerold zugeschriebenen Bauten ohne jede Schwierigkeit ein wenig weiter hinab in die Zeit seiner nächsten Nachfolger.

Fassen wir nun das Ergebnis dieser weiteren Erörterungen zusammen, so verbergen sich in jener allgemeinen Bemerkung Helmolds, Vizelin habe die Versorgung der Einwanderer mit Kirchen und Priestern beschafft, allerdings noch eine ganze Reihe von Kirchen, sodaß wir nun dem Vizelin mit ziemlicher Sicherheit die Einrichtung folgender 14 Pfarren zuzuschreiben berechtigt sind: Segeberg, Bornhöved, Schlamersdorf, Sarau, Pronstorf, Warder, Oldesloe, Lübeck, Süsel, Eutin, Neukirchen, Bosau, Ploen und Preetz, wozu als fünfzehnte allenfalls, wie es die versus tun, noch Oldenburg mit seinem sanctuarium gerechnet werden mag. Wir sehen die ganzen im Laufe der Jahre 1143-54 von Deutschen besetzten Striche Wagriens (vergl. dazu A. Gloy: Der Gang der Germanisation in Ostholstein, S. 17-37) in diesem Zeitraum auch mit einer Zahl ziemlich gleichmäßig verteilter Kirchen besetzt. Die Kirchspielseinteilung ist offenbar fertig. Eine Lücke zeigt sich nur zwischen Segeberg, Oldesloe und Pronstorf einer- und Lübeck andrerseits, aber diese Waldgegenden sind erst später kolonisiert worden. In rein wendischem Gebiet lagen von allen Vizelinskirchen wohl nur die von Oldenburg und Preetz und wenigstens zu Anfang auch die von Ploen. Die beiden weiter in dasselbe vorgeschobenen Kirchspiele Lebrade und Selent dem Vizelin zuzuschreiben fehlt es an genügendem Anhalt. Vermutlich gehören sie erst in die Zeit seiner Nachfolger.

Gerold (1156-63) fügte die Kirchen in dem bisher rein wendisch gebliebenen Teilen, d. h. Oldenburg, Lütjenburg, Alten=Krempe und Ratekau hinzu. Hier ließ man es zunächst bei je einer Kirche in einer ganzen Landschaft bewenden - offenbar (cf. Oldenburg u. Alten=Krempe) mangelte es auch an Priestern, die bereit waren in diese Gegenden zu gehen und die sprachlichen

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und sonstigen Schwierigkeiten, die dort zu überwinden waren, auf sich zu nehmen. An unter deutscher Bevölkerung eingerichteten Kirchspielen gehören Gerold oder seinen nächsten Nachfolgern, außer den vermutungsweise ihm zugeschriebenen Lebrade und Selent, noch die von Rensefeld, dessen Kirche ebenfalls noch dem 12. Jahrhundert angehört, und vielleicht Gnissau, Gleschendorf und Nüchel (cf. Haupt p. 27 u. 156) zu; d. h. die Vervollständigung des Kirchennetzes im deutschen Gebiet und die Füllung der Lücke zwischen Eutin, Lütjenburg und Oldenburg. Zugleich erwacht unter ihm etwa 10 Jahre nach Beginn der Kolonisation ein lebendiger Bautrieb, der die große Mehrzahl der neugegründeten Kirchspiele mit stattlichen Kirchen versieht.

Wir sehen also eine planmäßige, Hand in Hand mit der Kolonisation und mit derselben gleichzeitig fortschreitende kirchliche Organisation. Die Kirchorte werden von Bischof und Landesherrn gemeinschaftlich bestimmt, letzterer gibt das Eigentum der Pfarrdos und zwar wenn wir, wie wahrscheinlich, die Bestimmungen bei der Anlage jener Holländerkolonien in der Mark und an der Weser als das allgemein übliche und daher auch hier zutreffende ansehen dürfen - die eigentümliche Anlage der Feldmark bei den deutschen Gewanndörfern mit ihrer bestimmten Hufenzahl bedingt es, daß die Aussonderung einer Pfarrhufe sofort bei Anlage des Dorfes vorgesehen wurde, wenn man nicht erst einen der eben angesetzten Bauern wieder ausweisen wollte - sofort bei der Besetzung des Ortes mit deutschen Kolonisten. Hand in Hand damit geht die Abgrenzung der Kirchspiele, die schon um der Zehntlieferungen und der Kirchenbaupflicht willen nötig war. Letztere liegt den Gemeinden ob. Anfangs begnügt man sich, den noch unfertigen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechend, mit aus Holz und Lehm errichteten Notkirchen; nach 10 bis 20 Jahren treten an ihre Stelle stattliche Steinbauten. Im Wendengebiet schreitet die Entwickelung der Organisation langsamer vor. Hier begnügt man sich noch lange mit je einer Kirche an dem Hauptorte einer ganzen Landschaft, und wird die reichlichere Versorgung, abgesehen von dem Widerstand der Wenden, durch den Mangel an geeigneten, des Wendischen mächtigen Priestern gehemmt.

Von den 56 vorreformatorischen Kirchen des Bistums Lübeck sind somit in den ersten 17 Jahren der Missionsbemühungen vor Beginn der deutschen Kolonisation nur 2 Kirchen gegründet, im ersten Jahrzehnt der Kolonisation steigt diese Zahl auf 14-17 (unter Vizelin), im Laufe der nächsten Jahrzehnte

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(unter Gerold und seinen Nachfolgern im 12. Jahrhundert) auf ca. 26 (wobei die Lübecker Kirchen nur als eine gezählt sind. - cf. Haupt, p. 9). Zwischen ca. 1200 und 1259 (Register der Kirchen von 1259 Haupt p. 6 ff., Urk.=Buch des Bist. Lübeck 142) kommen zu diesen 26 ältesten Kirchen 33 weitere hinzu - es ist die Zeit der erneuten Kolonisationsbewegung. Damit ist die kirchliche Organisation im wesentlichen abgeschlossen. Die nächsten 70 Jahre bis ca. 1330 bringen noch 6 Nachzügler. Von da ab bis zur Reformation ist nur noch eine Kirche neubegründet worden.

Wir werden sehen, wie die Entwickelung in Mecklenburg im ganzen den gleichen Lauf nahm.

 

~~~~~~~~~~~

II.

Die Begründung und der Ausbau der polabischen
Kirche bis zum Ende des 12. Jahrhunderts

(Bistum Ratzeburg).

So anschaulich das Bild ist, das uns Helmold über die Einführung der kirchlichen Organisation in Wagrien gibt, so dürftig sind seine Angaben schon über die Ereignisse im benachbarten Polabenlande, welches den Westen Mecklenburgs einnahm. Indes sind hier glücklicherweise urkundliche Nachrichten genug vorhanden, um eine einigermaßen klare Vorstellung der Entwickelung zu gewinnen.

Im Jahre 1139 hatte Heinrich von Badevide als Graf von Holstein die Herrschaft des aufständischen Pribislav durch einen mit Energie geführten Feldzug zertrümmert. Wagrien war zu Holstein geschlagen worden und Pribislav seiner Herrschaft entsetzt. Von einem Versuche, sich in der zweiten Hälfte seines Machtbereiches, in Polabien, noch zu halten, nachdem ihm Wagrien entrissen war, hören wir nicht. Schon seit 1093 wird hier, in das Polabenland vorgeschoben, wie Segeberg in das der Wagrier, die alte Grenzburg der sächsischen Macht, Ratzeburg, mit ihrer deutschen Besatzung über der Botmäßigkeit des Wendenfürsten gewacht haben. Ihr mußte jetzt bei seinem Sturze das Polabenland ohne weiteres zufallen und so konnte denn, als es sich drei Jahre darauf darum handelte, den durch Adolf von Schaumburg

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aus Holstein verdrängten Heinrich von Badevide für diesen Verlust zu entschädigen, über Ratzeburg und das Polabenland ohne weiteres verfügt werden. Heinrich erhielt es unter dem Titel einer Grafschaft von Ratzeburg.

Die neue, auf wendischem Boden errichtete Grenzgrafschaft umfaßte die Länder Ratzeburg, d. h. die nördliche Hälfte von Sachsen=Lauenburg, Boitin, Gadebusch und Wittenburg. Die, obgleich westlich der Sachsengrenze gelegene, doch von Wenden besetzte Landschaft Sadelbande und das an sie anstoßende Land Boizenburg mit den beiden Elbübergängen von Artlenburg und Boizenburg dagegen scheint unter der unmittelbaren Herrschaft des Sachsenherzogs geblieben zu sein. Östlich und nördlich an die Grafschaft grenzte das Gebiet der Obotriten, deren Fürst Niklot sich in kluger Erwägung der Lage mit den deutschen Grafen - von Adolf von Holstein wird es uns ausdrücklich berichtet - gutzustellen suchte und wenigstens für den Augenblick Frieden zu halten entschlossen war. Dunkel dagegen sind die Verhältnisse der im Südosten an die Grafschaft grenzenden Länder Jabel und Weningen. Gehörten sie noch zu Polabien? oder zur Herrschaft Niklots? Standen sie unter der des Herzogs, oder hat dieser schon damals aus ihnen die Grafschaft Dannenberg gemacht? Non liquet.

Das ganze Gebiet, welches Heinrich von Badevide erhielt, war wendisch. Nur um die Ratzeburg und das in ihrem Schutze gelegene Kloster mochten sich schon einige Deutsche angesiedelt haben. Größeren Umfang besaß diese Siedelung jedenfalls nicht. Heinrich wird sich zunächst damit begnügt haben, den Herzogs= und Grafentribut von seinen neuen Untertanen einzutreiben und zu diesem Zwecke die Hauptburgen des Landes mit sächsischen Kriegsmannen zu belegen. Auch die um 1143 in Wagrien beginnende deutsche Einwanderung kann ihm noch nicht wesentlich zu gute gekommen sein. Es gibt nämlich ein deutliches Zeichen dafür, daß wenigstens bis zum Jahre 1147 hier noch alles beim alten geblieben ist. Als in diesem Jahre Niklot auf die Kunde von dem gegen ihn beabsichtigten Kreuzzuge seinen Feinden zuvorkam und in deren Gebiet einbrach, wandte er sich nicht gegen das ihm vor der Tür liegende Polabien, sondern gegen Lübeck und die eben von deutschen Kolonisten besetzten Striche Wagriens, indem er seine ganze Wut plündernd und brennend an diesen ausließ. Hier bei den unfertigen Verhältnissen der zwischen den Wenden in isolierten Haufen sitzenden, kaum festgewordenen deutschen Bevölkerung war offenbar die schwache

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Stelle seiner Gegner, und hier erkannte er in der beginnenden Verdrängung der Wenden von ihrem alten Grund und Boden die Hauptgefahr für sein Volk. Polabien dagegen blieb unbelästigt, offenbar weil es hier noch keine nennenswerte deutsche Einwanderung gab, an der er seine Rache kühlen konnte. Den Besatzungen der Burgen war nichts anzuhaben, die ausgesogene wendische Bevölkerung aber war einesteils des eigenen Stammes und versprach andernteils keine Beute.

Auch von Bemühungen zur Einführung des Christentums kann zunächst noch kaum die Rede sein. Kümmerlich fristete in der heidnischen Umgebung das Kloster auf dem St. Georgsberge sein Dasein. Seine Kirche wird die einzige im Lande gewesen sein. Nur in den sicherlich von sächsischen Kriegsmannen besetzten Burgen Gadebusch und Wittenburg dürfen wir vielleicht noch je einen Kaplan für die kirchlichen Bedürfnisse eben jener Besatzungen vermuten. Es war kein Vizelin da, der hier die Mission in Angriff nahm, und den sächsischen Grafen und Kriegern lag die Bekehrung des Wendenvolkes gänzlich fern. Wie oft klagt Helmold darüber!

Auch der Kreuzzug von 1147, das törichtste Unternehmen des Jahrhunderts, den widerstrebenden Fürsten von einem schwärmerischen Mönche, der die Verhältnisse nicht kannte, aufgenötigt, brachte noch keine wesentliche Änderung. Vor Dobbin kam er zum Stillstand. Den weltlichen Großen war weder an der Ausrottung noch an der Bekehrung der Wenden gelegen. Mit beiden schädigten sie sich selbst: Quare invenimur dissipatores vectigalium nostrorum (I, 65) läßt sie Helmold in Bezug auf das erstere sprechen. Aber auch die Einführung des Christentums lag kaum in ihrem Interesse, da dann außer ihnen auch die Kirche den schon halb ausgedrückten Schwamm mit ihren Steuern auszupressen ein Recht erhielt. So war denn das ganze Resultat des großen Unternehmens nicht mehr, als daß die Besatzung des belagerten Dobbin durch Einnahme der Taufe die Freiheit erkaufte, um nach Abzug des Kreuzheeres sofort wieder ins Heidentum zurückzufallen. Und Helmold klagt über diesen und die nächsten Wendenzüge Heinrichs des Löwen (I, 68): Quotiens offendissent eum Sclavi, admovit eis martiam manum, dederuntque ei pro vita simul et patria quicquid exigere voluisset. In variis autem expeditionibus, quas adhuc adolescens in Sclaviam profectus exercuit, nulla de christianitate fuit mentio sed tantum de pecunia. Erzbischof Adalbert, dem die Mission in diesen Gegenden zustand und der

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an dem Kreuzzuge teilgenommen hatte, sah sich denn auch nicht in der Lage, Erfolge für die Mission ausnutzen zu können.

Erst sein Nachfolger, der energische und hochstrebende Hartwig von Stade, griff das ins Stocken geratene Werk wieder an. 1 ) Ihn erfüllten die Träume seines großen Vorgängers Adalbert von einem umfassenden nordischen Patriarchat, zu denen die gegenwärtige Lage des Erzbistums allerdings in traurigem Gegensatze stand. Quia (sc. ecclesia Hamburgensis) iam suffraganeos habere desierat (70) -wie er selbst sagt, beschloß er als ersten Schritt die Wiederaufrichtung der alten wendischen Bistümer. Was ihn erfüllte, war mehr hierarchischer Ehrgeiz als der in Vizelin lebendige Trieb. Wir erwähnten schon, daß er am 11. Oktober 1149 in Rossefelde die beiden Bischöfe für Oldenburg und Mecklenburg, Vizelin und Emmehard, weiht. Et missi sunt in terram egestatis et famis, ubi erat sedes Sathanae et habitatio omnis spiritus immundi (Helmold I, 69). Für das Bistum Oldenburg war dieser Schritt wie wir sahen nicht ohne Vorbereitung. Es war hier die Entwickelung in der Tat soweit vorgeschritten, daß die Errichtung eines Bistums zu rechter Zeit kam. Für Mecklenburg aber war bisher nichts geschehen; das Bistum stand rein auf dem Papier. War auch Emmehard willig, in Vizelins Spuren zu treten, so war er doch in derselben Lage wie dieser von 1126 bis 1143, ja in noch ungünstigerer, da er nicht einmal wie dieser in Faldera=Neumünster eine an der Grenze des zu erobernden Gebietes gelegene Operationsbasis besaß. Auch an Mitteln wird es gänzlich gefehlt haben. Dazu kam endlich auch hier die Gegnerschaft des Herzogs, die der ohne jede Verständigung mit ihm getane Schritt des Erzbischofs notwendig hervorrufen mußte. Hatte er die Konsekration der beiden Bischöfe nicht hindern können, so beanspruchte er nun das Hoheits= und Investiturrecht über die auf dem Erwerb seines Schwertes errichteten Bistümer. Er erkannte die Geweihten nicht an und enthielt ihnen alle kirchlichen Einkünfte vor. Bei Vizelin sahen wir, wie er in kurzem durch diese Maßregeln zur Fügsamkeit genötigt ward. Emmehard scheint fest geblieben zu sein. Aber die Folge war, daß er auf jede Wirksamkeit und alle Einkünfte verzichten mußte, und in der Tat geht aus der Urkunde Barbarossas für das Bistum Schwerin


1) Für die hier gegebene Darstellung konnte die Arbeit Prof. Hellwigs in M. Jbb. 71 leider nicht mehr berücksichtigt werden. Doch vermag ich ihm in dem frühen Ansatz der Errichtung des Bistums Ratzeburg (schon 1149) nicht zu folgen; 1153 scheint mir der früheste Termin.
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(91.) hervor, daß es durch ihn nicht zu einer Aufnahme der Missionstätigkeit innerhalb seines Sprengels gekommen ist. Vielleicht hat er Mecklenburg überhaupt nicht betreten. Man hat es Hartwig zum Vorwurf gemacht, daß er die von ihm ernannten Bischöfe ohne Unterstützung und Mittel ließ. Am Willen wird es ihm nicht gefehlt haben. Allein, selbst vom Herzog bedrängt, war er garnicht in der Lage, etwas für seine Suffragane tun zu können.

Auffallend ist es nun, daß Hartwig damals nicht auch für Ratzeburg einen Bischof weihte. Der Satz Wagners (Wendenzeit 154 cf. Wigger M. Jbb. 28, 68): "Für Ratzeburg fand sich nicht sogleich eine geeignete Persönlichkeit", erklärt die Sache nicht. Mußte nicht für Ratzeburg, das unter der Herrschaft eines deutschen Grafen stand, wo in dem Kloster auf dem St. Georgsberge ein, wenn auch schwacher Anfang schon gemacht war und die sächsischen Besatzungen in den Burgen auf die Dauer nicht ohne geistliche Versorgung bleiben konnten, der Zeitpunkt für die Wiedererrichtung des Bistums weit eher gekommen erscheinen als für Mecklenburg? Warum weihte Hartwig, wenn er nur zwei Männer hatte, die zur Übernahme der schwierigen Posten bereit waren, den Emmehard für Mecklenburg und nicht für Ratzeburg? In seinem Verhältnis zum Herzog kann der Grund nicht gelegen haben, da sein ganzes Vorgehen ohne Rücksicht auf diesen war. Er kann nur in den Ansprüchen gelegen haben, welche das Bistum Verden, gestützt auf eine ad hoc gefälschte Urkunde Karls des Großen (1.), auf Polabien machte, und welche Hartwig nicht sogleich zurückzuweisen imstande war. Ja, es wird sich weiter unten zeigen, daß es wahrscheinlich nicht nur Ansprüche waren, die Verden erhob, sondern daß unter seiner Leitung schon ein Anfang mit der Errichtung von Kirchen gemacht war.

Erst 5 Jahre später kam es zur Wiedererrichtung des Bistums und nun ist diese ein Werk nicht des Erzbischofs, sondern des Herzogs. Der Herzog hatte in der Frage der Investitur völlig gesiegt. Auf dem Hoftage zu Goslar hatte König Friedrich I. seinem Vetter Heinrich das königliche Recht der Investitur für die Länder jenseits der Elbe abgetreten (56), ihn ermächtigt, dort Bistümer zu errichten und aus dem Reichsgut - als solches gelten also trotz Wigger (M. Jbb. 28, 72) ohne weiteres die von Heinrich unterworfenen Wendenlande - zu dotieren. Nun erst, nachdem er seine Ansprüche durchgesetzt hatte, war Heinrich für die Errichtung neuer Bistümer zugänglich. Unmittelbar nach dem Hoftage, noch bevor er Norddeutschland

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verließ, um dem König auf seinem Römerzuge zu folgen, ernannte er den ihm von Wichmann von Magdeburg empfohlenen Magdeburger Probst Evermod zum Bischof von Ratzeburg (Arnold Lubic. IV. 7) und ward, wie es scheint, auf einer zur Ordnung dieser Angelegenheiten gehaltenen Versammlung (Helmold I, 77, M. U.=B. 59) das neue Bistum mit 300 Hufen dotiert, die Heinrich von Ratzeburg zu diesem Zwecke vor dem Herzog aufließ. Nach Helmold (ebendas.) wäre zugleich auch die Dominsel dem Bischof abgetreten und ein Zehntvertrag zwischen diesem und dem Grafen vereinbart worden. Ähnlich berichtet die Einleitung des Ratzeburger Zehntregisters von 1230 (59 B; 75). Indes ist es sehr fraglich, ob alle diese Abmachungen schon in das Jahr 1154 fallen, da Helmold häufig sehr summarisch berichtet und auch die Einleitung des Zehntregisters die Zeiten stark verwechselt (59 B Note). Die Schenkung der Dominsel scheint z. B. erst nach 1158 erfolgt zu sein, da sie in der Dotationsurkunde (65) fehlt. Dasselbe aber möchte von dem Zehntvertrage gelten, der das berühmte Ratzeburger Besetzungsrecht enthält und sich damit als in den Zusammenhang der deutschen Kolonisation gehörig gibt. Nun aber erscheint diese noch 1158 (65) nicht als im Gange, sondern lediglich als geplant. Aber auch in betreff der Dotierung des Bistums mit 300 Hufen kam es jetzt erst zu vorläufigen und allgemeinen Abmachungen. Mit Sicherheit darf aus der päpstlichen Bestätigung desselben vom 21. Januar 1158 (62) geschlossen werden, daß bis dahin die 300 Hufen dem Bischof noch nicht angewiesen waren, da sie auch hier nur in der unbestimmten Form "trecentos mansos cultos et incultos etc." figurieren. Wären sie schon angewiesen gewesen, so würde Evermod ohne Zweifel ebenso wie Berno von Schwerin (124) seinen Besitz in genauerer Bestimmung haben bestätigen lassen. Nach der Einleitung des Zehntregisters wären diese Abmachungen vor dem Aufbruche des Herzogs nach Italien unter Mitwirkung - consentiente et fideliter cooperante - des Erzbischofs getroffen worden, und dementsprechend nimmt Hellwig an, man, d. h. Hartwig und der Herzog, habe sich nun unter Wichmanns Vermittelung leicht über die Person des nach Ratzeburg zu sendenden Bischofs geeinigt (Archiv des Vereins f. Gesch. des Herzogtums Lauenburg VII, 2 S. 7). Das ist schwerlich richtig. Zwischen Hartwig und dem Herzog bestand damals der schärfste Gegensatz. Erst 1158 kam es durch Vermittelung des Kaisers zu einer notdürftigen Aussöhnung. Dehio (Hartwig, Exkurs IV) nimmt geradezu an, Evermod sei von Hartwig im Gegensatz zum

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Herzog ernannt worden. Aber das ist ebenso undenkbar; Heinrich würde dann gegen ihn dasselbe Verhalten eingeschlagen haben wie gegen Vizelin und Emmehard. Das Richtige scheint mir Hauck (K. G. Deutschlands IV, 617 f) zu treffen, indem er meint, die Ernennung sei vom Herzog ausgegangen, und zwar ohne daß Hartwig überhaupt gehört worden sei. Aber von wem ist Evermod dann geweiht worden? Wigger meint von Wichmann von Magdeburg (M. Jbb. 28, 77). Schwerlich, und höchstens in Vertretung des zuständigen Erzbischofs. Aber wer war das? Ob es Hartwig war, das war ja eben streitig, da Verden auf Mecklenburg Ansprüche erhob und in Ratzeburg wohl schon Fuß gefaßt hatte - also der Erzbischof von Mainz? Hartwig hat ihn sicherlich nicht geweiht und hätte es auch nicht getan, weigerte er sich doch kaum ein Jahr darauf, den vom Herzog für Oldenburg ernannten Gerold zu weihen (Helmold I, 79). Aber da seine Zuständigkeit ja eben fraglich war, so wird der Herzog sicherlich ganz ohne ihn vorgegangen sein; Hartwig konnte dadurch, daß Heinrich sich auf die Seite der Verdener Ansprüche stellte, auf das bequemste ganz ausgeschaltet werden. Er war machtlos.

Das neue Bistum war also lediglich ein Werk des Herzogs und seiner Vasallen. Nicht allzuschnell schritt seine Errichtung vorwärts. Die Teilnahme des Herzogs an der Romfahrt und anderes trat dazwischen, sodaß es im Jahre 1154 wohl noch nicht weiter kam, als daß Evermod in Ratzeburg seinen Sitz nahm - im Dezember beteiligt er sich an der Beisetzung Vizelins - und daß ihm ein solcher durch Übergabe des alten Klosters auf dem St. Georgsberge beschafft wurde (Hellwig a. a. O. S. 8 u. 10). Die Mönche zogen ab und an ihrer Stelle Evermods Genossen, die Priester des Prämonstratenserordens, ein. Ende 1157 war die Einrichtung des Bistums jedenfalls soweit vorgeschritten, daß in Ratzeburg ein Kanonikerstift dieses Ordens bestand, welches in der am 21. Januar 1158 auf des Herzogs Wunsch ausgestellten päpstlichen Bestätigungsurkunde (62) die Rechte eines Domkapitels, speziell das der Bischofswahl erhielt. Als Sprengel des neuen Bistums nennt die Urkunde "Molendina, Sadenbandiam atque Polabiam totam et integram cum ecclesiis et earum decimis atque subiectis sibi pleoibus".

Inzwischen aber hatte auch Hartung nicht geruht und die Durchsetzung seiner Sache betrieben. Am 13. März desselben Jahres erreichte er die Anerkennung seiner Ansprüche auf Mecklenburg von seiten des Kaisers (63) und unter der Ver=

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mittelung dieses kam es nun auf dem Hoftage zu Augsburg zu einem notdürftigen Ausgleich zwischen ihm und dem Herzog. Hartwig erkannte das Geschehene - die Ernennung Evermods, die Errichtung des Bistums - an, dafür ward ihm das Metropolitenrecht über Ratzeburg zugestanden und ließ der Herzog die Ansprüche Verdens fallen. Und nun endlich kam es zu einer wirklichen Ordnung der Verhältnisse des neuen Bistums. Im Herbst des Jahres kam der Herzog mit den Bischöfen der wendischen Bistümer sowie dem von Verden, den Grafen der wendischen Gebiete und deren Gefolgsmännern in Lüneburg zusammen. Hier ward die Dotationsurkunde für Ratzeburg ausgestellt (65). Jetzt sind dem Bischof jene 300 verheißenen Hufen wirklich angewiesen - das Land Boitin und eine Reihe von Dörfern am Ratzeburger See - Hartwig gab seine Zustimmung und ordnete, nachdem seine Metropolitenrechte auch von der Kurie anerkannt waren (67, 69), seinerseits die Verhältnisse der drei Wendenbistümer zum hamburgischen Erzstuhle (70).

Sehen wir nun, was sich aus dieser Dotationsurkunde für den Stand des Bistums und seiner Organisation ergibt.

Nun ist freilich ihre Echtheit noch immer umstritten und keine völlige Einigung erzielt. Das jedoch scheint allgemein zugestanden, daß der Grundstock als echt anzusehen ist. Ich schließe mich der von Buchwald (Bischofs= und Fürstenurkunden § 48, S. 181 ff.) begründeten Ansicht an, daß sie als eine mit Wissen des Ausstellers um 1189 durch einige Zusätze gefälschte Innovation der echten Dotationsurkunde von 1158 ist, und meine, daß es nicht ohne Aussicht ist, die Einschübe als solche zu erkennen. Jedenfalls geben die Bestimmungen, die uns hier vor anderen interessieren, die über die Zurückweisung der Verdener Ansprüche und über die Patronate der bereits bestehenden oder noch zu errichtenden Kirchen keinerlei Anlaß zu Zweifeln an ihrer Echtheit.

Es ist Hartwig wie gesagt gelungen, die Haltlosigkeit der Ansprüche, welche der Bischof von Verden vermittelst einer gefälschten Urkunde Karls des Großen auf die Wendenlande erhoben hatte, siegreich zu erweisen. Wenn nun trotzdem dem Verdener mit der Zuweisung zweier Elbwerder eine Entschädigung zugebilligt wird, so ist man versucht zu vermuten, daß derselbe doch noch weitere und besser begründete Ansprüche gehabt haben muß. Hatte sich sein Sprengel faktisch doch schon über die Elbe hinaus erstreckt und war von hier aus schon etwas zur Begründung der kirchlichen Organisation geschehen? In Frage kommen kann hierfür außer Ratzeburg selbst, wo mit dem

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Kloster und der sächsischen Burg schon länger eine sächsisch=christliche Niederlassung bestand, nur die Sadelbande, der einzige Teil des Ratzeburger Sprengels, welcher westlich der Sachsengrenze gelegen vielleicht schon länger in den Händen der Deutschen war, und nicht mehr zur Grafschaft Ratzeburg gehörte, sondern unter unmittelbarer Herrschaft des Herzogs stand. Dem wichtigen und vielbenutzten Elbübergange von Artlenburg gegenüber gelegen, von dem aus die Straße nach Ratzeburg und weiter in die Wendenlande hineinführte, hatte diese Landschaft naturgemäß zuerst der deutschen Einwanderung, die diese Straße ziehen mußte, offen gestanden. Um 1158 war sie nach der Dotationsurkunde - insuper omnes tam fundatas quam fundandas (sc. ecclesias) per totam Sadelbandiam - nicht mehr ohne kirchliche Organisation und es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß diese nicht erst durch Evermods Tätigkeit begründet worden ist. Im Zehntregister von 1230 (M. U.=B. 375, S. 377) heißt es nämlich von der Sadelbande: ubi de quadam pessima consuetudine quatuor tantum modii siliginis pro decima dantur. Nun berichtet aber Helmold (I, 91, vergl. die Dotationsurkunde, M. U.=B. 65), daß den Ansiedlern im neubegründeten Bistum Ratzeburg wie in den übrigen Wendenbistümern sofort der volle Zehnt auferlegt wurde, daß dagegen die altchristlichen Holsaten im Erzbistum Hamburg nur einen Pauschalzehnten von 6 modii von der Hufe (Helmold I, 91, vergl. Jensen=Michelsen a. a. O. II, 246) zahlten. Auch der Sadelbandische Pauschalzehnt wird daher wie der etwas höhere holsteinische älterer Herkunft sein und sich als schon bestehendes Recht wie dort gegenüber der vollen Zehntforderung gehalten haben. Hätte aber die Bevölkerung, die ihn zahlte, kirchlich zu Hamburg gehört, so würde sie auch den höheren Pauschalzehnt von 6 modii gezahlt haben. Sollte es Verden gewesen sein, von dem aus hier die ersten Schritte zur Christianisierung getan worden sind, und sollte diese Ausdehnung des Verdener Sprengels in Einverständnis mit dem Herzog und im Zusammenhang mit dem zwischen ihm und Hartwig von Bremen bestehenden Gegensatz erfolgt sein?

Immerhin kann auch die Errichtung dieser ersten Sadelbandischen Kirchen nicht allzulange vor 1154 erfolgt sein. Zur Zeit des Zehntregisters (375) bestanden in der Sadelbande 4. Kirchspiele: Siebeneichen, Lütau, Geesthacht und Kuddewörde - Hohenhorn ist kein eigenes Kirchspiel, es gehört zu Geesthacht. Von diesen sind zweifelsohne die beiden ersten mit ihren 18 und

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16 zum großen Teil wendischen Dörfern gegenüber den kleineren letzten beiden, die nur 8 und 7 Orte, welche zudem ausschließlich deutschnamig sind, umfassen, als die älteren anzusehen, wie das übrigens auch der Anlage des Zehntregisters, das allemal die jungen Kirchspiele ans Ende stellt (siehe darüber weiter unten S. 127 f.), entspricht. Auch die Lage der ersten beiden an der Heerstraße von Artlenburg nach Ratzeburg spricht für ihr Alter. In ihnen werden wir die 1158 bereits bestehenden Kirchen zu suchen haben. Nun gibt uns aber das Zehntregister noch einen weiteren Anhalt, indem es bei Lütau bemerkt, Graf Reinold (von Artlenburg), welcher vor Demmin gefallen sei, habe die Äcker des Dorfes zehntfähig und =pflichtig (decimales) gemachte d. h. die deutsche Agrarverfassung eingeführt; 1230 stellt es sich denn auch als ein großes Doppeldorf von 24 Hufen - 23 und die Pfarrhufe - dar. Da Graf Reinold 1164 im Kampfe fiel, kann dies nicht wohl früher als höchstens im Anfange der vierziger Jahre gewesen sein - eben zu der Zeit, als die deutsche Einwanderung in Wagrien begann und die Grafschaft Ratzeburg errichtet ward. Diese Maßregel maß aber weiter in Zusammenhang mit deutscher Einwanderung in die Sadelbande stehen, indem entweder Lütau selbst mit Deutschen besetzt ward, oder die wendischen Bauern nach dem Vorbilde benachbarter deutscher Gemeinden deutsches Recht erhielten. 1 ) Es ist aber höchst unwahrscheinlich, daß Lütau, der Haupt= und älteste Kirchort der Sadelbande, darin ein Nachzügler gewesen ist. Seine Umwandlung in ein deutsch verfaßtes Dorf durch den Befehlshaber von Artlenburg, der auch wohl für die Sadelbande das Kommando führte und Lütau, wie es scheint, als Allod besaß, wird vielmehr den ersten Schritt zur Germanisierung der Landschaft gebildet haben. Somit hat auch hier die deutsche Einwanderung schwerlich vor 1142 begonnen. In ihrem Gefolge


1) Es ist doch sehr unwahrscheinlich, daß diese Zehntbarmachung, wie Hellwig (M. Jbb. 69, 317 Anm. 2 u. Archiv des Vereins f. lauenb. Geschichte, VII, 1 S. 134) meint, einfach dadurch erfolgte, daß die wendischen Zeitpächter zu Erbpächtern gemacht wurden. Der bisherige Wendenzehnt, der nicht nur Kornzehnt war, sondern außer 3 Maß Hartkorn noch 1 Schilling, 1 Topp Flachs und 1 Huhn (65) auf die Hakenhufe betrug, war der wendischen Wirtschaftsweise mit ihrem geringen Ackerbau angepaßt. Den deutschen Kornzehnt einfach an seine Stelle setzen, würde wahrscheinlich eine Verminderung der Einnahmen bedeutet haben. Seine Einführung setzt die des ausgedehnteren deutschen Ackerbaues, d. h. die Einführung der deutschen Wirtschaftsverfassung, voraus, kann somit nur im Zusammenhange mit deutscher Einwanderung erfolgt sein.
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sind dann auch die beiden ersten Kirchen in Lütau und Siebeneichen erbaut worden.

Aber nicht nur die Sadelbande war schon in den Bereich der kirchlichen Organisation hineingezogen, als sie dem Ratzeburger Sprengel zugewiesen wurde, auch in den Winkel zwischen Bille und Elbe, die heutigen Vierlande, war die Kirche bereits vorgedrungen. Hier bestand das Kirchspiel Bergedorf, wie es scheint als einziges und, nach den Ortsnamen zu urteilen, vorwiegend deutsches. Es gehörte zum Hamburger Sprengel. Durch die Bestimmung der Dotationsurkunde, daß der Ratzeburger Sprengel bis an die Billemündung reichen solle, fielen auch die Vierlande in seine Grenzen und dementsprechend wies Hartwig bald daraus das Kirchspiel Bergedorf diesem zu (75 u. 76). Auch diese Zuweisung stützt wiederum die Annahme, daß etwaige ältere Kirchen in der Sadelbande nicht dem Hamburger Sprengel zugehört haben können.

Kehren wir zur Dotationsurkunde zurück. Wie weit im übrigen die Errichtung von Kirchen vorgeschritten war, läßt sich nur vermuten. Aus den Bestimmungen über Kirchengründung und Patronat läßt sich nicht entnehmen, ob schon weitere Kirchen bestanden. Genannt wird außer St. Georgsberg nur noch die von Nusse. Beide geben sich schon durch den enormen Umfang ihrer Kirchspiele als Anfangskirchen. Wahrscheinlich waren sie die einzigen bereits bestehenden. An direkten Zeugnissen fehlt es. Helmolds Angabe (I, 91),daß Graf Heinrich eine Menge Westfalen in Polabien angesiedelt habe, welche Kirchen gebaut hätten, ist zeitlich zu unbestimmt ,um daraus Schlüsse für das Jahr 1158 ziehen zu können. Nun finden sich allerdings in den Grenzbestimmungen des Landes Boitin (65) die beiden deutschen Ortsnamen "manhage" und "bunistorp", die darauf hinzuweisen scheinen, daß schon damals deutsche Ansiedler bis an die Ostgrenze des Landes Boitin vorgedrungen waren, und unter den Bifchofshöfen finden wir im Lande Dassow, also noch weiter nordwärts "Bischopestorp", ein Name, der auch hier nicht nur deutsche Kolonisation voraussetzen würde, sondern sogar daß der Ort um 1158 schon längere oder kürzere Zeit in Händen des Bischofs gewesen wäre. Nun fehlt aber Bischofsdorf noch 1171 in der unverdächtigen Urkunde (101), durch welche der Herzog, wie 1158 versprochen, die curiae episcopales von Heerfolge, Markding und Burgwerk befreit. Es war also damals noch garnicht im Besitz des Bischofs, unter dessen Höfen es zuerst 1174 in der Urkunde 113 erscheint, aber auch diese gehört zu den unechten Innovationen von 1189 (Buchwald a. an O § 48).

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In der Dotationsurkunde ist Bischofsdorf also fraglos späterer Einschub. Dasselbe aber gilt dann auch von "Manhage", welches in der sonst gleichlautenden Grenzbeschreibung der Urkunde 113 noch fehlt, und dann doch wohl auch von Bunistorp. Die scheinbaren Spuren deutscher Besiedelung erweisen sich also als irrig, und von Kirchen im Lande Boitin wird daher auch nicht die Rede sein können. Nicht anders wird es mit den Ländern Gadebusch, Wittenburg, Boizenburg stehen. Höchstens in den Hauptorten Gadebusch und Wittenburg selbst könnten schon Kirchen bestanden haben. Und die Länder Jabel und Wehningen hatten sicher noch keinen christlichen Priester gesehen. Aber auch im Lande Ratzeburg selbst kommen nur ganz wenige Kirchen neben St. Georgsberg und Nusse überhaupt in Frage. Das erstere Kirchspiel war noch 1194 (154) von so enormer Größe, daß es die späteren von Krumesse, Grönau, Berkentin, Behlendorf, Schmilau und Ziethen ganz oder zum Teil umfaßte, d. h. das ganze Gebiet zwischen der Stecknitz und dem Ratzeburger See sowie die im Süden und Südosten um denselben gelegenen Dörfer. Und Nusse ist 1194 außer Bredenfelde noch das einzige Kirchspiel westlich der Stecknitz gewesen. Noch 1230 (375) umfaßte es das später gegründete Sandesneben=Linau mit; Siebenbäumen bestand überhaupt noch nicht, und einige westlich der Stecknitz gelegene Dörfer finden wir bei dem inzwischen von St. Georgsberg abgezweigten Berkentin. Es kämen also nur das eine oder andere der 1194 südlich oder östlich von Ratzeburg gelegenen Kirchspiele in Frage; es sind dies die 7 Schlagsdorf, Karlow, Mustin, Seedorf, Sterley, Gudow und Bredenfelde. Letzteres liegt allzu nahe an Nusse, um als Anfangskirche gelten zu können; von den benachbarten beiden Sterley und Seedorf käme auch nur eins in Frage (siehe darüber weiter unten; Schlagsdorf und Karlow aber liegen schon zu weit ins Wendenland vorgeschoben, als daß man an sie denken könnte. Es bleiben also nur Gudow, Sterley und vielleicht Mustin als möglicherweise um 1158 schon bestehend übrig, und in der Tat haben sie neben St. Georgsberg die altertümlichsten Kirchen des Landes. In Gudow und Sterley findet sich sogar der von den Vizelins= oder richtiger Geroldskirchen her bekannte Gipsstuck. Sie sind jedoch nicht mehr wie diese rein romanisch, sondern zeigen den beginnenden Übergangsstil, dürften also nach dem für Wagrien gewonnenen Ergebnis doch jünger sein als 1158 (Haupt=Weißer Lauenburg. Baudenkmäler S. 69f., 137f., 169 f.). Immerhin könnte die Errichtung der Kirchspiele bis in diese Zeit zurückreichen.

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Es waren noch wenige Kirchen, die das neue Bistum besaß, außer Nusse, St. Georgsberg und Bergedorf, Lütau und Siebeneichen allenfalls noch im Ratzeburgischen Gudow, Sterley und Mustin, vielleicht dazu noch Gadebusch und Wittenburg, also im ganzen 10 Kirchen; wahrscheinlich ist aber diese Zahl auch noch fast um die Hälfte zu hoch gegriffen. Es war kaum ein Anfang gemacht.

Aber man war jetzt zu energischem Vorgehen entschlossen. Es werden daher in die Dotationsurkunde sofort Bestimmungen über die Errichtung weiterer Kirchen und deren Patronat aufgenommen. Weitere Kirchen sollen auf Grund von Vereinbarung zwischen Bischof und Grundherrn errichtet und mit je 4 Hufen ausgestattet werden. Das Patronat soll im allgemeinen dem Grundherrn, im Lande Boitin, in Nusse, St. Georgsberg in der Sadelbande und Gamme aber dem Bischof zustehen. Erstere Bestimmung versteht Hellwig dahin, daß Bischof und Grundherr je 2 Hufen herzugeben gehabt hätten - und sieht das dann in den Angaben des Zehntregisters im allgemeinen ausgeführt. (M. Jbb. 69, 328f.) Allein in letzterem irrt er nachweislich. Die Angaben des Zehntregisters über den Besitz der Kirchen beziehen sich nicht ohne weiteres auf den Besitz der Hufen selbst, sondern nur auf den des Zehnten. Ein Beispiel mag genügen. Hellwig sagt: "Klütz und Thomashagen waren mit je 4 Hufen ausgestattet." (S. 329). In Wirklichkeit war Klütz, wie aus der Pfarrtaxe (4120) hervorgeht, nur mit 2 Hufen dotiert. Jene "4 Hufen vom Bischofsteil" im Zehntregister, zu welchem übrigens noch "ebensoviel vom Teil des Grundherrn" kommen, wollen also nicht sagen, daß die Kirche 4 Hufen vom Bischofsteil besessen habe, sondern nur den Zehnt von diesen Bischofshufen. Hellwig verwechselt eben Zehnt= und Grundbesitz. Der Bischof aber hatte ja überhaupt keinen Grund= sondern nur Zehntbesitz in den Dörfern der Landesherrn oder der Allodbesitzer. Er hätte allemal jene zwei Hufen, die Hellwig ihm zuweisen will, vom Grundherrn erst kaufen müssen -- dann aber auch allen Analogien zufolge ein Recht auf das Compatronat gehabt (vergl. dazu 284). Da aber der Grundherr das Patronat allein haben soll, so ist er auch als der anzusehen, der die 4 Dotalhufen zu geben hat. Der Bischof gibt prinzipiell nur den Zehnt von denjenigen Dotalhufen, die aus dem ihm zehntpflichtigen Teil der Dorfhufen genommen sind. Wie sich nun hiernach die Verhältnisse faktisch gestaltet haben, wird unten weiter zu erörtern sein. Hier ist noch zu bemerken, daß die Kirchenbaupflicht auch hier wie in

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Wagrien der Gemeinde oblag. Eine besondere Bestimmung ward darüber nicht in die Dotationsurkunde aufgenommen, so selbstverständlich war es. Man folgte eben einfach dem längst und überall bestehenden Herkommen. Hellwig irrt auch hier, wenn er (Archiv des Vereins f. lauenb. Gesch. VII, 2S. 17) den Bischof die Kirchen bauen läßt und zwar von den Überschüssen des Zehnten. Diese Bestimmungen nun beziehen sich überall zunächst nur auf die beabsichtigten deutschen Siedelungsdörfer, denn jetzt faßte man eine umfassende Verdrängung der Wenden durch Einführung deutscher Bauern in's Auge - die Dotationsurkunde spricht diese Absicht unumwunden aus. Für etwaige in wendischen Dörfern zu errichtende Kirchen traf man die Bestimmung, daß der dort stationierte Priester den dritten Scheffel des Wendenzehnten haben solle; an eine Ausstattung mit Grundbesitz scheint hier nicht gedacht zu werden. Jedenfalls aber geht aus diesen Bestimmungen der Wille hervor, auch in rein wendischen Gebieten Kirchen zu errichten, und sich nicht auf die deutschen Siedelungen zu beschränken. Wie weit diese Absicht zur Ausführung gekommen ist, wird sich später herausstellen.

Endlich wird der Zehnt im ganzen Sprengel dem Bischof zugewiesen. Nur den der Sadelbande und Gamme hat der Herzog noch, solange es dem Bischof genehm ist. Den Zehntvertrag zwischen dem Bischof und dem Grafen mit dem berühmten Ratzeburger Besetzungsrecht möchte ich daher nicht schon 1154 ansetzen, sondern gleichzeitig mit oder bald nach Ausstellung der Dotationsurkunde.

War also um 1158 alles noch in den ersten Anfängen, so sollte es nun bald kräftig vorwärts gehen. Im Jahre 1160 wurde der letzte selbständige Wendenfürst Mecklenburgs, Niklot, niedergeworfen. Er verlor im Kampf sein Leben. Seinen Söhnen blieb nur die östliche kleinere Hälfte seines Gebietes, trotz ihrer Unterwerfung. Aus dem größeren westlichen ward eine neue Mark gebildet, die Hauptburgen der Obotriten mit sächsischen Kriegern belegt und so die Grenzlinie um einige Meilen weiter nach Osten vorgeschoben. Waren bisher die Besatzungen der Burgen Gadebusch und Wittenburg die letzten vorgeschobenen Posten des Deutschtums gewesen und das Ratzeburger Land unmittelbar etwaigen Wendeneinfällen ausgesetzt, so rückte es nun in die zweite Linie; die Lage wurde eine ungefährdetere, und nun scheint auch der Strom der deutschen Einwanderer sich in größerem Umfange hierher ergossen zu haben. So machte denn auch die Entwickelung des Bistums einen Schritt vorwärts. Im

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Jahre 1167 (88) wurden seine Grenzen, namentlich nach Osten, genau festgelegt. Hierbei tritt uns zugleich eine bedeutende Gebietsveränderung zuerst entgegen, die wahrscheinlich schon im Jahre 1160 stattgefunden hatte (siehe darüber weiter unten. 1 ) Ratzeburg gab das Land Schwerin an das inzwischen errichtete gleichnamige Bistum ab und tauschte dafür das nördlich von Gadebusch gelegene und bis an die Ostsee reichende Land Bresen ein. Nun, im Jahre 1167, scheint auch die Kolonisation in vollem Gange. War 1158 vom Zehnt als einer erst in Zukunft einzuführenden Einrichtung die Rede gewesen, dagegen vom Wendenzins als dem bei der gegenwärtigen Lage gegebenen, so werden nun die Einkünfte aus dem Zehnten zwischen Bischof und Kapitel geteilt, zugleich auch für Boitin ein eigenes Besetzungsrecht geschaffen. Zum erstenmal begegnen uns hier urkundlich die Länder Gadebusch und Wittenburg, letzteres schon mit dem deutschen Namen. Unter den Zeugen der hierüber ausgestellten Urkunden erscheint zuerst Graf Bernhard von Ratzeburg allein; im Jahre vorher hatte sein Vater Heinrich noch gelebt (cf. M. U.=B. 86 n.) und so mag hierher Helmolds Angabe gehören, mit der er das Kapitel über den Zehnt der Holsaten einleitet: "Porro Heinricus comes de Racesburg,. . . adduxit multitudinem populorum de Westfalia, ut incolerent terram Polaborum . . . . Et aedificaverunt ecclesias et subministraverunt decimas fructuum suorum ad cultum domus Dei. Et plantatum est opus Dei temporibus Heinrici in terra Polaborum, sed temporibus Bernhardi filii eius abundantius consummatum." (I, 91). Und einige Jahre später schließt Helmold sein Werk mit dem triumphierenden Bericht, daß das ganze ehemalige Wendenland von der Eidermündung bis Schwerin, einst insidiis horrida et pene deserta, jetzt dante Deo gleichsam zu einer Sachsenkolonie geworden ist. Et instruuntur illic civitates et oppida et multiplicantur ecclesiae et numerus ministrorum Christi."

Freilich sind diese Worte im Hochgefühl des endlich errungenen Sieges geschrieben und daher nur cum grano salis zu verstehen. In Wirklichkeit war es doch noch lange nicht soweit. Zwar redet Helmold an verschiedenen Stellen davon, daß das Land durch die fortwährenden Kriege, durch Auswanderung und Vertreibung der Wenden menschenleer geworden sei, und


1) Auch hier kann ich Hellwichs Ansicht in derArbeit in M. Jbb. 71. nicht folgen.
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nimmt die Dotationsurkunde (65) die Vertreibung der wendischen Bevölkerung in Aussicht.

Aber zur Ausführung ist diese Maßregel doch nur in sehr beschränktem Sinne gekommen. Nach den grundlegenden Untersuchungen von Hellwig (M. Jbb. 69, 291--350) und Witte (Vgl. M. Jbb. 70, p. 153) ist die bisher herrschende Meinung, daß die wendische Bevölkerung teils durch die fortwährenden Kriege dezimiert, teils von den Siegern zur Auswanderung genötigt und durch eine rein deutsche ersetzt worden sei, als ein für allemal abgetan erwiesen und gezeigt, daß erstere vielmehr im Lande geblieben ist. Dünn, wie sie auch abgesehen von den Kriegsverlusten war, bot sie noch überreichlich Raum für deutsche Einwanderung. Mit dieser starken Beschränkung aber können wir Helmolds Schlußworten als sicher entnehmen, daß damals, um 1170, die Einwanderung in vollem Gange war und die Errichtung von Kirchen und Pfarren mit ihr Hand in Hand ging. Es bedurfte also auch hier wie in Wagrien der ersteren, um die letztere vorwärts zu bringen.

Wir rechnen diese erste Periode deutscher Kolonisation bis zum Ende des 12. Jahrhunderts und beginnen die zweite mit der Dänenzeit und der Eröffnung auch der obotritischen Länder für die Einwanderung. Ihren Höhepunkt wird diese erste Periode in den siebziger und achtziger Jahren des Jahrhunderts gehabt haben. Die Wirren nach dem Sturze des Löwen und die deutsch=dänischen Kämpfe waren der Einwanderung wenig günstig. Doch scheint sie auch in dieser Zeit nicht gänzlich ins Stocken gekommen zu sein.

Wir kommen nun zu der Frage: Lassen sich die im Laufe dieser Kolonisationsperiode errichteten Kirchen und Kirchspiele noch ermitteln? und ist vielleicht innerhalb derselben noch eine Unterscheidung von älteren und jüngeren möglich? - also der Gang der Entwickelung noch aufzuzeigen? Glücklicherweise besitzen wir zwei wertvolle Urkunden aus dem Beginn der neunziger Jahre, aus denen sich für beträchtliche Teile des Bistums diese Fragen mit einiger Sicherheit beantworten lassen, den Teilungsvertrag zwischen Bischof Isfried und seinem Kapitel über die Stiftsgüter und Zehnten von 1194, und den Zehntvertrag desselben Bischofs mit Graf Heinrich von Dannenberg für die Länder Jabel und Wehningen.

Die erstere Urkunde (154) führt im Lande Ratzeburg 8 Kirchspiele auf: St. Georg, Schlagsdorf, Mustin, Seedorf, Sterley, Gudow, Bredenfelde und Nusse, als solche in denen das Kapitel

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Besitz hat. Es fragt sich zunächst, ob außer diesen 8 damals noch weitere Kirchspiele bestanden. Schon oben (S 122) sahen wir, daß westlich vom Ratzeburger See 1194 nur die drei Kirchspiele Nusse, Bredenfelde und St. Georg vorhanden waren. Im übrigen Teil des Landes kämen die 1230 im Zehntregister außer den genannten ausgeführten Kirchspiele Büchen, Mölln, Schmilau und Karlow in Frage. Von diesen wird das kleine, nur drei Dörfer umfassende Heidekirchspiel Büchen kaum schon 1194 bestanden haben, geschweige, daß es zu den älteren Kirchspielen gehört hätte. Schmilau kann ebenfalls noch keine Kirche gehabt haben, da es andernfalls das Kirchspiel von St. Georg, zu welchem 1194 noch Zieten gehörte, in zwei getrennte Stücke zerrissen hätte. Auch Mölln wird noch kein eigenes Kirchspiel gewesen sein. Der Ort war da - 1194 wird Alt=Mölln genannt -, aber er soll erst von Waldemar dem Sieger, also nach 1204, Stadtrecht erhalten haben (Haupt=Weißer: Lauenb. Denkmäler S. 111 ff.). Seine stattliche Kirche ist offenbar, wenn auch bald nach 1200, doch schon für eine städtische Gemeinde gebaut, und überdies umfaßt das kleine Kirchspiel 1230 nur drei Dörfer, welche später gelegt und in der Stadtfeldmark aufgegangen sind, zu der sie wohl schon bei Gründung derselben gelegt waren. Zudem begegnet eins derselben, Pinnow, 1194 noch unter den Kirchspieldörfern von Bredenfelde. Sonach bleibt nur Karlow übrig, ein großes Kirchspiel, das eine unverhältnismäßige Lücke lassen würde und daher 1194 wohl vorhanden war, obgleich es kein direktes Zeugnis dafür gibt, denn seine Kirche (Lisch, M. Jbb. VII, B, 72) ist erst im 13. Jahrhundert erbaut.

Ein indirekter Beweis läßt sich indes doch für die Existenz der Karlower Kirche führen. Vergleicht man in der Urkunde von 1194 und im Zehntregister die Reihenfolge der Provinzen, sowie innerhalb derselben die der Parochieen, soweit es möglich ist, so stellt sich heraus, daß es dieselbe ist = eine Ausnahme macht allein Parum, das 1194 die achte, 1230 die vierte der Wittenburger Pfarren ist. Ja selbst innerhalb der einzelnen Pfarren ist die Reihenfolge der Dörfer, soweit sie sich kontrollieren läßt, in beiden Urkunden zum großen Teil - in 7 von 13 Fällen - dieselbe. Weiter stellt sich heraus, daß die 1194 nicht genannten und vermutlich erst später errichteten Pfarren im allgemeinen im Zehntregister am Ende jeder Provinz hinter den Pfarren von 1194 stehen. Eine scheinbare Ausnahme macht hier St. Georg auf dem Berge, das 1194 voran steht, im Zehntregister aber ziemlich am Ende - es war eben inzwischen in verschiedene

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neue Kirchspiele zerschlagen worden und rückte so vom Anfang an das Ende der Ratzeburger Pfarren. Das alles kann nicht zufällig sein und erklärt sich, wenn dem Vertrage und der Urkunde von 1194 ein Zehntregister zu Grunde liegt, das uns mit den späteren Ergänzungen in erneuter Ausarbeitung in dem von 1230 noch vorliegt. Zu den von Hellwig (M. Jbb. 69, 299 ff.) genannten Quellen des letzteren wäre also dieses noch hinzuzufügen, wie es denn ja von vornherein unwahrscheinlich ist, daß für die jährlich zu erhebenden Zehnten erst um 1230 ein Register angelegt worden sein soll, und man sich zwei Menschenalter hindurch ohne ein solches beholfen habe - was für eine Geschäftsführung würde das voraussetzen! Es findet sich aber noch eine weitere Bemerkung im Zehntregister von 1230, die sich ebenfalls am einfachsten dadurch erklären läßt, daß der Verfasser ein älteres Register direkt als Vorlage bei der Niederschrift benutzte. So erklärt es sich nämlich, daß er die beiden jüngst errichteten Pfarren im Ratzeburgischen, Büchen und Mölln, am Ende nachzutragen vergaß und von den in seiner Vorlage vielleicht schon nachgetragenen Pfarren, in welche das St. Georgenkirchspiel zerschnitten war, derselben folgend sofort zur Provinz Wittenburg weitereilte, dann aber seinen Irrtum bemerkte und nun die vergessenen Pfarren Büchen und Mölln am Rande nachtrug. Auch die Verwirrung, die in dem Abschnitte Gadebusch dadurch entstanden ist, daß die Pfarren durch Einschiebung der Schweriner Pfarre Eixen in zwei Gruppen auseinander gerissen sind, die jede ihre eigene Überschrift haben, ist wohl ähnlich zu erklären und auf Rechnung des Bearbeiters zu setzen (Vergl. darüber weiter unten).

Kehren wir nun zur Provinz Ratzeburg zurück und suchen das Zehntregister, wie es um 1194 vorlag, soweit es die Parochien betrifft, wiederherzustellen, so haben sicher in ihm gestanden: St. Georg, Schlagsdorf, Mustin, Seedorf, Sterley, Gudow, Bredenfelde und Nusse, und zwar abgesehen von St. Georg, das im Zehntregister von 1230 ans Ende gerückt ist, genau in der Reihenfolge des letzteren. Die im Zehntregister folgenden Kirchspiele Berkentin, Krumesse und Grönau fehlten noch, ihre Dörfer gehörten 1194, soweit sie in der Urkunde dieses Jahres aufgeführt sind, noch zu St. Georg. Dann aber haben die am Schlusse und sogar am Rande nachgetragenen Kirchspiele Mölln und Büchen erst recht noch nicht im Register von 1194 gestanden, und damit stimmt, daß, wie oben gezeigt, das eine sicher, das andere aller Wahrscheinlichkeit nach 1194 noch nicht bestanden

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hat. Anders aber steht es nun mit dem letzten der für 1194 als möglicherweise vorhanden bezeichneten Kirchspiele, mit Karlow. Es hat im Zehntregister von 1230 seinen Platz an zweiter Stelle zwischen Schlagsdorf und Mustin und wird also zu den älteren und schon 1194 vorhandenen gehören. In der Urkunde von 1194 fehlt es natürlich, da das Kapitel dort keinen Besitz hatte.

Wir kommen also für das Jahr 1194 auf 9 Kirchspiele im Lande Ratzeburg. Es fragt sich nun, ob aus diesen noch ein oder das andere als jünger wie die übrigen ausgeschieden werden kann, und so vermutungsweise die Zahl der in den sechziger und siebziger Jahren errichteten zu finden ist, und das ist in der Tat für eins derselben, nämlich Seedorf, der Fall. Abgesehen von den beiden ältesten Kirchspielen St. Georg und Nusse, welche einen bedeutend größeren Umfang als die übrigen haben und sich schon hierdurch als die ältesten erweisen, zeigen nach dem Zehntregister von 1230 fast alle 1194 bestehenden einen ziemlich gleichen Umfang, nämlich von 11-14 Dörfern. Nur Schlagsdorf mit seinen 9 Dörfern ist ein wenig kleiner. In Bredenfelde ist hierbei nach der Urkunde 154 (Pinnow) Mölln, in Gudow Büchen eingerechnet. Die beiden aneinandergrenzenden Parochien Sterley und Seedorf mit ihren nur je 7 Dörfern und nahe aneinanderliegenden Kirchen machen allein eine Ausnahme. Zusammen ergeben die beiden 14 Dörfer, also nicht mehr als Gudow. Das legt die Vermutung nahe, daß hier ein großes Kirchspiel in zwei kleinere zerschlagen ist, und diese Vermutung verstärkt sich bei Betrachtung der Kirchen: die von Sterley ein großer weiträumiger Feldsteinbau mit nur spärlicher Verwendung von Ziegelsteinen an den Gewandungen der Fenster und Türen, von fast denselben Dimensionen wie die Kirchen von St. Georg und Mustin; die von Seedorf eine nur halb so große Ziegelkirche; jene ein Bau des besten Übergangsstiles, diese schon mit starker Neigung zum gotischen; dabei beide in der eigentümlichen breiten Turmanlage miteinander verwandt. (Haupt=Weißer a. a. O. S. 169f. u. 163 f.). Das alles hat den Anschein, als ob erstere noch für das ganze ungeteilte Kirchspiel gebaut, die zweite aber nachträglich für das abgetrennte kleinere. Da jedoch auch die Kirche von Sterley ihrem Stil nach kaum vor den 80er Jahren gebaut sein kann, so werden wir die Abtrennung von Seedorf als 1194 erst soeben geschehen anzusehen haben.

Sind sonach aus den 1194 bestehenden 9 Kirchen Seedorf als jünger, St. Georg und Nusse als älter als ca. 1160-80

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auszuscheiden, so bleiben nunmehr als im Verlauf der Kolonisationsbewegung dieser beiden Jahrzehnte gegründete Kirchen die 6 folgenden: Bredenfelde, Gudow, Sterley, Mustin, Karlow und Schlagsdorf, alle von annähernd gleicher Größe und gleichmäßig über das Land verteilt, offenbar die Ausführung eines wohlüberlegten und einheitlichen Organisationsplanes und daher in einem Zuge errichtet. Bei diesem Resultate aber wird es höchst wahrscheinlich, daß 1158 bei der Dotierung des Bistums wenigstens im Ratzeburgischen noch keine weiteren Kirchen bestanden als die beiden damals dem Bistum geschenkten Nusse und St. Georg.

Wenden wir uns nun der Urkunde folgend ostwärts zum Lande Wittenburg, so begegnen uns hier bis auf Pritzier alle 1230 vorhandene Kirchspiele schon im Jahre 1194; aber auch dieses ist ohne Zweifel schon vorhanden, da es 1230 nicht am Ende nachgetragen ist, sondern zwischen Hagenow und Vellahn steht. Wir finden also 1194 hier die 10 Kirchspiele Zarrentin, Neuenkirchen (Lassahn noch umschließend), Döbbersen, Parum (einen Teil von Gammelin noch umfassend), Wittenburg (noch einschließlich Dreilützow), Hagenow, Pritzier, Vellahn, Körchow, Camin. Wir versuchen nun auch hier wenigstens vermutungsweise noch bis in die Zeit, mit welcher Helmold abbricht, vorzudringen.

Wenden wir uns wieder an das Zehntregister von 1230 um Auskunft und betrachten die Reihenfolge der Kirchspiele, so fällt zunächst auf, daß hier Parum nicht wie 1194 an letzter Stelle, sondern vor Wittenburg steht. Da jedoch, wie wir gesehen, der Verfasser des Zehntregisters ein älteres einfach abschrieb, so wird hier seine Reihenfolge die ursprüngliche sein, gegenüber jener Vertragsurkunde, die sich an ein Zehntregister nur anlehnte. Welches Prinzip verfolgt nun das Register in der Aufeinanderfolge der Pfarren? Zarrentin, Neuenkirchen, Döbbersen - die Pfarren im Westen des Landes, wie sie von Südwest nach Nordost aufeinanderfolgen; das scheint ein bestimmtes topographisches Prinzip. 1 ) Aber nun springt die Reihenfolge über Wittenburg weg nach Osten: Parum -, holt dann Wittenburg nach, gibt nun das an letzteres südöstlich anschließende Hagenow, die südlich diesem benachbarten Pritzier und Vellahn und springt dann nach


1) Ein solches wird auch bei dem Lande Ratzeburg deutlich innegehalten, wo das Register ursprünglich mit dem Zentrum, St. Georg begann, dann die östliche Nachbarpfarre Schlagsdorf brachte und von hier aus die im Kreise um St. Georg gelegenen Pfarren der Reihe nach aufzählte bis dieselbe mit Nusse schloß.
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Norden zurück und holt die in der Mitte ausgelassenen Pfarren Körchow und Camin nach. - Das Prinzip scheint verlassen und an seine Stelle Regellosigkeit getreten. Aber es scheint nur. Parum und Wittenburg bildeten ursprünglich zusammen eine Parochie, und daß sie in dem 1194 vorauszusetzenden Register getrennt sind, ist schon das Resultat einer Entwicklung. Beweis: das Patronat von Parum stand dem Pfarrer von Wittenburg zu (Visitationsprot. v. 1541), was sich nur daraus erklärt, daß Parum einst zur Wittenburger Parochie gehört hat, sein Pfarrer also eigentlich als Vikar des Wittenburger Pfarrers gilt (vergleiche dazu im weiteren Verlauf der Arbeit Parchim=Lanken=Möderitz=Klockow; Sanitz=Dänschenburg; Ribnitz=Kuhlrade; auch Gadebusch=Roggendorf= Salitz und Marlow=Wulfshagen). Neben dem großen Kirchspiel Wittenburg mit seinen 12 Orten steht also das einst zu ihm gehörige kleinere Parum mit seinen 7 Dörfern. Dann folgt das Wittenburg südostwärts benachbarte, große, 11 Orte umfassende Hagenow und neben ihm steht wieder ein kleineres, nur 8 Dörfer umfassendes Nachbarkirchspiel. Daran schließt sich dann die große Vellahner Parochie mit ihren 14 Dörfern und neben ihr stehen wieder zwei kleinere mit je 8 und 7 Dörfern, Körchow und Camin. Die Sache ist klar: wie Parum ein jüngeres Tochterkirchspiel von Wittenburg ist, so sind es Pritzier von Hagenow, Kamin und Körchow von Vellahn. Wir blicken hier auf eine noch ältere Form des Zehntregisters, in der nur die Pfarren Zarrentin, Neuenkirchen, Dobbersen, Wittenburg, Hagenow und Vellahn in wohlgeordneter topographischer Reihenfolge standen, und der gegenüber die von 1194 schon als zweite Rezension anzusehen ist, bei welcher jedoch nach anderem Prinzip verfahren ist wie 1230, die jüngeren Pfarren nicht ans Ende gestellt, sondern neben die, von denen sie abgetrennt waren - also an demselben Ort, wo ihre Dörfer schon gestanden hatten. So steht denn auch im Ratzeburgischen das jüngere Seedorf neben seiner Mutterpfarre Sterley.

Es ergibt sich also für die Entwickelung der Kirchenerrichtung, daß man bei der Vornahme der ersten kirchlichen Einteilung in dem schon dichter mit Deutschen besiedelten und an das Land Ratzeburg grenzenden Westen und Nordwesten eine Reihe von Pfarren der dort gefundenen Durchschnittsgröße von 9-13 Dörfern anlegte, nämlich Zarrentin, Döbbersen und Neuenkirchen, weiterhin aber in noch wesentlich wendischem Gebiet sich mit den drei Riesen=Kirchspielen Wittenburg, Hagenow und Vellahn begnügte, von denen dann bald im Laufe etwa der achtziger Jahre die

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kleineren, nur 6-8 Orte umfassenden Kirchspiele Pritzier, Körchow, Camin und Parum abgezweigt wurden. Eine Bestätigung findet diese Vermutung in der alten, für eine Landkirche ganz ungewöhnlich großen Kirche zu Vellahn, welche deutlich zeigt, daß dieser Ort in der ältesten Zeit eine viel größere Bedeutung gehabt haben muß als später. Es ist ein unersetzlicher Verlust und eine nicht genug zu beklagende Barbarei, daß diese zweifellos älteste und ehrwürdigste Kirche Mecklenburgs im Jahre 1882 (!) abgerissen worden ist, um einem Neubau Platz zu machen. Glücklicherweise sind wir über den alten Bau wenigstens einigermaßen orientiert (Schlie III, 86 ff., cf. M. Jbb. 59, 27 f). Er war ein reiner Felsenbau aus unbehauenen Steinen in Form einer dreischiffigen, flachgedeckten Basilika, ohne Frage (trotz Krüger) ursprünglich mit quadratischem Chor und halbkreisförmiger Apsis, nach den Zeichnungen Krügers bis auf die beiden schwachstechenden Fenster in der Westwand des Mittelschiffes noch rein rundbogig, die Dimensionen im Mittelschiff im Lichten 21,75 m X 7 m. Sie bleiben zwar anscheinend beträchtlich hinter denen der alten Hauptkirche des Bistums, St. Georgsberg, zurück, aber diese ist nur einschiffig, und rechnete man auf die Breite der einstigen oder wenigstens ursprünglich geplanten Seitenschiffe in Vellahn auch nur je 2,5 m, so erhält man eine Grundfläche von 261 qm, inklusive eines quadratischen Chors sogar 310 qm im Lichten für Vellahn, gegen 246 qm in St. Georgsberg. Freilich, ob die Seitenschiffe je wirklich zur Ausführung gekommen sind, ist fraglich. Vermutlich geriet der Bau schon ins Stocken, als das Kirchspiel durch die Errichtung der kleineren Pfarren in der Nachbarschaft in den achtziger Jahren an Umfang verlor.

Noch auf eins darf hier vielleicht hingewiesen werden, nämlich, daß das Patronat der so als älter ermittelten Pfarren landesherrlich ist (für Zarrentin M. U.=B. 703; für Neuenkirchen, Döbbersen und Vellahn: Visit.=Prot. von 1534; für Wittenburg M. U.=B. 703; für Hagenow M. U.=B. 1033. Bei Döbbersen liegen die Dinge nicht ganz klar; nach M. U .=B. 320 war es mit der Kirche um 1226 im Besitz des Klosters Zeven, nach dem Zehntregister aber erscheint es als Allod des Corvus.) Dagegen sind die 4 kleineren Pfarren Parum, Camin, Körchow und Pritzier wenigstens 1534 nicht mehr landesherrlich. Nun aber haben die landesherrlichen Pfarren gegenüber den ritterlichen von vornherein die Vermutung des höheren Alters für sich. Wie wir in Wagrien gesehen und später im Lande Breesen (284) sehen werden, sind es Bischof und Landesherr, welche zusammen

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die erste planmäßige Besetzung des Landes mit Kirchen vornehmen. Der Landesherr verfügte dabei schlechthin über die Patronate aller zu errichtenden Kirchen (284), und so finden wir, daß in dieser älteren Zeit der Kirchengründung selbst auf Allodialgütern gegründete Pfarren, wie Mustin, nicht unter dem Patronat des Allodbesitzers sondern des Landesherrn stehen (4794 Mustin; dieses ist nach M. U.=B. 375 cf. Hellwig M. Jbb. 69, S. 315 als Allod anzusehen). Auch hieraus würde sich ein weiterer Beweis für die jüngere Entstehung der drei kleineren Wittenburger Pfarren ergeben. Indes könnte auch das Patronat erst später in ritterliche Hände übergegangen sein, und da die drei Kirchdörfer nach dem Zehntregister nicht Allode sondern landesherrliche - oder Lehn-? - Dörfer zu sein scheinen, so ist das nicht ganz unwahrscheinlich, wenngleich es immerhin als ein merkwürdiger Zufall angesehen werden müßte, daß es gerade die 3 jüngeren Patronate sind, die später von den Landesherrn vergeben wurden.

Schlechter als über Wittenburg sind wir über das Land Gadebusch orientiert. Während die Urkunde von 1194 bis dahin die "Provincia" und "parrochia" ausdrücklich nennt, in welcher die Kapitelsdörfer liegen, heißt es hier einfach "In provincia Godebuz: Ganzowe etc.", ohne daß eine Parochie namhaft gemacht wird. Da es jedoch im folgenden wieder heißt "In provincia Szuerin: in parrochia Exem:", so dürfte die Vermutung naheliegen, daß bei Gadebusch ein "in parrochia Godebuz" infolge der Identität der Namen von Provinz und Kirchspiel ausgefallen ist, und die dann genannten Dörfer alle dem Gadebuscher Kirchspiel angehören, und das tun in der Tat 3 von ihnen; zwischen denselben aber findet sich Roggendorf, das 1230 selbst als Kirchdorf erscheint und Radegast, welches 1230 zum Kirchspiel Gr.=Salitz gehört. Indes sind diese beiden Kirchspiele 1230 so klein - 4 resp. 3 Orte umfassend -, daß sie unmöglich zu den Anfangskirchspielen gehören können. Überdies hat in beiden nach dem Visitationsprotokoll von 1534 der Kirchherr zu Gadebusch das Patronat, woraus mit höchster Wahrscheinlichkeit hervorgeht, das beide Filialen von Gadebusch sind. Im Jahre 1194 werden sie daher wirklich noch ohne Kirchen und zu Gadebusch gehörig gewesen sein. Es fragt sich nun, ob 1194 noch weitere Pfarren im Lande Gadebusch bestanden; 1230 finden sich die weiteren Rehna, Vietlübbe und Pokrent. Die ersten beiden sind ursprünglich landesherrlichen Patronats (M. U.=B. 467 und 7804), das letztere

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fehlt 1534 unter den herzoglichen Patronaten, wird also von vornherein ritterlichen Ursprungs sein, wofür auch die geringere Größe seines Kirchspiels - 1230 : 6 Orte - spricht. Erstere beiden sind höchst wahrscheinlich als schon 1194 bestehend anzusehen. Schon der Umstand, daß sie landesherrlichen Patronats sind spricht dafür. Zudem macht Rehna, neben dem zweiten Burgwall des Landes Gadebusch angelegt, und 1230 ein Kirchspiel von 23 Ortschaften (die jetzige Pfarre Grambow mit umfassend), durchaus den Eindruck eines Anfangskirchspiels, und Vietlübbe mit seinen 9 Kirchspielsdörfern ist schon um seiner alten Kirche willen, die schwerlich viel nach 1200 gebaut ist, eine Gründung des 12. Jahrhunderts (Schlie II, 490f.).

An das Land Gadebusch schließt sich die einzige Pfarre der Grafschaft Schwerin an, welche zum Ratzeburger Sprengel gehört, Eixen. Sie bestand schon 1194; ihr Kirchspiel umfaßt 1230 8 Ortschaften. Das Patronat scheint ursprünglich dem Bischof zugestanden zu haben (1674). Später besaß es der Johanniterorden.

Wir hätten also um 1194 im Lande Gadebusch die 3 Kirchspiele Gadebusch, Rehna und Vietlübbe, dazu die auch im Vertrage von 1194 an dieses sich anschließende Schweriner Pfarre Eixen. Vergleichen wir nun mit diesem Ergebnis die Angaben des Zehntregisters, so fällt hier die schon oben berührte Verwirrung auf, die dadurch entstanden ist, daß sich Eixen zwischen die Gadebuscher Pfarren einschiebt. Auch sie erklärt sich am einfachsten durch die Annahme, daß der Verfasser jenes ältere vorausgesetzte Register vor sich hatte und abschrieb. Dieses enthielt die Kirchspiele Gadebusch, Rehna, Vietlübbe, Eixen. Der Schreiber beabsichtigte es hier wie bei der Provinz Ratzeburg zu machen. Er ließ zunächst Gadebusch aus, weil es inzwischen in mehrere Kirchspiele zerteilt war, deren Dörfer erst von einander geordnet werden mußten, um es wie St. Georg mit seinen Töchtern am Ende nachzubringen, schrieb dann Rehna und Vietlübbe von der Vorlage ab und gedankenlos - wie er auch nach Hellwig war - gleich auch Eixen. Nun erst erinnerte er sich an die nachzutragende jüngere Pfarre Pokrent und die zu zerteilende von Gadebusch und mußte sie unter neuer Überschrift nachbringen; diesmal jedoch nicht erst am Rande wie oben Büchen und Mölln. Ist die auffällige Unordnung im Zehntregister so richtig erklärt, so dient der Befund desselben zugleich zur Bestätigung des oben vermuteten, daß um 1194 nur die 4 Pfarren Gadebusch, Rehna, Vietlübbe und Eixen bestanden. Von ihnen

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aber werden wieder die beiden ersteren ihres enormen Umfanges willen als gegenüber den beiden kleineren letzten - von 23 und 20 gegenüber 9 und 8 Ortschaften - als die älteren anzusehen sein.

Soweit die Länder der Grafschaft Ratzeburg! Nordwärts an sie schloß sich das Stiftsland Boitin, dem wir uns nun zuwenden.

Auch das Licht, das die Urkunde von 1194 (154) auf dieses - damals von dem Umfange der jetzigen drei Kirchspiele Schönberg, Herrnburg und Selmsdorf - wirft, ist leider für unsern Zweck recht dürftig. Das geht zwar aus ihr hervor, daß auch dieses Gebiet um 1194 als großenteils germanisiert anzusehen ist, es werden, scheints, überall schon Zehnten erhoben, wenigstens in den 12 Dörfern, welche die eine Hälfte des Landes - der halbe Zehnt sollte dem Kapitel zustehen - ausmachten; 5 von ihnen haben sogar deutsche Namen, eines "Niendorf", läßt aus seinem Namen auf spätere Gründung und dementsprechend auf eine schon um etwas weiter zurückliegende Hauptperiode der Kolonisation schließen. Auch hier wird diese in den 70er Jahren liegen und durch die Nähe des aufstrebenden Lübeck begünstigt gewesen sein, doch zeigt die Karte von Witte, daß hier mehr wie anderswo sich wendische Dörfer mit wendischer Flurverfassung gehalten haben. Aber über den kirchlichen Stand des Landes läßt uns die Urkunde von 1194 im Dunkeln, sie nennt keine Parochie, obgleich das Land natürlich 1194 sicher kirchlich organisiert gewesen sein muß. Gab es vielleicht nur eine Pfarre für das ganze Land, und erschien dadurch die Nennung der Parochie überflüssig? Auch die übrigen Nachrichten geben wenig Aufschluß. Im Zehntregister fehlt das Land Boitin ganz. Schönberg als Ort begegnet uns zuerst 1219 (M. U.=B. 250), um 1235 war es Pfarrort; sein Pfarrer (plebanus) tritt in diesem Jahre als Zeuge auf (441). Im Verzeichnis der Pfarrtaxen von 1335 (5613) finden wir dann alle 3 Pfarren Schönberg, Herrnburg und Selmsdorf. Für Herrnburg haben wir noch in der 1319 aufgenommenen Taxe ein um weniges früheres Zeugnis (4093). Das ist alles. Auch der Baubefund der Kirchen hilft wenig weiter; die von Selmsdorf ist ein neugotischer Putzbau, die von Schönberg ein durch verschiedene Brände arg entstellter hochgotischer Ziegelbau in wendischem Verband, also vermutlich der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts angehörig; er wird errichtet sein, als Bischof Markward (1309-35) die bischöfliche Residenz von Dodow dorthin verlegte. Nur die Herrnburger Kirche ist wenigstens im Chor ein Werk

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des Übergangsstiles 1 ) und zwar wie es scheint des mittleren, -sodaß die Kirche etwa 1200 bis 1250 gebaut sein mag. Zur Zeit des Zehntregisters wird das Kirchspiel also schon bestanden haben; aber auch schon 1194? Ein Blick auf die Karte, auf die sehr ungleiche Größe der drei Kirchspiele und ihre Lage zu einander lehrt zweifelsohne, daß die drei nicht einem gleichzeitigen einheitlichen Plane entstammen, sondern daß Schönberg mit seinen heute 23 Kirchspielsortschaften gegenüber den kleinen Kirchspielen von Herrnburg und Selmsdorf mit ihren 7 und 8 Außenorten das ältere ist und ursprünglich die einzige Pfarre des Landes Boitin war. Es wäre zwar naheliegend, anzunehmen, daß das an der Stelle der alten Löwenstadt gelegene Herrnburg die älteste


1) Da die Kirche meines Wissens noch nicht beschrieben ist, mag hier eine kurze Beschreibung stehen. Sie ist ein Ziegelbau; der quadratische Chor (im Innern ca. 6 X 6 m) ein Bau des Übergangsstiles, das etwas breitere Schiff (im Innern ca. 14,50 X 9 m) frühgotisch, der wenig schmälere Turm (außen ca. 10 X 10 m) spätgotisch, alle drei mit Satteldächern versehen.
Der Chor hat einen mit Viertelstab und Hohlkehle abschließenden Sockel, Ecklisenen, an der Nord= und Südseite ein Sims aus rechtwinkligem Vorsprung, Karnies und Wulst, an der Ostseite eine doppelte Stromschicht; darüber der Giebel mit aufsteigendem Rundbogenfries. Das Giebelfeld zeigt eine Kreuzblende zwischen zwei kleineren Blenden mit Kleeblattbogenschluß An der Nordseite sind 2, an der Südseite 1 kurzes spitzbogiges Schlitzfenster mit einfach schräger Leibung (das Südfenster ist enstellt), an der Ostseite 3 spitzbogige weit auseinandergerückte Schlitze ebenfalls mit einfach schräger Leibung, der mittelste etwas höher. Die spitzbogige Priesterpforte ist zugemauert, der Verband ist wendisch (d. h. je 2 Läufer und 1 Binder). Im Innern ist der Chor jetzt ungewölbt, hat jedoch in den Ecken noch je einen von Rundstäben flankierten Einsprung, ist also auf Wölbung angelegt. Der Triumphbogen ist spitzbogig. Im Norden führt eine stichbogige Tür in die mit einem Tonnengewölbe geschlossene Sakristei.
Das Schiff zeigt stellenweise noch einen mit zwei Viertelstäben abschließenden Sockel und ein einfaches Sims mit Schräge und rechtwinkligem Vorsprung. Die Fenster, ursprünglich auf jeder Seite 3, weit spitzbogig und mit wie es scheint außen einfach rechtwinkliger Leibung, sind sehr entstellt. An der Südseite wie Nordseite unter dem mittelsten in wenig vorspringendem Mauerkern, sowie im Westen in den Turm führend, liegt je ein spitzbogiges Portal, dessen Leibung 3 stark abgefaste Rücksprünge bilden. Zwischen den Fenstern stehen schwache Strebepfeiler. Im Innern fehlt jede Spur etwaiger einstiger Wölbung. Innen zeigen die Fensterleibungen, soweit sie noch erkennbar sind, eine breite Schräge und einen schmalen Rücksprung. Der Verband ist vorwiegend wendisch.
Der Turm hat ein spitzbogiges Portal mit 6 abgefasten Rücksprüngen und ist dreigeschossig; im zweiten Geschoß sind je zwei Doppelfenster mit Stichbogenschluß, im dritten je vier kleinere Fenster, ebenfalls mit Stichbogenschluß; Verband unregelmäßig.
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Pfarre sei. Allein nachdem diese verfehlte Gründung Heinrichs des Löwen schon nach einjährigem Bestande wieder eingegangen war, kann hier nicht einmal eine dörfliche Niederlassung mit einer Pfarre fortbestanden haben - falls überhaupt schon eine Kirche gebaut war -, da sonst das Kirchspiel sich mindestens mit Schönberg in die Orte des Landes Boitin teilen müßte. Aber auch 1194 scheint an der Stelle der alten Löwenstadt noch kein Dorf wieder erstanden gewesen zu sein; darauf deutet die eigentümliche Benennung des Ortes in der oft genannten Urkunde (154), wo er als Grenzbestimmung auftritt: "Lenzkowe cum omnibus suis attinentiis usque ad amnem prope urbem quae dicitur Urbs Dorninorum". Schwerlich kann in einer Urkunde das Bauerndorf Herrnburg mit "urbs" bezeichnet sein; es war keine urbs, sondern eine villa. Dagegen wird die Bezeichnung sofort klar, wenn dort zwar kein Bauerndorf aber noch die alte freilich verlassene, mit Wall und Graben umzogene Stadtstelle, die urbs, lag. Ist sonach Herrnburg wahrscheinlich erst zwischen 1194 und 1230 entstanden und das Kirchspiel eingerichtet, so ist dasselbe für Selmsdorf zu vermuten. Bis in die neunziger Jahre hinein also wird Schönberg wirklich die einzige Kirche des Landes gewesen sein. Ihre Gründung aber mag in die Zeit der blühendsten Kolonisation fallen, welche, wenn auch vom Grafen und nicht vom Bischof ausgegangen, doch um 1170 auch die Gebiete des letzteren schon erreicht haben muß (cf. oben).

Über die Verhältnisse in den übrigen Teilen des Bistums läßt uns nun die Urkunde von 1194 leider völlig im Dunkeln. Für die Sadelbande und Boizenburg sind wir daher völlig auf das Zehntregister angewiesen, können jedoch diesem hier nur höchst unsichere Vermutungen entnehmen.

In der Sadelbande erscheinen in ihm neben den beiden älteren Kirchspielen Lütau und Siebeneichen die beiden kleineren Geesthacht und Kuddewörden mit je 7 und 8 deutschnamigen Ortschaften, also wohl sicher Kolonisationskirchspiele, die vielleicht schon dem 12. Jahrhundert angehören.

Wie die Sadelbande, so scheint auch das Land Boizenburg während der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts unmittelbar unter dem Herzoge gestanden zu haben. Die erste kirchliche Nachricht stammt aus einer Urkunde von etwa 1217 (231), welche den Pleban Siegfried von Boizenburg als Zeugen aufführt. Auch das Zehntregister ist hier unzureichend. Die letzte Seite desselben, auf welcher die Zehnten des Landes Boizenburg stehen, ist so arg abgescheuert, daß von den anscheinend 19-20 Ortschaften

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2-3 ganz fehlen, andere teils überhaupt nicht, teils nur unsicher zu identifizieren sind. Überdies fehlt hier die Kirchspielseinteilung. Zwar werden die Ortschaften in 3 Absätzen aufgeführt, aber die identifizierbaren Dörfer stehen in ihnen so regellos durcheinander, daß nicht daran zu denken ist, daß die 3 Abschnitte 3 Kirchspiele zu bedeuten haben. Die ersten beiden Absätze scheinen vielmehr die bischöflichen Zehnthufen, der letzte die vom Bischof verliehenen Zehnten aufzuführen. Und doch muß eine Kirchspielseinteilung bestanden haben, wo Zehnten gezahlt wurden. So sind wir genötigt, noch um hundert Jahre herabzugehen und die Pfarrtaxe von 1335 (5613) zu Rate zu ziehen. Nach dieser bestanden 1335 im Lande Boizenburg die 5 Pfarren Boizenburg, Gresse, Zweedorf, Zahrensdorf, Granzin, alle bis auf Gresse nach dem Visitationsprotokoll von 1534 landesherrlichen Patronats. Von diesen Kirchorten scheinen im Zehntregister Gresse und Zweedorf zu fehlen, - wobei jedoch möglicherweise Zweedorf sich noch unter zwei der nicht identifizierbaren Namen verbergen kann. Etwas weiter bringt uns vielleicht aber die Beobachtung, daß 1230 überhaupt keine der im Kirchspiel Boizenburg westlich der Boize gelegenen Ortschaften, sowie keine der Kirchspiele Zweedorf und Nostorf genannt scheinen. Es scheint danach, als ob diese Heidegegend damals ebenso wie die erst später urbar gemachte Teldau überhaupt noch so gut wie unbewohnt gewesen ist; und so werden wir vermuten dürfen, daß Zweedorf, wenn es überhaupt schon bestand, doch um 1230 noch nicht Kirchort war. Aber wie stand es mit Gresse? Daß es nicht zu den Anfangskirchspielen gehört, läßt sich vermuten, da es ritterlicher Herkunft zu sein scheint. Auch der Baubefund der Kirchen bringt uns wenig weiter. Granzin und Gresse sind Bauten der Barockzeit, Zweedorf ein Fachwerkgebäude, das nicht mehr ins Mittelalter hinaufreicht. Die Kirche in Boizenburg ist vielleicht ein Bau der Übergangszeit gewesen. Lisch beschreibt den alten Chor derselben (M. Jbb. 27, 216), er sei "von Feldsteinen mit Ziegeln erbauet", habe aber schon früh große spitzbogige Fenster erhalten. An der südlichen Chorwand sei ein Stück "Ziegelfries in Kleeblattform, einem Dreipaß ähnlich" zu sehen. Danach kann es sich höchstens um einen Bau des späteren Übergangsstiles handeln. Nur das Schiff der Kirche zu Zahrensdorf, ein uralter Granitbau, reicht wohl mit einiger Sicherheit noch in das 12. Jahrhundert hinauf. (Schlie III, 139) 1 ). Dieses Kirchspiel dürfte also für 1194


1) Leider ist hier, wie oft in dem großen Schlie'schen Werk, die Baubeschreibung völlig ungenügend. Nach einer gütigen Mitteilung des
(  ...  )
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gesichert sein. Boizenburg selbst begegnet uns zwar schon 1158 in der Dotationsurkunde (65), jedoch in einem Zusammenhang, der den Verdacht hat, Einschub zu sein, an unverdächtiger Stelle dagegen 1171 (101). Seit Alters Hauptort - hier lag schon ein wendischer Burgwall - und Elbübergang (146) wird es zweifelsohne schon früh eine Kirche gehabt haben, und da zu ihr ein umfangreiches Landkirchspiel gehört, ist es kein nachgeründetes städtisches, wie z. B. Mölln und Lauenburg, sondern gehört in die erste kirchliche Organisation hinein. So werden wir Zahrensdorf und Boizenburg als in unserer Periode gegründete Kirchspiele ansehen dürfen, dann aber auch Granzin, da sonst eine auffallende Lücke zwischen ihnen und Zarrentin entstehen würde, die sich nicht etwa wie bei Zweedorf daraus erklären ließe, daß die Gegend noch Wald und Heide gewesen und erst durch die deutsche Einwanderung bevölkert worden sei. Das Kirchspiel umfaßt beinahe ausschließlich Orte schon wendischer Herkunft und unter ihnen liegt das schon 1171 (101) dem Stifte Ratzeburg gehörige bischöfliche Tafelgut Bennin. Alle drei sind landesherrlichen Patronates (Visit. 1534).

Südöstlich an Boizenburg stößt der zwischen Elbe und Rögnitz gelegene Derzing, damals - zum größten Teil wildes Sumpfland, zum kleineren eine unfruchtbare sandige Erhebung - spärlich von Wenden bewohnt. Hierhin kam die Kolonisation erst spät im 13. Jahrhundert. Das ganze 12. Jahrhundert hindurch ruht tiefes Dunkel auf der Landschaft - schwerlich wird ein Priester des Ratzeburger Sprengels bis hierhin vorgedrungen sein. Aber auch in dem nordostwärts angrenzenden rechtselbischen Teil der Grafschaft Dannenberg, den Ländern Jabel, zwischen Sude und Rögnitz (= Walerowe M. U.=B. 190), und Wehningen, zwischen Rögnitz und Elde, wird es kaum anders gewesen sein. Auch hier zunächst tiefes Dunkel: nicht einmal das Jahr und die Veranlassung der Errichtung dieser Grafschaft durch Heinrich den Löwen ist bekannt. Seit 1157 begegnet uns Graf Volrad von Dannenberg in den Urkunden, vermutlich ein Bruder Heinrichs von Badwide. Im Jahre 1158 taucht zuerst das Land Wehningen auf und zwar in der


(  ...  ) Herrn P. Ahrens=Zahrensdorf hat das Schiff auf jeder Seite 4 schwachstechende Schlitzfenster, deren Leibungen ebenso wie die der rundbogigen Portale an der West= und Südseite aus Feldsteinen bestehen. Die Kirche ist der von Gudow im Ratzeburgischen nahe verwandt, welche Haupt (Denkmäler Lauenburgs S. 69 ff.) als eine der wenigen noch aus dem 12. Jahrhundert stammenden bezeichnet.
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Dotationsurkunde; hier lag die curia episcopalis Malk - leider ist die Stelle mehr als verdächtig. Unverdächtig dürfte dagegen die Nennung von Malk unter den bischöflichen Dörfern in der Urkunde von 1171 (M. U.=B. 101) sein. Erst zwanzig Jahre weiter gewinnen wir einen dürftigen Einblick in die Verhältnisse der beiden Länder Jabel und Wehningen. Zwischen 1190 und 1195 einigten sich Bischof Isfried und Graf Heinrich von Dannenberg über die Zehnten dieser Landschaften; der Vertrag liegt uns vor (M. U.=B. 150). Graf Heinrich hatte an den Bischof die Forderung gestellt, daß dieser ihn mit dem gesamten Zehnt des kulturfähigen Bodens (quidquid in terra Jabele et Waninge incoli ac inhabitari posset) - auch sie wie der Derzing waren Sand, Heide und Moor - belehne. Nach längeren Verhandlungen einigte man sich dahin, daß der Graf den gesamten Zehnt des Landes Wehningen erhalten solle, ausgenommen den bischöflichen Besitz Malk, sobald er deutsche Kolonisten ins Land gebracht haben würde, bis dahin (quamdiu Sclavi illam terram incolerent) aber dem Bischof der Wendenzehnt zustehen solle. Für das Land Jabel aber ward ausgemacht, daß. der Graf es innerhalb von 10 Jahren zehntbar machen und dann den halben Zehnt als Lehen erhalten solle. Noch also gab es hier keine deutsche Einwanderung. Der Plan ist offenbar, zunächst das Land Jabel zu kolonisieren und dann erst Wehningen in Angriff zu nehmen. Die Kolonisten kamen also von Westen und nicht etwa von Süden bei Dömitz über die Elbe gehend. Sie werden den alten Straßen folgend bei Artlenburg oder Boizenburg den Strom überschritten haben. Bis an die Sude, welche das Land Jabel vom Lande Wittenburg trennt, waren die letzten Ausläufer der Kolonisation und mit ihr die kirchliche Organisation gedrungen. Hier am Rande der weiten Jabeler Heide hatten sie Halt gemacht. Nun sollte auch diese, soweit sie anbaufähig war, in Angriff genommen werden. Aber der Plan mißlang. Sei es, daß die deutschen Kolonisten den dürren Heideboden mieden, solange anderswo günstigere Gelegenheit war, sei es, daß die Grafen sich nicht imstande sahen, die Ausführung ins Werk zu setzen, genug, noch um 1230 ist die Jabeler Heide rein wendisch. Wie es mit Wehningen stand, ist leider aus dem Zehntregister nicht recht zu erkennen. Immerhin, da der Allodbesitzer von Malliß als Inhaber des gesamten Zehnten des Dorfes bezeichnet wird, schienen wenigstens Anfänge deutscher Kolonisation gemacht zu sein. Auch die kirchliche Lage bleibt ziemlich dunkel. Für Jabel ist nicht einmal das sicher, ob es

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dort um 1230 überhaupt schon einen sacerdos parochialis gab, denn die bezügliche Stelle des Zehntregisters ist einfach der Dotationsurkunde (M. U.=B. 65) entnommen und kann als erst in Zukunft anzuwenden aufgefaßt werden. Dagegen ist 1230 die kirchliche Versorgung des Landes Wehningen offenbar schon weiter vorgeschritten; es begegnen uns (M. U.=B. 375 p. 376) zwischen 1229 und 1235 hier die Priester von Dömitz und Malk - übrigens zugleich das erste Mal, daß Dömitz auftaucht. Dömitz, eine landesherrliche Pfarre (Visit. 1534), wird noch nicht lange Kirchort gewesen sein, sondern von den deutschen Grafen erst im Zusammenhange mit der deutschen Einwanderung seine Kirche erhalten haben. - Anders aber könnte es mit Malk, welches bald darauf in Eldena aufgegangen ist, stehen. Malk war die villa episcopalis in Wehningen, welche dem Bischof seit 1171 und vielleicht schon länger als Eigentum gehörte. Ward hier eine Pfarre errichtet, so hatte damit der Landesherr nichts zu tun, sie war lediglich Werk des Bischofs. Bei der Kolonisation hatte der Landesherr auch für die kirchliche Versorgung der von ihm herbeigeholten Ansiedler Sorge zu tragen, wenn solche seinem Rufe Folge leisten sollten. Überall, wo wir auf landesherrliche Kolonisation stoßen, ist er es daher, der Grund und Boden für Kirche und Pfarre gibt. Somit fiel für den Bischof während der Kolonisation die Veranlassung fort, von seinem eigenen Besitz zur Pfarrgründung herzugeben. Anders lag es vor derselben in rein wendischem Gebiet, für dessen kirchliche Versorgung bei dem deutschen Landesherrn wenig Interesse zu finden war. Hier hieß es für den Bischof vom eigenen Besitz opfern, wenn eine Kirche und Pfarre zustande kommen sollte. Wir erinnern uns, wie in Wagrien die auf dem bischöflichen Gute Bosau von Vizelin ohne die Unterstützung des Grafen Adolf erbaute Kirche auf längere Zeit die einzige war, welche in wendischer Umgebung und nicht im Gefolge deutscher Einwanderung errichtet ward. So mag auch Malk als Kirchort älter sein als die Kolonisation und vielleicht schon dem 12. Jahrhundert angehören. Und wenn wir einen Blick auf die Karte werfen und die eigentümlich langgedehnte Gestalt des Malker, späteren Eldenaer Kirchspiels, die des anstoßenden von Konow, das wie von dem ersteren abgenommen aussieht, und die Lage Malks dicht an der Grenze des letzteren betrachten, so erscheint es allerdings, als ob Malk ursprünglich Kirchort für einen weiteren Umkreis als den des jetzigen Eldenaer Kirchspiels gewesen sei. Aber wann seine Kirche errichtet ist, und ob vielleicht zugleich

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mit ihrer Erbauung auch für die Wenden des Landes Jabel ein Priester angestellt wurde, bleibt im Dunkeln.

Uns bleibt nun noch übrig, einen Blick auf die Länder Dassow, Klütz und Bresen zu werfen, welche seit 1160 zum Ratzeburger Sprengel gehörten.

Die ersteren beiden waren um diese Zeit größtenteils unbewohntes Waldgebiet. Ebenso zog sich im Süden des Landes Bresen an der Grenze der Obotriten gegen die Polaben ein breiter Waldstreifen entlang, die späteren Kirchspiele Börzow, Diedrichshagen und Friedrichshagen bedeckend. Die eigentliche Kolonisation und kirchliche Organisation erfolgte erst im 13. Jahrhundert, und es ist fraglich, ob diese Länder im 12. überhaupt schon auch nur eine Kirche besessen haben. Im Lande Klütz stand jedenfalls noch 1222 (284) keine Kirche. Anders im Lande Dassow: die beiden Kirchspiele Dassow und Mummendorf die 1230 (375) hier bestanden, waren sicher auch 1222 schon vorhanden, da in der landesherrlichen Auseinandersetzung mit dem Bischof über Zehnten und Pfarren die Errichtung von Pfarren hier übergangen wird, während sie für Bresen und Klütz ausdrücklich geregelt wird. Aber ob die beiden Pfarren über das Jahr 1200 zurückreichen?

Evermod wird in den ersten beiden Jahrzehnten seiner Tätigkeit Mühe genug gehabt haben, für die kirchliche Versorgung der Grafschaft Ratzeburg und ihrer deutschen Einwanderer aufzukommen, als daß er schon an die Besetzung dieser entlegenen wendischen Landstriche hätte denken können. Wir erinnern uns, daß bis 1194 eine Kirche für das ganze Stiftsland hatte genügen müssen. Und deutsche Einwanderer werden in dieses unter der Herrschaft des Obotritenfürsten stehende Gebiet nicht sobald eingezogen sein. Eine erste Spur von solchen fände sich in dem Namen des bischöflichen Tafelgutes "Biscopestorp" in der Urkunde 113 vom Jahre 1174; allein, wie dieser Name in der Dotationsurkunde (65) sicher späterer Einschub ist, so kann er es auch hier sein, da auch diese Urkunde zu den unechten Innovationen von 1189 gehört. Sicher ist jedenfalls, daß das Dorf erst nach 1171 in den Besitz des Bischofs gekommen ist, denn es fehlt noch unter den curiae episcopales in dem vom Herzog für diese im genannten Jahre ausgestellten Freibrief (101). Spärlich sind auch die sonstigen Nachrichten: im Jahre 1163 (78) bestätigt Erzbischof Hartwig eine Schenkung des Herzogs von zwei im Lande Dassow gelegenen Dörfern an das Lübecker Domkapitel, aber die Namen derselben werden nicht genannt; ebensowenig in

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der Bewidmungsurkunde des Herzogs vom folgenden Jahre (82). Sie waren also noch nicht angewiesen. Später, um 1210, finden wir Seedorf bei Dassow im Besitz des Kapitels und daneben das Nachbardorf Johannsdorf (534, 535, 201, 554). Nach dem Zehntregister, in welchem noch ein Johannes, d. h. doch wohl der Germanisator, Lokator und Schulze des Dorfes, als Zehntempfänger einer Hufe in Johannstorf erscheint, kann wenigstens dieses erst vor kurzem germanisiert worden sein, wie denn überhaupt im Zehntregister noch in 5 Dörfern des Landes Dassow die Gründer und Namengeber selbst als Zehntempfänger auftreten. Nimmt man dazu, daß Kaiser Friedrich im Jahre 1188 (143) der Stadt Lübeck omnimodum usum silvarum Dartzchowe et Cliuz schenkte und König Waldemar diese Gerechtsame noch 1202 (173) bestätigte, so erscheint es als ziemlich sicher, daß die eigentliche Kolonisation des Landes Dassow erst nach 1200 begonnen hat. Ziehen wir hieraus den Schluß für die kirchliche Versorgung, so mag vielleicht Dassow selbst, der Hauptort des Landes, mit seinem Burgwall schon im 12. Jahrhundert seine Kirche erhalten haben, schwerlich aber auch Mummendorf, dessen kleineres Kirchspiel im Westen und Norden von dem größeren Dassow umfaßt wird. - Das Kirchspiel Dassow reichte 1230 mit Bünstorf auf der einen Seite in das jetzige Schönberger hinein und auf der andern gehörte auch Roggendorf zu ihm - es erscheint danach deutlich als das ältere. Der Baubestand beider Kirchen ergibt leider nichts; beide gehören erst dem 13. Jahrhundert an und zwar wohl erst der Mitte desselben. Beide Kirchen sind übrigens ursprünglich landesherrlichen Patronates (5948 und Visit. 1534).

Noch unzureichender sind wir über die Verhältnisse im Lande Bresen unterrichtet. Daß hier die 3 bischöflichen Dörfer villa Lubimari, Maliante und Gressowe lagen (65, 101, 113), daß dem Schweriner Bistum hier 30 Hufen versprochen waren (100, 141), aber wohl kaum jemals angewiesen worden sind, ist alles, was wir aus dem 12. Jahrhundert wissen. Im Jahre 1210 begegnet uns der Pfarrer von Proseken (197). Zwölf Jahre darauf war man bei der Errichtung weiterer Pfarren: in Hohenkirchen war eben der Friedhof geweiht. In Proseken stand natürlich schon eine Kirche; ob auch in Gressow schon? Hier verhandelten Fürst und Bischof unter einem Baum, nicht wie dort in der Kirche. Im Zehntregister finden wir außer Hohenkirchen und Proseken noch Gressow, Beidendorf und Grevesmühlen als Kirchorte. Von diesen ist Beidendorf jedenfalls erst vor

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kurzem germanisiert oder gegründet, da hier der Namengeber des Dorfes Bege noch als Zehntempfänger erscheint. Proseken und Grevesmühlen aber könnten als Kirchorte älter sein. Burgwälle sind zwei vorhanden, der eine zwischen Woltersdorf und Stoffersdorf im Kirchspiel Proseken, der andere bei Kühlenstein schon im Klützer Walde. Danach möchte man die von Proseken für eine vor der deutschen Einwanderung errichtete Burgwardkirche halten. Für das höhere Alter der von Grevesmühlen spricht, daß ihr umfangreiches Kirchspiel (1230 umfaßt es 17 Ortschaften) mit Wohlenhagen (jetzt Kirchspiel Hohenkirchen) einerseits bis an die See und mit Kastahn (jetzt Kirchspiel Diedrichshagen) andrerseits bis an den südlichen Grenzwald reicht, also die ganze Breite des Landes einnimmt. Doch vergleiche über letzteres weiter unten.

Nachdem wir nun den ganzen Umkreis des Ratzeburger Sprengels durchwandert und den Versuch gemacht haben, die am Ende des 12. Jahrhunderts vorhandenen Kirchen festzustellen, sowie einen Einblick in die Entwickelung des Pfarrnetzes zu gewinnen, bedarf noch die Frage einer kurzen Erörterung, ob und inwieweit sich diese lediglich an die deutsche Einwanderung anschließt, ob die Kirchen, wie es z. B. Ernst in seiner Arbeit über die Kolonisation Mecklenburgs behauptet, nur in Orten mit deutschen Einwohnern erbaut worden sind, oder auch in wendischen Orten und direkt für die wendische Bevölkerung. Stellen wir auf Grund der Arbeit Hellwigs über das Zehntregister (M. Jbb. 69) und der Witte'schen Karte den Tatbestand soweit möglich zusammen.

Von den bis 1200 vorhandenen Kirchorten der Grafschaft Ratzeburg sind nach Hellwig als landesherrliche deutsche Besetzungsdörfer anzusehen: Schlagsdorf, Sterley, Gudow, Bredenfelde, Nusse, Neuenkirchen, Parum, Vellahn, Körchow, Rehna, Vietlübbe (a. a. O. S. 316-28). In allen diesen Besetzungsdörfern nimmt Hellwig neben dem Kern der deutschen Bauern eine wendische Kossatenbevölkerung an, und in der Tat zeigt bei den im Mecklenburgischen gelegenen die Wittesche Karte noch nach 1400 Spuren dieses wendischen Bevölkerungsteiles in Vellahn und sehr stark in Körchow, nicht mehr dagegen in Schlagsdorf, Neuenkirchen, Vietlübbe und Rehna. Nicht als Besetzungsdörfer, aber um der von ihnen unterschiedenen wendischen Dörfer gleichen Namens willen doch sicher deutsch erscheinen Karlow (doch könnte auch dies ein Doppelbesetzungsdorf mit Abgang von 4 Hufen sein) und Seedorf. In ersterem gibt die Karte ebenfalls keine wendischen Reste mehr, über letzteres sagt sie nichts aus.

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Fraglich ist die Bevölkerung in den Allodialkirchdörfern Mustin und Döbbersen. Hellwig sieht den Allodialbesitz als in dubio wendisch an, und Döbbersen zeigt allerdings auf der Karte noch stärkere Reste von Wenden, liegt jedoch in deutschen Hufen, und nach der im Zehntregister angegebenen Hufenzahl - 12 -möchte man es für ein Normaldorf halten, in dem der Allodbesitzer selbst die Freihufen bebaut.

Fraglich ist die Bevölkerung ebenfalls in den landesherrlichen Dörfern Zarrentin und Pritzier. Besetzungsdörfer sind sie nicht. Beide liegen später in deutschen Hufen und Zarrentin zeigt keine Reste wendischer Einwohner mehr, wohl aber Pritzier. Ersteres, an der Landstraße von Ratzeburg nach Wittenburg gelegen, könnte vielleicht schon vor der Aufstellung des Ratzeburger Besetzungsrechtes, d. h. vor ca. 1160, mit Deutschen besetzt sein - letzteres schwerlich. Eigentümlich liegt die Sache endlich in Camin. Hier war vor 1194 (154) gedrittelt, d. h. der Zehnt nach dem Besetzungsrecht zwischen Landesherrn, Bischof und Lokator geteilt worden; 1194 erhielt dann das Kapitel das bischöfliche Drittel des Zehnten. Im Zehntregister hat es danach richtig den von 7 Hufen - der von der achten ist der Kirche gegeben -, der Zehnt der 4 bischöflichen Freihufen aber, welchen der Lokator erhalten sollte, ist noch in den Händen des Bischofs. Die Besetzung des Dorfes mit deutschen Bauern scheint also nicht zustande gekommen zu sein. Hat man sich damit begnügt, die wendische Agrarverfassung in die deutsche überzuführen, aber die wendischen Bauern im Besitz zu lassen? Reste wendischer Bewohner zeigt die Karte.

Ziehen wir das Resultat, so haben jene 9-14 Ortschaften umfassenden Kirchspiele durchweg deutsche Kirchorte - fraglich ist es nur bei Mustin, Zarrentin und Döbbersen, doch auch hier wahrscheinlich. Ihre Kirchen werden in der Tat erst von den deutschen Ansiedlern zunächst für sich selbst gebaut worden sein, wie denn auch die Karte in den Dörfern dieser Kirchspiele verhältnismäßig wenig wendische Reste zeigt. Man kann sie als Kolonisationskirchspiele bezeichnen. Zu ihnen wird auch Eixen zu rechnen sein. Anders steht es mit den Riesenkirchspielen Rehna, Gadebusch, Wittenburg, Hagenow, Vellahn. In den Städten Gadebusch, Wittenburg , Hagenow ist natürlich die wendische Bevölkerung bald ganz verschwunden, ebenso in Rehna. In Vellahn dagegen haben sich Reste gehalten. Letztere beide sind zur Zeit des Zehntregisters Besetzungsdörfer. Hier aber darf man vielleicht vermuten, daß wie in Oldenburg die Kirche noch für die wendische Bevölkerung errichtet ward, dann aber die deutsche Besiedelung

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nach sich zog. Bei den kleineren Nachzügler=Kirchspielen Camin, Körchow, Pritzier scheint, wie das Beispiel von Camin zeigt, die Errichtung zwar mit der Inangriffnahme der Kolonisation, aber noch vor der Ankunft der deutschen Ansiedler erfolgt zu sein; die Bevölkerung blieb hier weitaus überwiegend wendisch.

Wie es in der Sadelbande stand, läßt sich leider aus dem Zehntregister nicht erkennen. Dort galt das Ratzeburgische Besetzungsrecht nicht mehr. Doch glaube ich nach dem oben Gesagten von Lütau annehmen zu dürfen, daß es trotz Hellwig dem Kern nach deutsch war. Die beiden kleineren und jüngeren Kirchspiele Geesthacht und Kuddewörde dürfen jedenfalls als wesentlich deutsch angesehen werden.

Ähnlich undeutlich sind die Verhältnisse im Lande Boizenburg. Granzin scheint nach dem Zehntregister mit seinen 24 Hufen, von denen ein gewisser Wilhelm zwei vom Bischofsdrittel zehntfrei hat, ein Doppelbesetzungsdorf analog den ratzeburgischen zu sein, nur daß hier der Bischof natürlich weniger Hufen zehntfrei zu geben hatte. Nach der Karte weist das Dorf keine wendischen Spuren mehr auf. Wir werden daher Granzin zu den Kolonisationskirchspielen rechnen dürfen. Über Zahrensdorf gibt das Zehntregister nichts. Nach der Karte liegt es in deutschen Hufen, hat aber noch nach 1400 sehr starke Reste wendischer Bevölkerung.

Als fraglos für rein wendische Bevölkerung errichtet darf die Kirche von Malk und, wenn sie schon da war, die von Jabel angesehen werden. Dasselbe wird auch für die etwaigen Bresener Kirchen Grevesmühlen und Proseken, und vielleicht auch für Dassow gelten, obgleich es 1230 als Besetzungsdorf erscheint.

Endlich ist noch ein Wort über die Dotierung der Pfarren zu sagen. Pogrammmäßig sollten es 4 Hufen sein. Tatsächlich sind es oft weniger gewesen. Das Zehntregister gibt uns darüber freilich, wie oben ausgeführt, keine sichere Auskunft. Es sind aber aus der Zeit um 1320 eine Reihe von Pfarrtaxen erhalten, in denen die Dotalhufen angegeben sind. Unter ihnen sind die von fünf Pfarren unserer Periode. Von diesen sind drei, Wittenburg, Hagenow und Döbbersen mit 4 Hufen dotiert (4095, 4098, 4096), zwei, Karlow und Parum, mit 2 Hufen (4094, 4097). Dabei scheint in der Regel von je zwei Dotalhufen die eine aus den Zehnthufen des Bischofs, die andere aus denen des Landesherrn genommen zu sein (siehe im Zehntregister die Wittenburger Hufen in Lehsten, die Hagenower in Dammetz, die

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Parumer und Karlower. Döbbersen, wo von den 4 Hufen nur eine aus den Zehnthufen des Bischofs genommen ist, ist Allod, hier war also nicht mit dem Landesherrn über die Dotierung zu verhandeln). - Nimmt man dies als Regel in den landesherrlichen Kirchdörfern, so dürften nach dem Zehntregister unter diesen weiter nur noch Schlagsdorf, Sterley und Nusse mit 4, Seedorf, Gudow, Bredenfelde, Zarrentin, Neuenkirchen, Pritzier, Vellahn, Körchow und Camin aber nur mit 2 Hufen dotiert worden sein. Natürlich wurden alle Dotalhufen zehntfrei gegeben.

Überblicken wir nun die Entwickelung der Pfarrorganisation im Bistum Ratzeburg von seiner Gründung im Jahre 1154 bis zum Ausgang des Jahrhunderts, so ergibt sich uns nach den vorstehenden Ausführungen folgendes: Als das Bistum gegründet ward und noch bei seiner Dotierung im Jahre 1158 bestanden, wie es scheint, nur die Pfarren St. Georg und Nusse im Ratzeburgischen, Bergedorf in den Vierlanden, Lütau und Siebeneichen in der Sadelbande - letztere von Verden übernommen -, sowie vielleicht Kapellen in den Burgen von Gadebusch und Wittenburg. Nach der Niederwerfung Niklots im Jahre 1160 und der Hinausschiebung der Grenzlinie nach Osten kam in der Grafschaft Ratzeburg und in den Ländern Boitin und Boizenburg die deutsche Einwanderung in Fluß und mit ihr begann die Errichtung von weiteren Pfarren nach einem einheitlichen und wohlüberlegten Plan. Bischof und Landesherr errichteten zusammen, soweit die Einwanderung reichte, Kirchspiele von ziemlich gleicher Größe, 9-14 Dörfer umfassend. So kamen im Lande Ratzeburg zu den beiden alten Riesenkirchspielen die Kolonisationskirchspiele Bredenfelde, Gudow, Sterley, Mustin, Karlow, Schlagsdorf. Im Lande Wittenburg wurden die Kolonisationskirchspiele Döbbersen, Neuenkirchen, Zarrentin errichtet. An sie schloß sich im Lande Boizenburg Granzin und vielleicht Zahrensdorf. Weiter gegen Osten und Norden, wo die deutsche Kolonisation noch spärlich war oder noch garnicht Fuß gefaßt hatte, begnügte man sich zunächst mit der Errichtung der Riesenkirchspiele Rehna, Gadebusch, Hagenow, Vellahn und des etwas kleineren Boizenburg. Ebenso ließ es der Bischof selbst im Stiftslande mit der Errichtung einer Pfarre, der von Schönberg, bewenden. Von den 5-7 Kirchen des Bistums um 1158 stieg die Zahl also - etwa bis zum Tode Evermods (1178) - auf 24-26. Mit dem weiteren Zufluß von Kolonisten und deren weiterem Vordringen kamen dann im Lauf der achtziger Jahre, oder erst um 1190 - unter der Regierung Bischof Isfrieds - noch hinzu die kleineren

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Kirchspiele von Seedorf im Ratzeburgischen, Camin, Körchow, Pritzier und Parum im Wittenburgischen, welche zwischen die älteren großen Wendenpfarren eingeschoben wurden, das Kolonisationskirchspiel Vietlübbe im Lande Gadebusch und Eixen im Schwerinschen - vielleicht auch jetzt erst Zahrensdorf im Lande Boizenburg. In diese spätere Zeit werden endlich wohl auch die reinen Wendenkirchen zu Malk (und Jabel??) im Dannenbergischen, zu Dassow, Grevesmühlen und Proseken im Lande Bresen gehören, die wir vermutungsweise noch in das 12. Jahrhundert datiert haben. Die Gesamtzahl wuchs damit auf 31-36. Das ganze Land, soweit es mit deutschen Kolonistendörfern durchschossen war, war von einem wohlgeordneten System von Pfarren bedeckt. Nur in den öden wendischen Gebieten des Südostens war die kirchliche Versorgung noch ganz zurückgeblieben, und nicht viel weiter war sie wohl im nördlichen Wendenlande Dassow=Bresen vorgeschritten.

 

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III.

Die Anfänge der kirchlichen Organisation im Bistum Mecklenburg=Schwerin bis zum Ende des 12. Jahrhunderts

(Berno; das erste Jahrzehnt Brunwards).

Am 10. Oktober 1149 hatte Erzbischof Hartwich in Harsefeld einen gewissen Emmehard zum Bischof für das ruhende Mecklenburger Bistum geweiht und Helmold berichtet von ihm wie von seinem für Wagrien bestimmten Genossen Vizelin: "missi sunt in terram egestatis et famis, ubi erat sedes Satanae et habitatio omnis spiritus immundi" (I, 69). Allein der zwischen Hartwich und dem Herzog ausbrechende Konflikt um die Investitur der Wendenbistümer scheint dem Emmehard den Zutritt in seine Diözese verschlossen zu haben. Er hat sie schwerlich jemals betreten. Die einzigen Spuren von ihm finden sich in Mitteldeutschland (54, 55), und dort scheint er auch im Jahre 1155 (60) gestorben zu sein. In Norddeutschland war er so vergessen, daß man nicht einmal sein Todesjahr notierte. Das Vorgehen Hart=

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wichs war hier völlig gescheitert und die tatsächlichen Anfänge des mecklenburgischen Bistums knüpfen sich nicht an den Namen Emmehards, sondern an den des Cisterziensermönches Berno. Grundlegend für die Wirksamkeit dieses Mannes, des eigentlichen Apostels von Mecklenburg, ist bisher die gründliche Arbeit von Wigger (M.Jbb. 28,3-278) gewesen. Ihr folgen auch noch die neueren Darsteller wie Rudloff. Dieser Arbeit zufolge wird Berno im Jahre 1155 oder 1156, nach Emmehards Tode, vom Herzog im Gegensatz zu den Ansprüchen des erzbischöflichen Stuhles berufen und vom Papste konsekriert, der Sitz des Bistums schon 1158 oder früher - nach anderen erst 1160 - von Mecklenburg nach Schwerin verlegt. Bernos erster Haupterfolg ist dann die Taufe Pribislavs, welche Wigger in das Jahr 1163, andere erst um 1167 setzen. Um 1167 erreicht er auf einer Zusammenkunft in Demmin seine Anerkennung als Landesbischof von den pommerschen Fürsten und dem sich jetzt dem Herzog ergebenden und von diesem restituierten Pribislav. Zwischen den beiden Jahren 1160 und 1167 liegt dann eine erfolgreiche missionarische Tätigkeit, die von Schwerin ausgehend bis Demmin vordringt. Gegen diese Darstellung hat nun jüngst Hauck in einer Anmerkung zum 4. Bande seiner Kirchengeschichte Deutschlands (S. 622 f.) begründeten Widerspruch erhoben (vergl. übrigens auch Klempin Pommer. Urkb. I, zu Nr. 53, wo sich dieselbe Auffassung freilich ohne Begründung findet), nach welchem sich der Gang der Ereignisse doch wesentlich anders gestaltet. Beide, Wigger wie Hauck, stützen sich auf die einzige Quelle über die Wirksamkeit Bernos, die Urkunde Barbarossas für das Bistum Schwerin von 1170 (91), verstehen sie aber ganz verschieden. Da der Inhalt dieser Urkunde aller Wahrscheinlichkeit nach auf den Empfänger, auf dessen Wunsch sie ausgestellt ist, d. h. Berno selbst zurückgeht, so ist sie allerdings als eine Quelle ersten Ranges anzusehen. Aber was berichtet sie? Es handelt sich wesentlich um das Verständnis zweier Sätze. Von dem Beginn der Wirksamkeit Bernos sagt sie: quidam pauper spiritu monachus nomine Berno, sola fide Christi armatus et domini Apostolici Adriani auctoritate et benedictione roboratus gentem paganorum Traisalbinam . . . . primus praedicator . . . . aggressus est. Sie erzählt weiter, daß Berno von Schwerin aus missionierend bis Demmin vorgedrungen sei, "ubi a principibus terrae illius: Bugezlavo, Casemaro, Pribezlavo benigne suscipitur et ipsorum electione et gloriosi ducis Saxoniae Henrici constitutione primus gentis illius

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episcopus efficitur." Wigger versteht den ersten Satz von der Einsetzung Bernos durch den Herzog und seiner Weihe als Bischof durch den Papst 1156, setzt die Wahl zum Bischof in Demmin, von welcher der letztere Satz berichtet, in das Jahr 1167 und versteht diese electio als Anerkennung Bernos durch die Landesfürsten, nachdem er schon seit 1156 zum Bischof geweiht und vom Herzog als solcher eingesetzt war. Hauck bemerkt nun hierzu: "Die Urkunde sagt nicht, daß Bern von Hadrian zum Bischof geweiht worden sei; denn benedictio ist nicht consecratio." Das ist zwar an sich richtig, doch zeigen immerhin die von Wigger (S. 94, Anmerk. 2) angeführten Stellen, namentlich die aus Helmold I, 82, daß tatsächlich doch bisweilen benedictio auch im Sinne von consecratio gebraucht wurde. Dennoch hat Hauck hier recht. Entscheidend dafür ist m. E., daß die Urkunde Berno an dieser Stelle nicht Bischof, sondern mit einer gewissen Emphase "pauper spiritu monachus" nennt und erst bei Erwähnung der Demminer Zusammenkunft sagt "episcopus efficitur". Auch kann das efficitur an der letzteren Stelle schwerlich die bloße Anerkennung durch die Wendenfürsten bedeuten, und was soll hier die " Einsetzung" durch den Sachsenherzog, wenn diese in Wirklichkeit schon 10 Jahre vorher vor der päpstlichen Konsekration stattgefunden hatte und Berno schon eine solche Zeit unter dem Schutze desselben erfolgreich als Bischof gewirkt hatte? In Wirklichkeit sagt die Urkunde, daß der einfache Mönch Berno, für sein Vorhaben vom Papste autorisiert und gesegnet, als Missionar in Mecklenburg gewirkt habe, und zwar von Schwerin aus, bis er in Demmin durch gemeinsames Zusammenwirken der Wendenfürsten und des Sachsenherzogs zum Bischof gemacht wurde. Wann hat nun dieses Demminer Ereignis stattgefunden? Offenbar nicht erst 1167, denn schon 1160 (70) ist Berno Bischof. Aber auch nicht früher als 1160, denn bis dahin war nicht Pribislav sondern sein Vater Niklot princeps illius terrae - so auch Hauck (a. a. O.). Die einzige frühere Erwähnung Berno's als Bischof, die in der Ratzeburger Dotationsurkunde (65), steht dem nicht entgegen, da sie auch abgesehen von der Kaiserurkunde den gewichtigsten Bedenken unterliegt und einer der Hauptanstöße ist, die zu der Erkenntnis geführt haben, daß die Dotationsurkunde gefälscht ist. Propter paganorum barbariem hatte Herzog Heinrich, wie er selbst sagt (88), den Sitz des Bistums von Mecklenburg nach Schwerin verlegt. Wigger meint zwar, das passe nur auf die Zeit vor Niklots Tode, könne also schon 1158 stattgefunden haben: nach dem Tode Niklots

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"zogen sofort niederländische Kolonisten in Mecklenburg ein, war also von der Wildheit der Barbaren dort nicht mehr die Rede." Aber wie ist es denn diesen Kolonisten ergangen? Ich denke die Tatsachen reden hier deutlich genug davon, wie exponiert Mecklenburg auch nach 1160 noch lag, während Schwerin, schon durch seine Lage unvergleichlich geschützter, seit eben diesem Jahre Mittelpunkt der sächsischen Marken=Verwaltung war. Vor 1160 aber war Schwerin so gut wie Mecklenburg in den Händen Niklots und der barbaries paganorum. Weit wahrscheinlicher als die Annahme Wiggers ist, daß die Verlegung des Bischofssitzes von Mecklenburg nach Schwerin im Zusammenhang mit den Maßregeln erfolgt ist, durch welche nach Niklots Untergang das Obotritenland in sächsische Verwaltung überging und nun hier eine neue Mark mit einer Kette von Grenzburgen entstand, die ihr militärisches Zentrum wie den Mittelpunkt der Verwaltung in Schwerin erhielt. Jene Stelle in der Ratzeburger Dotationsurkunde, nach welcher Berno schon 1158 Bischof von Schwerin gewesen sein müßte, aber ist ebenso sicher als Fälschung anzusehen wie das unmittelbar darauf folgende "Geroldus Lubicensis episcopus". Lübeck war 1158 zweiselsohne noch nicht Sitz des wagrischen Bistums, ja es hatte aller Wahrscheinlichkeit zufolge nach dem Brande im vorhergehenden Jahr und der Gründung der Löwenstadt noch garnicht wieder angefangen zu existieren. Haben wir aber die Kaiserurkunde richtig verstanden, so ist Berno überhaupt erst im Jahre 1160 im Zusammenhang mit den eben erwähnten Ereignissen zum Bischof ernannt worden. Dazu stimmt nun auch Helmolds Darstellung (I, 87), der seine Ernennung nach dem Wiederaufbau Schwerins und der Verteilung der Obotritenburgen unter die Heerführer des Löwen berichtet. Allerdings sagt er hier von ihm: "qui defuncto Emmehardo Magnopolitanae praesedit ecclesiae." Emmehard aber war schon 1155 gestorben. Allein da keine der norddeutschen Annalen, sondern nur die Würzburger sein Todesjahr kennen, wird es auch Helmold unbekannt gewesen sein. Er wußte vermutlich nur, daß Emmehard gestorben war, als der Herzog dem Berno das Bistum übertrug. Von weitaus größerer Wichtigkeit ist nun aber die Frage, ob eine Zusammenkunft in Demmin, wie die in der Kaiserurkunde geschilderte, für das Jahr 1160 überhaupt annehmbar ist, eine Zusammenkunft, auf welcher sich die Pommernfürsten genötigt sahen, an Stelle ihres eigenen Landesbischofes den des Sachsenherzoges anzuerkennen. Helmold berichtet von einer Teilnahme der Pommern an dem Auf=

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stande Niklots von 1160 nichts. Nach ihm scheint es, als ob mit des letzteren Tode der Krieg so ziemlich zu Ende gewesen sei. Dieser aber fand schon statt, als das sächsische Heer noch ganz im Westen des Landes, bei Mecklenburg, stand. Von weiteren militärischen Aktionen wird außer dem kargen "dux igitur demolitus omnem terram", das man sich so weit oder so eng vorstellen mag, wie man will, nichts berichtet und der Friedensschluß mit den Worten "post haec redierunt filii Nicloti in gratiam ducis" abgetan. Aber Helmold ist über den Krieg überhaupt schlecht unterrichtet; er erwähnt nicht einmal die Teilnahme der Dänen, welche von der Warnowmündung her vordrangen. Hier tritt nun Saxos Bericht ein (763-67), und dieser erzählt, die Dänen hätten auf die Nachricht, daß die Flotten der Rugier und Pommern sich der Warnowmündung nahten, den Rückzug angetreten und nun noch ihrerseits einen Verheerungszug nach Rügen gemacht. Ist auch diese Notiz nur sehr dürftig, so geht doch aus ihr hervor, daß die Pommern mit Niklot im Bunde gewesen waren und ist ein Friedensschluß, in dem die Pommernfürsten schon damals die Oberherrschaft des Löwen anzuerkennen sich entschlossen, nichts Unwahrscheinliches. Auch die Schilderung, die Helmold von dem Feldzuge von 1164 gibt, berichtet von keiner Unterwerfung derselben und die dänischen Quellen behaupten, der Herzog habe sich mit dem Versprechen der Pommern, ihn im ruhigen Besitz des Obotritenlandes lassen zu wollen, begnügt. Trotzdem erscheinen die Pommernfürsten im Jahre 1166 als seine Lehnsmänner, ohne daß gesagt wird, wann sie es geworden sind - vermutlich eben schon 1160. Pribislav, nach Helmold sich in die Wälder zurückziehend, mag schließlich Zuflucht bei seinen Verbündeten in Demmin gefunden, und hier mögen die Friedensverhandlungen durch Bernos Vermittelung zu dem Resultate geführt haben, daß die drei Fürsten politisch die Hoheit des Herzogs anerkannten und kirchlich sich dem von diesem neu zu gründenden Bistum unterstellten, dessen Grenzen somit auch ohne Berücksichtigung älterer Ansprüche Kammins den größten Teil Vorpommerns umfassen sollten, eben so weit wie des Herzogs Hoheit reichte. Die Wahl Bernos mochte dabei zwar einerseits zu den vom Herzog gestellten Bedingungen gehören, andererseits aber es den Wendenfürsten willkommen sein, den langjährigen, mit den Verhältnissen und Stimmungen vertrauten Missionar zum Bischof zu erhalten, anstatt eines unbekannten deutschen Prälaten. Hat aber diese Wahl Bernos zum Bischof schon 1160 stattgefunden, so folgt daraus weiter, daß Pribislaw schon

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damals Christ war. Über das Jahr seiner Taufe hat man hin und her geraten. Die einzige Nachricht über dieselbe setzt sie auf den 29. April 1164, aber dieselbe ist weit über 100 Jahr jünger, durchaus unzuverlässig, und Wigger hat gezeigt, daß dieses Jahr ausgeschlossen ist. Indem er nun an dem Datum festhält, möchte Wigger die Jahreszahl in 1163 ändern. Andere bevorzugen es, das Jahr der endgültigen Unterwerfung Pribislavs, 1166/67, zu vermuten. Irgendwelchen Halt an Urkunden oder Quellen haben diese Vermutungen nicht. Helmold schweigt gänzlich über Pribislavs Bekehrung. Nach ihm sollte man glauben, daß er auch nach 1167 noch Heide geblieben sei - oder aber längst Christ war. Aber ist das letztere irgendwie wahrscheinlich zu machen? Und war überhaupt in Mecklenburg unter Niklots Herrschaft eine Wirksamkeit als Missionar, wie sie Berno nach der Kaiserurkunde ausgeübt haben soll "idola comminuens, ecclesias fundans" möglich? Ich glaube, beides kann bejaht werden. Unter dem Einflusse Helmolds, der Pribislav von Wagrien und Niklot bei ihrer ersten Erwähnung (nach 1131) fanatische Heiden "truculentae bestiae christianis valde infesti" nennt, hat man bisher in Niklot den letzten bewußten und leidenschaftlichen Vorkämpfer des wendischen Heidentums gesehen. Wieder ist es Hauck, der (a. a. O. p. 596 f.) an der Berechtigung dieser Auffassung Zweifel äußert, indem er auf eine Reihe von entgegenstehenden Tatsachen hinweist, zunächst für Pribislav von Wagrien darauf, daß er die Kirche in Lübeck bestehen ließ, zur Familie Gottschalks gehörte und sich 1156 (Helmold I, 82) als Christ benimmt - von einer Taufe ist auch hier nicht die Rede -, sodann für Niklot, daß sein Sohn Wartislav ein Christ war (Annal. Palid. z. 1164 S. 93) und daß er "nach einer guten Quelle" auch "den christlichen Namen Nikolaus" führte (ebendort zu 1160 S. 92). Hauck scheint es danach nicht für ausgeschlossen zu halten, daß schon Niklot die Taufe und somit wenigstens äußerlich das Christentum angenommen hat. Wenn sich nun auch letzteres nicht erweisen läßt - der christliche Name Nikolaus, den ihm die Annales Palidenses geben, ist doch ein recht unsicheres Zeichen, kann auch eine bloße Mundgerechtmachung des wendischen Niklot sein, oder sollte etwa "Niklot" umgekehrt aus dem christlichen Nikolaus entstanden sein? - so lassen sich doch für eine dem Christentum wesentlich günstigere Stellung Niklots, wie ich glaube, noch einige andere Beobachtungen anführen. 1. Helmold berichtet zwar von einem Wiedererstarken des Heidentums unter der Herrschaft Pribislavs und Niklots,

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aber nichts von Verfolgungen, die von diesen beiden in Scene gesetzt worden wären (I, 52). 2. Er bringt überhaupt keine christenfeindliche Tat Niklots vor, vielmehr, wenn man von jener Charakteristik absieht, erscheint dieser durchaus nicht als heidnischer Fanatiker. Immer wieder hebt Helmold sein gutes Verhältnis zu Graf Adolf von Holstein hervor (I, 57, 62, 66, 71, 86.), das zuletzt als wirklich freundnachbarliches erscheint: "Ab eo die firmatae sunt amicitiae inter comitem et Niclotum habueruntque frequentius colloquium Lubeke sive Travenemunde pro commodis utriusque terrae." 3. Mit Hülfe Adolfs warf Niklot im Jahre 1152 einen Aufstand der Kessiner und Circipaner nieder, wobei von den Verbündeten ein "fanum celeberrimum cum ydolis et omni superstitione" - vermutlich der Tempel des Goderak bei Kessin - zerstört wurde. Auch wenn man diese Tat allein den Holsteinern zuschreibt, so duldete sie doch Niklot, ja sie erbitterte ihn so wenig, daß Helmold gerade von dieser Unternehmung ab die engere Freundschaft mit dem Holsteiner Grafen datiert (I, 71). 4. Auch aus der Antwort, welche Niklot bei Gelegenheit jener Arltenburger Versammlung im Namen seines Volkes auf die Forderung des Herzogs, das Christentum anzunehmen, gab (Helmold I, 83), spricht, wie man sie auch verstehen möge, keine Feindschaft gegen dieses, sondern eher die Anerkennung desselben als der Verehrung des Himmelsgottes. 5. Endlich, und das scheint das Entscheidende zu sein, waren von den drei Söhnen Niklots zum mindesten zwei Christen, nämlich Wartislav und Prislav. Die Vermutung aber, daß ersterer erst in der sächsischen Gefangenschaft nach 1160 Christ geworden sei, hat nichts für sich. Eine wirkliche Bekehrung in dieser Lage hätte einen vollständigen Wechsel der Überzeugung bedeutet und den Übertritt in das sächsische Lager eingeschlossen. Dazu aber stimmt es nicht, daß Wartislav seinen Bruder zum Aufstande gegen die Sachsen anstiftete. Aber auch eine bloße Scheinbekehrung mit der in ihr liegenden Spekulation auf Rehabilitierung stimmt schlecht zu letzterem. Der andere aber, Prislav, war zweifelsohne schon 1160 Christ. Saxo (XIV, 759, 760) läßt ihn zwar um seines Christentums willen von seinem Vater Niklot aus Mecklenburg vertrieben werden, fügt jedoch als zweiten Grund hinzu, daß er als Schwager Waldemars demselben verdächtig gewesen sei. Hier haben wir den wahren Grund der Vertreibung zu suchen. Die Ehe seines Sohnes mit einer christlichen Dänenprinzessin - vermutlich bei jener Kriegsfahrt geschlossen, auf der Niklot dem Dänen Swen ein Dritteil seines

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Reiches erkämpfen half - ist sicher nicht gegen Niklots Willen zustande gekommen. Verdächtig wird ihm Prislav erst geworden sein, als dessen Schwager Waldemar mit dem Löwen ein Bündnis schloß und diesen zu Unternehmungen gegen die Wenden zu bewegen suchte. Da begann er den Verräter im eigenen Hause zu fürchten.

Faßt man alle diese Momente zusammen, so hat die bei unserer Deutung der Kaiserurkunde zugrundeliegende Voraussetzung, daß Pribislav schon vor 1160 Christ gewesen sei, alle Wahrscheinlichkeit für sich. Er wäre der einzige Sohn Niklots gewesen, der es nicht war. So erklärt es sich übrigens auch auf das einfachste, daß Helmold nichts von seiner Taufe berichtet. Sie lag eben vor der Zeit seiner persönlichen Beobachtungen. Ja selbst für Niklot ist es darnach durchaus nicht unwahrscheinlich, daß er getauft war. Eine treffliche Illustration zu seinem Verhalten im ganzen, wie zu seinem Verhältnis zum Grafen Adolf würden wir dann gerade in unseren Tagen in dem Verhalten Hendrik Witbois haben. Auch Witboi ist Christ, und hier wie dort handelt es sich um ganz ähnliche Verhältnisse und Kulturzustände. Jedenfalls aber darf Niklot nicht zu dem fanatischen Vorkämpfer des wendischen Heidentums gemacht werden, als den man ihn aufgefaßt hat.

Damit ist aber zugleich auch die Antwort auf die zweite Frage gegeben, ob eine missionarische Wirksamkeit Bernos unter ihm möglich war. Sie muß bejaht werden, ja wenn in der Kaiserurkunde von der Beseitigung von Götzenbildern durch Berno, die vor 1160 stattgefunden haben müßte, die Rede ist, so hat selbst das nichts Unwahrscheinliches - wir brauchen nur an jene Zerstörung des Haupttempels der Kessiner im Jahre 1152 zu denken. - Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß hier der Goderaktempel bei Kessin gemeint ist. Die Abschaffung dieses Kultes und seine Ersetzung durch den heiligen Godehard aber schreibt Arnold von Lübeck (V, 24) ausdrücklich dem Berno zu. Auf seine Veranlassung mag die Zerstörung des Tempels erfolgt sein. Hier haben wir aber dann auch eine von den Kirchen, die Berno nach der Kaiserurkunde vor 1160 gegründet haben soll und zugleich ein neues Datum für den Beginn seiner Wirksamkeit. Wir dürfen annehmen, daß er schon vor 1152 von Schwerin aus sein Werk begonnen hatte. Auch das vetus cimiterium, das 1186 (M. U.=B. 141) in Schwerin erwähnt wird, dessen Reste 1892 ausgegraben wurden und ein wendisches nach christlicher Sitte angelegtes Leichenfeld ergaben (M. Jb. 58, 228), und das

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eine schon ältere Christengemeinde dort bezeugt, findet nun ungewungen seine Erklärung, während ohne das die Vermutung einer wendischen Christengemeinde in Schwerin vor der sächsischen Invasion etwas Prekäres behielt: Wer sollte sie gegründet und zusammengehalten haben? Und endlich fällt von hier aus auch noch ein Licht auf eine bisher unerklärte Tatsache. Für das unter sächsischer Verwaltung stehende Polabien hatte der Herzog 1154 das Ratzeburger Bistum gegründet. "Aus unbekannten Gründen aber schob sich das Ratzeburger Missionsfeld auch in das Reich Niklots ein, wo es den Burgbezirk Schwerin mit umfaßte. "(Rudloff: Germanisierung S. 3 f., cf. M. U =B. 88). Wie kam der Herzog dazu, an diesem einen Punkte den Ratzeburger Sprengel in das Gebiet Niklots übergreifen zu lassen? Nun ist die Antwort gegeben. Unter Bernos Leitung bestand hier schon eine Christengemeinde - vermutlich die einzige außerhalb der Grafschaft Ratzeburg. Es war das Natürliche, daß sie dem neuen Bistume angeschlossen ward, um in ihm den nötigen Rückhalt zu finden. Hier haben wir die zweite der von Berno vor 1160 gegründeten Kirchen, und zudem einen Beweis, daß eine nur auf das Wort und die Überredung einer reinen Persönlichkeit gegründete Missionswirksamkeit auch nach dem unglückseligen Kreuzzuge von 1147 nicht ohne Erfolg war. Wer kann sagen, ob nicht bei fortdauernden ruhigeren Verhältnissen, an denen es Niklot offenbar gelegen war, auf dieser Grundlage eine Christianisierung und Germanisierung der mecklenburgischen Wenden so gut wie die der Pommern immer noch möglich gewesen wäre auch ohne die Blut= und Eisenpolitik des Herzogs? Die Ansätze dazu waren vorhanden, und jedenfalls ist das Urteil Salows (Neubesiedelung Mecklenburgs S. 5), daß Vizelins geringe missionarische Erfolg den Beweis gegeben hätten, daß die Wenden durch die "Predigt und die stille Überredung der höheren Kultur" nicht zu gewinnen waren, nichts als ein unzureichender Versuch, die "Realpolitik" des Sachsenherzogs gegenüber den Wenden zu rechtfertigen. Freilich, in einem Menschenalter wird kein ganzes Volk nur durch die Predigt aus Überzeugung christlich. Nicht das ist das Tragische an Niklots Schicksal, daß er die geschichtliche Lage verkennend als letzter Vorkämpfer der wendischen Nation und Religion sich und sein Volk ins Verderben stürzt, sondern daß er, die Lage wohl erkennend und bestrebt sich ihr anzupassen, durch die skrupellose Politik des Löwen in den Untergang getrieben ward. Selbst durch Helmolds Schilderung, der den Herzog so unverblümt bewundert, scheint das deutlich genug hindurch. Auch wenn

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Wiesener (Kirchengeschichte Pommerns S. 141) bei Gelegenheit der Berufung Bernos sagt: "dem scharfsichtigen Sachsenherzoge kommt das Verdienst zu, die hervorragende Befähigung der Cisterzienser zur Lösung der großen Kulturaufgaben unter den Wenden zuerst erkannt zu haben", so muß dieses Verdienst dem Herzog jetzt abgesprochen werden. Nicht der Herzog hat den Cisterzienser gerufen, sondern dieser stand schon längst aus eigenem Antriebe in der Arbeit, als der große Herzog noch an keine anderen Kulturaufgaben unter den Wenden dachte als die, von ihnen einen möglichst hohen Tribut zu erpressen. Als er dann bei Errichtung der obotritischen Mark im Jahre 1l60 genötigt war, auch an deren kirchliche Versorgung zu denken, war hier der Cisterzienser so wenig zu umgehen, wie ein Jahrzehnt vorher Vizelin in Wagrien. Er war der Mann, der die erste mühevolle und entsagungsreiche Arbeit getan hatte, der die Verhältnisse wie kein anderer kannte und wie kein anderer das Vertrauen der Wendenfürsten besaß. Und nicht der Herzog zog dann den Orden der Cisterzienser ins Land, sondern der Ordensbischof.

Sind diese Ausführungen stichhaltig, so ergibt sich nun freilich ein von der durch Wigger begründeten Anschauung wesentlich abweichender Verlauf der Dinge.

Schon vor 1152, vielleicht bald nach dem Kreuzzuge von 1147, hatte der Cisterziensermönch Berno aus dem sächsischen Kloster Amelungsborn die Mission unter den mecklenburgischen Wenden aufgenommen. Von der gleichen inneren Nötigung wie einst Paulus getrieben: dazu ist Christus gestorben, daß die Lebenden nicht mehr sich selbst leben, sondern dem der für sie gestorben ist (M. U.=B. 124), war er den Bahnen Vizelins gefolgt. Wie einst Winfried hatte er sich in Rom Autorisation und Segen des Papstes zu seinem Vorhaben geholt und war dann ins Wendenland gezogen. Die Grenzen des unmittelbaren sächsischen Machtbereiches hinter sich lassend, hatte er sich in Schwerin, einer der Hauptburgen Niklots, niedergelassen und von hier aus ein Jahrzehnt oder darüber unter manigfachen Schwierigkeiten Mission getrieben. Arnold von Lübeck berichtet von Schlägen, Backenstreichen und Gewalttat, die er dabei hatte leiden müssen. Obgleich der törichte Kreuzzug von 1147 die Aussichten einer friedlichen Mission wesentlich verschlechtert haben mußte, scheinen doch die Verhältnisse nicht ganz ungünstig gewesen zu sein. Berno erfuhr von dem wendischen Fürstenhause, wenn nicht direkte Unterstützung, so doch zum mindesten keine Feindschaft. Es scheint sogar fast, als ob dasselbe - vielleicht bei

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der Übergabe von Dobbin, mit der jener Kreuzzug geschlossen hatte - das Christentum angenommen gehabt habe. Wenigstens waren Niklots drei Söhne Christen. So war es Berno gelungen, in Schwerin selbst eine wendische Christengemeinde zu sammeln, war unter seinem Einfluß das Heiligtum des Goderak in Kessin zerstört worden und auch dort vermutlich ein Kirchlein - wohl nach Art jenes hölzernen Sanctuariums, das Vizelin in Oldenburg errichtet hatte - erbaut. So waren, während die Bemühungen des Erzbischofes um die Widererrichtung des Schweriner Bistums an dem Widerstande des Herzogs gescheitert waren und Hartwich nach dem Tode des von ihm geweihten Emmehard diesem einen Nachfolger zu geben aufgab, im Wendenlande selbst in der Stille die ersten lebenskräftigen Keime einer zukünftigen Kirche entstanden. Freilich waren es noch bescheidene Anfänge, doch immerhin nicht aussichtslose, und sie waren gemacht ohne jede Förderung von Seiten des Sachsenherzogs, ja man kann wohl sagen trotz desselben, da seine Politik der Erpressung gegenüber den Wenden die Arbeit der Mission nur erschweren konnte. Aber wie heutzutage die Hereros wohl zu unterscheiden wissen zwischen der unpolitischen selbstlosen Tätigkeit der Missionare und dem Vorgehen der Händler, Kolonisten und der fremden Regierung, die ihr Gebiet annektiert hat, so werden auch damals die Wendenfürsten zu unterscheiden gewußt haben. Berno erscheint in der Kaiserurkunde als der Mann ihres Vertrauens, vielleicht sogar als der Vermittler des Friedens zwischen ihnen und dem Herzoge.

Niklot selbst war in klarer Erkenntnis seiner Lage auf ein gutes Verhältnis zu den deutschen Nachbarn bedacht, gegenüber aufständischen Stämmen stützte er sich auf sie. Mit der Unterwerfung unter den Sachsenherzog scheint er sich ernstlich abgefunden zu haben. Aber die Verhältnisse waren stärker als er: zwischen das unter Waldemar mächtig aufstrebende Dänemark und die gewaltig um sich greifende Macht Heinrichs des Löwen gestellt, ward er schonungslos zerrieben. Das Jahr 1160 brachte die Katastrophe. Wider seinen Willen ward Niklot in den Aufstand hineingetrieben; er selbst fiel im Kampfe, seine Söhne wurden bis in das Gebiet der mit ihnen verbündeten Pommernfürsten zurückgedrängt und schließlich zur Unterwerfung genötigt. Sie mußten zufrieden sein, die Osthälfte ihres einstigen Besitzes zurückzuerhalten, während in der Westhälfte, dem eigentlichen Obotritenlande, eine neue sächsische Mark organisiert ward, deren Grenze wahrscheinlich mit dem Fulgenbache bei Brunshaupten beginnend über Neukloster an die Warnow ging und dann dem

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Laufe der Mildenitz folgend, schließlich in den meilenweiten Waldungen nordwärts von Malchow die Müritz erreichte (siehe über diese alte Grenzlinie Rudloff M. Jbb. 61, 356). Zum militärischen und administrativen Mittelpunkte der neuen Mark ward Schwerin gemacht, dessen Burg wiederhergestellt und auf dessen Suburbium eine deutsche Stadt angelegt ward. In die Hauptburgen des Landes, Ilow, Mecklenburg, Quetzin und Malchow, wurden sächsische Besatzungen gelegt, der Oberbefehl über das Ganze einem der tüchtigsten Mannen des Herzogs, Gunzelin von Hagen, anvertraut. Mit der Begründung dieser neuen sächsischen Mark trat nun an den Herzog auch die Notwendigkeit heran, für ihre kirchliche Versorgung Anstalt zu treffen. Er tat es, indem er nun erst an die ihm schon 1154 vom Kaiser zugestandene Wiederaufrichtung des alten mecklenburgischen Bistums ging. Das Gebiet der Burg Schwerin ward wieder vom Bistum Ratzeburg getrennt, diesem dafür im Lande Bresen ein Ersatz gegeben, und Schwerin zum Sitz des erneuten mecklenburgischen Bistums bestimmt. Für den neuen Stuhl konnte kein anderer in Betracht kommen als der Mann, der die erste Arbeit getan hatte, Berno. Er ward - vermutlich gehörte es mit zu den Bedingungen des Friedensschlusses - auch von den verbündeten Wendenfürsten als Bischof anerkannt, und sein Sprengel über ihr Gebiet, soweit es der Oberhoheit des Herzogs unterworfen war, ausgedehnt, d. h. nicht nur über die den Söhnen Niklots verbleibenden Landschaften, sondern auch auf die pommersche Herrschaft Demmin mit den Ländern Tollense, Plot, Loiz, Tribsees und Circipanien. Letztere war zwar schon längst dem pommerschen Bistum zugewiesen, doch scheint es, als ob dieses bis dahin noch keine Schritte getan hatte, um sie zu christianisieren. Nur in Demmin selbst, dem Sitze Kasimars, den schon Otto von Bamberg auf seiner zweiten Missionsreise berührt hatte, wird eine Kirche bestanden haben, aber nicht einmal das ist aus den Quellen zu erweisen. Jedenfalls war jetzt von Ansprüchen des pommerschen Bischofs nicht weiter die Rede. Es verlautet auch nichts von Einsprüchen, die von seiner Seite aus erfolgt wären. Zur Ausstattung des neuen Bistums wurden wahrscheinlich schon damals (Helmold I, 87), wie früher für Oldenburg und Ratzeburg, 300 Hufen bestimmt. Mit der tatsächlichen Anweisung derselben hatte es jedoch wohl auch hier noch gute Weile, wenn nicht die Dotationsurkunde von 1171 (M. U.=B. 100 A) schon weiter zurückliegende Anweisungen beurkundet. Das ist jedoch nicht anzunehmen, da die hier den Schenkungen hinzufügte Bemerkung

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"interposita astipulatione eorum, quorum beneficia antea fuerunt" voraussetzt, daß die angewiesenen Dörfer und Gebiete bis dahin Lehen Gunzelins oder der Wendenfürsten gewesen sind, was 1160 noch nicht der Fall war, sondern erst seit 1167. Berno empfing das Bistum aus der Hand des Herzogs, ihm leistete er den Eid. Seine Konsekration wird er ohne Zweifel durch Erzbischof Hartwich erhalten haben, da derselbe sich damals für den Augenblick nicht in offener Opposition zum Herzoge befand und noch in demselben Jahre die Stellung der drei jungen wendischen Bistümer zum Hamburg=Bremischen Erzstuhle ordnete (M. U.=B. 70).

So fand sich Berno durch die Ereignisse des Jahres 1160 auf einen ganz veränderten Boden gestellt. Aus einem Missionar, dessen Einfluß und Erfolg lediglich in seiner Persönlichkeit lag, war er zum Bischof über eine Reihe mit den Waffen unterworfener heidnischer Stämme und ihre halbheidnischen Fürsten geworden. Freilich, die materielle Grundlage seines Bistums bestand größtenteils vorläufig noch aus Versprechungen, und selbst den Bischofszehnt, den er von den Wenden zu erheben berechtigt war, wird er kaum in der Lage gewesen sein in größerem Umfange einzuziehen. Auch an Priestern fehlte es; denn wenn sein Orden ihm aus seiner Mitte auch einige Gehülfen der Mission zubringen mochte, einen Pfarrklerus zu stellen, worauf es jetzt ankam, war er nicht in der Lage, da die Ordensstatuten dem Cisterzienser strikte verboten, Pfarrdienste zu tun. Er war vorläufig ein General ohne Heer und Mittel. Dennoch ist ein realer Machtzuwachs nicht zu leugnen, insofern als jetzt die politische Macht des Herzogs hinter ihm stand, und er in einem großen Teile seines Sprengels unter dem unmittelbaren Schutze seiner Kriegsmannen arbeitete. Zudem eröffnete sich ihm jetzt ein neues Feld, indem sofort nach der Einrichtung der neuen Grenzmark deutsche christliche Einwanderer auch hierher gezogen wurden. Schwerin selbst wird, wie schon erwähnt, zu einer deutschen Kolonie gemacht und in Mecklenburg siedelte der dortige Befehlshaber, Heinrich von Schota, holländische Bauern an, die vermutlich ihren eigenen Priester schon mitbrachten. Auf der anderen Seite freilich muß der Krieg die ohnedies schon schwierige Lage der Mission im Wendenvolke selbst noch ungünstiger gestaltet haben. Dazu kam, daß der Friede nur von kurzer Dauer war. Schon 1163 brach der Aufstand unter Führung der Söhne Niklots von neuem aus und die folgenden Jahre sind mit Kämpfen ausgefüllt, in denen wenigstens die deutschen Kolonien nun Mecklenburg wieder

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zu Grunde gingen, bis endlich um Neujahr 1167 der durch eine Koalition seiner Gegner in Sachsen bedrohte Herzog sich zu einem Schritte entschloß, der einen dauernden Friedensstand herbeiführte. Die 1160 errichtete Grenzmark ward wieder aufgelöst, nur ein kleiner Teil derselben als Grafschaft Schwerin an ihren bisherigen Befehlshaber Gunzelin von Hagen gegeben; alles übrige - also weit mehr als ihm der Friede von 1160 gelassen hatte erhielt Pribislav, der überlebende von den Söhnen Niklots, aus des Herzogs Händen als Lehen zurück, um von nun an ihm dauernde Treue zu halten.

Für Berno und seine Aufgaben waren diese 7 Jahre ungünstig genug gewesen und von Fortschritten auf kirchlichem Gebiete wird kaum die Rede sein können. Doch muß in diese Jahre die in der Kaiserurkunde (91) hervorgehobene "Bekehrung" der dem Schweriner Sprengel zugewiesenen pommerschen Gebiete fallen, vermutlich sofort in die ersten drei noch friedlichen Jahre (1160-62) unmittelbar nach der Unterwerfung der Pommernfürsten, worauf auch der Tenor der Urkunde weist, die diesen Erfolg Bernos mit "et ita demum" unmittelbar an seine Einsetzung zum Bischof anknüpft. Übrigens kann es sich hierbei nur um ziemlich belanglose Massentaufen "religiosi principis Casemari auxilio" handeln. Wie oberflächlich diese sog. Bekehrung war, zeigt schon der eine Umstand, daß noch 1172 im ganzen pommerschen Circipanien keine einzige christliche Kirche bestand.

Nachdem nun aber in den Slavenländern Frieden eingetreten war, richtete sich Bernos Blick im Zusammenhang mit der herzoglichen Politik sofort auf eine neue Sprengelerweiterung. Es handelte sich um die Insel Rügen. Doch auch Dänemark streckte nach ihr die Hände aus. Im Jahre 1168 kam es zu einem gemeinsamen deutsch=dänischen Unternehmen, an welchem Berno persönlich teilnahm. Aber die Früchte desselben entgingen ihm. Wenngleich in den päpstlichen Bestätigungsurkunden noch längere Zeit hindurch die halbe Insel Rügen als zum Schweriner Sprengel gehörig genannt wird, kam sie tatsächlich von vornherein unter die politische wie kirchliche Herrschaft der Dänen. 1 ) -


1) Wiesener a. a. O. p. 150 u. 154 will aus der Kaiserurkunde eine Missionsreise Bernos nach Rügen vor dem Kriegszuge von 1168 und ebenso eine zweite nach demselben ins Jahr 1169 fallende herauslesen. Ich finde nichts davon. Die Urkunde sagt nicht, daß Berno selbst auf einer Missionsreise die Erfahrung von der Unbekehrbarkeit der Ranen
(  ...  )
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Für Mecklenburg aber begannen mit 1167 eine Reihe von Friedensjahren, in denen auch die kirchliche Organisation bedeutende Fortschritte machte. Nachdem noch in diesem Jahre die Grenze zwischen dem Schweriner Bistum und seinem westlichen Nachbar Ratzeburg endgültig festgelegt worden war (88), wurden 1169 (90 und 96) die kirchlichen Abgaben der Wenden vom Herzog reguliert und den zur Dotation der Wendenbistümer gehörigen 300 Hufen Stiftsland Bede= und Zinsfreiheit gewährt. Das folgende Jahr brachte die kaiserliche Bestätigung des Bistums (91) und wieder ein Jahr weiter, am 9. September 1171, konnte die Domkirche geweiht werden 1 ) Bei dieser Gelegenheit ward nun auch dem Bistum Schwerin die Dotationsurkunde vom Herzog ausgestellt. Endlich war also Berno in den tatsächlichen Besitz der versprochenen 300 Hufen gelangt, es waren ihm außer dem Lande Bützow eine Reihe von einzelnen Dörfern und Landstrecken teils bei Schwerin und in der Grafschaft, teils im Gebiete Pribislavs im Lande Jlow, teils endlich im pommerschen Teil des Sprengels angewiesen worden. Ein Teil der Dotation ward dem hier zum erstenmal erwähnten Domkapitel zugewiesen und zugleich vorläufige Bestimmungen über die Verteilung der Zehnten zwischen diesem und dem Bischof getroffen.

So war nun die äußere Begründung des Bistums zum Abschluß gekommen. Nun galt es den inneren Ausbau. Hier sah sich Berno ganz ungleichartigen Verhältnissen gegenüber, insofern der kleinere Teil seines Sprengels jetzt unter unmittelbarer deutscher Herrschaft und der Einwanderung deutscher Bauern offen stand, während der bei weitem größere unter seinen, wenn auch christlichen, doch einheimischen Fürsten diesen im großen und ganzen noch verschlossen blieb. In Wagrien und Polabien hatte, wie wir gesehen, die Christianisierung auf der Grundlage der deutschen Einwanderung schnelle Fortschritte gemacht und war dagegen in den von dieser noch nicht berührten Gegenden sehr zurückgeblieben, teilweise noch kaum in Angriff genommen. Nicht nur die Unempfänglichkeit der Bevölkerung, sondern vor allem


(  ...  ) durch die Predigt gemacht habe, sie konstatiert einfach dieselbe. Ebensowenig sagt sie etwas von einem Aufenthalt Bernos auf Rügen im Jahre 1169. Die Worte, welche Wiesener auf einen solchen deutet, sind einfacher auf eine der Zwangstaufe folgende aber noch in den Zusammenhang des Unternehmens von 1168 gehörige Unterweisung zu beziehen.
1) Schlie (II, 522 und 545) macht aus der Weihe irrtümlich die Grundsteinlegung. Aber dedicatio ist immer Kirchweih nach Vollendung des Baues oder wenigstens des Chores.
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der Mangel an Priestern und Missionaren, die des Wendischen mächtig waren, und es unter der volksfremden Bevölkerung aushielten, hatte das Werk nur langsam fortschreiten lassen. Ähnlich stand es auch hier.

In der Grafschaft Schwerin mehrte sich die deutsche Bevölkerung. Schon um 1171 erscheint Helmold das Land bis Schwerin, also das westliche Drittel der Grafschaft, als im wesentlichen deutsch (II, 13 Schluß). Mit schonungsloser Entschiedenheit hielt der Graf die wendischen Einwohner in Ruhe: jeden Wenden, der sich außerhalb der Straßen herumtrieb und nicht ausweisen konnte, befahl er ohne weiteres aufzuknüpfen. Dennoch bedeutet diese Maßregel keine Ausrottung derselben. Die Wittesche Karte zeigt, in wie starkem Maße noch im 15. Jahrhundert wendische Reste in der Grafschaft nachweisbar sind; gering sind sie allerdings in der westlichen Hälfte. Hier scheint die deutsche Einwanderung am stärksten gewesen zu sein. Aber selbst hier hatten einzelne Ortschaften und sogar Kirchdörfer auch damals noch keine deutsche Agrarverfassung. Was für die Wenden von Kl.=Brütz urkundlich feststeht, daß ihnen im Jahre 1220 (266) deutsches Recht verliehen wurde, wird daher nur als einer von vielen Fällen anzusehen sein, von denen uns keine urkundlichen Nachrichten vorliegen. Da übrigens noch im Jahre 1217 (230) das Dorf Sülstorf, der spätere Mittelpunkt der gleichnamigen Pfarre, nicht mit deutschen Kolonisten besetzt, sondern erst vor kurzem, wie es scheint, vergeblich für solche vermessen und ausgeworfen war, so scheint die Kolonisationsbewegung des 12. Jahrhunderts im Süden Schwerins nicht über das Kirchspiel Pampow hinaus vorgedrungen zu sein, und auch im Osten des Schwermer Sees, im Lande Silesen, hatte sie schwerlich schon Fuß gefaßt. Zwar meint Ernst (a. a. O. S. 28 u. 65) auf Grund von M. U.=B. 151, die Kolonisation des Landes Silesen müsse 1191 als im wesentlichen abgeschlossen angesehen werden, da dem Bistum damals schon nur der halbe Zehnt daraus noch zustand, die andere Hälfte aber, wie er ergänzt, auf Grund eines Vergleiches dem Grafen. Allein diese Ergänzung ist falsch. Dieselben Worte stehen schon in der Schweriner Dotationsurkunde (100 A) und bedeuten hier nichts anderes als, daß von dem de iure dem Bischofe zustehenden ganzen Zehnt die eine Hälfte zur Ausstattung des Kapitels bestimmt wird. Also nicht der Graf ist der Besitzer der anderen Hälfte, sondern das Kapitel. In der Dotationsurkunde handelt es sich zunächst ausgesprochener Maßen um den Wendenzehnt (Bischofszins). Sobald der (deutsche) kirchliche Zehnt eingeführt

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sein wird, sollen andere Bestimmungen getroffen werden. Wiederholt nun M. U.=B. 151 einfach diese Worte, so ist zu schließen, daß 1191 der deutsche Zehnt noch nicht eingeführt war. Sie kehren aber auch noch 1211 (202) unverändert wieder. Im Jahre 1220 (270) dagegen gibt Graf Gunzelin dem Kapitel "medietatem decimae de mea parte in terra Zelesen", wozu M. U.=B. 347 zu vergleichen ist, wo Graf Heinrich dem Kapitel quartam partem decimae in terra Zylazen a me detentam zurückgiebt. Inzwischen also, d. h. vermutlich zwischen 1211 und 1220, ist zwischen Bischof und Grafen ein Zehntvergleich zustande gekommen, nach welchem der Graf die Hälfte des Zehnten erhält, von ihr aber wieder die Hälfte an das Kapitel abzugeben hat. Danach wird vermutlich auch die Kolonisierung des Landes Silesen und damit zugleich wohl auch die Einrichtung von Pfarren in demselben erst in den Beginn des 13. Jahrhunderts fallen. So mag bis zum Tode Bernos (1191) in der Tat nur der westlich und südwestlich vom Schweriner See gelegene Teil der Grafschaft germanisiert sein und seine erste kirchliche Organisation erhalten haben.

Die einzige direkte Nachricht, welche wir über die letztere haben, ist außer der Erwähnung der Schweriner Pfarre das Vorkommen der Pfarrer von Stück und Cramon neben dem des schon nicht mehr zur Grafschaft gehörigen Viecheln als Zeugen um 1178 (125). Im übrigen sind wir auf Vermutungen angewiesen. Als Brunward 1222 (280) die Verehrung des heiligen Blutes in Schwerin ordnete, bestimmte er, am Himmelfahrtsfeste sollten alle Priester "provinciae Suerinensis, preter illum de Parlin," mit ihren Reliquien und Pfarrkindern wallfahrend im Dom zu Schwerin erscheinen. Für die Entbindung der Perliner von dieser Pflicht wird die Entfernung von Schwerin - über 15 km in der Luftlinie - maßgebend gewesen sein; ist diese Vermutung richtig, so lagen alle damals vorhandenen Pfarren Schwerin näher. Danach würden Warsow und Meteln auszuscheiden haben, wofür des weiteren auch spricht, daß beide in einer Gegend liegen, deren kirchliche Organisation noch lange zurückgeblieben ist, da die Kolonisation dort erst nach 1230 größere Fortschritte machte. Warsow liegt zwischen dem Ratzeburger Kirchspiel Gammelin, dessen Dörfer, soweit sie schon vorhanden waren, 1230 noch zu den entfernten Kirchen von Hagenow und Parum gehörten, und Sülstorf, wo die Kolonisation und Errichtung der Pfarre erst um 1227 (230) stattfand. Meteln auf der anderen Seite liegt in dem großen Waldgebiet, das sich vom

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Schweriner See her, das Land der Polaben von dem der Obotriten trennend, durch die Kirchspiele Dambeck, Eixen, Friedrichshagen und Dietrichshagen nordwestwärts zieht, deren Dörfer 1230 zum größten Teile ebenfalls noch nicht vorhanden waren. Es gehört also auch zu einer Gegend, deren Kolonisation erst in das 13. Jahrhundert fällt. Weiter aber kommt sicher auch das zwischen die alten Pfarren eingekeilte Kirchspiel Gr.=Trebbow in Wegfall. Schon seines sehr geringen Umfanges wegen gehört es nicht zu den Anfangspfarren. Somit bleiben für 1222 außer Perlin und den schon 1178 bezeugten Cramon und Stück noch die Pfarren von Gr. Brütz, Stralendorf, Pampow und allenfalls Plate, falls dieses überhaupt noch zur provincia Suerinensis zu rechnen ist. In Wittenförden bestand zwar seit 1217 (237) eine Kapelle mit Friedhof, doch gehörte es nach wie vor zum Kirchspiel des Domes. Da nun Graf Heinrich den Bau dieser Kapelle veranlaßt hatte um der weiten Entfernung der Wittenförder selbst von Schwerin willen, so mußten die noch weiter entlegenen Dörfer der Kirchspiele Gr.=Brütz, Stralendorf, Pampow und Perlin damals schon anderweitig kirchlich versorgt gewesen sein, also das eine oder andere derselben seine Kirche gehabt haben. Von ihnen aber dürften weiter Perlin und Stralendorf schwerlich als Anfangskirchspiele gelten können, ersteres weil, wie es scheint, von Anfang an ritterlichen Patronates, letzteres seiner geringen Größe wegen und weil es von dem größeren Pampow teilweise umfaßt wird, also aus diesem herausgeschnitten erscheint. Endlich könnte noch Plate als Bernskirche in Frage kommen, wenn die Annahme des M. U.=B., welcher Schlie folgt, daß das im M. U.=B. 151 als Ort eines Schiffahrtszolles genannte Plate das unsere ist, zu halten wäre. Aber ein Schiffahrtszoll in Plate am Störkanal um 1191??! Sollte dieses Plate nicht vielmehr in dem Plate an der Jeetzel zu suchen sein, nahe dem in jener Urkunde mit ihm verbundenen Naulitz (bei Lüchow)? Zudem liegt das Stör=Plate an keiner älteren größeren Straße, wohl aber dessen Filiale Banzkow, über welche die Straße Wittenburg=Crivitz führt, und deren alte, leider nicht mehr stehende Kirche (von Lisch beschrieben in M. Jbb. 27, 202 ff.) mit der von Wittenförden (Lisch in M. Jbb. 18, 288 f.) zusammengehörte und nach der Schätzung von Lisch vermutlich aus der Zeit von 1217 stammte. Rische (Geschichte der Grafschaft Schwerin S. 17) nimmt es daher als sicher an, daß um 1230 Banzkow als Kirchort des jetzigen Kirchspiels Plate bestanden habe. Das mag vielleicht zutreffen. Schwerlich aber wird es schon zu den Kirchspielen des 12. Jahrhunderts zu rechnen sein,

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sondern vielmehr in die der Kolonisierung des südlichen und östlichen Teils der Grafschaft im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts folgende Errichtung von Kirchspielen hineingehören. Als älteste Pfarren bleiben sonach neben Schwerin, Stück und Cramon die von Gr.=Brütz und Pampow. Landesherrlichen Patronates sind von ihnen nachweisbar Brütz 1 ) und Pampow (Visit. 1534). Auch Cramon sieht Schlie (II, 647) als landesherrlich an, doch fehlt es im Visitationsprotokoll von 1534. Das Patronat von Stück ist im 17. Jahrhundert in den Händen der Raben (Schlie II, 632), aber ob von Anfang an? Ursprünglich gehörte Kirchstück zum Besitz des Bistums (1766). Die Kirche mag also eine unmittelbare Stiftung Bernos sein. - Kirchenbauten aus dem 12. Jahrhundert sind nicht mehr vorhanden. Selbst die Reste des Übergangsstiles, welche sich in den Chören von Stück und Perlin sowie am Dom von Schwerin finden, zeigen die entwickeltere Stufe des 13. Jahrhunderts.

Bezeichnend ist nun aber, daß von diesen 4 in Bernos Zeit zurückzudatierenden Landkirchen nach der Witte'schen Karte zwei, die von Stück und Brütz, in Orten mit Pauschalbede, eine, die von Pampow, in einem Orte mit wendischen Hufen und nur die letzte, die von Cramon, in einem Orte mit deutscher Agrarverfassung, in dem übrigens auch noch im 15. Jahrhundert beträchtliche Reste wendischer Einwohner zu konstatieren sind, stehen. In deutlichem Unterschiede von dem Verfahren im Ratzeburgischen sind also hier die Kirchen vorwiegend in wendischen Orten errichtet worden. Es ist der Wendenmissionar Berno, dessen Hand wir hier spüren.

Bis zum Ende seiner Amtsführung hatten sich die kirchlichen Verhältnisse schon soweit entwickelt, daß die provincia Suerinensis als besonderer Archidiakonatsbezirk dem Dompropst zugewiesen (151) und ordentliche Generalsynoden gehalten werden konnten (122). Auch auf die theologische Bildung seines Klerus war Berno bedacht; er brachte eine Bibliothek zusammen (158), und wenn auch der Scholastikus des Domkapitels erst 1217 namentlich erwähnt wird, so dürfte doch zweifelsohne schon unter ihm eine Domschule zur Ausbildung des künftigen Klerus bestanden haben.


1) Schlie (II, 506) will die von Halberstadt als Stifter der Kirche in Brütz angesehen wissen. Allein nach einer von ihm selbst (ibid.) angeführten Urkunde von 1456 hat erst Herzog Heinrich ihnen das Patronat verliehen; es war also ursprünglich landesherrlich und befindet sich auch schon 1534 wieder in den Händen der Herzöge.
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Vielleicht darf der Magister Heribertus, welcher 1178 (125) unter den Domherrn erscheint, als Rektor derselben angesehen werden. Zunächst freilich werden Domherrn und Pfarrer aus Alt=Deutschland gekommen und zum Teil mit den deutschen Kolonisten eingewandert sein. Ob sich unter dem Dom= und Pfarrklerus wenigstens gegen Ende des Jahrhunderts auch Wenden befanden, entzieht sich leider der Beurteilung, da wir nur christlichen oder deutschen Namen bei den Priestern begegnen, unter ersteren sich aber auch Wenden verbergen könnten. Immerhin kann es nur in ganz verschwindendem Maße der Fall gewesen sein. Man hat es von Brunward, Bernos Nachfolger, behauptet, der unter diesem seit 1178 (125) als Domherr erscheint, daß er wendischer Herkunft gewesen sei (Lisch, Meckl. Urk. III, 51; Usinger, Deutsch=dänische Geschichte S. 269), allein mit Recht ist es schon von Grimm (in Schirrmacher, Beitr. zur mecklenburgischen Geschichte I: die mecklenburgische Kirche unter Brunward S. 2) angezweifelt worden. Seine deutsche Verwandtschaft (510, 421, 391, 440), sein deutscher Name sprechen entschieden dagegen. Vielmehr, da er die Mönche von Amelungsborn als "fratres mei" bezeichnet (257), darf er mit Rudloff (Germanisierung S. 91) wie Berno als Amelungsborner Cisterzienser angesehen werden. Dagegen spricht nicht, daß er schon lange Kanonikus in Schwerin gewesen ist, denn es war nach den Statuten der Cisterzienser einem Ordensbischof gestattet, zwei Brüder als seine vertrauten Begleiter mit sich zu nehmen. Wie es denn überhaupt scheint, als ob Berno aus den Kreisen seiner Ordensbrüder manche Missionshelfer gekommen sind (257), wozu herangezogen werden mag, daß es später bei Beginn der preußischen Mission durch Christian von Oliva gerade die deutschen Cisterzienserklöster waren, aus welchen derselben so viele Mitarbeiter zuströmten, daß schließlich die Ordensoberen gegen das überhandnehmende Verlassen der Klöster Maßregeln ergreifen zu müssen meinten (Hauck, K.=G. D. IV, 643).

Wenden wir uns nun zu dem Gebiete, welches Pribislav im Jahre 1167 zurückerhalten hatte, so lagen hier die Verhältnisse für ein schnelles Fortschreiten der Christianisierung, wie schon erwähnt, wesentlich ungünstiger als in der Grafschaft Schwerin. Eine deutsche Einwanderung, an welche sich dieselbe hätte anlehnen können, gab es vorläufig noch nicht. Ernst (a. a. O. S. 69ff.) behauptet zwar, daß sich im Lande Ilow von 1160-63 her die deutsche Einwanderung gehalten habe und nimmt ein weiteres allmähliches Einströmen von Deutschen schon von 1167 ab an.

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Er redet von Resten deutscher Kolonien, die bei der Gründung von Doberan in dessen Gebiet und weiterhin bis an die Warnow noch vorhanden waren, wozu er die villa Germari und duae villae Brunonis (122) sowie die sog. schwarzen Dörfer rechnet, zu denen Parkentin und Wilsen gehören. Allein, daß im Lande Ilow zwischen 1160 und 1163 eine deutsche Einwanderung stattgefunden habe, ist gänzlich unerweislich. Wir hören nur, daß die Burg Ilow mit sächsischen Kriegsmannen belegt war; das ist aber keine Einwanderung. Daß schon von 1167 ab vereinzelte deutsche Ansiedelungen in dem wendischen Mecklenburg stattgefunden haben, ist nicht undenkbar, aber es fehlt bis auf das Gebiet von Doberan an allen Spuren. Daß aber auf dem letzteren schon zwischen 1160 und 1163 deutsche Niederlassungen entstanden seien, ist von vornherein höchst unwahrscheinlich, da es außerhalb der sächsischen Grenzlinie und des Schutzes der sächsischen Burgen lag. Die Dörfer des Germar und Brun aber treten erst 7 Jahre nach der Klostergründung auf. Es sind in jenen Männern weit wahrscheinlicher die vom Kloster zur Besetzung mit deutschen Bauern engagierten Lokatoren zu sehen als etwaige deutsche Vorbesitzer. Und endlich jene 14-15 schwarzen Dörfer mögen freilich als deutsche der eigentlichen Kolonisation voraufgehen, aber auch dann bleibt für ihre Besetzung immer noch der fast 40jährige Zeitraum von 1167-1204 wahrscheinlicher als die Jahre 1160-63. Sie hätten noch weiter wie die Brunsdörfer von der sächsischen Grenze entfernt gelegen.

Von deutscher Einwanderung ist also zunächst noch nicht die Rede. Vielmehr hören wir, daß Pribislav die zerstörten Burgen Mecklenburg, Ilow und Rostock wiederaufbaute und sich bemühte, die infolge der langdauernden Kriegsverwüstungen unstet gewordene wendische Bevölkerung wieder seßhaft zu machen. An eine Herbeiziehung deutscher Kolonisten dachte er nicht (Helmold II, 14 Schluß). Berno hatte es also ausschließlich mit Wenden zu tun. Wie langsam und schwierig aber unter diesen die Christianisierungsarbeit war, beweist am deutlichsten, daß noch 1219 Brunward es ausspricht, auch er habe wie jener Götzenbilder zu beseitigen, und das rohe Wendenvolk müsse erst durch die Einwanderung von Christen zum Glauben gebracht werden (255). 1 ) Aber nicht nur in der geringen Zugänglichkeit der Wenden


1) Die Echtheit der Urkunde ist zwar von Buchwald (Bischofs= und Fürstenurkunden 250f., 288 ff.) bestritten. Doch liegt auch hier auf jeden Fall eine echte Urkunde zu Grunde und beziehen sich die Fälschungen nur auf einzelne Angaben.
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lagen die Schwierigkeiten, mit denen Berno zu kämpfen hatte, sondern vor allem wohl trotz einzelner Gehülfen aus seinem Orden in dem Mangel an Priestern. Deutsche Priester, die des Wendischen mächtig waren, waren selten, und allein unter den Wenden auszuhalten, erforderte eine Entsagungswilligkeit, zu der nicht jeder fähig war. Man denke an die Schilderungen Helmolds aus Wagrien, speziell in Oldenburg. Etwas anderes sind Missionsreisen mit ihrem kürzern oder längern Verweilen an einem Orte und ihrer immer wiederkehrenden Rückkunft zum Ausgangspunkt, etwas anderes ein jahrelanges Ausharren als Priester an einem mitten in heidnischer fremdsprachiger Umgebung gelegenen Kirchlein; letzteres aber war nicht Sache der Missionsgehülfen aus dem Cisterzienserorden. Um so höher sind die Namen der deutschen Priester zu schätzen, die diesen entsagungsvollen Dienst geleistet haben, eines Marsilius von Lübow, Hartmann von Buckow (152, Thiedwig von Rostock und Heinrich von Goderak (147).

So wird man sich nicht wundern dürfen, daß die Christianisierung hier nicht so schnelle Fortschritte machte wie im Ratzeburger Sprengel, wo sie ihren Rückhalt an der deutschen Einwanderung hatte. Es fehlte an geeigneten Stützpunkten für die Mission. Solche aber schuf Berno sich in den beiden Klostergründungen, die auf sein Betreiben in den Jahren 1171 und 1172 zustande kamen, der von Doberan und Dargun. Deutlich sieht man das aus der Übertragung der kirchlichen Versorgung der ihnen zugewiesenen Landstrecken an die neugegründeten Klöster. Sie waren als Ausgangspunkte der geplanten Mission gedacht, wie wir denn bei der Gründung von Dargun hören (111), daß bis dahin im ganzen pommerschen Circipanien noch keine Kirche errichtet war. Ähnlich wird es auch später noch in manchen Gegenden Mecklenburgs gestanden haben.

Die wenigen direkten Notizen über von Berno gegründete Kirchen sind schnell aufgezählt. Im Jahre 1178 bestand in Viecheln eine Kirche (125), 1189 in Rostock und Goderak (- Kessin) (147), 1192 in Lübow und Alt=Buckow (152). Dazu läßt sich aus M. U.=B. 3116 ausrechnen, daß die Kirche von Kröpelin etwa um das Jahr 1186 gegründet sein muß. Nimmt man dazu die Klosterkirchen von Doberan und Dargun selbst, so hat man mit diesen 8 alle Kirchen, von denen es direkte Nachrichten gibt. Aber diese Nachrichten sind mehr oder weniger zufällige Notizen. Es fragt sich doch, ob das wirklich alles ist, was Berno erreicht hat, oder ob man noch mit einiger Sicherheit auf eine

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Reihe weiterer Kirchen schließen kann, die ihm ihren Ursprung verdanken. Es wird sich empfehlen, die einzelnen Landschaften Mecklenburgs daraufhin durchzugehen. Vorausgeschickt werden aber mag hier die Bemerkung, daß alle Pfarren, welche als ursprünglich ritterschaftlichen Patronates erscheinen, von vornherein als jünger auszuscheiden sind, da der deutsche Adel erst seit 1189 sich in bemerkenswerter Zahl in der Umgebung der Wendenfürsten zu zeigen beginnt (cf. 147, 152, 197 mit 239, 244 usw.), vorher aber nur ganz vereinzelt. Wo aber aus dem Grundbesitz wendischen Adels vor dem Eindringen des deutschen Rechtes Pfarren gegründet sind, da fiel das Patronat, soweit es sich nachweisen läßt, den Landesherrn zu 1 ).

Ich beginne mit dem Stiftslande Bützow, über dessen Umfang man Wigger M. Jbb. 28, 204-211 vergleichen möge. Dieser meint (ebendort S. 277): "Es läßt sich erwarten, daß in des Bischofs Stiftsland Bützow die kirchliche Organisation schon einige Fortschritte gemacht hatte; aber freilich war diese Gegend durch den Einfall der Circipanier (1179) schwer betroffen und die Gründung des (versprochenen) Klosters daselbst bisher verhindert." Aber auch dieses schon stark eingeschränkte Urteil scheint mir noch zu optimistisch zu sein. Vielleicht ist zu Bernos Zeit noch keine einzige Kirche im Stiftslande begründet worden. Im Jahre 1229 (M. U.=B. 365) sagt nämlich Brunward bei Dotierung einer zweiten Priesterstelle an der Kirche in Bützow: "preter ea, quibus ecclesiam Butzowensem in consecratione ipsius dotavimus". Darnach hat erst Brunward die Kirche in Bützow geweiht und dotiert. Man könnte nun annehmen, es handle sich dabei nicht um die erste Kirche, sondern etwa um einen anstelle der ersten Notkirche tretenden Steinbau, allein da die Konsekration mit der Dotation verbunden ist, muß an die Begründung der Pfarre gedacht werden. Zudem findet sich keine Spur, daß Berno sich je in Bützow, diesem Hauptort seines Stiftslandes, aufgehalten habe. Die erste Erwähnung des Ortes, abgesehen von der Dotations= und den Bestätigungsurkunden des Bistums, die hier nichts besagen, ist aus dem Jahre 1224: M. U.=B. 300, eine Urkunde Brunwards ist, von hier datiert. Nun gibt es zwar ein Chemnitzsches Regest (127), nach welchem Heinrich Borwin im Jahre 1179 dem Heinrich von Bützow -


1) Vergl. Levin bei Dargun, das von Rochill gegründet ist (799), dessen Patronat aber 1241 (527, 604) offenbar der Landesherr hat. Ebenfalls eine Gründung Rochills ist Schorrentin (Schlie I, 594). Auch hier ist das Patronat landesherrlich (Visit. 1534).
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vermutlich dem dortigen Kastellan des Bischofs - das halbe Schloß Marlow mit 9 dazu gehörigen Dörfern verleiht, und wir hätten demnach schon unter Berno einen deutschen Ministerialen als Kastellan in Bützow, was an sich nichts Unwahrscheinliches hat, dann aber vermutlich doch auch eine Kirche und Kaplan. Allein das Regest gehört schwerlich in das Jahr 1179. Einesteils war damals Borwin garnicht in der Lage, so, wie es hier geschieht, die Vogtei Marlow zu verleihen, da sie garnicht in seinen Händen, sondern in denen seines Vetters Nikolaus von Rostock war. Anderenteils scheint ein Clandriansches Regest aus einer Urkunde von 1210 (192) auf dieselbe Urkunde zurückzugehen. Hier werden jene 9 Dörfer namentlich aufgeführt und es finden sich unter ihnen solche mit deutschem Namen, wie Halemerstorp. Daß es um 1179 schon deutsche Dörfer bei Marlow gegeben habe, erscheint aber als ausgeschlossen. Somit wird die genannte Belehnung überhaupt erst um 1210 stattgefunden haben und jenes Jahr, das Chemnitz angibt, ein Irrtum sein. Mag aber immerhin schon zu Bernos Zeit in Bützow ein Kastellan und neben ihm ein Kaplan gewesen sein, der aus dem Wendenzehnt seine Besoldung erhielt (man erinnere sich an Vizelins erstes Kirchlein in Oldenburg, das bald wieder verwaist stand), zur Errichtung einer eigentlichen Pfarre kam es erst unter Brunward. Nun ist Bützow als Hauptort aber fraglos die älteste Pfarre des Stiftslandes, was übrigens auch aus der Größe ihres Kirchspiels hervorgeht, das die im Laufe der Kolonisation des 13. Jahrhunderts im Stiftslande gegründeten um mehr als das Doppelte übertrifft. Zu Bernos Zeit bestand also jedenfalls außer vielleicht in Bützow dort noch keine Kirche. Auch Warin beginnt erst in der späteren Zeit Brunwards, von 1229 (363) ab, als häufiger Aufenthaltsort der Bischöfe hervorzutreten. Vorher begegnet uns der Ort wie Bützow nur in den Bestätigungsurkunden des Bistums.

Wenden wir uns nun westwärts zur Herrschaft Mecklenburg. Sie umfaßte im Schweriner Sprengel die drei Länder Mecklenburg, Brüel und Ilow (=Buckow).

Im Lande Mecklenburg bestanden, wie oben erwähnt, die beiden Pfarren Lübow und Viecheln, erstere mit ihrer um der Wende des 12. zum 13. Jahrhunderts erbauten eigenartigen Backsteinkirche - jedenfalls dem ältesten Bauwerk im Lande Pribislavs und Burwys -, wenn der Ausdruck gestattet ist, die Hofkirche der Wendenfürsten. In ihrem Kirchspiel lag die Burg Mecklenburg selbst. Nach Bischof Boguphals Aussage (M. Jbb.

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27, 128, cf. 45, 13) wurde der Burgwall Mecklenburg von den Wenden nach dem Orte Lübow benannt. Dieser war also fraglos einst der Hauptort des ganzen Burgwardes, und da die wendischen Burgen nur in Kriegszeiten bewohnt waren, wird Lübow als die Hauptresidenz Pribislavs - soweit diese Bezeichnung überhaupt für jene Zeit schon anwendbar ist - zu gelten haben. Es ist also der Hauptort des Burgwardes, an welchem die Kirche errichtet ward. Beide Kirchen, Lübow und Viecheln, waren landesherrlichen Patronates (Visit. 1534). Denn auch in Viecheln, wo später die Plessen im Besitze desselben sind, haben sie es nur als landesherrliches Lehen (7421). Schlie, (II, 287f.) sieht freilich diese, speziell den angeblich schon mit Heinrich dem Löwen ins Land gekommenen Helmold von Plessen als Begründer der Kirche an. Indes ist die Tradition, daß dieser Helmold die 7 Kirchen von Viecheln, Brüel, Müsselmow, Holzendorf, Herzberg, Wamkow und Bibow begründet habe, eine gänzlich haltlose Sage. In Bibow sind unstreitig die von Bibow Gründer und Patrone der Kirche (Schlie III, 472), in Brüel die Landesherrn (ibid. 286 f.) usw. Und jener Helmold selbst entbehrt durchaus der geschichtlichen Wirklichkeit. Der erste urkundlich nachweisbare Plessen begegnet uns nicht vor dem Jahre 1262 (989).

Viecheln und Lübow scheinen aber auch die beiden einzigen Pfarren zu sein, die in Bernos Zeit hinaufreichen. Die kleinen ritterschaftlichen Kirchspiele Goldebee, Zurow, Jesendorf, Bibow welche sich in schmalem Zuge zwischen den größeren landesherrlichen Pfarren Alt=Wismar (=Hornstorf), Lübow und Viecheln einerseits und dem Klostergebiete von Neukloster andererseits hindurchziehen, scheiden nach dem oben Gesagten von vornherein aus. Außerdem charakterisieren sie sich schon durch ihre geringe Größe und ihre Lage als jüngere Gründungen. Endlich fehlen, abgesehen von Bibow, dessen Pfarrer 1282 (1596) erscheint, bis ins 14. Jahrhundert jegliche Spuren ihrer Existenz. In Neukloster, dem Orte des wendischen castrum Kuthin (91), kann noch 1219 bei Begründung des Nonnenklosters keine Pfarre bestanden haben, da sonst die Pfarrkirche als dem Kloster geschenkt oder den Landesherrn reserviert hätte erwähnt werden müssen (254, 255 cf. mit der Urkunde für das Kloster Zarrentin 703). Auch in dem ganzen dem Kloster zugewiesenen Besitz kann noch keine Kirche gewesen sein, da sonst die von Kessin nicht die einzige gewesen wäre, die ihm überwiesen wurde. Zudem spricht Brunward es geradezu aus, daß die Gründung zur Ausbreitung des

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christlichen Glaubens unter den heidnischen Wenden erfolge (255). Bäbelin, das vielleicht auch noch zum Lande Mecklenburg zu rechnen ist, hat erst durch Neukloster eine Kirche erhalten (454 cf. mit 3079, 3595, 4153).

Somit kämen neben Lübow und Viecheln nur noch Alt=Wismar und Mecklenburg selbst in Frage. Die Kirche des ersteren, urkundlich zuerst 1260-72 (906) erwähnt, ist sicher nicht älter als der Hafen, welcher im Jahre 1211(202) vorhanden war, wahrscheinlich aber - wenn Buchwalds scharfsinnige Vermutung richtig ist, daß M. U.=B. 100, B aus dem Jahre 1189 stammt -, hat der Hafen schon damals bestanden und wäre es nicht ausgeschlossen, daß dort schon eine Kirche war. Immerhin macht es dagegen bedenklich, daß 1219 (254, 255, 256) bei der Gründung von Neukloster zwar die Pfarrer der umliegenden Kirchspiele von Lübow, Neuburg und Buckow zugegen waren, aber kein Pfarrer von Alt=Wismar.

Mecklenburg selbst aber mit seinem ganz besonders kleinen Kirchspiel - es umfaßte ursprünglich nur Mecklenburg und Moidentin (Schlie II, 282, 266), und beides sind nach der Witteschen Karte nur wendische Tagelöhnerdörfer - kann schwerlich als Anfangspfarre angesehen werden, zumal die Burg selbst bis zur deutschen Einwanderung als im Frieden unbewohnt anzusehen ist. Um 1223 (299) war Mecklenburg allerdings bereits ein selbständiges Kirchspiel. 1 )

Im Lande Brüel erscheint dieses selbst 1222 (282) als Pfarre; möglicherweise ist sie als eine der alten wendischen Burgwardpfarren anzusehen (vgl. über diese weiter unten. Freilich, ob sie schon in Bernos Zeit hineingehört, bleibt recht fraglich.

Den nordöstlichen Teil der Herrschaft Mecklenburg bildete das Land Ilow, die spätere Vogtei Buckow. (Über ihre Ostgrenze vergl. Rudloff M. Jbb. 61). Hier lagen 10 teils dem Bischof, teils dem Kapitel gehörige Dörfer. Wigger (M. Jbb. 28, 277) nennt hier als von Berno begründete Kirchen die von Neuburg und Buckow und bemerkt: "Auch auf den Gütern des Bischofs und des Kapitels wurden gewiß früh christliche Kolonisten angesiedelt. Neben diesen lagen die Ilowschen Güter des Klosters Doberan." Er nimmt also hier schon zu Bernos Zeit eine Einwanderung von Deutschen an und eine infolgedessen verhältnis=


1) Schlie (11, 281) irrt, wenn er Mecklenburg erst nach 1360 selbstständige Pfarre werden läßt. Er hat es übersehen, daß es M. U.=B. 299 "plebanus Magnopolensis" heißt und nicht wie bei den Vorzeugen "capellani curiae".
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mäßig weit vorgeschrittene Christianisierung. Um die Ermittelung der dem Bistum gehörigen Dörfer hat er sich viele Mühe gegeben (S. 211 ff.), jedoch mit wenig Erfolg. Von den später als im Besitz des Bistums erscheinenden Dörfern Biendorf, Moitin, Questin, Wischuer, Gagzow, Lischow mit Vogelsang, Güstow, Zarfzow mit Wendisch=Zarfzow und Rawensberge, die jedoch zum Teil schon früh in andere Hände gekommen oder an Ministerialen als Lehn vergeben worden sind, kommen nur drei (Moitin, Lischow und Questin) mit Sicherheit unter den Dörfern der Dotationsurkunde vor. Zu identifizieren sind aus ihr noch Alt=Ilow und vermutungsweise Panzow; die übrigen bleiben dunkel. Sie sind vermutlich später bei der deutschen Einwanderung in den Feldmarken deutscher Dörfer untergegangen. Da diese untergegangenen wendischen Namen aber noch 1211 (202) unverändert wiederkehren, sind sie offenbar auch damals noch nicht von "christlichen Kolonisten", d. h. Deutschen, besetzt gewesen. Auch eine Kirche findet sich auf keinem dieser geistlichen Dörfer, mit Ausnahme des später im Besitz des Kapitels befindlichen Biendorf, in welchem Wigger Nistiz oder Curivitz der Dotationsurkunde vermutet. Wann die Kirche gegründet ist, bleibt unsicher, und leider auch, unter wessen Patronat sie stand. Im Visitationsprotokoll von 1534 fehlt sie, war also damals nicht landesherrlich, 1550 dagegen wird sie vom Herzog besetzt (cf. Schlie III, 534). Hatte das Patronat dem Kapitel gehört? Jedenfalls aber ist es unwahrscheinlich, daß die Kirche älter ist als der deutsche Name des Ortes. Auch für die Doberanschen Güter im Lande Ilow: Farpen, Rybenitze Redentin und Polaz kommt eine deutsche Besiedelung in so früher Zeit noch nicht in Frage: 1177 (122) waren sie noch nicht im Besitz des Klosters; erst Burwy hat sie denselben geschenkt (152). Beachtet man nun, daß erst 1218 (239) Doberan sich von Burwy das Ansiedelungsrecht geben läßt, und 1230 (380) von Brunward den Zehnt von Redentin und Farpen, 1232 (406) auch den von Polaz erhält, so scheint die Besetzung dieser Orte mit Deutschen und damit das Zehntpflichtig werden derselben erst zwischen 1218 und 1230 zu liegen und ist jedenfalls nicht allzuweit über 1218 hinaufzurücken. Waren aber bis zum Ende der Zeit Bernos und darüber hinaus selbst die Kloster= und Bistumsgüter noch nicht germanisiert, so wird überhaupt eine Ansiedelung von Deutschen im Lande Ilow bis zum Ende des Jahrhunderts in irgend erheblichem Umfange nicht stattgefunden haben, zumal sich nicht die geringsten Spuren einer solchen nachweisen lassen.

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Wie weit ist nun die kirchliche Organisation vorgeschritten, ehe die deutsche Einwanderung und mit ihr die Periode massenhafter Kirchgründungen kam?

Betrachten wir zunächst die Kirchspiele nach Lage und Größe. Das von Neuburg umfaßte noch im 13. Jahrhundert das jetzige Dreveskirchener (363); zu dem von Alt=Buckow muß ursprünglich noch das Neu=Buckower gehört haben, da letzteres um 1220 überhaupt noch nicht vorhanden war (Schlie III, 488). Auch Form und Lage beider zeigt ihre einstige Zusammengehörigkeit. Beachtet man das, so ist Anordnung und Größenverhältnis der Ilowschen Kirchspiele ebenso charakteristisch wie die der Mecklenburger: im Westen folgen von Süden nach Norden die drei großen Kirchspiele Neuburg, Buckow und Gaarz aufeinander mit je 14 bis 29 Ortschaften, alle drei schon zur Wendenzeit hervorragendere Orte - Neuburg mit seinem gewaltigen Burgwall, der schon 1171 (Helmold II, 14 Schluß) bestanden haben muß, und auf dem in der Tat wendische Scherben gefunden sind, (Schlie II, 243 f.); Buckow, der Ort, dessen Namen das Land neben dem seines alten Burgwalles Ilow trug, und der wie Lübow für das Land Mecklenburg hier der Sitz der wendischen Verwaltung war, endlich Gaarz, ebenfalls mit einer wendischen Burganlage (Schlie III, 722). Diesen drei großen Kirchspielen vorgelagert ziehen sich an der Ostgrenze des Landes gegen das zum Lande Rostock gehörige Gebiet der Abtei Doberan und die spätere Vogtei Schwaan entlang die kleinen, nur je 2 bis höchstens 9 Ortschaften umfassenden Kirchspiele Bäbelin, Mulsow, Westenbrügge, Biendorf, Brunshaupten und, zwischen Gaarz und Buckow eingekeilt, Russow. Es ist ohne weiteres deutlich, daß letztere die jüngeren nachgegründeten sind und erst der eigentlichen Kolonisationszeit angehören, die ersteren drei aber sich als ältere, auf die wendische Burgwardverfassung zurückgehende Kirchgründungen von ihnen abheben. Die Kirchen von Bäbelin und Brunshaupten sind zudem nachweislich erst von Neukloster ausgegangen, also nach 1219, und Mulsow gehört als, wie es scheint, von Anfang an ritterlichen Patronates (Schlie III, 496 f.) ebenfalls erst in spätere Zeit. Biendorf und Westenbrügge weisen schon durch ihre deutschen Namenformen auf die Kolonisationszeit hin, und Russow mit seinem Kirchspiel von nur 4 Ortschaften ist zu klein, um als Anfangskirchspiel gelten zu können.

Es kommen also außer dem für 1192 (152) gesicherten Buckow nur Neuburg und Gaarz als Bernskirchen in Frage.

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Aber auch sie sind doch wohl als dem ersteren gegenüber jünger anzusehen. Schon das wäre auffallend, daß in jener Versammlung von 1192 (152) der Priester von Neuburg gefehlt hätte, während seine beiden Nachbarn von Buckow und Lübow erschienen waren. Zudem liegt Alt=Buckow mit seiner Kirche so dicht an der Grenze seines alten, aus denen von Alt= und Neu=Buckow gebildeten Kirchspiels nach Neuburg zu und bildet dagegen genau den Mittelpunkt der drei Ilowschen Kirchspiele Neuburg=Drewskirchen, Mulsow und Buckow, daß man annehmen muß, es sei einst für diesen ganzen Umkreis als einzige Kirche erbaut worden. Sicher aber gehört auch das Neuburger Kirchspiel schon um seines enormen Umfanges willen nicht erst zu denen der großen Kolonisation. Damals erhielt es eben aus diesem Grunde schon seine Filiale (363). Die Kolonisationskirchspiele, wie wir sie im Ratzeburgischen kennen gelernt haben, und wie sie uns auch im Schwerinschen wieder begegnen werden, sind alle kleineren Umfanges. So wird die Neuburger Kirche in die letzte Zeit Bernos oder die erste Brunwards zu setzen sein, und dasselbe wird dann auch für Gaarz gelten. Urkundlich begegnet uns Neuburg zuerst 1219 (254), Gaarz 1230 (380) als Pfarrort. - Die Kirche von Buckow aber, wie sie die älteste bezeugte ist und am Hauptort errichtet, war einst die einzige für das ganze nach ihm genannte Land. Alle drei sind übrigens, wie es für Anfangskirchspiele selbstverständlich ist, landesherrlichen Patronates (Neuburg: 3096; Alt=Buckow: 4025; Gaarz: Visit. 1534).

Indem wir uns nun weiter ostwärts wenden, verlassen wir das Gebiet der Obotriten und betreten mit der Abtei Doberan das der Kessiner. Doberan war im Jahre 1171 auf Bernos Betreiben von Pribislav begründet worden. Neben den Interessen seines Ordens leitete Berno dabei, wie schon gesagt, die Absicht, in der Ordensniederlassung einen neuen Stützpunkt der Mission und Christianisierung zu gewinnen. Das Gebiet, welches Pribislav derselben überwies und für dessen kirchliche Versorgung sie nach Berno's Anordnung aufzukommen hatte, lernen wir aus dem ihr von letzterem 1177 gegebenen Bewidmungsbriefe kennen (122). Es ist das Gebiet der jetzigen 5 Kirchspiele Kröpelin, Steffenshagen, Doberan, Rethwisch und Parkentin. Damals, also 7 Jahre nach dem Einzuge, gab es hier außer Doberan (=Althof) selbst 7 Ortschaften wendischer Herkunft und Namens, dazu in "Cubanze", d. h. wohl der Gegend von Kröpelin, 4 Dörfer, das des Bruze, des Germar und zwei des Brun, letztere drei offenbar schon nach den deutschen Lokatoren genannt, denen sie zur Besiedelung zuge=

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wiesen waren. Aber auch unter den Dörfern wendischen Namens mag schon das eine oder andere als deutsch angenommen werden, wenn auch einzelne, wie Stülow und Hohenfelde noch nach 100 und mehr Jahren wendisch waren und auch auf der Witteschen Karte noch wendische Hufen zeigen, da unter ihnen Doberan ausdrücklich von der villa Slavica Doberan unterschieden wird. Jedenfalls hat dies für die beiden ältesten Kirchorte der Abtei, Kröpelin und Parkentin, zu gelten, da die Kirchen naturgemäß dort gebaut sein werden, wo sich deutsche, d. h. christliche Bauern niedergelassen hatten, für die die kirchliche Versorgung die conditio sine qua non ihres Kommens war. Letzteres zeigt auf der Karte überhaupt keine wendischen Spuren mehr und neben ersterem findet sich ein Wendfeld, das sicherste Zeichen, daß der Ort selbst mit Deutschen besetzt war. Jene 4 Dörfer in Cubanze verschwinden mit Kröpelin zwischen 1192 und 1209 (152 u. 191) aus dem Besitz des Klosters, kehren jedoch noch 1230 (380) in der Zehntbestätigung Brunwards, ebenfalls mit Kröpelin zusammen, wieder, während in der Zehntbestätigung von 1273 (1297) alle 5 endgültig verschwunden sind. Man wird sie auf der späteren Feldmark der Stadt Kröpelin bezw. denen der nicht im Klosterbesitz befindlichen Dörfer des Kröpeliner Kirchspiels, Hanshagen und Detershagen zu suchen haben (cf. Wigger M. Jbb. 28, 238 u. Rudloff M. Jbb. 61, 272 ff). Da nun das Kirchspiel Kröpelin diese bald nach 1192 aus dem Besitz von Doberan gekommenen Orte umfaßt und die Pfarre dem Bannrecht des Abtes unterstand, so ist sie ohne Frage noch vor diesem Besitzwechsel vom Kloster aus gegründet worden. Noch etwas weiter hinaufrücken ließe sich ihre Gründung, wenn die 1306 (3116) gemachte Aussage des Kröpeliner Pfarrers Ludolf Glauben verdient, daß er selbst die Pfarre ca. 40 Jahre verwaltet habe und seine Vorgänger ca. 80 Jahre, was auf das Jahr 1186 führen würde. Nun lag das Kloster aber nach dem Überfall von 1179 bis zur Neubesetzung im Sommer 1186 in Trümmern. Wir werden also mit der Pfarrgründung entweder über 1179 hinauf oder über 1186 hinunter zu gehen haben. Die Wahrscheinlichkeit spricht für das erstere, da ja die kirchliche Versorgung der schon um 1177 hier nachweisbaren deutschen Ansiedler unumgänglich war und in eben jener Urkunde von 1177 zum mindesten in Aussicht genommen wird. Dürfen wir aber von Kröpelin annehmen, daß hier zwischen 1171 und 1179 eine Kirche gebaut ward, so spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß dasselbe auch von Parkentin gilt. Schwerlich würde das Kloster, wenn es zunächst nur eine Pfarre

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auf seinem Gebiet errichtete, dieselbe so ganz in den Westwinkel desselben gelegt haben. Die Lage von Kröpelin und Parkentin auf beiden Seiten der Abtei beweist, daß von Anfang an zwei Kirchspiele beabsichtigt waren. Steffenshagen und Rethwisch=Rabenhorst jedoch gehören erst dem folgenden Jahrhundert an, ihr Gebiet deckte noch Wald oder Rohrdickicht. (cf. unten.)

Weiter ostwärts im Lande Rostock=Kessin, dessen südliche Grenze später von der Warnow an der Südgrenze der Kirchspiele Kessin, Sanitz und Tessin entlang zur Recknitz läuft und dann deren Lauf bis zum Meere folgt, finden wir zu Bernos Zeit nur die beiden Kirchen von Rostock und Goderak durch die dort stationierten Kaplane bezeugt (147). Goderak, in Godehardsdorf umgenannt, später Kessin genannt nach dem auf seiner Feldmark in den Wiesen der Warnow gelegenen Hauptburgwall der Kessiner 1 ), hatte (cf. oben) wahrscheinlich seit jenem Kriegszuge Niklots gegen die Kessiner im Jahre 1152 ein Kirchlein. Im Jahre 1171 (100) finden wir die "villa Scti. Godehardi", also sicher mit Kirche, als zur Ausstattung des Bistums gehörig. Doch muß der Ort bald wieder in die Hände des Landesherrn gelangt sein, da Nikolaus von Rostock 1189 (147) dem Kloster Doberan eine Hebung aus dem dortigen Kruge schenkt und 1219 (254) Borwin das Patronat der Kirche in Kessin an Neukloster gibt. Schlie (I, 295) will zwar in dem aus Feldsteinen erbauten Chor der Kirche das von Berno geweihte Heiligtum erkennen, jedoch schwerlich mit Recht; die Kirchen des 12. Jahrhunderts sehen anders aus; das achtrippige Backofengewölbe und die drei Schlitzfenster der Ostwand weisen in das 13. Jahrhundert hinunter. Bernos Heiligtum wird ein Holzkirchlein gewesen sein.

Die Kirche in Rostock, deren Kaplan 1189 erscheint, wird die, wie wir aus M. U.=B. 2236 erfahren, dem hl. Clemens geweihte von Alt=Rostock, der auf dem rechten Warnowufer in den Wiesen am Petri - Damm gelegenen Burg gewesen sein. Pribislav baute die Burg bald nach 1167 wieder auf. Damals mag auch die Kapelle dort entstanden sein. Auch hier finden wir also neben der in einen anderen Zusammenhang hineingehörenden von Kessin die erste Kirche am Hauptorte des Landes resp. Burgwards erbaut. Nach Pribislavs Tode (30. Dez. 1178) bemächtigte sich sein Neffe Nikolaus, ein tüchtiger und entschlossener Mann, der Burg und des Landes. Nach wechselvollen Kämpfen


1) Über die Identität von Goderak und Kessin cf. Schlie I, 291 ff. wo auch die Literatur verzeichnet ist.
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kam 1185 zwischen ihm und Heinrich Burwy, dem Sohne Pribislavs, ein Vergleich zustande, nach welchem das Land Rostock sein unbestrittener Besitz wurde. Der Ort Rostock blühte auf, und vielleicht schon vor Schluß des Jahrhunderts entstand auf dem linken Warnowufer ein besuchter Markt, der Anfang der späteren Stadt (148 vom Jahre 1189). Burwy verlieh ihm 1218 (244) das lübische Stadtrecht, dessen die Einwohner sich schon vorher bedient hatten. Der Ort war also, wenn auch ohne briefliche Verleihung des Stadtrechtes, tatsächlich schon länger Stadt und muß demnach auch schon seine eigene Kirche gehabt haben. Dasselbe läßt sich daraus folgern, daß 1232, nur 14 Jahre später (398), schon die Neustadt mit dem dritten Stadtkirchspiel, St. Marien, erscheint. Die Errichtung des ersten, St. Petri, wird also noch vor oder spätestens in den allerersten Beginn der großen Kolonisationsbewegung zu setzen sein. Dann aber liegt die Vermutung nahe, daß auch das Nachbarkirchspiel Biestow älter ist als diese. Einesteils ist es das Kirchspiel der schwarzen Dörfer, deren deutsche Besetzung vielleicht schon vor Schluß des 12. Jahrhunderts fällt, andernteils muß es älter sein als die älteste Pfarre der Stadt Rostock, da diese nach allen Analogien (Schwerin, Wittenburg, Gadebusch, Parchim usw.) sonst auch die um die Stadt liegenden Dörfer umfassen müßte. Die Rostocker Kirchspiele aber sind ausschließlich städtische und das Biestower reicht bis vor die Tore der Stadt, die es auf 3 Seiten umschließt.

Hatten wir uns bis hierhin auf einem Boden bewegt, auf den immerhin noch einiges Licht aus Urkunden fiel, so versagt dieses für das übrige Mecklenburg ganz. Nur über den Osten von Circipanien, das unter der Herrschaft Kasimars von Demmin stand, verbreiten die drei ältesten Darguner Urkunden noch ein spärliches Licht. Wir wenden uns daher nunmehr diesem zu.

Trotz älterer Ansprüche Kammins war das Gebiet Kasimars, d. h. Demmin mit den Ländern Tollense, Plote, Loiz, Tribsees und Circipanien, im Jahre 1160 zum Schweriner Sprengel gelegt worden und hatte Berno, von Kasimar unterstützt, die Christianisierung der Vorpommern in Angriff genommen. Auch weiterhin scheint er diesem Teile seines Sprengels eifrige Fürsorge zugewandt zu haben; 1173, 1174 und wieder 1184 (111, 114, 138) finden wir ihn auf pommerschem Boden und in der Umgebung Kasimars, auf den er einen gewissen Einfluß ausgeübt zu haben scheint (cf. Wiesener a. a. O. S. 161), tätig. Im Jahre 1173 gelang es ihm, vielleicht im Zusammenhange mit dem dänischen Kriegszuge von 1171 (Wigger nach Lisch a. a. O. S. 241f.), in

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Circipanien eine Niederlassung seines Ordens zu gründen. Kasimar und einige wendische Edle schenkten in der Nähe der Burg Dargun den dazu nötigen Grundbesitz. Auch hier wie bei Doberan ist es ein beträchtliches Gebiet, mit dem die Neugründung bewidmet wird (111, 114). Am 30. November 1173 weihte Berno den Altar der Klosterkapelle, wie er dabei bemerkt, den ersten Altar in Circipanien. Auch hier treibt ihn, wie bei der Gründung von Doberan, die Absicht, durch das Kloster zu christianisieren, er verleiht demselben das Recht und damit auch die Pflicht, Parochien einzurichten und Pfarrpriester anzustellen. Zugleich treffen wir hier auf pommerschem Gebiete, auf welchem die älteren Klöster Grobe und Stolp wohl schon mit Kolonisationsversuchen vorangegangen waren, die ausdrückliche Erlaubnis - bei Doberans Gründung fehlte sie noch - Deutsche, Dänen oder Wenden auf dem Klosterbesitz anzusiedeln, freilich wohl weniger in der Absicht, so eine weitergehende Besiedelung mit fremden Bauern einzuleiten, als aus der Erkenntnis heraus, daß das Kloster ohne solche nicht werde bestehen können. 1 ) Besetzt ward es mit dänischen Mönchen aus dem Kloster Esrom. Einige Jahre darauf (125) - die Urkunde ist leider nicht datiert, gehört aber vermutlich in das Jahr 1178 oder die nächstfolgenden - finden wir in dem benachbarten Dorfe Röcknitz eine vom Kloster errichtete Pfarrkirche, welcher Berno die gesamten "einst dem alten Burgward Dargun zugehörigen" Dörfer zuweist. Sie werden namentlich aufgeführt; es ist das Gebiet der späteren Pfarren Röcknitz, Levin, Brudersdorf und Alt=Kalen, vielleicht auch noch Schorrentin. Und hier haben wir nun den urkundlichen Beweis für das, was sich schon bisher immer deutlicher herausgestellt hatte, nämlich daß Bernos kirchliche Organisation sich eng an die Burgwardbezirke anschloß, und daß wir bei ihm mit Sicherheit geradezu von Burgwardkirchspielen reden können. Begrenzt er aber hier das Kirchspiel von Röcknitz auf das Burgwardgebiet von Dargun, so muß die Errichtung von Kirchen in den benachbarten Burgwarden damals entweder eben erfolgt, oder wenigstens in nächster Zeit beabsichtigt gewesen sein. Und allerdings finden sich hier wenn auch nur schwache Anzeichen von solchen schon vor der Kolonisationsbewegung errichteten, an die Burgwarde angelehnten Kirchspielen. Nordwestlich an den Darguner Burgward grenzt der des späteren Landes Gnoien. Sein Mittelpunkt war die urbs Lubechinka, an welcher das dänische


1) Vergl. v. Sommerfeld: Germanisierung des Herzogtums Pommern S. 75f.
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Invasionsheer im Herbst 1184 vorüberzog, ohne einen Angriff zu wagen. Sie blieb es bis zur Verlegung der Verwaltung nach der neugegründeten Stadt Gnoien. Noch 1238 (479) begegnet uns in einer von Lübchin datierten Urkunde ein "Bartoldus advocatus in Lubichin" und die Burgmannen des Ortes, neben ihnen aber auch "Theodoricus capellanus in Lubichin". Seit langem schwankt man, wo dies Lübchin zu suchen ist, ob in Behren=Lübchin oder Holz=Lübchin, welche beide wendische Burgwälle aufweisen. Neuerdings neigt man. (cf. Schlie I, 503, 504 mit 436f., Burgwall von Walkendorf) mehr dazu, es in letzterem zu sehen, wie mir scheint mit Unrecht. Wäre Holz=Lübchin der Hauptort des Burgwards, so wäre dort oder in nächster Nähe die alte Burgwardpfarre zu suchen, die offenbar noch 1238 von jenem capellanus in Lubichin verwaltet wird. Nun ist aber Walkendorf erst Tochterkirche der Darguner Klosterpfarre Polchow. Dagegen hat Behren=Lübchin eine Kirche, und zwar von allen Kirchen des östlichen Mecklenburg die einzige, welche dem Stile nach noch in den Ausgang des 12. Jahrhunderts gehören könnte (cf. Schlie I, 504). Es fehlt nicht nur jede Verwendung von Ziegeln (die Wölbungen sind jüngeren Datums), sondern die Kirche ist rein rundbogig, das Schiff nicht auf Wölbung angelegt, der quadratische Chor durch einzelstehende kurze Rundbogenfenster erleuchtet, desgleichen die Apsis. (Der Turm ist jünger.) Lischens Urteil wird hier gegenüber dem nicht allzuhoch einzuschätzenden von Schlie zu Recht bestehen. Mag aber auch dieses Gebäude nicht bis auf Berno zurückgehen, sondern erst in Brunwards erste Zeit gehören, so ist trotzdem die Gründung der Kirche als älter anzusehen, da wie wir gesehen, steinerne Kirchen so gut wie immer erst nach Verlauf eines oder mehrerer Jahrzehnte anstelle der ersten Holzbauten traten. Das Kirchspiel Röcknitz, um nur das nächstbenachbarte zu nennen, das um 1178 schon bestand, erhielt erst 1232 (402) den gegenwärtig noch stehenden Steinbau, dieser aber charakterisiert sich dem Stile nach als wesentlich jünger gegenüber der Lübchiner Kirche. So mag in der Tat die Pfarre von Behren=Lübchin als dem Hauptorte des Burgwards schon jener Zeit um oder kurz nach 1178 angehören.

Südlich an den Darguner Burgward (vorausgesetzt, daß das Kirchspiel Schorrentin auch zu ihm gehörte), stößt das Land Malchin, mit dem gleichnamigen Hauptorte, dessen Burgwall (Schlie V, 225) eine Viertelstunde südöstlich der Stadt liegt. Hier charakterisiert sich das Malchiner Kirchspiel durch seinen

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Umfang als Anfangskirchspiel. Erwähnt wird der Ort freilich - wohl noch als Dorf - erst 1215 (219) und ein Pfarrer von Malchin erst 1236 (449) bei der Bewidmung des Ortes mit Stadtrecht. Fraglos aber ist das große Landkirchspiel als solches älter als die Gründung der Stadt. Bis 1247 (589) gehörte das Kirchspiel Basedow noch dazu, und dieses reichte mit Sagel noch in das jetzige Kirchspiel Dahmen hinein, also fast bis an das Südende des Malchiner Sees. Auch das Kirchspiel Gielow gehörte ursprünglich zu Malchin, da 1247 (589) auch das später in Gielow untergegangene Muceliz (913 und 1578) nach Malchin gehörte. Endlich reicht das Malchiner Kirchspiel noch heute mit Pisede auf das linke Ufer der Peene hinüber und ist die Pfarre (589) mit 14 Hufen zu Teßenow im Kirchspiel Bülow dotiert. Vermutlich erstreckte sie sich also auch hier einst weiter als jetzt. Deutlich erweist sich so auch Malchin als ursprüngliches Burgward=Kirchspiel; es mag daher ebenfalls bis in Bernos Zeiten zurückgehen.

Mit den oben behandelten drei Darguner Urkunden sind wir, wie gesagt, am Ende alles urkundlichen Materials für die Entwicklung der kirchlichen Organisation bis zum Schlusse des 12. Jahrhunderts. Im übrigen deckt tiefes Dunkel die mecklenburgischen Lande. Nachdem sich aber nun herausgestellt hat, daß sich Bernos kirchengründende Tätigkeit eng an die wendische Burgwardverfassung angelehnt hat, sind wir berechtigt, nach weiteren Spuren etwaiger Burgwardkirchspiele zu suchen, und falls sich solche noch ermitteln lassen, dieselben ihm zuzuschreiben, oder doch der ersten Zeit seines Nachfolgers, ehe die Kolonisationsbewegung begann, und mit ihr die Errichtung kleinerer, auf Grundlage der deutschen Einwanderung errichteter Kirchspiele ihren Anfang nahm.

Wir kehren zum Lande Rostock zurück. Hier käme vielleicht das Kirchspiel von Marlow in Frage. Der Ort, an dem alten Übergang nach Pommern gelegen, bildete später den Mittelpunkt der gleichnamigen Vogtei. Er steht auf einem Burgwall (Schlie I, 388; Beltz; Vorgeschichtl. Karten IV), in der Nähe liegen zwei weitere Burgwälle bei Kneese und Schulenberg. Der Ort wird also schon in der Wendenzeit Hauptort eines Burgwards gewesen sein. Wäre nun M. U.=B. 127 vom Jahre 1179 unverdächtig, so müßte schon damals dort die deutsche Besiedelung in die Wege geleitet und dementsprechend auch auf kirchliche Versorgung der Einwanderer Bedacht genommen sein. Allein, wie oben gesagt, kann die Jahreszahl nicht stimmen. Doch auch ohne das muß

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das Marlower Kirchspiel schon seines ungewöhnlich großen Umfanges willen eines der ältesten sein. Es umfaßte einst auch das von Kloster=Wulfshagen (nach dem Rostocker Archidiakonatszehntregister von 1471 hat der Rektor von Marlow dort das Patronat), und der Lage und der Gestalt nach auch das von Kölzow. Es mag also immerhin als eines der alten Burgwardkirchspiele wie Buckow, Lübow usw. angesehen werden. Schlie möchte nun allerdings auch die alten Kirchen von Laage, Sülze und Ribnitz (I, 439, 383, 347) schon in den Ausgang des 12. Jahrhunderts setzen, jedoch ohne jedes Recht. Die ersten beiden erweisen sich durch ihre unter spitzbogigen Blenden zusammengefaßten spitzbogigen Dreierschlitze als Werke des späteren Übergangsstiles und zeigen gegenüber der von Marlow, welche 1244 erbaut ist (Schlie I, 389) einen entschieden jüngeren Charakter, und die von Ribnitz, eine Hallenkirche, ist im Vergleich mit den ältesten Kirchen im Bistum Schwerin vor der deutschen Kolonisation einfach undenkbar.

Südlich des Landes Rostock erstrecken sich auf beiden Seiten der Warnow von der mecklenburgischen Grenze bis zu der Circipaniens die beiden Werleschen Vogteien Schwaan und Laage. Hier könnte für Schwaan selbst vermutet werden, daß es schon unter Berno eine Kirche erhalten hat. Ein Pfarrer von Schwaan wird freilich erst 1232 (406) genannt. Aber der außergewöhnliche Umfang seines Kirchspiels - 1286 (1828, 6450) gehörte auch das von Groß=Grenz noch dazu und vermutlich auch einst das von Kambs - läßt es fraglos als das älteste des Landes erscheinen. Dazu steht die Kirche im Hauptort und liegt der große Burgwall von Werle in ihrem Kirchspiel. Auch hier dürfte eine alte Burgwardkirche vorliegen.

Schließen wir hieran den westlichen Teil Circipaniens, das Land Bisdede. Schwerlich ist hier schon im 12. Jahrhundert eine Kirche errichtet worden, da noch bis 1226 Güstrow selbst, in dessen Kirchspiel später (jetzt in dem abgezweigten von Badendiek) der Burgwall Bisdede lag, noch keine Kirche hatte. Dies geht (gegen Schlie IV, 187) deutlich aus dem Wortlaut der Stiftungsurkunde Heinrichs von Rostock für das Güstrower Domkapitel hervor (323): in loco, qui Gustrowe nominatur, conventualem ecclesiam canonicorum ad honorem dei . . . . et . . . . Mariae . . . et Ceciliae virginis ordinavi." Das heißt nicht: eine schon bestehende und nur zu vergrößernde Kirche, wie Schlie will, wird dem Kanoniker Konvent überwiesen, sondern: es wird die Errichtung einer konventualen Kirche angeordnet, auch die

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Heiligen, denen sie geweiht werden soll, erst bestimmt. Auch die Schlie'sche Ansetzung des Gewölbes im westlichen Chorjoch als eines Restes der älteren Kirche (ebend. S. 202) ist unhaltbar, da die Umfassungsmauern dieses Joches mit denen des östlich anstoßenden gleichzeitig sind und demselben Bauplan angehören (vergl. den Aufriß ebendort). Dieser älteste Teil der Kirche ist also von vornherein als weiträumiger zweijochiger Chor angelegt, d. h. aber als Kollegiatkirche, deren Chor Raum haben mußte für den Konvent der Chorherren. Noch auf lange hinaus aber war der Dom das einzige Güstrower Gotteshaus und zugleich Pfarrkirche. Erst 1308 (3211) taucht eine besondere Pfarrkirche neben ihm auf, aber deutlich als Abzweigung.

Vollends tief aber ist das Dunkel, welches über den südlichen Ländern, Warnow, Brenz, Plau, Malchow, Waren liegt. Während aus dem Gebiet der nordwestlichen Länder Schwerin, Mecklenburg, Ilow, Rostock, Bützow, Schwaan, bis nach Kessin und Lüssow hin bis zum Jahre 1230 einschl. immerhin 16 Kirchorte und 28 Pfarrer aus Urkunden bekannt sind, letztere zum Teil sogar häufig als Zeugen begegnen, gibt es bis dahin aus diesen südlicheren Ländern nur eine einzige kirchliche Nachricht, und diese stammt aus dem Jahre 1229 und betrifft das Kirchspiel Parchim. Das ganze kirchliche und wohl auch das politische Leben scheint sich bis ins 13. Jahrhundert hinein fast ausschließlich im Nordwesten abgespielt zu haben. Charakteristisch ist noch, daß Heinrich Borwin um 1225 die Bewidmungsurkunde für die von ihm gegründete Stadt Parchim damit einleitet, daß er sagt, er habe das Land Parchim, ein wüstes und wegeloses, dem Kult der Dämonen ergebenes Land, christlichen Kolonisten übergeben. Es war also bis zum Beginn der Einwanderung so gut wie ganz heidnisch geblieben, und es ist als fraglich anzusehen, ob Berno in den südlichen Landschaften auch nur eine einzige Kirche errichtet hat. Suchen wir auch hier nach Spuren von Burgwardkirchspielen! In den Kriegen Heinrichs des Löwen mit den Söhnen Niklots treten und nach 1160 die Burgen von Malchow und Quetzin entgegen. Sie waren mit sächsischen Mannen belegt. Auffallend ist übrigens in der Kette dieser Grenzburgen die große Lücke zwischen Quetzin am Plauer See und Schwerin. Man fühlt sich versucht, Parchim mit seinem Burgwall als notwendiges Zwischenglied einzuschieben. Alle drei "Parchim quoque, Cuthin et Malchowe, cum omnibus villis . . . . . ad ipsa castra pertinentibus" begegnen uns dann in der Kaiser=

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urkunde von 1170 (91) als die drei südlichen Burgwarde des Schweriner Sprengels. In oder bei diesen Burgen hätten wir die ältesten Kirchen zu suchen. Beginnen wir mit Parchim, so hat dieses sicher vor der eigentlichen Kolonisationszeit seine Kirche erhalten. Um 1225 ward es als deutsche Stadt von Borwin II. begründet (319). Schon 4 Jahre darauf ward die Teilung des übergroßen Kirchspiels der Stadt in 5, Parchim, Damm, Klockow, Lanken und Möderitz notwendig (370). Klockow ist untergegangen; es lag auf dem linken Ufer der Elde; Möderitz umfaßte die jetzigen Filialen von Carwitz, nämlich Domsühl, Bergrade und Zieslübbe, vielleicht ursprünglich auch Garwitz selbst. So hatte Parchim einst ein Kirchspiel, das an Größe die der Kolonisationspfarren um weit mehr als das Doppelte übertraf und daher als älter und noch ohne Voraussicht der Kolonisation und Stadtgründung angelegt angesehen werden muß. Als dann die Bevölkerungsdichtigkeit und die kirchlichen Ansprüche mit der deutschen Besiedelung wuchsen, mußte es geteilt werden.

Auch für Quetzin gibt es einige, freilich unsichere Zeichen, die vermuten lassen, daß die Kirche dort älter ist als die Einwanderung. Auch für das Gebiet dieser Burg, das spätere Land Plau, oder die Ture, gilt es wie für Parchim, daß es bis zu dieser durchweg heidnisch geblieben war (428). Zugleich mit Parchim, also um 1225, ward Plau als deutsche Stadt begründet. Es scheint aber; als ob der Ausbau der Stadt erst langsam in Gang gekommen ist. Noch 1235 in der Privilegienbestätigung Pribislavs (428) ist die Stadtfeldmark einfach auf 60 Hufen angegeben, es fehlt aber an jeder Grenzbestimmung, wie wir sie z. B. bei Parchim (327) treffen. Wahrscheinlich mußte sie größtenteils erst durch den Ankauf der nördlich und südlich der Elde gelegenen Nachbardörfer gebildet werden (560. 743), ein Vorgang, der sich nur langsam vollzog; Grapentin und Gedin z. B. wurden erst um 1290 gelegt und zur Stadtfeldmark gezogen (2199). Das mit der Stadt zugleich errichtete Kirchspiel derselben ward daher nicht auf diese selbst beschränkt, sondern ihm auch diese Nachbardörfer zugewiesen, von jenen beiden auf dem rechten Eldeufer gelegenen Grapentin und Gedin wenigstens steht es urkundlich fest (2199). Finden wir nun hier, kaum dreiviertel Stunde von der Stadt entfernt, bei der schon damals verlassenen Burg Ouetzin im Jahre 1264 (1016) eine Pfarrkirche landesherrlichen Patronates (6874), so ist es höchst unwahrscheinlich, daß diese nach der Stadtgründung errichtet worden ist. So unpraktisch nahe der Stadt und ihrer Kirche errichtet, zudem so

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in die Südecke ihres Kirchspiels gestellt, daß die beiden eingepfarrten Dörfer Zarchlin und Leisten (1238) zu ihr einen weiteren Weg haben, als zu der nächsten landesherrlichen und damals ebenfalls schon bestehenden Kirche in Karow, die überhaupt kein weiteres Kirchspiel besitzt, würde sie alle Analogien bei der Anlage landesherrlicher Pfarren entbehren und sieht sie mit ihrem Kirchspiel vielmehr aus wie der Rest eines einst größeren, dem man seine südliche Hälfte genommen hat. Sie wird also gegründet sein, bevor der Gedanke an eine Stadtgründung entstand, als noch die Burg den Mittelpunkt des Landes bildete. Als dann die Stadt gegründet ward, verlor sie ihre südlichen Dörfer; diese gingen allmählich in der Stadtfeldmark auf. Schließlich erlitt ihr eigenes Dorf im 14. Jahrhundert dasselbe Schicksal und blieben Pfarre und Kirche allein übrig. So stand die Kirche von Quetzin wie St. Clemens von Alt=Rostock neben der deutschen Stadt, die nach ihr aufkam, als ein Überbleibsel älterer Zeiten, bis sie wie diese - freilich erst im 16. Jahrhundert - ganz einging, oder wie die Kirche von Alt=Wismar; nur daß letzterer durch die Verlegung nach Hornstorf die Existenz gerettet wurde.

Ähnlich liegen die Dinge in Malchow. Pfarrer und Kirche werden zwar nicht eher als 1256 (763) erwähnt, aber noch 1298 stehen die 3 Kirchen von Alt= und Neu=Malchow und Lexow unter einem Pleban (2505, 2506, 2507), bilden also ein einziges Kirchspiel, und zwar, da bis zum Jahre 1317 (3895) auch das von Nossentin noch dazu gehörte, eines jener großen Anfangskirchspiele. Ja, der Gestalt und Lage nach ist anzunehmen, daß auch die aus ihm gleichsam herausgeschnittenen ritterlichen Kirchspiele von Alt=Schwerin und Poppentin wenigstens zum Teil ursprünglich zu Malchow gehört haben und dieses sich auch südwärts noch in das von Grüssow hinein erstreckt hat. Da es nun wieder undenkbar ist, daß nach der um 1235 (433) mit der Stadt zugleich errichteten Kirche von Neu=Malchow unmittelbar vor dem Tore der Stadt noch eine zweite Pfarrkirche landesherrlichen Patronates errichtet worden ist, so muß die von Alt=Malchow älter sein und in die Zeit vor der Kolonisation zurückreichen. Da sie aber später Kirche des hierher verlegten Röbeler Büßerinnenklosters ward, so ist sie dem Schicksale ihrer Schwestern entgangen und hat ihre Existenz gerettet.

Erweisen sieh sonach die drei Kirchen von Parchim, Quetzin und Alt=Malchow als Burgwardkirchen und vor dem Beginn der

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Kolonisation gegründet, so dürften sie auch noch zu den Bernskirchen zu rechnen sein.

Auf der Suche nach solchen ist nun endlich noch der gegenwärtige Bestand der Kirchen daraufhin zu prüfen, ob sich unter ihnen solche finden, die aus baulichen Gründen noch in das 12. Jahrhundert zu weisen sind, und hier könnte man in der Tat versucht sein, die beiden Kirchen von Frauenmark und Benthen im Lande Parchim, dem Stile nach die ältesten der im südlichen Mecklenburg noch vorhandenen, soweit hinaufzurücken. Sie sind von Schlie beschrieben (IV, 479 ff. und 544 f.). Der Feldsteinchor der Kirche von Frauenmark mit seiner Apsis, seinem rippenlosen Backofengewölbe, seinen bis auf die Priesterpforte durchweg rundbogigen Öffnungen - selbst der Triumphbogen ist noch rund -, ohne jede Anwendung von Ziegeln, gehört unstreitig einem frühen Stadium des Übergangsstiles an, in dem in Mecklenburg kaum mehr gebaut worden ist. Er erinnert an die ältesten im Lauenburgischen erbauten Kirchen, die Haupt dem 12. Jahrhundert zuweist. Und ähnlich steht es mit der Kirche in Benthen. Hier ist allerdings die Apsis aus dem Sechseck in Ziegeln aufgeführt, aber sie schließt sich an einen Chor an, der dem von Frauenmark genau gleicht, und charakterisiert sich so vielleicht als jüngerer Bau - vermutlich anstelle einer älteren Apsis aus Feldstein - und auf sie wird sich die 1267 (2693) vorgenommene Weihe der Kirche beziehen. In Benthen sind Chor und Schiff in einem Zuge gebaut, aber in Frauenmark ist das Schiff jünger als der Chor. Es gehört dem Stil nach zu den zahlreichen Feldsteinbauten, welche der entwickeltere Übergangsstil im zweiten und z. T. noch im dritten Drittel des 13. Jahrhunderts in Mecklenburg hervorgebracht hat. Hat nun eine Datierung aus den Stileigentümlichkeiten immerhin etwas Unsicheres, da es an sich nicht ausgeschlossen sein kann, daß auch in der Zeit des späteren Überganges gelegentlich - etwa von alten Meistern - noch einmal in altertümlicheren Formen gebaut worden ist, so zeigen hier eben doch die jüngeren Formen des Schiffes, daß der Chor in der Tat einer älteren Periode angehört. Er. könnte noch dem 12. Jahrhundert angehören. Schwerlich aber ist er nach 1250 erbaut. Dennoch wird man die Kirche von Frauenmark wahrscheinlich erst zwischen 1220 und 1250 anzusetzen haben. Es gibt nämlich eine Urkunde von 1312 (3562), in welcher ein Hermann von Dragun als "erster Fundator" der Kirche genannt wird. Diesen Hermann findet man nun, und, wie es sich nicht leugnen läßt, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit

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in dem Hermann wieder, der um 1230 (375, S. 370) als Zehntbesitzer in Dragun (Kirchspiel Vietlübbe bei Gadebusch) begegnet (Lisch: M. Jbb. 25, 282-307; Schlie IV, 477). Zwar ist die Urkunde eine plumpe Fälschung des 16. Jahrhunderts zu Gunsten der Pfarre. Immerhin dürfte der Hermann von Dragun nicht ganz aus den Fingern gesogen sein. Übrigens ist die Pfarre 1264 zu einer Zeit, wo die von Dragun noch in Frauenmark begütert gewesen sein sollen (1009), landesherrlichen Patronats, und könnte jener Hermann sonach nur insofern als Fundator angesehen werden, als er auf landesherrliche Anordnung die Dotalhufen für die zu gründende Kirche abtrat (vergl. M.U.=B. 370). Die Kirche würde dann in die erste Zeit der Kolonisation im Lande Parchim zu setzen sein (vergl. darüber weiter unten). Und dasselbe würde dann auch für die von Benthen zu gelten haben.

Soweit die mecklenburgischen Lande. Schließen wir nun hieran einen Überblick über die zum Schweriner Sprengel gehörigen vorpommerschen Gebiete.

Die Kaiserurkunde hatte demselben Demmin mit den Ländern Tollense, Plote, Loitz und Tribsees zugewiesen. In der 8 Jahre darauf erteilten päpstlichen Bestätigung des Bistums (124) finden wir die Grenzen scheinbar noch etwas weiter gesteckt. Tollense, Groswin und die Peene bis zu ihrer Mündung sollen jetzt die Grenze bilden, und Wiesener (p. 182 f.) sieht hier in der Tat den Versuch einer Grenzerweiterung, indem Berno nun auch die von dem Unterlauf der Peene eingeschlossenen Länder Wolgast, Lassahn, Gützkow und das zwischen Tollense und Peene liegende Groswin und Mizerech beansprucht habe. Wohl kaum mit Recht. Im Jahre 1170 (91) werden jene Länder "de dicione (oder dedicione) ducis Saxonie" dem Schweriner Bistum zugelegt, und die päpstliche Bestätigung von 1178 weist ihm "ecclesias per provinciam ducis Henrici" zu, deren Grenzen eben mit Tollense, Groswin und Peene beschrieben werden. In beiden Fällen soll offenbar die Grenze des Bistums als mit der des Herzogtums zusammenfallend bezeichnet werden. Der ohne völligen Erfolg abgebrochene Feldzug von 1177 gegen Demmin wird aber schwerlich die Grenze der sächsischen Herrschaft gegen die Zeit um 1170 noch hinausgerückt haben, sodaß auf Grund dessen eine Erweiterung der Diözese stattgefunden hätte. Inwiefern, wie Wiesener will, in dem Friedensschluß zwischen Kaiser und Papst ein Anlaß für Berno gelegen haben soll, auf eine solche zu hoffen, ist unerfindlich. Nun ist aber die Kaiserurkunde in der Tat unvollständig in der Aufzählung der zum Bistum Schwerin

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gehörigen pommerschen Gebiete; es fehlen die unstreitig schwerinschen Länder Barth und Pütte; so mögen denn auch noch andere ausgelassen resp. einfach zu Tribsees oder Plote gerechnet sein und in der Tat die Grenzen beider Urkunden zusammenfallen.

Innerhalb der so begrenzten Gebiete hatte Kasimar dem Bischofe um 1171(100) Wotenik bei Demmin mit 4 anderen Dörfern geschenkt. Angewiesen waren letztere damals wohl noch kaum; 1178 (124) finden wir an ihrer Stelle ein Dorf im Lande Barth, zwei bei Demmin, eins in Circipanien und das Land Pütte. In der Bestätigung Urbans III. aber haben sich die beiden Dörfer in Barth und Circipanien verdoppelt. Erstere, die beiden Dörfer in Barth, erscheinen später wirklich im bischöflichen Besitz; es sind Bisdorf und Zipke (4882). In Bezug auf das kleine Land Pütte meint Wiesener (S. 185), es sei Berno nicht gelungen, zu Jaromar von Rügen, der sich im Jahre 1184 desselben wie der meisten vorpommerschen Länder bemächtigt hatte, ein freundschaftliches Verhältnis zu gewinnen, und daß dieser ihm Pütte wieder entzogen habe. Er schließt dies daraus, daß letzteres sich in den späteren Urkunden nicht mehr finde (S. 330 Anmerk. 94). Es kommt jedoch in allen päpstlichen Bestätigungen des Bistums vor (141, 149) und noch 1197 (162) in der Cölestins III. Wenn es sich dann später tatsächlich nicht im Besitz des Bischofes befindet, wohl aber eine Reihe von Dörfern in dem ebenfalls Jaromar und seinen Erben gehörigen Nachbarlande Tribsees (4882), so werden wir an einen Umtausch zu denken haben, der unter Berno, aber möglicherweise auch erst unter Brunward stattgefunden haben mag, und ist das feindselige Verhältnis zwischen ersterem und Jaromar nichts als ein Phantasiegebilde Wieseners.

Zunächst aber standen alle diese Gebiete unter der Herrschaft Kasimars, und wenn auch Berno diesem, wenigstens zeitweise, nähergestanden haben mag als der pommersche Landesbischof, dem ein Teil derselben durch die Zuweisung zu Schwerin entzogen war, so scheint doch der letztere tatsächlich dort in der Ausübung der bischöflichen Rechte geblieben zu sein, wo die von Pommern ausgehende Christianisierung schon festen Fuß gefaßt hatte. Im Jahre 1178 vergibt er Zehnten in den Ländern Gützkow, Lassahn und Ziethen (Wiesener S. 194). Demmin und Tollense aber werden wirklich unter Bernos Krummstab gekommen sein. Beide waren wie Gützkow und Wolgast nominell schon christlich. Es bestanden hier bereits Anfänge einer kirchlichen Organisation. In Wolgast und Gützkow hatte Otto von Bamberg

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1127 auf seiner zweiten Reise Kirchen gegründet 1 ) - von Demmin berichten das die Quellen seines Lebens freilich nicht ausdrücklich, doch kann es als Hauptsitz Kasimars um 1160 (91) nicht ohne Kirche gewesen sein, obgleich vor 1215 kein urkundlicher Beleg vorliegt. In Groswin stand bereits die bald nach 1137 erbaute Votivkirche, die schon längst in ein Benediktinerkloster umgewandelt war. Und auch wenn uns 1175 (P. U.=B. I, 41) eine Kirche in Treptow an der Tollense begegnet, haben wir in ihr wahrscheinlich nicht ein Werk Bernos' sondern der pommerschen Kirche zu erblicken. Wiesener vermutet, daß man in jedem Burgward eine Kirche zu erbauen bestrebt gewesen sei (S. 275). Über Fortschritte in dieser Richtung unter Bernos Einfluß schweigen die Nachrichten. Dagegen scheinen die nördlich von Demnin gelegenen Landschaften Loitz, Tribsees und Barth mit Pütte noch gänzlich vom Christentum unberührt gewesen zu sein, als Berno nach 1160 (siehe oben) hier die Mission aufnahm und die Bevölkerung mit Kasimars Hülfe der christlichen Religion zuführte. Sie waren, wie es scheint, überaus spärlich bevölkert; nur der Südwesten um Loitz und Tribsees, sowie die engste Umgegend von Barth und Stralsund (Land Pütte) zeigen zahlreiche wendische Ortsnamen. Den bei weitem größeren Teil deckte unbewohnter Wald - das ganze Gebiet, welches etwa eine Linie Greifswald - Grimmen - Franzburg - Dammgarten - Bodstedt (westlich von Barth) bis Voigdehagen (südlich von Stralsund) begrenzt, zeigt ausschließlich deutsche Ortsnamen und zwar weitaus in der Mehrzahl Hagendörfer. Bernos Mission und Wirksamkeit wird sich also auf die Umgegend der Orte Loitz, Tribsees, Barth und Pütte beschränkt haben. Hier werden wir auch seine Kirchen suchen müssen. Wiesener will (p. 276) die von Prohn, Pütte, Tribsees, Loitz, Schadegard (bei Stralsund) und Tribohm vermutungsweise auf ihn zurückführen, die von Barth jedoch erst in die Zeit nach Jaromars I. Tode (i. J. 1217), da wohl in Pütte schon eine Kirche gewesen sei. Von diesen Kirchen ist jedoch Tribohm fraglos zu streichen; der Baubefund der dortigen Kirche, auf den er sich beruft, weist dieselbe sicher erst in das 13. Jahrhundert (P. Bau= u. Kunstdenkm. I, 1 S. 59 f.). Für Schadegard ist eine Kirche nach P. U.=B. II, 903 von 1269 doch nicht anzunehmen, und die Begründung für die in Pütte


1) Wiesener (S. 273 und 348 Anmerk. 7) will im Chor der jetzigen Kirche von Gützkow noch jenen Bau Ottos sehen. Er entstammt aber frühstens der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts. Vergl. Bau= und Kunstdenkm. d. Prov. Pomm. I. Teil Band 1 S. 134 f.
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damit, daß Pütte "vermutlich" zu dem Opferhaine Boeka gehört habe, ist doch sehr unsicher. Bei Loitz dagegen weisen wirklich die Reste der arg verbauten alten Kirche in das 12. Jahrhundert (ebend. I, 1 S. 225f.); für Tribsees liegt die Wahrscheinlichkeit in der Bedeutung des Ortes, und darin daß sein Kirchspiel sich anfangs über den ganzen Burgward erstreckt zu haben scheint, sind doch Leplow und Drechow und selbst noch Glewitz ursprünglich Filialkirchen von Tribsees (ebend. I, 1, S.21, 33, 204). Für Prohn spricht, daß es ein Heiligtum des Donnergottes Peran gewesen war, und in der Tat ist die Kirche von Prohn, wenn auch erst der Mitte des 13. Jahrhunderts angehörig (ebend. I. 1 S. 41), die einzige des ganzen Landes Pütte, die im Übergangsstil erbaut ist, alle übrigen gehören erst der gotischen Zeit an. Sie wird auf lange die einzige gewesen sein. Dann aber darf man auch in Barth selbst eine Kirche vermuten, wenngleich der Ort erst 1245 und die Kirche erst 1248 erwähnt wird.

So mögen es drei bis vier Kirchen gewesen sein, die Berno in Vorpommern errichtet hat, Loitz, Tribsees, Prohn und Barth. Höher darf ihre Zahl schwerlich veranschlagt werden, zumal wenn man in Betracht zieht, wie langsam in Mecklenburg und auch in dem nominell längst christlichen Pommern um jene Zeit die kirchliche Organisation fortschritt.

Von Süden schob sich gegen das Land Tollense das Bistum Havelberg mit den Ländern Wustrow und Stargard vor; auch diese standen unter pommerscher Herrschaft. Kasimar überwies hier bei Gelegenheit der Havelberger Domweihe (i. I. 1173) dem dortigen Kapitel einer Reihe von Dörfern zur Errichtung eines Tochterstiftes. Aber wie diese noch auf lange Jahrzehnte hinaus unausgeführt blieb, so hat Havelberg überhaupt bis in das 13. Jahrhundert hinein keinen Vorstoß zur Christianisierung dieser Gegenden gemacht. Später kam die geplante Stiftung in Broda zustande. Es ist hier auf die Anfänge dieses Stiftes einzugehen. Der Arbeit von Lisch (M. Jbb. III, 32 ff. und 208 ff.) folgend, hat Winter (Die Prämonstratenser des 12. Jahrhunderts S. 180-210) diesem Stifte eine überaus weitreichende und verdienstvolle Wirksamkeit zugeschrieben; die Kirchen von Neu=Brandenburg, Weitin, Wulkenzin, Penzlin, Luckow, Kargow, Waren, Schwenzin usw., kurz "die kirchliche Organisation des ganzen Landes zwischen dem Tollense= und dem nördlichen Müritzsee ist ein Werk der Prämonstratenser von Broda." In Wirklichkeit muß diese hohe Einschätzung der Verdienste Brodas sehr

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reduziert werden; sie beruht zu mehr als dreiviertel auf gefälschten Urkunden. Wenige Stifte wohl haben so unverschämt wie das Broder gefälscht, um ihre allerdings etwas knappen Verhältnisse aufzubessern. 1 ) (Die Prämonstratenser von Pudagla waren ebenfalls stark darin. Wiesener S. 187.)

Bei der Domweihe in Havelberg im Jahre 1171 hatte Kasimar dem Domstifte eine Reihe von Dörfern im Lande Tollense und Raduir geschenkt mit der Bestimmung, daß es in einem derselben ein Tochterstift errichte. Nach der gefälschten Stiftungsurkunde sollen es 33 namentlich und noch eine Reihe von nicht benannten Dörfern gewesen sein, welche das zu gründende Stift erhielt. Den wirklichen Umfang der Ausstattung ersehen wir aus der 1182 nach Kasimars Tode von seinem Bruder Bogislav ausgestellten Bestätigung; es sind im ganzen 7 benannte Dörfer um Broda und einige verlassene Dörfer "inter fines Chotibanz, Lipiz et Hauelam." (M. U.=B. 135). Ausdrücklich wird hier bemerkt, daß dies alles ist, was einst Kasimar geschenkt hat, und daß die Errichtung des Stiftes noch nicht zustande gekommen ist, ja noch nicht einmal der Ort bestimmt, an welchem dasselbe erbaut werden sollte. Bogislav wiederholt die Schenkung, weil ihm an der Christianisierung des ungläubigen in der disciplina fidei christianae rohen und ungelehrten Volkes gelegen ist. In dem offenbar noch ganz heidnischen Lande, ohne jeglichen Rückhalt an christlicher Bevölkerung und weit von den Grenzen, bis zu denen die Havelberger Kirche bis dahin christianisierend vorgedrungen war, hatten bisher die Existenzbedingungen für ein neues Stift gefehlt. So war seit 1171 nichts geschehen; aber auch weiterhin erfahren wir von keinen Schritten zur Verwirklichung des Planes, finden wir kein Zeichen der Ausführung. Noch 1224 (309) fehlt Broda unter den von Magdeburg ausgegangenen Prämonstratenserstiften.

Die nächste Urkunde, eine Besitzbestätigung durch Nikolaus von Werle vom Jahr 1230 (377) läßt nun mit einem Schlage ein ganz anderes Bild vor unseren Augen erscheinen. Das Stift ist errichtet. Der Grundbesitz erscheint wesentlich als derselbe wie 1182, aber dazu kommen jetzt nicht weniger als 9 Patronate bis ins Land Waren hinein, meist zugleich mit dem Besitz des ganzen Kirchdorfes verbunden. Das Stift hat offenbar eine weitreichende Tätigkeit zur Christianisierung seiner Umgegend entfaltet.


1) Auch Ernst S. 67 nimmt die gefälschten Urkunden noch als echt.
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Allein diese Urkunde ist ebenso wie jene erste gefälscht. Von jenen Kirchen finden wir in der echten Urkunde von 1273 (1284) nur die von Waren, Ankershagen und Penzlin im Besitz des Klosters. Die übrigen sind nachweislich erst im Laufe des 14. Jahrhunderts durch Tausch und Schenkung an dasselbe gekommen, und zwar ohne daß zugleich die ganzen Kirchdörfer dem Kloster zugeeignet wären (2945, 5226). Nur erstere drei also könnten bis dahin auf werleschem Gebiet als Klostergründungen in Betracht kommen. Von ihnen aber scheidet die von Waren von vornherein aus. Es liegt nicht einmal mehr im Bistum Havelberg. Auch die Kirche von Penzlin dürfte keine Gründung des Stifts sein, da es diesen Ort niemals besessen hat; höchstens könnte ihm das Patronat übertragen sein mit der Absicht, durch dasselbe diese Kirche mit Priestern zu versorgen. Ankershagen endlich ist eine erst 1266 (1080) gegründete Filiale des allerdings vielleicht von Broda ausgegangenen Freidorf. Auf dieses und die übrigen in den Stiftsdörfern errichteten Kirchen, welche in jener Urkunde von 1273 nicht genannt sind, werden wir weiter unten zurückzukommen haben.

Die erste echte Urkunde seit 1182 ist erst die Besitzbestätigung durch die pommerschen Herzöge von 1244 (563). Sie ist auf Grund der gefälschten Stiftungsurkunde von 1171 ausgestellt. Jetzt besteht die "ecclesia Sctae Mariae et Scti Petri in Brode" wirklich. Inzwischen aber hat das Land seine Herren gewechselt, indem Stargard vor kurzem an die Markgrafen von Brandenburg, und Penzlin - wie es scheint schon etwas früher, kurz vor 1226 1 ) - an die mecklenburgischen Fürsten gekommen ist. Pommersch ist nur Broda selbst und seine nächste Umgebung geblieben. Die pommerschen Herzöge haben es daher leicht, dem Kloster einen ungeheuren Besitz in fremder Herren Ländern zu bestätigen. Von den einheimischen Fürsten hat es keine Bestätigung erlangt. Vermutlich dachte das Stift bei Gelegenheit des Wechsels der Landeszugehörigkeit, die zugleich mit der Umwandlung aller Verhältnisse durch die jetzt auch hierhin vordringende deutsche Kolonisation zusammenfiel, im Trüben fischen zu können. Jener Zeit wird die erste Fälschung entstammen. 2 ) Sie ist nicht geglückt.

Aber auch die wirkliche Errichtung des Stiftes selbst wird, wie aus M. U.=B. 309 vom Jahre 1224 hervorgeht, schwerlich allzulange vorher zustande gekommen sein. Jedenfalls aber ist es


1) Vergl. jedoch Techen M. Jbb. 70, 182.
2) So auch Klempin P. U.=B. I zu Nr. 54.
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mit der Missionierung und Christianisierung jener ganzen Gegenden durch Broda nichts. Bis zur Jahrhundertwende sind sie zweifelsohne ganz heidnisch geblieben.

Auch im angrenzenden Lande Stargard liegen die Dinge nicht anders. Vor der erst 1236 einsetzenden Kolonisation finden sich hier keine Spuren des Christentums. Im Süden, in der Umgegend von Mirow, beginnt die Kolonisation und mit ihr die Christianisierung schon um ein Jahrzehnt früher, hier aber von Mecklenburg aus und daher vermutlich auch unter Schweriner geistlicher Leitung. Die Expansionskraft der Havelberger Kirche scheint weit geringer gewesen zu sein als die der Schweriner.

Fassen wir nun die Resultate unserer bisherigen Untersuchungen zusammen, so dürfen als bis zum Schlusse des Jahrhunderts im Bistum Schwerin errichtet folgende Kirchen angesehen werden.

In der Grafschaft Schwerin: 1. Schwerin; 2. Stück; 3. Cramon; 4. Pampow; 5. Brütz.

Im Stiftslande: 6. Bützow.

Im nördlichen Mecklenburg: 7. Viecheln; 8. Lübow; 9. Buckow; 10. Brüel; 11. Neuburg; 12. Gaarz; 13. Kröpelin; 14. Parkentin; 15. Biestow; 16. Rostock; 17. Kessin; 18. Schwaan; 19. Marlow; 20. Röcknitz; 21. Lübchin; 22. Malchin.

Im südlichen Mecklenburg: 23. Parchim; 24. Quetzin; 25. Malchow.

In Vorpommern: 26. Demmin; 27. Loitz; 28. Tribsees; 29. Barth (?); 30. Prohn (?).

Von diesen sind die 15 Schwerin, Stück, Cramon, Viecheln, Lübow, Buckow, Kröpelin, Parkentin, Rostock, Kessin, Röcknitz, Lübchin, Malchin, Loitz, Tribsees mehr oder minder sicher auf Bernos Zeit zurückzuführen. Neuburg und Gaarz gehören nicht mehr zu den ersten Kirchengründungen, sondern sind erst später, vielleicht aber auch noch unter Berno, hinzugekommen. Bützow ist als regelrechte Pfarre erst ein Werk Brunwards. Von den übrigen läßt sich eben nur sagen, daß ihre Errichtung aller Wahrscheinlichkeit nach vor den Beginn der großen Kolonisationszeit fällt, also möglicherweise erst in Brunwards erstes Jahrzehnt. 1 )

Während so unter den eifrigen Händen der ersten beiden Schweriner Bischöfe die Christianisierung Mecklenburgs schon vor


1) Ernsts Ansicht, es sei überhaupt unwahrscheinlich, daß Kirchen in slavischen Orten errichtet seien (S. 50), ist hiernach mindestens für das 12. Jahrhundert. irrig.
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einer deutschen Kolonisation und ohne deren Rückhalt nicht unerhebliche Fortschritte machte, blieben die havelbergischen Teile Mecklenburgs noch bis zum Ende des Jahrhunderts völlig unangerührt. Ihre Christianisierung beginnt erst mit der deutschen Einwanderung. Freilich auch im schwerinschen Mecklenburg kam es erst durch sie zu völliger Überwindung des slavischen Heidentums, und während in Pommern seit den achtziger Jahren des 12. Jahrhunderts unter den Priestern auch Träger wendischer Namen begegnen (Hauck IV, 592), ein Zeichen, daß dort die christliche Religion nunmehr das religiöse Leben auch des Volkes wirklich zu durchdringen begann, findet sich davon in Mecklenburg keine Spur. Die Namen der mecklenburgischen Priester sind bis 1230 ausschließlich entweder deutsche oder biblische und Heiligennamen.

 

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IV.

Der weitere Ausbau des Pfarrsystems im Bistum Ratzeburg.

Die letzten beiden Jahrzehnte des 12. Jahrhunderts waren mit den Kämpfen angefüllt, in welche der Sturz Heinrichs des Löwen und seine Versuche die verlorene Stellung wieder zu gewinnen, die Landschaften Niedersachens verwickelten. Auch Mecklenburg ward in diese Kämpfe hineingezogen. Nikolaus, ein Sohn des vom Herzoge hingerichteten Wartislav, und darum geborener Gegner desselben, bemächtigte sich der Lande Rostock und Kessin. Die gegen ihn ins Feld gerufenen Scharen der halbheidnischen Pommern und Circipanier verwüsteten das Stiftsland Bützow, zerstörten die Abtei Doberan und erschlugen ihre Insassen. Nikolaus ward geschlagen. Doch wußte er sich zu behaupten, ja sogar seine Macht weiter auszudehnen, bis es seinem Vetter Burwy mit Hülfe der Grafen von Schwerin, Ratzeburg und Holstein gelang, ihn zu vertreiben, freilich nur auf kurze Zeit. Im Gefolge der dänisch=pommerschen Kämpfe unter dem Schutze des Dänenkönigs kehrte er 1185 wieder zurück. Mecklenburg ward dänisches Lehen, und für den Osten des Landes begannen wieder ruhigere Jahre. Das westliche Mecklenburg ward inzwischen noch dauernd durch kriegerische Unternehmungen

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beunruhigt. Erst mit dem Beginne der neunziger Jahre wurden auch hier die Verhältnisse friedlicher. Wir hatten schon gesehen, daß um 1194 Heinrich von Dannenberg die Besiedelung der Länder Jabel und Wehningen in Angriff zu nehmen denken konnte. Doch war die Lage immerhin noch so unsicher, daß man 1195 in dem zwischen den wendischen Fürsten und dem Domkapital von Schwerin geschlossenen Vertrage ernstlich mit der Möglichkeit eines Krieges zwischen Deutschen und Wenden rechnete. Von neuem aber brechen auch hier die kriegerischen Unruhen wieder aus, als nach dem Tode Heinrich VI. ganz Deutschland von dem welfisch=staufischen Kampfe um die Krone erschüttert ward. Immer weiter griff in diesem das unter Waldemar mächtig aufstrebende Dänenreich um sich, bis es endlich um 1203 ganz Norbalbingien bis nach Pommern hinein sich unterworfen hatte. Die Grafschaft Ratzeburg ward nun aufgelöst, die Sadelbande und Ratzeburg selbst mit Holstein vereinigt; das Land Gadebusch kam an Mecklenburg, Wittenburg und Boizenburg an die Grafen von Schwerin. Auch die Grafen von Dannenberg scheinen ihr rechtselbisches Gebiet verloren zu haben - eine gründliche Umwandelung der politischen Verhältnisse im ganzen Gebiet des Ratzeburger und Schweriner Sprengels. Sie brachte einen großen Vorteil: die Zeit, in der "kein König in Israel war", wie Arnold von Lübeck sich ausdrückt, und darum ein Zustand unaufhörlicher Unruhen und Verwirrung, war vorüber, eine kräftige, entschlossene Hand hatte die Zügel ergriffen und sorgte für Ordnung. So begannen denn mit der Unterwerfung unter Waldemar den Sieger für Nordalbingien eine Reihe von Friedensjahren, die nur vorübergehend durch zwei schnell niedergeschlagene Erhebungsversuche der Schweriner Grafen unterbrochen wurden. Auch als nach zwanzig Jahren die dänische Herrschaft mit der Gefangennahme Waldemars durch letztere und mit den verlorenen Schlachten von Mölln und Bornhöved zusammenbrach, blieb Mecklenburg vom Kampfe unberührt; er ward wesentlich auf holsteinischem Boden ausgefochten.

Es war eine Friedenszeit von mehr als einem Menschenalter, die so mit der Dänenherrschaft heraufgekommen war, und sie ward zu einer Periode ungeahnten Aufschwunges für das ganze Land. Mit neuer Stärke setzt nun die deutsche Kolonisation ein. Von Wagrien, wo Waldemars Statthalter Graf Albert von Orlamünde germanisierte (Usinger: Deutsch=dänisch Geschichte S. 263; A. Gloy: Der Gang der Germanisation in Ostholstein S. 30, 31, 37) bis nach Vorpommern hinein, wo Jaromars

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Söhne das Kolonisationswerk begannen, füllt sich das Land mit deutschen Bauern und Dörfern. Hatte die Kolonisationsbewegung bisher im wesentlichen an der Westgrenze des Herrschaftsbereiches der wendischen Fürsten Halt machen müssen, so scheint sie sich nun, wie ein aufgestauter Strom nach Öffnung der Schleusen, mit um so größerer Fülle in die Wendenländer ergossen zu haben. Die Wendenfürsten selbst leiteten nun den Strom in ihr Bett. Schon um 1210 sehen wir deutsche Ansiedler im äußersten Osten Mecklenburgs an der pommerschen Grenze, und in den zwanziger Jahren beginnen bereits die deutschen Städtegründungen: Parchim, Plau, sogar schon wiederum an der pommerschen Grenze Penzlin. 1 ) Hand in Hand mit der Einwanderung geht nun auch hier, wie früher, ein überaus eifriger Ausbau der kirchlichen Organisation. Wie Pilze schossen die Kirchen aus der Erde, und als Brunward, Bernos Nachfolger, im Jahre 1238 nach langer arbeitsreicher Amtsführung starb, konnte er auf eine erfolgreiche Tätigkeit zurücksehen, wie sie seinem Vorgänger nicht vergönnt gewesen war. Mecklenburg war christianisiert, der Ausbau der Kirche im wesentlichen vollendet. Indes ging die Einwanderung das ganze Jahrhundert hindurch fort, die bisher übrig gebliebenen Lücken ausfüllend und vom zweiten Viertel desselben ab auch die bis dahin noch unberührten Wald= und Heidegebiete, zuletzt auch die Moraststrecken in Angriff nehmend, und dementsprechend nimmt auch die Gründung von neuen Kirchen noch ihren Fortgang.

Wir haben nun dieser weiter zu folgen. Dem Gang der Kolonisation von Westen nach Osten entsprechend - die Einwanderer, meist aus Nordwestdeutschland, Westfalen und Engern stammend, betraten bei den Elbübergängen von Artlenburg, Lauenburg und Boizenburg die Wendenlande -, beginnen wir auch hier wieder mit der Entwickelung des Pfarrsystems im Bistum Ratzeburg. Nach dem urkundlichen Material empfiehlt es sich dieselbe in drei Perioden zu teilen, und zwar vom Beginn der Dänenherrschaft, 1204, bis etwa 1237, von da bis zum


1) Unverständlich ist mir Risches (Geschichte Mecklenburgs vom Tode Borwins . . . S. 2) Äußerung: "Bei der Unsicherheit der Verhältnisse stockte die Einwanderung aus den deutschen Gebieten. Wer wollte sich aus Deutschland unter die dänische Herrschaft begeben?" Die Urkunden beweisen das Gegenteil, und der Frage des letzten Satzes kann man die andere entgegenstellen: gab es damals überhaupt schon eine Art von deutschem Patriotismus, wie er hier vorausgesetzt wird? und diese muß fraglos verneint werden.
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Jahre 1335, und endlich von 1335 bis zur Reformation. Wir werden sehen, wie diese Teilung nicht nur dem mehr oder minder zufällig vorhandenen Urkundenmaterial entspricht, sondern wirkliche Stufen der Entwickelung bezeichnet, die sich deutlich von einander scheiden.

1. Die Zeit der erneuten Kolonisationsbewegung im ersten Dritteil des 13. Jahrhunderts.

So ungünstig die letzte Zeit des 12. Jahrhunderts für den weiteren Ausbau des Ratzeburger Pfarrsystems gewesen war, ganz ist er doch auch in ihr nicht ins Stocken gekommen. Bischof Philipp konnte 1204 sofort nach seinem Amtsantritt einige Kirchen seines Sprengels weihen (Arnold VII, 9), und von seinem Rivalen bei der Bischofswahl, dem Ratzeburger Dompropst Heinrich, wird berichtet, er habe sich dadurch für die Wahl empfohlen, daß er als Propst seine Präpositur "multum rebus et personis et edificiis" bereichert habe (ebend.).

Über die Fortschritte, welche die Einrichtung von Pfarren in den ersten drei Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts gemacht hat, belehrt uns das um 1230 verfaßte Ratzeburger Zehntregister (375). Die Zuverlässigkeit desselben für unseren Zweck wäre nun allerdings wesentlich eingeschränkt, wenn Hellwig mit der in seiner für das Verständnis des Registers geradezu grundlegenden Arbeit über dasselbe (M. Jbb. 69, 291-350) aufgestellten Behauptung Recht hätte, daß in ihm nicht nur einzelne Dörfer, was wohl unbestreitbar ist, sondern sogar ganze Parochien ausgelassen sind (S. 296 f.). Wir werden dieselbe daher zu prüfen haben. Er sagt: "Weggelassen sind mehrfach die (NB. erst nachträglich hinzugefügten) Parochialbezeichnungen am Rande," und macht zwei Fälle geltend. Sie fehlen bei St. Georgsberg und bei Grönau. Hellwig selbst erklärt die Weglassung bei den letzteren durch ein noch heute deutlich erkennbares Versehen beim Abschreiben, bei St. Georgsberg dadurch, daß infolge eines Nachtrages am Rande kein Raum mehr für die Parochialbezeichnung geblieben war. Die Parochien selbst mit den zu ihnen gehörigen Dörfern sind klar zu erkennen, und die Absicht des Registers, sie zu geben, zweifellos. Hieraus folgt demnach noch nichts für die Unzuverlässigkeit desselben. Wie steht es nun weiter aber mit denjenigen Orten, an welchen nach dem Register Kirchen zu bestehen scheinen, ohne daß sie am Rande als eigene Parochien gekennzeichnet sind? Valluhn in der Parochie von Zarrentin,

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Lassahn in der von Neuenkirchen, Wedendorf in der von Rehna und Gramkow in der von Hohenkirchen; sind hier etwa noch ausgelassene Parochialbezeichnungen zu ergänzen? Nein. Auf Grönau folgen im Register seine sämtlichen Parochialdörfer; hier ist das nicht der Fall. Valluhn ist später niemals mehr als eine Filialkapelle von Zarrentin gewesen. Es fehlt daher im Verzeichnis der Pfarrtaxen von 1335 (5613) und steht im Zehntregister einfach unter den Zarrentiner Dörfern. Lassahn war zwar später eine Parochie, ist aber im Register noch nicht als solche gedacht, da unter den ihm folgenden Dörfern auch das bei Neuenkirchen verbliebene Boissow steht. Es ist also ebenfalls als Filialkapelle anzusehen. Dasselbe gilt von der Wedendorfer, späteren Grambower Kirche, da Valkenhagen, das im Register auf Wedendorf folgt, bei Rehna verblieben ist und die Parochialdörfer des späteren Grambow verstreut unter denen von Rehna stehen. Ebensowenig kann endlich Gramkow, dessen Kirche bald wieder eingegangen sein muß, ein eigenes Kirchspiel gehabt haben; die im Register hinter ihm stehenden Dörfer werden durch Hohenkirchen und das zu ihm gehörige Eggerstorf in zwei vollständig von einander getrennte Komplexe geteilt. Von einer Auslassung der Parochialbezeichnung im Zehntregister kann also in all diesen Fällen keine Rede sein.

Jedoch Hellwig geht weiter, er behauptet: "es fehlen aber auch ganze Parochien mit allen oder den meisten dazugehörigen Dörfern gänzlich, und zwar sind es die Parochien, Lübsee (vielleicht auch Grambow) und Dietrichshagen." Es beweist die Auslassung der Parochie Dietrichshagen aus der Bewidmungsurkunde von Eldena (2118), aus der, falls ihre Angaben, was jedoch nicht über jeden Zweifel erhaben ist (cf. Buchwald: Bischofs= und Fürstenurkunde § 100 f.), richtig sind, allerdings das hervorgeht, daß das Dorf und die zu ihm eingepfarrten Upahl, Boienhagen und Schildberg bei der Gründung von Eldena, also zwischen 1230 und 1235, bereits bestanden. Aber damit ist für eine Zeit, in der in dieser Gegend die Kolonisation mitten im Gange war und jährlich neue Dörfer entstehen konnten, noch lange nicht erwiesen, daß sie schon bei Abfassung des Zehntregisters da waren, geschweige denn, daß Dietrichshagen schon eine Kirche hatte. Nach diesem gehörte vielmehr das einzige Dietrichshäger Kirchspieldorf, das es bringt, Kastahn (Cristane), zur Parochie Grevesmühlen. Dennoch war das Dorf Dietrichshagen selbst zur Zeit des Zehntregisters zweifelsohne schon vorhanden, ja es fehlt nicht einmal in diesem. Das Zehntregister unterscheidet Rutnik "in terra Zverin" in der Parochie Eixen (S. 370) und "indago Rutnik, que est in

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terra Brezen" in der Parochie Gressow. Ein Dorf namens Rütingerhagen giebt es nicht, ist es nicht wieder eingegangen, so muß es unter anderem Namen fortexistieren. Beachtet man nun, daß der Bresensche, im Zehntregister angeblich fehlende, Hagen des Dietrich fast unmittelbar an das Schwerinsche Rüting stößt, und daß 1237 (471) zu Rüting im Lande Bresen eine Pfarrkirche besteht, an deren Stelle später die von Dietrichshagen erscheint, so ist die Identität beider Orte gewiß : Dietrichshagen ist der "indago Rutnik que est in terra Brezen" des Zehntregisters; es hat nach diesem noch keine Kirche - es müßte sonst bemerkt sein, daß sie den Zehnt von ihren Dotalhufen besitzt -, ja es scheint erst im Entstehen begriffen, da noch keine Hufenzahl angegeben ist. Dabei scheint es dem Bischof als Eigentum gehört zu haben, da dieser entgegen den Zehntbestimmungen für Bresen den ganzen Zehnt besitzt und nur den vierten Teil an zwei Vlamen verliehen hat - offenbar die Besiedelungsunternehmer. Danach sind die Verhältnisse vollkommen durchsichtig. Bischof Gottschalk hatte eine Strecke Waldland zur Besiedelung erworben und war hier um 1230 dabei Vlamen, anzusetzen. Der nun entstehende Hagen ward anfangs nach dem benachbarten Rüting Rütinghagen genannt; im Anschluß an ihn entstanden dann bis 1235 die weiteren im Zehntregister noch fehlenden Dörfer Upahl, Boienhagen und Schildberg. Für diese errichtete der Bischof zwischen 1230 und 1237 eine neue Parochie, baute und dotierte (nach dem Vertrage von 1222, siehe unten) die Kirche derselben in dem ihm selbst gehörigen Hagen, der dann später den Namen Dietrichshagen erhielt. Dazu stimmt auch die Reihenfolge, in welcher 1237 (471) die Bresenschen Kirchen aufgezählt werden, zuerst die 9 im Zehntregister aufgeführten, 1230 schon bestehenden, dann als letzte und jüngste die von Rüting.

Ähnliches gilt für die Grambower Parochie. An Stelle Grambows, das im Zehntregister zu fehlen scheint, begegnet 1237 (471) Wedendorf als Pfarrort, das schon 1230 eine Kapelle besaß. Der Ort Grambow mit seinem wendischen Namen bestand natürlich schon. Vermutlich versteckt er sich unter dem "aliud Wedewenthorp" des Zehntregisters, das sonst untergegangen sein müßte. Es ist doch auffallend, daß Johann von Camin, der nach letzterem 3 Hufen in Wedendorf besaß, auch in Grambow gerade 3 Hufen hatte (775). Dann aber möchte man vermuten, daß das Zehntregister hier Wedendorf und das andere Wedendorf verwechselt hat und diese 3 Hufen nicht im anderen Wedendorf, sondern im ersten lagen. Man käme so um die immerhin miß=

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liche Verlegung der Pfarre von einem Wedendorf ins andere herum.

Endlich ist Lübsee sicher um 1230 noch nicht Pfarrort gewesen, da es noch 1237 (471) unter den Pfarren des Rehnaer Archidiakonates fehlt, obgleich es später (5613 siehe unten) zu ihnen gehörte und seiner Lage nach niemals anderswohin gehört haben kann. Auch die Besetzung oder Gründung seiner Kirchspieldörfer zwischen 1230 und 1237 ist durchaus nicht so unwahrscheinlich, wie Hellwig meint (vergl. darüber unten).

Es ist also nichts damit, daß im Zehntregister ganze Parochien weggelassen sind, wir dürfen seiner Zuverlässigkeit trauen. Verfolgen wir nun an seiner Hand die Fortschritte, welche die Einrichtung von Pfarren seit dem Jahr 1194 gemacht hat.

Wir beginnen mit dem Lande Ratzeburg; es zeigt 6 neue Pfarren. Das Riesenkirchspiel St. Georgsberg ist zerschlagen und aus seinem Bestande die Kirchspiele Berkentin mit 7, Krumesse mit ebenfalls 7, Grönau mit 6 und Schmilau mit 3 Ortschaften gebildet. Der Rest von 14 Ortschaften ausschließlich St. Georgsberg ist dieser Erstlingskirche des genannten Bistums verblieben. Haupt (Lauenburg. Denkmäler) meint zwar, aus dem fehlenden Rubrum bei St. Georg schließen zu dürfen, daß es damals überhaupt kein Kirchspiel mehr gebildet habe und auch der Rest seiner Dörfer noch in weitere neue Kirchspiele geteilt werden sollte. Diese Vermutung erledigt sich jedoch durch die Bemerkung, daß das Rubrum nur wegen Platzmangel am Rande ausgefallen ist (siehe oben). Des weiteren erscheinen als neugegründete und daher am Ende des Registers stehende Parochien das kleine Heidekirchspiel von Büchen und das städtische von Mölln, letzteres wohl eine Gründung Waldemars des Siegers, der dem Orte Stadtrecht verlieh, also nach 1203 errichtet.

Im Lande Wittenburg ist kein einziges neues Kirchspiel errichtet. Die vorhandenen genügten noch - wir erinnern uns, daß die Versorgung mit Kirchen hier von vornherein eine gleichmäßigere gewesen war, wie im Lande Ratzeburg. Nur in Lassahn ist eine Filialkapelle von Neuenkirchen erbaut, jedoch noch nicht zu einer selbständigen Pfarre erhoben. Ebenso hat Zarrentin in Valluhn bereits eine Filiale.

Dagegen ist die 1194 wohl im Zusammenhange mit der noch sehr unvollständigen Germanisation stark zurückgebliebene Pfarrorganisation des Landes Gadebusch weiter ausgebaut worden. Hier ist die ritterliche Pfarre Pokrent hinzugekommen, von Gadebusch sind die beiden kleinen Kirchspiele Roggendorf

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und Salitz abgezweigt und Rehna hat in Wedendorf (alias Grambow) eine Filialkapelle erhalten, die schon 1237 (471) als selbständige Pfarre erscheint. Das spätere Kirchspiel Lübsee aber ist noch ohne Kirche und, wie es scheint, im wesentlichen auch ohne Bewohner.

In der Sadelbande erscheinen als neue Kirchspiele die beiden kleineren von Kuddewörde und Geesthacht, wohl ausschließlich aus neuen deutschen Dorfgründungen gebildet.

Über die Fortschritte im Lande Boizenburg läßt uns das Zehntregister im Unklaren. Möglicherweise ist Gresse dazu gekommen, schwerlich aber schon das in der Heidegegend zwischen Boize und Stecknitz gelegene sehr kleine Kirchspiel von Zweedorf.

Die Größe aller dieser nachgegründeten Kirchspiele erreicht die der vorhergehenden Periode nicht mehr. Nur eins - Geesthacht - kommt noch auf 8 Ortschaften, den Durchschnitt bildet etwa die Zahl 4.

In den dannenbergischen Ländern Jabel, Wehningen und Derzing ist noch wenig erreicht. Jabel ist noch rein wendisch, die 1194 beabsichtigte deutsche Besiedelung ist nicht zustande gekommen. Schwerlich aber ist daran, wie Schlie (III, 2 Anmerk. 2) meint, die dazwischentretende Dänenherrschaft schuld. Der wirkliche Grund wird in der Dürftigkeit des Landes liegen, welche die Ansiedler abschrecken mußte. Wie weit Kolonisation und Kirchenerrichtung in Wehningen vorgeschritten sind, läßt sich aus dem Zehntregister nicht erkennen, denn da hier der Graf den ganzen Zehnten haben sollte, so liegt für das Zehntregister des Bischofs kein Grund zu genaueren Angaben vor. Zufällig erhellt aus den Zeugen einer dort excerpierten Urkunde, daß es bereits Kirchen in Malk und Dömitz gab. Kurz nach Abfassung des Zehntregisters, jedenfalls noch vor 1235, ward hier von Bischof Gottschalk im Verein mit dem Grafen das Nonnenkloster Eldena gestiftet. Leider sind die älteren Urkunden desselben bei einem Brande verloren gegangen und wir daher über seine Stiftung nur durch die Privilegienerneuerung von 1291 (2118) unterrichtet. Nach ihr aber hätten nun zwischen 1230 und 35 in den genannten Ländern schon mehr Pfarren bestanden; es wird in ihr nämlich berichtet, Bischof Gottschalk habe dem Kloster das Archidiakonat über die 3 Länder gegeben und dabei werden die 9 Pfarren Eldena, Grabow, Dömitz, Conow, Jabel, Leussow, Picher, Stapel und Laasch aufgezählt. Von ihnen aber liegen Picher und Leussow im Lande Jabel; sie haben also zur Zeit

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des Zehntregisters noch nicht bestanden. Ebenso ist Stapel, das Kirchspiel des Derzing, jünger. Erst 1261 (916) wird seine Besiedelung und die Errichtung von Kirchen in Aussicht genommen. Auch die Kirche von Grabow dürfte jünger sein. Es kommt zwar als castrum schon 1186 (141) vor, aber sein kleines, fast rein städtisches Kirchspiel - da es im Mittelalter nur rechtselbisch war, gehörte außer dem städtischen Fresenbrügge nur noch Güritz dazu, wenn nicht auch dies erst später zum Kirchspiel gelegt ist --, das aus dem Riesenkirchspiel von Laasch herausgeschnitten erscheint, dürfte schwerlich älter sein, als die Gründung der Stadt, welche nach einer allerdings unechten Urkunde erst 1252 (683) erfolgt ist. Endlich werden, da 1230 Malk noch Pfarrort ist, auch Conow und Eldena (cf. oben S. 141) jüngeren Datums sein. Die Privilegienerneuerung gibt also nicht die bei der Gründung des Klosters bestehenden Pfarrkirchen, sondern nur die zu ihrer Zeit, 1291, bestehenden. Um 1230 aber können nach dem gesagten außer Malk und Dömitz allenfalls noch Laasch und Jabel Kirchen gehabt haben. Bald nach der Gründung des Klosters Eldena wird dann das Kirchspiel von Malk eingegangen und in die beiden von Conow und Eldena geteilt worden sein; um 1252 kam das von Grabow hinzu. Im Lande Jabel muß dieses selbst eine Zeitlang die einzige Pfarre gewesen sein, da sich sein Kirchspiel, Lübtheen und Redefin umfassend, durch die ganze Länge des Landes erstreckt, und die beiden von Picher und Leussow als aus ihm herausgeschnitten erscheinen. Sie sind demnach zwischen 1230 und 1291 errichtet. Derselben Zeit gehörten, wie es scheint, ihre alten eigentümlichen Kirchen an (von Lisch beschrieben M. Jbb. 39, 193 - 197). Beide sind landesherrlichen Patronats (Visit. 1534), was Jabel nicht gewesen zu sein scheint. Später war es wenigstens in den Händen der von Plessen. Dagegen sind die Kirchen des Landes Wehningen, Dömitz, Laasch, Conow (Visit. 1534) und Grabow (4905, 5056, 5084) landesherrlich. Nur das Patronat von Eldena war natürlich von Anfang an im Besitz des Klosters.

Hieran mag sich das bischöfliche Stiftsland Boitin schließen, über welches das Zehntregister leider keine Auskunft gibt. Hier ist inzwischen, wie mit ziemlicher Sicherheit auf Grund des oben (S. 136) beschriebenen Baubefundes der Kirche gesagt werden kann, das Kirchspiel Herrnburg neuentstanden, und auch für Selmsdorf darf man vermuten, daß es um 1230 bereits eine Kirche hatte.

Mit dem Lande Boitin schließt die Reihe der schon seit dem 12. Jahrhundert der deutschen Einwanderung geöffneten und unter deutschen Landesherrn stehenden Länder des Ratzeburger

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Sprengels. Werfen wir nun, ehe wir das Gebiet der Wendenfürsten betreten, einen Blick darauf, in welchem Verhältnis diese nachgegründeten Kirchen zu den beiden Nationalitäten bezw. zum weiteren Ausbau der deutschen Kolonisation stehen. Auch in dieser Periode noch sind in den alten Teilen der Grafschaft Ratzeburg die Kirchen wesentlich in deutschen Orten errichtet worden. Grönau, Roggendorf, die beiden Wedendorf sind Besetzungsdörfer (Hellwig a. a. O. S. 325, 319, 326), ebenso wohl auch Büchen. Auch die beiden Filialorte Valluhn und Lassahn sind Besetzungsdörfer (Hellwig S. 322, 323). Berkentin und Salitz erweisen sich durch die neben ihnen liegenden wendischen Orte gleichen Namens als deutsch. Mölln ist natürlich schon als Stadt deutsch, und Schmilau, obwohl nicht Besetzungsdorf, wird bei seiner Lage am Südende des Ratzeburger Sees schon den vor Aufstellung des Besetzungsrechtes kolonisierten Dörfern zuzurechnen sein (Hellwig S. 332 f.). Krumesse dagegen, das ebenfalls kein Besetzungsdorf ist, könnte vielleicht wendisch, jedoch deutschen Rechts, gewesen sein. Zu den wie Schmilau in der allersten Zeit kolonisierten darf es seiner Lage nach nicht gerechnet werden. Sicher als Wendenpfarre darf nur die ritterliche von Pokrent im Lande Gadebusch angesprochen werden. Sie umfaßte die Allodialdörfer des Detlev von Gadebusch, welche sämtlich auf der Witteschen Karte noch Reste wendischer Bewohner zeigen. Pokrent selbst erscheint hier als Kossatendorf. Nur das kleine Renzow (= Groß=Renzow) erscheint im Zehntregister als landesherrliches Besetzungsdorf. Aber auch dieses weist aus der Karte noch wendische Reste auf, ebenso auch die im Kern deutschen, schon erwähnten Pfarrorte Salitz und Roggendorf, wogegen die beiden Filialorte und Besetzungsdörfer Valluhn und Wedendorf keine Spur von Wenden mehr zeigen.

Als Wendenpfarren dürfen weiter die beiden im Stiftslande Boitin neben dem älteren Schönberg neubegründeten Herrnberg und Selmsdorf angesehen werden. Beide Orte haben Hakenhufen, ebenso mehrere der Kirchspieldörfer, während andere Pauschalbede zahlen (Wittesche Karte). Wie denn überhaupt im Stiftslande die Kolonisation stark zurückgeblieben ist.

Die beiden kleinen neuen Kirchspiele der Sadelbande, Kuddewörde und Geesthacht dagegen sind, wie oben gesagt, als deutsch anzusehen.

Über die Boizenburger und dannenbergischen Kirchdörfer läßt uns das Zehntregister leider im Stich. Nach der Witteschen Karte haben Zweedorf und Gresse schwache Reste wendischer Bevölkerung. Eldena und Gr.=Laasch, beide mit stärkeren wendischen Resten, haben

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Hakenhufen bezw. zahlen Pauschalbede; Picher, Leussow und Conow zeigen ebenfalls starke Wendenreste, aber keine Wendenhufen, Jabel selbst erscheint ganz deutsch, ebenso natürlich die Städte Dömitz und Grabow. Hält man hiermit zusammen den in die Augen springenden Unterschied zwischen dem Riesenkirchspiel Jabel, dem ebenfalls sehr weit ausgedehnten von Laasch und den übrigen, die, wenn auch immerhin noch recht beträchtlich, so doch wesentlich kleiner sind, so darf die Vermutung nicht zu gewagt erscheinen, daß nur erstere beiden als reine Wendenpfarren anzusehen sind, letztere aber mit der spärlich auch hier eindringenden Kolonisation entstanden sind. Jabel selbst als Hauptort des Landes wird schon früh seine wendischen Bewohner verloren haben.

Die Dotierung der Pfarren, soweit sie sich feststellen läßt, schwankt auch in dieser Zeit, und zwar zwischen 1 Hufe (Conow, 4106) und 3 Hufen (Picher, 4103). Das Ideal von 4 Hufen scheint nicht mehr erreicht worden zu sein; 2 Hufen war das gewöhnliche (Pokrent, Salitz, Roggendorf, Grambow 4107, 4108, 4109, 4110).

Der einzige unter der Herrschaft wendischer Fürsten gebliebene Teil des ratzeburgischen Sprengels waren die mecklenburgischen Länder Dassow, Bresen und Klütz. Die kirchliche Versorgung dieser zum größten Teil mit Wald bedeckten und nur spärlich von Wenden bewohnten Gegend war, wie wir gesehen haben, da die deutsche Einwanderung bisher an der Grenze der deutschen Grafschaften hatte Halt machen müssen, noch sehr zurückgeblieben. Höchstens in Dassow, Grevesmühlen und Proseken bestanden bereits Kirchen, aber auch das ist unsicher. Erst als sich, wohl bald nach 1204, auch die Grenze des Wendenlandes den Einwanderern öffnete, ward es anders und erfolgte auch hier der Ausbau des Parochialsystems. Nun erst ward das Land wirklich christlich. Wir sind hier in der glücklichen Lage, durch eine Reihe von Urkunden einen näheren Einblick in das Werden dieser Entwickelung gewinnen zu können, als es uns sonst vergönnt ist. Nicht ganz ohne Schwierigkeit kam die Sache in Gang. Auch hier, wie so oft, bildeten die Ansprüche, welche die Landesherren auf den rechtlich dem Bischofe zustehenden Zehnten erhoben, den Stein, welcher erst aus dem Wege geräumt werden mußte. Erst nach langwierigen Verhandlungen ward eine Einigung erreicht. Bei der Weihe des Kirchhofes auf dem bischöflichen Gute Mirisdorf (Hohenkirchen) war man zusammengekommen und hatte über die Freiheiten der 3 bischöflichen Güter im Lande verhandelt. Auf

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einer weiteren Tagefahrt zu Mustin im Ratzeburgischen waren über die Zehnten und die für das Land Bresen erforderlichen Kirchgründungen Bestimmungen vereinbart worden, auf einer dritten Zusammenkunft unter einem Baume bei dem bischöflichen Hofe Gressow über die Zehnten des Landes Dassow und endlich auf einem Tage in der Kirche zu Proseken über Zehnt und Kirchenerrichtung im Klützer Walde. Über das Ganze ward dann zu Ratzeburg am 8. Juli 1222 ein Vertragsinstrument aufgesetzt (284).

Beginnen wir mit dem Lande Dassow. Für dieses ward nur über die Zehnten verhandelt und abgeschlossen. Von Kirchengründung ist nicht mehr die Rede. Die beiden 1230 im Zehntregister genannten, Dassow und Mummendorf, existierten also bereits, und man beabsichtigte vor der Hand keine weiteren zu errichten. Sie sind (cf. oben) beide landesherrlichen Patronates, beide Besetzungsdörfer (Hellwig a. a. O. S. 327), letzteres jedoch mit wendischen Resten (Wittesche Karte). Die unmittelbare Nachbarschaft von Dassow selbst zeigt ebenfalls noch solche, zwei Dörfer sind noch wendischen Rechts und wendischer Bevölkerung (Zehntregister). Das Gut des Bischofs, Wieschendorf und zwei andere, zeigen noch Hakenhufen (Karte). Von den an der Bresener Grenze gelegenen Dörfern der späteren Kirchspiele Roggenstorf und Börzow fehlt noch die Hälfte (Zehntregister). In einer ganzen Reihe von anderen, Dönkendorf, Tankenhagen, Johannsdorf, Volkstorf erscheinen noch ihre Lokatoren und Namengeber als Zehntempfänger, auch die von Vogtshagen, Woldemarshagen (cf. Teschow im Kirchspiel Mummendorf) und Poppendorf sind noch am Leben; ihre Besetzung liegt also noch nicht lange zurück, die Besiedelung ist noch nicht abgeschlossen. Die Errichtung des zweiten Kirchspiels Mummendorf muß der ersten Einwanderung unmittelbar gefolgt sein.

Noch nicht soweit vorgeschritten finden wir die Entwickelung im Lande Bresen. Hier handelte es sich außer um eine Auseinandersetzung über die Zehnten um die Verhältnisse bereits gegründeter oder noch zu gründender Kirchen. Eine weitere Ausdehnung der Kolonisation wird ausdrücklich in Aussicht genommen. Sie war, scheint es, noch nicht lange in Gang gekommen. Vollendet war sie auch 1230 noch nicht, finden wir doch im Zehntregister bei Marmotse im Kirchspiel Hohenkirchen die viel genannte Notiz: slavica villa est. Dum Teutonici intraverint Wartus II (mansorum decimam) habebit. Wenden wendischen Rechts bewohnen noch 12 Dörfer, also verhältnismäßig viele. Sie

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liegen meistens im östlichen Teile des Landes. Außer jenem Marmotse tragen aber 5 von ihnen schon die Namen deutscher Männer, vermutlich ihrer Lokatoren, und ein Teil von ihnen scheint denn auch bald germanisiert worden zu sein. Die Wittesche Karte zeigt sie ohne Reste wendischer Einwohnerschaft, so Barnekow, Scharfstorf, Schulenbrook, Harmshagen, Warnow. Neben ihnen zeigt die Karte aber auch noch eine Reihe von Kossatendörfern - ebenfalls im östlichen Teile des Landes -, die als wesentlich wendisch in Anspruch genommen werden. Im Zehntregister erscheinen diese durchweg als kleine Besetzungsdörfer von nur 6 Hufen, so die beiden Walmstorf, Everstorf, Thorstorf, Hoikendorf, Köchelstorf und Naschendorf (Hellwig a. a. O. S. 326 ff.), letzteres liegt nach der Karte eigentümlicherweise sogar in Hakenhufen. Waren sie wendische Kossatendörfer mit einem kleinen Kern von 2-3 deutschen Bauernhöfen, Naschendorf sogar mit wendischen Höfen? Auch hier erscheinen wieder in einer Reihe von Besetzungsdörfern die Namengeber noch als Zehntempfänger, so in Warkstorf, Hoikendorf, Gerhardsdorf, Testorf, Beidendorf, Lutterstorf, Martensdorf, auch der Gründer von Friedrichshagen lebt noch. Die Germanisierung ist also um 1230 noch in vollem Gange. Fast unangerührt erscheinen noch die südlichen Grenzwaldungen. Von den Dörfern des späteren Kirchspiels Dietrichshagen nennt das Zehntregister nur einen Ort wendischer Herkunft, Kastahn. Doch ist mit Dietrichshagen selbst und Friedrichshagen ein Anfang der Rodung gemacht; beide Orte waren vermutlich eben erst im Entstehen, da die Hufenzahl noch nicht vermerkt wird. Auch die 4 Ortschaften des Dambecker Kirchspiels fehlen noch trotz ihrer wendischen Namen; sie müssen öde gelegen haben oder flurlos gewesen sein. Städte gab es 1222 noch nicht, denn Grevesmühlen erscheint im Zehntregister noch deutlich als Dorf (gegen Schlie II, 340; es wird nicht wie Gadebusch und Wittenburg civitas genannt), und von Wismar ist noch nicht die Rede; es entstand erst 1226.

Mitten in diese Entwicklung hinein fällt nun der 1222 abgeschlossene Vertrag zwischen Bischof und Landesherrn über die kirchliche Versorgung des Landes. Man einigte sich schließlich dahin, daß der Bischof alle Kirchen, sowohl die schon errichteten wie die noch zu errichtenden, zu dotieren habe, eine auffallende Bestimmung, welche der Dotationsurkunde von 1158 (65) direkt widerspricht und dem Bischof eine harte Last auflegt: obgleich er nicht Grundherr ist, soll er die Dotation geben, d. h. die dazu nötigen Hufen erst selbst kaufen. Eine Kompensation dafür bildet

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die zweite, ebenso auffällige Bestimmung, daß er das Patronat in allen Kirchen haben soll. Beide begegnen uns nirgends wieder; weder direkt, noch lassen sie sich indirekt aus den Patronatsverhältnissen erschließen. Nirgends sonst hat der Bischof das Patronatsrecht in Mecklenburg außerhalb seines Stiftslandes und abgesehen von Kirchen auf bischöflichen Gütern.

Als dieser Vertrag zustande kam, standen bereits die Kirchen von Proseken und Mirisdorf (=Hohenkirchen) und vielleicht, wie oben vermutet, die von Grevesmühlen. Um 1230 sind zu diesen dreien noch die beiden von Gressow und Beidendorf hinzugekommen. Da das Kirchspiel Grevesmühlen 1230 auch Bössow und mit Wohlenhagen einen Teil der Hohenkircher Parochie umfaßt, südwärts aber mit Kastahn (später Kirchspiel Dietrichshagen) in den südlichen Grenzwald hineinreicht; da das von Gressow noch Friedrichshagen und noch weiter südwestwärts Dietrichshagen (indago Rutnik cf. oben), umfaßt, so entbehrt das Parochialsystem des Landes Bresen der einheitlichen und gleichmäßigen Anlage, wie sie uns bei der Kolonisation der Länder Ratzeburg und Wittenburg begegnete. Namentlich das langgestreckte Kirchspiel Gressow mit seiner unpraktisch am nördlichen Ende gelegenen Kirche erscheint deutlich als ein Notbehelf. Es war die Folge der Bestimmung, daß der Bischof die Kirchen zu dotieren hat, d. h. allenfalls die Pfarrhufen erst selbst aus eigenen Mitteln zu kaufen hat. Natürlich wurden die Kirchen nun nicht dort errichtet, wohin sie praktischerweise hätten kommen müssen, sondern dort, wo er bereits Grundbesitz hatte, nämlich in Hohenkirchen und Gressow. Für Beidendorf mußten freilich die Dotalhufen gekauft werden, wenn es nicht gelang, sie durch Schenkung zu bekommen. Daneben blieb dann das wohl ältere Grevesmühlen mit seinem umfangreichen Kirchspiel bestehen. Eine weitere Folge war, daß die Kirchspiele hier ein wenig größer gerieten, als wir es von Kolonisationskirchspielen gewohnt sind (12-17 Dörfer gegen 10-14).

Um 1226 (Schlie II, 2, 4 Anmerk. 1) entstand endlich mit der neugegründeten deutschen Stadt Wismar das älteste der dortigen Kirchspiele, das von St. Nikolai in der Altstadt. Im Zehntregister fehlt es zwar, doch hat es zweifellos 1230 schon bestanden. Es war rein städtisch und wird von ihm wie von Wittenburg und Gadebusch gelten: in agris civitatis . . nulla decima vacat episcopo; es konnte also übergangen werden. Die später zur Stadtfeldmark gezogenen Dörfer Dammhusen, Krukow und Koppernitz zehnteten 1230 noch nach Proseken.

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Während um 1222 die Kolonisation des Landes Bresen im vollen Gange war, stand die nördlich an dasselbe grenzende silva Cluze noch unberührt da. Jener Vertrag (284) nimmt ihre Rodung erst in Aussicht. Über die in ihr zu gründenden Kirchen setzt er fest, daß die domini terrae, also die Landesherren, dieselben in Gemeinschaft mit dem Bischof dotieren sollen, im anstoßenden Tarnewitzer Walde aber der Bischof allein. Letzterem soll jedoch in beiden das Patronat zustehen. Kaum 8 Jahre darauf finden wir das ehemalige Waldgebiet mit zahlreichen neuen Ansiedelungen, zum großen Teil Hagendörfern, bedeckt. Unter den Kolonisatoren ragt besonders Herr Heinrich von Holstein hervor; er ist es, der das ganze Kirchspiel Kalkhorst hat roden lassen. Zum erstenmal begegnet uns hier um 1230 auf dem Gebiete der Wendenfürsten der deutsche Ministerialadel deutlich in kolonisatorischer Tätigkeit. Er folgte den deutschen Bauern. Neben ihm tritt als Kolonisator auch ein Wende namens Wartus hervor, und auch die Geistlichkeit beteiligte sich; der Gründer von Probsthagen ist der Propst des 1219 neugegründeten Nonnenklosters Sonnenkamp (Neukloster). Deutlich erkennt man aus der Art der Eintragung des Kirchspiels Kalkhorst im Zehntregister, daß hier die Rodung eben erst begonnen hat. Hier wie in den Parochien Elmenhorst und Klütz fehlen überdies noch die Hufenzahlen der Dörfer. Es ist offenbar alles noch im Werden. Schon aber ist das neubesiedelte Gebiet in Parochien geteilt. Die beiden größeren Kirchspiele von Klütz und Damshagen sind errichtet, aber neben ihnen im Fortgange der Rodung auch schon die beiden kleinen von Elmenhorst und Kalkhorst, letzteres wohl eine Stiftung jenes Heinrich von Holstein, dem das ganze Kirchspiel gehörte, ersteres vielleicht des Gottfried, der in Elmenhorst als Zehntempfänger erscheint. Der Tarnewitzer Wald, in welchem der Bischof selbst die Kirchen dotieren sollte, hat natürlich keine eigene Pfarre erhalten; er ist zur Parochie Klütz geschlagen worden.

Die Pfarrorganisation der drei Länder Dassow, Bresen und Klütz war um 1230 also ebenfalls so gut wie vollendet. Nur im Süden an der Grenze gegen Gadebusch zogen sich noch größere Waldgebiete hin. Aber auch hier hatte, wie wir schon sahen, die Rodung bereits eingesetzt. Ein neues Hagendorf war neben dem Schwerinschen Rüting bereits im Entstehen. Wenige Jahre nach der Fertigstellung des Zehntregisters erscheint hier als jüngste der Bresenschen Parochien die von Rüting (471), dem späteren Diedrichshagen (siehe oben). Einen Abschluß fand diese ganze Entwickelung mit der Errichtung eines eigenen Breseschen

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Archidiakonates im Jahre 1237. Als Bischof Ludolf in diesem Jahre in dem ihm gehörigen Orte Rehna ein Nonnenkloster gründete, überwies er denselben dem Propste des neuen Stiftes. Er umfaßte damals nach der Stiftungsurkunde (471) die Kirchen von Rehna, Wedendorf, Wismar, Proseken, Hohenkirchen, Beidendorf, Gressow, Grevesmühlen, Klütz, Damshagen, Elmenhorst, Kalkhorst und Rüting "et si que plura in terra Brezen accreverint ecclesie". In Wismar scheint damals nach dem Ausdruck "bannum etiam in Wissemaria omnium ecclesiarum ibidem accrescentium", schon die zweite oder gar die dritte der Stadtkirchen in Bau zu sein.

Werfen wir nun wieder einen Blick auf die Ausstattung der Pfarren dieses Gebietes, so scheint sie äußerst verschieden. Bei den vom Landesherrn dotierten ist die Dos von 4 Hufen, wie sie die Ratzeburger Stiftungsurkunde festsetzt, die Regel, so in Dassow und Mummendorf (4117, 4116). Auf dasselbe kommt die Ausstattung von Klütz mit zwei Hufen (4120) hinaus, denn wie aus ihrem Pachtwert hervorgeht, sind es Hagenhufen, welche die doppelte Größe der gewöhnlichen hatten. Vom Landesherrn ausgestattet sein wird auch noch die schon vor dem Vertrage von 1222 errichtete Kirche von Proseken, welche den kleinen Ort ganz besaß (375); es sind ebenfalls 4 Hufen. Aufs deutlichste von diesen landesherrlich dotierten Pfarren unterscheiden sich nun die vom Bischof ausgestatteten. Hohenkirchen scheint nach dem Zehntregister nur 2 Hufen gehabt zu haben - es ist hier zu beachten, daß der Bischof Besitzer des Ortes war und ihm daher alle Zehnten zustanden - wenigstens hatte es nur von 2 Hufen den Zehnt. Auch Gressow - ebenfalls bischöflicher Besitz - war nur mit 2 Hufen ausgestattet (4121), wozu allerdings die bischöflichen Zehnten von 7 Hufen in den Kirchspieldörfern Käselow, Jahmen und Testorf kamen (375). Ebenso wird es in Beidendorf gewesen sein. Leider ist hier die Pfarrtaxe nicht erhalten; aus dem Zehntregister ersieht man nur, daß die Pfarre den Zehnt von 2 Hufen in Beidendorf selbst vom Bischofsteil hatte. Das sind natürlich die Dotalhufen, vermutlich aber auch alle, da hier wie in Gressow die Ausstattung mit Land ergänzt ist durch die Hinzufügung von Zehnten, und zwar von 8 Hufen in Rambow und Köchelstorf. Diedrichshagen gar ist nur dürftig mit einer einzigen Hufe dotiert (4112). Ganz singulär ist die Ausstattung der Pfarre von Grevesmühlen, wie sie sich aus der Pfarrtaxe von ca. 1319 (4113) ergibt. Sie besaß 2 zehntfreie Hufen und daneben noch 5 zehntpflichtige und endlich (375) noch den

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bischöflich Zehnt von 4 Hufen in Vielebeke. Da die eigentliche Pfarrdos immer zehntfrei zu sein pflegt, werden nur jene ersten 2, die auch schon im Zehntregister figurieren, neben dem Zehnten in Vielebeke die ursprüngliche Dotation der Kirche ausmachen, jene 5 zehntpflichtigen Hufen aber erst später hinzugekommen sein - vielleicht als Grevesmühlen Stadt ward. Ist diese Vermutung richtig, so wird auch Grevesmühlen zu den vom Bischof dotierten und erst nach 1222 errichteten Pfarren gehören. Deutlich zeigt sich jedenfalls an all diesen Pfarren die Verlegenheit, in die der Bischof durch den Vertrag von 1222 gekommen war, und wie er sich möglichst billig aus ihr herauszuhelfen suchte. Endlich die beiden vermutlich von deutschen Ministerialen errichteten kleinen Pfarren Elmenhorst und Kalkhorst weisen wieder die Normaldotation von 4 Hufen auf, denn die beiden Hufen der Kalkhorster Pfarrtaxe (4118) sind nach ihrem außerordentlich hohen Pachtwert offenbar Hagenhufen, und die Elmenhorster Taxe (4119) gibt zwar die Hufenzahl nicht an, aber die Pachtsumme ist ebenfalls so groß, daß man auf 2 Hagenhufen schließen muß.

Was endlich die Nationalität der Orte betrifft, in denen hier im Gefolge der Kolonisationsbewegung Kirchen errichtet worden sind, so charakterisieren sich, abgesehen von dem älteren Proseken, dessen kleine Feldmark von 4 Hufen, wie gesagt, ganz der Pfarre gehörte, sämtliche Kirchorte als Besetzungsdörfer, auch Gressow wird ein solches sein, jedoch nach dem Boitiner Besetzungsrecht (88) besiedelt. Aber die Nationalität der angesetzten Bauern ist hier im Wendenlande damit noch nicht ohne weiteres entschieden. In Bresen galt das Ratzeburger Besetzungsrecht, in Dassow und Klütz ein neues, nach welchem vom Bischofsanteil nur je eine Hufe, resp. die zehnte als Schulzenhufe pachtfrei blieb. Doch wurden auch hier noch daneben Verträge nach dem alten Ratzeburger Besetzungsrechte abgeschlossen, und handelt es sich hier sicher um deutsche Kolonisten (Hellwig a. a. O. S. 327). Dassow, Mummendorf, Elmenhorst scheinen aber schon nach dem neuen Recht angelegt, welcher Nationalität gehörten ihre Bewohner an? Bei Elmenhorst zeigt die Wittesche Karte keine wendischen Reste an, geringe bei Dassow und Mummendorf, wie denn nach ihr ein beträchtlicher Teil der nach dem neuen Rechte angelegten Dörfer als rein deutsch erscheint, z. B. Parin, Rodenberg, Volkstorf, Johannstorf. Von den übrigen Kirchorten gibt die Karte als ebenfalls rein deutsch (Proseken), Hohenkirchen, Gressow, Diedrichshagen und Damshagen,

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während Klütz, Kalkhorst und Beidendorf schwächere Wendenreste zeigen. Man wird sie daher alle als im Kerne deutsch bezeichnen dürfen. Außer dem älteren Proseken gibt es hier keine eigentliche Wendenpfarre.

Zugleich mit dem allgemeinen Aufschwung, welcher die Zeit der dänischen Herrschaft charakterisiert, regte sich auch der kirchliche Bautrieb auf das lebendigste. Hatte man sich bisher fast ausschließlich mit Kirchengebäuden aus Holz und Lehm begnügt, so begann man nun in größerem Umfange Steinbauten zu errichten. Freilich beschränkte sich diese Blüte des Kirchenbaus im Bistum Ratzeburg nicht, wie Haupt will, auf die Dänenzeit. In dem unvollendet gebliebenen Chor der Lassahner Kirche, welche um die Zeit des Zehntregisters vielleicht gerade im Bau war, sieht er ein trauriges Zeichen der allgemeinen Stockung, die nach dem Aufhören der dänischen Herrschaft eingetreten sein soll. Dementsprechend ist er geneigt, den Bau fast aller Kirchen des entwickelteren Übergangsstiles sowohl im Holsteinschen wie in Lauenburg und Ratzeburg in die Zeit von 1204 - 1227 zu setzen. Indes, es ist für keine einzige seiner Dänenzeitkirchen weder im Bistum Ratzeburg noch im Bistum Lübeck ihre Erbauung in dieser Zeit urkundlich nachzuweisen. Dagegen fällt die der einzigen beiden Übergangskirchen des ersteren, für die es urkundliche Nachrichten gibt, erst hinter die Dänenzeit. Der Hauptaltar der Kirche zu Wittenburg ist erst von Bischof Ulrich (1257-84) geweiht (Schlie III, 53 f.). Damals also ward der Chor dieser Kirche vollendet, und er ist keineswegs der jüngste Teil des Baues. Schwer verständlich ist es bei dieser Sachlage, wie Schlie (S. 51) von den "Merkmalen des spätromanischen Stiles vom Ende des 12. Jahrhunderts" sprechen kann. Wie eine Kirche vom Ende des 12. Jahrhunderts aussieht, hätte er am Dom von Ratzeburg und an den Kirchen von Vellahn, Vietlübbe und Gadebusch sehen können, wobei nicht verhehlt werden mag, daß letztere beide sehr wohl auch erst dem Anfang des 13. Jahrhunderts angehören könnten. Auch seine Annahme (S. 54), daß die Kirche schon eine Zeitlang fertig gewesen sei, als der Altar geweiht wurde, ist prekär. Gewöhnlich wird der Hauptaltar einer größeren Kirche schon geweiht, wenn der Chor eben fertig und ehe das Schiff vollendet ist. - Die zweite Kirche, deren Weihe urkundlich feststeht, ist die von Döbbersen; sie ward um 1255 von Bischof Friedrich konsekriert (752). Beide Kirchen zeigen zwar den entwickelten Übergangsstil, aber durchaus nicht in seiner späteren Form, und sind der Stil=

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entwickelung nach offenbar älter als z. B. die von Haupt in die Dänenzeit gesetzten Kirchen von Büchen und Bredenfelde (Lauenb. Denkmäler S. 39 ff., 34 ff.), welche man daher besser erst in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts verweisen würde, wenn nicht in solchen Datierungen rein aus dem Stil die größte Vorsicht geboten wäre. Immerhin aber geht aus der sicheren Datierung jener beiden Kirchen hervor, daß der Bautrieb nicht mit dem Aufhören der Dänenzeit erlahmte, sondern vielleicht erst nach derselben seinen Höhepunkt erreichte. So sind z. B. die Dassower, Bresener und Klützer Übergangskirchen fraglos erst nach der Dänenzeit gebaut worden, ebenso die von Lübsee und Marsow - beide Kirchen bestanden zur Zeit des Zehntregisters noch nicht. Dasselbe wird dem Stile nach für die lauenburgischen Kirchen von Bredenfelde, Krumesse, Grönau, Büchen, Lauenburg (Lauenb. Denkmäler s. v.) gelten. Mit dieser Einschränkung aber ist es richtig, daß mit dem unter der dänischen Herrschaft beginnenden Aufblühen der Wendenländer auch eine Epoche des blühenden Kirchenbaues begann. Sie dauerte das ganze Jahrhundert hindurch. Ihr gehören im Bistum Ratzeburg an die Kirchen von Berkenthin, Bredenfelde, Büchen, Grönau, Krumesse, Lassahn, Lauenburg, Mölln, Chorerweiterung in Mustin, Schmilau, Seedorf (Lauenb. Denkmäler s. v.); im Mecklenburgischen die Kirchen von Boizenburg (?), Konow (?), Eldena, Leussow, Picher, Zarrentin, Hagenow, Neuenkirchen, Döbbersen, Wittenburg, Marsow, Rehna, Roggendorf, Grambow, Lübsee - die von Gadebusch ist vielleicht schon etwas älter -, Dassow (Chor), Mummendorf, Grevesmühlen, Klütz, Elmenhorst, Proseken, Hl. Geist in Wismar und wohl auch die dortigen Kirchen St. Nikolai und Marien in ihrer ursprünglichen Gestalt (Schlie II u. III an den betreffenden Orten), endlich Herrnburg (siehe oben S. 136) und Schlagsdorf (Lisch, M. Jbb. 7, B, 63) und Karlow (ebendort S. 72). Im ganzen sind also in dieser Periode des entwickelten Übergangsstiles nicht weniger als 38 Kirchen des Bistums Ratzeburg ganz oder teilweise erbaut worden. Man sieht auch hier, wie die Errichtung steinerner Kirchen in der Regel erst von den Kindern oder Enkeln der Einwanderer in die Hand genommen wird und wie wenig Haupts Behauptung zutreffend ist, im allgemeinen seien die Kirchen erbaut, als man die Pfarren gründete. In den Elblandschaften Sadelbande und Boizenburg ist die Errichtung steinerner Kirchen sogar noch länger zurückgeblieben. Man behalf sich meist mit Fachwerkbauten weiter.

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2. Die Vollendung des Pfarrsystems (bis ca. 1335) und die letzten Nachzügler (bis ca. 1500).

Bis etwa zum Jahre 1237 war nach dem bisher Ausgeführten die Entwickelung der Pfarrorganisation im Bistum Ratzeburg soweit gediehen, daß jetzt alle Teile desselben - mit der einzigen Ausnahme der dannenbergischen Lande - mit einem ziemlich gleichmäßigen und im ganzen genügend engen Netz von Kirchspielen ausgefüllt waren. Die deutsche Einwanderung war es gewesen, die diesen Ausbau ermöglicht und ins Werk gesetzt hatte. Diese Einwanderung aber dauerte, wenn auch in geringerem Maße, noch fort. Im Laufe des 13. Jahrhunderts wurden allmählich auch die letzten Lücken, die noch geblieben waren, ausgefüllt. Mit diesem Fortgange entstanden noch einige neue Kirchspiele, andere wurden infolge gesteigerter kirchlicher Bedürfnisse der Eingesessenen errichtet. Die Zahl der Kirchen vermehrte sich so, wenn auch in langsamerem Tempo, noch längere Zeit hindurch. Wir haben nun dieser weiteren Entwickelung nachzugehen.

Am Schluß der vorigen Epoche, um das Jahr 1237, zählen wir im Bistum Ratzeburg ca. 63 Pfarrkirchen. Sie setzen sich zusammen aus den 47 Kirchen, welche das Zehntregister aufführt, aus den Kirchen der hier nicht eingehend registrierten Landschaften, d. h. 3 Kirchen im Lande Boizenburg, 4 im Dannenbergischen, 3 im Lande Boitin und 2 in Bergedorf und der Gamme, und endlich den erst nach Schluß des Registers errichteten 4 Kirchen von Wismar, Wedendorf (Grambow) und Rüting (Diedrichshagen). Hundert Jahre später, um 1335, besitzen wir in der Taxe der ratzeburgischen Pfarren (5613) eine lückenlose Aufzählung aller damals vorhandenen selbständigen Pfarrkirchen. Jetzt sind es insgesamt 95; es zeigt sich also der immerhin noch recht beträchtliche Zuwachs von 32 Pfarrkirchen. Der Löwenanteil dieses Zuwachses fällt auf die beiden Länder Ratzeburg und Sadelbande, also die beiden am frühesten christianisierten. Die riesengroßen Erstlingskirchspiele haben hier eine genügende kirchliche Versorgung lange hintangehalten. Allein in diesen beiden Ländern (die Gamme eingeschlossen) sind noch 15 neue Pfarren errichtet worden, also fast die Hälfte des gesamten Zuwachses. Weit besser war die Ausstattung mit Kirchen von vornherein gewesen in den Ländern, deren Christianisierung und Germanisierung diesen beiden gefolgt war, in den 3 Ländern

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Wittenburg, Gadebusch und Boizenburg. Hier sind im Laufe der 100 Jahre bis 1335 nur noch 7 neue Kirchspiele errichtet worden. Etwas größer ist dagegen wieder die Anzahl der nachgegründeten Kirchen in denjenigen Ländern, deren Kolonisation erst in das 13. Jahrhundert fällt, Bresen=Dassow und Jabel=Wehningen=Derzing. Hier sind noch je 5 neue Kirchspiele entstanden. Im Stiftslande Boitin begnügte man sich trotz der enormen Größe des Schönberger Kirchspiels mit den drei vorhandenen.

Folgen wir nun der Entwickelung im einzelnen weiter und beginnen mit dem Lande Ratzeburg, so begegnet uns hier zuerst die Stadtkirche von Ratzeburg, (St. Petri, vielleicht schon am Ende der vorigen Epoche errichtet, wenn man mit Recht aus dem 1238 (482) begegnenden Ausdruck "Racesburg, datum in maiori ecclesia" (d. h. dem Dom) auf ihre Existenz als der kleineren schließen darf - es könnte allerdings auch St. Georg gemeint sein; 1335 (5613) ist sie sicher vorhanden.

St. Georg ist um die von ihm abgezweigte Parochie Behlendorf von neuem verkleinert. Ebenso finden wir das alte Riesenkirchspiel Nusse jetzt endlich in mehrere kleinere zerschlagen; Sandesneben, Linow und Siebenbäumen sind hier neu entstanden. Die Errichtung des ersteren wurde 1278 in Aussicht genommen, seine Kirche 1314 geweiht (Haupt=Weisser: Lauenb. Denkmäler S. 154f.), letzteres war 1230 überhaupt auch als Ortschaft noch nicht vorhanden; es gehört erst der Nachkolonisation an; 1304 ist seine Kirche da (2956). Endlich hat Karlow den zum Lande Gadebusch gehörigen Teil seiner Dörfer herausgegeben; - es ist aus ihnen das Kirchspiel Demern gebildet (742 zum Lande Gadebusch), und zwar wohl bald nach 1230; 1267 (1107) ist es schon vorhanden - und ebenso hat das zum Lande Wittenburg gehörige Neuenkirchen seine ratzeburgischen Dörfer ausliefern müssen; hier ist die schon 1230 vorhandene Kapelle von Lassahn zur Pfarrkirche erhoben worden (5613).

Ebenso ist die bisher vernachlässigte Versorgung der Sadelbande nachgeholt. Zunächst hat Lauenburg, seit 1228 Hauptort des Landes, seine Kirche erhalten. Da sie der Siegspenderin von Bornhöved, Maria Magdalena, geweiht ist, wird sie nicht lange nach 1227 errichtet sein und vielleicht noch der vorigen Epoche angehören (Haupt a. a. O. p. 87 ff.). Im übrigen sind hier die Kirchspiele Gülzow, Basthorst, Schwarzenbek, Brunstorf und Worth neuerrichtet. Genauere Daten fehlen über sie, und auch ihre Kirchen geben nichts; sie sind teils

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Fachwerkbauten, teils neueren Datums, wie denn überhaupt der Kirchenbau in der Sadelbande, wie schon gesagt, auffallend zurückgeblieben ist.

In der Gamme bestehen jetzt vier Kirchspiele: Bergedorf, Alten= und Neuen=Gamme und Kurslake, von denen die beiden letzteren seit ca. 1235 hinzugekommen sein mögen.

Finden wir so in den sachsen=lauenburgischen Landen noch eine erhebliche Anzahl von Kirchspielen nachgegründet, so sind im Lande Wittenburg nur noch zwei hinzugekommen; die Besiedelung war schon um 1230 so gut wie vollständig, die Versorgung mit Kirchen ausreichend. Auch die Dörfer dieser beiden neuen ritterlichen Kirchspiele, Gammelin und Dreilützow, waren damals schon vorhanden. Ihre Errichtung beruht also nicht auf fortschreitender Kolonisation, sondern ist das Werk eingesessenen Adels, der seine eigene Kirche haben, resp. durch die Errichtung derselben sein Seelenheil sicherstellen wollte. Gammelin ist aus Teilen des Parumer 1 ), Dreilützow aus zwei Dörfern des Wittenburger Kirchspiels gebildet. Über die Zeit der Errichtung beider Kirchspiele fehlt es an Nachrichten. Darf man aber annehmen, daß bei solchen in schon längst kolonisierter Gegend errichteten Kirchspielen die Errichtung mit dem Bau einer steinernen Kirche zusammenfällt, so dürften die kleinen frühgothischen Kirchen beider Orte (Schlie III, 11, 80) auf die Zeit um oder kurz vor 1300 weisen. Auch im Lande Gadebusch war Besiedelung und kirchliche Organisation um 1230 so gut wie vollendet. Nur an den Waldungen der Nordgrenze hin schritten dieselben noch vor. Schon zwischen 1230 und 1237 war hier das Kirchspiel Wedendorf von Rehna abgetrennt worden, waren Hindenberg und Rambeel von Vietlübbe hinzugelegt, ebenso die zwischen 1230 und 1237 (471) neuentstandenen Dörfer Hanshagen und Pieverstorf, vielleicht auch Botelsdorf (zuerst 1312, M. U.=B. 3542) und Blieschendorf. Zwischen 1263 (971) und 1267 (1107) ward Kirche und Pfarre nach Grambow verlegt, wenn nicht wie oben vermutet (S. 200) Grambow und Wedendorf identisch sind. Derselben Zeit gehört die noch jetzt stehende Kirche an.

Nördlich von Rehna entstand vor 1263 (971) die Kirche zu Lübsee. Von den Dörfern ihres Kirchspiels erscheint 1230 noch kein einziges, und wenn man nicht annehmen soll, daß dieselben damals über die Landesgrenze hinweg nach Schönberg eingepfarrt


1) Bakendorf hat noch bis 1844 zu Hagenow gehört (Schlie III, 13).
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waren, muß die Neubesetzung derselben, - denn es handelt sich wesentlich um Orte wendischer Herkunft - kurz nach 1230 stattgefunden haben. Lübsee selbst begegnet schon 1236 (453), Grieben und Roduchelstorf ein Jahr später (471). Die von Bülow und von Cowal scheinen hier als Kolonisatoren tätig gewesen zu sein. Sie sind es, die das vom Bischof in Rehna neugegründete Nonnenkloster in diesen Dörfern dotieren. Das Patronat der Kirche von Lübsee ist 1263 (971) in den Händen des Klosters, das also auch als ihre Gründerin anzusehen sein wird. Auch hier scheint das jetzige Kirchengebäude mit der Gründung ziemlich gleichzeitig zu sein (Schlie II, 448, Lisch, M. Jbb. 42, 175 ff.).

Endlich ist in Dambeck, nordwestlich von Eixen, eine Kirche errichtet. Der Ort selbst begegnet in einem Nachtrag zum Zehntregister, aber seine Pfarrdörfer fehlen noch ganz trotz ihrer wendischen Namen; der Ort selbst ist nach der Witteschen Karte ein Kossatendorf, die drei eingepfarrten Dörfer erscheinen als rein deutsch. Auch hier handelt es sich demnach wohl um Nachkolonisation. Dementsprechend ist das Patronat landesherrlich (Visit. 1534). Im Zehntregister ist der Ort nachgetragen bei dem Kirchspiel Beidendorf, also als zum Lande Bresen und Rehnaer Archidiakonat gehörig; 1335 steht er unter den Gadebuscher Kirchen vor Eixen und gehört also zum Archidiakonat des Ratzeburger Propstes und zur Grafschaft Schwerin, wie er denn auch 1534 (Visit.) im Amte Schwerin liegt. Über die Zeit der Errichtung dieses kleinen Kirchspiels fehlen die Nachrichten. Die Kirche (Schlie II, 643) gehört in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts, dürfte also schwerlich die erste sein. Danach darf angenommen werden, daß das Kirchspiel errichtet ward, als die Kolonisation auch hier die Dörfer neu besetzte, d. h. in Anbetracht des um 1230 eben in der Rodung begriffenen Nachbardorfes Friedrichshagen, doch wohl nicht lange nach dieser Zeit.

Deutlicher als hier liegen wieder die Dinge im Lande Bresen=Dassow. Vor allem tritt dort das schnelle Anwachsen der Hafenstadt Wismar hervor. Um 1227 gegründet, wird sie 1230 erst das eine Kirchspiel der Altstadt, St. Nikolai, gehabt haben. Schon 1237 (471, 744) aber war der Bau weiterer Kirchen im Werke; 1255 (744) sind alle drei Pfarrkirchen vorhanden, d. h. auch St. Marien und St. Georg. Crull (M. Jbb. 41, 130-36) setzt die Gründung der Neustadt, welche das St. Georgenkirchspiel umfaßt, um 1238, da einige Häuser derselben 1250 schon in die zweite Hand übergehen (650). Danach

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müßte also das Marienkirchspiel um 1237 schon bestanden haben und das von St. Georg um 1238 eingerichtet sein, d. h. im Laufe von höchstens 12 Jahren seit Gründung der Stadt mußte schon das dritte Kirchspiel errichtet werden! Das Patronat über dieselben ist entgegen dem Vertrage von 1222 in den Händen des Landesherrn (859). Um die Mitte des Jahrhunderts besaß die Stadt außer den 3 Pfarrkirchen schon die Hospitäler St. Spiritus (744), St. Jakob (906), St. Georg (885) und ein Minoritenkloster (744).

Neben dieser auffallend schnellen Entwickelung der Stadt aber machte auch die Besiedelung und kirchliche Versorgung des Landes noch Fortschritte. Von der Errichtung des Rütinger Kirchspiels ist schon die Rede gewesen; 1260 (859) erscheint es zuerst unter seinem neuen Namen Diedrichshagen.

Östlich des Diedrichshäger Kirchspiels, noch im Bereich des Gressowers, hatte schon um 1230 Fredebern von Meierstorf begonnen, den nach ihm benannten Hagen anzulegen. Da im Zehntregister die Hufenzahl fehlt und ebensowenig angegeben ist, wieviele Freihufen Fredebern hatte, steckte die Gründung offenbar noch in den ersten Anfängen. Fredebern selbst bestimmte noch einige Hufen für die zu errichtende Pfarre, kam aber nicht mehr zur Ausführung des Planes; 1260 bestand die Kirche noch nicht, aber um 1265 (1028) nahm sein Nachfolger Heinrich von Stralendorf den Plan wieder auf und brachte die Errichtung der Kirche und Pfarre Friedrichshagen zum Abschluß: Klein=Krankow, Plüschow, Testorf, welche 1230 zu Gressow gehört hatten, und Harmshagen, das nach Beidendorf eingepfarrt gewesen war, bildeten das neue Kirchspiel, das also nicht eigentlich auf weitergehender Kolonisation beruht. Das Patronat erhielt nach dem Vertrage von 1222 der Bischof (1028). Endlich errichtete zwischen 1309 und 1311 (3491) der Ritter Joh. Storm aus den beiden bis dahin zu Damshagen und Grevesmühlen gehörigen Dörfern Bössow und Thorstorf das kleine Kirchspiel Bössow, dürftig mit einer Hufe und 23 Schillingen jährlicher Einkünfte dotiert. Auch hier durfte der Stifter nur den ersten Pleban präsentieren, und fiel das Patronat für die Folgezeit an den Bischof.

Um dieselbe Zeit erhielt auch Dassow zu seinen beiden alten Kirchspielen noch zwei weitere. Kurz vor 1299 ward hier die Kirche von Börzow errichtet (2555). Von den Kirchspielsdörfern waren Börzow selbst und Teschow schon 1230 vorhanden gewesen, die übrigen, Bernstorf (zuerst 1237, M. U. = B. 471),

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Bonnhagen (zuerst 1240, M. U.=B. 517) und Schmachthagen (zuerst 1303, M. U.=B. 2876) in der Zwischenzeit gegründet. Es ist hier also wieder die fortschreitende Waldkolonisation, welche zur Errichtung eines neuen Kirchspiels geführt hat. Dementsprechend liegt denn auch das Patronat in den Händen der Landesherren, die es dann dem Rehnaer Kaland verliehen. Zwischen 1318 und 1335 ward endlich noch das Kirchspiel von Roggenstorf gegründet (4030, 5613), und zwar aus Teilen der Parochien Mummendorf und Dassow. Ansässig waren hier die von Barnekow, in deren Händen 1402 (Schlie II, 405 f.) auch das Patronat ist. Hier handelt es sich also um eine ritterliche Gründung nach längst abgeschlossener Kolonisation.

In den Elblandschaften Boizenburg, Jabel=Wehningen und Derzing war die Besiedelung um 1235 noch ziemlich unvollständig gewesen. Weite Heidestrecken und ausgedehnte Marschgebiete harrten hier noch der Urbarmachung.

Am weitesten vorgeschritten war die Besiedelung des Landes Boizenburg; hier handelte es sich nur noch um die Entwässerung der Teldau und vielleicht die Urbarmachung des Heiderückens zwischen Boize und Stecknitz. Die letztere scheint bald in Angriff genommen zu sein; schon 1241 (529) begegnet uns hier Zweedorf. Zur Entwässerung der Teldau einigten sich 1258 (819) Herzog Albrecht von Sachsen und Albrecht von Braunschweig. Um 1230 bestanden, wie oben ausgeführt ist, die 3 Kirchspiele von Boizenburg, Zahrensdorf und Granzin. Die weitere Kolonisation brachte, wohl schon um die Mitte des Jahrhunderts, das ebenfalls landesherrliche (Visit. 1534) von Zweedorf hinzu und die ritterliche Stiftung der von Sprengel, die Kirche von Gresse. Nähere Nachrichten fehlen; 1335 sind beide da. Die Urbarmachung der Teldau dagegen führte nicht zur Errichtung eines neuen Kirchspiels, sie ward zwischen Boizenburg und Zahrensdorf geteilt.

Im Lande Jabel sind von der alten, sich meilenweit hinstreckenden Wendenpfarre Jabel die beiden kleineren von Picher und Leussow abgetrennt worden. Dann aber war das Vordringen der Kolonisation wieder zum Stillstand gekommen und für eine reichlichere Versorgung der Jabelheide nichts mehr geschehen. Besser war es im Lande Wehningen, wo bis 1252 die Kirchspiele Dömitz, Konow, Eldena und Groß=Laasch errichtet waren. Um 1252 (683, unechte Urkunde) schied aus letzterem mit der Erhebung des castrum Grabowe zur Stadt diese aus, um ein eigenes Kirchspiel zu bilden (vergl. oben S. 203).

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Die Urbarmachung der Sand= und Sumpfstrecken der terra Dirzinke kam erst nach 1261 (819, 916) in Gang. Herzogin Helene von Sachsen war es, die sie in Angriff nahm. Mit Bischof Ulrich von Ratzeburg traf sie einen Vergleich, nach welchem jede zu erbauende Kirche von dem Landesherrn mit einer Marschhufe ausgestattet werden, die erste bischöflichen, die zweite und dritte fürstlichen, die vierte wieder bischöflichen Patronats sein sollte. Mit der Ausführung des Planes scheint es jedoch gehapert zu haben. Noch 1271 war die Sache nicht im Gange (1224); 1291 (2118) war die Kirche von Stapel errichtet, aber noch 1335 ist sie die einzige. Nach jenem Vertrage sollte sie dem Bischofe gehören, da sie aber die einzige geblieben war, so einigten sich Herzog Erich und Bischof Heinrich 1373 dahin, daß die Präsentation zwischen Bischof und Landesherrn abwechseln solle (Vaterländ. Archiv f. d. Herzogt. Lauenbg. I, 297). Auch damals also war man mit der Errichtung von Kirchen noch nicht weiter gekommen. Die kirchliche Energie war lahm geworden; sie hat sich auch nicht wieder aufgerafft, das Versäumte nachzuholen, bis die Reformation neue Kraft und neuen Antrieb brachte.

Über die Ausstattung der in dieser Periode errichteten Pfarren ist wenig zu sagen, erhalten sind nur die Taxen von Lübsee und Börzow, welche mit 3 und 2 Hufen dotiert sind.

Was die Nationalität der Orte, in denen sie gegründet wurden, betrifft, so sind Demern, Sandesneben, Lassahn, Roggenstorf und Börzow nach dem Zehntregister Besetzungsdörfer. Ihnen ist zweifelsohne auch Friedrichshagen zuzurechnen. Soweit die Wittesche Karte darüber Auskunft gibt, sind Demern und Friedrichshagen später rein deutsch, Roggenstorf und Börzow zeigen wendische Reste, Börzow in höherem Maße. Siebenbäumen fehlt im Zehntregister; Linow ist Allod und seine Nationalität daher nicht erkennbar; Behlendorf ist zwar kein Besetzungsdorf, aber zwischen Ratzeburg und Nusse, gelegen in der am allerfrühsten kolonisierten Gegend und mit Klein=Behlendorf zur Seite darf es wohl als schon vor der Aufstellung des Besetzungsrechtes germanisiert angesehen werden. Zweedorf und Gresse fehlen ebenfalls im Zehntregister. Auf der Karte zeigen sie schwächere Spuren wendischer Einwohner und sind daher doch wohl Dörfer mit deutschem Kern. Dagegen ist Gammelin mit seinem stärkeren Prozentsatz von Wenden und als Kossatendorf bezeichnet, wohl als wendisch anzusehen. Über die Kirchorte der Jabelheide und Wehningens ist schon gesprochen. Im ganzen

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gilt es also auch in dieser Periode noch, daß die Kirchorte deutsche Orte sind.

Endlich ist noch ein Wort über die Größen= und Patronatsverhältnisse zu sagen. Ich beschränke mich hier auf das Mecklenburgische. In den Kirchspielen der Jabelheide und Wehningens, wo es sich noch um Kolonisationskirchspiele handelt, erreichen dieselben auch jetzt noch den Umfang von 7 bis 12 Ortschaften. Das Patronat ist, wie wir es von den früher kolonisierten Ländern her gewohnt sind, auch hier durchweg landesherrlich. In den übrigen Ländern erreichen sie diese Größe längst nicht mehr; der Durchschnitt ist ein Umfang von 4 Ortschaften; Lübsee allein erreicht noch die Zahl von 8; Bössow und Drei=Lützow dagegen haben nur 2 Orte. Das Patronat ist nur, wo es sich noch um weitergehende Kolonisation handelt, landesherrlich (Zweedorf, Dambeck, Börzow), im übrigen, und d. h. in der weitaus größten Mehrzahl, ritterlich (Gresse, Gammelin, Lützow, Roggenstorf, hierzu sind, weil ritterlicher Gründung, auch Bössow und Friedrichshagen zu rechnen) oder klösterlich (Lübsee).

Während also die Periode der Kolonisation von 1158 bis 1230 durch ihre großen landesherrlichen Kirchspiele charakterisiert ist, hebt sich von ihr diese spätere mit ihren kleinen und meist ritterlichen Kirchspielen deutlich ab. Zu ihr sind schon die am Ende der vorigen Periode errichteten kleineren ritterlichen Gründungen Pokrent, Kalkhorst, Elmenhorst, vielleicht auch Salitz und Roggendorf zu rechnen. Deutlich tritt hervor, daß die kleineren Kirchspiele im allgemeinen jünger sind als die größeren, ebenso die ritterlichen gegenüber den landesherrlichen, und endlich, daß die ritterliche Pfarrgründung im Gebiete der Wendenfürsten mit dem Ende der zwanziger Jahre des 13. Jahrhunderts ihren Anfang nimmt (Elmenhorst, Kalkhorst), d. h. etwa 10 Jahre nachdem sich der deutsche Ministerialadel zuerst in größerer Anzahl in der Umgebung der wendischen Fürsten zu zeigen begonnen hat. In den schon im 12. Jahrhundert kolonisierten Landschaften der Grafschaft Ratzeburg beginnen die ritterlichen Gründungen vielleicht schon etwas früher (Pokrent, Salitz, Roggendorf), Beobachtungen, die uns für die weitere Untersuchung von Wert sein werden.

Im Gebiete des Ratzeburger Bistums aber ist nun die Entwickelung des Pfarrsystems mit dem Jahre der Pfarrtaxe 1335 fast ganz abgeschlossen. Selbständige Pfarren sind hier in den beiden letzten hundert Jahren vor der Reformation so

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gut wie garnicht mehr errichtet worden. Die wenigen sind schnell aufgezählt. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts ward aus Teilen des Schlagsdorfer und St. Georgsberger Kirchspiels die kleine Pfarre Ziethen errichtet (Masch, Gesch. d. Bist. Ratzebg., S. 382).

Eine zweite neue Parochie begegnet uns in den Hebungsregistern der Ämter Wittenburg und Boizenburg (Großh. Archiv i. Schwerin) von 1453 und 1462. Hier finden wir das "Kerspel to Blucher" von der alten Pfarre Zahrensdorf abgezweigt. Sie ist wie diese landesherrlichen Patronates (1534, Visit.). Schon um 1534 u. 1541 (Visit.) aber ist sie nur noch halb selbständig, da sie nur mit einem Kaplan besetzt ist, welchen der Pfarrer von Zahrensdorf, dem auch Blücher gehört, für dieses halten muß. Erst 1702 wird sie wieder selbständig (Schlie III, 141).

Weiter wird die Kirche von Greven in der alten Boizenburger Pfarre Granzin als Mutterkirche bezeichnet (Schlie III, 134). Die jetzige Kirche soll nach dem Visitationsprotokoll von 1643 (Schlie a. a. O.) ein zwischen 1505 und 1511 errichteter Ersatzbau für eine ältere sein. Doch erscheint der Ort 1462 in dem eben genannten Hebungsregister als "in deme Kerspele to Grantzin" belegen. Ebenso ist seine Kirche 1534 und 1541 (Visit.) wie die von Gallin und Bennin nur Filialkapelle von Granzin. Indes besitzt sie eine Dotation mit Acker - zwei Büdner und Wiesen - auf der einst die Granziner Pastorenwitwen wohnten, daher ein Teil der Pacht noch heute in den Witwenwohnungsfonds fließt (Mitteilung des Herrn P. Buhr=Granzin). Es war also auch eine Wedem dort. Das sieht nach einer ehemals selbständigen Pfarre aus. Nun war das Dorf mit Wendisch=Greven und Gallin bis 1403 im Besitz der von Züle und ging erst dann in den der Landesherrn über (Schlie III, 85, 134). Greven mit Gallin könnte also eine zwischen 1335 und 1403 errichtete Zülesche Pfarre sein, die bald nach dem Übergang der Ortschaften in herzoglichen Besitz wieder mit der herzoglichen Pfarre von Granzin vereinigt ward, von der sie einst ausgegangen sein wird.

Endlich hatte das zum Umkreis der Riesenpfarre Jabel gehörige Redefin zu Ende des 16. Jahrhunderts einen eigenen Pfarrer unter von Pentzschem Patronate (Schlie III, 172), und reicht vielleicht auch diese Pfarre bis in die Zeit vor der Reformation zurück.

Das ist alles, im ganzen vielleicht nur 2, höchstens aber 4 neue Pfarren, welche nach 1335 errichtet sind.

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V.

Der Ausbau des Pfarrsystems im Bistum Schwerin und in den kamminischen und havelbergischen Teilen Mecklenburgs.

War der Zusammenbruch der Macht Heinrichs des Löwen für das Bistum Ratzeburg, abgesehen von den jahrelangen Kriegswirren, ohne Folgen geblieben, ja hatte es, wenn Buchwald (Bischofs= u. Fürstenurk. § 48) Recht hat, im Verein mit Schwerin aus seiner Parteinahme für den rückkehrenden Herzog einige Vorteile herauszuschlagen verstanden (M. U.=B. 65 Wendenzinserhöhung; für Schwerin M. U.=B. 100 B die Bischofswahl für das Kapitel usw.), so überwogen doch für das letztere bei weitem die nachteiligen Folgen der Katastrophe. Nur die eiserne Gewalt des großen Herzogs war es gewesen, die mit der Ausdehnung seiner Herrschaft über die westpommerschen Landschaften die Pommernfürsten genötigt hatte, diese Teile ihres Gebietes der natürlichen Zugehörigkeit zu ihrem Kamminer Landesbistum zu entziehen und unter den Krummstab des Schweriner Bischofs zu stellen. Bis an die Grenze seines Machtbereichs sollte auch sein Bischof herrschen, diesem Willen des Löwen hatten sie sich unterwerfen müssen - der Bischof von Kammin hatte dulden müssen, was er nicht hindern konnte, daß er es gern getan habe, wird niemand annehmen. Nun löste sich mit dem Sturze des Löwen das alte sächsische Herzogtum auf. Kasimir von Demmin blieb zwar dem Gestürzten treu, aber er starb schon 1180. Sein Bruder Bogislav, der nun allein Herr ward, ergriff die Gunst der Lage und schlug sich auf die kaiserliche Seite. Zum Lohne dafür ward Pommern (1181) zum Herzogtum erhoben, also endgültig aus dem Verbande des sächsischen gelöst. Die kirchliche Zugehörigkeit seiner westlichen Länder zu Schwerin scheint Bogislav freilich noch nicht angetastet zu haben, noch im Anfang der achtziger Jahre finden wir Berno in seiner Umgebung in Pommern tätig (M. U.=B. 138), doch scheint von da ab schon ein merklich kühleres Verhältnis zwischen beiden eingetreten zu sein. Nach Bogislavs Tode (1187) trat auch hier der Umschlag ein. Inzwischen waren Pommern wie Mecklenburg unter dänische Oberhoheit geraten (seit 1185). Wartislav, der Vormund der unmündigen Söhne Bogislavs, versuchte die dänische Herrschaft

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abzuschütteln. Von seiten der mecklenburgischen Fürsten, die sich ganz im dänischen Fahrwasser befanden, fand er keine Unterstützung, und auch Berno wird schwerlich seinem Unternehmen günstig gewesen sein. So sah denn Bischof Siegfried von Kammin den Augenblick gekommen, das Verlorene zurückzugewinnen; er ließ sich (1188) von Clemens III. die Zugehörigkeit der Länder Tribsees und Demmin zu seiner Diözese bestätigen und wird sich - natürlich im Einverständnis mit Wartislav - auch tatsächlich wenigstens in den Besitz des letzteren gesetzt haben. Seinen Nachfolger Siegwin finden wir einige Jahre darauf (1194) bei der Gründung eines Nonnenklosters in Treptow a. d. Tollense tätig; er bestätigt als ständiger Bischof die neue Stiftung. Wartislav wurde zwar schon 1189 von den Dänen wieder unterworfen und die Vormundschaft über seine Neffen ging in die Hände des dänisch gesinnten Fürsten Jaromar von Rügen über, aber an der kirchlichen Zugehörigkeit von Westpommern zu Kammin scheint auch er nichts geändert zu haben; Demmin mit Circipanien blieben diesem. 1 )

So scheinen die Dinge gelegen zu haben, als Berno im Jahre 1192 (Hauck, K.=G. IV, 928; dagegen Rudloff, M. G. 90) starb und in Schwerin ein fast 3jähriger Streit um die Besetzung des bischöflichen Stuhles ausbrach. Auch hier zeigten sich die Folgen des Zusammenbruches der welfischen Herzogsmacht: die kleineren Machthaber stritten um die Fetzen des Löwenmantels. Borwin, Nikolaus und Jaromar griffen zu und usurpierten das Besetzungsrecht für Schwerin - sie mochten sich darauf berufen, daß einst auch Berno von ihren Vorgängern "gewählt" worden sei (91). Sie ernannten den bisherigen Dekan des Kapitels, Bernos Ordensgenossen Brunward, zum Bischof. Auf der anderen Seite suchte das Domkapitel, vermutlich auf jene erste Fälschung der Schweriner Stiftungsurkunde durch den Löwen selbst (100, B) gestützt, die Bischofswahl in seine Hände zu bringen. Es erwählte den Hamburger Dompropst Hermann, einen Angehörigen des Schweriner Grafenhauses - natürlich in stillem Einverständnis mit diesem


1) Die hier versuchte Anordnung der dürftigen Notizen über diese Vorgänge scheint mir den Vorzug zu verdienen vor der Annahme Wieseners (Kirchengeschichte Pommerns S. 194), daß erst Siegwin nach Bernos Tode sich in den Besitz von Demmin gesetzt habe. Denn damals war Jaromar bereits vormundschaftlicher Regent von Pommern. Dieser aber verblieb mit dem ihm gehörigen Tribsees bei Schwerin. Es fehlten also 1192 die politischen Vorbedingungen zu einer Besitzergreifung durch Siegwin.
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und wohl in der Hoffnung, daß es gelingen werde, mit Hülfe der welfischen Partei seinen Kandidaten durchzusetzen. Sowohl die Schweriner Grafen, wie der Erwählte und sein Erzbischof, in dessen Umgebung er begegnet (155. 156), gehörten zu dieser. Die Gegenpartei mag sich dänischen Beistandes versehen haben. Der Streit zog sich in die Länge. Brunward, als Erwählter der Wendenfürsten im Besitz des größten Teils der Diözese, war von vornherein seinem Gegner gegenüber im Vorteil, der vielleicht die Diözese überhaupt nicht betreten hat. Schon 1192 begegnet Brunward als unbestritten amtsführender Bischof in Doberaner Angelegenheiten (152). Endlich kam es 1195 durch den vom Papste zum Schiedsrichter bestellten Isfried von Ratzeburg in Boizenburg zu einem Ausgleich (158). Das Kapitel ließ zwar für diesmal seinen Kandidaten fallen, erreichte dagegen das Zugeständnis freier Bischofswahl für die Zukunft. Es war das ohne Frage die gegebene Lösung des Konflikts, denn während auf der einen Seite dem Kapitel das Wahlrecht auf die Dauer doch nicht hätte vorenthalten werden können, war auf der anderen der Kandidat der Wendenfürsten Brunward ein umsichtiger, energischer und nicht unbedeutender Mann im kräftigsten Mannesalter, als Ordensgenosse seines Vorgängers, der ihn vermutlich aus Amelungsborn ins Land gezogen hatte, und als bisheriger Dekan des Schweriner Kapitels, der gewiesene Nachfolger Bernos.

Sofort nach seiner Erhebung faßte Brunward die Rückgewinnung der verlorenen pommerschen Landschaften ins Auge. Energisch betrieb er die Sache, die vielleicht schon von Berno vor das Forum des Papstes gebracht worden war, und erreichte von Coelestin III. eine Entscheidung zu seinen Gunsten. Der Dänenkönig Kanut ward als Lehnsherr von Pommern mit der Exekution gegen den Kamminer Bischof beauftragt. 1 ) Es war zu erwarten, daß derselbe der Aufforderung nachkommen würde, lag sie doch auch in seinem eigenen Interesse. Allein eine Änderung der politischen Lage brachte Brunward um den erhofften Erfolg. Schon 1198 gelang es den Pommern, sich von der dänischen Oberhoheit loszumachen, sie traten unter branden=


1) Vergl. hierzu Wiesener, S. 194ff.; besonders seine Ausführungen S.331f., Anm.35, nach welchen M. U.=B.532 in das Pontifikat Coelestins III. (1191-98) gehört. Wenn Rudloff (M. G. 93) diese Überlieferung unsicher nennt, so ist das dochwohl etwas zu vorsichtig. Es handelt sich um ein Regest Clandrians. Der für die Datierung unter Coelestin III., nicht IV., entscheidende Name "Kanut" ist zwar nur am Rande nachgetragen, aber ebenfalls von Clandrians Hand. Aus den Fingern gesogen hat er den Namen sicher nicht; er fand ihn in der Urkunde vor.
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burgischen Schutz, und von einer Rückgewinnung des Verlorenen konnte einstweilen keine Rede mehr sein. Nur das Land Triebsees unter seinem dänisch gesinnten Fürsten Jaromar verblieb der Schweriner Diözese, und so zäh und nachdrücklich auch Brunward sein langes Pontifikat hindurch um die Wiedererlangung seines pommerschen Gebietes kämpfte, erreicht hat er dieselbe nicht.

So war es eine wesentlich verkleinerte Diözese, in welcher er die Regierung antrat. Bezeichnend für die Unsicherheit der Lage in derselben ist es, daß man für nötig fand, in jenen Ausgleich von 1195 ausdrücklich Bestimmungen über die Sicherstellung der Kapitelsgüter in einem etwa zwischen Deutschen und Wenden ausbrechenden Kriege aufzunehmen. Schwerlich wird man jedoch hierbei, wie Usinger (Deutsch=dän. Gesch. S. 284) tut, an die Möglichkeit einer nationalen Erhebung der Wenden gegen die Deutschen zu denken haben. Zu einer solchen lag kein Anlaß vor, und man muß sich hüten, eine Schärfe der nationalen Gegensätze, wie sie heute besteht, schon für die Wende des 12. zum 13. Jahrhundert anzunehmen. Es wird vielmehr an die deutsch=dänischen Verwickelungen zu denken sein, in welchen die Wendenfürsten, damals schon den Dänen lehnspflichtig - auf Seite der letzteren standen. Dann aber wird man aus dieser Bestimmung auch nicht folgern dürfen, daß die Absicht deutscher Kolonisierung damals den Wendenfürsten noch ferngelegen habe, wenngleich die Sache im ganzen sich so verhalten wird. Nur Nikolaus von Rostock scheint schon in den neunziger Jahren deutsche Einwanderer ins Land gezogen zu haben, wenn anders wir die Kolonisation der sog. schwarzen Dörfer zwischen Doberan und der Warnow bei Rostock mit Recht unter seine Regierung verwiesen haben. Erst als durch die Siege Waldemars um 1204 ganz Nordalbingien unter dänische Herrschaft gekommen und damit eine Periode des Friedens eingetreten war, öffneten sich auch die übrigen mecklenburgischen Wendenlande der Einwanderung und begann mit ihr eine lebhafte kirchenorganisatorische Tätigkeit.

Indem wir uns nun anschicken, der so von neuem ansetzenden Entwicklung auch in diesen Ländern nachzugehen, erscheint es geraten, an Stelle der bisher innegehaltenen mehr einheitlichen Betrachtungsweise eine nach politisch=geographischen Gebieten geteilte treten zu lassen und in jedem dieser Teilgebiete die weitere Entwickelung durch ihre verschiedenen Perioden bis zu Ende zu verfolgen, da in den verschiedenen Teilen des Bistums Schwerin und den angrenzenden, mit Kammin oder Havelberg strittigen Ländern die Kolonisation auch zu verschiedenen Zeiten einsetzt,

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und ihre kirchliche Entwickelung infolgedessen nicht ganz gleichartig ist. Wir gehen derselben zuerst in der Grafschaft Schwerin nach, wenden uns sodann dem von der Einwanderung am frühsten besetzten Norden Mecklenburgs zu, welcher die Länder Mecklenburg, Werle, Rostock und das Stiftsland Bützow umfaßt und an den sich ein Überblick über das pommersche Land Triebsees schließen mag. Hierauf mag das an Kammin verlorne Circipanien folgen, da es größtenteils noch mit dem Norden gleichartige Verhältnisse zeigt, dann erst der Süden Mecklenburgs, die Länder Parchim, Plau, Malchow, Waren, an welche sich naturgemäß die mit Havelberg strittigen südlichen Grenzgebiete anschließen, und den Schluß macht das unbestritten havelbergische Land Stargard als das zuletzt von allen der Einwanderung geöffnete.

1. Die Grafschaft Schwerin.

Die Grafschaft Schwerin hatte seit ihrer Gründung der deutschen Einwanderung offen gestanden und demgemäß ihre erste kirchliche Organisation bereits im Laufe des 12. Jahrhunderts erhalten. Schwerin, Stück, Cramon und, wie wahrscheinlich gemacht, auch Gr.=Brütz und Pampow waren die ältesten Kirchorte derselben. Sie gehört somit ihrer Entwickelung nach mehr zu den Ländern des ratzeburgischen Sprengels, als denen des Schweriners. Indes war die Kolonisation in der Grafschaft während des 12. Jahrhunderts noch nicht weit gekommen; sie hatte nur die Gegend westlich des Schweriner Sees besetzt. Schon unmittelbar südlich von Schwerin mit dem wendischen Kossatendorf Ostorf, den Hakenhufendörfern Wüstenmark und Pampow, den Dörfern mit Pauschalbede Holthufen und Warsow, begann das zusammenhängende Wendland und erstreckte sich über den ganzen südlichen Teil der Grafschaft (Wittesche Karte). Auch die erneute Kolonisationsbewegung der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts kam über diese Grenze im wesentlichen nicht hinaus, trotz der Bemühungen der Grafen, auch hierher deutsche Ansiedler zu ziehen - die Dürftigkeit des Heidebodens dieser Gegend war zu wenig lockend (230, cf. Witte, Deutsche Erde IV, 1, S. 7). Dagegen drang sie jetzt, d. h. in den ersten beiden Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts (siehe oben S. 164) in den östlich des Sees gelegenen Teil der Grafschaft, das Land Silesen, vor. Mit ihr kam natürlich auch hier der Kirchenbau in Gang, aber er beschränkte sich nicht auf die germanisierten Gegenden. Suchen wir ihm im einzelnen nachzugehen.

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Westlich des Sees an der Grenze des Landes Wittenburg ist das Kirchspiel Perlin errichtet; 1222 (280) ist es bereits vorhanden, wie es scheint, die Stiftung eines adligen Grundherrn. Weiter sind auf dem Gebiete der alten Riesenpfarre Schwerin zwei neue Kirchen entstanden, jedoch ohne ganz aus dem Kirchspiel auszuscheiden: 1217 begegnet zuerst in Schwerin ein sacerdos Scti Nicolai (235). Die Kirche auf der Schelfe ist also errichtet als Filialkapelle des Domes und, da die Schelfe zum Stiftsgut gehörte, ein unmittelbares Werk Brunwards. In demselben Jahre ward die Kapelle in Wittenförden erbaut, Graf Heinrich dotierte sie mit einer Hufe, doch blieb sie zum Dom gehörig und wurde von dort aus verwaltet (237). Zweifelhaft muß es bleiben, ob die beiden Kirchen von Gr.=Trebbow und Meteln schon der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts angehören. Ersteres mit seinem sehr kleinen Kirchspiel von nur 3 Dörfern 1 ) macht durchaus den Eindruck der späten Nachgründung und dürfte vielleicht nicht älter sein als seine kleine frühgotische Kirche. Letzteres ist jedenfalls erst nach 1222 errichtet, da es ebensoweit wie Perlin von Schwerin entfernt ist und sonst wohl auch der Privilegierung teilhaftig geworden wäre, seine Pfarrkinder nicht nach Schwerin auf die Wallfahrt schicken zu müssen. Meteln gehört zu den längere Zeit zwischen Grafen und Bischof strittigen Ortschaften, über die 1284 (1766) ein Vergleich dahin geschlossen ward, daß sie zwar als Stiftseigentum anerkannt wurden, aber die Grafen sie zu Lehen erhielten. Offenbar hatten letztere hier, ohne viel zu fragen, Kolonisation getrieben (Grevenhagen) und das Land als ihr Eigentum betrachtet. Da sie Inhaber des Patronates sind (1534 Visit.), so ist auch die Errichtung der Kirche als ihr Werk anzusehen, dann aber ist diese im Zusammenhange mit der Kolonisation erfolgt, d. h. wohl zwischen 1230 und eben jenem Jahre 1284, wo alle Kirchspielsortschaften bereits urkundlich nachweisbar sind. Man beachte dazu, daß die an das Meteler grenzenden Dörfer des Kirchspieles Eixen und ebenso die des nördlichen Nachbarkirchspiels Dambeck im Zehntregister (375) noch alle fehlen.

In den Heide= und Bruchstrecken der südlichen Grafschaft hatte sich, wie gesagt, die wendische Bevölkerung durch die Epoche der großen Kolonisationsbewegung hindurch erhalten. Dennoch hat auch hier die Errichtung von Kirchen in dieser Zeit Fort=


1) Warnitz gehörte bis ins 17. Jahrhundert zu Cramon (Schlie II, 646, Anm. 1).
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schritte gemacht. Die Kirchen von Plate, Mirow und Sülstorf und ihre Filialkapellen zu Banzkow und Uelitz sind errichtet worden. Im Jahre 1218 kaufte das holsteinsche Cisterzienserkloster Reinfeld von den Grafen 20 Hufen in Uelitz und 9 in dem benachbarten Lübesse (245, 246, 252; die Ausfertigung von 246 ist zwar unecht, jedoch entspricht ihr Inhalt im wesentlichen wohl der Wahrheit). Wie es scheint, bestand damals bereits in Uelitz eine Kapelle gräflichen Patronates. Im Jahre 1270 (1188) trennte nämlich Bischof Hermann die ecclesia Uliz mit den beiden Dörfern Uelitz und Lübesse a matre ecclesia Mirowe, wohin sie bis dahin eingepfarrt waren, und die Grafen schenkten dabei dem Kloster Reinfeld Patronat und Dos der Uelitzer Kirche (1187). Letztere Schenkungsurkunde ist zwar wiederum eine der vielen unechten Reinfelder Ausfertigungen, aber inhaltlich insofern unverdächtig, als aus ihr, selbst wenn sie eine Fälschung wäre, um den Besitz des Klosters zu erweitern, hervorgeht, daß Patronat und Dos der Uelitzer Kirche ursprünglich landesherrlich waren, dieselbe also nicht eine Stiftung des Klosters ist. Da nun schon seit 1218 das "ganze" Dorf Uelitz (252) Eigentum des Klosters war, muß, wenn anders diesem Ausdruck zu trauen ist, die Errichtung der Kapelle schon vor dem Kauf dieses Jahres angesetzt werden, ebenso natürlich die Errichtung ihrer Mutterkirche in Mirow - auch diese ist landesherrlichen Patronates (1534 Visit.). Jedenfalls aber muß nicht nur letztere, sondern auch erstere um 1270 schon länger bestanden haben, da der Pfarrer von Mirow dafür entschädigt wird, daß er infolge der Abzweigung von Uelitz die Pfarrhufen dieser Kirche verliert, was bei einer Neugründung nicht nötig gewesen wäre. Haben aber so Uelitz und Mirow bereits im zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts ihre Kirchen erhalten, dann muß auch das große landesherrliche Kirchspiel Plate, das zwischen ihnen und Schwerin liegt, spätestens um dieselbe Zeit eingerichtet worden sein, wenngleich es darüber an Nachrichten fehlt. Auch seine alte Filialkapelle zu Banzkow (Lisch in M. Jbb. 27, 202 ff.), welche mit der ehemaligen Kapelle zu Wittenförden (Lisch in M. Jbb. 18, 288 f.) die größte Verwandtschaft hatte, mag vielleicht bis in diese Zeit hinaufreichen, was wohl Rische veranlaßt hat, Banzkow als den ursprünglichen Kirchort anzusehen, jedoch schwerlich mit Recht, da Banzkow und Mirow zu nahe aneinander liegen, um beide Mutterkirchen aus jener Zeit zu sein.

Ein wenig später, wohl zwischen 1220 und 1230, entstand die Kirche in Sülstorf. Die Grafen Gunzelin und Heinrich

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schenkten den Ort 1217 (230) an die Johanniterkomthurei Werben. Da bei der Schenkung erwähnt wird, sie geschehe eisdem terminis, quos predestinaveramus Teuthonicis ibidem cultoribus a nobis constituendis, so scheint die Feldmark des Dorfes für die Ansetzung deutscher Bauern zwar schon abgegrenzt gewesen, aber die Ansetzung selbst dann doch nicht erfolgt zu sein, vermutlich weil die Grafen für den Heideboden keine Ansiedler fanden. So überwiesen sie ihn dem Johanniterorden, der ihn unter der Abgabenfreiheit kirchlichen Eigentums empfing und daher den anzulockenden Kolonisten wesentlich günstigere Bedingungen bieten konnte. Auch ihm aber scheint es nicht gelungen zu sein, den Ort zu besetzen (Wittesche Karte). Zehn Jahre darauf erwarb er auch das südlich von Sülstorf gelegene Moraas hinzu (340) und in demselben Jahre begegnet uns ein magister Heinricus de Zulistorp (345); der Orden hat dort eine Komthurei und damit auch eine Kirche errichtet; das lang und schmal sich nach Süden bis an den Bach Jasnitz - die Bistumsgrenze - erstreckende und den Besitz der Johanniter umfassende Kirchspiel Sülstorf ist entstanden. War nun aber die Kolonisation um 1217 schon bis in die dürftige Wald= und Heidegegend von Sülstorf vorgeschritten und wurde hier ein Kirchspiel errichtet, so darf angenommen werden, das auch der lange Streifen zwischen diesem Kirchspiel und der die Grenze gegen das Bistum Ratzeburg bildenden Sude nicht allzulange darauf seine Kirche in Warsow erhalten haben wird, und ebenso wird es mit dem Neustädter Kirchspiele stehen; 1248 (612) taucht die nova civitas zum erstenmale auf, als civitas fraglos nicht ohne Kirche. Ganz unsicher bleibt, ob Stralendorf in diese Periode zu weisen ist. Wie Warsow erscheint es erst 1345 (6538) nachweisbar als ecclesia. Alle diese Kirchen sind als Kolonisationskirchen - natürlich mit Ausnahme von Sülstorf - landesherrlichen Patronates (Visit. 1534).

Die Kolonisation des östlich vom Schweriner See gelegenen Landes Sillesen scheint wie oben ausgeführt im wesentlichen in die beiden ersten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts zu fallen. Im Jahre 1220 (270) sind jedenfalls die Freijahre im ganzen schon vorüber und eine Zehntvertrag zwischen Grafen und Bischof bereits vor einiger Zeit geschlossen. Von den hier gelegenen Kirchen kommen für diese Periode Retgendorf, Zittow, Pinnow und Crivitz, alle von vornherein landesherrlichen Patronates, in Betracht. Das kleine ritterschaftliche Zaschendorf, von welchem leider alle mittelalterlichen Nachrichten fehlen - nur

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eine mittelalterliche Altardecke und ein gotisches Triptychon weisen darauf hin, daß dort schon vor der Reformation eine Kirche stand - kommt jedenfalls für diese Zeit noch nicht in Frage, da es nur den einen Ort Zaschendorf selbst umfaßt. Auch scheint es nach Nachrichten von 1681 (Schlie III, 428), als ob es von rechts wegen niemals "mater" sondern Filialkapelle von Zittow gewesen ist. Leider sind auch hier die Nachrichten dürftig. Graf Gunzelin III. schenkte das Patronat von Zittow an das Domkapitel in Riga (1860). Gunzelin regierte 1228-74; 1267/68 machte er eine Kreuzfahrt nach Riga; die Schenkung wird also wohl in seine letzten Jahre gehören. Der schöne quadratische Chor der Kirche gehört dem entwickelten Übergangsstil an. Das Schiff ist erst in gotischer Zeit fertig geworden. 1 ) Auch in Pinnow war das Patronat in Händen der Landesherrn (7051), der einzige Hinweis auf das Alter der Kirche aber ist der noch stehende, roh und schlecht aus Granitfelsen gemauerte Übergangsturm, an welchen ein jüngeres gotisches Schiff angebaut ist (Schlie III, 335). Auch für Crivitz muß man sich mit Schlüssen begnügen. Unmittelbar neben dem Orte liegt der alte Burgwall des Landes, 1302 (2790) ist es Stadt, und wie Graf Nikolaus, der Crivitz=Sillesen seit 1279 besaß, sagt, von seinen Vorfahren zur Stadt gemacht; 1251 (672) ist es noch Dorf. Da aber damals Graf Gunzelin Zehnten aus Crivitz, die in Besitz des Schweriner Kapitels waren, durch Tausch wieder in seine Hand zurückbringt, so liegt die Annahme nahe, daß diese Maßregel mit der beabsichtigten Stadtgründung in Zusammenhang steht; sicher zwischen 1251 und 1279 erfolgt, mag sie also nahe an das erstere Jahr heranzurücken sein. Ein Pfarrer begegnet erst 1305 (3050). Die Kirche ist eine frühgotische Hallenkirche, also erst einige Zeit nach der Erhebung zur Stadt gebaut. In letztere Zeit aber weist die alte noch vorhandene Granitfünte. Spätestens damals ist also hier eine Kirche gebaut, wahrscheinlich aber, da das ziemlich ausgedehnte Kirchspiel auch einige Dörfer umfaßt (Barnin scheidet, weil nicht schwerinisch, aus), ist sie älter als die Stadtgründung und mag mit Zittow und Pinnow gleichzeitig sein. Genau dagegen sind wir über die Errichtung der Retgendorfer Pfarre unterrichtet: Im Jahre 1241 (533) ward hier die Kirche geweiht, sie war eine Gründung der ver=


1) Die Kirche ist von Schlie II, 654 leider durchaus ungenügend beschrieben.
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witweten Gräfin Audacia, der das Dorf gehörte. Bei der Kirchweihe stellte sich aber heraus, daß die Dotierung derselben versäumt war. Auf Bitten des Bischofs - es ist nicht mehr Brunward, sondern sein Nachfolger Wilhelm - holte sie dieselbe mit zwei Hufen nach. Zum Kirchspiel werden die 5 Dörfer Flessenow, Schlagsdorf, Tessin, Liessow und Buchholz gelegt; in letzterem bestand schon eine Kapelle, die vermutlich bis dahin von Zittow aus versorgt worden war. Das Bestehen letzterer würde zwar die Vermutung nahelegen, daß es sich bei dieser Kirchweihe garnicht um die erste Kirche und ihre Errichtung, sondern nur um einen Ersatz für die erste Notkirche gehandelt habe. Da jedoch erst jetzt der Umfang des Kirchspiels festgelegt - nicht bestätigt - wird und die jetzt stehende Kirche ein gotisches Bauwerk aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ist, so müßte man vor ihr einen zweimaligen Bau von Holzkirchen annehmen. Es wird sich also wirklich um die Gründung der Pfarre handeln, und diese also etwas jünger als Zittow und Pinnow sein. Zu beachten ist, daß während diese beiden vermutlich älteren Pfarren in Orten wendischen Ursprungs liegen, diese jüngste und die ihr zugewiesene Kapelle in deutschnamigen 1 ) also wohl erst im späteren Verlauf der Kolonisation aus wilder Wurzel gerodeten Orten errichtet sind. Eigentümlich ist, daß unter den Retgendorfer Kirchspielsdörfern Rubow, welches Graf Gunzelin 1217 (235) dem Schweriner Domkapitel zur Fundierung einer Präbende geschenkt hatte, fehlt. Durch das neue Retgendorfer Kirchspiel von Zittow abgeschnitten, kann es unmöglich zu diesem gehört haben. Bei der Visitation von 1541/42 taucht es als selbständige Pfarre, die wenigstens das letzte Mal von Herzog Heinrich besetzt ist, auf. Von 1580 ab wird es von Hohen-Viecheln aus mitverwaltet (Schlie II, 289). Sollte es schon 1241 eine eigene Kirche unter dem Patronat des Kapitels gehabt haben? Obgleich die Domherrn mit Kirchgründungen auf ihren eigenen Besitzungen nicht gerade schnell bei der Hand waren und das ganze Kirchspiel nur aus dem einen Dorfe bestanden haben müßte, finde ich keine andere Erklärung.

Mit der Errichtung des Retgendorfer Kirchspiels um 1241 und des von Alt=Meteln, die vielleicht um dieselbe Zeit angesetzt werden darf, ist die Ausdehnung des Pfarrnetzes über die ganze


1) Retgendorf allerdings die Gründung des Wenden Ratik. M: Jbb. XLVI, 119.
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Grafschaft zum Abschluß gekommen. Die Folgezeit brachte nur noch einige kleinere Nachgründungen hinzu. Zu diesen dürfen wir westlich des Sees das kleine ritterschaftliche (es fehlt im Visitationsprotokoll von 1534) Kirchspiel von Groß=Trebbow rechnen, das, wenn es mit seiner frühgotischen Kirche gleich alt ist, um 1300 errichtet sein wird. Dann aber hat auch das jetzt nach Meteln eingepfarrte Stiftsgut Gallentin noch eine Pfarre erhalten. Sie bestand bis in die Zeit des dreißigjährigen Krieges (Schlie II, 638, Anmerkung 3). Leider wissen wir nichts über die Zeit ihrer Gründung; das Urkundenbuch hat keine Nachricht über sie. Östlich des Sees hat Zaschendorf eine Kirche erhalten. Leider fehlt es auch hier an mittelalterlichen Nachrichten und es bleibt völlig zweifelhaft, ob sie jemals mehr als eine Filialkapelle von Zittow war.

Beträchtlicher sind die Nachgründungen in der südlichen Hälfte der Grafschaft. Vielleicht gehört Stralendorf erst in diese Periode nach ca. 1240. Sicher aber ist, daß Uelitz erst in ihr - 1270 - zu einer selbständigen Pfarre erhoben ward, (1187, 1188). Das Patronat schenkten die Landesherren dem Kloster Reinfeld, das wie erwähnt seit 1218 das Dorf besaß. Eingepfarrt in die neue Pfarre ward das ebenfalls im Besitz des Klosters befindliche Lübesse. Wenn wir nun später (Visit. 1541) letzteres nach Sülte eingepfarrt finden und das Patronat über dieses ebenfalls im Besitz des Klosters ist, so werden wir die Kirche von Sülte als eine nach 1270 errichtete Stiftung desselben anzusehen haben. Ueber Goldenstädt und Rastow, die gegenwärtig und schon 1534 (Visit.) mit Mirow vereinigt sind, fehlt es ganz an mittelalterlichen Nachrichten. Da indes die Kirche von Goldenstädt mit 2 Hufen dotiert ist und der Pfarrer 1534 und 1541 (Visit.) hier wohnt, sie also eine eigene Wedem besaß, ist sie einst selbständig gewesen. Die kleine gotische Kirche (Schlie II, 670) bietet jedoch wenig Anhalt zu näherer Datierung. Rastow dagegen war wohl nie mehr als eine Filiale von Goldenstädt. Die Errichtung dieser kleinen Pfarren wird mit dem in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stattfindenden weiteren Vordringen der deutschen Bevölkerung auch in diese Gegenden zusammenhängen, durch welches die ursprünglich wendischen Hakenhufendörfer Consrade, Plate und Sülte ihre wendische Bevölkerung ganz, andere wie Uelitz, Goldenstädt usw. zum Teil verloren, und von dem sich eine Spur bei dem Erwerbe des bei Uelitz gelegenen Dorfes Lositz durch das Kloster Reinfeld findet. Hier nämlich, im Jahre 1285, verpflichtete sich Graf Helmold, die wendischen

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Bewohner desselben zu "freiwilliger" Aufgabe des Dorfes zu bewegen (1809). Wir dürfen daher ihre Errichtung vermutungsweisen - wohin auch die Erhebung von Uelitz zur Selbständigkeit weist - in das Ende des 13. Jahrhunderts setzen. Um etwa dieselbe Zeit, wohl um 1270 (Schlie II, 673), entstand in ihrer Nachbarschaft im südlichen Teil des Kirchspiels Sülstorf die Komthurei Kraak - auch sie ein Zeichen der jetzt hierhin vordringenden Germanisierung - natürlich mit Kirche. Doch ward diese nicht zu einer selbständigen Pfarrkirche gemacht. Nach alledem setzen wir endlich auch die Gründung der Kirche von Kirch=Jesar mit ihrem kleinen Kirchspiel vermutungsweise in die Zeit um 1300, obgleich sie erst 1371 (10233) als selbständiges landesherrliches Pfarrlehen begegnet. Später, noch im Laufe des Mittelalters, ward sie mit Warsow vereinigt, und bei diesem finden wir sie im Visitationsprotokoll von 1534.

2. Die Nordhälfte Mecklenburgs (die Länder Mecklenburg, Werle, Rostock, Bützow) und Triebsees.

a) Die Periode der großen Kolonisation (ca. 1204-1235).

In den Landen der Wendenfürsten hing der weitere Ausbau des Parochialsystems, wie oben gesagt, von ihrer Germanisierung ab. Bis dahin blieben sie, wie Heinrich Burwy selbst bekennt, im wesentlichen cultui daemonum dedicata (319). Mögen auch vielleicht schon vor derselben im ersten Jahrzehnt Brunwards einige neue Kirchen errichtet worden sein, wie z. B. vermutungsweise die von Neuburg und Gaarz und sicher die ordentliche Pfarre in Bützow, so können diese Fortschritte doch nur sehr gering gewesen sein, wie denn Brunward selbst noch 1219 über die fehlende Zugänglichkeit der Wenden für das Christentum klagt (255). Das erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts brachte auch hier die Wendung. Sehr bald, nachdem mit der Stabilierung der dänischen Herrschaft die Verhältnisse der nordelbischen Länder wieder ruhigere geworden waren, muß auch Heinrich Burwy sein Land den deutschen Einwanderern nicht nur geöffnet, sondern direkt eine deutsche Einwanderung organisiert haben (197, 256). Es waren wesentlich wirtschaftliche Gründe, die ihn dazu bewogen. Die unzureichende Dichtigkeit der wendischen Bevölkerung, ihre Dürftigkeit und Unfähigkeit, das Land zu höherer und ertragreicherer Kultur zu bringen (256), während dieses überall dort aufzublühen begann, wohin der deutsche Ansiedler seinen Fuß

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gesetzt hatte, machten schließlich die Wendenfürsten selbst zu Germanisatoren ihres Volkes, und wenn auch hier erst recht nicht eine allgemeine Vertreibung der Wenden stattgefunden hat, so ging man doch vielfach rücksichtslos genug vor. Die wendischen Edlen selbst (Wartus in Marmotse, 375 S. 373) haben ihre eigenen Volksgenossen, die nur auf Pacht saßen, von Haus und Hof vertrieben, um sie durch deutsche Einwanderer zu ersetzen, und Bischof Brunward ist auf seinen eigenen Dörfern nicht anders verfahren (Bäbelin, 454). Allein, mag man auch oft genug so vorgegangen sein, so zeigen doch nicht nur die vielen Dörfer mit dem Vorsatz Klein- oder Wendisch, die Wenddörfer und Wendfelder, daß noch ein beträchtlicher Teil des Wendenvolkes in geschlossenen Dörfern zurückblieb. Und es ist durch nichts angezeigt, daß, wenn gelegentlich solche Wendendörfer (z. B. 808, 871) mit deutscher Agrarverfassung erscheinen, ohne weiteres daraus zu schließen ist, daß zuletzt die Wenden auch aus diesen Dörfern vertrieben seien. Weit näher liegt die Annahme, daß sie inzwischen (wie Gr.=Brütz) durch Erteilung deutschen Rechtes germanisiert worden sind. Vielmehr zeigt auch hier die Wittesche Karte, wie selbst in deutschen Dörfern häufig die Kossatenbevölkerung wendisch blieb und sich überall mehr oder minder noch lange Zeit erhielt, ehe sie in der deutschen Bevölkerung aufging.

Wie ein aufgestauter Strom muß die deutsche Einwanderung nach Öffnung der Grenzen das Land überflutet haben, hat sie doch schon 1210, also im Verlaufe von höchstens 6 Jahren, die Ostgrenze des Landes bei Marlow erreicht (192). Zunächst scheint es vornehmlich die Nordhälfte des Landes gewesen zu sein, welcher die deutsche Besiedelung zugute kam, und ihr wenden wir uns nun zuförderst zu.

Auch hier folgte wie in den westlicheren Gegenden der Ritter dem Bauern, jedoch schneller wie dort, er hatte inzwischen auch das Kolonisieren gelernt. Immerhin sind etwa anderthalb Jahrzehnte der Kolonisation vergangen, ehe er sich bemerkbar macht. Erst seit 1219 finden wir den deutschen niederen Adel zahlreicher in der Umgebung der wendischen Fürsten. Erst von da ab darf seine Anteilnahme am Kolonisationswerk datiert werden. Wir erinnern nur daran, daß bei der zwischen 1222 und 1230 erfolgten Besiedelung des Klützer Winkels erst in dem jüngst in Angriff genommenen Stück, dem Kalkhorster Kirchspiel, sich deutlich diese Anteilnahme zeigt. Neben ihm kolonisierten die geistlichen Stifter. Mit allem Nachdruck aber muß vor der Übertreibung Ernsts gewarnt werden, welcher (S. 73) behauptet, die wendischen

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Fürsten hätten zum Zweck der Kolonisation "mit geringen Ausnahmen das ganze Land an Ritter zu Lehen und an geistliche Stifter als Dotation" gegeben, und erst gar die Behauptungen Salow's (die Neubesiedelung Mecklenburgs, Friedländer Programm 1896) überschreiten alles Maß, wenn er sagt (S. 11): "Die deutsche Geistlichkeit vor allem ist es gewesen, die das platte Land urbar gemacht und mit einer fleißigen ackerbautreibenden Bevölkerung besetzt hat." Überblickt man die ehemals geistlichen Besitzungen Mecklenburgs, so zeigt sich, daß es noch längst nicht der zehnte Teil des Landes ist, welcher seine Besiedelung der Geistlichkeit verdankt, und wenn Salow unter den Kolonisatoren das Kloster Ivenack aufführt, so ward dieses (vergl. unten) erst 1252 in einer schon germanisierten Umgebung angelegt; seine Gründung bezeichnet den Abschluß, nicht den Anfang der Bewegung. Oder wenn er Broda den Kolonisator der Länder Wustrow und Waren nennt, so ist oben gezeigt worden, wie wenig Anteil dieses Stift überhaupt an der Arbeit gehabt hat. Vorgearbeitet hat allerdings die geistliche Kolonisation - wenigstens die Doberans - der Laienkolonisation. Doberan ist es gewesen, welches den Anfang mit der Einführung deutscher Bauern gemacht hat. Aber selbst das ist fraglich, ob es gerade sein Beispiel gewesen ist, welches die Wendenfürsten auch auf diese Bahn zog. Vielleicht liegt es sogar näher, mit Rudloff (S. 114) darauf hinzuweisen, daß seit 1203 das in der Hauptsache germanisierte Land Gadebusch unter mecklenburgische Herrschaft gekommen war, ein Besitz, der den Fürsten die Vorteile der Germanisierung einleuchtend machen mußte. Daß diese auch im Interesse der Kirche lag, nicht nur insofern sie erst mit der Einführung deutscher Bauern und damit des kirchlichen Zehnten auf eine wirtschaftlich und finanziell breitere Basis gestellt wurde, die ihr eine energischere und umfassendere Arbeit ermöglichte, sondern auch insofern, als erst die Durchsetzung der Wenden mit christlichen Deutschen eine wirkliche Christianisierung derselben herbeiführte, braucht kaum bemerkt zu werden. Wirtschaftliches und religiöses Interesse von Fürst und Kirche gingen Hand in Hand.

Suchen wir uns nun soweit wie möglich ein Bild von den Fortschritten zu machen, welche die kirchliche Entwickelung in dieser ersten Hauptperiode der Kolonisation von 1204 ab gemacht hat, so scheint auch in der nördlichen Hälfte der uns hier beschäftigenden mecklenburgischen Länder, wie in dem schon behandelten Dassow=Bresen=Klütz, um die Wende des dritten zum vierten Jahrzehnt ein gewisser Abschluß erreicht zu sein. Im Jahre 1233 errichtete

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Brunward für die Kirchen des Stiftslandes Bützow und die des westlich der Warnow gelegenen Teiles des Landes Werle (Vogtei Schwaan) einen eigenen Archidiakonat. Es ist eine stattliche Reihe von 13 Kirchen, die er dabei aufzählt. Um dieselbe Zeit aber muß, wie unten weiter nachzuweisen sein wird, auch die Kirchspielseinteilung im ostwarnowschen Teil von Werle und im Lande Rostock fertig gewesen sein. Hier wie dort erweisen sich diese Kirchspiele, wie ebenfalls an den betreffenden Orten im einzelnen zu zeigen ist, von der bekannten Größe der Ratzeburger Kolonisationsparochien. Dieselben Grundsätze der Kirchenerrichtung, die dort bestimmend waren, waren es auch im Bistum Schwerin. Die erste planmäßige Kircheneinrichtung im Gefolge der Kolonisation scheint jedoch wenigstens westlich der Warnow um 1233 schon um einiges zurückzuliegen. Im Jahre 1224 errichtete nämlich Burwy südlich von Doberan das Kirchspiel von Satow und wies ihm 6 Dörfer zu, eine hinter der hergebrachten so weit zurückbleibende Zahl, daß der Schluß unumgänglich ist, daß dieses kleine Kirchspiel nicht das erste in dieser Gegend ist, sondern die Existenz älterer in der Nachbarschaft voraussetzt. Ist aber im westlichen Teile des Landes Werle die kirchliche Einrichtung danach schon um 1220 vorläufig fertig gewesen, so gilt das natürlich auch von den noch westlicheren Ländern Mecklenburg und Buckow. Aber noch ein weiterer Schluß ergibt sich: Ist die Einrichtung der Kolonisationskirchspiele in diesen Ländern im wesentlichen zwischen 1210 und 1220 erfolgt, so scheiden aus den hierherzurechnenden von vornherein wieder alle ritterlichen Parochien aus. Vor Ende der zwanziger Jahre kann kaum eine einzige von ihnen errichtet sein (vergl. Kalkhorst). Die eigentliche Zeit der ritterlichen Kirchgründung beginnt aber erst später. Dem entspricht es denn auch, daß unter jenen werleschen Pfarren von 1233 die sämtlichen ritterlichen jener Gegend noch fehlen. Ebenso wird sich für die Osthälfte des Landes Werle und Rostock herausstellen, daß auch hier die bis ca. 1233 errichteten Pfarren durchweg landesherrlich sind. Dem entspricht es denn, daß es auch in den Ländern Mecklenburg=Brüel Buckow für die Pfarren ritterlichen Patronats, welche sich, kleineren Umfanges, zwischen die größeren landesherrlichen schieben, bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts gänzlich an Nachrichten fehlt. Sie sind eben jüngeren Datums. Auch die Betrachtung der Kirchengebäude ergibt dasselbe Resultat: Von den 16 landesherrlichen Kirchen dieser drei Länder (inklusive Neukloster und Neubuckow) gehören nicht weniger als 10 ganz oder teilweise noch dem Übergangsstil an,

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eine - Alt=Wismar - steht nicht mehr, und bei einer - Sülten - scheint, nach dem noch stehenden Triumphbogen zu urteilen, der ehemalige Chor ebenfalls ein Bau des Überganges gewesen zu sein. Die 7 ritterlichen Kirchen gehören alle erst dem gotischen Stil an. Für eine derselben, Zurow, gibt es nun in der Tat noch ein Zeichen, daß darauf hindeutet, daß sie nicht während der Besiedelung des Landes neben Lübow errichtet, sondern nach dem Ende derselben von diesem abgetrennt worden ist. Es ist das die Abgabe, die noch 1534 der Patron "van Zurow der Kercken wegen" an die Lübower Kirche zu leisten hatte (Schlie II, 258 Anmerkung 1), die Entschädigung für den Austritt von Zurow aus der Lübower Parochie. Nirgends finden wir eine solche Abgabe bei Kirchen der eigentlichen Kolonisationszeit, solange die Verhältnisse noch im Werden sind, sondern erst bei späteren Gründungen nach deren Abschluß. Immerhin dürften auch hier wie im Klützer Lande die ersten ritterlichen Pfarren - vielleicht die beiden größeren Jesendorf und Bibow, - der erste von Bibow begegnet 1246 als Burgmann in Mecklenburg (575, 592) - schon um oder bald nach 1230 errichtet sein.

Am reichlichsten mit Kirchen versorgt war, als die Kolonisationsbewegung begann, die Herrschaft Mecklenburg mit ihren Unterteilen Mecklenburg, Brüel und Buckow (Ilow). Hier bestanden bereits die von Viecheln, Lübow, Neuburg, Alt=Buckow, Gaarz und vielleicht auch die von Brüel. Die Versorgung war für den Anfang ausreichend. Man ließ sich daher einige Zeit, ehe man die Lücken ausfüllte. Noch 1219 (254) scheinen Lübow, Buckow und Neuburg die einzigen Kirchorte in der Nachbarschaft von Neukloster gewesen zu sein. Unmittelbar darauf aber muß das Kirchspiel von Alt=Wismar errichtet sein, denn sicherlich ist es älter als die ca. 1226 gegründete Stadt. Nach der Stadtgründung hätte man schwerlich die Kirche dieser Parochie unmittelbar vor das Tor der Stadt und ganz an den Rand des Kirchspiels gestellt. Sie ward denn auch später um ihrer unpraktischen Lage willen nach Hornstorf verlegt, urkundlich begegnet sie zuerst ca. 1260 (906). Mit ihren 10 Dörfern, von denen 9 später in der Stadtfeldmark von Wismar aufgegangen sind, ist sie ein erstes Beispiel der von Ratzeburg her bekannten Kolonisationskirchspiele auch im Mecklenburgischen; natürlich ist sie landesherrlich (1534 Visit.); ebenso die wenige Jahre später, 1233, zuerst begegnende Pfarre von Mecklenburg selbst (299). Fast ohne Kirchspiel - Mecklenburg selbst ist nach der Witteschen Karte ein wendisches Kossatendorf - ist sie lediglich Pfarre der

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Burg, in deren Nähe die Fürsten Hof zu halten pflegten, also kein Ergebnis der Kolonisation.

Mitten in diese hinein aber führt uns die Gründung des Nonnenklosters Sonnenkamp (Neukloster) an der Grenze der Länder Mecklenburg und Werle. Ursprünglich war es in Parkow im Lande Buckow errichtet. Aus unbekannten Ursuchen verlegte Burwy es 1219 nach Cuszin. Die Echtheit der beiden Stiftungsurkunden (254, 255) ist zwar von Buchwald (Bischofs= und Fürstenurk. S. 250 ff.) angefochten, wie mir scheint jedoch mit nicht zureichenden Gründen. Jedenfalls sind die verdächtigen Bestimmungen derselben so unbedeutend, daß ihr Inhalt im wesentlichen als richtig anzunehmen ist. Wie überall, so setzt auch hier die Gründung eines Nonnenklosters voraus, daß die Christianisierung, und was hier damit gleichbedeutend ist, die Germanisierung des Landes im allgemeinen vollendet ist. Damit stimmt denn auch, daß die Dörfer, mit denen die Stiftung dotiert ward, fast alle bereits vermessen sind und als germanisiert erscheinen, wie denn auch die Wittesche Karte sie als deutsche Dörfer gibt. Nur Cuszin selbst und seine unmittelbare Umgebung, die Dörfer Marutin und Gusni sind offenbar noch wendisch - ein von der Kolonisation bisher noch nicht besetzter Grenzwinkel. Die Klostergründung soll auch hierher Deutschtum und Christentum bringen; daher verleiht ihr Brunward die Zehnten ihrer Besitzungen und zukünftigen Rodungen in der ausgesprochenen Absicht: "ut hec terra horroris et vaste solitudinis facilius inhabitaretur et rudi populo per fidelium introitum fides persuaderetur." Und wenn wir 15 Jahre später auf dem Klostergebiete den in der Dotationsurkunde fehlenden Ortschaften Lübberstorf, Nevern, Reinstorf begegnen, dagegen Gusni und Marutin verschwunden sind, so tritt uns hier die kolonisatorische Arbeit des Klosters deutlich entgegen (429). Auch Perniek, wo ihm in demselben Jahre neben 14 kultivierten 20 noch wildliegende Hufen überwiesen werden, redet von derselben (435), und ebenso Bäbelin, das Brunward im folgenden Jahre dem Kloster schenkte, weil es ihm seit Jahren nicht gelungen war, für dasselbe Pachtbauern zu finden, da die aus dem Orte verjagten Wenden die Arbeit der Ansiedler immer wieder zerstörten (454). Übrigens zeigt auch hier die Wittesche Karte, daß es sich bei dieser Tätigkeit des Klosters nicht um völlige Verdrängung der Wenden handelt, ja wenn sie uns Bäbelin als einen Ort gibt, der nicht nur Pauschalbede zahlt, sondern auch im 15. Jahrhundert noch einen Rest wendischer Einwohner bewahrt hat, so

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ist deutlich, daß das Kloster die von Brunward vergebens versuchte Besetzung desselben mit deutschen Bauern aufgegeben und ihn den verjagten Wenden wieder überlassen hat.

Eine Kirche wird bis zur Erbauung des Klosters in dem ganzen Gebiete desselben noch nicht bestanden haben (vergl. oben S. 172). Sie ward jetzt errichtet. Ihr Kirchspiel umfaßte den Klosterbesitz, d. h. nach Vollendung der Kolonisation ca. 11 Ortschaften.

Drei Jahre nach der Gründung von Neukloster entstand kaum zwei Meilen weiter südlich im Lande Brüel eine neue kirchliche Stiftung; Burwy gründete hier 1222 ein Antoniushospital (282). Er gab dazu den fürstlichen Hof Tunischin (Tempzin) mit seiner Feldmark und eine Pfanne in loco quo sal decoquitur (Sülten). Unter den Zeugen der in Neukloster ausgestellten Urkunde finden sich neben Brunward die Priester von Lübow und Brüel, letzterer offenbar als der zuständige Pfarrer, in dessen Kirchspiel die neue Stiftung errichtet ward. Auch bis in diese Gegend war inzwischen die Kolonisation gedrungen, die 16 Hufen in loco qui Goltbeke dicitur (Feldmark von Sternberg), welche Burwy weiter dem Spital schenkte, zeigen es. Doch haben sich hier im Lande Brüel stärkere Reste der wendischen Bevölkerung gehalten als in den Ländern Mecklenburg und Buckow (Wittesche Karte). Immerhin war deutsche Einwanderung vorhanden, und so ist es nicht unmöglich, daß auch die zweite landesherrliche (Schlie III, 420) Kirche des Landes Brüel, Sülten, bereits errichtet war, jedenfalls ist sie nicht lange darauf errichtet. Jene Salzverleihung an Tempzin zeigt, daß man sich von dem Betriebe seiner Salzquelle viel versprach und denselben nach deutschem Muster in Angriff nehmen wollte oder schon genommen hatte. So mag der Ort Kirchort geworden sein. Die erhoffte Entwickelung blieb jedoch aus; die Salzquelle war zu schwach, und so mag es gekommen sein, daß die Feldmark nur in wendische Hufen gelegt ward und auch die Nachbardörfer wendisch blieben (Wittesche Karte). Urkundlich begegnet die Kirche zuerst 1287 (1910). Ihr Kirchspiel umfaßte einst auch Penzin (8318), Klein= und Groß=Görnow (1910).

Im Lande Ilow=Buckow war die Besiedelung mit Deutschen schon weiter vorgeschritten, um 1219 erscheint sie als im großen Ganzen vollendet (vergl. die dortigen Dörfer in der Stiftungsurkunde von Neukloster 254, 255; und dazu 256, welches nicht nur einen Zehntvertrag zwischen Bischof und Landesherrn für 1219 bereits voraussetzt, sondern auch, daß wenigstens in Krempin

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[dies erscheint auch auf der Karte als deutsch] die Freijahre bereits abgelaufen waren). Auf den Doberaner Klosterdörfern, welche zum größten Teil im Kirchspiel Neuburg gelegen waren, scheint jedoch wie oben angeführt die Besetzung mit Deutschen erst um 1218 stattgefunden zu haben. Das Kloster war also hier nicht als Kolonisator vorangegangen, sondern dem großen Strome erst gefolgt. Es legte in diesem Teile seines Gebietes als Mittelpunkt der Verwaltung eine grangia (Klosterhof) in Redentin an.

Auch hier brachte nun die starke Zunahme der Bevölkerung die Errichtung einiger neuer Kirchen zu den drei alten von Buckow, Neuburg und Gaarz hinzu. Im Jahre 1229 hielten "die Leute an der See im Kirchspiel Nienborch" bei Brunward und Johann von Mecklenburg um die Erlaubnis an, in Gardeskendorp, dem späteren Dreveskirchen, eine Kirche erbauen zu dürfen, da sie von Neuburg zu weit entlegen seien. Die Bitte ward gewährt, doch mit der Einschränkung, daß die neuerbaute Kirche Filiale von Neuburg bleibe (363). Hier handelt es sich schon um Verkleinerung der größeren und älteren Parochien. Um etwas früher dürfen wir daher schon die Errichtung des ebenfalls landesherrlichen Kirchspiels Westenbrügge 1 ) ansetzen, obgleich es urkundlich erst 1320 (4201n) nachweisbar ist, zumal da die Kolonisation hier früh Fuß gefaßt hat. Zu ihm gehört Krempin, das 1217 (324) zweifellos germanisiert war, Parkow, wo das 1219 nach Cuszin verlegte Nonnenkloster einige Zeit gestanden hatte und Jörnsdorf, das zu seiner ursprünglichen Dotation gehört hatte und ebenfalls als deutsch angesehen werden muß (254). Von Alt=Buckow - Neu=Buckow existierte noch nicht - um fast 1 1/2 Meilen entfernt, kann die Gegend nicht lange ohne Kirche geblieben sein. Rechnen wir das, weil nicht landesherrlich, vermutlich erst später errichtete kleinere Kirchspiel Biendorf zum Teil hinzu, so erreicht Westenbrügge die Größe der Kolonisationskirchspiele. Weiter begegnet uns schon 1237 (462) in dem zur Dotation von Sonnenkamp (Neukloster) gehörigen großen Hagendorfe Brunshaupten an der See eine Kirche. Die kleine Parochie umfaßt nur noch das später ebenfalls von Sonnenkamp erworbene Arendsee (870, 1120, 1353). Sie ist offenbar eine Stiftung des Klosters, also nach 1219 errichtet. Gleichzeitig mit ihr mag endlich das kleine landesherrliche (4025) Kirchspiel Russow errichtet sein, das 1545 zuerst begegnet. Von sehr


1) Erst 1459 erwarben die von Bibow das Patronat von den Herzogen (Schlie II, 500).
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geringem Umfang und zwischen die weitaus größeren landesherrlichen von Buckow und Gaarz eingekeilt, charakterisiert es sich deutlich als Nachgründung.

Hier ist nun auch der Ort, der zum Lande Buckow gehörigen aber zum Sprengel des Bistums Lübeck gewiesenen Insel Poel zu gedenken, deren deutsche Besiedelung um 1210 (197) von Burwy ins Werk gesetzt worden war, wie es scheint durch ein Konsortium von Lokatoren, an deren Spitze ein gewisser Wasmod stand. Es war dabei wie gewöhnlich zwischen Fürst und Bischof zu Schwierigkeiten über den Zehnt gekommen, die schließlich durch Brunwards Vermittelung dahin geschlichtet wurden, daß der Bischof dem Fürsten die Hälfte des Zehnten und für jenen Wasmod und Genossen außerdem den von 12 Hufen zugestand. In wenigen Jahrzehnten waren dann die Wenden so zurückgegangen, daß 1266 auch das Wendfeld an deutsche Bauern ausgetan werden konnte (1098). Zugleich mit der deutschen Besiedelung wird auch hier die Kirche errichtet sein, wenngleich sie urkundlich erst 1259 (83l) nachweisbar ist; die abgeschlossene Lage der Insel und ihre Größe - sie entspricht gerade dem Umfange eines Kolonisationskirchspieles - machte es notwendig. Auch diese Kirche ist natürlich landesherrlichen Patronates.

Vollständiger und ein noch klareres Bild als in der Herrschaft Mecklenburg ergebend, ist das urkundliche Material für den ostwärts an diese grenzenden linkswarnowschen Teil der Länder Rostock und Werle. Zu ersterem gehört die Abtei Doberan.

Schon früh hatten die Doberaner Mönche in ihren Dörfern Deutsche anzusetzen begonnen - 1189 (148) werden theutonici in villis eorum genannt - freilich nicht unter völliger Verdrängung der Wenden, denn noch 1315 (3759) waren die Orte Stülow und Hohenfelde von Wenden wendischen Rechtes bewohnt. Und wenn wir in dem päpstlichen Schutzbriefe des Klosters von 1209 (191) tria novalia quae indagines nominantur unter den Dörfern derselben genannt sehen, so zeigt sich darin eine schon weit vorgeschrittene Kolonisation, die über die Germanisierung der vorhandenen Ortschaften hinaus ist und aus wilder Wurzel zu roden begonnen hat, während im allgemeinen in Mecklenburg die Hagenorte erst um ein oder mehrere Jahrzehnte jünger zu sein pflegen. Leider sind diese 3 Hagendörfer Doberans nicht mit Namen genannt, doch liegt es nahe, den Kirchort Steffenshagen unter ihnen zu vermuten. Die Abtei war in lebhaftem Aufblühen begriffen, die Zahl der Mönche sogar

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so unverhältnismäßig angewachsen, daß die Einkünfte nicht mehr hatten reichen wollen und Burwy sich zu neuen Schenkungen - Farpen, Redentin, Stäbelow, Ivendorf (Domastiz) (258, 152) veranlaßt gesehen hatte. Im Jahre 1209 hatte dann das Kloster einen Überschuß als neuen Konvent nach Dargun abgeben können. Mit dem Vorschreiten der Kolonisation aber wuchsen nun die Einkünfte des Klosters rasch. Man konnte daran gehen, anstelle des alten Holzbaues der Klosterkirche eine stattliche dreischiffige Basilika aus Ziegeln zu errichten; 1232 (406) ward sie in großer Versammlung geweiht. Auch in Parkentin scheint damals der Bau einer steinernen Kirche begonnen zu haben (Chor). Vielleicht sind damals auch die beiden weiteren Kirchspiele der Abtei, Steffenshagen und Rabenhorst (später Rethwisch), schon eingerichtet worden, wenn sie uns auch erst 1273 (1297) urkundlich begegnen. Denn wenigstens Steffenshagen wird schon länger eine Kirche gehabt haben. Die jetzige (Schlie III, 524 ff.) stattliche Kirche ist nicht die erste. Auch der frühgotische Chor derselben kann kaum früher als ca. 1290 angesetzt werden. Um 1273 baute man in Mecklenburg noch nicht gotisch. Sie trat also an Stelle einer älteren, die doch immerhin ihre ein bis zwei Menschenalter ausgehalten haben wird.

Ostwärts von Doberan war der Markt Rostock in erstaunlich schnellem Aufblühen begriffen; 1218 (244) erhob ihn Burwy zur Stadt und verlieh ihm das lübische Recht, dessen sich seine Einwohner schon bedient hatten. Vierzehn Jahre später erscheint schon die Marienkirche auf der Neustadt (398), also das dritte Kirchspiel der Stadt, und auch in der Umgegend machte Kolonisation und Kirchgründung schnelle Fortschritte. Wie wir sahen, scheint das Kirchspiel Biestow und seine deutsche Besiedelung schon der Zeit vor 1204 anzugehören. Nun drang die Kolonisation in die Wälder, die zwischen dem Gebiet des Doberaner Klosters und der unteren Warnow lagen, vor und eroberte den fruchtbaren Boden für die Kultur des deutschen Bauern; ein Hagendorf neben dem anderen erstand, und wenn wir 1233 (420) schon dem kleinen und seiner Lage nach aus den weit größeren Biestow und Lichtenhagen herausgeschnittenen Kirchspiel Lambrechtshagen begegnen, so setzt dieses die Existenz auch der Lichtenhäger Kirche, und zwar als einer ihr gegenüber älteren, voraus. Die Rodung des Häger Ortes und die Errichtung seiner Kirche wird danach - man vergleiche die 3 Hagendörfer Doberans um 1209 - schon in das erste oder den Beginn des zweiten Jahrzehntes des 13. Jahrhunderts fallen.

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Südlich dieses Teiles der Herrschaft Rostock liegt die werlesche Vogtei Schwaan und das bischöfliche Stiftsland Bützow. Im Jahre 1233 (420) finden wir diese ganze Gegend kirchlich wohl geordnet und versorgt. In diesem Jahre hatte Brunward in seinem Stiftslande das längst versprochene Zisterzienser=Nonnenkloster Rühn errichtet. Dem Propste desselben wies er die Archidiakonatsrechte über die Kirchen Neukirchen, Retschow, Karin, Tessin, Warin, Qualitz, Baumgarten, Boitin, Tarnow, Parum, Lambrechtshagen, Bernitt und Bützow zu. Dazu kam die Pfarre Rühn selbst. Es sind dies offenbar zunächst alle damals bestehenden Kirchen des Stiftslandes selbst. Von den jetzigen Kirchspielen desselben fehlen nur Moisall, Laase, Zernin und Warnow. Zernin aber gehörte 1233 noch zum Rühner Kirchspiel (420), hatte also noch keine Kirche und Laase ist das einzige und sehr kleine ritterschaftliche Kirchspiel des Stiftslandes. Moisall bestand ebenfalls noch nicht, und dasselbe wird auch von dem sehr kleinen Warnower Kirchspiel gelten. Wir haben also mit Warin, Qualitz, Baumgarten, Boitin, Tarnow, Parum, Bernitt, Bützow und Rühn alle damals vorhandenen Kirchen. Sie sind sämtlich erst Gründungen Brunwards, ist doch selbst die Pfarre von Bützow erst von ihm eingerichtet (cf. oben S. 170). Genaueres über die Zeit ihrer Einrichtung läßt sich nun aber leider nicht sagen, als daß sie eben zwischen 1204 und 1233 fallen muß. Es fehlt an allen Nachrichten. Nicht einmal Spuren der Anwesenheit des Bischofes in seinem Stiftslande gibt es bis 1224, wo Brunward zum erstenmal in Bützow selbst begegnet (300), und 1229 (363), wo er sich in Warin aufhält, um von da an häufig seine Urkunden von einem dieser beiden Orte zu datieren. Bützow selbst ist 1236 (456) bereits Stadt, und schon 1229 ward die Anstellung eines zweiten Priesters neben dem Pleban dort notwendig (365). Zur selben Zeit aber erscheint das Land als germanisiert (420), doch hielten sich auch hier die Wenden noch in einer Reihe von geschlossenen Dörfern und blieben wohl auch sonst häufig als Kossatenbevölkerung neben Deutschen in denselben Dörfern sitzen (6852, 5601).

Berechnet man nun die Zahl der damals im Stiftslande bestehenden Ortschaften nach Analogie des Verhältnisses der Orte des Ratzeburger Zehntregisters zu der heutigen Zahl der Ortschaften auf ca. 40 - das ältere Kirchspiel Bützow und das halb im Lande Schwaan gelegene und zu den fürstlichen gehörige Neukirchen sind dabei auszuscheiden -, so kommen auf jedes der acht Kirchspiele außer diesen beiden fünf Ortschaften. Genauer

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umfaßten die ihrem Umfange nach unverändert gebliebenen Kirchspiele: Warin 5-6, Parum 4-5, Tarnow 5, Baumgarten (mit Laase) 4-6, Rühn 4 (420) Ortschaften. Die Versorgung mit Kirchen war demnach hier im bischöflich schwerinschen Stiftslande von vornherein weit reichlicher als im Bistum Ratzeburg und, wie sich weiter zeigen wird, auf landesherrlich mecklenburgischem Gebiet, wo etwa 9-12 Orte auf eine Kirche der Kolonisationszeit kommen, und gar erst besser als im Ratzeburger Stiftslande Boitin, wo man sich begnügte, neben dem 20 Ortschaften umfassenden alten Kirchspiel Schönberg nur noch zwei weitere von je 7-8 Orten zu errichten, ein Zeichen, wie sehr der Zisterzienserbischof dem Prämonstratenser an kirchlichem Eifer und Tatkraft überlegen war. Hier war die Spannkraft noch frisch und auf der Höhe; dort begann sie bereits nachzulassen.

Wenn nun Brunward in jener Urkunde von 1233 (420) außer allen Kirchen seines Stiftslandes auch die in der werleschen Vogtei Schwaan gelegenen von Groß=Tessin, Alt=Karin, Retschow, Satow und Neukirchen, dazu die rostocksche von Lambrechtshagen dem Banne des Rühner Propstes zuweist, so werden wir auch in diesen alle damals zwischen der mecklenburg=werleschen Grenze im Osten und der alten Pfarre Schwaan im Westen, dem Stiftslande Bützow im Süden und der Abtei Doberan im Norden gelegenen Kirchen zu sehen haben. Sämtliche Kirchen bis auf das klösterliche Satow sind ursprünglich landesherrlichen Patronats - Gr. Tessin (1 373), Alt=Karin (Schlie III, 537), Retschow (8490), Neukirchen (2121); auch Lambrechtshagen wird es gewesen sein, bis das Patronat später an die Karthäuser von Marienehe kam. Dagegen fehlen alle ritterschaftlichen Kirchen des in Frage stehenden Gebietes: Passee, Berendshagen, Hanshagen, (Heiligenhagen, Lukow), Kambs; sie existierten eben noch nicht. Fehlen nun aber auch ebenso die vier großen, an der Warnow entlang gelegenen landesherrlichen Parochien Schwaan, Buchholz, Biestow 1 ) und Lichtenhagen, so muß dieses Fehlen andere Gründe haben, denn diese Kirchspiele waren bereits vorhanden. Der Pfarrer von Schwaan erscheint ein Jahr vorher, 1232 (406), ja wir haben vermutet, daß es schon zu Berno's Zeit, jedenfalls aber vor der großen Kolonisationsbewegung eine Kirche erhalten hatte. Ihr, der alten Kirche des Landes, gegenüber wird das 1233 aufgeführte


1) Das Patronat von Biestow ist allerdings im 15. Jahrhundert (Schlie I, 303) nicht in Händen der Landesherren, aber nach allen Analogien darf angenommen werden, daß es ihnen ursprünglich gehört hatte.
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Neu=Kirchen seinen Namen erhalten haben. Die Biestower Kirche ist zwar erst 1282 (1628) urkundlich erwähnt, aber schon ihr Feldsteinchor (Schlie I 304) dürfte älter sein als dies Jahr, und wie wir oben wahrscheinlich zu machen gesucht, ist auch sie älter als das Jahr 1204. Jedenfalls aber ist die Biestower Parochie, wie auch die 1264 (1018) zuerst erwähnte von Lichtenhagen älter als das kleine 1233 schon bestehende Lambrechtshagen (s. oben). Dann aber muß auch die Kirche von Buchholz, das 1246 (583) zuerst als Pfarrort erwähnt wird 1 ), älter als 1233 sein; die Lücke zwischen Schwaan, Biestow und Retschow wäre sonst zu groß. Ja, wir werden schließen dürfen, daß diese vier Pfarren in ihrer Gesamtheit etwas älter sind, als die Kirchen des Rühner Archidiakonates. Das Bannrecht über sie (der spätere Archidiakonat Rostock, war schon vergeben, als der Rühner errichtet ward, und so fielen diesem nur die jüngeren Kolonisationspfarren zu. Aber auch ihre Errichtung darf man nicht zu nahe an das Jahr 1233 heranrücken, da eine von ihnen, und zwar ihrem geringen Umfang nach außer Lambrechtshagen fraglos die jüngste (cf. oben S. 237), Satow schon 1224 errichtet ward (300). Burwy hatte das Gut und den Hagen Satow vor 1219 dem Mutterkloster von Doberan, Amelungsborn, geschenkt (257, 336). Dieses hatte dort eine Kirche errichtet, der nun Burwy ein Kirchspiel von sechs Ortschaften zuwies. Unter diesen befanden sich übrigens zwei deutsche und ein wendisches Hagendorf, ein Zeichen, wie weit auch hier die Besiedelung bereits vorgeschritten war. Zu bemerken ist im einzelnen noch, daß von diesen Kirchorten der Vogtei Schwaan Retschow eine fürstliche Burg besaß und daher wohl auch die Kirche erhielt, und daß das vor der Grenzregulierung von 1232 (398) errichtete Kirchspiel Neukirchen durch diese zur kleineren Hälfte in das Stiftsland Bützow zu liegen kam, ein Ausnahme=Verhältnis, das denn auch die Ursache zu mancherlei Schwierigkeiten zwischen Bischof und Fürst wurde.

Fragen wir nun hier, wo uns zum erstenmal im Mecklenburgischen Schweriner Sprengels deutlich dem Ratzeburgischen entsprechende Kolonisationskirchspiele in geschlossener Reihe entgegentreten, nach der Größe derselben, so umfaßt heute, einzelne ausgebaute Bauernhöfe und Gründungen neuester Zeit abgerechnet, Buchholz 10 Ortschaften, Neukirchen 13, Retschow,


1) M. U.=B. IV Personenregister bezieht die Notiz irrtümlich auf Buchholz im Kirchspiel Retgendorf. Aber dieses Buchholz war niemals eine selbständige Pfarre mit einem eigenen Pleban.
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wenn man das spätere Kirchspiel Hanstorf und einen Teil des etwas jüngeren Satow hinzurechnet, 15; Karin und Tessin, wenn man das zwischen ihnen gelegene jüngere Kirchspiel Passee und die andere Hälfte von Satow auf sie verteilt, 13 und 14; endlich Lichtenhagen mit dem jüngeren Warnemünde ebenfalls 13. Rechnet man nun nach Analogie der ratzeburgischen Verhältnisse, daß dort, wo nicht größere, damals noch ungerodete Waldgebiete in Betracht kommen - (um dem Rechnung zu tragen, sind bei der vorstehenden Aufstellung die Dörfer des jüngeren Kirchspiels Berendshagen ganz ausgelassen) - auf je 10 der um 1230 vorhandenen Ortschaften noch 1-2 später gegründete kommen, so ergibt sich für ca. 1233 als Durchschnittsgröße dieser Kolonisationskirchspiele die von 9-12 Ortschaften, was genau derjenigen der Kolonisationskirchspiele im Ratzeburgischen entspricht. Biestow allein, das für jene Zeit auf 15 Ortschaften zu rechnen ist, übersteigt dieses Maß und dürfte sich danach auch aus diesem Grunde als in einen andern Zusammenhang gehörig und älter erweisen.

Nicht ganz so gut wie über die westwarnowschen Teile der Länder Werle und Rostock sind wir über die östlich des Flusses gelegenen unterrichtet. Immerhin genügen die vorhandenen Daten im Zusammenhalt mit den bisher gewonnenen Resultaten, um auch hier ein klares Bild zu gewinnen.

Zunächst der ostwarnowsche Teil des Landes Werle! Er umfaßt diese zweite Hälfte der Vogtei Schwaan und die Vogtei Laage. Seine Grenze wird im Süden von der Nebel gebildet, überschreitet dann die Recknitz mit dem gleichnamigen Kirchspiel, schließt weiter die Kirchspiele Laage mit Gr.=Ridsenow, Cammin mit Weitendorf, Petschow und Kavelstorf ein und erreicht mit diesem wieder die Warnow.

Auch hier finden sich die ersten Spuren der im wesentlichen vollendeten Kolonisation in den zwanziger Jahren: 1221 (278) begegnet uns der Ritter Ludwig Kabold, dessen Namen Kavelstorf trägt und dessen Nachkommen dort später sitzen, in der Umgebung des werleschen Fürsten (278, 1254), und als 1226 Heinrich von Werle=Rostock auf Brunwards Betreiben in Güstrow ein Kollegialstift gründete (323), bewidmete er dasselbe u. a. mit einzelnen Hufen in Suckow und Cammin, mit dem Zehnt von anderen in Karow. Offenbar sind diese Dörfer schon germanisiert, und ebenso 1229 (365) Weitendorf, wo die Bützower Kirche Zehnten erhält. Ja selbst Klein=Schwiesow erscheint schon als in deutschen Hufen liegend, wenn dort 1237 (469) Dobbertin

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2 Hufen besitzt und 1243 (546) Doberan 2 erwirbt, die jährlich 10 Drömpt Getreide, eine für wendische Hufen unmögliche Abgabe, eintragen. Dennoch sind hier, wie die Wittesche Karte zeigt, besonders beträchtliche Bestandteile der Bevölkerung wendisch geblieben und ist es bemerkenswert, daß noch 1347 (6769) im Kirchspiele Petschow ein wendischer Adliger namens "Stoyslauus de Pankelowe" begegnet.

Auch die Einrichtung von Kirchspielen war 1226 zum wenigsten in Angriff genommen. Die Kirche zu Lüssow bestand schon (323) und wohl nicht als einzige; 1253 (721) tritt uns die von Laage entgegen, 1269 (1153) die von Recknitz; 1270 (1178) werden bei Gelegenheit der Neuordnung des Bützower Kollegialstiftes die Kirchen von Lüssow, Alt=Güstrow, Sprenz und Kritzkow aufgeführt. Die übrigen Pfarrkirchen dieses Gebietes, Kavelstorf, Petschow, Kammin und Groß=Ridsenow 1 ) begegnen allerdings urkundlich erst im 14. Jahrhundert (5511, 6760, 5958, 2954). Von ihnen scheidet Groß=Ridsenow als erst 1304 (2954) gegründet und von Laage abgenommen, für unsere Periode aus. Die drei übrigen aber legitimieren sich durch ihre Übergangskirchen als Gründungen des 13. Jahrhunderts. Bis auf Kritzkow, welches seine Kirche erst in gotischer Zeit erhalten hat, und Alt=Güstrow, dessen Kirche nicht mehr steht, gehören alle Kirchen dieser Pfarren des 13. Jahrhunderts dem Übergangsstile an, sind untereinander nahe verwandt und dürften im wesentlichen gleichzeitig sein, etwa der Mitte des Jahrhunderts angehören. Nur die von Laage, deren Chor jene im spätesten Übergangsstil beliebte Zusammenfassung der Schlitzfenster unter einer gemeinsamen Bogenblende zeigt und nicht mehr aus Findlingen, sondern wie das auch wohl etwas jüngere Schiff der Sprenzer Kirche ganz aus Ziegeln errichtet ist, mag erst nach 1250 anzusetzen sein. In seiner größeren Ausdehnung von zwei Gewölbjochen erscheint er überdies schon als Stadtkirche gebaut. Rechnet man nun wieder von der mutmaßlichen Bauzeit um etwa ein Menschenalter zurück, so kommt man auf rund 1220-30 als die Gründungszeit aller dieser Kirchspiele; und hält man damit zusammen, daß Lüssow 1226 nachweislich eine Kirche hatte, daß


1) Die Kirche von Weitendorf bei Kritzkow wird zwar im Staatskalender als mater combinata aufgeführt, scheint indes niemals etwas anderes als Filial=Kapelle von Kritzkow gewesen zu sein: 1270 (1178) bestand sie sicher noch nicht, zum wenigsten nicht als selbständige Kirchspielskirche.
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Cammin 1224 in deutschen Hufen lag, der deutsche Namengeber von Kavelstorf schon 1221 erscheint und endlich Laage schon 1216 als Ort von größerer Bedeutung an der via regia (223: "via regia quae ducit de Luchowe in Lauena") hervortritt, daß es Sitz einer eigenen Vogtei wurde, die, wie es scheint, auf einen wendischen Burgward zurückgeht - in seiner Nähe finden sich noch heute die Reste des Burgwalls -, so wird in der Tat mit dieser Zahl das richtige getroffen sein. Die Kirche von Alt=Güstrow dagegen mit ihrem außer dem Orte selbst nur noch Suckow umfassenden winzigen Kirchspiel, das aus dem Lüssower herausgeschnitten ist, wird 1226 noch nicht bestanden haben, ihr Pfarrer hätte sonst bei der Gründung des Kollegialstiftes in Güstrow nicht fehlen dürfen. Daß dagegen der von Lüssow unter den Zeugen erscheint, zeigt ihn als den zuständigen Pfarrer. Erst nach dem Vordringen des Kamminer Bistums bis Güstrow wird auch Alt=Güstrow seine Kirche erhalten haben. Zweifelhaft bleibt nur die Gründungszeit von Kritzkow.

Wirft man nun noch einen Blick auf die Anordnung und Lagerung dieser Kirchspiele, so springt die Planmäßigkeit derselben sofort in die Augen. Sie sind offenbar in einem Zuge angelegt. Wiederum aber erscheinen hier Sprenz und Kritzkow als die Hälften eines ursprünglich ungeteilten Kirchspiels. Berechnet man endlich nach den oben angegebenen Grundsätzen die Größe dieser Kirchspiele für ca. 1335, so erhält man für alle übrigen die bekannte Größe der Kolonisationskirchspiele von 8-12 Ortschaften. Nur Sprenz und Kritzkow mit ihren je 6 Dörfern bleiben dahinter zurück und ergeben zusammen die Größe eines Kolonisationskirchspiels. So mag letzteres in der Tat jünger sein als die andern und nicht allzulange vor 1270 (1178) von Sprenz abgenommen, während die sieben übrigen gleichzeitig um 1220 errichtet sein werden. Dazu stimmt, daß sie alle bis auf Petschow landesherrlichen Patronats sind (Kavelstorf [6779], Lüssow [464], Cammin, Laage, Recknitz nach dem Zehntregister von 1471; Sprenz und Kritzkow nach dem Visitationsprotokoll von 1534). Ja selbst für Petschow möchte man daher vermuten, daß es ursprünglich ebenfalls landesherrlich war, obgleich es 1471 (Zehntregister) im Besitz der von Preen ist, erhielt doch nicht einmal Kabolt in Kaboltsdorf das Patronat der Kirche, sondern mußte es dem Landesherrn überlassen.

Nordwärts der Vogteien Schwaan und Laage erstreckt sich das Land Rostock von der Warnow bis an die Recknitz, deren Lauf bis zum Meere seine Grenze bildet. Die nördliche Hälfte

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desselben, noch jetzt zum größten Teil von den Wäldern der Rostocker und Ribnitzer Heide bedeckt, war bis zum Beginn der deutschen Einwanderung so gut wie ganz Waldland. Die ganzen Kirchspiele Rövershagen, Volkenshagen, Blankenhagen und die beiden Wulfshagen sind fast ausschließlich deutsche Rodungen aus wilder Wurzel, ebenso auch noch die Nordhälfte des Sanitzer Kirchspiels und ein gut Teil des Ribnitzers. Nur in der Gegend von Tessin, Sanitz, Marlow und Ribnitz scheint nach den erhaltenen Spuren (wendische Ortsnamen, Wendendörfer, wendische Grabanlagen usw.) eine dichtere wendische Bevölkerung gesessen zu haben. Kirchen gab es vor der Einwanderung nur in Rostock, Kessin und vielleicht in Marlow. Nun aber drang der deutsche Ansiedler auch in diese östlichen Teile Mecklenburgs vor, 1210 (192) verlieh Borwin dem Ritter Heinrich von Bützow das halbe Schloß Marlow, das halbe Gericht des Landes Marlow und die Hälfte von 9 Dörfern des Landes mit Wüstungen und Rodungen. Zwar werden die meisten dieser Dörfer noch nach wendischen Besitzern genannt, doch finden sich auch schon Deutsche - wie Halemer - und hat die Besiedelung des Landes schon begonnen. Nun soll sie im großen durchgeführt werden. Nach zwei Jahrzehnten finden wir sie im wesentlichen vollendet. Ein Exerpt Clandrians vom Jahre 1233 (421) berichtet uns von Zehntverleihungen Brunwards an seinen Neffen im Kirchspiel Ribnitz "und in den Hagen, als Blankenhagen, Volkeshagen und Wulfardeshagen". Die Ribnitzer Dörfer tragen dabei meist die Namen ihrer deutschen Lokatoren, sie liegen in deutschen (Zehnt=) Hufen; die Zehntregulierung ist geschehen, und wie es scheint, sind die Freijahre sogar auch für die Hagendörfer schon verflossen. Neben den Ribnitzer Dörfern erscheint hier auch das südlich von Marlow gelegene Kölzow als zehntpflichtig, also germanisiert. Wir sehen, die Germanisation ist schon über die Besetzung des älteren wendischen Kulturbodens im Süden hinaus in die Wälder der nördlichen Hälfte eingedrungen. Doch fehlen unter den Ribnitzer Dörfern noch die Hagen; sie werden erst spätere Anlagen sein, ebenso wie die Ortschaften des jüngeren Kirchspiels Rövershagen. Zwei Jahre später finden wir Bentwisch, Volkenshagen und Wustrow in den Händen der Zisterzienser des Livländischen Klosters Dünamünde (442), die nun neben Volkenshagen den Mönchhagen anlegten, ihren Besitz aber bald wieder veräußerten. Schon 1252 und 1257 (686 und 808) scheint er nicht mehr in ihren Händen gewesen zu sein. Auch hier wurden die Wenden nicht ganz verdrängt: in den Kirchspielen Kessin, Bentwisch,

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Sanitz, Ribnitz finden sich ihre Reste in den Dörfern Klein=Schwarfs, Wehnendorf, Wendorf (wohl slavicalis Repelin 778), Körkwitz (808), Klein=Bentwisch und Klein=Kussewitz. Auch ein Wendfeld findet sich noch bei Sanitz. Die Wittesche Karte gibt hier (vergl. Deutsche Erde IV, 1, 8) kein ganz vollständiges Bild. Immerhin bringt sie zu den genannten noch hinzu Petersdorf und Poppendorf als Hakenhufendörfer, Dändorf als Kossatendorf, und zeigt selbst in den Hagenorten Blankenhagen und Rövershagen wendische Reste.

Weniger gut sind die Nachrichten über die kirchliche Organisation. Von den gegenwärtig vorhandenen Kirchen scheiden für unsere Periode von vornherein als nicht in Betracht kommend aus: Dänschenburg, dessen Kirche 1256 (778) gegründet ward, Rövershagen, das erst um 1300 (2991) und Kuhlrade, das erst 1310 (3378) seine Kirche erhielt, weiter aber wohl auch Wustrow, welches erst durch Kloster Ribnitz, das es seit 1328 besaß, seine Kirche erhalten zu haben scheint, und Teutenwinkel, das 1300 (2589) als Filiale von Bentwisch auftritt. Auch für Kloster=Wulfshagen ist die spätere Gründung wahrscheinlich. Kirchliche Nachrichten gibt es für dieses vor dem Zehntregister von 1471 überall nicht; auch die Fachwerkkirche schweigt. Da aber das Zehntregister die Kirche als unter dem Patronat des Pfarrers von Marlow stehend aufführt, so wird sie eine nach Beendigung der Kolonisation von diesem - wie Kuhlrade von Ribnitz - abgenommene und selbständiggemachte Filiale sein. Abgesehen von der Filiale des landesherrlichen Bentwisch, Teutenwinkel, ist keine einzige dieser ausscheidenden Pfarren landesherrlichen Patronats. Es bleiben nunmehr von den nichtlandesherrlichen nur noch die beiden sehr kleinen Kirchspiele Thulendorf und Rostocker=Wulfshagen übrig. Ersteres dürfte seiner kleinen, arg entstellten Kirche nach doch noch dem 13. Jahrhundert angehören, für letzteres bringt erst wieder das Zehntregister von 1471 die erste Nachricht. Es war damals Moltkeschen Patronates. Die kleine Kirche ist gotisch, gehört also dem 13. Jahrhundert kaum mehr an. Nach allen Analogien dürfen wir aber auch von diesen beiden Kirchen vermuten, daß sie unserer Periode noch nicht zuzuweisen sind. Alle übrigen Kirchen sind ursprünglich landesherrlichen Patronates, nämlich Kessin (254, 255), Bentwisch (2589), Sanitz (2121), Tessin (Zehntregister von 1471), Sülze (Zehntregister), Marlow (5948), Ribnitz (708), Volkenshagen (Zehntregister), Kölzow (Zehntregister). Schlie (I, 395), der die Kirche denen von der Lühe zuschreiben

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will, irrt also; 1534 (Visit.) ist sie übrigens, wie es scheint, nicht mehr im Besitz des Landesherrn. Endlich ist auch Blankenhagen ursprünglich landesherrlich und nicht, wie Schlie (I, 371) meint, Moltkesch. Nach dem Zehntregister hat 1471 der Landesherr das Patronat der Kirche, die Moltkes nur das der 1308 (4002) von ihnen gestifteten Vikarei. Während der Reformation haben sie allerdings auch das der Kirche sich anzueignen gewußt.

Die positiven Nachrichten über diese 10 landesherrlichen Kirchen sind freilich nur spärlich. Kessin gehört schon der ersten Zeit des Bistums an (cf. oben). Die Kirche von Ribnitz erscheint 1233 (421), die von Marlow 1248 (602), die von Sanitz, das damals in Dänschenburg eine Filiale erhält, 1256 (778), die von Sülze 1276 (1412), von Volkenshagen 1297 (2462), Bentwisch 1298 (2529), Tessin 1306 (3074), Blankenhagen 1318 (4002). Für Kölzow gar gibt erst das Zehntregister von 1471 die erste kirchliche Nachricht. Etwas weiter bringt uns schon der Baubefund der Kirchen, die zumeist (Kessin, Sanitz, Dänschenburg, Tessin, Kölzow, Marlow, Sülze, Ribnitz, Blankenhagen) dem Übergangsstile angehören. Freilich baute man im Osten Mecklenburgs bis an das Ende des 13. Jahrhunderts noch in diesem Stil, wie die 1288 geweihte Kirche von Vilz bei Tessin beweist 1 ). Immerhin lassen sich doch auch so schon die Kirchen von Tessin, Blankenhagen und Kölzow, für die es an Nachrichten aus dem 13. Jahrhundert ganz fehlt, auf Grund des Baubefunds mit Sicherheit für dasselbe reklamieren.

Vielleicht läßt sich aber durch eine genaue Vergleichung dieser Überganskirchen, soweit es die z. T. dürftigen Beschreibungen bei Schlie ermöglichen, untereinander vermutungsweise noch ein wenig weiterkommen. Wertvoll für diesen Zweck ist,


1) Schlie (I, 406) will freilich diese Kirche schon 1232 geweiht sein lassen. Die Nachricht, auf welche er sich hierfür stützt, stammt aus einem Protokoll von 1560, welches über eine Kirchenrestauration dieses Jahres berichtet, bei welcher die Weiheurkunde von 1288 im Altar gefunden wurde. Das Protokoll bemerkt dazu, daß also seit der ersten Weihe nunmehr "CCC und XXVIII" Jahre verflossen sein. Hier liegt offenbar entweder ein Rechen= oder ein Schreibfehler vor. Schlie entscheidet sich für letzteres, zieht 328 von 1560 ab und kommt so auf 1232 als das Jahr der ersten Weihe. Es liegt aber ein Rechenfehler vor, der noch nachzuweisen ist. Der Protokollant hat zuerst 1200 von 1500 abgezogen = 300, darauf aber statt 88 von 60 abzuziehen umgekehrt 60 von 88 = 28, was zusammen "CCC und XXVIII" gibt. Das Jahr 1288 ist also das richtige.
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daß wir zwei derselben ziemlich sicher datieren können. Die Marlower Kirche wird nach einem Ziegelstein derselben, der die Zahl 1244 trägt in diesem Jahre im Bau gewesen sein, und die kleine Kirche in Dänschenburg, deren Friedhof 1256 (2121) geweiht ward, wird damals in Angriff genommen sein. Von beiden aber zeigt die letztere in der paarweisen Zusammenfassung ihrer Schlitzfenster unter einem gedrückten Blendbogen gegenüber der ersteren, deren Fenster dieser Zusammenfassung entbehren, wie nach den Daten zu erwarten, den fortgeschrittenen Stil. Die Kirche von Sanitz mit ihren sorgfältigen Granitmauern, ihren rundbogigen und noch nicht zusammengefaßten Fenstern dagegen trägt gegenüber ihrer Filiale Dänschenberg wieder einen älteren Charakter und mag mit der von Marlow gleichzeitig sein. Auch die von Kölzow wird wenigstens im Chor desselben Alters sein, wenn auch hier die Schlitze schon die leise Zuspitzung zeigen. In Tessin scheint man in der Übergangszeit nicht über den Chor hinausgekommen zu sein, der aber vielleicht auch bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts hinaufreichen mag. Als entschieden jünger erscheint dagegen die Sülzer Kirche, die überall, nicht nur im Chor, je drei spitzbogige unter einer ebenfalls spitzbogigen Blende zusammengefaßte Schlitze hat und sonach gegenüber der von Marlow in die zweite Hälfte des Jahrhunderts zu verweisen sein dürfte. Endlich die alte Hallenkirche von Ribnitz mag, soweit die Reste es erkennen lassen, wieder mit der von Marlow als gleichzeitig gelten. Dem Stile nach würden sich also die Kirchen etwa reihen: Marlow, Sanitz, Ribnitz vor 1250, Tessin und Kölzow um 1250-60, Dänschenburg und Sülze 1256-80. Halten wir nun hiermit zunächst die übrigen Nachrichten über die Orte zusammen, so hat, wie schon oben ausgeführt, Marlow als Burgort, Amtssitz der Vogtei und Tor des Landes nach Pommern mit seinem Damm durch die Recknitzniederung und seiner Zollstätte (127, 192, 1866) die Vermutung, der älteste Kirchort des Landes neben Kessin, zu sein für sich. Auch Sanitz dürfte 1256 schon länger Pfarrort gewesen sein, da es in diesem Jahre bereits eine Filiale erhielt. Seit 1247 (591) hatte Doberan hier verschiedene Güter erworben, und wenn es nun 1256 für diese in Dänschenburg eine Kirche stiftete, und ihr kirchliches Verhältnis zu Sanitz, wohin sie bisher gehört hatten, geregelt ward, so müssen diese Güter 1247 schon kirchlich zu Sanitz gehört haben. Um die Zeit mag die Kirche gebaut worden sein. Nach der allgemeinen Beobachtung für die Kolonisationskirchspiele aber dürfen wir auch hier annehmen, daß wenigstens 20-30 Jahre

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seit der Errichtung der Kirchspiele verflossen waren, ehe man an den Bau einer steinernen Kirche ging. Dasselbe wird aber auch für die Kirche von Kölzow gelten und somit auch ihre Gründung in die zwanziger Jahre hinaufzurücken sein, wozu auf das beste stimmt, daß das Dorf schon 1233 (421) in deutschen Hufen liegt und zehntpflichtig ist, ja da Brunward seinem Neffen hier Zehnte verleiht, auch die Freijahre schon vorüber sein müssen.

Nicht so deutlich liegen die Verhältnisse für Sülze und Tessin. In ersterem war die Saline zwar schon früh in Betrieb - schon vor 1227 besaß dort Doberan einen Anteil (550) - aber noch 1267 (1124) heißt der Ort einfach "salina iuxta Marlow sita," was wenig nach selbständiger Bedeutung aussieht. Indes scheinen die Fürsten von dieser Zeit ab auf Hebung des Ortes bedacht gewesen zu sein. Wenn Borwin 1257 (808) die bischöflichen Zehnten der Sülzer Feldmark erkauft, so hängt das vielleicht schon mit der beabsichtigten Erhebung des Ortes zur Stadt zusammen, und wenn auch 1262 und 1267 (960, 1124) die "consules in Sulta" vielleicht nur als die Vertreter der Salinengenossenschaft aufzufassen sind, so sind doch 1277 (1444) die neben den consules und burgenses von Rostock auftretenden consules et burgenses de Sulta sicher die Ratmänner und Bürger des inzwischen zur Stadt erhobenen Fleckens. Freilich wollte die Entwicklung der neuen Stadt nicht recht vorwärts. Noch 1298 (2489) war sie gänzlich unbefestigt; es fehlte sogar der Stadtgraben noch. Nikolaus von Rostock kam ihr zu Hülfe, indem er durch Verlegung des Landdinges von Marlow nach Sülze, den Bau eines Kanales zwischen Recknitz und Trebel und eines Straßendammes zwischen Tribsees und Sülze den Verkehr hierhin zu ziehen suchte. Ein Pfarrer von Sülze begegnet zuerst 1276 (1412). Es scheint demnach, als ob der ungünstig im Winkel der Recknitz=Sümpfe von allen größeren Straßen abgelegene Ort trotz seiner Saline erst in den sechziger und siebziger Jahren zu größerer Bedeutung gekommen ist. Derselben Zeit wird auch die für eine Dorfkirche zu große Kirche angehören, und nun begegnet uns auch der erste Pfarrer. Erwägt man das, so möchte man annehmen, daß auch die Errichtung des Sülzer Kirchspiels erst in diese Zeit hineingehört und die jetzt stehende Kirche keine Vorgängerin gehabt hat. Freilich recht bedenklich gegen diese Vermutung macht doch der Umstand, daß das Sülzer Kirchspiel auch eine Reihe von Dörfern umfaßt. Das pflegen nachgegründete Stadtkirchspiele nicht zu tun. Ähnlich liegt es mit dem verhältnismäßig kleinen Kirchspiel Tessin. Abgesehen

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von einer Erwähnung des Ortes als castrum in der Chronik des 1253 gestorbenen Bischofs Boguphal von Posen, begegnet es erst 1301 (2748) als dänische "munitio"; 1343 (6295) heißt es "oppidum". Das ist alles. Offenbar ist Tessin erst im 14. Jahrhundert zur Stadt erhoben, übrigens der einzigen im Lande Rostock, die nicht lübisches sondern nur mecklenburgisches Landrecht hatte. Der Pfarrer tritt zuerst 1306 (3074) auf, und wenn nicht der Übergangschor der Kirche wäre, welcher in die Zeit des 13. Jahrhunderts, da der Ort noch ein Dorf war, weist, so wäre kein Zeichen höheren Alters vorhanden.

Festen Boden unter den Füßen haben wir dagegen wieder bei Ribnitz; 1233 (421) ist es Pfarre, ja wenn dem Clandrianschen Excerpt darin zu trauen wäre, sogar schon Stadt, excerpiert er doch: "aus der Stadt Ribenitz alle Zehenden, so dem Bischofe von den Bauleuten zukommen". Allein auf städtischem Boden pflegen durchweg alle bischöflichen Zehnten abgelöst resp. von den Fürsten erkauft zu sein. Mir ist keine mecklenburgische Stadt bekannt, von deren Feldmark Zehnten an den Bischof gezahlt worden wären. Macht vielleicht Clandrian unabsichtlich von seiner Zeit aus Ribnitz zur Stadt? Ein Ort von gewisser Bedeutung war es jedenfalls schon; 1210 (192) wird der Krug zu Ribnitz erwähnt. Die Landstraße von Rostock durch die Heide ins Pommersche verließ hier das Mecklenburgische (686). Auch die Übergangs=Hallenkirche redet von einer frühen Bedeutung des Ortes. Im Jahre 1252 (708) war er sicher Stadt. So mag die Pfarre 1233 schon eine Reihe von Jahren bestanden haben, zumal auch die Freijahre schon vorüber waren. Zugleich aber begegnen uns die beiden Hagendörfer Blankenhagen und Volkenshagen. Die Kirche des ersteren mit ihrem granitenen Übergangschor mag immerhin erst der Mitte oder dem dritten Viertel des 13. Jahrhunderts angehören, läßt aber auch dann auf eine in die zwanziger oder dreißiger Jahre fallende Errichtung des Kirchspiels schließen. Die Volkenshäger erst der gotischen Zeit angehörige Kirche schweigt über die Gründungszeit der Parochie; ebenso die von Bentwisch, die offenbar noch jünger als ihre erste Erwähnung (i. J. 1298) ist. Trotzdem muß letzteres, unmittelbar bis vor Rostock reichend, zu den ältesten Kirchspielen gehören. Man wäre versucht zu vermuten, daß es wie bei Alt=Wismar=Hornstorf die alte Parochie von Alt=Rostock sei, deren Kirche nach dem Eingehen dieses nach Bentwisch verlegt wurde. Allein die Annahme ist aus zwei Gründen unzulässig: einerseits gehört die Gegend vor dem Petritor, wo einst Alt=Rostock lag,

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nicht zum Bentwischer Kirchspiel, andererseits war die Kirche von Alt=Rostock, St. Clemens, 1293 (2236) schon längere Zeit eingegangen, und gehört die Bentwischer Kirche erst dem 14. Jahrhundert an. In der Zeit zwischen 1250 und 1293 hätte man sich aber bei einer solchen Verlegung nicht mehr mit einer Holz= resp. Fachwerkkirche begnügt, die dann im 14. Jahrhundert wieder ersetzt werden mußte. Wir würden einen Übergangsbau erwarten müssen. So wird die Errichtung einer Kirche in Bentwisch schon in die allererste Zeit der Besiedelung gehören, in der man sich zunächst noch mit Fachwerkbauten behalf. Man darf mit Sicherheit annehmen, daß sie schon stand, als der Ort in den Besitz von Dünamünde kam.

Werfen wir nun noch einen Blick auf die Größe und Lagerung der Kirchspiele, so fallen neben den beiden ältesten, Kessin und Marlow, die drei Sanitz, Ribnitz und Bentwisch, ersteres noch Dänschenburg, das zweite noch Kuhlrade, das dritte noch seine spätere Filiale Teutenwinkel (2589) umfassend, durch ihre Größe (15-18 Ortschaften) auf, ersteres in der Mitte des Landes die Lücke zwischen Kessin und Marlow ausfüllend, das zweite an der nördlichen Ausgangspforte nach Pommern gelegen, beide in schon zur Wendenzeit bevölkerter Gegend, das dritte in der unmittelbaren Nähe Rostocks mit seiner Nordgrenze eben in das große Waldgebiet der Rostocker Heide hineinreichend. Von ihnen unterscheiden sich deutlich erstens die drei Kirchspiele Kölzow, Tessin, Sülze, auch sie noch angelegt in Orten wendischer Herkunft - das wird vermutlich auch von Sülze gelten -, jedoch von entschieden kleinerem Umfange, ersteres seiner Lage nach aus Marlow herausgeschnitten, letzteres an der Recknitzniederung lang hingestreckt, offenbar zur Ausfüllung der Lücken an der Grenze errichtet, zweitens die beiden Hagenpfarren, das kleinere Volkenshagen und das bei weitem größere auch Rostocker=Wulfshagen wohl noch umfassende Blankenhagen in unbewohntem Waldgebiete, erst von der deutschen Einwanderung gerodet. Auch hiernach ergeben sich (neben Kessin und Marlow) Sanitz, Ribnitz und Bentwisch als die ältesten und wohl schon im Beginn der Kolonisation und bei noch dünner deutscher Bevölkerung errichteten Pfarren. Sie liegen den Kolonisationspfarren der Durchschnittsgröße Petschow, Cammin, Kavelstorf usw. genau so am östlichen Rande des besetzten Gebietes vorgelagert wie bei der ersten ratzeburgischen Kolonisation die großen Pfarren Wittenburg, Hagenow und Vellahn den Durchschnittskirchspielen jener Gegend. Im Verlauf der Kolonisation folgten dann bei dem schnellen An=

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wachsen der Bevölkerung sehr bald Kölzow und wohl auch Tessin und Sülze. Etwa zur selben Zeit waren die Einwanderer auch in das nördliche Waldgebiet eingedrungen und wurden hier die beiden Hagen=Kirchspiele oder wenigstens das größere Blankenhagen eingerichtet. Um 1233 mögen sie alle schon bestanden haben oder wenigstens in der Errichtung gewesen sein.

Und schon war die deutsche Kolonisation über die Recknitz hinaus in die vorpommerschen Landschaften gedrungen. 1 ) Hier hatte Jaromar I. von Rügen den pommerschen Fürsten das Land Tribsees entrissen, 1194 erhielt er dazu als dänischen Lehen noch Westerhusen und vielleicht Gützkow, vermochte letztere beiden jedoch auf die Dauer nicht zu halten. Auf ihn geht freilich noch die Gründung des Klosters Eldena im Lande Westerhusen zurück, wohin die dänischen Mönche von Dargun um 1199 infolge der Kriegswirren geflüchtet waren, jedoch schon 1211 scheinen hier die Pommernfürsten wieder Fuß gefaßt zu haben. Damit war es für die Diözese Schwerin verloren. Nur Tribsees mit Barth und Pütte blieb derselben.

Den Beginn der deutschen Masseneinwanderung in diese Landschaften will nun zwar Ernst (a. a. O. S. 84 ff.) schon in das 12. Jahrhundert legen: Jaromar habe eher als seine Nachbarn in Mecklenburg den Nutzen derselben eingesehen. Jedoch die Begründung dieser Aufstellung lediglich mit dem "villicus Carolus" in Bergen um 1193 ist reichlich ungenügend: ein deutscher Schulze in einem Klosterdorfe ist kein Beweis von einer durch landesherrliche Maßregeln herbeigeführten Masseneinwanderung. Dagegen darf die allerdings nicht ganz sichere Nachricht, daß die Stadt Stralsund im Jahre 1209 gegründet sei, eher als Beginn der Kolonisation gedeutet werden. Das deutsche Emporium war hier wie bei Rostock der Anfang. Jaromar starb 1217, aber sein Sohn Wizlav setzte das begonnene Werk fort, 1221 (278) ward zwischen ihm und Brunward ein Zehntvertrag vereinbart. Da etwa 6-10 Jahre nach dem Beginn der Kolonisation mit dem Ablauf der Freijahre (vergl. Bresen und Dassow) die Zehntfrage praktisch zu werden pflegte und ihre Erledigung verlangte, so läßt dieser Vertrag ebenfalls auf ca. 1210 als Beginn der Einwanderung schließen. Damit stimmt auch, daß um dieses Jahr, wie oben gesagt, die Einwanderungswelle bei Marlow bereits die mecklenburgische Ostgrenze erreicht hatte. Dieses Zehntabkommen gewährt nun einen


1) Vergl. v. Sommerfeld a. a. O. S. 139 f.
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Einblick in den damaligen Stand der Kolonisation in diesen Landschaften. Noch sind Rodungen im unbewohnten Waldlande nicht in Angriff genommen, aber man faßt sie bereits in Aussicht. Von den bisher schon bewohnten Gebieten des Landes Tribsees ist ein Teil mit deutschen Ansiedlern besetzt. Die wendische Bevölkerung ist ihnen gewichen und in den andern noch wendisch gebliebenen Teil verpflanzt worden. Doch sind auch unter den deutschen Einwanderern Wenden in so beträchtlicher Zahl wohnen geblieben, daß für sie eigene Zehntbestimmungen nötig wurden. Zur selben Zeit zeigen sich auch im Lande Barth Deutsche (312). Leider sagt die Urkunde nicht, in welchem Teil des Landes diese erste Masseneinwanderung stattfand und welcher den Wenden einstweilen reserviert blieb. Beachtet man indes, daß die Gegend von Tribsees eine Reihe von Kirchenbauten des Übergangstiles aufweist, während das Land Pütte nur die eine zu Prohn hat, und die Gegend um Grimmen in ihren Orten wendischer Herkunft gar keine, daß ferner von ersteren die beiden zu Semlow und Tribohm (Bau= und Kunstdenkmäler der Provinz Pommern I, 1 S. 51 und 59) die altertümlichsten des Landes sind und wohl noch vor die Mitte des Jahrhunderts gesetzt werden können, so dürfte die Annahme alles für sich haben, daß eben jene Gegend der Kirchspiele Tribsees, Eixen, Semlow, Tribohm die erst kolonisierte ist. Hier werden denn auch die genannten Kirchen als erste dieser Epoche errichtet sein.

Als man 10 Jahre darauf an die Gründung eines Zisterzienser=Klosters im Lande Tribsees ging, war die Einwanderung und mit ihr die Errichtung von Kirchen schon weiter vorgedrungen. Es bestand bereits eine Pfarre in Richtenberg im Waldlande. Die neue Gründung Neuenkamp ward mit dem Dorfe selbst, mit drei weiteren deutschen Dörfern und 300 Waldhufen dotiert, für die das Kloster die Kolonisationsbefugnis erhielt (Winter: Die Zisterzienser II, 239 ff.). Damit ist auch hier die Waldsiedelung inauguriert; in den vierziger Jahren finden wir sie in vollem Gange. Die urkundlichen Nachrichten über das Bestehen von Kirchen in dieser Zeit sind jedoch sehr dürftig. Außer Richtenberg sind nur die von Eixen (i. J. 1248), Barth (i. J. 1248), Prohn (i. J. 1242), Brandshagen (i. J. 1248 schon als Gründung der Vorfahren bezeichnet) bezeugt. Eine größere Anzahl läßt sich aus den Bauten des Übergangsstiles erschließen, doch werden von ihnen eine Reihe erst der späteren Waldkolonisation angehören, ohne daß sich Genaueres feststellen läßt. Ubergangskirchen sind im Lande Barth: Ahrenshagen, Barth,

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Damgarten (Bau= und Kunstdenkmäler I, 1 S. 9 f., 10 ff. 19), im Lande Tribsees: Eixen, Richtenberg, Tribohm, Neuenkirchen, Kirch=Baggendorf, Medrow, Reinberg, Stoltenhagen, Tribsees, Vorland (a. a. O. I, 1, S. 22, 46, 51, 59, 156, 221, 228, 234, 245, 248 ff., 257) im Lande Pütte: Prohn (a. a. O. S. 41) und Brandshagen (S. 196 ff.). Jedenfalls in die erste Periode der Errichtung von Kolonisationskirchen ist das große Kirchspiel Grimmen zu weisen, obgleich es urkundlich erst 1278 durch einen Pfarrer bezeugt ist (a. a. O. S. 207 ff.). Das bischöfliche Zehntregister des Landes Tribsees von ca. 1370 (in Abschrift im Archiv zu Schwerin) zählt außer Grimmen selbst drei Feldmarken und 9 Dörfer als zum Kirchspiel gehörig auf. Endlich mag auch die Kirche von Kirchdorf - 1354 "Olden Kerkdorp" genannt - bereits in unsere Periode gehören, obgleich sie urkundlich durch ihren Pleban erst 1354 bezeugt ist (a. a. O. S 223). Schon der Name des Ortes Kirchdorf bezeugt, daß seine Kirche älter ist als alle umliegenden. Jedenfalls muß sie um 1285 bereits längere Zeit bestanden haben, da damals auch Neuenkirchen schon die seine hatte (a. a. O. S. 156). Um 1232 war die kirchliche Organisation bereits so weit vorgeschritten, daß für das Land ein eigener Archidiakonat in Tribsees errichtet war, dem ein Sohn des Fürsten Wizlav, namens Jerislav, vorstand (406).

b) Die weitere Entwickelung (ca. 1235-1500).

Die Besetzung der nördlichen Hälfte Mecklenburgs mit deutschen Einwanderern war während der ersten drei Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts zu einem gewissen Abschluß gekommen. Über das ganze Land hin saßen deutsche Bauern in zahlreichen Dörfern, die teils ganz, teils wenigstens dem Kern nach deutsch waren. Die dünne wendische Bevölkerung war teils in eigene Wendendörfer zurückgedrängt worden, teils als Kossaten in den deutschen Dörfern geblieben. Hand in Hand mit dieser Einwanderung war die kirchliche Organisation gegangen. Auch sie hatte einen Abschluß erreicht. Das ganze Land, soweit es besiedelt war, war von einem wohlgeordneten und wohlverteilten System von Kirchspielen überzogen, deren ziemlich konstante Größe etwa 8-12 Ortschaften betrug und die, wie denn die Besiedelung selbst das Werk der Landesherren war, bis auf einzelne Ausnahmen auf landesherrlicher Dotation beruhten und landesherrlichen Patronates waren. Nun erst durchsetzt von einer deutschen christlichen Bevölkerung, welche etwa die Hälfte der Gesamtbevölkerung ausmachen mochte und unter dem ständigen Ein=

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fluß einer kirchlichen Erziehung durch eine einigermaßen ausreichende Pfarrgeistlichkeit, wuchs auch die wendische Bevölkerung allmählich in das Christentum hinein, war das Land christlich geworden.

Aber noch war es für weitere Einwanderung aufnahmefähig, noch harrten überall größere und kleinere Landstrecken der Hacke und des Pfluges. So ging denn die Ansiedelung deutscher Bauern, neben ihnen allerdings auch die von wendischen, noch immer fort. Allmählich füllten sich die von jener ersten großen Siedelungswelle gelassenen Lücken und wurden die noch unberührt gebliebenen Waldgebiete unter Axt und Hacke genommen. Wie nun jene erste Periode der Kolonisation dadurch charakterisiert ist, daß sie im großen ganzen als Werk der Landesherrn bezeichnet werden kann, so empfängt nun diese zweite Periode, die Zeit der Nachkolonisation, wie wir sie nennen wollen, dadurch ihren Charakter, daß sich in ihr der schon am Schlusse der vorigen immer zahlreicher in der Umgebung der wendischen Fürsten auftauchende deutsche Ministeriale, der Ritter, als Lehnsmann derselben im Lande festsetzt und an seiner Germanisierung beteiligt. Dazu kommt aber ein zweites, die Gründung zahlreicher kleiner Städte.

Dem entspricht nun auch die weitere Entwickelung der kirchlichen Organisation. Wo es sich um Waldkolonisationen größeren Umfanges handelt, da begegnen uns bisweilen noch wieder jene landesherrlichen Pfarrgründungen der vorigen Epoche. Im großen und ganzen aber ist es der Ritter, der nun auf dem Boden, auf dem er als Lehnsmann des Fürsten sitzt, zahlreiche kleine Kirchspiele errichtet, deren Patronat ihm verbleibt. Die Entwickelung verläuft auch hier ganz analog der im Bistum Ratzeburg. Wenden wir uns der Betrachtung derselben im einzelnen zu.

Im eigentlichen Mecklenburg, den Vogteien Mecklenburg, Brüel und Buckow, waren, wie wir gesehen, in der vorigen Epoche die älteren landesherrlichen Pfarren durch weitere ergänzt, ja am Schluße derselben schon ein so kleines Kirchspiel wie Russow, auch dieses noch fürstlichen Patronates, errichtet worden. Die noch bestehenden Lücken wurden nun im Laufe des Jahrhunderts durch die an der Ostgrenze des Landes im schmalen Zuge hineinziehenden ritterlichen Kirchspiele Bibow, Jesendorf, Zurow, Goldebee, Mulsow und Biendorf allmählich ausgefüllt, wozu noch ganz im Osten des Landes Brüel die Kirche von Eickelberg kam, und im Lande Buckow das Kirchspiel der Stadt Neubukow.

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Letzteres wird schon vor 1250 zugleich mit Gründung der Stadt errichtet sein. Von den übrigen begegnet zuerst 1282 Bibow (1596), dann Eickelberg (1910), zu welchem 1287 die beiden bisher in Sülten eingepfarrten Dörfer Groß= und Klein=Görnow gelegt wurden, da sie von Sülten zu entlegen waren. Der Pfarrer von Sülten ward mit einer Hufe in Penzin für den Verlust entschädigt. Dann erscheint 1321 (4255) die Kirche von Goldebee, die übrigen, Zurow, Biendorf und Mulsow, jedoch erst bedeutend später (1362-1390. 9053, Schlie II, 255, III, 496). Biendorf ist allerdings durch seine Kirche als Gründung des 13. Jahrhunderts beglaubigt (Schlie III, 534). Doch darf von allen diesen Kirchspielen angenommen werden, daß ihre Errichtung nicht allzulange nach ca. 1235 fällt, handelte es sich doch hier nicht um erst später in Angriff genommene Waldkolonisation, sondern um schon früh besetztes Gebiet. Hier aber wurde die Nachgründung ritterlicher Kirchspiele, zumal größerer, sobald die Verhältnisse feste geworden waren, durch die erforderliche Entschädigung der Mutterpfarren immer schwieriger und kostspieliger - vergleiche die eben erwähnte Entschädigung an Sülten -, daher denn die nachweislich in längst kolonisierter Gegend in späterer Zeit (um 1300) gegründeten Kirchspiele meist nur ganz klein sind, nur ein bis zwei Ortschaften umfassen - vergleiche Bössow in Breesen, Levetzow bei Teterow usw. Ja, wie wir gesehen haben, hörte die Errichtung weiterer Kirchspiele bald nach 1300 wenigstens im westlichen Mecklenburg überhaupt ganz auf. Wo sich noch Lücken fühlbar machten, begnügte man sich, wie weiter unten zu zeigen sein wird, mit der Errichtung von Filialkapellen, die im Verbande der Mutterkirche blieben. Daher ist es denn auch nicht wahrscheinlich, daß z. B. die Zurower Parochie, wie Crull und Schlie (II, 256 f.) wollen, erst mit der Erbauung der jetzigen Kirche etwa um 1330-60 errichtet ist; auch sie wird dem 13. Jahrhundert angehören. Daß uns zufällig keine Nachricht aus demselben erhalten ist, besagt wenig. Von den größeren ritterlichen Kirchspielen Bibow und Jesendorf aber darf es als nicht unwahrscheinlich gelten, daß sie schon dem Schluß der vorigen Periode angehören und etwa um 1230 errichtet sind.

Nach 1300 begegnen uns urkundlich nur noch zwei Veränderungen parochialer Verhältnisse. Einmal ward 1318 die bisherige Filialkirche von Neuburg, Dreveskirchen, zu einer selbständigen Pfarre erhoben und zwar, da sie reich genug dotiert war, um einen ständigen Pfarrer zu ernähren und zugleich den

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von Neuburg zu entschädigen, die bisherige Verwaltung aber durch meist jährlich wechselnde Kaplane der Gemeinde unzuträglich erschien (4033). Wir sehen also auch jetzt noch seelsorgerliche Motive bei der obersten Kirchenleitung, den Bischöfen, den Ausschlag geben. Solche auch waren es, die zwischen ca. 1300 und 1326 zur Verlegung der Kirche von Alt=Wismar nach Hornstorf führten. Von den der Stadt Wismar näher gelegenen Kirchspielsdörfern war im Laufe der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts eins nach dem andern der wachsenden Stadt zum Opfer gefallen, angekauft und gelegt worden - 1260 Vinckendorf, 1277 Dorsten, 1279 Dargetzow, 1323 Rickersdorf (Crull M. Jbb. 41, 125 f.). So war es gekommen, daß die Kirche von Alt=Wismar schließlich ganz außerhalb der übriggebliebenen Kirchspielsdörfer und fern von ihnen lag. Das veranlaßte ihre Verlegung in die Mitte derselben; 1326 (4789, 8 und 9) begegnet sie uns zuerst in Hornstorf; in diese Zeit weist auch der Bau der jetzigen Kirche - abgesehen von dem jüngeren Turm und der ebenfalls jüngeren Vorhalle und Sakristei, nach welchen Schlie (II, 237) den ganzen Bau in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts hinabrücken möchte. Die Kirche von Alt=Wismar, zuletzt 1282 und 1286 (1603, 1831) erwähnt, scheint dann ganz eingegangen zu sein. Erst 1475 ging man daran, auf dem alten Friedhof wieder eine Kapelle zu errichten, welche der Hornstorfer Kirche untergeordnet blieb (Crull M. Jbb. 41, 120 ff. Visit. 1534). Endlich erscheint im Jahre 1344 das früher in Sülten eingepfarrt gewesene Penzin als selbständiges Kirchspiel fürstlichen Patronates neben Brüel und Sülten (6458); 1357 (8318) wird es zwar als filia von Sülten bezeichnet, hat aber offenbar in dem Schweriner Domthesaurar einen eigenen Pfarrer, dessen Ansprüche auf jene eine Hufe in Penzin, mit welcher der Sülter Pfarrer einst für die Verkleinerung seines Kirchspiels entschädigt war, abgewiesen werden. Das Kirchlein stammt wohl aus dem 14. Jahrhundert, und mag dieses aus nur zwei Ortschaften bestehende kleine Kirchspiel wohl das jüngste von allen und erst nach 1300 errichtet sein.

Halb im Lande Mecklenburg, halb schon in der werleschen Vogtei Schwaan lag das Gebiet von Neukloster, anfangs nur von der neuklosterschen Kirche aus versorgt. Mit weiteren Erwerbungen des Klosters wuchs auch hier das Bedürfnis nach ausreichenderer Versorgung. So errichtete Neukloster auf seinem Gebiete noch zwei weitere Pfarren, und zwar in dem 1231 (385) erworbenen Nakenstorf - 1271 (1215) ist sie da -, und in

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dem 1236 (454) von Brunward geschenkten Bäbelin, welches zuerst 1306 (3079, cf. 3595) als neuklostersche Patronatspfarre erscheint. Die Kirche von Nakenstorf ist 1554 niedergerissen (Schlie III,449), die von Bäbelin aber steht noch und mag etwa dem ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts angehören (ibid. III, 465 f.).

Im linkswarnowschen Teile des Landes Rostock, zu welchem auch die Abtei Doberan gehörte, fällt wiederum zunächst das enorme Wachstum der Stadt Rostock selbst in die Augen. War am Schlusse der vorigen Epoche, um 1232, dort schon das dritte Kirchspiel, das von St. Marien, vorhanden (398), so begegnen 1260 (865) alle vier, auch das von St. Jakobi, daneben aber auch zugleich die Hospitäler zum heiligen Geist und St. Georg, schon früher die beiden Bettelklöster, St. Katharinen der Franziskaner 1243 (550) und St. Johannis der Predigermönche 1276 (761) mit ihren Kirchen. Um 1270 (1198, unechte Stiftungsurkunde) ward in der Stadt das Zisterzienserinnenkloster zum heiligen Kreuz errichtet, und 9 Jahre darauf begegnen auch Beginen in Rostock (1479). Nimmt man dazu, daß auch die beiden Klosterhöfe innerhalb der Stadtmauern, der Doberaner und Satower (977, 2012), Kapellen besaßen, in denen Gottesdienst gehalten wurde, so gewinnt man einen Eindruck von der überaus reichen kirchlichen Entwickelung der Stadt. Auch in ihrem Hafenorte, Warnemünde, ist inzwischen eine Kirche landesherrlichen Patronates (4424) erbaut; 1287 (1892) begegnet sie zuerst. Auch sie war wie ihre Nachfolgerin (3577) wohl noch eine Holzkirche.

Auch die Abtei Doberan hat die kirchliche Versorgung ihres Gebietes weiter ausgebaut. Freilich zeigt sich hier schon ein Nachlassen der Kraft. Neben den älteren Kirchen von Kröpelin und Parkentin, und der vielleicht schon der großen Kolonisationsbewegung angehörigen von Steffenshagen, war wohl bald auch in Rabenhorst eine Kirche errichtet worden für das nordöstliche Viertel des Abteigebietes; sie begegnet zuerst 1273 (1297); aber ihre Ausstattung war nicht ausreichend und das Kloster half dem Mangel nicht ab. Bischof Gottfried vereinigte sie daher mit der von Parkentin, trennte sie aber "ratione fructus uberioris", aus seelsorgerlichen Gründen, bald, 1299, wieder von dieser, um sie nun - was eigentlich gegen die Ordensregel verstieß, welche es einem Zisterzienser verbot, Pfarrdienste zu tun - der Leitung eines Mönches aus Doberan zu unterstellen, ein Notbehelf, der der reichen Abtei unwürdig war. Diese ging übrigens schon damals mit dem Plane um, die Bauern von Rabenhorst zu legen und den Ort zu einem Kloster=

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hofe zu machen (2568). Der Plan kam bald zur Ausführung: 1312 (3520) gab es in Rabenhorst keine Kolonen mehr, an ihrer statt aber stand der geplante Klosterhof bereits. Die Kirche ist mehr in die Mitte des Kirchspiels, nach Rethwisch, verlegt worden, wo neben einer grangia zahlreiche Bauern wohnten - Küster, dos und Kirchhof begegnen nun dort (ibidem). Aber auch jetzt blieb der mangelhafte Zustand bestehen, daß sie durch einen Mönch verwaltet wurde (9081), dem der Pfarrer von Parkentin in den Funktionen aushelfen mußte, welche ihm verboten waren. Sie fehlt daher auch 1320 in der Taxe der Doberaner Pfarren für an die Kurie zu leistende Abgaben (4153), denn wie das Zehntregister von 1471 bemerkt: "monachus est, nihil dat", der Mönch war abgabenfrei. 1 ) Zeigt sich so hier schon ein entschiedenes Zeichen für den beginnenden Verfall, so kam es doch in derselben Zeit zwischen 1273 und 1294 (1297 cf. mit 2300) noch in dem von Parkentin reichlich weit entfernten Stäbelow zur Errichtung einer fünften Klosterpfarre. Auch die kleine Kirche derselben mag schon aus dieser Zeit stammen.

Südlich der Abtei scheint um 1233 bei Errichtung des Rühner Archidiakonates die Kirche von Hanstorf noch nicht vorhanden gewesen zu sein; 1319 (4069) wird sie zuerst erwähnt, allein ihr alter, dem Übergangsstil angehöriger Chor zeigt, daß sie nicht allzulange nach 1233 errichtet sein muß; sie ist wahrscheinlich eine Stiftung der im Kirchspiel angesessenen Familie von Axekow. Des weiteren fehlten damals noch die beiden, ebenfalls ritterlichen Kirchspiele von Passee und Berendshagen; ersteres erscheint zuerst 1317 (3866) offenbar als erst vor kurzem begründet, denn wenn der damals noch lebende Patron der Kirche Gerhard v. Ketelhut es "gemacht hat", daß der Pfarrer von jeder Hufe des aus 5 Dörfern bestehenden Kirchspiels 1/2 Scheffel Roggen erhält, so handelt es sich dabei sicherlich um die Ausstattung der neugegründeten Kirche. Später wäre schwerlich eine derartige Abgabe aus Dörfern, die nicht alle den Ketelhuts gehörten, zustande gekommen. Derselben Zeit mag denn vielleicht auch Berendshagen angehören, über das es an Nachrichten gänzlich fehlt. Auch auf dem Gebiete der alten Pfarre Schwaan


1) Ein Irrtum ist es, daß, wie Schlie (III, 693 Anm. 7) meint, Rethwisch im Zehntregister von 1471 fehle. Es steht da, ist allerdings "Pretzwist" geschrieben, was ihn verleitet hat, an Bretwisch in Vorpommern zu denken. Doch ist dort weder in dem schwerinischen noch in dem kamminischen Teile eine Kirche nachweisbar, und das Zusammenstehen mit Parkentin, Stäbelow, Kröpelin und Steffenshagen spricht deutlich für Rethwisch.
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entstanden noch zwei neue Kirchspiele, die von Kambs und Gr.=Grenz. Ersteres ist schon 1269 (1153) vorhanden, fiel jedoch später dem Pfarrer von Schwaan wieder zu, der es zur Reformationszeit durch einen "Mietspriester" verwalten ließ. Ähnlich scheint es mit Gr.=Grenz gegangen zu sein, das 1286 (1828) noch zur Schwaaner Parochie gehörte. Das Kloster Doberan hatte hier allmählich von 1278 (1464) ab Besitz erworben und schließlich das ganze Dorf sowie das anstoßende Kl.=Grenz in seiner Hand. Aus diesen beiden und dem benachbarten zur Schwaaner Dos gehörigen Bröbberow (6450, 6455) ward das Kirchspiel gebildet; wann ist ungewiß, doch gehört die Kirche dem 14. Jahrhundert an (Schlie IV, 25). Ihre Errichtung ist somit wohl von Doberan ausgegangen. Auch sie ward wohl schon im Mittelalter wieder mit Schwaan uniert (Visitationsprot. v. 1541), wenn sie nicht von Anfang an nur eine der Mistorfer gleiche Filialstellung zu Schwaan eingenommen hat (cf. 6252). Endlich entstand in dem dem heil. Geist in Riga gehörigen Heiligenhagen eine Kirche. Der Ort ist erst nach 1244 in dem Grenzwalde zwischen Satow und Bölkow gerodet (556); 1304 (2964) hat er seine Kirche, wohl schon die kleine frühgotische, die noch heute steht und um jene Zeit gebaut sein muß, und es begegnet ein clericus indaginis Scti. Spiritus. - Nach dem Zehntregister von 1471 war es eine selbständige Pfarre. Zum Kirchspiel gehörte nur noch Klein=Bölkow.

Weit reichlicher als in den Gebieten, aus denen wir herkommen, war von Anfang an die Versorgung mit Kirchen im Stiftslande Bützow gewesen. Dennoch ward auch sie noch weiter ausgebaut. In dem Waldlande zwischen Qualitz und Bernitt ward zu Schlemmin eine weitere Pfarrkirche erbaut und schon 1264 (1017) durch Bischof Hermann von dort nach dem bei der fortschreitenden Wald=Kolonisation günstiger gelegenen Moisall verlegt. Von dem Rühner Kirchspiel ward sein rechtswarnowscher Teil abgenommen und für denselben in Zernin eine Pfarre errichtet, die zwar erst 1372 (10302) urkundlich erscheint, aber nach der kleinen frühgotischen Kirche spätestens um 1300 gegründet sein muß, auch sie bischöflichen Patronates (Schlie IV, 122). Ein wenig früher schon wird, nach dem alten Chor seiner Kirche zu urteilen (Schlie IV, 124), die Pfarre Warnow errichtet sein. Jetzt Filiale von Zernin, muß sie doch einst selbständig gewesen sein, da sie eine eigene Wedem besaß und die Pastoren für beide Kirchen von 1544-1755 dort wohnten (ibid. S. 122). Auch in dem Bützower Riesenkirchspiel ward, wenn auch nicht durch

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Teilung, so doch durch Errichtung von Filialkapellen auf bessere Versorgung gedacht. Um 1329 (5042, 5046) wurden die Kapellen von Passin und Langen=Trechow errichtet, freilich auf Wunsch und aus Schenkungen der Eingesessenen und nicht ohne daß das Bützower Domkapitel ängstlich darauf bedacht war, daß seine Einkünfte und Rechte nicht durch die Gründung irgendwie verkürzt würden. Endlich mag auch die Gründung des einzigen kleinen ritterlichen Kirchspiels im Stiftslande, Laase's, in unsere Epoche fallen. Nachrichten über dasselbe fehlen leider gänzlich und auch die kleine gotische Feldsteinkirche bietet wenig Anhalt zu genauerer Datierung.

Überschreiten wir nun die Warnow, so sind im östlichen Teil des Landes Werle wohl bald nach 1235 die beiden Pfarren Kritzkow und Alt=Güstrow errichtet, beide landesherrlichen Patronates (Visit. 1534); 1270 (1178) sind sie da, erstere durch Teilung von Hohen=Sprenz entstanden, letztere, von Lüssow abgenommen und errichtet, um an der Sprengelgrenze gegenüber der Kamminschen Domkirche von (Neu=)Güstrow, in Alt=Güstrow die schwerinschen Parochialrechte zu wahren. Infolge der Auflösung der Bistümer durch die Reformation ist sie dann überflüssig geworden und eingegangen. Weitere Kirchspiele sind hier im 13. Jahrhundert nicht mehr entstanden und auch die spätere Zeit brachte nur noch das aus 6 von Laage abgezweigten Dörfern bestehende Kirchspiel Groß=Ridsenow (jetzt mit Polchow vereinigt) hinzu. Denekin von Kröpelin errichtete im Jahre 1304 (2954) die Kapelle zu Ehren der Mutter Gottes und dotierte sie mit 2 Hufen. "Propter viarum discrimina et malum terre nostre statum et pericula diversa, que hominibus in prenominatis villis commorantibus iam pluries evenerunt", pfarrte der Landesherr 5 weitere Dörfer dorthin ein. 1 ) Ob Ridsenow von Anfang an eine selbständige Pfarre war, erhellt dabei allerdings nicht, doch erscheint es als solche im Zehntregister von 1471.

Zahlreicher sind die Nachgründungen im ostwarnowschen Teil des Landes Rostock. Der Grund ist die hier noch fortgehende Wald=Kolonisation. Den Anfang machte hier Doberan, das um 1247 (5910) im Bereich des weitausgedehnten Sanitzer Kirchspiels Erwerbungen zu machen begonnen hatte. Für dieselben errichtete es im Jahre 1256 (778) in Dänschenburg eine Kirche=


1) Irrtümlicherweise läßt Schlie (I, 472) die Kapelle erst 1373 fundiert werden. Die Urkunde 10407, auf welche er sich bezieht, hat aber mit der Kapelle nichts zu tun.
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die heute noch bestehende - zunächst als Filiale von Sanitz. Bald jedoch scheint sie in der Weise selbständig geworden zu sein, daß der Pfarrer von Sanitz nur das Patronat über die Kirche behielt, diese aber einen eigenen Rector ecclesie - nicht einen Vikar - erhielt. So begegnet es uns 1334 (5522) und im Zehntregister von 1471. Findet sich nun bei der Festlegung des neuen Kirchspiels im Jahre 1256 unter den Pfarrdörfern auch eines namens "Briholt", das in Dobraner Besitz ist (1297), ohne daß wir erfahren, wie es in denselben gekommen ist, so erhellt, daß es sich hier um eine zwischen 1247 und 1256 anzusetzende und von Doberan ausgehende Rodung im Waldlande handelt. Ebenfalls aus dem Sanitzer Kirchspiel herausgeschnitten erscheint das kleine, unter dem Patronat der gleichnamigen Familie stehende Kirchspiel von Thulendorf. Leider fehlt es an urkundlichen Nachrichten, doch scheint die arg verbaute Kirche ursprünglich noch dem Übergangsstil anzugehören und kann ihre Gründung daher nicht wohl nach 1280-90 angesetzt werden.

Wohl früher schon hatte die alte, am Rande der Rostocker Heide gelegene Kirche von Bentwisch in Teutendorf eine Filiale erhalten, die jedoch zunächst noch nicht ganz selbständig gewesen zu sein scheint. Später schenkte der Landesherr das Patronat über beide den Moltkes (2589). Da nun die Moltkes schon 1262 (6861) die Dörfer des "Teutenwinkels" von den Landesherren erworben hatten, das Patronat aber erst 1300 hinzukam, so muß die Gründung der Teutenwinkler Kirche vor ersterem Jahre angesetzt werden. Im Zehntregister von 1471 erscheint sie als selbständige Pfarre. Hier nun führte die von der Stadt Rostock ausgehende späte Wald=Kolonisation noch zur Errichtung eines völlig neuen Kirchspieles. Im Jahre 1252 (686) erwarb die Stadt das über eine Quadratmeile große Waldgebiet der Rostocker Heide. Noch war es völlig unberührter Urwald. Auch die Stadt scheint ihn zunächst noch unangetastet gelassen zu haben. Erst 1267 (1104) begegnet am Südrande der Heide die erste der Rostocker Rodungen Purkshagen (jetzt Purkshof), und noch 1296 (2366) scheint sie die einzige zu sein. Nun aber nahm die Waldrodung unter der Initiative der beiden Rövers, Arnold und Eberhard, von denen der letztere Ratsherr in Rostock war, einen kräftigen Aufschwung: 1305 ist der fast eine halbe Meile sich hinstreckende Rövershagen vom Kruge an der Landstraße nach Ribnitz (Landkrug) bis zu dem zweiten Kruge neben der neuerbauten Kirche da, und 5 Jahre darauf erscheint auch das später in Rövershagen und Wiethagen (?) aufgegangene noch größere Wasmodeshagen

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(3374). Auch dieses trägt den Namen eines Rostocker Ratsherrn. Mit der Rodung entstand auch die Kirche (2991) zu Rövershagen, aber nicht als Werk der Stadt, die sich die Sache nicht viel kosten ließ, sondern der neuen Ansiedler; diese erwarben aus eigenen Mitteln anderthalb Waldhufen zur Ausstattung ihrer Kirche, deren Patronat jedoch dem Rat anheimfiel.

Um dieselbe Zeit entstand in der Ribnitzer Gegend noch das kleine Kirchspiel von Kuhlrade, ein gemeinsames Werk des Pfarrers von Ribnitz, Werner von Axekow und der eingesessenen Familien von Moltke und Levetzow, welche die neue Kirche im Jahre 1310 mit 2 Hufen ausstatteten (3378, 3390). Das Patronat aber blieb hier wie in Sanitz u. a. O. dem Pfarrer der Mutterkirche reserviert (Zehntregister von 1471). Um durch den Fortschritt der Kolonisation neuentstandene Ortschaften handelt es sich nicht mehr. An Kuhlrade mögen sich die beiden kleinen Nachbar=Kirchspiele von Rostocker= und Kloster=Wulfshagen anschließen, über deren Gründungszeit es gänzlich an Nachrichten fehlt. Einer der beiden Orte begegnet indes schon 1233 (421). In Rostocker=Wulfshagen waren die Moltkes angesessen und haben dort 1471 das Patronat. In Kloster=Wulfshagen steht es dem Pfarrer von Marlow zu; es war also ursprünglich dorthin eingepfarrt (Zehntregister von 1471). Auch die Kirchengebäude lassen uns im Stich: das von Kloster=Wulfshagen ist ein Fachwerkgebäude und das von Rostocker=Wulfshagen spätmittelalterlich.

Endlich erübrigt noch die Kirche von Wustrow. Auf dem alten Burgwall des Swante Wustrow, der "heiligen Insel" gelegen, möchte man sie für sehr alt halten und schon der vorigen Epoche zuweisen. Allein es fehlt wiederum ganz an Nachrichten. Umgekehrt, wenn das Fischland 1328 (4964) an das neugegründete Franziskanerinnen=Kloster in Ribnitz kommt, ohne daß dabei der Kirche gedacht wird, diese sich auch 1329 (5017) nicht unter den Klosterpatronaten findet und erst 1471 im Zehntregister als Patronatskirche des Klosters auftaucht, so möchte man annehmen, daß sie erst nach 1330 von demselben aus gegründet sei, wenn man nicht in eine so späte Gründung und zumal von einem Nonnenkloster aus starke Zweifel setzen müßte.

Im rügenschen Vorpommern hatte zu Ende der vorigen Epoche Kolonisation und Kirchenerrichtung ebenfalls schon bedeutende Fortschritte gemacht. Doch fällt die Hauptarbeit in beiden Beziehungen erst in das fünfte und die folgenden Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts, wo mit dem Aufblühen der Zisterzienserklöster Eldena und Neuenkamp eine sehr umfangreiche und energische

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Waldkolonisation in Gang kam. Eine Reihe der im vorigen Kapitel genannten Übergangskirchen entstammt sicherlich erst dieser Zeit, ohne daß sich jedoch, wie gesagt, Näheres über dieselben feststellen läßt. Sicher in unsere Epoche gehören aber noch eine ganze Anzahl weiterer Kirchen. Im Lande Barth ward 1242 die Kirche von Starkow errichtet; Fürst Wizlav schenkte das Patronat derselben dem Grundherrn und Stifter Iwan von Starkow (Baudenkmäler der Provinz Pommern I, 1, 54 f.). Unmittelbar an der mecklenburgischen Grenze ward 1252 die Stadt Damgarten gegründet; mit ihr zugleich wird auch ihre Kirche errichtet sein (a. a. O. S. 19), und 1294 begegnet der Pfarrer des nördlich von Damgarten gelegenen Saal. Auch die frühgotische Kirche dieses Ortes wird bald nachher erbaut sein (a. a. O. S. 48). Endlich gehören die auf der Grenze des Übergangsstiles zum frühgotischen stehenden Kirchen von Lüdershagen und die beiden im Lande Pütte gelegenen von Gr.=Moordorf und Pütte zweifelsohne ihrer Gründung nach noch in das 13. Jahrhundert (a. a. O. S. 33, 38, 43). Im Lande Tribsees begegnet 1272 die Kirche von Tribohm (S. 59) und 1278 der Pfarrer von Grimmen (S. 207) - beide Kirchspiele werden schon der vorigen Epoche angehören -, 1272 ebenfalls der Pleban von Baggendorf (S. 221); 1293 wird das Patronat der Filialkirchen von Tribsees dem Kloster Neuenkamp überwiesen, wonach für die von Glewitz und Leplow ihre frühere Gründung feststeht - für Leplow zeugt überdies noch seine Übergangskirche -, und 1295 wird mit der Kirchhofsweihe von Drechow auch die Errichtung der dritten derselben begonnen, 1301 ist die Kirche fertig (a. a. O. S. 204, 33, 21 f.). Im Jahre 1285 kam das Patronat der beiden Kirchen von Neuenkirchen und Wyk an das benachbarte Kloster Eldena, waren also auch sie bereits vorhanden (S. 156, 171); 1295 begegnet die Kirche von Stoltenhagen und endlich 1324 der Priester von Vorland (S. 245, 254). Weiter sind außer einem Teil der schon oben aufgeführten Übergangskirchen die auf der Grenze des Übergangsstiles zum frühgotischen stehenden von Horst, Reinkenhagen und Roloffshagen (S. 219, 238, 241) spätestens im 1. Drittel des 14. Jahrhunderts erbaut, und schließlich werden die beiden nach dem Zehntregister des Landes Tribsees von ca. 1370 je 7 Ortschaften umfassenden Kirchspiele von Gristow und Niepars wegen ihrer Größe sicher noch dem 13. Jahrhundert angehören. Ihre frühgotischen Kirchen mögen freilich erst im zweiten Drittel des 14. Jahrhunderts erbaut sein (S. 215 f. 39). Auch das Kirchspiel von Pantelitz mit seinen

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5 Dörfern ist immerhin noch zu groß, um zu den jüngsten zu gehören. Zudem sind alle drei keine Hagenpfarren. Mit dem ersten Drittel des 14. Jahrhunderts erscheint auch hier die Entwickelung des Pfarrsystems als im wesentlichen abgeschlossen.

Ein Überblick über das Resultat derselben gewährt ein um 1370 verfaßtes "Registrum ecclesiarum et vicariarum archidiaconatus terre Tribuses" (in Abschrift im Archiv zu Schwerin). Dieses führt 41 Kirchspiele (Stralsund ist dabei als eines gerechnet): 1. Brandshagen, 2. Reinkenhagen, 3. Stoltenhagen, 4. Horst, 5. Reinberg, 6. Neuenkirchen, 7. Wiek, 8. Gristow, 9. Baggendorf, 10. Dorow, 11. Ludolfshagen (= Lüdershagen), 12. Moordorf, 13. Schlemmin, 14. Drechow, 15. Leplow, 16. Eixen, 17. Semlow, 18. Medrow, 19. Tribohm, 20. Pantlitz, 21. Damgarten, 22. Saal, 23. Flemendorf, 24. Hanshagen, 25. Starkow, 26. Prohn, 27. Vorland, 28. Glewitz, 29. Niepars, 30. Elmenhorst, 31. Pütte, 32. Roloffshagen, 33. Velgast, 34. Steinhagen, 35. Abtshagen, 36. Stralsund (St. Nicolai, St. Jacobi, St. Marien), 37. Voigdehagen, 38. Barth, 39. Tribsees, 40. Grimmen, 41. Richtenberg, endlich Wolfsdorf, jedoch mit der Bemerkung "filia ecclesie Rychenberg" und daher vielleicht nicht selbständig. Doch ist das Register nicht ganz vollständig; es fehlen die beiden Kirchspiele Ahrenshagen und Kirchdorf, von denen das erstere in dem gleichzeitigen schon erwähnten Zehntregister als parochia erscheint und durch seinen Übergangschor mindestens für das erste Drittel des 14. Jahrhunderts gesichert ist (Bau= und Kunst=Denkm. I, 1, S. 9), das letztere, wie oben schon erwähnt, 1354 mit seinem Pfarrer erscheint, aber schon 1285 vorhanden gewesen sein muß.

In späterer Zeit sind zu diesen 43 oder 44 Kirchspielen außer einigen Filialkapellen wie Bootstede, Kenz und Bassendorf vielleicht nur noch das von Prerow auf dem Darß, über das es keine mittelalterlichen Nachrichten gibt, gekommen. Die von Deyelsdorf und Nehringen sind erst 1606 durch Teilung der alten Parochie Dorow entstanden (a. a. O. S. 201 f.) und Zingst erhielt seine Kirche gar erst 1862.

(Fortsetzung folgt im LXXIII. Bande.)     


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III.

Die Immunität

der Kirchendiener und des Kirchenguts in Mecklenburg.

Von der Reformation
bis zum Ausgange des achtzehnten Jahrhunderts.
Mit 2 Beilagen.

Von
Ministerialdirektor z. D. Otto Raspe.

1. Der römischen Kirche war es gelungen, die Freiheit der Kleriker und der bona ecciesiastica von den öffentlichen Steuern, Abgaben, Lasten und Diensten im Deutschen Reiche zur Geltung zu bringen; 1 ) sie suchte dieses Vorrecht auch in den Territorien und Reichsstädten zu behaupten, als diese zur Selbständigkeit erstarkten und ihr Steuerwesen auszubauen begannen. Im sechszehnten Jahrhundert hoben die Reichsgesetze die Exemtionen von den Reichs= und Kreissteuern auf, immerhin wurde aber die kanonische libertas ecclesiastica noch als die gemeine, wiewohl von manchen partikularen Ausnahmen und Beschränkungen durchbrochene Regel geachtet. Auch in Mecklenburg war der Besitz der Klöster, der Kirchen und anderer geistlichen Stiftungen meistenteils von der Landbede und von dem städtischen Schosse befreit. 2 )

Hieran wurde durch die Reformation nichts geändert. Die Mecklenburgische Kirchenordnung von 1552 übergeht die Frage der kirchlichen Immunität noch mit Stillschweigen.


1) Authent. Frider. II. Item nulla communitas ad const. Cod. de episc. et cleric. 1, 3. J. H. Boehmer, jus paroch. sect. V, cap. 3. Mejer, Kirchenr. 3 A. § 169 Note 9, 10, 11. Richter, Kirchenr. 8. A. §§ 117, 304.
2) Ad. Brennecke, Die ordentl. direkten Staatssteuern Mecklenburgs im Mittelalter, Jahrb. f. meckl. Gesch. Bd. 65, S. 1 bis 122, besonders S. 3, 4, 5, 14, 44 bis 52, 70 bis 72.
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2. Zu den durch die Herzogl. Edikte von 1544 und 1560 3 ) ausgeschriebenen, vom Reiche beschlossenen Türkensteuern mußten die Stifter, Klöster, Kirchen, Kirchenfabriken, Hospitalien und andere pia corpora von ihrem beweglichen und unbeweglichen Vermögen, die Geistlichen von ihren kirchlichen Einkünften und von ihrem ererbten oder sonst erlangten Vermögen beitragen; ebenso sollten zu der im Jahre 1577 für sechs Jahre ausgeschriebenen Türkensteuer nach dem Votum der gemeinen Landschaft die Professoren, Prädikanten, Schulmeister und andere Kirchendiener beitragen. Vergebens beklagten sich hierüber im Namen der Geistlichkeit der Superintendent und das Predigtamt in Güstrow; es wurde ihnen geantwortet, daß der Reichstagsbeschluß keinen Stand ausnehme und daß die Abwehr des Erzfeindes der Christenheit ein frommes Werk sei, zu dem alle Christen, also auch die Kirchendiener - ausgenommen allein die armen Geistlichen und Schuldiener - beitragen müßten. 4 ) Hierbei blieb es aber nicht. Wie schon früher im Jahre 1553 5 ) und im Jahre 1567 6 ) bei der Erhebung von Türkensteuern geschehen war, so wurden in den Türkensteueredikten von 1583, 1594, 1596, 1597, 1599 3 ) und in dem Kreissteueredikte von 1602 3 ) die Kirchen, die übrigen pia corpora und die Kirchendiener mit Beiträgen verschont, nur die Bauern der Geistlichen sollten gleich anderen Bauern steuern. 7 )

Auf dem Sternberger Landtage vom 4. Juni und 2. Juli 1572 ließen sich die Landstände, gegen Überweisung der eingezogenen Jungfrauenklöster Dobbertin, Malchow und Ribnitz und gegen andere Zugeständnisse, dazu herbei, 400 000 Gulden landesherrlicher Schulden zur Tilgung im Wege freiwilliger Kontribution auf das Land zu übernehmen. 8 ) Dabei machten


3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
4) Archivakten, L. A. G. Foll. 117, 118, 237. Vgl. Dav. Franck, Alt. u. N. Mecklenburg XI, 6. Rudloff, Meckl. Gesch. III, 2, S. 48.
5) D. Franck X, 7, 8.
6) Edikt vom 30. Januar 1567, im Großherzogl. Archiv.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
7) Durch diese Edikte wurden die Reichs= und Kreissteuern auf den Adel nach der Zahl der Roßdienste, auf die Bauern nach Hufen, auf die Müller und Schäfer nach dem Werte ihres Hab und Gutes, auf die Bürger in den Städten nach Erben (Häusern, halben Häusern oder Buden und Kellern) umgelegt. Vergl. D. Franck XI, 98, 102, 104.
8) Die Stände hatten schon einmal, im Jahre 1555, landesherrliche Schulden übernommen und zur Tilgung derselben eine fünfjährige freiwillige Kontribution bewilligt. Spalding, öffentl. Landesverhandl. I, 11, 17. D. Franck X, 19 bis 22. Das Kontributionsedikt von 1555 liegt
(  ...  )
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sie aus, daß zu dieser Kontribution alle und jede ohne einige Exemtion, folglich auch - - - alle und jede Geistlichkeit, die Superintendenten, fürstliche Räte und Diener, Kirchendiener, Prädikanten und andere Kirchen= und Schulverwandte, Ökonomieen und alle anderen Untertanen beitragen sollten. 9 ) Diesem Verlangen entsprach die Fassung der von den Herzogen Johann Albrecht und Ulrich am 2. und 4. Juli 1572 erteilten Sternberger Reverse. Die Superintendenten Konrad Becker und Simon Pauli erhoben Beschwerde und baten, die Geistlichkeit mit dieser Landessteuer zu verschonen. 10 ) Nicht ohne Erfolg. Denn bei der Beratung über den Beitragsmodus auf dem Sternberger Landtage vom 23. September 1572 ermäßigten die Stände ihr Anverlangen dahin, daß alle - - - professores, - - - fürstliche Räte und Diener, Superintendenten, pastores, Kirchen= und Schuldiener (nur) dann, wenn sie eigentümliche Güter, Häuser, Buden, Äcker, Hufen oder andere bürgerliche Güter oder Nahrung hätten, sich anderen Bürgern, so auch dergleichen Güter hätten, gleich machen und die Kirchen= und Prädikantenbauern gleich anderen Bauern die doppelte Landbede beisteuern sollten. 9 ) Hiermit wurde also den Kirchendienern die Befreiung ihres geistlichen Einkommens von der beschlossenen Landessteuer zugestanden. Demgemäß wurde in dem Herzoglichen Kontributionsedikte vom 1. November 1572 11 ) ausgesprochen, daß "alle geistlichen Stifte,


(  ...  ) im Großherzogl. Archive nicht vor, aus dem vorhandenen monitorischen Edikte der Herzoge Johann Albrecht und Ulrich vom 30. Januar 1560 erhellt aber, daß zu dieser Kontribution auch die Geistlichen von ihrem Einkommen steuern sollten. Vgl. D. Franck X, 92, Beil. II.
9) Spalding a. a. O. I, 104, 105, 110 ff., 116. D. Franck X, 226 ff.
10) Sie beriefen sich für die Immunität der Geistlichen auf die Steuerfreiheit der Leviten, Genesis, Kap. 47, V. 22, 26, und brachten in Erinnerung, daß die Klöster und Stifte, davon den armen Predigern hätte Zulage geschehen sollen, nun, da die Prediger durch die Not der Zeit so sehr gelitten hätten und sich des Hungers nicht erwehren könnten, hinweg seien: sie wollten nicht hoffen, daß die Landschaft nun noch zu den vorigen Adlersfedern dies Unerhörte hinzutun wolle, daß die Prediger von ihrem um des Altars willen verdienten Lohn Schoß erlegen sollten, da doch andere Fürstentümer, die reichere Pfarren besäßen und noch viel größere Schulden ihrer Obrigkeit hätten abtragen müssen, die armen Prediger damit verschont hätten. Sie beriefen sich auch auf einen Brief Luthers aus dem Jahre 1541, in dem Luther es für unbillig erachtet habe, selbst die Türkensteuer, was doch mehr Schein habe, den Predigern aufzuerlegen. Diedr. Schröder, Kirchenhistorie des evangel. Mecklenb. III, 110.
9) Spalding a. a. O. I, 104, 105, 110 ff., 116. D. Franck X, 226 ff.
11) Im Großherzogl. Archiv, abgedruckt in Beilage 1.
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Klöster, Comtereien neben denen vom Adel, Bürgermeistern, Rathmannen, Bürgern und Pauren, sammt allen Professoren, fürstlichen Räthen und Dienern, Superintendenten, Pastoren, Schuldienern, so seßhaftig seind und ihre Nahrung gleich anderen Bürgern in Stetten trieben, auch die Pauren - - - - in diese Kontribution der Steuren und Hülfen, so lange die angenommene Summe unabgelegt sei, miteingezogen" wurden; der Adel, inländische und ausländische Stiftspersonen und Vorsteher sollten nach dem Maße des Saatkorns, der Korn= und Geldpächte kontribuieren, die Bürger und Einwohner der Landstädte bei der alten doppelten Landbede (Erbenmodus) bleiben und Ziese (Accise) von dem gemahlenen und verbrauten Malzkorn entrichten, die Bauern nach Hufenzahl samt Schmieden, Webern, Schneidern und Krügern auf den Dörfern die gebührliche Landbede zahlen, die Erbmüller von ihrem Vermögen, die Pachtmüller, Schäfer und Hirten vom Vieh steuern.

Nach demselben Modus wurde in den Jahren 1584 ff. und 1590 ff. gesteuert, als die Stände zum Abtrage der herzoglichen Schulden weitere freiwillige Landeshülfe bewilligten und dabei zur Bedingung machten, daß kein Stand, Amt= oder (ehemaliges) Klostergut, so in der vorigen Kontribution (von 1572 ff.) Zulage zu tun schuldig gewesen, exemt sein möge. 12 )

So hatten also die Kirchendiener in Mecklenburg am Ende des sechszehnten Jahrhunderts tatsächlich sich der Freiheit ihres geistlichen Einkommens sowohl von den Reichs= und Kreissteuern, als auch von den Landessteuern zu erfreuen und hatten zu den Landessteuern nur beizutragen, wenn sie mit eigentümlichem Grundbesitze angesessen waren oder bürgerliche Nahrung trieben. Das Kirchengut war ebenfalls von den Reichs= und Kreissteuern frei, 7 ) nur zu den Landessteuern (zur freiwilligen Kontribution) mußten die geistlichen Stiftungen gleich dem angesessenen Adel von ihrem Grundbesitze beitragen.

3. Die Mecklenb. revid. Kirchenordnung von 1602 handelt im fünften Teile Foll. 273 bis 276 von der Verpflichtung aller Christen, insonderheit der Regenten, des Adels und der Städte, zur Erhaltung der Lehre und des Predigtamtes durch Versorgung der Studien, Kirchendiener und Konsistorien Hülfe zu tun, von der Not der Prediger, von der Pflicht, das Kirchen= und Pfarrgut


12) Spalding I, 144 bis 155 (1584), I, 215 bis 226 (1590). D. Franck XI, 41, 43, 71. Kontributionsedikte von 1584 und 1590 (im Großherzogl. Archiv).
7) Durch diese Edikte wurden die Reichs= und Kreissteuern auf den Adel nach der Zahl der Roßdienste, auf die Bauern nach Hufen, auf die Müller und Schäfer nach dem Werte ihres Hab und Gutes, auf die Bürger in den Städten nach Erben (Häusern, halben Häusern oder Buden und Kellern) umgelegt. Vergl. D. Franck XI, 98, 102, 104.
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unangetastet zu lassen, beisammen zu halten und zu bessern, und von den Maßregeln, mit denen das alles ins Werk zu setzen sei. In diesem Zusammenhange heißt es Fol. 277 b:

"Damit auch die Pastorn und Prediger sammt ihren Weib und Kindern ihre Unterhaltung und Nahrung desto besser haben mögen, so wollen wir auch, das nach altem christlichen Gebrauch sie ihre privilegia und Freiheiten haben und behalten und mit keinen Schatzungen und Beschwerungen, noch ihre Küster mit einigen Hoffediensten belegt werden sollen."

und Fol. 279:

"In diesem wehrenden Gnaden Jahr mag die Witwe in der Wedeme bleiben - - -, hernach aber der Kirchenwohnungen frey genießen und die Zeit ihres Witwenstandes mit keinen Schatzungen oder anderen Beschwerungen belegt werden."

Hiermit wurde die den Kirchendienern tatsächlich bereits zugestandene Immunität zu landesgesetzlicher Vorschrift erhoben, ohne daß man zwischen Reichssteuern, Landessteuern und Kommunalsteuern unterschied; und da in der revid. Kirchenordnung Fol. 275 b ff. vorgeschrieben war, daß das Kirchen= und Stiftsgut zusammengehalten und zur Erhaltung christlicher Lehre, Kirchen, Schulen und Hospitalien angewandt werden solle, so lag es nahe, das Privilegium in Übereinstimmung mit der Regel des gemeinen Kirchenrechts auch auf die Kirchen, Kirchenökonomieen und sonstigen pia corpora auszudehnen.

4. Nach Vorschrift der revid. Kirchenordnung verschonten die Edikte vom 28. März 1604, 18. November 1611, vom Mai 1614, 19. Juli 1619, 24. April 1621 3 ) die Kirchendiener mit den ausgeschriebenen Reichs= und Kreissteuern; die bona ecclesiastica wurden ebenfalls übergangen. 13 )

Zu einer neuen freiwilligen Landeskontribution behufs Abtrages landesherrlicher Schulden kam es, nach langwierigen Verhandlungen und gegen neue den Ständen gemachte Zugeständnisse, 14 ) wieder im Jahre 1621. 15 ) Das Kontributions=


3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
13) Der Steuermodus war dem in Note 7 angegebenen Modus gleich.
14) Güstrower Reversalen vom 23. Februar 1621.
15) Spaldin, I, 535 bis 588, 588 bis 597, 597 bis 614. D. Franck XII, 259, 260. Die bis zum Betrage von 1 Million Gulden auf das Land übernommenen landesherrlichen Schulden sollten allmählich durch freiwillige Kontribution getilgt werden. Der Abtrag wurde schon nach wenigen Jahren durch die Ereignisse des dreißigjährigen Krieges unterbrochen und erst nach dem Kriege weitergeführt.
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edikt vom 28. Juni 1621, nach dem Muster des Ediktes vom 1. November 1572 11 ) entworfen und durch manche Ergänzungen 16 ) vervollständigt, sollte nach seinen Eingangsworten "alle geistlichen Stifte, Klöster, Komptereien, neben denen vom Adel, fürstlichen Räthen und Dienern, Bürgermeistern und Rhatmannen, Bürgern, Gelahrten und Professoren, auch die Bauern, Erb= und Pachtmüller in Städten und Dörfern, Witwen, Jungfrauen, Dienstbotten, Schäfer, Schäferknechte und Hirten und also alle Einwohner einbeziehen." Gleichwohl blieben die Geistlichen gemäß der Vorschrift der revid. Kirchenordnung von 1602 hiervon ausgenommen, wie sich daraus ergibt, daß bei der Aufzählung der verschiedenen Kontribuenten die im Eingange des Ediktes vom 1. November 1572 vorkommenden Worte

"Superintendenten, Pastoren, Schuldiener, so seßhaftig seind und ihre Nahrung gleich anderen Bürgern in Stetten treiben",

diesmal weggelassen wurden. - Zu der im Edikte neu hinzugefügten Kapitaliensteuer (dem halbhundertsten Pfennig von eigentümlich oder genießlich habender zinslicher Barschaft, d. i. 5 Gulden von 1000 Gulden) sollten "alle zum Eingange (des Ediktes) gedachte Personen, so mit dieser contribution beleget, Adel und Unadel, Geist= und Weltliche, Erb= und Pfandgesessene" - - - beitragen. Die Kirchendiener, die zu den im Eingange aufgezählten steuerpflichtigen Personen nicht gehörten, blieben vermöge des ihnen durch die revid. Kirchenordnung erteilten Privilegs auch von dieser Kapitaliensteuer frei. Wenn trotzdem in dem Edikte (verbis "Geist= und Weltliche") bei der Kapitaliensteuer auch Geistliche als steuerpflichtig erwähnt sind, so werden unter diesen nur die im Eingange des Ediktes genannten geistlichen Stifte und Komptereien zu verstehen sein. Man ging bei der Abfassung der Edikte davon aus, daß die Kirchendiener als gesetzlich befreite Personen von den verkündigten Steuern, auch wenn die Edikte sich einer alle Untertanen umfassenden Ausdrucksweise bedienten, frei bleiben müßten, mithin von den Steuern nur getroffen werden könnten, wenn sie in den Edikten ausdrücklich genannt würden. - Geist1iche Stifte (ein= und ausländische geistliche Stiftspersonen und Fürsteher) sollten wie


11) Im Großherzogl. Archiv, abgedruckt in Beilage 1.
16) Lohnsteuer, Erwerbssteuer Nahrung treibender Frauenspersonen, Steuer von der Mast, Halbhundertster von Kapitalien und Renten, Halbhundertster der Handelsleute von dem Betriebskapital deducto aere alieno. Edikt vom 28. Juni 1621, abgedruckt in Beilage 2.
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der "Adel" und "andere Landbegüterte" vom Grundbesitz nach dem Maße der Einsaat, der Korn= und Geldpächte steuern, sie wurden auch, da sie zu den im Eingange des Ediktes aufgeführten Steuerpflichtigen gehörten, von der Kapitaliensteuer ergriffen. 17 ) - Jeder Kontribuent sollte seine Steuer mittelst körperlichen Eides einbringen, Landräte, fürstliche Räte und Diener und Professoren bei ihren dem Landesherrn bezw. der Akademie geleisteten Eiden; die Geistlichen wurden bei der Vorschrift der Eidesleistung, da sie steuerfrei blieben, nicht erwähnt.

Der nämliche Kontributionsmodus wurde im Kontributionsedikte vom 23. November 1622 beibehalten.

5. Im Jahre 1623 war außer der nach gleichem Modus fortzusetzenden freiwilligen Kontribution noch eine Kreissteuer aufzubringen. Die Stände beschlossen deshalb, das große Erfordernis zum Teil durch eine Anleihe zu decken und im Übrigen die freiwillige Kontribution um die Hälfte zu erhöhen, wobei sie darauf drangen, daß nicht wie bei dem vorigen Edikte so viele Personen als fürstliche Diener, Prediger und Küster, die nicht eximiert sein sollten, sich ediktswidrig fast alle eximierten. 18 ) Die Herzoge Adolf Friedrich und Hans Albrecht waren mit der Aufbringung der Kreissteuer teils durch Anleihe, teils durch Erhöhung der freiwilligen Kontribution einverstanden und fügten hinzu, daß sie hiervon weder ihre Diener, Justizbeamte, Universität, Priester, Küster noch überhaupt jemand eximieren wollten, jedoch nur soviel davon zur Kreissteuer erforderlich sei. 19 ) Sie hielten also inbetreff der Befreiung der Kirchendiener von der Landessteuer an der Vorschrift der revid. Kirchenordnung fest und verstanden sich nur zur Belegung der Kirchendiener mit der Kreissteuer. Das hiernach hinausgegebene Edikt vom 15. September 1623 20 ) bestimmte, daß ein jeder, wes Standes und Wesens er sei, und also auch die fürstlichen Räte und Diener, die Professoren und Universitätsver=


17) Archivakten, Contribution Vol. II A. S. a. 1600/1623, Instruktion vom 29. November 1622 (Wismar).
18) Dieser den Kirchendienern gemachte Vorwurf ediktswidriger Steuerexemtion war nach der Fassung des Ediktes vom 28. Juni 1621 nicht begründet, wenngleich die Stände bei den voraufgegangenen Verhandlungen - Spalding I, 595 ff. - der Meinung gewesen sein mochten, daß auch die Kirchendiener zu der freiwilligen Kontribution herangezogen werden sollten.
19) Spalding I, 615 bis 647. D. Franck XII, 311, 313.
20) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin, auch abgedruckt bei D. Franck XII, 316.
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wandten, auch andere doctores, Gelehrte, Prediger und Schuldiener, Adel und Unadel, Geist= und Weltliche - - - von ihren zinsbarlichen Barschaften den hundertsten Pfennig steuern sollten, wogegen das geistliche Einkommen der Kirchendiener von keinerlei Steuer des Ediktes getroffen wurde. Hinsichtlich der Steuerpflicht der geistlichen Stiftungen verblieb es bei den Vorschriften des vorigen Ediktes (vom 28. Juni 1621), die, soweit sie nicht im Edikte abgeändert waren, generell erneuert und wiederholt wurden.

Mit Zustimmung der Stände wurden in gleicher Weise die freiwillige Kontribution und zugleich Kreissteuern durch die Edikte vom 25. Mai 1624 3 ) und vom 19. Juli 1625 3 ) verkündigt. 21 ) - Zur Erhebung einer von dem niedersächsischen Kreise behufs Defensionshülfe beschlossenen dreifachen Kreissteuer 22 ) ergingen die Edikte vom 18. Januar, 10. September und 3. Dezember 1626, 3 ) denen am 13. April 1627 3 ) noch ein Edikt folgte. Der Beitragsmodus wurde ähnlich dem Modus des Kontributions= und Kreissteuerediktes vom 15. September 1623 20 ) eingerichtet, die in den Edikten ausdrücklich genannten "Prediger und Schuldiener" mußten also von zinslicher Barschaft den Hundertsten entrichten, ebenso die neben den Predigern und Schuldienern nunmehr ausdrücklich aufgeführten geistlichen Stifte. Jeder sollte sein Gebührnis körperlich beeidigen, die Prediger sollten es aber bei ihrem christlichen Gewissen richtig einbringen. Außerdem ergingen am 22. Juli 1626 und 9. Juli 1627 3 ) Edikte zur Fortsetzung der freiwilligen Kontribution nach dem Modus des Ediktes vom 28. Juni 1621 16 ) (mit Weglassung des Hundertsten von Kapitalien und Renten im Edikte vom 22. Juli 1626). Die Kirchendiener blieben also von dieser Landessteuer frei.

6. Nun folgten die Jahre der Wallensteinschen Herrschaft und der Kriegsleiden mit ihren außerordentlichen Kontributionen. Das herzogliche Edikt vom 18. September 1627 3 ) verlangte zur Unterhaltung der in das Land eingerückten kaiserlichen Armee von den Landbegüterten und Ackerbauern in Stadt und Land Kornsteuern nach dem Modus der Aussaat und Geldsteuern von den Besitzern städtischer Erben, von Einliegern, Erbmüllern, Schäfern usw.; die Kirchendiener und die geistlichen Stiftungen wurden in


3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
21) Spalding II, 1 bis 12.
22) Spalding II, 12 bis 61. D. Franck XIII, 11.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
20) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin, auch abgedruckt bei D. Franck XII, 316.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
16) Lohnsteuer, Erwerbssteuer Nahrung treibender Frauenspersonen, Steuer von der Mast, Halbhundertster von Kapitalien und Renten, Halbhundertster der Handelsleute von dem Betriebskapital deducto aere alieno. Edikt vom 28. Juni 1621, abgedruckt in Beilage 2.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
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dem Edikte nicht erwähnt. 23 ) Wallensteins Edikt vom 9./19. Mai 1628 3 ) zur Unterhaltung der kaiserlichen Soldateska, eingerichtet nach dem Muster des Kontributions= und Kreissteuerediktes vom 15. September 1623 20 ) mit einigen Zusätzen, 24 ) erwähnt mit Ausnahme der als Landhandwerker besteuerten Küster auf dem Lande nirgends die Kirchendiener, läßt vielmehr bei der einen "jeden, - - Adel, Unadel, Geist= und Weltliche" - - ergreifenden Kapitaliensteuer die in das Edikt vom 15. September 1623 20 ) an dieser Stelle eingeschobenen Worte "und andere Gelehrte, Prediger und Schuldiener" aus. - Das Wallensteinsche Edikt vom 26. August 1628 25 ) verlangte monatliche Beiträge von 30 000 Talern zum Solde für 6600 Mann Truppen, besteuerte Höfe und Dörfer nach Pflug und Haken, in den Städten den Besitz von Erben, Pflug und Anspannung, ferner Handel, größeres Handwerk und Gewerbe nach dem Betrage des Einkaufs, belegte Einlieger, kleinere Handwerker, Glashüttenmeister mit einer gewissen Kopfsteuer, die Fischerei mit einer Steuer von der großen Wade, Einnahme aus verkauftem Brennholz mit 1 Schilling vom Faden, Kapitalien monatlich mit 1/2 %, und schrieb vor, daß sich von dieser des Landes und aller Konservation und das bonum publicum betreffenden Kontribtition niemand eximieren noch einige Behelfe, Privi1egien oder Salvaguardien dawider brauchen solle; desto mehr fällt es auf, daß die Prediger und Schuldiener nicht erwähnt und sogar bei der nach dem Muster früherer Edikte angesetzten Kapitaliensteuer ausgelassen sind. Ebenso wenig kommen Kirchendiener vor in den Wallensteinschen Edikten vom 3. September 1628 3 ) und 12. September 1629, 3 ) die zum Abtrage der von den Ständen behufs Deckung von Einquartierungskosten kontrahierten Landesschulden erlassen wurden und im wesentlichen den Beitragsmodus der Edikte von 1621 16 ) und 1623 20 ) adoptierten. 26 )


23) D. Franck erwähnt XIII, 41 noch ein Kriegssteueredikt des Herzogs Hans Albrecht vom 27. Januar 1628; im Großherzogl. Archiv ist es nicht vorhanden.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
20) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin, auch abgedruckt bei D. Franck XII, 316.
24) Namentlich Steuer von Marktstättengeldern, Accise vom Wein, Steuer der Branntweinbrenner, Besoldungssteuer der Oeconomi, Vorsteher, Richter und Zöllner, Fourage= und Kornlieferungen der Bauleute und Kossaten.
20) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin, auch abgedruckt bei D. Franck XII, 316.
25) Im Großherzogl. Archiv; auch abgedruckt in Klüver's Mecklenburg T. III, Stück 2, S. 135.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
16) Lohnsteuer, Erwerbssteuer Nahrung treibender Frauenspersonen, Steuer von der Mast, Halbhundertster von Kapitalien und Renten, Halbhundertster der Handelsleute von dem Betriebskapital deducto aere alieno. Edikt vom 28. Juni 1621, abgedruckt in Beilage 2.
20) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin, auch abgedruckt bei D. Franck XII, 316.
26) D. Franck berichtet XIII, 63, 64, daß man zur Zeit der Wallensteinschen Herrschaft ein Kataster der Landgüter und städtischen Erben zusammengestellt habe, um danach einen Steuermodus nach Hufen
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Nach dem Aufhören der Wallensteinschen Herrschaft schrieb der Herzog Adolf Friedrich durch das Edikt vom 31. Juli 1631 3 ) eine monatlich aufzubringende Kriegssteuer behufs der Soldaten und der zur Recuperierung des Landes erforderlichen Kosten aus. Der Beitragsmodus war ähnlich eingerichtet wie in dem Wallensteinschen Edikt vom 26. August 1628 27 ) und ließ gleich diesem die Prediger und Schuldiener unerwähnt. Es folgte, behufs Aufbringung der dem Könige Gustav Adolf von Schweden versprochenen monatlichen Hülfsgelder, das Herzogl. Kriegssteueredikt vom 1. August 1632, 3 ) erläutert durch das Edikt vom 8. November 1632 3 ) und erneuert durch die Edikte vom 2. Januar 1633, 15. Oktober 1633, 3. April 1634, 16. Juli 1634, 23. November 1634. 3 ) Das diesen Edikten zu Grunde gelegte Steuersystem war völlig neu; es beruhte auf dem christlichen, die durchgehende billigmäßige Gleichheit unter allen Ständen bezweckenden modus contribuendi secundum aes et libram oder nach eines jeden Vermögen. 28 ) - Im Jahre 1634 kam es wieder zur Ausschreibung


(  ...  ) und Erben zu formieren, womit man aber damals noch nicht völlig zustande gekommen sei. Vgl. Aepinus, Gesch. von Meckl. T. 2 S. 362.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
27) Hinzugefügt wurden der Viehschatz, die städtische Accise vom Mahlkorn, eine auf die Ausfuhr von Vieh, Holz, Hopfen und Malz gelegte Steuer.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
28) Edikt vom 16. Juli 1634. Nach dem modus secundum aes et libram sollten steuern:
1. den hundertsten Pfennig (10 Gulden von 1000 Gulden)
a) alle und jede Untertanen, Adel und Unadel, Bürger und Bauern, geist= und weltlichen Standes, Kloster= und Stiftspersonen, die Oeconomi, Erb= und Pfandgesessene, auch die Stadtgemeinden von zinsbarlichen Kapitalien, wovon jedoch Kirchen, Schulen, Armenhäuser und dergleichen frei bleiben sollten, wenn sie die Kapitalien nur gegen den geringen Zins von 5 % oder weniger ausgeliehen hatten;
b) die Landbegüterten, die Erbmüller und in den Städten die Besitzer von Hausgrundstücken, Gärten, Äckern, Wiesen, Kohl= und Hopfenhöfen, desgleichen die Ökonomien und die Bürger als Besitzer absonderlicher unbeweglicher Güter von dem nach der Pacht oder dem Pachtwerte festzustellenden Kapitalwerte des Grundbesitzes;
c) in den Städten die Kaufleute, Weinschenken, Buchhändler, Brauer, Apotheker, Höcker, Schlachter, Bäcker, Vieh= und Fellhändler, Handelsleute und Nahrung treibende Einwohner jeder Art von den in ihren Geschäften habenden Geldern;
2. den Viehschatz die Bauern, die Landhandwerker, Erb= und Pachtmüller, Schäfer, Glashüttenmeister, Papier= und Walk= (  ...  )
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einer Kreissteuer. Die Stände lehnten den von dem Herzoge Adolf Friedrich für den billigsten und vernünftigsten modus contribuendi gehaltenen modus secundum aes et libram ab, weil er zu viele Mängel habe und zu wenig einbringe; u. a. bemängelten sie, daß viele Personen, als fürstliche Räte, Offiziere und Diener, zu Unrecht eximiert worden seien, wobei sie die Geistlichen aber unerwähnt ließen. Nach vielen Streitigkeiten der Herzoge unter einander und mit den Ständen über den Beitragsmodus 29 ) erging das Kreissteueredikt vom 18. Dezember 1634. 3 ) Nach diesem Edikte sollte die Steuer ergreifen alle geistlichen Stifte, Klöster, Komptereien und Oeconomeyen, die fürstlichen Räte, die vom Adel, Professoren, Doktoren, Gelahrte, Bürgermeister, Räte, Stadtvoigte, die so auf Kirchhöfen, Freiheiten und an anderen bisher frei gehaltenen Orten wohnen, im gleichen auch - - - die Pauren (mit Einschluß der Ökonomie= und Pfarrbauern), Freischulzen, Erb= und Pachtmüller, Schäfer, Hirten, und niemand sollte davon eximiert sein. Die Landbegüterten mit Einschluß der landbegüterten Städte sollten diesmal nach dem Maße des ausgedroschenen Korns bezw. der Korn= und Geldpacht, ferner von ihrem Vieh, vom Verkauf von Holz, Kalk und Steinen, von Wadenzügen, von Einkünften aus Papiermühlen, jegliche Bauern, Kossaten, Hirten, Schäfer, Müller, Einlieger von ihrem Vieh steuern, Landhandwerker, Einlieger, Papier= und Walkmüller, Glashüttenmeister bestimmte Steuersätze entrichten; in den Städten sollte ebenfalls der Viehschatz


(  ...  ) müller, Bürger ohne Eigentumsacker von ihrem Vieh und von Immen, die pensionarii von ihrem Superinventar;
3. eine Kopfsteuer nach verschiedenen Sätzen die Landhandwerker, die nicht von dem Hundertsten getroffenen städtischen Handwerker, die Glashüttenmeister, Papier= und Walkmüller, Branntweinbrauer, Tagelöhner, Näherinnen und dergleichen;
4. eine Erbschaftssteuer von 5 Prozent die Erben und Vermächtnisnehmer, wenn eine Erbschaft oder ein Legat in Ermangelung von Kindern und Eltern ex testamento oder ab intestato an Kollateralen oder extranei fiel. Ein jeder sollte seine Steuerangaben beeidigen, mit Ausnahme der fürstlichen Räte mit Rücksicht auf ihren Diensteid; die Kirchendiener wurden als hiervon ausgenommen nicht erwähnt. Da dies nach dem Vorgange der Kreissteueredikte von 1626 sicher geschehen wäre, wenn die Edikte sie überhaupt zur Steuer hätten heranziehen wollen, so ist daraus zu schließen, daß sie durch die Edikte nicht getroffen werden sollten.
29) Spalding II, 268 bis 320 (Sternberger Landtag vom 9. September 1634), 320 bis 334 (Sternberger Landtag vom 6. Dezember 1634). D. Franck XIII, 147 bis 156, 163 bis 169, 171.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
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erhoben und daneben nach dem Erbenmodus von Bürgern, Einwohnern, fürstlichen Räten und Offizieren für ihre Häuser und Buden gesteuert werden. Über dies alles sollte ein jeder, wes Standes er wäre, fürstliche Räte, doctores, professores, Adel und Unadel, Welt= und Geistliche, Erb= und Pfandgesessene, pensionarii - - - für unmündige Kinder die Vormünder - von zinslichem Kapital den Hundertsten geben; desgleichen sollten die Weinschenken, Kramer, Apotheker und andere Handelsleute von ihrer im Geschäfte steckenden Barschaft deducto aere alieno den Hundertsten entrichten. Alle Steuerpflichtigen sollten ihre Angaben körperlich beeidigen. - Nach diesem Edikte mußten also die geistlichen Stiftungen von zinslichen Kapitalien und, wenn sie zu den Landbegüterten gehörten, als solche steuern. Die Kirchendiener wurden unter den zur Steuer angesetzten Personen nicht ausdrücklich aufgeführt, sie blieben vermöge der revidierten Kirchenordnung steuerfrei. 30 )

Um dieselbe Zeit wurde versucht, die im Jahre 1621 beschlossene freiwillige Kontribution zum Abtrage fürstlicher Schulden wieder aufzunehmen. Das Kontributionsedikt vom 23. November 1634, 3 ) im wesentlichen nach dem Muster des Kontributionsediktes vom 28. Juni 1621 16 ) eingerichtet, jedoch in verschiedenen Punkten abgeändert und vervollständigt, stimmte mit demselben inbetreff der Kirchendiener und Kirchengüter überein, ließ also die Kirchendiener frei von Steuer und zog dagegen die geistlichen Stiftungen zur Steuer der Landbegüterten vom Grundbesitz und zur Kapitaliensteuer heran.

Im Jahre 1635 wurde eine doppelte Steuer, nämlich eine neue Kreissteuer und eine Landeskontribution zur Befriedigung der durch die kontrahierten Kriegsschulden veranlaßten Bedürfnisse des Landkastens ausgeschrieben, wobei man im wesentlichen dem Beitragsmodus der Kontributionsedikte vom 1. November 1572 und vom 28. Juni 1621 folgte, 31 ) also die Kirchendiener überging. Nach demselben Beitragsmodus wurde auch im Jahre


30) Daß es Absicht gewesen sei, sie zur Steuer heranzuziehen, ist, ebenso wie in dem in Note 28 angeführten Falle, auch aus dem Grunde nicht anzunehmen, weil man alsdann von den Geistlichen nicht die körperliche Beeidigung ihrer Steuerangaben, sondern nur die Versicherung der Richtigkeit bei ihrem christlichen Gewissen verlangt haben würde.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
16) Lohnsteuer, Erwerbssteuer Nahrung treibender Frauenspersonen, Steuer von der Mast, Halbhundertster von Kapitalien und Renten, Halbhundertster der Handelsleute von dem Betriebskapital deducto aere alieno. Edikt vom 28. Juni 1621, abgedruckt in Beilage 2.
31) Spalding II, 335 bis 359 (1635), 359 bis 392 (1637). D. Franck, XIII, 173. 174, 175 (1635), 193 (1637) Im Großherzogl. Archiv sind Edikte aus dem Jahre 1635 bis 1648 nicht vorhanden.
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1637 eine Kriegssteuer zur Aufbringung schwedischer Kriegskontributionen ausgeschrieben. 31 )

In den folgenden Jahren bis zum westfälischen Friedensschlusse (1648) kam es in dem durch den Krieg ausgesogenen und entvölkerten Lande nicht zur Erhebung von Steuern. 32 )

In der Periode vom Erlasse der revid. Kirchenordnung von 1602 bis zum Ende des dreißigjährigen Krieges wurden also bei der Erhebung der Landeskontributionen die Kirchendiener steuerfrei gelassen; bei der Erhebung von Reichs= und Kreissteuern blieb das geistliche Einkommen der Kirchendiener ebenfalls frei, nur von zinslichem Kapitalvermögen, das die Kirchendiener außerdem noch besaßen, mußten sie mitunter (in den Jahren 1623, 1624, 1625, 1626) mitsteuern, während sie zu anderren Malen (in den Jahren 1634, 1635) auch von dieser Steuer frei blieben und selbst mit Kriegssteuern (in den Jahren 1627, 1628, 1631, 1632, 1633, 1634, 1637) verschont wurden. - Die geistlichen Stiftungen (Kirchen, Kirchenökonomieen und andere pia corpora) wurden von den Landeskontributionen nicht freigelassen, sondern mußten als Landbegüterte von ihrem Grundbesitze steuern (a. 1621, 1622, 1623, 1624, 1625, 1626, 1627, 1628, 1629, 1634, 1635) und so oft die Edikte das Kapitalvermögen besteuerten, die Kapitaliensteuer entrichten. Zu den Reichs= und Kreissteuern wurden die geistlichen Stiftungen durch die Edikte von 1604, 1611, 1614, 1619, 1621 nicht herangezogen; 13 ) anders nach den späteren Kreis= und Kriegssteueredikten.

7. Nach dem Ende des Krieges hatte Mecklenburg als Reichs= und Kreissteuer einen mehrjährigen Beitrag zu der sogenannten schwedischen Satisfaktion zu leisten, die der schwedischen Krone wegen der aus Deutschland wegzuführenden schwedischen Truppen im Osnabrücker Frieden zugesagt war. Auf dem Schweriner Landtage vom 11. Oktober 1648 beschloß man, diese Steuer in der Hauptsache durch ein nach vier Klassen (Ordnungen) der Steuerpflichtigen abgestuftes Kopfgeld (Kapitation, Standgeld oder Kopfsteuer), durch eine Viehsteuer (Viehschatz) und durch die städtische Accise vom vermahlenen oder verbrauten


31) Spalding II, 335 bis 359 (1635), 359 bis 392 (1637). D. Franck, XIII, 173. 174, 175 (1635), 193 (1637) Im Großherzogl. Archiv sind Edikte aus dem Jahre 1635 bis 1648 nicht vorhanden.
32) Nicht einmal zur Aufbringung der zur Beschickung der Friedensverhandlungen erforderlichen Kosten vermochte der Herzog Adolf Friedrich die Stände zu bewegen. Spalding II, 394 bis 422, 422 bis 455, 456 bis 483, 483 bis 502, 502 bis 530. Aepinus, Geschichte von Meckl. II, 387 bis 404.
13) Der Steuermodus war dem in Note 7 angegebenen Modus gleich.
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Malz aufzubringen; 33 ) von dieser Steuer sollten allein die Prediger, Schuldiener und Organisten nebst ihren Frauen und Kindern frei sein, selbige aber doch von ihrem Rindvieh die beliebte Gebühr entrichten. 34 ) Das Edikt vom 27. Oktober 1648 ließ sie indessen auch von dem Viehschatze frei. 35 ) Auch die geistlichen Stiftungen wurden von den verschiedenen Steuern des Ediktes nicht ergriffen, wenn sie nicht etwa als "Landbegüterte" den Viehschatz zu entrichten hatten.

8. Nachdem die satisfactio militiae Suecicae aufgebracht war, kam es im Jahre 1651 wieder zur Fortsetzung der freiwilligen Landeskontribution behufs Abtrages der im Jahre 1621 übernommenen fürstlichen Schulden, 15 ) zu denen in den Kriegsjahren noch die auf den Kredit des Landkastens aufgenommenen Landesschulden, die von den Landesherren auf die Recuperierung des Landes verwandten und von den Ständen im Betrage von 120 000 Talern übernommenen Kosten und mehrere Fräuleinsteuern hinzugekommen waren. Auf dem Schweriner Landtage vom 3. Dezember 1650 beschloß man, diese Kotitribution nach dem im Jahre 1648 beliebten Modus aufzubringen. 36 ) Das Edikt vom 28. Januar 1651 3 ) erwähnte daher die Kirchendiener an keiner Stelle, sie fehlten unter den in den vier Klassen der Kopfsteuer umständlich aufgezählten steuerpflichtigen Personen; und bei dem Viehschatze, den alle Landbegüterten, Bürger und Bauern, auch die Bauern der Oeconomeyen, Hospitalien und Pastoren, alle Pfandinhaber, pensionarii, Klöster, die Oeconomeyen und Hospitalien und sonst jeder männiglich erlegen sollten, wurden sie ebenfalls übergangen. Die geistlichen Stiftungen blieben gleichfalls frei, nur etwa als Besitzer von Vieh konnten sie von dem Viehschatze getroffen werden. Das nächste


33) Dazu kamen noch eine Gesindesteuer der Dienstboten und der dienstlosen Leute, eine Gewerbesteuer der Glashüttenmeister und der vornehmen Kaufleute, Krämer und Handwerker in den größeren Städten, eine Steuer von der Mast.
34) Spalding, II, 530, 536, 537, 542, 543, 547, 548, 554, 556, 557. D. Franck berichtet XIV, 10, daß nach dem gefaßten Beschlusse die Kirchendiener nebst ihren Frauen und Kindern von dieser Kontribution allein und sonst niemand hätten befreit sein sollen; daß sie den Viehschatz hätten entrichten sollen, erwähnt er nicht.
35) Das Edikt vom 27. Oktober 1648 liegt im Großherzogl. Archiv nicht vor. Aber aus dem vorhandenen Edikte vom 28 Januar 1651, das nach gleichem Modus wie das Edikt vom 27. Oktober 1648 ausgeschriebenen wurde, erhellt, daß die Kirchendiener auch vom Viehschatze freiblieben.
15) Spaldin, I, 535 bis 588, 588 bis 597, 597 bis 614. D. Franck XII, 259, 260. Die bis zum Betrage von 1 Million Gulden auf das Land übernommenen landesherrlichen Schulden sollten allmählich durch freiwillige Kontribution getilgt werden. Der Abtrag wurde schon nach wenigen Jahren durch die Ereignisse des dreißigjährigen Krieges unterbrochen und erst nach dem Kriege weitergeführt.
36) Spalding III, 5 bis 42, 43 bis 74. D. Franck XIV, 32, 33, 34.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
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Kontributionsedikt vom 7. November 1651 3 ) glich, bis auf einige in den vier Klassen der Kopfsteuer vorgenommene Änderungen, im wesentlichen dem voraufgegangenen, nur war hinzugefügt, daß "ein jedweder von den auf Zinsen habenden Geldern deducto aere alieno den Halbhundertsten und also fünf von tausend geben solle." 37 ) Die zum weiteren Abtrage von fürstlichen und von Landesschulden bezw. auch zur Aufbringung von Fräuleinsteuern ausgeschriebenen Kontributionsedikte von 1652, 1653, 1654, 1655, 1656, 1657 3 ) waren bis auf geringfügige Änderungen dem Edikte vom 7. November 1751 gleich. 38 ) Die Küster, die zugleich ein Handwerk oder die Krügerei betrieben, sollten nach den Edikten von 1654 ff. künftig für das Handwerk ober den Krugbetrieb steuern und die Edikte von 1655 ff. brachten den Zusatz, daß "die Pastoren so Ackerwerk in Pension oder sonsten über 50 Schafe (so ihnen zu halten frey= und zugelassen wird) entweder uff ihren eignen oder Heueracker halten oder sonsten mit anderen Leuten zur Hälfte haben, Steuren von solchen Schafen und andern zum Heueracker gebrauchenden Vieh" erlegen sollten. Dieser Zusatz hob die kirchenordnungsmäßige Steuerfreiheit der Pastoren nicht auf, enthielt vielmehr die grundsätzliche Anerkennung derselben und sollte offenbar nur dem Mißbrauche des Privilegs vorbeugen.

9. Als im Jahre 1663 wieder eine Reichssteuer (Türkensteuer) aufzubringen war und dazu der Modus des Kopfgeldes, des Viehschatzes, der städtischen Accise vom Malzkorn und des halbhundertsten beliebt wurde, verlangten die Stände, daß außer anderen bisher befreiten Personen auch der Klerus vermöge der


3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
37) Spalding, III, 75 ff, 91, 100, 101, 103, 104, 113. D. Franck XIV, 35, 45. Die Dobbertiner Klosterjungfrauen hatten sich in diesem Jahre bei den Ständen beklagt, daß sie zur Kopfsteuer herangezogen würden, obgleich sie gehofft hätten, daß sie der Privilegien des geistlichen Standes dieses Landes genießen würden, worauf die Stände beschlossen, daß, weil die geistlichen befreit wären, die Supplikantinnen gleichfalls befreit sein sollten, wenn sie aber Vieh auf den Höfen oder sonst auf dem Lande hätten, solches versteuern müßten. Spalding III, 95 Dieser Vorfall beweist wieder, daß die Kirchendiener, wenn die Edikte sie nicht ausdrücklich als steuerpflichtig aufführten, ungeachtet allgemeiner, alle Untertanen ohne Ausnahme umfassender Wendungen der Edikte, als z. B. "jedermänniglich", "jedweder", "niemand davon ausgenommen", dennoch als gesetzlich befreit angesehen wurden.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
38) Spalding, III, 126 bis 142, 142 bis 189 (a. 1653), 189 bis 237 (a. 1654), 237 bis 294 (a. 1655), 295 bis 343 (a. 1656), 343 bis 347 (a. 1657). D. Franck XIV, 46, 86 113. In dem Edikte vom 21. Oktober 1653 wurde der Halbhundertste weggelassen.
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Reichsabschiede in solchem casunecessitatis zur Beisteuer gehalten werde und demnach 1. die Superintendenten, Hofprediger, pastores und archidiaconi, 2. die diaconi und subdiaconi in den Städten, 3. die Prediger auf dem Lande wie auch die Schulbedienten und Organisten (mit Ausnahme der kundbar unvermögenden), 4. die Küster (mit Ausnahme der für ein Handwerksteuernden) in den vier Ordnungen der Kopfsteuer zu kontribuieren hätten. Die Herzoge Christian Ludwig von Mecklenburg=Schwerin und Gustav Adolf von Mecklenburg=Güstrow widersprachen und begehrten, daß die Klerisey ausbeschieden bleibe, als welche in den vorgewesenen Kriegszeiten hätte zur Stelle bleiben müssen, da andere sich hätten salvieren können, auch genug mit dem Gebet zu tun habe. - Die Stände dagegen verbaten mit Berufung auf die Reichsabschiede und auf das Beispiel der Nachbarländer die Exemtion der Klerisey. Die Herzoge erwiderten, daß die Klerisey von dem Kopfgelde ebenso wie im Jahre 1648 bei der Reichssteuer der schwedischen Satisfaktionsgelder geschehen sei, eximiert werden müsse, von ihren Dienstboten und ihrem Vieh aber mitsteuern solle, und gaben bei weiterem Widerstande der Ritter= und Landschaft dahin nach, daß für diesmal die Klerisey mitsteuern solle, jedoch citra consequentiam, maßen einem jeden Fürsten freistehe, bei Reichskontributionen in seinem Lande einen Stand auszunehmen. 39 ) Demgemäß führte das Türkensteueredikt vom 1. Dezember 1663 3 ) die Kirchendiener in den vier Klassen der Kopfsteuerpflichtigen auf, ließ bei dem Viehschatze die Bemerkung der Kontributionsedikte von 1655 ff. über das frei durchzulassende Vieh der Pastoren weg und verpflichtete zu dem Viehschatze auch die "geistlichen Personen", sowie zu dem Halbhundertsten "jedweden", fügte aber gegen Ende die Klausel hinzu:

"Weilen denn besage dieses Steuerediktes die fürstlichen Bediente und Prediger diesmal mitgezogen werden, so soll jedoch solches ohne consequentz gemeinet und nechst diesem unserer disposition und Verordnung heimgestellt werden."

Wegen dieser Klausel erhoben die Stände Beschwerde bei dem Reichshofrate.

Derselbe Streit wiederholte sich, als im Jahre 1664 wiederum eine Reichssteuer zur Türkenhülfe und eine Kreistripelhülfe aufzubringen waren. Die Stände beliebten wieder den Modus der Kopfsteuer, des Viehschatzes, der städtischen Malzaccise und des


39) Spalding III, 440, 454, 455, 460 bis 465. D. Franck XIV, 172.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
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hundertsten Pfennigs, wovon weder der Klerus noch sonst jemand ausgenommen sein sollte. Die Herzoge genehmigten zwar den Modus, verlangten aber die Eximierung des Klerus vermöge seiner habenden Immunität und schlechten Vermögenslage; sie bezogen sich dabei auf einen von den Superintendenten Preen und Janus erhobenen Protest. Die Stände widersprachen: die Kirchenordnung rede nicht von Reichs= und Türkensteuern, diese würden auch nicht von den einzelnen Reichsständen, sondern von dem Reiche angelegt, könnten also durch das Gesetz eines einzelnen Landes nicht gemehrt oder gemindert werden; nach den Reichsabschieden von 1542, 1548, 1550, 1555 sei ob commune periculum niemand ausgenommen, nicht einmal die in den Rechten noch viel mehr als die clerici begünstigten piae causae seien auszubescheiden; um aber soviel als möglich Seren. mis entgegen zu kommen, wolle man ohne rechtliche Notwendigkeit für diesmal, citra consequentiam, alles zur Begatung der Pfarrhufen erforderliche Vieh - 4 Pferde, 4 Ochsen, 4 Kühe, 12 Schafe, 12 Schweine - vom Viehschatze frei lassen. Die Herzoge erwiderten, in dem diesmaligen Falle handle es sich nicht blos um Reichssteuern, sondern auch um Kreisanlagen, auf welche die Reichskonstitutionen nicht so gerade bezogen werden könnten: was aber die Reichssteuern angehe, so fänden sich zwar in den Reichsabschieden einzelne Exempel, daß ob commune periculum alle, selbst die piae causae zu den Türkensteuern beizutragen angewiesen wären, aber bis jetzt habe kein Reichsgesetz den Klerus allgemein (in genere, semper et ubique) zu Reichs= und Kreissteuern verpflichtet, überdies redeten die Reichsabschiede, namentlich der Reichsabschied von 1542, nur von der Steuerpflicht der Kommünen, Stifter, Kapitel, Brüderschaften usw., nicht aber von der Steuerpflicht Einzelner (de certis individuis). Der Klerus bleibe daher billig bei der ihm sonst nach göttlichen und weltlichen Rechten zukommenden und in der Kirchenordnung beigelegten Immunität; und wenn nach der Absicht der Stände die Steueraufkunft, soweit sie etwa zur Türken= und Kreishülfe nicht gebraucht werde, zum Besten der Landeskasse dienen solle, so würde der Klerus auf diese Weise sogar zu den Landesbedürfnissen steuern müssen, wovon er doch exemt sei. - Die Stände ließen sich hierdurch nicht überzeugen, sie leugneten mit Berufung auf die Reichskonstitutionen von 1512, 1555, 1559 und auf die Reichsabschiede von 1564, 1566, 1572, 1654 den von den Herzogen gemachten Unterschied zwischen Reichssteuern und Kreisanlagen, die vielmehr eandem rationem necessitatis

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publicae hätten: wäre ein solcher Unterschied begründet, so würde auch der Adel eximiert sein, da er juxta imperii recessus nur zu gewissen Reichsanlagen verpflichtet, im übrigen aber ein freier Stand wäre; überdies disponierten die Reichsabschiede von 1542, 1544 u. a. ausdrücklich von Ordensleuten, ja sogar von Bettelmönchen, mithin auch von certis personis, auch wären a. 1623, 1624, 1625 ff. die professores, doctores, Prediger und geistlichen Personen in den Herzoglichen Edikten zu den Reichs- und Kreissteuern angesetzt, also sei praescripta consuetudo vorhanden; gleichwohl hätten Stände aus Respekt gegen Seren. mos diesmal den Viehschatz der Prediger um ein Großes ermäßigt; unter diesen Umständen könnten sie sich mit dem Klerus nicht in einen absonderlichen Dispüt einlassen und von der Reichs= und Landesverfassung nicht abgehen; sollten also der Klerus, die fürstlichen ministri und professores im Edikt ausgelassen werden, so müßten Stände sich die prosecution der ad aulam Caesaream interponirten appellation vorbehalten und bis zu ausgemachter Sache den Beitrag exemtorum nach dem Anschlage vorigen Jahres Seren. mis in Rechnung führen. 40 ) Das hierauf erlassene Herzogl. Edikt vom 5. Oktober 1664 3 ) schrieb einen dem Beitragsmodus des voraufgegangenen Ediktes von 1663 gleichen Beitragsmodus vor, ließ aber im Widerspruche mit den Beschlüssen der Stände die Kirchendiener, Schulbedienten, Organisten frei, indem es sie allenthalben, insbesondere aus den vier Klassen der Kopfsteuer und aus dem Verzeichnisse der Viehschatzpflichtigen wegließ; es wurde nicht einmal der den Kontributionsedikten von 1655 ff. inbetreff des Viehschatzes der Prediger eingefügte Passus (siehe oben Nr. 8 a. E.) wiederholt. 41 )

10. Im Jahre 1666 sollte zum weiteren Abtrage der übernommenen fürstlichen Schulden und der Landesschulden und zur Aufbringung von Fräuleinsteuern die freiwillige Kontribution von neuem ausgeschrieben werden. Als modus contribuendi wurde wieder die Kopfsteuer nebst dem Viehschatze, der städtischen Malzaccise und einigen geringeren Steuern 33 ) beliebt.


40) Spalding III, 525 ff., 555 bis 559, 561, 562, 565 bis 567. D. Franck XIV, 187 bis 189. Bemerkenswert ist, daß in dem Streite sowohl von den Landesherren als von den Ständen anerkannt wurde, daß nach der damaligen Rechtsansicht die piaecausae eben so sehr, ja noch mehr als die clerici privilegiert seien.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
41) Über diese Eximierung der Geistlichen beschwerten sich die Stände auf dem folgenden Rostocker Landtage vom 13. März 1666, Spalding IV, 203, 204.
33) Dazu kamen noch eine Gesindesteuer der Dienstboten und der dienstlosen Leute, eine Gewerbesteuer der Glashüttenmeister und der vornehmen Kaufleute, Krämer und Handwerker in den größeren Städten, eine Steuer von der Mast.
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Die Stände verlangten, daß auch das Priestergesinde zur Lohnsteuer herangezogen und das Priestervieh mit einer geringeren Zahl, als in den Kontributionsedikten von 1655, 1656, 1657 geschehen sei (siehe oben Nr. 8 a. E.), von dem Viehschatze frei gelassen werde. Die Herzoge widersprachen. Nach vielen Streitigkeiten gaben in Betreff der Lohnsteuer des Priestergesindes die Herzoge, in Betreff des Viehschatzes der Priester die Stände nach. Die Steuerfreiheit der Geistlichkeit (gemäß der revid. Kirchenordnung) wurde im Grundsatze nicht bestritten. 42 ) Demzufolge ließ das Kontributionsedikt vom 31. Oktober 1666 3 ) die Kirchendiener bei der Kopfsteuer weg, erklärte das Priestergesinde für lohnsteuerpflichtig und nahm in Betreff des Viehschatzes der Kirchendiener die Klausel der Edikte von 1655, 1656, 1657 (siehe oben Nr. 8 a. E.) wieder auf. Die Kirchen, Ökonomieen und sonstigen geistlichen Stiftungen mußten, wenn sie Grundbesitzer waren und Vieh besaßen, gleich anderen Landbegüterten den Viehschatz entrichten, im übrigen blieben sie kontributionsfrei. Die Kapitaliensteuer (Hundertster) blieb von nun an aus den Steueredikten weg.

Durch die Kontributionsedikte von 1667, 1668, 1669, 1671 3 ) wurde die freiwillige Kontribution zu gleichem Zwecke wie im Jahre 1666 fortgesetzt, 43 ) im wesentlichen nach Maßgabe des im Jahre 1666 angenommenen Kontributionsmodus. Die Kirchendiener blieben also frei, nur die Küster, die ein Handwerk oder Krugwirtschaft betrieben, sollten für diesen Betrieb die Kopfsteuer entrichten, und in den Edikten von 1669, 1671 erhielt die von dem Viehschatze der Prediger handelnde Klausel der Edikte von 1655 ff. (s. oben Nr. 8 a. E. S. 285), die dem Mißbrauche des Immunitätsprivilegs vorbeugen sollte, folgende abgeänderte Fassung:

- - - "wie im Gleichen die Pastoren, so über eigne 50 Schafe (welche ihnen allein auf ihren Pfarrhufen steuerfrey gelassen werden) halten oder sonst


42) Spalding IV, 3 ff., 6, 13, 106, 107, 117 bis 121, 137, 145, 147.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
43) Spalding IV, 216, 217, 218 ff., 304 bis 306, 319, 320 (a. 1667), 321 bis 352 (a. 1668), 352 bis 377 (a. 1669), 416 bis 444 (a. 1671). D. Franck XIV, 242, 259, 260. D. Franck berichtet hier, die Regierung habe in einem am 18. April 1672 an die Stadt Güstrow erlassenen Reskripte u. a. ausgesprochen, daß die im Edikte vom 28. September 1671 vorgeschriebene städtische Malzaccise von jedermann, auch von fürstlichen Bedienten (ausgenommen Prediger, Küster und Schulbediente) zu entrichten sei.
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auch mit anderen Leuten Schafe zur Helffte oder Heuracker in Pension und darauf Schafe und ander Vieh haben, wie auch die Küster, welche mehr Vieh haben, als sie auf ihrem Küstereiacker und Futter erhalten können, steuren von solchen Schafen und anderen zum Heuracker gebrauchenden Vieh in den Kasten und zwar folgender Gestalt" - - - (hier folgen die Steuersätze für die verschiedenen Arten des Viehes).

11. Im Jahre 1672 wurde eine Kreissteuer erforderlich. Da die Stände auf dem Landtage Schwierigkeiten erhoben und sich Rechte anmaßten, die ihnen nach der Meinung der Landesherren nicht zukamen, so "konnten" die Herzoge, wie es im Edikte vom 7. Februar 1672 3 ) heißt, "nicht vorbei", die Kreissteuer "aus fürstlicher Machtvollkommenheit" auszuschreiben. Nach dem Edikte sollte die Hälfte der durch das Edikt vom 28. September 1671 ausgeschriebenen freiwilligen Kontribution nach gleichem Modus als Kreissteuer erlegt werden. Und durch das Edikt vom 16. November 1672 44 ) wurde, da eine Einigung mit der Ritter= und Landschaft abermals nicht zustande kam, wiederum "aus fürstlicher Machtvollkommenheit" eine Reichs= und Kreissteuer nach demselben Modus ausgeschrieben. Die Kirchendiener wurden also in beiden Fällen übergangen und die geistlichen Stiftungen blieben ebenfalls steuerfrei, soweit sie nicht als Besitzer von Vieh gleich anderen Landbegüterten den Viehschatz zu erlegen hatten. Die Stände appellierten wegen des Verfahrens der Landesherren an den Kaiser; dieser entschied am 22. März 1673 dahin, daß die Stände die beschlossene und ihnen mitgeteilte Reichs= und Kreissteuer unweigerlich zu erlegen, die Herzoge ihrem Erbieten gemäß die Landespacta zu observieren und die dieserhalb erhobenen gravamina zu erledigen hätten. 45 )

Weitere Reichs= und Kreissteuern wurden nach Verhandlung mit den Ständen durch die Edikte vom 26. September 1673 3 ) und vom 17. September 1674 3 ) ausgeschrieben, und zwar, da die Stände sich untereinander über einen anderen modus contributionis nicht einigen konnten, auf deren Suchen "sine praejudicio" wiederum nach dem modus der letzten freiwilligen


3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
44) Im Großherzogl. Archiv; auch in Klüvers Mecklenburg T. III, Stück 2, S. 373 ff. abgedruckt.
45) D. Franck XIV, 260, 263. Die Stände hatten sich darüber beschwert, daß entgegen den Reichsgesetzen, insbesondere der Reichsexekutionsordnung von 1555 zuwider der Klerus und die Hofbedienten von der Reichs= und Kreissteuer ausgenommen seien.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
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Kontribution (vom Jahre 1671), was die Übergehung der Kirchendiener zur Folge hatte. Dasselbe gilt von der durch das Edikt vom 30. Oktober 1677 3 ) ausgeschriebenen Kreis= und Defensionssteuer; in diesem Edikte heißt es, abweichend von der Fassung der Edikte von 1669 und 1671 (s. oben Nr. 10 a. E.), daß

"Priester und Küster von dem, was sie außer ihren Pfarr= oder geistlichen Ackern oder Hufen haben",

den Viehschatz entrichten sollen. Da dies Edikt der Beliebung der Stände nicht durchweg entsprach und insonderheit rücksichtlich der Exemtion der Hofbedienten und der Klerisey über die Bewilligung der Stände hinausging, 46 ) so appellierten die Stände an den Kaiser, worauf am 30. Juni 1679 ein Mandat des Reichshofrats an den Herzog Christian Ludwig erging, zur Verkündigung von Reichs= und Kreissteuern Landtage zu halten, den Ständen nichts anderes anzumuten, als was auf Reichs=, Kreis= und Landtagen beschlossen sei und, was entgegen der Exekutionsordnung durch Eximierung der Domänen, der Geistlichen und der Hofbedienten den Klägern gegen Herkommen und pacta aufgebürdet sei, wiederum gut zu tun. 47 ) - Das zur Erhebung einer Kreissteuer erlassene Edikt vom 10. Oktober 1679, 3 ) das ohne Beratung mit den Ständen erging, "da bei den jetzigen Leufften und Begebenheiten sich die Berufung des Landtages über Verhoffen retardirte", wiederholte gleichwohl den für die Geistlichen günstigen Steuermodus des Kreissteuerediktes vom 30. Oktober 1677.

12. Die Streitigkeiten der Stände teils mit den Landesherren, teils untereinander über die Steuern, den Steuermodus, die Exemtionen und andere Angelegenheiten dauerten fort und führten zu zahllosen Beschwerden und Prozessen vor den Reichsgerichten. 48 )

Auf dem Sternberger Landtage vom 6. Oktober 1680 und auf dem Rostocker Konvokationstage vom 2. November 1681 nahmen die Herzoge das Recht, den Klerus auch von den Reichs= und Kreissteuern auszunehmen, vermöge ihrer landesherrlichen Jurisdiktion nach wie vor in Anspruch. Die Stände verharrten bei ihrem Widerspruche. 49 ) Durch das Edikt vom 13. November 1682 3 ) schrieben die Herzoge, unter Beibehaltung des für die


3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
46) D. Franck XIV, 275, 314 bis 326.
47) D. Franck XIV, 334. Justiss. decision. imperial. in causis Mecklenburg. 1746. Nr. 14 pag. 14, Nr. 17, 18 pag. 16.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
48) D. Franck, XIV, 329 bis 336 (a. 1678, 1679).
49) D. Franck, XV, 6, 8, 11, 12, 17, 21 (a. 1680); 38 bis 41, 43 bis 45, 47, 48, 63, 65 (a. 1681/82).
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
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Kirchendiener günstigen Modus des Ediktes vom 30. Oktober 1677, wieder eine Reichs= und Kreissteuer aus; in dem Edikte hieß es, daß die Stände diese Steuersache auf dem Landtage mit verschiedenen anderen Dingen aufgehalten hätten, weshalb das Edikt, ohne der Stände Belieben, nach dem seit mehr als 30 Jahren gebräuchlichen Modus ergehen müsse. 50 ) Auf dem Sternberger Landtage vom 10. Oktober 1683 stritten die Stände untereinander über den Steuermodus und über die Steuerpflicht der Geistlichen 51 ) und extradierten, wie es in dem Herzogl. Reichs= und Kreissteueredikte vom 10. Dezember 1683 3 ) heißt, den Modus so spät, daß keine Zeit blieb, ihn gebührend zu untersuchen, weshalb der alte Modus ebenso wie im voraufgegangenen Jahre wieder zur Hand genommen wurde. Nach demselben Modus wurden von dem Herzoge Christian Ludwig durch die Edikte vom 20. September 1684, 27. September 1685, 15. Dezember 1685, 5. Januar 1686 3 ) Steuern zur Aufbringung der sogen. Dänischen Gelder 52 ) ausgeschrieben.

13. Im Jahre 1686 trat in dem Streite über die Exemtion der Kirchendiener von den Reichs= und Kreissteuern eine Wendung ein. Die Türkensteueredikte des Herzogs Gustav Adolf von Mecklenburg=Güstrow vom 5. März und 27. September 1686 3 ) führten in den vier Klassen der Kopfsteuer auch die Geistlichen, Schulbedienten, Organisten und Küster als Steuerzahler auf und schrieben vor, daß der Viehschatz von allen Eingesessenen - - - Adel und Unadel, geistlichen Personen, Bürgern - - - und sonst von jedem männiglich zu entrichten sei (wie im Edikte vom 1. Dezember 1663, vgl. oben Nr. 9 S. 286), wiewohl mit der Klausel, daß dasjenige, was wegen der fürstlichen Diener und des geistlichen Standes bestimmt worden, nur pro nunc verordnet sei und nicht zur Konsequenz gezogen werden solle. Wie sehr die Heranziehung der Geistlichen


50) Die Herzoge beharrten bei der Exemtion der Geistlichen, obgleich noch kurze Zeit vorher der Kaiser auf Beschwerde der Stände durch Reskripte vom 3. und 19. Juni 1682 den Herzögen befohlen hatte, die Impetranten mit Exemtion deren Tafelgütern, cleri et aulicorum und Restanten nicht zu beschweren, widrigenfalls das von den Impetranten erbetene conservatorium erkannt werden solle. Justiss. decis. imper. in caus. Meckl. Nr. 26, 27, pag. 20, 21, Nr. 860, pag. 508.
51) D. Franck XV, 91, 93, 94, 96, 97, 101 bis 103.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
52) Vergütung für nicht genossenes Winterquartier, das a. 1676 im Kriege Dänemarks und Brandenburgs gegen Schweden der Kaiser den dänischen Truppen in dem neutralen Mecklenburg angewiesen hatte. D. Franck XV, 115 bis 119, 130, 131, 133, 141.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
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zur Reichssteuer dem Herzoge entgegen war, zeigt ein von ihm an die Superintendenten erlassenes Reskript vom 9. März 1686, in dem er verfügte, daß die Prediger zunächst nur die specificationes einschicken sollten, das Geld aber bis auf weitere Verordnung bei sich behalten könnten. 53 ) Derselbe für die Geistlichkeit ungünstige Steuermodus wurde von dem Herzog Gustav Adolf beibehalten in dem Türkensteueredikte vom 26. September 1687 3 ) und in dem "zur Kehrung der publiken Notwendigkeiten" 54 ) erlassenen Reichssteueredikte vom 26. September 1688. 3 )

In gleicher Weise wurden durch das Türkensteueredikt des Herzogs Christian Ludwig von Mecklenburg=Schwerin vom 4. März 1687 3 ) die Kirchendiener zur Kopfsteuer, sowie die geistlichen Personen, Ökonomieen und Hospitalien zum Viehschatze herangezogen. Durch das Türkensteueredikt vom 10. September 1687 3 ) adoptierte der Herzog Christian Ludwig den von der Ritterschaft gewünschten, von der Landschaft abgelehnten Steuermodus, nämlich Steuer des Adels und der Landbegüterten von der Aussaat, Kopfsteuer, Viehschatz, Steuer von der Mast und die städtische Kornaccise; zu der Kopfsteuer sollten auch die Geistlichen beitragen und den Viehschatz auch die Oekonomeyen und Hospitalien entrichten, wogegen die Geistlichen bei dem Viehschatze übergangen wurden.

In dem Reichssteueredikte d. d. Schwaan den 15. Mai 1689 3 ) "zur Kehrung der dem Lande zugestoßenen bekannten Notwendigkeiten" 54 ) und vom 23. November 1689 3 ) verkündigten die beiden Herzoge "ohne Praejudiz und Consequenz" eine Steuer des Adels und der anderen Landbegüterten von der Aussaat, die Kopfsteuer, den Viehschatz, eine Steuer von Handel und Nahrung und die städtische Malzaccise, die nun auch auf das platte Land da, wo die Landbegüterten sich des Brau= und Krugwesens bedienten, erstreckt wurde. 55 ) Nach diesem sogen. Schwaaner Interimsmodus sollten auch die Kirchendiener die Kopfsteuer erlegen und alle geistlichen Personen den Viehschatz ent=


53) Archivakten betr. Immunität der Geistlichen, die auch den Nachweis liefern, daß der Herzog Gustav Adolf schon im Jahre 1663/64 der Geistlichkeit einen ähnlichen Nachlaß gewährt hatte.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
54) D. i. zur Aufbringung der Gelder, gegen deren Zahlung Brandenburg und Lüneburg die zur Reichshülfe gegen Frankreich aufgebotenen Truppen zum Anteile Mecklenburgs zu stellen übernommen hatten. D. Franck XV, 190, 204 bis 211.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
54) D. i. zur Aufbringung der Gelder, gegen deren Zahlung Brandenburg und Lüneburg die zur Reichshülfe gegen Frankreich aufgebotenen Truppen zum Anteile Mecklenburgs zu stellen übernommen hatten. D. Franck XV, 190, 204 bis 211.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
55) D. Franck, XV, 204 bis 211, 212 bis 230.
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richten. 56 ) Dieser interimistische Modus wurde, da eine Einigung über den modus contribuendi unter den Ständen und mit den Landesherren nicht zustande kam, für die Reichs= und Kreissteuern bis zum Ende des Jahrhunderts beibehalten. 57 )

14. Zu den zwischen den Landesherren und den Ständen streitigen Gegenständen gehörte u. a. seit langen Jahren die Frage, von wem die Kosten für das stehend gewordene Militär (die sogen. Garnisons= und Fortifikationskosten), für die Beschickung der Reichs= und Kreistage (die sogen. Legationskosten) und für das Reichskammergericht (die sogen. Kammerzieler) aufzubringen seien. Die Stände verweigerten Beiträge zu diesen Kosten mit Berufung auf die ihnen durch die Landesreversalen von 1572 und 1621 versicherte Steuerfreiheit und auf den Osnabrücker Frieden, der die territorialen Rechte und Gewohnheiten anerkannt habe. Die Landesherren konnten dagegen geltend machen, daß die Untertanen nach dem jüngsten Reichsabschiede von 1654 §§ 14, 180 zu den Kammerzielern und zu den Garnisons= und Fortifikationskosten und nach dem Kaiserlichen Kommissionsdekrete vom 19. Juli 1670 58 ) zu den Legationskosten den Fürsten Beiträge zu leisten hätten, die für die Untertanen ebenso verbindlich seien, wie die unmittelbar für das Reich ausgeschriebenen Steuern.


56) Wie die Streitigkeiten der beiden Stände untereinander über den modus contribuendi fortdauerten, so wurde auch der Streit mit den Landesherren über die Exemtion der Kirchendiener von den Reichs= und Kreissteuern noch immer fortgesetzt und im Prozesse verhandelt. Durch ein Schweriner Regierungsreskript vom 13. November 1690 wurde dem Superintendenten Kempe in Parchim mitgeteilt: bekanntlich habe die Ritter= und Landschaft auf Heranziehung der Klerisey zu den Reichs= und Kreissteuern gedrungen, habe abermals deswegen bei dem Reichshofrat geklagt und decreta erlangt, daß der Klerus nicht eximiert sein solle, weshalb der Superintendent im Vernehmen mit den Predigern seiner Inspektion seine Notdurft vorzutragen habe, um als Intervenient aufzutreten. Archivakten betr. Immunität der Geistlichen.
57) So in den Reichssteueredikten der Herzoge Christian Ludwig und Gustav Adolf vom 23. Septbr. 1690, vom 9. Septbr. 1691, in den Reichssteueredikten der Herzoge Friedrich Wilhelm und Gustav Adolf vom 6. Oktbr. 1692, 3. Oktbr. 1693, 8. Oktbr. 1694 und nach dem Aussterben der Güstrower Linie in den Reichssteueredikten des Herzogs Friedrich Wilhelm vom 28. Oktbr. 1695, 26. Septbr. 1696, 27. Oktbr. 1697 und in den Reichssteueredikten der Güstrower Interimsregierung vom 7. Oktbr. 1696, 27. Septbr. 1697, - sämtlich im Großherzogl. Archiv Schwerin vorhanden. Vgl. D. Franck XV, 245, 247 (a. 1690), 257 1691), XVI, 5, 9 bis 12 ff., 21 (a. 1692), 27, 28, 30 (a. 1693), 33, 40, 41 (a. 1694), 46, 47, 56 (a. 1695), 60, 61 (a. 1696), 81, 82 (a. 1697).
58) Boehlau, Fiskus, S. 83 Note 238, 239.
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Diese Streitfrage wurde vor dem Reichshofrate in einem Prozesse verhandelt. Noch vor der Beendigung desselben erwirkte der Herzog Christian Ludwig einen aus dem Geheimen Rate des Kaisers am 6. Februar 1689 an die Ritter- und Landschaft erlassenen Befehl, die Garnisonskosten für die Festung Dömitz zu erstatten. Die Stände protestierten hiergegen mit der Einrede der Litispendenz; 59 ) dies hielt aber den Herzog nicht ab, am 4. April 1690 3 ) ein Edikt zur Aufbringung von Reichs= und Kreissteuern, item von Garnisonskosten nach dem Schwaaner Interimsmodus zu verkündigen. Nach demselben - für die Kirchendiener ungünstigen - Modus wurden ohne Bewilligung der Stände Steuern zur Aufbringung der Garnisons=, Fortifikations= und Legationskosten und Kammerzieler wiederholt ausgeschrieben, so durch das Edikt des Herzogs Christian Ludwig vom 16. März 1691, 3 ) durch die Edikte seines Nachfolgers, des Herzogs Friedrich Wilhelm, vom 11. Januar 1693, 10. Januar 1694, 3. November 1696 und vom 6. November 1697, 3 ) von denen die drei letzten zugleich auf Erhebung von Fräuleinsteuern gerichtet waren. 60 )

Nach langwierigem Streite wurde durch das Urteil des Reichshofrats vom 7. Juli 1698 die Ritter= und Landschaft schuldig erkannt, zu den Garnisons= und Fortifikationskosten, desgleichen zu den Legationskosten und Kammerzielern zu steuern. 61 ) Auf Grund dieses Urteils, das die Stände mit dem Rechtsmittel


59) D. Franck XV, 235, 245.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
60) D. Franck XVI, 23 bis 35. Nachdem die Landesverteidigung von dem Reiche den Reichsständen übertragen war, gehörte das Garnisions= und Fortifikationswesen zu den Aufgaben des landesherrlichen Regiments; die Beiträge zu den Garnisons= und Fortifikationskosten und ebenso zu den Legationskosten und Kammerzielern hätten also als Landessteuern behandelt werden müssen, mithin wären nach der revid. Kirchenordnung die Kirchendiener von ihnen auszunehmen gewesen. Da aber das jus collectandi in Betreff dieser Beiträge auf die Reichsstände durch Reichsbeschluß übertragen war (vgl. Boehlau, Fiskus, S. 83), so wurden die für solche Zwecke auszuschreibenden Steuern den Ständen gegenüber als Reichssteuern behandelt und als solche, gleich den sonst vorkommenden Reichs= und Kreissteuern, nach dem Schwaaner Interimsmodus auch auf die Kirchendiener erstreckt. - Von den gleichzeitig ausgeschriebenen Fräuleinsteuern, also Landessteuern, für die in dem Güstrower Reverse vom 23. Februar 1621 die alte einfechtige Landbede vorgeschrieben war, hätten die Kirchendiener nach der Vorschrift der revid. Kirchenordnung freibleiben müssen. Wenn diese Vorschrift unbeachtet blieb, so geschah es vermutlich deshalb, um bei der Schwierigkeit der Verhandlung mit den Ständen die Ausschreibung einer besonderen Steuer zu vermeiden.
61) D. Franck XVI, 87, 95. Justiss. decis. imperial. Nr. 72, 74.
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der Revision anzufechten suchten, schrieb der Herzog Friedrich Wilhelm durch die Edikte vom 5. November 1698, 24. November 1699, 21. Oktober 1700 3 ) Steuern aus, 62 ) die wieder nach dem für die Kirchendiener ungünstigen Schwaaner Interimsmodus aufgebracht werden sollten; jedoch wurde in den beiden letzten Edikten das Vieh der Prediger und Küster als an sich steuerfrei anerkannt und nur eine Verzeichnung desselben zur Verhütung von Unterschleifen gefordert.

Wegen der Höhe dieser Steuern kam es zwischen dem Herzoge und den Ständen zu neuen Streitigkeiten, die unter Leitung des vom Kaiser zum Kommissarius bestellten Generals Gschwind von Peckstein durch den bekannten Gschwindschen oder Schweriner Vergleich vom 16. Juli 1701 vorläufig abgetan wurden. 63 ) Durch diesen Vergleich wurde der jährliche Beitrag des Landes zu den Garnisons= und Fortifikationskosten sowie zu den Legationskosten und Kammerzielern zu 120 000 Reichstalern N 2/3 festgesetzt, mit der Einschränkung, daß eine Ermäßigung bis zu 70 000 Talern eintreten sollte, wenn in einem Jahre zugleich mit dieser Steuer Reichs= oder Kreissteuern zu entrichten sein würden. In den Vergleiche wurde außerdem ausdrücklich bestimmt, daß von den Reichs= und Kreissteuern niemand befreit sei, sondern, wie es die Reichskonstitutionen wegen der Hofbedienten, des Klerus und der Gerichtsverwandten beliebten, so solle es hierin auch ferner gehalten werden. Dadurch wurde der langjährige Streit über die Exemtion der Geistlichkeit von den Reichs= und Kreissteuern zu ungunsten der Kirchendiener entschieden. Die verglichene Steuer zu den Garnisons=, Fortifikations=, Legationskosten und Kammerzielern wurde in dem Vergleiche nicht mehr als Reichssteuer, 60 ) sondern nunmehr als Landessteuer behandelt, indem von dieser Steuer Exemtionen ausdrücklich unter der Bedingung zugelassen wurden, daß der Herzog keine anderen Personen befreien dürfe, als solche, welche de jure eximiert seien. Zu den de jure eximierten Personen gehörten aber nach der revid. Kirchenordnung


3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
62) "wegen Notwendigkeit und Konservierung des Etats" (1698) und "zu den Erfordernissen der publiquen Landesangelegenheiten" (1699 und 1700). D. Franck XVI, 87, 88, 89, 95 (1698), 92, 93 (1699), 100, 101 (1700).
63) D. Franck, XVI, 107 bis 118. Der Gschwindsche Vergleich ist gedruckt bei Hartwig Lübke, Schwerin 1702 und abgedruckt in Jur. Mecklenburg. Neubrandenburg, S. 55 ff.
60) D. Franck XVI, 23 bis 35. Nachdem die Landesverteidigung von dem Reiche den Reichsständen übertragen war, gehörte das Garnisions= und Fortifikationswesen zu den Aufgaben des landesherrlichen Regiments; die Beiträge zu den Garnisons= und Fortifikationskosten und ebenso zu den Legationskosten und Kammerzielern hätten also als Landessteuern behandelt werden müssen, mithin wären nach der revid. Kirchenordnung die Kirchendiener von ihnen auszunehmen gewesen. Da aber das jus collectandi in Betreff dieser Beiträge auf die Reichsstände durch Reichsbeschluß übertragen war (vgl. Boehlau, Fiskus, S. 83), so wurden die für solche Zwecke auszuschreibenden Steuern den Ständen gegenüber als Reichssteuern behandelt und als solche, gleich den sonst vorkommenden Reichs= und Kreissteuern, nach dem Schwaaner Interimsmodus auch auf die Kirchendiener erstreckt. - Von den gleichzeitig ausgeschriebenen Fräuleinsteuern, also Landessteuern, für die in dem Güstrower Reverse vom 23. Februar 1621 die alte einfechtige Landbede vorgeschrieben war, hätten die Kirchendiener nach der Vorschrift der revid. Kirchenordnung freibleiben müssen. Wenn diese Vorschrift unbeachtet blieb, so geschah es vermutlich deshalb, um bei der Schwierigkeit der Verhandlung mit den Ständen die Ausschreibung einer besonderen Steuer zu vermeiden.
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die Kirchendiener. - Der Vergleich wurde vom Kaiser am 2. Juni 1702 konfirmiert. 64 )

15. Gleichzeitig mit dem Abschlusse des Gschwindschen Vergleiches wurden zahlreiche herzogliche resolutiones, durch welche teils ältere ständische Beschwerden in den Jahren 1684 bis 1686 abgetan waren, teils neu hinzugekommene gravamina erledigt wurden, als Landeskonstitutionen herausgegeben. Ein älteres gravamen betraf die Steuerpflichtigkeit der geistlichen Grundstücke in den Städten. 65 )

In den Kriegsdrangsalen des 17. Jahrhunderts waren nämlich viele städtische Erben wüst geworden und die Not der Bürger war groß; so konnte es leicht geschehen, daß geistliche Stiftungen, um Befriedigung für gewährte Darlehn, Zinsen oder sonstige Forderungen zu erlangen, schoßpflichtige Grundstücke der Bürger durch adjudicatio, in solutum datio oder Kauf erwerben mußten; für diese bona acquisita nahmen sie die Freiheit von städtischen Realsteuern in Anspruch, woraus zu schließen ist, daß ihnen die Steuerfreiheit ihres älteren Grundbesitzes nicht bestritten wurde. Häufige Fälle dieser Art waren es, welche die Stände vor Augen hatten, als sie sich in den Jahren 1681 ff. darüber beschwerten, daß in den meisten Städten die Oekonomeyen die größten Teile der Äcker an sich gebracht hätten, sie dem gemeinen oneri entzögen, sich auch weigerten, den gewöhnlichen Schoß von sothanen Äckern als ein onus fundo inhaerens abzustatten, wodurch die notwendigen Einkünfte der Städte verkürzt und die Städte nimmer wieder angebauet werden könnten, sondern, da sie sothane Äcker wieder heuren müßten, in weitere Schulden gerieten, ruiniert und verwüstet würden (grav. eccles. vom 16. Juli 1701 Nr. 5). In ähnlicher Weise beklagte sich die Stadt Sternberg darüber, daß die Kirchen, Oekonomeyen und Hospitalien von denen "an sich gebrachten, zu Stadtrecht liegenden Gütern und Äckern" den Schoß abzuführen sich weigerten (grav. spec. Suerin. de 26. May Nr. 9) und die Stadt Parchim beschwerte sich ebenfalls, daß von denen "wüsten" Stätten, so den Geistlichen "in solutum zugeschlagen worden", kein Schoß erleget werden wolle (grav. specialiss. Suerin. Nr. 5. "Imgleichen").


64) D. Franck, XVI, 130.
65) Resolutionen des Herzogs Friedrich Wilhelm vom 16. Juli 1701 P. G. S. III, 119 ff. D. Franck XV, 30, 50. Landtagsakten regim. Suerinensis de 1681 bis 1682, de 1684 (Verhandlungen vor der Kaiserlichen Kommission), de 1686 (im Großherzogl. Archiv zu Schwerin).
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Die Herzogl. resolutio ad grav. eccles. Nr. 5 verhieß, daß den Oekonomeyen und anderen geistlichen Stiftungen nach Recht und Billigkeit auferlegt werden solle, wegen "an sich gebrachter" Städte=Äcker oder Häuser den Schoß nach Proportion und andere onera realia hinkünftig abzuführen, und daß wegen des Praeteriti beiden Teilen gerichtliche Ausmachung verstattet werde. Auf die Beschwerde der Stadt Sternberg wurde, unter Verweisung auf die ad grav. eccles. Nr. 5 allbereit erteilte resolutio bestimmt, daß solche "adjudicirte" Güter und Äcker den Kirchen, Oekonomeyen und Hospitalien notwendig cum onere zufallen müßten. Auf die gleiche Beschwerde der Stadt Parchim wegen der in solutum zugeschlagenen wüsten Stätten erging keine weitere besondere Resolution.

Über die Frage also, ob die geistlichen Stiftungen pro praeterito berechtigt gewesen seien, die libertas ecclesiastica auch für die von ihnen aus bürgerlichem Besitze erworbenen schoßpflichtigen Grundstücke in Anspruch zu nehmen, gaben die Landesherren keine Entscheidung ab, sondern verwiesen diese Frage zur gerichtlichen Ausmachung; sie entschieden nur, was inbetreff der Steuerpflicht solcher bona acquisita pro futuro Rechtens sein sollte. Die Frage, ob der ältere Grundbesitz der pia corpora, also insbesondere der als dos gestiftete Grundbesitz der pia corpora steuerpflichtig sei, wurde nicht berührt. Hinsichtlich dieses Grundbesitzes der pia corpora war von den Ständen keine Beschwerde wegen Steuerverweigerung geführt und die Heranziehung dieses Grundbesitzes zu den städtischen Steuern wurde nicht verlangt; daher wurden die resolutiones in Verbindung mit den ständischen Beschwerden von Anfang an als Bestimmungen betrachtet, durch welche die Immunität der Dotalgrundstücke der pia corpora für Mecklenburg mittelbar gesetzliche Anerkennung gefunden habe. 66 )


66) Anders sind die resolutiones ad grav. eccles. Nr. 5 und ad grav spec. Suerin. de 26. May Nr. 9, die später dem § 498 des LGGEB. als Grundlage dienten, in Sachen der Kirchenökonomie zu Friedland gegen den Magistrat daselbst wegen Zurückgabe zu Unrecht erhobener Realsteuern von der Justiz=Kanzlei in Neustrelitz und von dem Oberlandesgerichte in Rostock ausgelegt worden. Nach dem von der Rostocker Juristenfakultät verfaßten Urteile der Justiz=Kanzlei (1879) wird durch die resolutiones erwiesen, daß die Städte den Ökonomien gegenüber keineswegs blos die bona acquisita, sondern alle zu Stadtrecht liegenden Äcker, welche von den Ökonomien an sich gebracht, d. h. aus irgend welchem Grunde aus bürgerlichen Händen in ihr Eigentum gekommen waren, als Besteuerungsobjekte in Anspruch genommen hätten;
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16. Der Gschwindsche Vergleich brachte den Frieden nicht. Ein Teil der Ritterschaft - die sogen. Renitenten oder Patrioten - focht den Vergleich als ungültig durch Klage bei dem Reichshofrate an. 67 ) Zwischen den Landesherren war es streitig, ob der auf den Stargardschen Kreis entfallende Teil der zu den Garnisonskosten usw. jährlich aufzubringenden Landeskontribution dem Herzoge von Mecklenburg=Schwerin oder dem Herzoge von Mecklenburg=Strelitz zukomme. 68 ) Und die Stände stritten nach wie vor unter einander über den modus contribuendi, der in dem Vergleiche der Beliebung der Stände und in Ermangelung der=


(  ...  ) von einem Unterschiede zwischen dos und bonis acquisitis sei in den gravaminibus schlechthin nicht die Rede, vielmehr würde die ständische Behauptung, daß die Ökonomien in den meisten Städten die größten Teile der Städte=Äcker an sich gebracht hätten, wenn man sie auf die bona acquisita beschränken wolle, mit der urkundlichen Geschichte der meisten Ökonomien nicht übereinstimmen; denn der hauptsächliche, oft genug einzige Besitz derselben habe in dem reformierten Vermögen der früheren katholischen Stiftungen bestanden, welches den kirchlichen Neustiftungen, die man Ökonomien genannt habe, schon von Anfang an als dos beigelegt sei, also nicht zu dem "an sich gebrachten" Gute im Sinne von bonum acquisitum gehöre. Gegen eine Unterscheidung zwischen Dotalgrundstücken und bonis acquisitis in den gravaminibus spreche auch die Erwägung, daß die Feststellung des Umfanges der dos einer vor Jahrhunderten entstandenen Stiftung im Jahre 1701 schon sehr schwierig, ja geradezu undurchführbar gewesen sein würde. Dazu komme, daß die in dem grav. eccles. Nr. 5 entwickelten Gründe der Beschwerde für alle zu Stadtrecht liegenden, im Besitze der Ökonomien befindlichen Grundstücke (also auch für die dahin gehörigen Dotalgrundstücke) zutreffen würden: ein Unterschied zwischen der dos und den bonis acquisitis liege nicht vor, sondern müsse in die Begründung der gravamina erst hineingetragen werden. - Das Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes (1880) nahm ebenfalls an, daß der § 498 des LGGEV. verbis "an sich gebrachten Stadtäcker" nach seinen Entstehungsgrundlagen eine Unterscheidung zwischen dotalen und sonst acquirierten Stadtäckern nicht habe statuieren wollen. Diesen Ausführungen gegenüber muß gleichwohl die herrschende Auslegung, daß die gravamina und die resolutiones sich nicht auf die Besteuerung aller städtischen Grundstücke der geistlichen Stiftungen, sondern nur auf die Besteuerung der von den Stiftungen nach ihrer Entstehung, namentlich seit dem 30 jährigen Kriege aus bürgerlicher Hand erworbenen schoßpflichtigen Grundstücke bezogen hätten, aufrecht erhalten werden. Als Beweis dafür dient die Geschichte der gravamina und der resolutiones. Nachdem die Stände auf dem Rostocker Konvokationstage am 3. November 1681 die (in den späteren Resolutionen als grav. eccles. Nr. 5 und als grav. specialiss. Suerin. Nr. 5 aufgeführten) gravamina übergeben hatten, maturierten sie am 31. Januar l682 und baten, die Resolution "auf die wüsten und ungebauten" Hausstätten und Äcker abzufassen. In einem Entwurfe der ad grav. eccles. Nr. 5 abzugebenden resolutio heißt es: "Denen Oekonomeyen
(  ...  )
67) D. Franck XVI, 119, 130. Raabe, Meckl. Vaterlandskunde, II, 981, 982. Die Klage wurde durch Urteil vom 17. November 1712 abgewiesen. Justiss. decisiones imper. Nr. 122 pag. 134.
68) D. Franck, XVI, 129, XVII, 256; Aepinus, Gesch. v. Meckl. Teil 3, S. 5. 6.
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selben der billigen Bestimmung des Landesherrn vorbehalten war, ferner über das Quotenverhältnis, nach welchem die Ritterschaft, die Städte und das Domanium an der Aufbringung der Reichssteuern und der jährlichen Landeskontribution beteiligt sein sollten, und über die von der Ritterschaft behauptete Steuerfreiheit der eigentlichen Ritterhufen, deren Bestand und Zahl überdies durch zahlreiche in dem Hoffelde aufgegangene Bauerhufen seit dem dreißigjährigen Kriege vergrößert und ungewiß geworden war. Bei dem Widerstreite der verschiedenen Interessen ergingen daher die Steueredikte in der Regel nicht im Einvernehmen mit den


(  ...  ) werde man wegen der Städte Äcker das onus reale billigmäßig auferlegen, sonderlich wenn deducto hoc onere das creditum (scil. der Oekonomeyen) unverkürzt bleibe." - Unter den Beilagen zur Verhandlung vor der Kaiserlichen Kommission de 1684 befindet sich die Beschwerde, welche Bürgermeister und Rat der Stadt Sternberg am 20. Mai 1684 den ständischen Deputierten vortrugen. Hier heißt es: "Denen selben ist aus denen von eintheils Städten beigebrachten gravaminibus grosgeneigt erinnerlich, was gestalt die Kirchen, Oekonomeyen, Hospitalien und dergleichen geistliche Stiftungen sich nicht allein weigern, von denen zu Stadtrecht belegenen und per adjudicationem aut cessionem an sich gebrachten oder sonst ihnen legirten und geschenkten Immobilien an Häusern, Äckern, Garten und Wiesen den gewöhnlichen Schoß und contributiones, so auf solche Güter haften, abzuführen, sondern auch beim concursu creditorum prioritatem für privilegirte Schulden, in specie für den Schoß und Stadt contributiones suchen und nehmen. Als nun solch gravamen auch an diesem Orte nicht das geringste ist, zumal oberwähnten Stiftungen und dero Verwesern von solchen Schoßbahren Gütern dieses Orts in ziemlicher Menge und zwar von allen Feldgütern fast zum dritten Teil bereits zugewachsen und noch täglich mehr zuwachsen, den Schoß keineswegs abführen wollen, sondern als geistliche Güter von solcher Beschwerde Exemtion praetendiren, da doch dieses ein onus fundo inhaerens und nicht davon separirt werden kann, außerdem (hier folgen Klagen über die entstehende Verkürzung der Stadteinkünfte und den Ruin der Stadt) - - -, als ersuchen Unsere hochgeehrten Herren hiermit - - -, dieselben wollen - - - dieses gravamen an gehörigem Orte verbitten, daß es möge fördersamst abgestellet und denen provisoribus angeregter Stiftungen anbefohlen werden, von denen sowohl titulo oneroso als lucrativo an sich erhandelten und ihnen zugewachsenen Gütern den Schoß ratione praeteriti et futuri beim Rathaus abzuführen. - - - Zum Protokolle der Kaiserlichen Kommission endlich übergaben am 20. Dezember 1684 die ständischen deputati eine gelehrte deductio gravaminum: hier heißt es ad grav. eccles. Nr. 5: "zum fünften befinden sich die Städte im Lande insonderheit zum höchsten graviret, daß die Oekonomeyen und andere geistliche Stiftungen bei vorigen Kriegen und dadurch ruinirten Städten und deren Einwohnern den größten Theil der Acker an sich gebracht, auch aufs beste dieselben nutzen und
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Ständen, sondern aus landesherrlicher obrigkeitlicher Macht und salvo cujuscunque jure.

Durch das Edikt vom 26. März 1703 3 ) verkündigte der Herzog Friedrich Wilhelm, zur Hülfe gegen Frankreich im spanischen Erbfolgekriege, eine Reichssteuer, zu der die Kirchendiener gemäß dem Gschwindschen Vergleiche beitragen mußten, während die pia corpora frei ausgingen mit Ausnahme derjenigen, die als "Landbegüterte" eine Revenüensteuer von ihren Landgütern zu erlegen hatten. Später wurden die Reichssteuern, die bis zum Ende des spanischen Erbfolgekrieges sich alljährlich wiederholten,


(  ...  ) gebrauchen, die gemeine onera aber, sogar auch den gewöhnlichen Schoß als ein onus fundo inhaerens zu prästiren sich weigern, wodurch das publicum defraudiret und die onera den übrigen wenigen Bürgern aufgebürdet werden. - - -" - Unverkennbar wird hier überall nur die Besteuerung der bona acquisita und zwar der von den geistlichen Stiftungen in jüngerer Zeit aus bürgerlicher Hand erworbenen, zu Stadtrecht liegenden schoßpflichtigen Grundstücke ins Auge gefaßt; auf den nicht dahin gehörigen älteren Grundbesitz der geistlichen Stiftungen wird dabei in dem Sternberger Vertretungsgesuche zwar auch hingewiesen, aber nur beiläufig, um eine Vorstellung davon zu geben, wie groß im Verhältnisse zu den Bürger= und Kämmerei=Äckern der gesamte, teils ältere, teils später erworbene Grundbesitz der geistlichen Stiftungen sei, welche Bedeutung also der Steuerausfall von den aus bürgerlicher Hand in den Besitz der geistlichen Stiftungen übergegangenen Grundstücken für die Einnahmen der Stadt habe. - Dagegen ist in den Verhandlungen nirgends die Rede davon, daß die Beschwerde der Städte auch auf die Heranziehung des älteren Grundbesitzes der geistlichen Stiftungen (namentlich des Dotalgutes) zu den Realsteuern gerichtet gewesen sei. - Als Beweis dafür, daß in diesem Sinne die erwähnten resolutiones von Anfang an auch in der Praxis beständig aufgefaßt worden sind, dienen die in Böhlau's Meckl. Landrecht, Bd. 3, § 185 Note 1 im Auszuge wiedergegebene Stelle aus dem Güstrower Stadtreceß vom 5. November 1704 und die Stadt=Ordnung von Grevesmühlen vom 17. September 1749 (Hinstorfsche Ges.S. Wismar und Ludwigslust III, 323), wo unter Nr. 28 vorgeschrieben wird, daß im Ackerbuche bei den Kirchen=, Ökonomie= und Armenhausäckern notiert werden solle, ob das Grundstück von Bürgern angekauft, cediert oder verpfändet worden sei, und daß Erkundigung eingezogen werden solle, welche von den Ökonomieäckern ad dotem ecclesiae gehören und welche hingegen von Bürgern an die pia corpora gekommen sind; es solle mit Ernst und allenfalls gerichtlich darauf gehalten werden, daß von den bürgerlichen an die Ökonomie gekommenen Äckern der Schoß gleich wie von anderen gegeben werde. Als Beweis hierfür dienen ferner die am 3. März und 18. April 1766 ergangenen Reskripte, in denen ebenfalls zwischen steuerfreien Dotalgrundstücken und erworbenen steuerpflichtigen städtischen Grundstücken der pia corpora unterschieden wird (siehe unten Nr. 20 unter b bei Note 97), die Stadt=Ordnung von Wittenburg vom 19. Dezember 1797, Hinst. Gef.S. III, 544, in der es im § 35 heißt: "Die pia corpora - - - bezahlen ebenfalls von
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3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
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zusammen mit der Landeskontribution - "zu den gemeinen Landesausgaben" oder "zu anderen Steuern", d. h. zu den Garnisons=, Fortifikations= usw. Kosten - durch Edikte und gleichzeitige Nebenedikte ausgeschrieben, in der Art, daß derjenige Teil, der durch das Edikt nicht aufkam, aus dem Ertrage des Nebenediktes entnommen werden sollte. Hierbei wurde der Bestimmung des Gschwindschen Vergleiches, daß die Kirchendiener von den Reichssteuern nicht eximiert, von der Landeskontribution aber de jure befreit sein sollten, in der Weise genügt, daß die Kirchendiener im Edikte als steuerpflichtig angesetzt, im Nebenedikte aber nicht aufgeführt wurden; die pia corpora blieben steuerfrei, soweit sie nicht als "Landbegüterte" von eignen Gütern im Lande zu steuern hatten. 69 ) Im Jahre 1708 und in den fol=


(  ...  ) den ihnen zugehörenden Ländereien den Schoß und sind keine anderen Ländereien davon ausgenommen, als die erweislich durch Stiftungsbriefe dazu gekommen sind. Sie mögen sich auch nicht entlegen, die darauf haftenden sonstigen onera realia von ihren Ländereien und Häusern zu entrichten. Jedoch sind in zweifelhaften Fällen die vor dem Anfang dieses Jahrhunderts erworbenen Häuser und Ländereien für dotal und frei zu erachten," - ebenso das Reskript des Ministeriums für geistl. Angel. vom 17. April 1855, Balck, Verw. Normen, I, Nr. 260. Dieselbe Auffassung teilen Siggelkow, Handb. 3. A. §§ 71 bis 73, Hagemeister, Meckl. Staatsr. 1793, § 125, V. a, Note 3, Balck, Finanz=Verh. II, 22. - Diese Auslegung der resolutiones vom 16 Juli 1701 ad grav. eccles. Nr. 5 und ad grav. spec. Suerin. de 26. May Nr. 9 und des auf ihnen beruhenden § 498 des LGGEV. ist auch von den Großherzogl. Ministerien und von dem Oberkirchenrate beständig festgehalten worden.
69) Edikte und Nebenedikte des Herzogs Friedrich Wilhelm vom 18. September 1703, 12. September 1704, 1. Oktober 1705, 25. September 1706, 7. Oktober 1707, 27. September 1708, 1. Oktober 1709, 1. Oktober 1710, 8. September 1711, 1. Oktober 1712 und Edikt und Nebenedikt des Herzogs Carl Leopold vom 16. Oktober 1713 (sämtlich im Großherzogl. Archiv zu Schwerin vorhanden). Die Steuer der erwähnten Edikte setzte sich zusammen aus der sogen. Revenüensteuer des Adels und anderer Landbegüterter von eignen Gütern im Lande, der Steuer der adeligen, nicht mit Landgütern angesessenen Witwen, Erb= und anderen Jungfrauen und inaktiver Offiziere von Renten, aus der Besoldungs= und Einkommensteuer der fürstlichen Diener und der Clerisey, aus dem Standgelde der Literaten (doctores, licentiati, advocati, medici, notarii, procuratores) und aus der Lohnsteuer höherer und niederer bediensteter Personen. Durch die Neben= (  ...  )
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genden Jahren trat, - dem Gschwindschen Vergleiche zuwider, - die Änderung ein, daß die Geistlichen, obwohl doch außer der Landeskontribution auch Reichssteuern aufzubringen waren, nicht nur im Nebenedikte, sondern auch im Edikte aus der Zahl der Steuerpflichtigen wegblieben; im Edikte wurden von den Kirchendienern nur noch die Küster auf dem Lande, die nicht schon als Handwerker zu steuern hatten, mit einer Steuer angesetzt. 70 )

17. In Folge der Gewaltmaßregeln, die der Herzog Carl Leopold anwandte, um den Widerstand der Stände, insbesondere der Ritterschaft zu brechen, kam es dahin, daß der Kaiser im Jahre 1717 zum Schutze des Landes ein Konservatorium erkannte, mit dessen Durchführung Hannover und Braunschweig, später auch


(  ...  ) edikte wurden die Inhaber und Pensionarien fürstlicher Ämter und Tafelgüter, die Pensionarien der Güter und Dörfer des Adels und der Städte, die Holländer, Müller, Schäfer, Einlieger, Säger usw., der Knechte Weiber, die Bauern in den fürstlichen, adeligen, städtischen, Ökonomie= und anderen geistlichen Gütern, die Hirten, Krüger, Handwerker auf dem Lande, die Besitzer von Brantweinsblasen und Grützquerren, die Glashüttenmeister, Teerschweler usw. mit bestimmten Gelderlegnissen und daneben mit dem Viehschatze besteuert, die Städte aber sollten nach einem von ihnen einstweilen mit der Landesregierung getroffenen Sonderabkommen von Bier, Verbrauchskorn und Schlachtvieh eine näher bestimmte Accise (Licent oder Konsumtionssteuer) aufbringen, von der jede Stadt den zehnten Teil zu ihrem Besten erhalten sollte; von dieser städtischen Kontribution sollten für den eigenen Haushaltsverbrauch an Korn und Schlachtvieh - neben den fürstlichen Dienern und denen vom Adel - die Priester und Schulbedienten befreit sein.
70) Außerdem hieß es von nun an im Edikte und Nebenedikte, daß die Kontribution, welche die Landstädte zu entrichten hätten und der Modus, nach welchem sie dieselbe zu erlegen hätten, im Edikte und Nebenedikte nicht besonders aufgeführt würden, weil solches alles mit denenselben schon vereinbart und adjustieret sei: und im Zusammenhange damit wurde auch das Standgeld der Literaten (siehe Note 69), da diese in den Städten wohnten, also von den städtischen Konsumtionssteuern getroffen wurden, im Edikte weggelassen. Das corpus der Landstädte hatte sich nämlich "wegen der jährlich zu erlegenden Contribution zu den Reichs= und Kreissteuern, auch zu den Guarnisons=, Legationskosten und Kammerzielern und allen anderen, sie haben Nahmen wie sie wollen (die Fräuleinsteuer allein ausgenommen)" mit der Landesherrschaft endgültig "eines gewissen modi contribuendi auf dem Fuße der Consumtionssteuer" verglichen. S. des Herzogs Friedrich Wilhelm Konsumtionssteuer=Ordnung in den Städten der beiden Herzogtümer Mecklenburg=Schwerin und Güstrow vom 19. März 1708 (abgedruckt in Klüver's Beschreibung von Meckl. IV, 21). Nach dieser Steuerordnung sollten in den Landstädten versteuert werden: 1. Getränke (Wein, Bier, Branntwein, Weinessig), 2. das Mahlkorn, 3. das Vieh zum Scharren= und Hausschlachten, 4. Viktualien und Eßwaaren, 5. Kaufmannschaften, 6. Acker, Wiesen und
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Preußen beauftragt wurden. Dieser Auftrag wurde im Jahre 1732 auf den jüngeren Bruder des Herzogs Karl Leopold, den später regierenden Herzog Christian Ludwig (1747 bis 1756) übertragen. 71 )

a) In diesem traurigen Zeitraume kehrte man, so oft Reichssteuern auszuschreiben waren, zu dem Modus der Kopfsteuer (capitatio) und des Viehschatzes zurück. 72 ) Die Kirchendiener wurden, in Übereinstimmung mit dem Gschwindschen Vergleiche, in den vier Klassen der Kopfsteuer als steuerpflichtig angesetzt; desgleichen sollten zum Viehschatze "alle Landbegüterten, - - - Geistliche und Weltliche in denen Städten und auf dem Lande, - - - auch alle Klöster, Oekonomeyen und Hospitalien und sonst jeder männiglich" beitragen; dazu wurde noch eine Lohnsteuer, eine Malzaccise und in den Städten eine Steuer vom Handel und vom größerem Handwerksbetriebe hinzugefügt.

b) Was die Landessteuern betrifft, so setzte die Ritterschaft es bei der Kaiserlichen Kommission durch, daß vorläufig bis zur Einigung der Stände von der zu den Garnisonskosten usw. zu leistenden jährlichen Kontribution die fürstlichen Kammergüter, die Ritterschaft und die Städte gleichmäßig je 1/3 aufbringen sollten (Terzquotensystem), daß als modus contribuendi der alte Hufen= und Erbenmodus in Grundlage des zur Zeit der Wallensteinschen Herrschaft aufgestellten Hufen= und Erbenkatasters von 1628 73 ) angenommen wurde, daß der Adel gemäß den Reversalen von 1621 steuerfrei blieb und daß demnach in der Ritterschaft nur die Bauernhufen als steuerpflichtig angenommen wurden, die Ritterhufen aber, als welche die Ritterschaft nun die Hälfte eines jeden Rittergutes in Anspruch nahm (vgl. oben Nr. 16


(  ...  ) liegende Gründe, so zu Stadt= und Bürgerrecht liegen, darunter auch die Oekonomey=Acker einbegriffen (vgl. resolutiones vom 16. Juli 1701 ad gravam. eccles. Nr. 5, ad gravam. spec. Suerin. de 25. May Nr. 9, oben unten Nr. 15 S. 297, 298), 7. das Vieh, - von welchen Steuern die Prediger, Schulkollegen, Organisten, Küster und deren Witwen befreit sein sollten.
71) D. Franck, XVII, 106, 107, 112, 113, XVIII, 12, 15, 18 bis 22, 27, 28, 52, 53, 55, 65. Durch die vorher von dem Herzoge Carl Leopold erlassenen Steueredikte vom 16. Oktober 1714 (s. Klüver, Beschreibung IV, 435), 7. Oktober 1717, 25. Januar 1718 (im Großherzogl. Archiv zu Schwerin) wurden die Kirchendiener und die pia corpora nicht zur Steuer herangezogen.
72) So in den Reichssteueredikten vom 22. Dezember 1734, 4. Juni 1735, 4. September 1737, 24. April 1738, 20. November 1739, 14. November 1743 (im Großherzogl. Archiv zu Schwerin).
73) Siehe oben Note 26.
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Absatz 1 S. 300), von der Steuer frei blieben. 74 ) Hiernach wurde von der Kaiserlichen Kommission das Kontributionsedikt vom 21. Dezember 1721 3 ) zur Aufbringung der im Schweriner Recesse vom 16. Juli 1701 verglichenen jährlichen Kontribution von 120 000 Talern eingerichtet: die städtische Konsumtionssteuer=Ordnung von 1708 wurde bei Seite gesetzt 75 ) und zur Erleichterung der städtischen Erben, deren Steuer fast doppelt soviel als die Steuer einer Bauerhufe austrug, wurden für diesmal den Städten die "gewöhnliche Malzaccise" und "Imposten auf Brandtwein und Toback" gelassen. Dieser sogen. Interimsmodus, durch Kaiserliche Entscheidungen vom 11. Februar 1724 und 23. März 1734 genehmigt, 76 ) wurde, da die Stände über einen anderen Steuermodus sich nicht einigen konnten, bis auf weiteres beibehalten 77 ) und in der folgenden Zeit nur durch einige Änderungen und Zusätze ergänzt: zur Erleichterung der steuerpflichtigen Bauerhufen wurde nämlich im Domanium und in der Ritterschaft ein "Nebenmodus" eingeführt, der alle außer den Gutsherren, den Gutspächtern und Bauern daselbst wohnenden Personen, namentlich die Handwerker, die ein Handwerk treibenden Küster, Gesellen und Knäbschen, Einlieger, Gräber usw., Hirten der Bauern, das


74) D. Franck, XVII, 222 bis 224, 227, 229, 231 bis 234, 237 bis 241, 248. Die Ritterschaft hatte diesen für sie vorteilhaften Steuermodus auf dem Landtage beschlossen, ohne Teilnahme und gegen den Willen der Landschaft, die auf Gebot des Herzogs Carl Leopold ausgeblieben war und sich an die mit der Landesherrschaft vereinbarte Konsumtionssteuer=Ordnung von 1708 gebunden hielt. Der Hufen= und Erbenkataster von 1628 war veraltet: denn im Domanium hatte die unter dem Herzoge Friedrich Wilhelm vorgenommene Feststellung eine geringere Hufenzahl ergeben und in den Städten waren nach dem 30jährigen Kriege viele Erben teils wüst geblieben, teils verändert und die Bürger waren verarmt; in der Ritterschaft dagegen hatten die Gutsherren viele im Kriege wüst gewordene oder später eingezogene Bauerhufen durch Vereinigung mit dem Hoffelde zu Ritterhufen gemacht und zu höherer Nutzbarkeit gebracht, die sich noch mehrte, als es der Ritterschaft gelang, die Steuerfreiheit der Ritterhufen durchzusetzen und die Hälfte der Hufen eines Gutes ohne Beweis als Ritterhufen zu behaupten. - D. Franck XVII, 248 gibt an, daß damals geistliche Hufen in der Ritterschaft zu Unrecht als Bauerhufen angesetzt wären und als solche zur ritterschaftlichen Terzquote hätten beitragen müssen.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
75) D. Franck, XVII, 227, 229, 240, 241.
77) So in den Kontributionsedikten vom 3. 4. 1724, 24. 12. 1724, 11. 4. 1726, 10. 1. 1727, 5. 3. 1727, 23. 11. 1733, 14. 12. 1734, 24. 11. 1735, 30. 11. 1736, 20. 11. 1737, 11. 11. 1738, 10. 11. 1739, 9. 11. 1740, 16. 11. 1741, 19. 11. 1742, 12. 11. 1743, 2. 11. 1744; 30. 10. 1745, 12. 11. 1746, 14. 11. 1747. (Im Großherzogl. Archiv in Schwerin.)
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Gesinde (mit Ausnahme der Dienstboten der fürstlichen Beamten, der Gutshöfe und der Priester), ledige dienstlose Personen, Grießmüller und die Ehefrauen dieser Leute mit gewissen festen Steuern und daneben mit dem Viehschatze belegte. 78 ) In ähnlicher Weise war man bemüht, in den Städten den durch das Terzquotensystem und durch den Erbenmodus zu schwer belasteten Besitzern der Erben vermittelst eines Nebenmodus Erleichterung zu verschaffen: so setzte man in dem Kontributionsedikte vom 24. Dezember 1724 an die Stelle der gewöhnlichen Malzaccise und der Imposten auf Brandtwein und Toback als Nebenmodus eine Steuer von Äckern und Wiesen (gleich viel von wem sie besessen würden), eine Steuer von Hopfenkuhlen und Immen, eine Viehsteuer, eine Steuer der Tagelöhner, Hirten, Schäfer und dienstlosen Weiber, Imposten auf Malz und anderes Verbrauchskorn, aushülflich Steuern von Nahrung, Gewerbe und Vermögen, zu denen in den Edikten vom 23. November 1733 und 14. Dezember 1734 noch eine Konsumtionssteuer vom Schlachtvieh hinzukam. Im Kontributionsedikte vom 30. Oktober 1745 wurde der städtische Nebenmodus abermals geändert, indem man eine für alle Einwohner gleich bemessene Kopfsteuer von Mann, Frau und erwachsenen Kindern, eine Nahrungssteuer von Handel, Handwerk, Ackerwirtschaft, Tagelohn, Hirtenlohn usw., eine Viehsteuer, eine Konsumtionssteuer von Malz und anderem Verbrauchskorn vorschrieb; und die Edikte vom 12. November 1746 und 14. November 1747 weisen wiederum neue Versuche auf, den städtischen Nebenmodus durch andere und anders zusammengesetzte Steuern ertragreicher und weniger drückend zu machen. 79 ) Die Kirchendiener wurden in den Edikten nicht


78) Kontributionsedikt vom 3. April 1724 und die späteren Edikte, die, abgesehen von Änderungen in der Höhe der Steuersätze, im wesentlichen den Nebenmodus des Ediktes vom 3. April 1724 für das Domanium und die Ritterschaft wiederholen.
79) D. Franck berichtet darüber XVIII, 191, 192, 196, 197, die Städte hätten sich fortgesetzt über den ungerechten Interimsmodus beschwert, der sie ganz ruiniere: die Ritterschaft habe sich einen Nebenmodus ausgekünstelt, der an die 180 000 Taler eintragen könne; die Städte hätten ja auch ihren Nebenmodus, es wären aber darin meist wieder dieselben Kontribuenten wie im Hauptmodus; ganz anders mache sich das auf dem Lande; viele der Ritterschaft könnten aus ihrem Nebenmodus mehr machen, als ihre Hufensteuer austrage; in den Städten wären viele wüste Erben, auf dem Lande gäbe es auch wüste Bauerhufen, aber diese könnten hier noch mit mehr Nutzen gebraucht werden, als besetzte Hufen, daher auch einige vom Adel Bauerstellen legten, um alles davon zu haben, was sonst eine Bauerfamilie davon gebrauche, und außerdem den Zehnten davon einzubehalten; ein Erbe dagegen in der
(  ...  )
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erwähnt und waren vermöge der revid. Kirchen=O. und des Gschwindschen Vergleichs von der Kontribution zu den Garnisonskosten usw. befreit. Die pia corpora blieben ebenfalls unerwähnt, sie konnten von den im Haupt= und Nebenmodus ausgeschriebenen Steuern nur getroffen werden, sofern sie sich im Besitze von städtischen Erben und Ländereien befanden, die zu den in den resolutiones vom 16. Juli 1701 ad gravam. eccles. Nr. 5, ad gravam. spec. Suerin. de 26. May Nr. 9 erwähnten, zu Stadt= und Bürgerrecht liegenden Grundstücken gehörten (vgl. oben unter Nr. 15 S. 297, 298).

18. Außer den Reichssteuern und der Landeskontribution von 120 000 Talern N 2/3 aus dem Gschwindschen Vergleiche wurden in dem Zeitraume von 1701 bis 1748 noch wiederholt Fräuleinsteuern (Prinzessinsteuern) ausgeschrieben. Nach den Reversalen vom 4. Juli 1572 und vom 23. Februar 1621 sollten diese von der freiwilligen Beliebung der Stände abhängigen Landessteuern nach dem Modus der "alten gewöhnlichen einfechtigen Landbede" 80 ) zusammengebracht werden. Auf Vorschlag der Ritterschaft wurde dieser Modus in dem Edikte des Herzogs Friedrich Wilhelm vom 30. Januar 1702 3 ) zur Anwendung gebracht, 81 ) wiewohl in der Art, daß nach dem von der Ritterschaft übergebenen Schema neben der Rostocker Sonderquote die Besitzer der im Kataster von 1628 und 1632 verzeichneten Bauerhufen und städtischen Erben gewisse Sätze steuern und außerdem noch die anderen im Reichssteueredikte vom 26. September 1688 (s. oben unter Nr. 13 Absatz 1 a. E. S. 293) aufgeführten Untertanen aushülflich eine Kopfsteuer und einen Viehschatz erlegen sollten; zu den im Reichssteueredikte vom 26. September 1688 aufgeführten kopfsteuerpflichtigen Untertanen gehörten auch die Kirchendiener; diese wurden also in diesem Falle - der rev. Kirchen=O. zuwider - zur Fräuleinsteuer herangezogen. In den späteren Fällen wurde durch die Prin=


(  ...  ) Stadt mit etwas Acker, Garten und Wiese sei nur an 100 Taler wert und solle doch 18 bis 19 Taler Kontribution zahlen und bei vielen Erben fehlten noch die Ländereien; die Städte müßten daran zu Grunde gehen, dazu zögen noch die Ritter die bürgerliche Nahrung immer mehr nach dem Lande (- "die alte mehr als hundertjährige Klage"! -)
80) Vgl. Böhlau, Fiscus S. 9. Balck, Finanz=Verh. II, § 141.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
81) Obgleich, wie es im Edikte heißt, dieser Modus seit vielen Jahren und fast Menschen Gedenken zu Landessteuern nicht gebraucht worden, zumal durch den dreißigjährigen Krieg und spätere Feuersbrünste die Erben und Bauerstätten sehr verändert, diese auch teils zu großen Ackerwerken und Wohnungen aptieret worden.
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zessinsteueredikte der Kaiserlichen Kommission vom 3. Februar 1722, 22. Dezember 1724, 11. April 1726, 3 ) ohne die aushülfliche Heranziehung anderer Kontribuenten, die einfache Landbede nach Maßgabe des Katasters von 1628 nur von den Bauerhufen und den städtischen Erben erhoben. Die kirchenordnungsmäßige Steuerfreiheit der Kirchendiener wurde also gewahrt. Auch die pia corpora wurden von der Steuer nicht betroffen, sofern sie sich nicht im Besitze an sich gebrachter, zu Stadt= und Bürgerrecht liegender Erben befanden, die nach den (oben unter Nr. 15 S. 297, 298 erwähnten) resolutiones vom 16. Juli 1701 dem gemeinen oneri unterlagen.

19. Nachdem auf dem Sternberger Landtage vom 14. November 1748 die Ritterschaft wegen Ausbleibens der Stargardschen Stände jede Verhandlung über die Landtagspropositionen, u. a. auch über die jährliche Landeskontribution und den modus contribuendi verweigert hatte, berief der Herzog Christian Ludwig in den folgenden sechs Jahren keinen Landtag, reservierte durch Edikt vom 4. Januar 1749 3 ) den ritterschaftlichen Beitrag zur jährlichen Landeskontribution, verständigte sich mit den Städten über eine Konsumtionssteuer, die den städtischen Beitrag zur Landeskontribution bilden sollte, 82 ) und schrieb den Kontributionsbeitrag der fürstlichen Ämter durch besondere Edikte nach abgeändertem Modus aus. 83 ) Die Kontribution in den fürstlichen Ämtern setzte sich zusammen aus der Hufensteuer der Bauern, der Besoldungssteuer der berechnenden fürstlichen Diener, der Kopfsteuer derjenigen fürstlichen Beamten, die Generalpächter eines Amtes waren, der Kopf=


3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
82) Resolutiones vom 21. Dezember 1748 Nr. 1, 2, 3, 17, 20, 23 bis 25, 27, 40 bis 43. P. G. S. III, 180. In der resol. Nr. 27 verhieß der Herzog, daß niemand von der Accise, auch keiner, der zu Bürgerrecht liegende Häuser bewohne, von Real=oneribus ausgenommen sein solle. Indessen wurde auf Beschwerde der Geistlichkeit das Steuerkollegium durch herzogl. Verordnung vom 8. Juni 1750 angewiesen, den Geistlichen, Witwen, Organisten und Küstern dasjenige, was sie von den zu ihrer Wirtschaft vom Lande bezogenen Sachen gesteuert hätten, alle Quartal aus der Accise zurückzuerstatten, und durch die Regim.=Verordnung vom 8. Mai 1753 wurde der Kammer vorgeschrieben, daß die Prediger und Küster, wie auf dem Lande, so in den Städten für das nach Verhältnis ihrer Ländereien gehaltene Vieh bis auf weitere Verordnung keine Viehsteuer entrichten sollten. Archivakten, Generalia betr. Accise und Licent. Vol. 22, Fasc. 4 betr. Steuerfreiheit der Eximirten, item der Geistlichkeit Nr. 3, 8 Vgl. auch D. Franck, XIX, 62, 69.
83) Edikte vom 4. 12. 1748, 12. 10. 1750, 26. 11. 1751, 30. 10. 1752, 10. 11. 1753, 22. 10. 1754, 28. 10. 1755, 14. 10. 1756, 14. 10. 1757 (im Großherz. Archiv zu Schwerin).
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steuer der Pensionarien, der Glashüttenmeister, der Handwerker und der ein Handwerk oder ein anderes Gewerbe treibenden Küster, der Holländer, Schäfer, Kessel= und Sensenträger, Krüger, Ziegler, Teerschweler usw., der Einlieger, Hirten usw. bezw. ihrer Ehefrauen, erwachsenen Kinder und Gesellen, der ledigen dienstlosen Personen, aus einer Gewerbesteuer der Pachtmüller, Grützmüller und Branntweinbrenner, aus einer Gesindesteuer, von der die zur Ackerbestellung gebrauchten Dienstboten der Prediger befreit waren, und aus einer Viehsteuer. Die Kirchendiener wurden nach Vorschrift der rev. Kirchenordnung durch diese Edikte zur Steuer nicht herangezogen und die Kirchen und sonstigen pia corpora wurden durch sie ebenfalls nicht getroffen.

20. Den Bemühungen des Herzogs Christian Ludwig gelang es bekanntlich, den vielen Streitigkeiten, die hundert Jahre lang den Frieden der Stände unter einander und mit den Landesherren gestört hatten, durch den Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich vom 18. April 1755 ein Ende zu machen.

Der LGGEV. bestätigte im § 483 die rev. Kirchenordnung. Damit wurde die in der rev. Kirchenordnung vorgeschriebene Immunität der Kirchendiener grundsätzlich anerkannt, wiewohl mit einer Ausnahme. Denn im zweiten Artikel des LGGEV., § 101 ff., wurde die oft geregte Streitfrage, ob die Immunität des Klerus auch die Befreiung von den Reichs= und Kreissteuern umfasse, wie im Gschwindschen Vergleiche dahin entschieden, daß von diesen Steuern niemand, wes Wesens, Standes oder Betriebes er immer sein möge, insbesondere auch die sämtliche Geistlichkeit nicht, befreiet sein solle. Demgemäß wurden die Kirchendiener und ebenso die Kirchen und sonstigen geistlichen Stiftungen fortan zu den Reichs= und Kreissteuern herangezogen. 84 )

Als Landessteuern kamen zur Zeit des LGGEV. allein noch in Betracht die jährliche Landeskontribution zu den Garnisons=, Fortifikations= und Legationskosten und zu den Kammerzielern 85 ) und die Prinzessinsteuern: sie sollten in Zukunft nicht erhöhet und außer ihnen sollten niemals andere Steuern gefordert werden. 86 )


84) Einforderungsedikte vom 28. 5. 1793, 30. 12. 1794, 1. 9. 1796, 14. 12. 1797, 15. und 16. 12. 1798, 9. 12. 1799, 31. 1. 1801, 4. 12. 1801 (im Großherz. Archiv zu Schwerin). In den Domänen verschonten die Landesherren mehrere Male die Kirchendiener und die pia corpora mit diesen Steuern, so in den Edikten vom 15. 12. 1798, 9. 12. 1799, 31. 1. 1801.
85) Die später sogen. ordentliche Kontribution.
86) LGGEV. §§ 43, 44, Nr. 8, 48, 74, 75; vgl. auch §§ 76, 79.
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Für die Landeskontribution wurde das Terzsystem insoweit beibehalten, daß die Ritterschaft, die Städte, das Domanium, jeder Teil für sich, zur Kontribution beitragen sollten.

a. Der Beitrag der Ritterschaft zur jährlichen Landeskontribution sollte auch in Zukunft nach dem Hufenmodus aufgebracht, die Zahl der Hufen aber für jedes ritterschaftliche Gut durch Vermessung und Bonitierung endgültig festgestellt werden: 300 bonitierte Scheffel Einfall (an Acker, Wiesen und Weide) sollten eine volle Hufe ausmachen; und weil die Ritterschaft nach den Landesreversalen ein freier Stand war und sein sollte und Ritter= und Manndienste zu leisten verpflichtet war, so sollten die ausgemittelten Hufen eines jeden Gutes zur einen Hälfte als Ritterhufen angesehen werden und als solche für ewige Zeiten immun und frei von der Kontribution sein; nur die andere Hälfte (Bauerhufen), es besitze sie, wer da wolle, sollte kontributionspflichtig sein und jede dieser steuerbaren Hufen jährlich mit einer festen Kontribution von 9 Talern N 2/3 besteuert werden. 87 ) Den ritterschaftlichen Gütern sollten gleich genommen werden und mit ihnen zur ritterschaftlichen Kontribution steuern die Klostergüter, die sogenannten Rostocker Gemeinschaftsörter, die Kämmereigüter der Landstädte und die den Kirchenökonomieen gehörigen Höfe und Dorfschaften. 88 )

Die innerhalb der Feldmarken der ritterschaftlichen Güter belegenen bezw. mit ihnen in Gemenge liegenden Pfarr= und übrigen geistlichen Äcker sammt allen sonst erweislich ad pia corpora gehörigen Grundstücke sollten, soweit sie nicht bishero schon steuerpflichtig gewesen 89 ) oder den adligen Besitzern als kontribuabel angerechnet worden, nach geschehener Vermessung bei der Ausrechnung des steuerbaren Hufenstandes in Abzug gebracht werden. Sie blieben also kontributionsfrei, 90 ) und zwar die zum geistlichen Einkommen der Kirchendiener gehörigen Grundstücke der Kirchen und kirchlichen Stiftungen gemäß


87) LGGEV. §§ 5, 6, 7, 43. Da bei der nachfolgenden Vermessung und Bonitierung die in § 84 provisorisch angenommene Zahl der steuerbaren Hufen und das nach ihr berechnete jährliche Kontributionsquantum der Ritterschaft nicht herauskam, so wurde der Landesherr für den Ausfall entschädigt. Vergleich vom 22. September 1762, Agnition vom 20. Oktober 1769, Parch. Ges. - S. IV, 167, 171. Hagemeister, Meckl. Staatsr. § 116, Balck, Finanz Verh. § 148; Raabe, Meckl. Vaterlandskunde, Teil 2, 1863, S. 204, 1060.
88) LGGEV. § 41.
89) Vgl. oben Note 74.
90) LGGEV. §§ 12, 13, Beilage IV, Nr. 17, 18, § 45, Nr. 8. Vgl. Hagemeister, Meckl. Staatsr. § 116 bei Note 8, Balck, Finanz=Verh. § 148, Raabe, Meckl. Vaterlandskunde, Teil 2, 1863, S. 116, 204.
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der Vorschrift der rev. Kirchenordnung, die sonstigen ad pia corpora gehörigen Grundstücke gemäß der herkömmlichen, für die pia corpora günstigen Rechtsansicht und Übung (vgl. oben Nr. 2 a. E. S. 274, Nr. 3 a. E. S. 275, Nr. 7 a. E. S. 284, Nr. 8 S. 284, 285, Nr. 9 Note 40, Nr. 10 Abs. 1 a. E. S. 289, Nr. 15 S. 297, 298, Nr. 16 bei Note 69, Nr. 17 a. E. S. 307, Nr. 18 a. E. S. 308.)

Außerdem sollten in den ritterschaftlichen und in den ihnen gleich genommenen Gütern die "außer den Hufen wohnenden freien Leute" nach festgesetzter Norm zu der jährlichen Landeskontribution der Ritterschaft im Nebenmodus bestimmte Kopfsteuern beitragen. Von dieser sogen. Steuer nach der Norm (oder Nebensteuer) wurden die Kirchendiener und die pia corpora ebenfalls nicht getroffen, nur die ein Handwerk treibenden Küster sollten für das Handwerk die Kopfsteuer entrichten. 91 )

b) Der Beitrag der Landstädte zur Landeskontribution sollte nun nicht mehr nach dem Erbenmodus, sondern in ähnlicher Weise, wie es nach der städtischen Steuerordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm vom 19. März 1708 92 ) geschehen war, durch Steuern, 1. von Häusern, 2. von Ländereien, 3. vom Vieh, 4. vom Scharrenschlachten, 5. vom Hausschlachten, 6. vom Getreide zur Mühle, 7. von Kaufmannschaften und sonstigem Erwerb und Nahrung aufgebracht werden. 93 )

Die Befreiung der Kirchendiener von diesen städtischen Steuern, die im Anhange zur städtischen Steuerordnung von 1708 ausdrücklich bestimmt war, wurde im LGGEV. nicht ausdrücklich vorbehalten; im Gegenteil, in der Beilage VII des LGGEV. hieß es, daß von der Haussteuer niemand, er sei auch, wer er wolle, befreiet sei und daß die Viehsteuer von jedem Bürger und Einwohner erleget werden solle. Die kirchenordnungsmäßige Befreiung der Kirchendiener von der landstädtischen Kontribution wurde aber durch die in § 483 des LGGEV. aufgenommene Bestätigung der rev. Kirchenordnung stillschweigend und durch später ergehende landesherrliche Verordnungen ausdrücklich zugestanden. Die landstädtischen Konsumtionssteuern vom Hausschlachten und vom Mahlkorn sowie die landstädtische Steuer vom Vieh mußten


91) LGGEV. § 44, Hagemeister Meckl. Staatsr. Anhang Nr. III, wo ein Landeskontributionsedikt (vom 16. Novbr. 1791) abgedruckt ist.
92) S. oben Note 70.
93) LGGEV. §§ 47 bis 68. Von der Auskunft erhielten die Städte 5 Prozent - die sogen. vigesima - und gewisse Bauhülfsgelder.
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zwar von den Kirchendienern ebenso wie von anderen Eximierten der steuerlichen Kontrolle halber vorläufig entrichtet werden, sie wurden ihnen aber am Ende eines jeden Vierteljahres zurückerstattet. Die herzogliche Verordnung vom 14. Juni 1765 schrieb in dieser Hinsicht der Polizei=Kommission vor:

"daß es mit den Ehrnpredigern, Küstern, auch Schulkollegen und überhaupt mit aller Geistlichkeit bei der kirchenordnungsmäßigen Licentfreiheit sein unverändertes Bewenden haben soll; welcherhalb ihr die ungesäumte Anstalt vorzukehren habt, daß die einbehaltenen Licentgelder denselben abgefolget und sie auch fernerhin bei dieser Licentfreiheit ungestört gelassen werden." 94 )

und ebenso sollte es mit der Viehsteuer gehalten werden; nur für das Vieh, das die Kirchendiener nicht für ihren Haushalt und für die zu ihrem geistlichen Einkommen gehörigen Ländereien, sondern darüber hinaus wegen gepachteter oder ihnen eigentümlich gehöriger Ländereien hielten, sollten sie gleich jedem anderen Einwohner die Viehsteuer erlegen. 95 )

Die Befreiung der zum geistlichen Einkommen der Kirchendiener gehörigen Grundstücke der pia corpora von der Haus= und Ländereisteuer anerkannte der Herzog Christian Ludwig in der an die Superintendenten erlassenen Verordnung vom 16. Januar 1756:

"Wann Wir berichtet worden, daß die in - - § 47 des LGGEV. verglichene Haussteuer von unseren Steuerbedienten auch der Geistlichkeit in Unseren Städten abgefordert werden wolle, Unser gnädigster Wille aber dahin gehet, daß


94) Archivakten, Generalia, Accise und Licent, vol. 22, fasc. 4, Steuerfreiheit der Eximierten, item der Geistlichkeit, Convolut betr. die Konsumtions=, Vieh=, Haus= und Ackersteuerfreiheit der gesamten Geistlichkeit in den Städten, Nr. 16.
95) Herzogl. Reskript vom 19. Dezember 1766 an die Polizei=Kommission verbis: "In Betreff der von den geistlichen Bedienten in den Städten von ihrem die contribuable Bürgerweide genießenden Vieh zu erlegenden Steuer ertheilen Wir euch hiermit zur - - Resolution, daß, insofern die Geistlichkeit das haltende Vieh blos zu ihrem Haushalt hat und dadurch nicht ein besonderes Gewerbe betreibt, solche von Erlegung der Steuer zu befreien sei." Herzogl. Reskript an die Polizei=Kommission vom 20. März 1766, betr. die Verpflichtung der Kirchendiener zur Erlegung der landstädtischen Viehsteuer von solchem Vieh, das von ihnen auf eigentümlichen oder gemieteten Ländereien gehalten wird. Nr. 18, 20 der in vor. Note angezogenen Archivakten.
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die Geistlichkeit von den Haus= und anderen Realsteuern befreyet sein soll, Wir auch deshalb schon das Behufige verfügt haben, so verhalten Wir euch solches - - - hiermit in Gnaden nicht." 96 )

Was die nicht zum geistlichen Einkommen der Kirchendiener gehörenden sonstigen städtischen Grundstücke der Kirchen, Ökonomien und anderen geistlichen Stiftungen betrifft, so war durch die herzoglichen resolutiones vom 16. Juli 1701 ad grav. eccles. Nr. 5 und ad grav. spec. Suerin. de 26. May Nr. 9 entschieden worden, daß den Ökonomien und sonstigen geistlichen Stiftungen auferlegt werden solle, von den zu Stadtrecht liegenden, aus bürgerlichem Besitze an sich gebrachten Häusern und Äckern den Stadtschoß und andere onera realia zu entrichten (s. oben Nr. 15 S. 297, 298). Diese Vorschrift war in den § 498 des LGGEV. übergegangen, und es kam nun darauf an, sie auch auf die zur Landeskontribution zu entrichtende landstädtische Häuser= und Ländereisteuer anzuwenden. Das an den Superintendenten Keßler in Güstrow gerichtete Regiminalreskript vom 3. März 1766 sprach sich hierüber in folgender Weise aus:

"Wir communiciren euch den unterthänigsten Bericht Unserer Polizei Commission in Betreff der von der Oeconomie in Malchin praetendirten Exemtion von der Ackersteuer hierbey abschriftlich zum weiteren Erachten, besonders über den Vorschlag zur Verkaufung der Kirchenländereyen, wobey Wir das Bedenken haben, daß, wenn selbige zu Gelde gemacht werden, die pia corpora durch Concurs und andere Unglücksfälle gefährdet, mithin in noch größere Verlegenheit verfallen könnten. Soviel aber sonsten die Hauptsache in Betreff der Steuer von den Kirchen Äckern anbelangt, ist es Rechtens, daß auf der einen


96) Nr. 11, 12 derselben Archivakten. Der Superintendent Rönnberg in Güstrow hatte sich darüber beschwert, daß die Steuereinnehmer in den Städten von allen Predigern, Witwen, Küstern und Schulkollegen, wahrscheinlich auf Grund der §§ 2, 4. der Beilage VII des LGGEV. das Hausgeld erhöben, und die Herzogliche Kammer hatte hierzu erachtet, daß die Geistlichen in den Städten nicht schlechterer Kondition sein könnten, als die von allen oneribus befreiten Geistlichen auf dem Lande. Hierauf erging die Verordnung vom 16. Januar 1756. - In Ermangelung der Immunität hätten nicht die pia corpora als Grundstückseigentümer, sondern die Geistlichen als Nutznießer der zur Pfründe gehörigen kirchlichen Grundstücke nach den Regeln des Nießbrauches die Realsteuern entrichten müssen. Büff, Kurhess. Kirchenr. § 322 bei Note 14.
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Seite die Dotal=Güther, bis auf den casum extraordinariae necessitatis, von Imposten eximiret bleiben, dagegen auf der anderen Seite die angekauften Güther, als welche nicht anders als mit ihren anklebenden Lasten zu den Kirchen übergehen, von der ersteren Pflichtbarkeit nicht befreyet werden und daß es also zwischen den Kirchen und Unserem Steuer Collegio auszumachen sey, mit welchen Güthern die pia corpora bewidmet sind, und welche dagegen sind angekaufet oder bei Concursen angenommen worden, zu dessen Ausfindung sowohl die Stadt Lager=Bücher als auch die Kirchenregister des Näheren Licht ertheilen können, und sind Wir der gnädigsten Entschließung, zu Vermeidung von Prozeßkosten über Beweis und Gegenbeweis, diesen Weg der Nachsehung solcher Papiere einzuschlagen und darüber in der Folge nähere Verordnung zu erkennen. Weiter sind Wir auch der gnädigsten Willensmeynung, daß, wenn jene Ausfindung in der gehörigen Deutlichkeit nicht zu bewirken stehet, die Sache mit einem solchen generellen Temperament zu reguliren, daß der Schluß des vorigen Seculi, als das Jahr 1700, pro anno normali genommen werde, und daß also diejenigen Ländereyen, welche die Kirchen schon damalen in Besitz gehabt und davon nicht gesteuert haben, auch fernerhin noch steuerfrey bleiben, im Gegentheil aber die im Jahr 1701 und den folgenden acquirirten Stücke zur Steuerpflichtigkeit gezogen werden sollen, und so habet ihr auch hierüber euer Erachten zu erweitern. An dem geschiehet Unser gnädigster Wille und Meynung - - - Datum auf Unserer Vestung Suerin den 3. Martii 1766. Ad mandatum Serenissimi proprium. Herzoglich Mecklenburgische zur Regierung verordnete Geheime und Räthe."
                         (gez.) C. J. G. v. Bassewitz.

Nach weiteren Verhandlungen erging in dieser Sache an den Superintendenten Keßler unter dem 18. April 1766 das nachfolgende Reskript des Herzogs Friedrich:

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

"Ihr erinnert euch Unserer unterm 3. v. Mts. bey Gelegenheit Unserer Oekonomie zu Malchin er=

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öffneten Resolution wegen der Steuer=Pflichtigkeit der von den piis corporibus in Unseren Städten acquirirten bürgerlichen Ländereyen und Häuser. In Conformität derselben befehlen Wir euch hiermit gnädigst, bey den Berechnern der gesamten piorum corporum in Unseren zu euren Superintendenturen gehörigen Städten die Verfügung nunmehro zu machen, daß sie Unseren dortigen Licent=Stuben eine gewissenhafte Specifikation aller zu ihrer Administration gehörigen Ländereyen und Häuser sowohl überhaupt, als auch insbesondere mit Bemerkung, welche davon seit Anfang dieses Seculi acquiriret worden, mithin steuerpflichtig sind, abgeben, und mit Erlegung der Landes=Vergleich=mäßigen Steuer von selbigen instehenden Michaelis den Anfang machen, damit auch beständig fortfahren sollen. An dem geschiehet Unser gnädigster Wille und Meynung und Wir verbleiben - - -
Datum auf Unserer Vestung Schwerin den 18. April 1766." 97 )
                         (gez.) Friedrich.
                                   (gegengez.) G. v. Bassewitz.

Eine gleiche Entscheidung erging bei Mitteilung des Regiminalreskriptes vom 3. März 1766 mut. mut. gleichzeitig an die übrigen Landessuperintendenten zur Nachachtung. 98 ) Eine Anwendung der Reskripte vom 3. März 1766 und 18. April 1766 bezw. der oben unter Nr. 15 erwähnten Herzoglichen resolutiones vom 16. Juli 1701 ad grav. eccles. Nr. 5 und ad grav. spec. Suerin. de 26. May enthalten die Reskripte vom 13. April 1778 (P. G. S. IV, 132, Raabe V, 1092) und mehrere Regierungsreskripte aus den Jahren 1757, 1776, 1778, welche die Steuer=


97) Die Regierungsakten, zu denen diese Sache zu ihrer Zeit verhandelt worden ist, sind im Großherzogl. Archiv zu Schwerin nicht vorhanden; wahrscheinlich sind sie bei dem Brande des Collegiengebäudes in Schwerin im J. 1865 verloren gegangen. Der im Texte wiedergegebene Wortlaut der Reskripte vom 3. März 1766 und 18. April 1766 ist entnommen aus den Akten der Superintendentur zu Güstrow. Weitere zu diesen Akten erwachsene Stücke, insbesondere der erachtliche Bericht des Superintendenten Keßler vom 3. April 1766 und ein hierauf ergangenes Regim.=Reskript vom 7. April 1766 sind zur Zeit nicht zur Hand.
98) Abgedruckt in Deiters Handb. der in Mckl.=Schwer. geltenden Kirchengesetze, Wismar 1839, Nr. 311, S. 684, mit dem Datum vom 17. April 1766.
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pflichtigkeit verschiedener, nach dem Normaljahre 1700 von den Kirchen in Wittenburg, Rostorf, Dömitz und Waren aus bürgerlichem Besitze erworbenen Ländereien und Hausgrundstücke betreffen (bei den in Note 94 erwähnten Archivakten befindlich).

Obwohl die VO. des Herzogs Friedrich vom 18. April 1766, nach der rücksichtlich der Steuerpflicht zwischen Dotalgütern und bonis acquisitis zu unterscheiden ist und im Zweifel das Jahr 1700 als Normaljahr gelten soll, zunächst nur die Frage entscheiden sollte, in welchen Fällen von den im Besitze der geistlichen Stiftungen befindlichen Grundstücken die zur landstädtischen Landeskontribution gehörigen Haus= und Ländereisteuern zu entrichten seien, so ist sie in der Praxis doch auch beständig als maßgebend für die Frage angesehen worden, in welchen Fällen von den im Besitze der geistlichen Stiftungen befindlichen Grundstücken in den Städten der städtische Schoß, andere städtische onera realia und sonstige auf dem Grundbesitze ruhende Steuern zu entrichten seien. 99 )

c) Aus den fürstlichen Ämtern sollte nach § 69 des LGGEV. ebenmäßig nach den steuerbaren Hufen, und zwar von jeder Hufe nicht unter 9 Talern N 2/3 gleich den ritterschaftlichen Hufen zur jährlichen Landeskontribution gesteuert werden. Von dieser Hufensteuer des Domaniums blieben die zum geistlichen Einkommen der Kirchendiener gehörigen Grundstücke nach Vorschrift der rev. Kirchenordnung frei, und auch die sonstigen Grundstücke der pia corpora wurden ebenso wie in der Ritterschaft von der Hufensteuer freigelassen. 100 )

Außer der Hufensteuer wurde im Domanium eine der ritterschaftlichen Nebensteuer ähnliche Steuer (Kopf=, Vieh=, Lohn= und Gewerbesteuer) als Nebenmodus beibehalten und alljährlich ausgeschrieben. 101 ) Auch von dieser Steuer wurden die Kirchen=


99) Vgl. oben Nr. 15, die in Note 66 a. E. angezogene Stelle aus der Wittenburger Stadt=O. vom 19. Dezember 1797, das daselbst angezogene Ministerialreskript vom 17. April 1855 und die daselbst angeführten Schriftsteller (von denen zum Teil das Jahr 1701 anstatt des Jahres 1700 als Normaljahr angegeben wird) und wegen der Anwendung auf die Prinzessinsteuern unten Nr. 20 a. E. S. 318. Vgl. auch Böhlau, Meckl. Landr. Bd. 3, § 185, Note 1.
100) VO. vom 30. August 1782, P. G.S. IV, 180.
101) Nebensteueredikt für die Domänen vom 5. Oktober 1767, P. G.S. IV, 170, vom 2. Oktober 1784, abgedruckt in Hagemeister Meckl. Staatsr. Anhang Nr. I. Im LGGEV. war diese Steuer, zu deren Ausschreibung im Domanium der Landesherr ständischer Beliebung gemäß § 193 des LGGEV. nicht bedurfte, mit Stillschweigen übergangen.
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diener mit Ausnahme der Küster, die nebenher ein Gewerbe oder Handwerk betrieben und dafür zu steuern hatten, und die pia corpora nicht getroffen, vielmehr wurden diejenigen Dienstboten, die auf den Pfarren zur Bestellung des Pfarrackers gebraucht wurden, von der Steuer frei gelassen, wogegen die Pächter der Pfarräcker (Pfarrcolonen) für ihren Erwerb zu steuern hatten. 102 )

In Betreff der Prinzessinsteuer schrieb der LGGEV. vor, daß sie in Fällen, da eines regierenden Landesherrn Prinzessin=Tochter auszustatten sei, im Betrage von 20 000 Reichstalern zu gleichen Teilen (Terzquoten) aus den Domänen, aus der Ritterschaft und aus den Städten nach dem Landbeden= oder Erben= und Hufenmodus in Konformität mit den Landesreversalen von 1572 und 1621 aufgebracht werden solle; dabei wurde die besondere Bestimmung getroffen, daß der Beitrag der Stadt Rostock, der Klostergüter und der Rostocker Gemeinschaftsörter den drei kontribuierenden Teilen mit je 1/3 zu gute zu rechnen sei. 103 ) In der Praxis kam der vorgeschriebene reversalmäßige Erben= und Hufenmodus niemals zur Anwendung, weil er veraltet war und sich den veränderten tatsächlichen Verhältnissen nicht anpassen ließ. (Vgl. oben Nr. 16 Abs. 1 S. 300 gegen Ende und Note 74,79.) Als für die Prinzessin Luise Charlotte von Mecklenburg=Schwerin eine Prinzessinsteuer aufzubringen war, wurden durch das Edikt vom 11. Dezember 1795 3 ) in den Domänen nicht die ehemaligen Hufen, sondern die damals als 1/1, 3/4, 1/2, 1/4, 1/8 Bauerhufen benutzten Grundstücke mit der Steuer belegt; die Ritterschaft hatte als einstweiliges "Surrogat" für die ehemaligen Hufen die nach dem LGGEV. durch Messung und Bonitierung herausgebrachten katastrierten Hufen gewählt, und die Städte setzten "bei annoch mangelnder Richtigkeit ihres reversalmäßigen "Erbenmodi" an Stelle der Erben als "Surrogat" für diesmal die vollen und halben Häuser, Buden und Keller, ohne Unterschied, ob "sie von einem Adligen, Eximirten oder Bürger bewohnt würden", die Äcker, "sie gehörten zum Hause oder nicht und ständen eigenthümlich zu, wem sie wollten," und die Wiesen; dabei wurde der Zusatz gemacht:

"Die Grundstücke der piorum corporum, insofern sie nicht zu Stadtrecht liegen,


102) Vgl. die in voriger Note angeführten Nebensteueredikte von 1767 und 1784 unter Nr. XIII und XIX und die in Note 100 angezogene VO. vom 30. August 1782.
103) LGGEV. §§ 115 bis 118.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
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sind steuerfrei, gleichwie unter derselben Einschränkung auch die herrschaftlichen und publiquen Stadtgebäude, als welche insoferne nicht zu den Erben gehören, mithin auch unter obigem Surrogat derselben nicht begriffen sein können noch sollen."

Dieser Zusatz sollte ausdrücken, daß in den Städten die Häuser und Ländereien der pia corpora, die landesherrlichen Hausgrundstücke und die öffentlichen Gebäude der Stadt, weil sie von Alters her nicht zu den zu Stadt= und Bürgerrecht liegenden Erben gehört hätten, auch von der auf das Surrogat der früheren Erben gelegten Steuer nicht getroffen würden, wovon die Grundstücke der pia corpora nur in dem Falle eine Ausnahme machen sollten, wenn sie ehemals als Erben zu Stadt= und Bürgerrecht besessen und erst später durch die pia corpora aus bürgerlichem Besitze mit den auf ihnen ruhenden bürgerlichen Lasten erworben wären. 104 ) Derselbe Modus wurde bei der nächstfolgenden, für die Prinzessin Charlotte Friederike von Mecklenburg=Schwerin durch das Edikt vom 20. April 1808 3 ) ausgeschriebenen Prinzessinsteuer beliebt. Hiernach blieben also von den Prinzessinsteuern nicht nur die Kirchendiener gemäß der rev. Kirchenordnung, sondern auch, wie nach dem alten Hufen= und Erbenmodus alle den Kirchen und sonstigen geistlichen Stiftungen gehörigen Grundstücke frei, - mit Ausnahme der zu Stadt= und Bürgerrecht liegenden Grundstücke, welche die Kirchen und geistlichen Stiftungen aus bürgerlichem Besitze durch Adjudikation oder unter anderem Titel cum oneri reali an sich gebracht hatten (s. oben Nr. 15 S. 297, 298, Nr. 20 lit. b. Abs. 4, 5, S. 313 bis 315).

21. Die Regel des gemeinen Kirchenrechts, daß die Kirchendiener und geistlichen Stiftungen in äußersten Notfällen, ob commune periculum, in casu extremae vel urgentissimae necessitatis, gleich den Laien zu den allgemeinen Steuern und Lasten beitragen müssen, 105 ) wurde auch in Mecklenburg wiederholt durchgeführt und von der Geistlichkeit nicht bestritten. 106 ) Während einer längeren Reihe von Jahren


104) Vgl. Böhlau, Meckl. Landr. Bd. 1 § 69 Note 19.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
105) J. H. Boehmer, jus parochiale, sect. V, cap. III, §§ 16, 17. Richter, Kirchenr. 8. Aufl. § 304 bei Note 16. Mejer, Kirchenr. 3. Aufl. § 169 Note 11.
106) Archivakten, General. Ecclesiast. Steuern und Steuerfreiheit der Geistlichkeit 2 Voll. - Vgl. oben Nr. 2 bei Note 4 S. 272, Nr. 9 (a. 1664), S. 285, 286 und das unter Nr. 20 lit. b. bei Note 97 mitgeteilte Regim.=Reskript vom 3. März 1766 an den Superintendenten Keßler. Siggelkow, Handb. 3. Aufl. §§ 174, 175.
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wurde von dieser Regel Gebrauch gemacht, als bei den unerhörten Kriegsschatzungen, welche die Preußen während des siebenjährigen Krieges in Mecklenburg=Schwerin mit gewaltsamer Hand erhoben, außerordentliche Kriegssteuern ausgeschrieben 107 ) und große Anleihen gemacht werden mußten, deren Abtrag noch lange nach dem Aufhören des Krieges das Land mit außerordentlichen Steuerleistungen bedrückte. Nach der Kriegssteuerordnung vom 31. Mai 1758 3 ) hatten die Geistlichen und die pia corpora hierzu von ihren Einkünften 10 Prozent, die Küster und Schulmeister mit Handwerk 3 Taler, ohne Handwerk 2 Taler zu entrichten. 108 )


107) Aepinus, Gesch. von Meckl. Teil 3, S. 258 bis 292. Raabe, Meckl. Vaterlandskunde, Teil II, 1863, S. 1069 bis 1074.
3) Im Großherzogl. Archiv zu Schwerin.
108) In dem Reskripte des Herzogs Friedrich vom 21. Januar 1766 an den Superintendenten Zachariae heißt es: "Wir verhalten euch - - - auf eure unterthänigste Vorstellung und Bitte, den Beitrag Unserer Ehrngeistlichkeit und piorum corporum in unseren Städten zu der städtischen Receptur=Schulden=Steuer betreffend, hiermit gnädigst nicht, daß Wir nach Unserer wahren landesväterlichen Gesinnung gewünschet hätten, keinen einzigen Einwohner Unserer Städte mit diesem Rest der durch die allgemeinen Kriegsdrangsale in Unserem Lande nothwendig gemachten Städtischen Receptur=Steuer vom Jahre 1758 beschweren zu lassen. Da aber zu Erhaltung des öffentlichen Landeskredits und zum schuldigen Abtrag der für Unsere Städte zu Berichtigung ihrer Preußischen Contributionssteuer des gedachten Jahres angeliehenen Capitalien diese Nachsteuer in Verfolg Unseres Ediktes vom 31. Mai 1758 unumgänglich ist, die Unserer Geistlichkeit nach der Kirchenordnung competirende Immunität sich auch auf eine gänzliche Befreiung von dergleichen durch eine allgemeine Noth veranlaßte außerordentliche Steuer nicht zu erstrecken vermag, hiernächst unsere Ehrngeistlichkeit bei den enormen Unsere Lande betroffenen Kriegsdrangsalen nach Proportion gegen andere Stände noch immer am wenigsten gelitten hat, und überhaupt die gegenwärtigen bekannten Umstände eine Ausnahme derselben und der piorum corporum unmöglich machen, so müssen Wir unserer Ehrngeistlichkeit eine Gnade zu erweisen bis auf eine bequemere Gelegenheit aussetzen und dagegen nur die Befolgung des erneuerten Städtischen Steuer=Ediktes gegenwärtig in Gnaden anempfehlen." Archivakten, General. Ecclesiast. Steuern und Steuerfreiheit der Geistlichkeit, Convol. Pia corpora et Clerus in pto. der Steuer zur Preußischen Kriegsforderung 1758-1770. - Und in dem herzogl. Reskripte vom 27. Februar 1771 an die Pastoren in Röbel wurde ausgesprochen: Die an die Steuerstube gezahlten Erlegnisse würden ihnen bis auf die erhöhete Steuer zurückgezahlt; die einstweilige auf den Lauf von etlichen Jahren sich beschränkende Erhöhung der Accise aber sei zur Abtragung der städtischen Schulden aus dem hiebevorigen Kriege gewidmet, und von solchem Verhöhungsquantum sei kein Eximierter irgendwo befreiet. Archivakten, General. Accise und Licent, Vol. 22, Fasc. 4. Steuerfreiheit der Eximierten, item der Geistlichkeit, Convol. betr. die Consumtions=, Vieh=, Haus= und Acker=Steuerfreiheit der Geistlichkeit in den Städten Nr. 23.
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22. Die in der revid. Kirchenordnung vorgeschriebene Immunität befreite die Kirchendiener auch von den Kommunallasten und Kommunalsteuern. Ebenso wurden die Kirchen und sonstigen geistlichen Stiftungen als privilegiert angesehen und nach dem Herkommen mit den Kommunalsteuern verschont, 109 ) abgesehen von den Realsteuern, welche die pia corpora von den aus bürgerlichem Besitze an sich gebrachten, zu Stadtrecht liegenden Grundstücken zu entrichten hatten, wogegen die Dotalgrundstücke der pia corpora von den städtischen Steuern befreiet waren. 110 )

Um die Zeit, als der Abtrag der unter Nr. 21 S. 319 erwähnten preußischen Kriegsschulden durch außerordentliche Steuern zu Ende ging, vereinbarten die Ritterschaft und die Landschaft in dem Vergleiche vom 29. November 1781, 111 ) daß von gewissen Landkastenschulden, die zu Zwistigkeiten zwischen den beiden Ständen, Anlaß gegeben hatten, die Landschaft 1/4 Million Taler zum Abtrage übernehmen solle, wogegen die Ritterschaft sich verpflichtete, 3/4 Million Taler und den über diesen Betrag noch hinausgehenden Betrag der streitigen Schulden abzutragen. Die Landschaft nahm dabei in Aussicht, die Mittel zum Abtrage des übernommenen Schuldenanteils in ähnlicher Weise, wie bei dem Abtrage der preußischen Kriegsschulden geschehen war, durch Erhöhung der städtischen gewöhnlichen Landeskontribution (LGGEV. § 47) um den vierten Teil aufzubringen und die Aufkunft teils zum Abtrage des übernommenen Schuldenanteils, teils zur Bestreitung anderer allgemeiner oder besonderer Bedürfnisse der Städte zu benutzen. Dieser Vergleich wurde unter gewissen Bedingungen von dem Herzoge Friedrich genehmigt und durch die Verordnung vom 31. Mai 1783 112 ) wurde "allen und jeden steuerpflichtigen Einwohnern" der Städte vorgeschrieben, auf alle in § 47 des LGGEV. aufgeführten steuerbaren Gegenstände künftig bis zum vollendeten Abtrage des von den Städten übernommenen Schuldenanteils einen Zuschlag bis zu 1/4 der Steuer zu entrichten. Da die Kirchendiener nach der revid. Kirchenordnung von allen Steuern und so auch von der städtischen Landeskontribution (LGGEV. § 47) befreiet waren, also nicht zu den steuerpflichtigen Einwohnern der Städte gehörten (s. oben Nr. 20, lit. b Abs. 1 bis 3), so hätten sie auch von dieser erhöhten Steuer (dem sogen. fünften Pfennig) frei bleiben müssen. Gleichwohl wurde


109) Vgl. oben Nr. 20 lit. a Abs. 2 a. E.
110) Vgl. oben Nr. 15, Nr. 20 lit. b.
111) P. G.S. V, 197.
112) P. G.S. V, 195, IV, 153.
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die erhöhte Steuer in derselben Weise, wie bei dem Abtrage der preußischen Kriegsschulden geschehen war, von ihnen wahrgenommen. Mehrere Superintendenten erhoben daher wegen der Heranziehung der Kirchendiener und der pia corpora zu der erhöhten Steuer bei dem Landesherrn Beschwerde. Dabei kam zur Sprache, daß es sich jetzt nicht mehr um außerordentliche Notstandssteuern zur Deckung von ungewöhnlichen, das ganze Land bedrückenden Kriegsschulden, sondern nur um die Mittel zu allgemeinen und besonderen Bedürfnissen der Städte und um Landkastenschulden handle, die keineswegs zum Besten des ganzen Landes, sondern größten Teils zur Führung der früheren Prozesse der Ritterschaft gegen die Landesherren und gegen die Landschaft oder wegen anderer, nur die besonderen Interessen des einen oder des anderen Standes betreffender Veranstaltungen aufgenommen seien. Trotzdem waren die Polizei= und Steuer=Kommission und das Regierungskollegium dafür gestimmt, auch die Kirchendiener und die pia corpora zu der erhöhten Steuer heranzuziehen, indem sie geltend machten, daß früher bei dem Abtrage der preußischen Kriegsschulden die Not der Städte zu der Heranziehung der Prediger und der pia corpora Veranlassung gegeben habe und daß die Not der Städte noch immer sehr groß sei. Man unterstellte also einen Ausnahmefall äußerster Not (commune periculum) und ließ die Beschwerde der Superintendenten "bis auf erneuerte Anregung" unbeantwortet. 113 ) Hierbei verblieb es, 114 ) während die adligen Eximierten in den Städten durch die ihnen in § 95 des LGGEV. zugesicherte Immunität gegen die Belastung mit der erhöhten Accise=, Konsumtions= und Viehsteuer wirksam geschützt wurden, obgleich auch sie von außerordentlichen Notstandssteuern nicht ausgenommen waren. 115 )


113) Archivakten, General. Eccles. Steuern und Steuerfreiheit der Geistlichkeit, 2 Voll. Convol. betr. die von der Geistlichkeit nachgesuchte Befreiung von den Steuerabgaben. 1782 ff.
114) In dem Regierungsreskripte vom 22. Januar 1787 an den Präpositus Lorenz in Neustadt wurde ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer ediktmäßig die erhöhte Steuer nicht nur vom Hausschlachten und vom Getreide zur Mühle, sondern auch vom Vieh und Ackerwerk zu erlegen habe. Archivakten, General. Eccles. Steuern und Steuerfreiheit der Geistlichkeit, Convol. betr. einzelne Gesuche von Geistlichen um Steuerfreiheit, 1746 bis 1787 ff.
115) S. Note 108 (Reskript vom 27. Februar 1771). Bericht der Steuer=Kommission an die Regierung vom 23. Januar 1809, in dem bezeugt wird, daß auf Grund eines höchsten Reskriptes vom 7. Juni 1783 zwar den adligen Einwohnern in den Städten die ent= (  ...  )
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23. Zu den Beschwerungen, von denen die revid. Kirchenordnung die Kirchendiener befreite, gehörten auch die Einquartierungslast 116 ) und der Salzzwang. 117 )

24. Neben den Reichs=, Landes= und Kommunalsteuern bestanden seit alter Zeit die Binnenzölle (Land= und Wasserzölle). Es lag gewiß nahe, sie zu den Schatzungen und Beschwerungen zu zählen, von denen die revid. Kirchenordnung die Kirchendiener freisprach. Tatsächlich wurden sie aber niemals dahin gerechnet. In der Tat hatten sie nach ihrer geschichtlichen Gestaltung die Natur von Gegenleistungen angenommen, welche von den auf den Zollstraßen verkehrenden Personen für gewährten Schutz von Person und Eigentum an den Zollstellen zu erlegen waren (Geleitsgebühren), 118 ) und erst später, als ihr Grund mit dem Wachsen der öffentlichen Sicherheit weggefallen war, überwiegend die Natur von Steuern annahmen. Während die Ritterschaft sich in den Reversalen von 1621, Art. XV, und im LGGEV. von 1755, §§ 286 ff., die Freiheit von diesen Abgaben zu wahren wußte, ist von der gesetzlichen Zollfreiheit der Kirchendiener und der pia corpora nirgends die Rede. 119 )


(  ...  ) richteten erhöhten Vieh= und Konsumtionssteuern (der fünfte Pfennig) jedesmal (am Ende des Quartals) zurückerstattet wären, nicht dagegen den Personen geistlichen Standes, denen nur die ordentliche städtische Steuer zurückerstattet wäre. Archivakten, General. Accise und Licent, Vol. 22, Fasc. 4, Convol. betr. die Aufhebung der den städtischen Eximierten bewilligt gewesenen Befreiung von der Konsumtions= und Viehsteuer. 1809 ff.
116) Herzogl. Reskripte vom 25. Juli 1710 und vom 30. Juli 1711 an die ritterschaftlichen Kommissarien im Amte Crivitz, Parch. Ges.S. V, 82. Herzogl. Reskript vom 11. November 1805 an Bürgermeister und Rat in Rostock, Raabe, Ges. S. IV, 7.
117) Herzogl. VO. vom 15. April 1778, Parch. Ges.S. IV, 47. Nach Siggelkow, Handb. § 177 waren die Kirchendiener, wenigstens im Domanium, auch vom Mahlzwange frei. - Vgl. herzogl., Reskript vom 17. November 1801 Absatz 2, Parch. Ges. S. II, 285 betr. Beiträge zu den Kosten gemeiner Sicherheitsanstalten.
118) Prosch, Grundübel des Mecklenburg. Steuerwesens, Rostock 1860, S. 14 ff.
119) Vielmehr wird durch die VO. des Herzogs Friedrich vom 6. Januar 1783, Parch. Ges.S. IV, 207, in welcher die Zollbedienten angewiesen wurden, alle von dem Landesherrn berufenen oder versetzten Schullehrer und geistlichen Bedienten bei ihrem Umzuge mit ihren Sachen zollfrei passieren zu lassen, bezeugt, daß die Kirchendiener, abgesehen von diesem besonderen Ausnahmefalle, als zollpflichtig angesehen wurden. Hiermit stimmte auch die Handhabung des Zollwesens bis auf vereinzelte Schwankungen - vgl. Siggelkow, Handbuch 3. Aufl. § 176 - überein. Archivakten, General. Meckl. Landzölle, Vol. III,
(  ...  )
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25. Mit der Säkularisierung der geistlichen Güter durch den Reichs=Deputations=Hauptschluß vom Jahre 1803 und mit der Auflösung des Deutschen Reiches im Jahre 1806 kam eine neue Zeit, die auch in Mecklenburg von einschneidender Bedeutung für das alte Privilegium der kirchlichen Immunität wurde.

 

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Beilage 1.

Von Gottes gnaden Johans Albrecht und Ulrich gebrüdere, Hertzogen zu Meckelnburgk, etc.

E rsame liebe getrewen, Wir fügen euch hiemit gnediglich zuwissen, Nachdem unsere gemeine Landeschafft zu abtragung unserer obliggenden beschwerung eine benante summa Geldes uns zuerlegen undertheniglich bewilliget und angenommen, Das wir auff jtzgehaltenem Landtage alhier zum Sternberg uns mit derselbigen einhellig verglichen, was vor personen von unsern Underthanen und verwanten, so in unserm Fürstenthumb und Landen wohnen und gesessen sein, mit den hülffen und stewren beleget werden, Auch was ein jeder nach seines standes gebür und gelegenheit von seinen Gütern, deßgleichen auff was mittel und wege und zeit ein jeder bestewret und belegt werden solle, Damit die bewilligte angenommene Summa also desto schleuniger und besser zusammen gebracht werde. Nemblich und also, das alle Geistliche Stieffte, Clöster und Comptereyen neben denen vom Adel, Bürgermeistern, Rathmannen,


(  ...  ) Convol. betr. Zollfreiheit der Geistlichkeit, 1769, 1770; Convol. betr. Entfreiung der Erbzinspächter, auch der Geistlichkeit und Pfarrpächter von Erlegung des Zolles 1827 bis 1857 Nr. 48, 50, 52, 58, 59, 72, 76, 85, 86, 87, 90; Archivakten betr. die Zollfreiheit der neu angestellten oder versetzten geistlichen und Schulbedienten für ihre Effekten; Bericht des Steuer= und Zolldepartements vom 3. Dezember 1857 und Entscheidung des Großherzgl. Finanzminister. vom 4. Dezember 1857 in Sachen betr. die Beschwerde des Pastors R. in Pritzier; Schultze, gedrängte Darstellung, S. 32, 33. - Die durch die die VO. vom 26. Mai 1786, Parch. Ges.S. IV, 209, den Kirchen bei dem Transporte von Glocken, anderen Stücken und Baumaterialien bewilligte Zollfreiheit ist ebenfalls eine Ausnahme von der allgemeinen Zollpflichtigkeit.
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Bürgern und Pawren sampt allen Professorn, Fürstlichen Rethen, Dienern, Superintendenten, Pastorn, Schuldienern, so seßhafftig seint und ihre Narung gleich andern Bürgern in Stetten treiben, Auch die Pawren Erb und Pachtmüller in Stetten, Dörffern und auff dem Lande, Scheffer, Schefferknechte und Hirten in diese Contribution der Stewren und hülffen, so lange die angenammene Summa unabgelegt ist, miteingezogen, Auch die Heuser und Wonungen, so auff den Kirchhöfen und andern orten gelegen und bißher frey gewesen und gehalten wordē, hinfür nicht eximiert und frey gelassen werden und sein sollen. Und sollen die vom Adel neben den Witfrawen, so ihre Leibgedinge güter jnnehaben oder derselben Verwalter, Auch In und Außlendische Geistliche Stiefftspersonen und Fürsteher von einem jeden Wispel hartes Saetkorns, als Weitzen, Roggen, Gersten und Erbsen, Parchimer mas Jerlich, und jtzo mit der harten und weichen dieses zwey und Siebenzigsten Jars eingeerndter Saedt anzufahen, einen gülden und von einem Wispel weiches Saedtkorns, als Hafern und Buchweitzen, einen halben Gülden und von stehenden harten Kornpechten, einen halben Gülden vom Wispel und von weichen Kornpechten Sechs schilling Lübisch vom Wispel und dann der zehende Pfenning von den Geldtpechten durch die jennige, so dieselbe heben und empfahen, Es sey ihr Erb oder Pfandt In oder ausserhalb Landes entrichtet werden, Aber die Bürger und Inwohner in Landstetten sollen bey der alten duppelten Landtbete bleiben und von einem jeden Wispel Maltz, so gemahlen und verbrawet wird, Parchimer mas, darnach alle die andere kleinere mas gerichtet werden sollen, drey Gülden zur Ziese entrichten: Und dann die Pawren nach Hufenzall sampt den Schmiden, Leinenwebern, Schneidern und Krügern auff den Dörffern, die gebürliche Landtbete wie von alters und die Erbmüller, die sitzen in Stetten, Dörffern oder auff dem Lande, von jederm hundert Gülden, ihrer Haab und Güter, zween Gülden, Die Pachtmüller ein jeder von einem Haupt seines eigenen Rindtviehes zwen Schillinge. So wol auch neben ihnen die Scheffer, Schefferknechte und Hirten von einem alten und Jerigen Schaff, Zygen oder Schwein, ein Schilling Lübisch geben. Und weil dann hiebeuorn befunden, das allerhandts veruntrawung in den Landhülffen geschehen, So sollen unsere Lehenleute die vom Adel, so uns jhre Lehenspflichte bißhero noch nicht geleistet, auch dessen kein beweis noch schein haben, und Innerhalb landes seint, Auch das vierzehende Jar ihres alters erreicht haben, nochmaln bey uns zur Wißmar auff den 26. dieses Monats Novembris einkommen und hernach auff den 27. zu Früer tag zeit persönlich

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und bey verlust ihrer Lehen und Güter erscheinen, uns jhren schüldigen Lehens eidt schweren und vermüge solchs eides jhre gebür, so wol als die andern einbringen, Aber aus deren mittel so ausserhalb Landes verreiset oder unvollkommenes alters seint, die Inhaber und verwalter jhrer Güter sollen mit sonderlichen Eidtspflichten jhre gebür, mit allen trewen richtig zu machen, eingenommen werden, Und die noch etwas schüldig seint, von allen oder aber etlichen Jaren voriger hülffe und jhre Bezalung mit Quitantzen nicht zubeweisen haben, sollen neben den jtzigen gewilligten hülffen, alle solche jhre Restanten, nicht allein bey vermeidung der straff duppelter erlegung, sondern auch schleuniger und unverzüglicher außpfandung einbringen, Wie ferner hernach und außdrücklicher folgen sol und wird. Welche aber herwider handelen, sollen mit der straff des meineidts und darüber mit zweyfechtiger Bezalung solcher jhrer gebürnus unnablessig gestrafft werden. Und sol mit einnehmung der hülffen also und volgender gestalt gehalten werden, Das die Landbete von den Pawren den Ambtleuten, darunter ein jeder gesessen, auff Martini oder je auff den achten tag hernacher zum lengsten zugestellet und durch dieselbige wiederumb zum lengsten auff nechstkünfftige Nicolajtag den Einnehmern des Kreiß, darin solch Ampt gehörig, neben klaren und richtigen Registern und bey straff duppelter erlegung, so ein jder saumiger Einnehmer von dem seinen zuentrichten schüldig sein sol, eingebracht, Deßgleichen die Stewer von den Müllern und Scheffern neben verzeichnus, wie viel ein jeder Schaffe habe, Auch von der Saedt und Kornpechten, sampt dem zehenden Pfenninge von den Geldtpechten und hebungen, von denen vom Adel und allē andern, In und Außlendischen, so von jhren Einkünfften jerlich Pechte zuböhren haben, Und aus den Stetten die Landtbete und erhöhete Ziese in jedem Kreiß durch einen vom Adel und einen Bürger, die zu Einnehmern sonderlich deputiert und vereidet sein sollen, uberantwortet werden. Welche auff jdes Qwartal zu Güstrow zusammen kommen und den zweyen daselbst zu Güstrow verordenten Einnehmern ihre eingesamblete hülff in einen algemeinen Haubtkasten zusamen einbringen, Auch da einige mengel in jhren Kreissen fürgefallen, dieselbigen von jhren Einnehmern schrifftlich und geduppelt, uns auff jedes Qwartal uberlieffert werden, Damit wir uns daraus nottürfftiglich zuersehen und zu dero ernstlichen abschaffung schreiten mügen. Es sollen auch in jederm Kreiß zwen Kasten, mit vier Schlössern verwaret, zugerichtet und in dero einen das Geldt, in den andern aber die Copeyen der Qwitantzen und eines jeden klare Register zu ge=

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wisser nachrichtung eingeworffen werden. Und sollen die Einnehmer im Schwerinischen Kreiß, mit namen sein, Hans von Bülaw zu Pokrente und Georgen Fues, im Güstrowischen Kreiß, Dieterich Pleß zu Zulaw, und Jacobus Kröger, im Newenbrandenburgischen Kreiß, Vicke Jentzkaw zu Dewitz und Jost Woltman und sambtlich Jerlich zu Güstrow auff den Montag nach Misericordias domini, einkommen und den Erbarn unsern Rethen, Lehenleuten und lieben Getrewen, Achim Ryben zu Schönhausen, Werner Hanen zu Basedaw, Clawes Fineken zum Gnemer, Hans Linstaw zu Bellin, Johan Crammon zu Wuserin und Churten von der Lühe zu Pantzaw (dero ein jeder mit dreyen Pferden und nicht darüber, zu vermeidung unnötigs uberflüssigs unkostens und one einige sonderliche schrifftliche förderung, in krafft dieser unser einmahl geschlossenen Verordenung Jerlich auff angezeigte zeit daselbst erscheinen sol) neben zweyen Bürgermeistern und einem Rathmanne in unser Stadt Güstrow, rechnung von allen jhren einmahnen thun. Es sollen auch die seumigen, so mit erlegung jhrer gebürlichen hülff, bis nach dem Christag künfftig und volgents Jerlich verziehen und wider die der Fiscal albereit Proceß, vor solcher zeit außgebracht von wegen jhres ungehorsams mit duppelter straff, Aber wider welche der Fiscal noch keinen proceß außgebracht und insinuirt hat, mit der helffte der straff uber jrhe gebür belegt werden. Demnach und damit dieser unser mit gemeiner Landtschafft getroffenen beliebten und bewilligten Verordenüng von allen unsern Underthanen hohes und nidriges, Geistlichs und Weltlichsstandes mit erlegung eines jeglichen gebür, hülffe und anteil, folge geschehe, Auch von den verordenten Einnehmern aller Kreissen und dann von unsern Ambtleuten und Küchmeistern, mit einförderung und uberantwortung der Stewren und hülffen, auff jede obbestimpte zeit und benante Legestadt on einige saumnus oder verhinderung, dero keins bey uns disfals stadt haben, noch Jemanden fürtragen und entschüldigen sol, underthenig, getrewlich und gehorsamblich nachgelebet werde, Als haben wir diesen unsern und gemeiner Landschafft beschlus in Druck außgehen und euch zufertigen lassen, damit jhr einige unwissenheit hierüber nicht fürzuwenden habet. Befehlen euch darauff hiemit gnedig und ernstlich, das jhr bey denen pflichten, damit jhr uns verwandt, auch vermeidung obgesatzter unnachleßlicher straffe, euch mit erlegung ewer gebür von den vorigen Restanten, dabey euch noch einige hinderstellig weren, auch jtzo gewilligten hülffen und Stewren, auff angezeigte zeit und mahlstett, gehorsam und ungesaumbt erzeiget und verhaltet. Wie

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dann in gleichem auch die deputierten Ober und Untereinnehmere und unsere Ambtleute und Küchmeister mit einsamblung, zusammenbringung und uberantwortung derselbigen, jres teils auch thun und dieser unser und gemeiner Landschafft Ordnung und Satzung in allen Puncten und Artickeln getrewlich nachzusetzen, sich erinnern werden. Das wollen wir umb die getrewen und gehorsamen in allen gnaden zuerkennen , Aber wider die ungetrewen ungehorsamen, saumigen und nachlessigen, mit obgedrawter ernster straffe zuverfahren, in kein vergessen stellen. Darnach jhr euch und ein Jeder zurichten und vor schaden und nachteil zuhüten wirt wissen. Und geschicht daran unser gentzlicher zuverlessiger und entlicher will und meinung. Datum zum Sternberg den ersten Novembris. Anno LXXII.

 

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Beilage 2.

V On GOttes Gnaden ADOLPH FRIEDRICH und HANS ALBRECHT Gebrüder, Hertzogen zu Meckelnburgk, Coadjutor deß Stiffts Ratzeburgk, Fürsten zu Wenden, Graffen zu Schwerin, der Lande Rostock und Stargardt Herren, Erbare liebe getrewen, Wir fügen Euch hiemit gnediglich zu wissen, Nachdem Unsere getrewe Landtschafft zu ablegung Unser obliegenden Beschwerung, eine benandte Summa Geldes Uns zu erlegen underthäniglich bewilliget und angenommen, Daß Wir auff jüngst gehaltenem Landtage zu Rostock, Uns mit derselben einhellig verglichen, was Personen von Unsern Unterthanen und Verwandten, so in Unsern Fürstenthumben und Landen wohnen und gesessen sein, mit den Hülffen und Steuren beleget werden, auch was ein Jeder nach seines Standes gebühr und gelegenheit von seinen Gütern, Deßgleichen auff was mittel, wege und Zeit, ein Jeder collectieret und bestewret werden sol, damit die bewilligte angenommene Summa also desto schleuniger und besser zusammen gebracht werde, Nemblich und also: Daß alle Geistliche Stiffte, Clöster und Comptereyen neben denen vom Adel, Fürstlichen Räthen un[Symbol:n mit Strich] Dienern, Bürgermeistern, Rathmannen, Bürgern, Gelarten unnd Professoren, auch die Bawren, Erb= und Pachtmüller in Städten und Dörffern, Witwen, Jungfrawen, Dienstbotten, Schäffer, Schäfferknechte und Hirten, und also alle Einwohner in diese Contribution der

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Stewren und Hülffen auff diß 1621. Jahr mit eingezogen, auch die Häuser und Wohnungen, so auff den Kirchhöfen und andern Orthen gelegen und bißhero frey gewesen und gehalten worden, nicht eximiret und frey gelassen werden und sein sollen, Und sollen die vom Adel neben den Witfrawen, so jhre Leibgedings Güter einhaben oder derselben Verwalter, auch Ein= und Außländische Geistliche Stiffts Personen und Fürsteher und andere Landbegüterte von der Einfath aller zu jhren Sitzen nicht allein, sondern auch new angelegten und erweiterten Ackerwercken, nichts außgenommen, nach der Anlage de Anno l572. als nemblich von einem jeden Wißpel hartes Korns, als Weitzen, Rogken, Gersten und Erbsen, Parchimer Maß, Jährlich und jetzo mit der harten und weichen dieses ein und zwantzigsten Jahres einzuärnten Saath anzufahen, einen Gülden, und von einem Wispel weiches Korns als Habern unnd Buchweitzen einen halben Gülden und von stehenden harten Kornpechten, einen halben Gülden vom Wispel und von weichen Kornpechten Sechs Schilling, Mechelburgischer wehrung vom Wispel und dan der Zehende Pfenning von den Geldpechten durch die Jenige, so dieselbe haben und empfahen, Sie seyen in= oder ausserhalb Landes seßhafftig, entrichtet werden.

Aber die Bürger und Inwohner in Land=Städten sollen von jhren Häusern, die jetzt verwilligte doppelte Landbete, als von jedem Hause zweene Gülden, zwölff Schilling von einer Buden, ein Gülden Sechs Schilling, dazu auch von einem jeden Wispel Maltz, so gemahlen unnd verbrawet wird, Parchimer Maß (darnach alle andere kleinere Maß gerichtet werden sollen) Drey Gülden zur Ziese und dan die Bawren nach Huefen zahlen, für jede Huefe ein Gülden acht Schilling Mechelburgischer wehrung und die Einliger den Cossaten gleich die Landbete und die Schmiede, Leinweber, Schneider, Krüger auff den Dörffern nach anzahl jhrer Huefen die gedoppelte Landbete, so wol auch von jhrem Ampt: oder Handwercken, die gewöhnliche Gebühr, Sie haben Acker oder nicht, den Krügern gleich entrichten, Und die Erbmüller, die sitzen in Städten, Dörffern, oder auff dem Lande, von jedem Hundert Gülden Ihrer Haab unnd Güter, Vier Gülden, die Pachtmüller, ein jeder von einem Haupt seines eigenen Rindviehes, Vier Schilling, von jedem Schaff und Schwein, zwen Schilling, So wol auch neben jhnen die Schäffer, Schafferknechte un[Symbol: n mit strich] Hirten von jedem Schaff, so sie im gemenge haben, zween Schilling, Von jeder Ziegen und Schwein zween Schilling, für jedes Haupt Rindviehe, so sie auß dem Winter gefüttert, Vier Schilling, für jedes Schaff,

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so der Meister oder Knecht ausser dem Gemenge hat, Drey Schilling, die Bauerknechte für jeden Gülden jhres Lohns Zwey schilling, und für jeden Scheffel hartes Kornes, so jhnen außgesäet, Vier schilling weiches Kornes, Zwey schilling, welches der Herr erlegen unnd den Knechten an jhrem Lohn abziehen soll, Alle Dienstbotten auff dem Lande und in den Landstädten, Schreiber, Reysige Knechte, Gutscher, Jungen, Vöigte und alle so umb Lohn dienen, von jedem Gülden jhres Lohns, Zwen schilling, die Mägde ein schilling, die Neyerinnen, Kräuserinnen und dergleichen Weibes Personen, so jhre eigene Nahrung treiben, Acht schilling geben und entrichten.

Uber dieses sollen alle zum eingang gedachte Personen, so mit dieser Contribution beleget, Adel und Unadel, Geist= und Weltliche, Erb= und Pfandgesessene (davon gleichwol die Außländischen Einhaber der Fürstlichen Embter eximiret) die Patrioten, so ihre Patrimonial Gelder auff die Embter gethan, oder sonsten sich im Lande befreyet und jhre Bahrschafft haben, wie auch die, so einige anwartung auff die Meckelnburgische Lehen haben, Adeliche Witwen, Erb= und andere Jungfrawen, vom Adel und Burgerstandes, Einwohner in Landstädten, auff den Freyheiten oder anderswo seßhafftig, Unmündige Kinder und an deren stath jhre verordnete Vormünder, von aller jhrer auff Siegel und Brieffen, Pfand oder Hypothec, in= oder ausserhalb Landes, eigenthümb= oder genießlich, Erblich oder ad vitam habender Zinslichen Bahrschafft, den Halbhundersten Pfenning und also von Tausent Gülden Fünff Gülden entrichten und abtragen.

Gleichsamb auch die außfallende und Geldziehende vom Adel, von jhren auß den Lehen schon eingehobenen oder noch in den Lehen stehenden Bahrschafften, den Halbhundersten, als von jederm Tausent Fünff Gülden bey verlust jhrer anwartung zu geben schuldig sein sollen.

Wann auch Gott der Allmechtige dieses Land mit Mastung gesegnet, so soll der jenige, der das Mastgeld hebet, oder da jemand die Schweine frey in die Mast treibet, selbst von jedem feisten Schweine einen Schilling Meckelburgischer wehrung, ohn unterscheid der Personen, geben.

So sollen auch die Kramer, Gewandschneider, Weinschencken, Apotecker und andere Handelsleute von jhrer Bahrschafft, die sie auff Zinse oder in jhren Handel haben, die Stewren doch aere alieno deducto, gleich andern als von jedem Tausent Fünff Gülden reichen und zahlen.

Weil auch bey vorigen Contributionen befunden, daß dabey viel unterschleiffs und untrew gebrauchet, Als sol zu deren

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verhütung vorgesagte Zulage und Stewren von allen den jenen, so darzu verbunden, mittels eines Cörperlichen Eydes, so ein jeder in der Person oder durch einen gnugsamen Gevollmechtigten in seine Seel für den verordneten Einnehmern jedes Orths in gewisser form abzulegen schuldig, eingebracht werden, Doch sollen die Land= auch Unsere Fürstlichen Räthe unnd Diener, mit keinem Eyd beleget, sondern es jhnen bey den Special Pflichten und Eyden, damit sie Uns verwant gelassen werden.

So sollen auch die Professoren zu Rostock bey jhren Eyden, damit sie der Academien verpflichtet, anloben, die Collecten von jhrer Bahrschafft abzustatten, Die andern aber, so keine Professores, jhren Cörperlichen Eyd vor dem Rectore abzulegen und vermittelst dessen die Collecten von jhrer Bahrschafft abzutragen und zu geben vorpflichtet sein.

Und seind nun zu Einnehmern dieser Stewren, zweene Bürger in Unser Stadt Rostock mittelst einer sonderbahren Instruction bestellet, vereydet und angenommen, Welchen vier Personen auß der Ritter= und Landschafft unnd drey auß Rostock, Wißmar und Newen Brandenburgk zu Inspectorn, und dan ein gewisser Ausschuß zugeordnet.

Es sollen aber gemelten Einnehmern die Stewren zwischen Martini unnd Weynachten folgender gestalt eingeliefert werden.

Erstlich sol die Landbete, so die Bauren und andere auff dem Lande und unter denen vom Adel und anderer Herrschafft wohnende, nach Huefen zahl und Altem herkommen, Wie dann auch der Dienstbotten, Schäffer und Schäfferknechte und Hirten, durch die Junckern und Herrschafften eingefordert und nebenst jhrer eignen vorangezeigter massen verwilligten Steur mittelst Eydes eingebracht unnd welche hiewieder handlen mit der Straff deß Meineyds und darüber mit gedoppelter Bezahlung solcher jhrer Gebührnus unnachlessig gestraffet werden.

Weiter und im gleichen sollen die Küchmeister oder Amptschreiber, so die Steuren von den Unterthanen auffnehmen, von den unter jedes Ampt gehörigen Unterthanen, Geist= oder Weltlichen vorbenandte gebührnus nach Huefen zahl unnd wie von Alters herkommen, so wol auch von den Müllern und Schäffern, Dienstbotten, obverstandener massen, mittelst Eids einmahnen und in obbenannter frist den Einnehmern zu Rostock vermüge eines beständigen Registers Eidlich einbringen, Gleichsamb dan auch die Herren wegen jhres Gesindes, Diener und Dienerinnen vor den Einnehmern jedes Orths, wie obstehet, den Eyd abstatten sollen.

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So sollen auch alle andere bewilligte Steuren innerhalb dem bestimbten Termino, von menniglichen, der dazu mit obberürter massen beleget, mittels Eydes abgestattet werden.

In den Landstädten sol die für dißmahl gewilligte Landbete gedoppelt, auch ebenmessig die Ziese und dan der Halbhunderste und andere obgedachte Zulagen von Dienstbotten und sonsten von den Räthen jedes Orts, mittelst gewisser Eydsleistung eingesamblet und zu rechter Zeit zu Rostock den Einnehmern eingeliefert und in einen gewissen mit Schlössern verwahrten Kasten (dazu die Ritterschafft einen und den andern die Städte haben sollen) gelegt werden.

Es sollen auch die den gemeldeten Einnehmern zugeordnete Directores, so offt es die notturfft erfordert (doch daß unnötige Unkosten verhütet bleiben) zu Rostock zusammen kommen von den Einnehmern was einkommen, und ob sich dabey mangel ereuge, erkunden und denselben, so viel an jhnen ist, remedieren, und auffn nothfall Unsere, als der Landsfürsten, Hülff imploriren.

Damit auch allem unterschleiff und unrichtigkeit gewehret werden möge, Als sollen vorbenante den Einnehmern zugeordnete Inspectorn, und ander auß der Ritter= und Landschafft Deputierter Ausschuß, deren ein jeder mit vier Pferden und nicht darüber, auch zu vermeydung unnötigen überflüssigen Unkostens, und ohn einige Schrifftliche Forderung Jährlich auff den Montag nach Misericordias Domini, zu Rostock einkommen, und von den verordneten Einnehmern richtige Rechnung aller Stewren und Hebungen auffnehmen.

Damit auch die Steuren zu rechter Zeit eingebracht und gegen die seumigen ernste und schleunige Zwangmittel fürgenommen werden mügen, Als sollen auff der Einnehmer denunciation die Beampten und Executores jedes Orths, die seumigen zu schuldiger Zahlung anzumahnen und da dieselbe innerhalb den nehisten vierzehn Tagen nicht erfolgen sollte mit der Execution in duplum zuverfahren befehligt sein.

Demnach und damit dieser Unser mit gemeiner Landschafft getroffenen, beliebten und bewilligten Verordnung von allen Unsern Unterthanen, hohes und niedriges, Geistliches und Weltliches Standes mit erlegung eines jeglichen Gebühr, Hülff und Antheil, folge geschehe, auch von den verordneten Einnehmern, und dan von Unsern Amptleuten und Küchmeistern mit einfoderung und überantwortung der Steuren und Hülffen auff jede obbestimpte Zeit und benante Legestath, ohn einige säumbnus oder verhinderung, dero keines bey Uns dißfals stath haben, noch Jemanden für=

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tragen und entschuldigen soll, unterthänig, getrewlich und gehorsamblich nachgelebet werde, Als haben Wir diesen Unsern und gemeiner Landschafft Beschluß in Druck außgehen und Euch zufertigen lassen wollen, damit Ihr einige Unwissenheit hierüber nicht fürzuwenden habet.

BEfehlen Euch darauff hiemit gnedig und ernstlich, daß Ihr bey vermeydung obgesatzter unnachlessiger Straff Euch mit erlegung Ewrer gebühr der gewilligten Hülffen und Steuren auff angezeigte Zeit und Mahlstadt gehorsamblich und ungeseumbt erzeiget unnd verhaltet, Wie dan im gleichen auch die Deputirten Ober= und Unter Einnehmer wie auch Unsere Amptleute und Küchmeister mit colligierung zusammenbringung und überantwortung derselbigen jhres theils auch thun und dieser Unser und gemeiner Landschafft Ordnung und Satzung in allen Puncten und Articuln getrewlich nachsusetzen sich erinnern werden.

Und nach dem obgesetzter modus collectandi auff diß 1621. Jahr allein von Uns und einer Erbarn Ritter= und Landschafft einhellig beliehet, So behalten Wir Uns hiemit außdrücklich bevor, ins künfftige 1622. Jahr denselben nach befindung und gelegenheit neben der Ritter= und Landschafft zu endern und zuverbessern, Das wollen Wir umb die gehorsamen in allen Gnaden erkennen, aber wieder die ungehorsamen, seumigen und nachlessigen, mit obgedrawter ernster Straffe zuverfahren unvorgessen sein, Darnach jhr Euch und ein Jeder zu richten und für Schaden und Nachtheil zu hüten wird wissen, Daran geschicht unser gentzlicher zuverlessiger und endlicher Wille und Meynung. Publicatum 28. Junij Anno 1621.

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IV.

Der Sterbetag der Herzogin Katharina von Mecklenburg.

Ein Nachtrag zur Stammtafel des Großherzoglichen Hauses.

Von
Archivar Dr. Hans Witte.


H erzogin Katharina, die Gemahlin des Herzogs Johan IV., Tochter des Herzogs Erich IV. von Sachsen=Lauenburg, nimmt in der Geschichte unseres Landes eine besonders bedeutsame Stellung ein durch die Regentschaft, die sie von 1422 bis 1436 für ihre minderjährigen Söhne Heinrich IV. und Johann V. führte.

Wann die Herzogin aus dem Leben schied, war bisher nicht genau bekannt. Wigger bemerkt in seiner Stammtafel nur: "† nach 23. Juli 1448", und im Text 1 ) sagt er etwas ausführlicher: "Ihre letzte eigene Urkunde, soviel mir bekannt, ist datiert von 1448, Dienstag nach Margareten (23. Juli). Nach Rudloff hat sie noch am 18. November desselben Jahres gelebt (nach einer Urkunde?)".

Durch die von mir besorgte Bearbeitung der Regesten über den Zeitraum von 1401 - 1500, die als Fortsetzung des Mecklenburgischen Urkundenbuchs veröffentlicht werden sollen, ist nun der ganze Urkundenvorrat des Schweriner Archivs innerhalb der angegebenen Zeitgrenzen durch meine Hände gegangen, darunter auch einige Stücke, durch die die Wiggersche ungenaue Zeitangabe näher bestimmt werden kann.

Über dieselbe hinaus hat die Herzogin sicher noch gelebt am 12. November 1448, wo ihr die Stralendorffs den Wall und das höchste Gericht im Dorfe Mecklenburg verpfändeten. 2 )


1) Jb. 50 (1885), S. 190.
2) Perg.=Orig. in den Gutsurk. Mecklenburg des Schweriner Archivs DD 83 LXXXXV. Es ist dies die Wigger unbekannte Urkunde, die Rudloff (II, S. 629) als die letzte der Herzogin anführt, indem er als Quelle "Chemnitz a. a. O. aus einer Orig.=Urk." nennt. Bei Chemnitz findet sie sich III, 1 S. 886. Das abweichende Tagesdatum beruht auf einer falschen Auflösung des urkundlichen Datums: "an deme dinxtedaghe na s. Mertens daghe des hilghen bischoppes" = Novbr. 12, nicht Novbr. 18.
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Aber auch dies ist noch nicht die letzte Urkunde, in der die Herzogin handelnd auftritt: Noch im Jahre 1450 hat sie zu Wismar am 29. Januar (des dunredages vor v. l. vrowen daghe to lichtmissen) ein Haus in Schwerin dem Kirchherrn der Wismarschen Marienkirche, Gerd Schröder, verkauft, nachdem die Genehmigung ihres Sohnes, des Herzogs Heinrich, vorweg am 25. Januar (amme dage Pauli conuersionis) erfolgt war. 1 )

Die nächste Urkunde, die hiernach von der Herzogin redet, ist nicht erhalten als ausgefertigtes Original, auch nicht in Gestalt einer vollständigen Abschrift, sondern nur als unausgeführter auf Papier niedergeschriebener Entwurf zu einem Konzept. Wenn nun dieser Entwurf 2 ) davon handelt, daß am 24. September 1450 (feria quinta ante festum Michaelis archangeli) Herzog Heinrich eine jährliche Gült von 8 M aus der Bede des Dorfes Biendorf verschrieb, ad memoriam domine Katheriene ducisse Magnopolensis in festo b. Mauricii et sociorum eius peragendum, so kann man bei dem Fehlen einer Originalausfertigung vielleicht zweifelhaft sein, ob diese Stiftung wirklich ausgeführt wurde. Aber daß die Herzogin das Datum dieses Entwurfes nicht mehr erlebte, sondern an dem Tage, der hierin für ihr Seelengedächtnis festgesetzt wurde, verstorben war, ist nicht zu bezweifeln. Der Sterbetag der Herzogin war also der Mauritientag (22. September) des Jahres 1450.

 

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1) Beide Urk. sind in gleichzeitigen Papier= Abschriften erhalten im Schweriner Archiv, Stadturk. Schwerin W 18. Die oben an erster Stelle genannte wird auch erwähnt in Chemnitz' handschriftlichem Chronicon Megapolense III, 1 S. 890.
2) Ebenfalls im Schweriner Archiv, Gutsurk. Biendorf.
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LXXII                                                Schwerin, 1. Juli 1907

Jahresbericht

des

Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde.


Inhalt:   Geschäftliche Mitteilungen. Literaturbericht. Anl. A: Veränderungen des Mitgliederbestandes. Anl. B: Zuwachs der Vereinsbibliothek. Anl. C: Zuwachs der Bildersammlung. Anl. D: Auszug aus der Rechnung für den Jahrgang 1905/1906.

Geschäftliche Mitteilungen.

Das 72. Vereinsjahr hat ganz besonders zu geschichtlichen Erinnerungen angeregt. Im Herbst 1906 waren hundert Jahre verstrichen, seit die französische Invasion unser Heimatland erfaßte und eine lange Zeit wirtschaftlicher und politischer Bedrückung einleitete. Es war eine Zeit, wie sie in schrofferem Gegensatz zu heute kaum gedacht werden kann. Damals in Mecklenburg der Handel über See durch die Kontinentalsperre lahmgelegt, die Landwirtschaft ertraglos, weil ihr das herkömmliche Absatzgebiet in den Nordischen Ländern verschlossen war, die Hülfsmittel des Landes von den fremden Truppen übermäßig in Anspruch genommen, jede freie Meinungsäußerung durch strenge Zensur niedergehalten, die Regierung in unwürdiger Bevormundung von Paris aus, heute ein Mecklenburg, das unter dem Schutze des geeinten Vaterlandes auf allen Gebieten wirtschaftlichen und geistigen Lebens rege fortschreitet. Wahrlich, da hatte unser Verein, der vor allem den Sinn für die Mecklenburgische Geschichte erwecken und die Liebe zur Heimat pflegen will, wohl Ursache, sich das Bild jener längst vergangenen Tage ins Gedächtnis zurückzurufen. Wir haben dieser Aufgabe durch zwei Vorträge im vorletzten und letzten Winter gerecht zu werden versucht, welche die Kontinentalsperre und ihre Folgen und die Kriegsereignisse von 1806 schilderten.

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Die Entwickelung des Geschichtsvereins hat im verflossenen Geschäftsjahr in jeder Beziehung merkliche Fortschritte gemacht. Es ist uns gelungen, eine große Zahl neuer Freunde für unsere Sache zu gewinnen, sodaß die Verluste durch Tod und Austritt reichlich gedeckt sind und wir eine Höhe des Mitgliederstandes erreicht haben, wie sie der Verein bisher noch nicht hatte. Sehr rege war die Beteiligung der Mitglieder an den Vereinsveranstaltungen, dem Sommerausflug und den Wintervorträgen. Zugenommen hat in Vereinskreisen das Bestreben, sich durch eigene Arbeit in die Vergangenheit der Familie oder des Landes zu versenken und aus den Quellen neue Erkenntnis zu schöpfen, wie die hohe Benutzerziffer des Großherzoglichen Archivs zeigt. Die wissenschaftlichen Unternehmungen des Vereins sind unermüdlich weiter gefördert und auf ein neues Arbeitsfeld ausgedehnt worden.

Was die Personalnachrichten betrifft, so sind uns unsere Ehrenmitglieder erfreulicherweise sämtlich erhalten geblieben. Von den korrespondierenden Mitgliedern ist am 6. März 1907 der Geh. Archivrat Dr. v. Bülow zu Stettin heimgegangen. Durch eine langjährige Leitung des pommerschen Staatsarchivs, durch manche wissenschaftliche Forschungen zur Geschichte seiner Familie (so durch eine Untersuchung über ihr Wappen und ein Taschenbuch über die jüngeren Generationen) ist er weiteren Kreisen bekannt geworden. Unserm Verein war er sehr zugetan. Als wir 1885 das fünfzigjährige Bestehen des Geschichtsvereins feierten, ließ er es sich nicht nehmen, seine freundschaftliche Teilnahme durch eine Festschrift kundzugeben. Sie behandelte die Rühner Klosterordnung von 1581. Und noch von einem schmerzlichen Verlust unter den korrespondierenden Mitgliedern muß hier berichtet werden. Am 30. April 1907 verschied nach längerer Kränklichkeit der Staatsarchivar Professor Dr. Hasse. Seit seiner Übersiedelung nach Lübeck hat er seine wissenschaftliche Tätigkeit vorwiegend der Geschichte dieses unseres Nachbarstaates gewidmet und dadurch auch für uns wertvolle Schätze gehoben. Das von ihm fortgesetzte Lübecker Urkundenbuch bot, wie ich schon in den früheren Jahresberichten angegeben habe, manches mecklenburgische Material. An der Verstorbenen Stelle hat der Vereinsausschuß den Museumsdirektor Dr. Schuchhardt in Hannover zum neuen korrespondierenden Mitgliede erwählt. Dieser kann recht eigentlich als die Seele der römisch=germanischen Forschung gelten und ist besonders auf dem Gebiete der Ringwallforschung als Autorität

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anerkannt. Unserm Verein steht Professor Schuchhardt nicht mehr fremd gegenüber. Wir konnten im letzten Winter auf einer Abendversammlung einen fesselnden Vortrag von ihm über sächsische und slavische Ringwälle anhören, der uns überraschende Einblicke in die Konstruktion und die Benutzung dieser Wälle eröffnete. Nach seinen auf breitester Grundlage beruhenden Forschungen muß die allerdings schon längere Zeit ins Wanken geratene, aber noch immer wieder auftauchende Ansicht, daß wir in den Wällen alte Tempelstätten vor uns haben, endgültig aufgegeben werden. Es sind die Wälle Überreste von Herrensitzen, die von den Wohnstätten der niederen Volksgenossen umgeben waren. Die Wälle bilden jedenfalls die Vorläufer der mittelalterlichen Burgen und befestigten Städte. Hoffentlich gelingt es uns, Professor Schuchhardt künftig noch enger an unsern Verein zu fesseln und uns sein fachmännisches Urteil auch für die beabsichtigten Ausgrabungen auf der Moltkeburg bei Nieköhr zu Nutze zu machen. Die Zahl der korrespondierenden Mitglieder ist gegen das Vorjahr um ein Mitglied zurückgegangen.

Auch durch die Reihen der ordentlichen Mitglieder ist der Tod geschritten und hat uns manchen treuen Mitarbeiter und Freund genommen. Ich gedenke hier vor allem des Stadtbaudirektors Heinrich Hübbe. Nach langer erfolgreicher Tätigkeit im staatlichen und städtischen Baudienst, hatte er sich nach Schwerin zur wohlverdienten Ruhe zurückgezogen und sich nun in und mit unserm Verein ganz wissenschaftlichen Bestrebungen hingegeben. Wir verdanken seinen wasserbautechnischen Kenntnissen, die in glücklichster Verbindung mit historischer Schulung standen, eine Reihe wertvoller Untersuchungen zur Topographie des Elbtals und der Städte Schwerin und Parchim. Und manchesmal konnten wir seinen belehrenden Vorträgen auf den Winterversammlungen lauschen, zu denen er stets bereit war, wenn der Ruf des Vorstandes an ihn erging. Aus seinem Nachlaß ist eine große Zahl seiner Zeichnungen und Entwürfe an das Archiv gegeben. Sie bilden eine schätzenswerte Bereicherung unserer Kartensammlung und werden der ortsgeschichtlichen Forschung noch häufig die Wege ebnen.

Auf die Verdienste Heinrich Seidels, der zu unsern Mitgliedern gehörte, an dieser Stelle einzugehen, wird kaum nötig sein, da seine Werke Gemeingut des deutschen Volkes geworden sind. Doch mag auch hier dankbar der Anregung und des Gewinns gedacht werden, den die Freunde heimatlicher Art aus

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Seidels eigener Lebensbeschreibung "Von Perlin nach Berlin" und aus vielen seiner meisterhaften Erzählungen, die auf mecklenburgischem Boden spielen, zu ziehen vermögen. Insgesamt sind 17 ordentliche Mitglieder gestorben. Ihren Austritt aus dem Verein haben 11 Mitglieder erklärt, darunter manche, die sich nur deshalb von uns getrennt haben, weil dienstliche Arbeiten oder körperliches Befinden ihnen eine Teilnahme an unseren Bestrebungen leider nicht mehr erlaubten. 43 Herren haben die Mitgliedschaft neu erworben. Wir schließen also ab mit 5 Ehren=, 18 korrespondierenden und 560 ordentlichen Mitgliedern. Die Veränderungen des Mitgliederbestandes im einzelnen erhellen aus Anlage A.

Ein Schriftenaustausch ist im verflossenen Geschäftsjahr von unserm Verein aufgenommen mit

1. dem Hanauer Geschichtsverein zu Hanau, am 17. November 1906,
2. der Stadtbibliothek zu Winterthur (Schweiz), am 17. Dezember 1906,
3. der Königlich Niederländischen Gesellschaft voor Munten Penningkunde zu Amsterdam, am 27. Dezember 1906,
4. dem Verein für Heimatkunde zu Eberswalde, am 16. Januar 1907.

Von dem Hanauer Geschichtsverein, der nur gelegentlich mit wissenschaftlichen Arbeiten hervortritt, haben wir ein tüchtiges Werk von Suchier über die Münzen der Grafen von Hanau, von der Stadtbibliothek zu Winterthur ihre Neujahrsblätter seit 1872, von dem Niederländischen Münzverein den 14. Jahrgang seiner Zeitschrift bekommen. Der Eberswalder Verein gehört zu den vielen heimatkundlichen Vereinen, die in jüngster Zeit überall hervortreten und schnell Boden gewinnen. Er publiziert erst seit 1906, sodaß wir von diesem die Drucksachen lückenlos erhalten werden. Die Zahl der Tauschvereine beträgt gegenwärtig 276. Für die eingegangenen Tauschschriften verweise ich auf Anlage B.

Unsere Bildersammlung ist bei geringen Etatsmitteln zu größeren Ankäufen außer stande, hat aber doch bemerkenswerte Neuanschaffungen gemacht: Alte Stiche pp., welche die Königin Luise, die Großherzogin Alexandrine und den Großherzog Paul Friedrich darstellen, dazu zahlreiche Bilder von Gelehrten, Beamten und Offizieren. Die neuen Stücke sind recht geeignet, die mecklen=

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burgische Geschichte zu veranschaulichen, wenn sie auch von künstlerischen Gesichtspunkten nicht durchweg als wertvoll erscheinen. Die Anlage C bietet die näheren Angaben.

Die Fortschritte der römisch=germanischen Forschung während des Jahres 1905 sind in einem Bericht des Kaiserlich Archäologischen Instituts zu Frankfurt a. M. dargelegt. Es werden diese seit 1904 erscheinenden Berichte immer mehr ein unentbehrliches Hülfsmittel für den Forscher. Sie lassen sich nicht nur über die planmäßig fortschreitenden Untersuchungen der römisch=germanischen Kommission aus, sondern fassen auch die Ergebnisse der Arbeiten in den Provinzial= und Lokalvereinen übersichtlich zusammen. So ist man sogleich über den Stand der ganzen Forschung auf diesem Gebiet unterrichtet, wenn man den Bericht des Archäologischen Instituts durchgelesen hat. Der gegenwärtige Bericht ist ein reich ausgestattetes Heft von 114 Seiten, mit mehreren Plänen. Er wird den Vereinen für ihre Mitglieder zum Vorzugspreise (Kosten von Druck und Papier) geliefert und kostet 0,39 Mk. für das Exemplar. Eigentlich soll die Zahl der gewünschten Exemplare bis zum Februar angemeldet werden, doch glauben wir, auch jetzt noch Exemplare zu bekommen. Etwaige Bestellungen bitten wir bei den Vereinssekretären anzubringen.

Aus dem Inhalt des Heftes werden die Mitteilungen über die Römerlager besonders interessieren. Bei Haltern hatte man bekanntlich bislang das einzige gesicherte Lager in Westfalen gefunden, und zwar ein Uferkastell am alten Lippelauf, nahe dabei ein älteres Feldlager und ein zum Teil auf diesem errichtetes sogenanntes Großes Lager. 1905 hat man nun die bis dahin unbekannten drei Tore an der Süd=, West= und Nordseite des Großen Lagers aufgedeckt und dadurch wichtige Anhaltspunkte für die Anordnung des Lagerinnern gewonnen. Auch der Verlauf der Umfassung des Feldlagers ist erkundet worden. Außerdem hat man aber noch ein zweites Römerlager bei Oberaden weiter Lippe aufwärts entdeckt und die Vorbereitungen für die Ausgrabungen getroffen.

Ich komme nun zu den wissenschaftlichen Unternehmungen unseres Geschichtsvereins und kann da mitteilen, daß der Text des Urkundenbuchs XXII mit 83 Bogen und mit den Urkunden von 1391 - 1395 gedruckt vorliegt. Der Band wird erheblich stärker als seine Vorgänger, weil die Verhandlungen über die Freilassung des Königs Albrecht das Akten= und Urkundenmaterial haben anschwellen lassen. Eine Auswahl aus diesem

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für die Landesgeschichte höchst wichtigen Material zu treffen, war nicht angängig. Aber auch eine Teilung des Bandes erschien nicht empfehlenswert, weil dann Zusammengehöriges auseinandergerissen und das Prinzip der fünf Jahre für jeden Band durchbrochen wäre. Und das hätte die Benutzung erheblich erschwert. Der Druck der Register ist noch nicht beendet, doch liegen das Ortsregister und das Personenregister bereits gedruckt vor. Das Sachregister ist im Manuskript fertig, sodaß kein Aufenthalt bei der Drucklegung entstehen wird. Der Band wird in diesem Jahr noch zur Ausgabe gelangen.

Die Regestierung der Urkunden aus dem 15. Jahrhundert ist rüstig fortgeschritten und, soweit die Urkunden im Schweriner Archiv lagern, bis auf einen kleinen Rest beendet. Es fehlen nur noch die Urkunden, welche die Mecklenburgischen Beziehungen zu auswärtigen Kirchen und Klöstern aufhellen. Und diese sind nicht zahlreich.

Auch sonst haben wir uns keine Gelegenheit entgehen lassen, die neues Urkundenmaterial für Mecklenburg herbeischaffen könnte. Seit dem Februar dieses Jahres arbeitete ein junger Historiker Dr. Salis, der in Göttingen mit einer Untersuchung über die Stiftungsurkunden des Bistums Schwerin promovierte, im Vatikanischen Archiv in Rom. Wir hatten mit ihm verabredet, daß er auf mecklenburgische Urkunden aus voravignonesischer Zeit (also vor 1309) achten solle, die Geh. Archivrat Dr. Grotefend bei seinem früheren Aufenthalt in Rom nicht mehr hat durcharbeiten können. Wie Dr. Salis uns nunmehr mitgeteilt hat, ist ihm unbekanntes Urkundenmaterial aus jener Zeit nicht begegnet.

Eine neue Quellenveröffentlichung ist dem Verein durch die Freigebigkeit des verstorbenen Freiherrn v. Biel auf Kalkhorst möglich geworden. Ich konnte schon im vorigen Jahr berichten, daß dem Verein durch testamentarische Bestimmung des Herrn v. Biel 5000 Mk. zu freier Verwendung zugefallen seien. Dieses Legat ist nun nach Abzug der Erbschaftssteuer mit 4600 Mk. an den Verein ausgekehrt worden und von dem Rechnungsführer, Hofrat Schwerdtfeger, zunächst zinsbar belegt worden. Was die Verwendung betrifft, so hat sich der Vereinsausschuß endgültig für die Herausgabe von drei Bänden Chroniken, zwei Bänden Reimchronik des Ernst v. Kirchberg von 1378 und einem Bande Ribnitzer Chronik des Franziskanermönchs Slaggert aus dem 16. Jahrhundert, entschieden. Für die Bearbeitung der letzteren ist

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der Ratsarchivar Dr. Techen in Wismar gewonnen worden. Er hat gemeinsam mit Geheimrat Grotefend im Sommer 1906 die vorhandenen Abschriften mit dem zerfallenden Original verglichen und die Herausgabe bis auf eine kurze textkritische Untersuchung beendet. Wenn auch diese abgeschlossen sein wird, kann der Druck beginnen. Wir hoffen, die Chronik 1908 an sämtliche Mitglieder gratis abgeben zu können.

Das im vorigen Herbst versandte 71. Jahrbuch ist dem Geh. Ober=Finanzrat Dr. Balck zu seinem fünfzigjährigen Dienstjubiläum gewidmet und mit seinem Bilde geschmückt worden. Eins der ersten Exemplare durfte eine Deputation des Vereins, bestehend aus dem Geh. Regierungsrat Dr. Schröder als Mitglied der Urkundenbuchskommission und den beiden Vereinssekretären, dem Jubilar am 29. Oktober 1906 persönlich überreichen. Die Widmung soll ein Zeichen unserer Dankbarkeit sein für das lebhafte Interesse und die unermüdliche Arbeit, die Geheimrat Balck nun schon manches Jahrzehnt dem Geschichtsverein gewidmet hat.

Das Register zu den Jahrbüchern 51-60 ist bereits zu Anfang dieses Jahres im Druck fertig geworden, wird aber zur Ersparung der Versendungskosten zusammen mit dem vorliegenden Jahrbuch ausgegeben. In der Anlage entspricht es den früheren Registern. Am Schluß ist in einer V. Abteilung ein Verzeichnis der Aufsätze in systematischer Ordnung angehängt worden. Und wir zweifeln nicht, daß manchem Benutzer damit gedient ist, alle Arbeiten zu einem bestimmten Gebiet, wie Fürstengeschichte, Orts=, Kirchen=, Kulturgeschichte usw., hier übersichtlich bei einander zu finden.

Die Durcharbeitung der Jahrbücher 61-70 für eine Fortsetzung des Registers hat Dr. Walter Müller, wiss. Hülfsarbeiter an der Reg.=Bibliothek, übernommen.

Die Satzung des Vereins wurde neu gedruckt, da die vorhandenen Exemplare durch Abgabe an die neu eintretenden Mitglieder allmählich aufgebraucht waren.

Auf das Erscheinen des III. Bandes Mecklenburgischer Volksüberlieferungen sei hier nur noch einmal kurz hingewiesen. Ein staunenswerter Sammeleifer des Herausgebers ist daraus ersichtlich, dem wir so eingehende Mitteilungen über das Leben und Treiben in einer ländlichen Kinderstube verdanken, wie sie bisher noch nirgends geboten sind. Für die Mitglieder unsers Geschichtsvereins besorgen die Vereinssekretäre auf Erfordern Exemplare zu einem um 25 % ermäßigten Preis.

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Der zweitägige Sommerausflug am 7. und 8. Juli 1906 nach Stargard und Neubrandenburg hat eine über Erwarten große Beteiligung gefunden. Es nahmen 45 Herren teil, von denen etwa ein Viertel dem befreundeten Mecklenburgischen Heimatbund angehörte. Zunächst war das Wetter wenig verlockend, da es auf der Hinfahrt stark regnete. Bis zu unserer Ankunft in Stargard hatte sich der Himmel aber aufgeklärt. Eine kurze Wanderung durch die Stadt und ein Mittagessen unter den Buchen des Klüschenberges erfrischten uns nach der langen Fahrt. Dann besichtigten wir das mittelalterliche Spital und die ehrwürdige alte Burg, die einstmals der Sitz einer Linie unseres Herrscherhauses war und noch heute in den Resten der Burgkapelle und mit dem wohlerhaltenen Bergfried eine imposante Anlage ist. Als wir zu den Zinnen des Turmes emporgestiegen waren, breitete sich das hügelige und walddurchzogene Land wie ein Panorama zu unsern Füßen aus. Mit frischem Grün geschmückte Leiterwagen führten uns dann durch die schönen Rowaer und Neubrandenburger Forsten bis an das Ufer des Tollensesees. Dort wurde noch kurze Rast bei einem geöffneten, aber in der Steinsetzung gut erhaltenen Kistengrab gemacht, wo Professor Beltz belehrende Auskunft gab, und schließlich in der "Goldenen Kugel" zu Neubrandenburg voraus bestelltes Quartier aufgesucht. Der nächste Tag begann mit einem Rundgang um die Stadtmauern und einer Besichtigung der mittelalterlichen Doppeltore, die in Mecklenburg nicht ihres Gleichen finden. Den Höhepunkt des ganzen Ausfluges bildete aber entschieden die Dampferfahrt nach der Fischerinsel bei Wustrow. Auf der Hin= und Rückfahrt zogen in immer wechselnden Bildern die bewaldeten Ufer des Tollensesees an unserm Auge vorüber. Und wenn wir auf der Fischerinsel auch von dem Rethratempel nichts zu sehen bekamen, so hatten wir doch in den vielen wendischen Gefäßscherben, die wir selbst auflesen konnten, den klaren Beweis in Händen, daß wir auf alter Wendischen Kulturstätte standen. Eine Besichtigung der neuen Rethrafunde im Neubrandenburger Museum und ein gemeinsames Essen schlossen den Ausflug ab, der gewiß allen Teilnehmern in angenehmster Erinnerung bleiben wird.

Auch im Winter bot der Verein seinen Mitgliedern mehrfach Gelegenheit, sich mit der Vergangenheit unserer Heimat vertraut zu machen und in persönlichen Verkehr zu einander zu treten. Die fünf Zusammenkünfte im Luisenhof verliefen in der üblichen Weise: zuerst ein Vortrag, dann ein einfaches Abendessen und gelegentlich auch noch eine Aussprache über das

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Gehörte. Die Beteiligung war wieder recht gut und betrug nicht unter 30 und bis zu 60 Herren an einem Abend. Es trugen vor Geh. Archivrat Dr. Grotefend: Über die Kriegsereignisse von 1806 in Mecklenburg (am 13. Nov.), derselbe: Über den Ausflug des Hansischen Geschichtsvereins nach Bornholm und Gothland (am 4. Dez.), Geh. Regierungsrat Dr. Schröder zweimal: Über Johann Heinrich Voß (am 16. Jan. und 13. Febr.) und Professor Dr. Schuchhardt - Hannover: Über sächsische und slavische Ringwälle (am 19. März).

Die Generalversammlung, die am 29. April 1907 zu Schwerin im Hotel du Nord stattfand, wurde von dem Vereinspräsidenten Staatsminister Graf v. Bassewitz mit Worten lebhaften Bedauerns darüber eröffnet, daß S. K. H. der Großherzog durch Besuch verhindert sei, unter uns zu weilen. Dann folgte, wie üblich, zunächst der geschäftliche Teil des Abends. Der Unterzeichnete erstattete den Bericht über die Tätigkeit des Vereins, welcher inzwischen für den Rest des Vereinsjahres ergänzt und im vorstehenden seinem wesentlichen Inhalte nach wiedergegeben ist. Aus dem Kassenbericht des Hofrats Schwerdtfeger für 1905/6 ergab sich ohne Kassenvorrat und erhobene und belegte Kapitalien eine Einnahme von 3520 Mk., eine Ausgabe von 3384 Mk., sodaß ein Überschuß von 136 Mk. erzielt ist und das Vereinsvermögen sich Ende Juni 1906 auf 7263 Mk. belief (s. Anlage D). Die von den Revisoren als richtig befundene Rechnung kam zur Vorlage, und erteilte darauf die Versammlung dem Rechnungsführer mit Dank für seine Mühewaltung die erbetene Entlastung. Die statutenmäßig vorzunehmende Neuwahl der Beamten ergab eine Wiederwahl der bisherigen Beamten durch Zuruf. Dem Vereinsvorstand gehören also nach wie vor die im Jahresbericht 70, S. 7, genannten elf Herren an. Als Ziel des Sommerausfluges am kommenden 11. Juli wurden gemäß dem Vorschlag des ersten Vereinssekretärs und mit Rücksicht auf den Vortrag des Abends Burg Stuer und Plau angenommen.

Der wissenschaftliche Teil der Sitzung brachte uns einen fesselnden Vortrag des Geh. Ober=Finanzrats Dr. Balck über Land Malchow und die Flotows. Der Redner, mit der Familie v. Flotow verschwägert, hatte seit mehreren Jahrzehnten der Geschichte dieses Geschlechtes seine Aufmerksamkeit zugewandt und konnte daher seine Ausführungen auf eine genaue Kenntnis der Verhältnisse gründen. Die Flotows, 1340 mit dem Dorfe Stuer belehnt, erwarben 1354 Stadt und Land Malchow zu Pfand und vereinigten damit einen gewaltigen abgeschlossenen Grundbesitz südlich

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des Malchower Sees in ihrer Hand, auf dem sie fast wie Landesherren schalteten und walteten. Roßdienst von den zugehörigen Lehngütern, Heimfallsrecht auf erledigte Lehen, Huldigung und Gerichtsbarkeit in Stadt Malchow, Bestellung des Klosterhauptmanns und Jagdablager im Kloster Malchow wurden von ihnen mit vollem Erfolg beansprucht, Fehden gegen Herren und Städte auf eigene Faust unternommen. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts versuchten dann die Herzöge, Stadt und Land Malchow zurückzuerwerben, zuerst auf dem Rechtswege, dann mit Gewalt. Wenn sie hiermit nun gegen die Flotows, die sich auf reichskammergerichtliche Entscheidungen stützten, auch keinen durchschlagenden Erfolg hatten, so gelang es ihnen doch, den Flotows im Laufe der Jahrhunderte manches Gut zu entwinden und manches aus der Pfandherrschaft hergeleitete Recht zu entziehen. Andere Rechte kamen durch die veränderten Zeitverhältnisse von selbst in Wegfall, der Rest wurde 1837 durch Verhandlungen mit der Familie fortgeräumt. Aber einen großen Teil der alten Pfandschaft Malchow haben sich die Flotows bis auf den heutigen Tag in festem, nunmehr anerkannten Besitz zu erhalten gewußt.

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Literaturbericht für 1906/07.

Das Pommersche Urkundenbuch VI (Stettin, Niekammer) ist von Otto Heinemann zum Abschluß gebracht. Die zweite 1907 erschienene Lieferung enthält die Urkunden vom 10. Januar 1325 bis zum Schluß des Jahres, überdies Nachträge und Ergänzungen zu den bisherigen Bänden mit Urkunden von 1180-1324. Aus dem Mecklenburgischen Urkundenbuch sind wiederum manche Stücke nach nochmaliger Vergleichung mit den Vorlagen übernommen. Andere Urkunden der neuen Lieferung sind bisher für Mecklenburg unbekannt gewesen und werden im Nachtragsband unseres Urkundenbuchs zu berücksichtigen sein. Sie betreffen: Klagesachen eines Geistlichen der Schweriner Diöcese (Nr. 3824, 25, 26, 33, 40), Bestellung des Schweriner Dompropstes zum Richter (3839), des Bischofs von Ratzeburg zum Konservator und Richter (3877, 3883), Vikareistiftung durch eine Ribnitzer Einwohnerin (3884), Bestätigung der Güter des Schweriner Domkapitels (3917), Weihe und Wahlprüfung Kamminer Bischöfe durch die von Schwerin (3940, 4011), Regelung des Gottesdienstes bei vakanten Patronatspfarren durch den Bischof von Schwerin (3967), desgl. Bestätigung einer Pfarrdotierung (3988),

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desgl. Dotierung eines Klosters (4058), desgl. Trennung von Tochter= und Mutterkirchen (4059), Gefangenschaft eines Rügenschen Fürsten in Parchim (4026), Ernennung Güstrower Domherren (4047), Fürschreiben an Rostock (4062), Vergleich Mecklenburgischer Mannen mit Kloster Verchen (4082) und Annatengelder aus dem Bistum Schwerin (4119).

Die 3. Abteilung der Hanserecesse, bearbeitet von Dietrich Schäfer, ist neuerdings um den 7. Band (Leipzig, Duncker & Humblot, 1905) mit den Recessen von 1517-1521 bereichert worden. Die Fragen der großen hansischen Politik, woran auch Rostock und Wismar regen Anteil nahmen, drehten sich hauptsächlich um eine Verlegung des Kontors zu Brügge und um die bedrohlichen Beziehungen zu England und Dänemark. In England suchte man unter Führung des Kardinals Wolsey die hansischen Privilegien möglichst zu beschränken, in Dänemark ging König Christian II. noch schroffer gegen die Hansen vor, sodaß ein Zusammenstoß unvermeidlich wurde. Die Herzöge von Mecklenburg griffen in die Verhandlungen nicht ein.

Auch das Hansische Urkundenbuch, welches die hansischen Urkunden veröffentlicht, soweit sie nicht unmittelbar mit den Hansetagen zusammenhängen, hat wiederum einen Schritt vorwärts gemacht. Es liegt der 6. Band mit dem Material von 1415 bis 1433 (Leipzig, Duncker & Humblot, 1905), herausgegeben von Karl Kunze, vor. Handel und Schiffahrt, Kapereien, Strandrecht, Privatangelegenheiten der Bürger, Beziehungen zu den anderen Hansestädten und zu fremden Fürsten bilden hauptsächlich den Inhalt der Stücke, die auf Rostock und Wismar Bezug haben. Hervorheben möchte ich den Entwurf eines zwölfjährigen Schutzbündnisses der Hansestädte vom [24. Juni 1418] (Nr. 170) und das Regest einer Urkunde vom 3. Juli 1430, worin Herzogin Katharina von Mecklenburg der Stadt Lüneburg den Bau einer Wasserstraße von der Elbe bis Wismar unter Benutzung der Schaale und des Schaalsees gestattet (Nr. 874).

Ein weit angelegtes Werk von Heinrich Schnell über das Unterrichtswesen der Großherzogtümer Mecklenburg=Schwerin und =Strelitz erscheint gegenwärtig in der von Karl Kehrbach begründeten Sammlung der Monumenta Germaniae Paedagogica. Der 1. Band (Berlin. A. Hofmann & Comp., 1907) bringt urkundliches Material aus dem Mittelalter und dem Zeitalter der Reformation; ihm wird ein 2. Band mit Urkunden des 17. und 18. Jahrhunderts und ein 3. Band mit einer kurzen Darstellung

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des Unterrichtswesens bis zum Ende des 18. Jahrhunderts folgen. Der Stoff ist im 1. Band systematisch geordnet. Es werden zunächst für das Mittelalter und für die Reformationszeit je zwei Abteilungen A) Schul=Gründungen, Patronate, Ordnungen und Visitationen, B) die speziell auf Lehrer und Schüler bezüglichen Urkunden unterschieden. Soweit mag die Anordnung als zweckmäßig gelten. Ob es aber in einem Urkundenbuch empfehlenswert war, nun noch weitere Gruppierungen nach sachlichen Gesichtspunkten vorzunehmen und nicht die chronologische Folge zu wählen, möchte ich bezweifeln; es wird dadurch manche Urkunde an eine Stelle gebracht, wo sie der Benutzer für seine speziellen Zwecke nicht sucht. Doch zugegeben, daß dies Ansichtssache ist. Jedenfalls sind wir dem Herausgeber für seine Arbeit zu Dank verpflichtet; es wird uns dadurch zum ersten Mal eine große Menge Urkunden über das Unterrichtswesen zu bequemer Benutzung dargeboten, die teils noch ungedruckt waren, teils nur in schlechten Drucken oder zerstreut in guten Drucken vorlagen. So wird das Buch, ebenso wie die Sachssesche Sammlung staatsrechtlicher Urkunden, seine Liebhaber finden.

Schließlich sei noch eine Quellenpublikation kurz angemerkt. Im 2. Heft (Görlitz 1906) des cod. dipl. Lusatiae sup. III, umfassend die ältesten Görlitzer Ratsrechnungen von 1391-1399, wird erwähnt, daß am 12. August und 21. Oktober 1391 ein ungenannter Herzog von Mecklenburg, vermutlich Albrecht V., auf einer Besuchsreise bei seiner Schwester, der Herzogin von Görlitz, von der Stadt geehrt und geleitet ist.

Die vorgeschichtliche Forschung hat sich weiter um die Lösung des Rethraproblems bemüht und hat Dank der sorgfältigen und scharfsinnigen Untersuchungen von G. Oesten (Zeitschr. f. Ethnol. 1906, Heft VI) den Kreis enger gezogen für die Richtigkeit der Annahme, daß Rethra auf der Fischerinsel bei Wustrow lag. Es ist festgestellt, daß von der ehemaligen Ostspitze der Nonnenhofsiedelung eine benutzte Verbindung nach dem gegenüberliegenden festen Ufer bestand (Kulturreste am Ufer, Sandschüttungen unter Wasser). Damit dürfte der bisher unbekannte dritte Zugang zu dem Wendenort bei Rethra, den Thietmars Bericht erforderlich macht, gefunden sein. Dann haben Bohrungen und Grabungen bei und auf der Fischerinsel (Skizze) ergeben, daß sich die Insel früher erheblich weiter nach Norden erstreckte, daß der Boden durch Lang= und Querhölzer auf einer Packung von Zweigen, das Ufer durch eichene Pfähle befestigt war. Das Fundament des Tempels, welcher nach Thietmar aus Hörnern von verschiedenen

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Tieren bestand, ist auf der jetzigen Insel nicht gefunden; aber so unglaubwürdig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, ist der Bericht von dem Hörnerfundament doch nicht, wenn man bedenkt, daß man Pferdeschädel in alter Zeit nicht selten zu Brücken und Stegen über mooriges Terrain verwandt hat (s. Jahrbb. 19, 336; 38, 229; 43, 207; 48, 312). Oesten will nach den Hörnern künftig auf dem nördlichen, jetzt unter Wasser liegenden Teil der Insel suchen und auch den Blankenburgs=Teich durchforschen, wo die Wenden nach der Volksüberlieferung auf der Flucht den Rethraschatz versenkt haben sollen. Da S. K. H. der Großherzog, wie ich höre, zur Abholzung des sumpfigen Teichgebiets Allerhöchst seine Zustimmung gegeben hat, können wir auf den weiteren Verlauf der Forschung gespannt sein.

Eine rege Wirksamkeit in der Erhaltung und Durchforschung vorgeschichtlicher Kulturstätten hat 1906 Robert Beltz entfaltet und dabei die Unterstützung vieler Mitglieder unseres Heimatbundes gefunden. Über das recht günstige Ergebnis (65 neue Fundstellen) unterrichtet ein Aufsatz in der Zeitschrift des Heimatbundes 1907, Nr. 1. Hier soll nur auf wenige besonders in die Augen fallende Funde hingewiesen werden. Ein vermutlich steinzeitlicher Pfahlbau mit mannigfachen Geräten dabei ist bei niedrigem Wasserstande im Binnensee bei Barnstorf auf dem Fischland entdeckt worden. Imposant ist die bronzezeitliche Kegelgrabanlage, die einen Hügel bei Stellshagen, südwestlich von Klütz, krönt; bei Bretzin nordöstlich Boizenburg und in der Umgegend von Serrahn ist man auf Gruppen von Hügelgräbern derselben vorgeschichtlichen Zeitperiode gestoßen. Aus der jüngeren Bronzezeit sind an manchen Stellen niedrige Hügelgräber und Urnenfelder aufgedeckt, aber nur zum geringen Teil, soweit sie gefährdet waren, ausgebeutet worden. Das wichtige Urnenfeld bei Körchow hat reiche Funde der römischen Kultur hergegeben. Der Burgwall bei Zierstorf wird als eine wendische Höhenburg anzusprechen sein und somit eine Verteidigungsanlage darstellen, die bei dem gewöhnlich in Sumpf und Moor Schutz suchenden Volksstamm immerhin eine Seltenheit bildet.

Eine neue Stammtafel des Großherzoglichen Hauses (Schwerin, Mecklb. Verlagsanstalt Adolf Aufrecht, 1906) ist von Franz von Borgias Schmid herausgegeben. Sie beruht durchweg auf den Wiggerschen Forschungen, verwertet aber die im Archiv seit dem Erscheinen des Jahrbuches 50 gesammelten Nachträge und führt die Stammtafel bis auf die Gegenwart fort. Eigenartig und selbständig ist die Anordnung des Stoffes und die Hinzu=

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fügung der wichtigsten Daten aus der Landesgeschichte zu den einzelnen Generationen unten am Rand der Tafel.

Aus genealogischer Liebhaberei hat Rudolf v. Seydlitz 1906 auf einer Tafel dargestellt, wie das Mecklenburgische und Preußische Fürstenhaus, und somit der am 4. Juli 1906 geborene Sohn des Kronprinzenpaares, von der Familie v. Seydlitz=Kurzbach abstammt.

Eine systematische Zusammenstellung der auf die Königin Luise von Preußen, geb. Prinzessin von Mecklenburg, bezüglichen Einzelschriften und Zeitschriftenbeiträge hat Friedrich M. Kircheisen=Genf zunächst zu eigenem Gebrauch gemacht und dann auch im Druck (Jena, H. W. Schmidt, 1906) erscheinen lassen. Das Heft ist zur Orientierung gut geeignet, und es ist erfreulich, daß der Verfasser noch weitere Hefte über hervorragende Persönlichkeiten der Napoleonischen Zeit in Aussicht stellt.

Die Mecklenburgische Geschichte wird sich auf Einzeluntersuchungen, welche die ungedruckten Quellen der Archive für ein beschränktes Arbeitsgebiet ganz ausschöpfen können, naturgemäß am sichersten gründen. Aber die Forschung wird bei solcher Arbeitsweise immerhin Gefahr laufen, daß sie den Überblick über das Ganze verliert und Einzelheiten für wichtig hält, die es im Zusammenhang mit anderen garnicht sind. Deshalb ist es durchaus nötig, daß von Zeit zu Zeit zusammenfassende Arbeiten erscheinen und uns den großen Gang der Ereignisse in lesbarer Darstellung vor Augen führen. Auf eine solche recht brauchbare zusammenfassende Arbeit kann ich aufmerksam machen. Als Heft X der Süsserottschen Sammlung ist (Berlin, 1907) eine Arbeit von Heinrich Schnell über Mecklenburg zur Zeit des dreißigjährigen Krieges 1603-1658 erschienen. Die Persönlichkeit und das Wirken des Herzogs Adolf Friedrich stehen im Vordergrund der Arbeit. Nachdem wir über die Landesteilung von 1621 und das Verhältnis des Herzogs zu den Ständen genau unterrichtet sind, sehen wir, wie er sich vergeblich bemühte, dem Lande die Schrecken des Krieges zu ersparen. Dann folgen die Anteilnahme Mecklenburgs am niedersächsisch=dänischen Krieg, die Kriegsleiden des Landes, die Herrschaft Wallensteins, das Bündnis mit Schweden, der Friede und die hauptsächlich mit Kämpfen gegen die Stände ausgefüllten letzten Regierungsjahre.

Die bedeutsame Kundgebung unsers Allerdurchlauchtigsten Großherzogs vom 4. März d. J., die eine zeitgemäße Umgestaltung der Verfassung für notwendig erklärte und im Einverständnis mit

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dem Strelitzer Landesherrn die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Ständen in Aussicht stellte, hat die Aufmerksamkeit weiter Kreise wieder in erhöhtem Maße auf das Verfassungswerk gelenkt, sodaß es von Nutzen sein wird, hier auf die neuesten literarischen Erscheinungen hinzuweisen. Eine orientierende kurze Übersicht über das Wesen und die Entwickelung der heutigen landständischen Verfassung in einer Bearbeitung von Hugo Sachsse=Rostock enthält die Deutsche Juristenzeitung von 1905, Nr. 23. Daran schließen sich die Betrachtungen zur Verfassungsfrage von Karl Kirchner=Wismar, die 1. der Schweriner Verfassung von 1849 (Mecklb. Ztg. von 1907, Nr. 210), 2. der jetzigen Verfassung Württembergs (ebenda, Nr. 240), 3. Oldenburgs (ebenda, Nr. 249) und 4. Sachsen=Weimars (ebenda, Nr. 259) gewidmet sind und diese Verfassungen in sachlicher und präziser Weise vor den Leser hinstellen. Sie werden als Vergleichsmaterial bei den künftigen Verhandlungen gute Dienste leisten. Wer sich dann noch genauer über die politischen Bewegungen und den außerordentlichen Landtag von 1848 unterrichten will, der nehme den empfehlenswerten Aufsatz von Adolf Werner=Schwerin im 2. Hefte der Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte (Berlin und Leipzig, Walther Rothschild, 1907), eine tüchtige Erstlingsarbeit, zur Hand. An handschriftlichem Material war dem Verfasser zwar nur der Briefwechsel der Großherzöge von Mecklenburg mit dem Könige von Preußen im Haus=Archiv zu Charlottenburg zugänglich, aber er hat die ganze Flut der gedruckten Landtagsprotokolle, Zeitungen, Broschüren, Tagebücher und Briefe (Zusammenstellung im ersten Abschnitt) ausgiebig benutzt und daraus ein anschauliches Bild jener Ereignisse gewonnen, die das Staatsgrundgesetz vom 10. Oktober 1849 eingeleitet haben. Die sonstigen Veröffentlichungen zur Verfassungsfrage, so eine Studie von demselben Adolf Werner (bei Rothschild, 1907) und nicht wenige Zeitungsartikel, enthalten fromme Wünsche für die Zukunft, die zwar gut gemeint sind, aber doch in manchen Punkten aus Unkenntnis des gegenwärtig Erstrebten und Erreichbaren über das Ziel hinausschießen. Mit ihnen wird sich unsere Zeitschrift zu beschäftigen haben, wenn die Tagesfragen der Geschichte angehören.

Eine eingehende Untersuchung von Fritz Curschmann über die Diöcese Brandenburg, erschienen in den Veröffentlichungen des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg (Leipzig, Duncker & Humblot, 1906; Preis: 14 Mk.), ist für uns nicht nur deshalb wichtig, weil sie die Diöcesanzugehörigkeit eines kleinen

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Teiles von Mecklenburg=Strelitz zum Bistum Brandenburg nachweist, sondern auch weil sie Fragen der historischen Geographie und der Verfassung und Verwaltung eines ostelbischen Bistums in lehrreicher Weise anfaßt und löst. Nach zwei einleitenden Kapiteln über Kolonisation und Mission unter den Wenden und über die Gründung des Bistums Brandenburg 948 wird von den Gauen des Bistums gehandelt. Sehr richtig ist, was Curzmann über die Gaueinteilung sagt. Es ist unmöglich, für das 10. Jahrhundert Grenzlinien für die Gaue anzugeben, weil solche einfach nicht bestanden haben, und die Gaue nur durch unbewohnte und unwirtliche Strecken Landes, Bergzüge, Wälder, Sumpfniederungen, Flußläufe, von einander geschieden waren. Deshalb kann der Umfang des Bistums Brandenburg, wie er in der Gründungsurkunde bestimmt wurde, nur allgemein angegeben werden (Karte). Im weiteren Verlauf der Arbeit wird dann die äußere Grenze des Bistums im 15. und 16. Jahrhundert nach einer Pfarrmatrikel und mehreren Hebungsregistern beschrieben. Sie greift so in das Strelitzer Gebiet ein, daß sie den südlichsten Landzipfel mit Fürstenberg, Buchholz, Tornow und ein Stück an der Südostgrenze des Landes mit Dabelow, Triepkendorf, Mechow, Feldberg und Carwitz (Karte) umfaßt. Es folgt die innere Einteilung der Diöcese in die alten und neuen Lande, die Archidiakonate und sedes. Ein abschließendes Kapitel beschäftigt sich mit der kirchlichen Verwaltung der Diöcese und verweilt länger bei der Jurisdiktion des Bischofs und der Archidiakone, den Synoden, den Visitationen, den Abgaben an den Bischof von den Geistlichen (Prokuration und subsidium charitativum) und von den Laien (Zehnten und Hufengeld) und bei der Stellung der Archidiakone. Manche dieser Fragen werden für das Bistum Schwerin wegen des äußerst lückenhaften Urkundenmaterials nur ungenügend beantwortet werden können.

Die bekannten Sammelwerke der Familienforschung, die gothaischen genealogischen Taschenbücher und das dänische Adels=Jahrbuch, sind auch für den Jahrgang 1907 auf möglichste Vervollständigung ihrer Artikel bedacht gewesen. Das Taschenbuch für die Uradeligen Häuser (so neu benannt, um einer Verwechselung mit dem Briefadeligen Taschenbuch vorzubeugen) bringt zum ersten Mal Nachrichten über die Familien v. Gloeden und v. Meding. Die Gloedens gehören dem Mecklenburgischen Adel an, blühen aber nur noch in wenigen Gliedern in Pommern und Hannover; die Medings sind in Mecklenburg mehrfach angesessen. Der Plan des Verlages von Justus Perthes, ein Taschenbuch der Briefadeligen

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Häuser herauszugeben, worauf ich bereits im vorigen Jahresbericht hinweisen konnte, hat großen Anklang gefunden. Der vorliegende erste Jahrgang bietet die Genealogien von rund 500 Familien und hat schon fast die Stärke der älteren Taschenbücher erreicht. Für Mecklenburg kommen folgende Familien besonders in Betracht: v. Bodien, v. Coring, v. Haeseler, v. Kaufmann (1784), v. Koester, v. Krell, v. Kühlewein, v. Leers, v. Leitner, v. Meibom, v. Passow, v. Prollius, v. Rose (1905), v. Schroeder (1765), v. Schultz (1800), v. Spalding und v. Sprewitz. Es wäre zu wünschen, daß sich in den folgenden Bänden noch weitere Familien, die ihren Adel auf ein Erhebungs= oder Bestätigungsdiplom (Brief) zurückführen, zur Veröffentlichung ihrer Genealogie entschließen möchten.

Die Stammtafel der Familie v. Arnswaldt hat 1905 Werner Constantin v. Arnswaldt=Darmstadt herausgegeben. Sie ist recht übersichtlich angelegt, läßt aber bei vielen Familienmitgliedern eine Angabe ihres Berufes vermissen. Vier v. Arnswaldtsche Ahnentafeln zu je 16 Ahnen, darunter für den 1845 verstorbenen Hannoverschen Staatsminister Karl Friedrich v. A. und für seinen Enkel Karl Hubert v. A. auf Gustävel, sind den Herald. Geneal. Bl. zu Bamberg (4. Jahrg., Nr. 2, 1907) beigegeben.

Die Familie v. Treuenfels, die auf einen 1689 unter diesem Namen geadelten schwedischen Postinspektor Johann Cannolt zurückgeht, hat ihre Stammtafel als Anhang zu der Gutsgeschichte von Benz (s. S. 18-19) veröffentlicht.

Gering ist die Ausbeute für Mecklenburg aus dem 13. Bande des genealogischen Handbuchs bürgerlicher Familien (1907). Es können daraus nur zwei Artikel angeführt werden, eine Zusammenstellung der im 19. Jahrhundert lebenden Eggers (vgl. Jahresbericht 70, 12), die sich in beiden Großherzogtümern Mecklenburg ausgebreitet haben, und eine kurze Genealogie der aus Dannenwalde stammenden, jetzt in Berlin blühenden Familie Roemert.

Die Familie Freudenfeld ist durch mehrere illegitime Kinder des 1797 verstorbenen Grafen Helmuth v. Plessen auf Ivenack gegründet worden. Was sich über deren wechselvolle Schicksale ermitteln ließ, hat ein Nachkomme, der Oberregierungsrat Ferdinand Freudenfeld in Metz, in flott gezeichneten Lebensbildern zusammengestellt. Seine handschriftlichen Aufzeichnungen sind auf autographischem Wege vervielfältigt.

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Aus den beiden neuen Nummern (27 und 28) der Mitteilungen über die Familie Rosenow ist eine orientierende Übersicht anzumerken, wonach gegenwärtig dem Verbande 8 Familien dieses Namens angehören, darunter 5, die aus Mecklenburg (Sternberg, Plau, Wesenberg, Pisede, Ziegenberg) stammen und vielleicht zusammengehören. Eine Lebensbeschreibung des Gutsbesitzers Friedrich R. auf Tieplitz und Ruchow († 1850) und Urkunden über den Pastor Simon Gabriel R. zu Waren († 1686) sind dort gleichfalls abgedruckt.

Die vorpommersche Familie Voelschow oder Voeltzkow (Balt. Studien N. F. X, von 1906) hat nur in wenigen zerstreuten Mitgliedern Beziehungen zu Mecklenburg gehabt. Sie sind in Rostock, Ribnitz, deren Umgegend und in Friedland angesessen gewesen, doch hat allein der Postmeister Johann Christoph V. zu Rostock (1687-1710) eine gewisse Rolle gespielt.

Im Anschluß an die Familiengeschichten möchte ich mich nun noch kurz den Arbeiten zuwenden, welche die Lebensschicksale einzelner Personen schildern, und da vor allem auf die Allgemeine Deutsche Biographie hinweisen. 1906 ist der 52. Band (Leipzig, Duncker & Humblot) mit Nachträgen bis 1899: Linker=Paul erschienen. Er bringt uns eine Biographie des Feldmarschalls v. Moltke, aus der Feder B. v. Poten's, worin die Leistungen dieses unseres großen Landsmannes im Dienst des Vaterlandes kurz und treffend geschildert und zum Schluß seine hervorragenden Charakter= und Geisteseigenschaften gewürdigt werden. Von Männern, denen speziell Mecklenburg manches verdankt, seien der Geh. Medizinalrat v. Mettenheimer, der Naturforscher Hermann v. Maltzan (Museum in Waren), Julius v. Maltzan, der Direktor der Irrenanstalt Sachsenberg Dr. Nasse und der Schuldirektor Dr. Nölting genannt. Ein Artikel von W. Sillem ist dem Jaspar v. Oertzen (vgl. Jahresber. 71, 14) gewidmet, der auf dem Gebiet der Innern Mission hervorgetreten ist. Er und manche andere Mecklenburger, die mit Biographien bedacht sind, nämlich Litzmann, Karl v. Lützow, Marcus und Maetzner, haben ihren Wirkungskreis außerhalb der Mecklenburgischen Grenzen gefunden.

Die 1907 erfolgte Restauration der prächtigen Kanzel zu Zarrentin hat C. Bartholdi veranlaßt, dem Stifter derselben und langjährigen Prediger (1668-1706) zu Zarrentin, Nicolaus Andreae, eine kleine Denkschrift (Wismar, Hans Bartholdi, 1907) zu widmen. Andreae, ein geborener Holsteiner, war eine kraftvolle Persönlichkeit, die in den zerfahrenen Zeiten nach dem großen

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Kriege viel für ihre Gemeinde getan hat. Mit der Biographie ist die Beschreibung der Kanzel, eines aus der Lübecker Marienkirche stammenden Kunstwerks der Renaissancezeit, verbunden.

Auf dem Gebiete der Ortsgeschichte ist Graf v. Oeynhausen unermüdlich weiter tätig gewesen. Die Geschichte des Gutes Benz (Schwerin, Herberger, 1906) enthält manche kulturhistorisch interessanten Darlegungen. Was darin über das Verhältnis der leibeigenen Bauern zur Gutsherrschaft, über die Bauernlegung, die Kommunionhebung, den Wirtschaftsbetrieb, die Kriegsleiden gesagt wird, das hat für Mecklenburg fast typischen Charakter. Mehrere Lagepläne verdeutlichen den Wechsel der Bebauung im Ort. Die jetzigen Besitzer v. Treuenfels (s. oben S. 17) haben das Gut seit 1759 im Besitz und folgten auf die v. Pentz und v. Bülow. Die Geschichte von Hohen=Viecheln (ebenda 1907) ist nur für die älteste Zeit und solange das Gut sich in Plessenschen Händen befand (bis 1507), verfolgt.

Die Eisen= und Stahlschmiede=Innung zu Bützow hat in diesem Jahr das 500jährige Bestehen einer zunftmäßigen Vereinigung der dortigen Schmiede gefeiert und aus diesem Anlaß eine [von Frl. Paschen=Bützow bearbeitete] kurze Geschichte der Schmiede herausgegeben. Die Innung ist im Besitze eines alten Siegelstempels, der die Jahreszahl 1407 trägt.

Die Geschichte des Jessenitzer Salzbergwerks geht, wie aus den chronikalischen Aufzeichnungen von Albert Nettekoven (Lübtheen, W. Meinert, 1905) erhellt, bis 1882 zurück. Nachdem in den 70er Jahren in dem Lübtheener Gypsbruche ein Salzlager angebohrt war, begann 1882 auf Jessenitzer Gebiet die Tiefbohrung, die 1883 das erste Kalisalz zu Tage förderte. Der Schachtbau wurde trotz großer Schwierigkeiten, welche der Wasserandrang verursachte, von 1886-1901 durchgeführt und seitdem das wichtige Werk in Betrieb genommen.

Kurze Erzählungen "aus der Vorzeit Plaus" sind vor einiger Zeit in der Plauer Zeitung erschienen und als Separatabdruck 1905 in 2. Auflage herausgekommen. Sie fußen auf der Lischschen Arbeit im Jahrbuch 17.

Auf das Strandrecht an der Mecklenburgischen Küste ist Friedrich Techen (Hans. Gesch. Bl. 1906, 2. Heft) in seiner bekannten sorgsamen Weise eingegangen, wobei er sich für die Zeit nach dem 15. Jahrhundert allerdings nur auf das Wismarsche Rats=Archiv stützt. Ein Recht über den Strand ist zuerst dem Kloster Doberan 1189, bald nachher auch Rostock und Wismar verliehen; zur Bestimmung der Strandgrenze gegen die See

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spielten nach älterer Anschauung, wofür Beispiele aus dem 16. und 17. Jahrhundert beigebracht werden, das Hineinreiten und der Grenzwurf eine Rolle. Im Sinne eines Bergerechts erscheint das Strandrecht am häufigsten in den Urkunden. Befreiungen von dem Bergerecht der Anlieger sind schon früh den Städten verliehen, doch war die entgegenstehende Volksanschauung einer strengen Durchführung dieser Verleihungen hinderlich. Auch die Fürsten haben das Bergerecht von der Mitte des 16. Jahrhunderts ab lange Zeit als Regal in Anspruch genommen, wenn auch wohl nur durch Erhebung von Bergegeld ausgeübt. Seit dem 18. Jahrhundert ist das Bergerecht allmählich ganz aufgegeben, 1777 auch das Gebet um einen gesegneten Strand durch landesherrliche Verordnung aufgehoben. Es schließt die Techensche Arbeit mit Angaben über die Seezeichen und Lotsen, die in älterer Zeit an unserer Küste gewesen sind.

Über die Geschichte des Mecklenburgischen Jagdrechts hat Ernst Greverus eine Studie veröffentlicht, die zuerst als Rostocker Dissertation gedruckt (Greifswald, Abel, 1906) und dann auch im Buchhandel erschienen ist (Rostock, Volckmann, 1906). Ihr praktischer Wert liegt darin, daß man darin das zerstreute Material übersichtlich beisammen findet und über die für das Jagdrecht wichtigen Fragen, wie Regalität, Vierhufenrecht, Vorjagd, Streckjagd, Hirschjagd, Ablagerrecht, Jägerrecht und Recht der Folge Auskunft erhält. Zu einem Regal ist die Ausübung der Jagd in Mecklenburg nicht geworden, vielmehr ist die Jagd stets als Pertinenz des Grund und Bodens und als Ausfluß des Eigentumrechtes anerkannt. Mit der Polizeiordnung von 1562 beginnen die gesetzlichen Regelungen des Jagdrechtes, aber auch die Streitigkeiten zwischen Landesherren und Ständen, die bis zum Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755 anhielten. Die Darlegung dieser Streitigkeiten füllt einen interessanten Abschnitt der Arbeit aus.

Für die Hebung der Fischerei im Lande ist in den letzten Jahrzehnten viel getan und trotz mancher Fehlgriffe und Fehlergebnisse auch viel erreicht worden. Es unterrichtet darüber der Geschäftsbericht des Mecklenburgischen Fischereivereins, erstattet [1906] von Wilhelm Dröscher (Schwerin, Herberger). Die ersten Versuche wurden von G. Brüssow seit 1871 unternommen und beschränkten sich auf die Einführung und Akklimatisierung neuer edler Fischarten für die Mecklenburgischen Binnengewässer, zu welchem Zweck 1875 eine eigene Fischbrutanstalt am Seekekanal nahe dem Burgsee bei Schwerin errichtet wurde. Weitere Ziele

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steckte sich der 1887 gegründete Mecklenburgische Fischereiverein. Er hat seine Fürsorge außer der eigentlichen Binnenfischerei auch der Fischerei an den Küsten, auf dem Saaler Bodden und der Unterwarnow und auf der Elbe, wie auch der Teichwirtschaft zugewandt und zur gesetzlichen Regelung der Fischereiverhältnisse und zur Besserung der Fangmethoden, der Fanggeräte und des Fischabsatzes mitgewirkt. Mancherlei statistische Erhebungen sind der Arbeit von Dröscher eingefügt und als Anhang sind gesetzliche Bestimmungen für die Fischerei und ein Verzeichnis der außer Kraft gesetzten fischereipolizeilichen Verordnungen abgedruckt.

Zur Geschichte unserer Landesuniversität sind zwei Gelegenheitsreden von Lehrern der Hochschule anzumerken. Otto Kern hat am 6. November 1906 zur Eröffnung der Institute für Altertumskunde über die Entwickelung der klassischen Altertumswissenschaft an der Universität (Rostock, Adlers Erben, 1906) gesprochen und die Tätigkeit der seit der Begründung des klassisch=philologischen Seminars im Jahre 1828 auf diesem Gebiet wirkenden Professoren gewürdigt. Rudolf Kobert hat am Geburtstage des Großherzogs Friedrich Franz II. dargelegt, wie der Humanismus durch die Wiedererweckung des Griechischen und durch die Verwerfung des Autoritätsglaubens auch der dortigen Medizinischen Fakultät im zweiten Jahrhundert ihres Bestehens (Stuttgart, Enke, 1907) neues frisches Leben einhauchte. Eine im Buchhandel erschienene Sonderausgabe ist mit Bildnissen des Johann Cornarius und des Franz Joel d. ä., bedeutenden Medizinern des 16. Jahrhunderts, geschmückt.

Die Siegel der Universität, und zwar das große Siegel und die Siegel des Rektors und der vier Fakultäten, sind in Siebmachers Wappenbuch, Bd. I, 8, Heft 2 (Nürnberg, Bauer & Raspe, 1905) wiedergegeben. Die Federzeichnungen, welche den Abbildungen zu Grunde liegen, halten den Vergleich mit Lichtdrucken allerdings nicht aus.

Das Gymnasium Carolinum zu Neustrelitz feierte am 10. Oktober 1906 sein hundertjähriges Bestehen. Die Anstalt rechnet ihre eigentliche Geschichte, wie aus der Festschrift von K. Rieck (Neustrelitz, Bohl, 1906) hervorgeht, von der Fertigstellung des neuen Schulgebäudes 1806 an, welches die von Herzog Karl 1795 gegründete Interimsschule aufnahm. 1811 wurde die Schule in das "Gymnasium Carolinum" und eine Elementarschule geteilt und 1828 von ersterem eine Realschule abgezweigt.

Das Füsilier=Regiment Nr. 90 hat seine Regimentsgeschichte in zweiter reich ausgestatteter Auflage (Berlin, Mittler &

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Sohn, 1907) herausgegeben, die gegenüber der inzwischen vergriffenen 1. Auflage von 1888 einen Fortschritt bedeutet. Das Buch ist für die wichtigen Kriegsjahre von 1870-1871 von dem Herausgeber der früheren Auflage, dem Oberstleutnant a. D. v. Wrochem, umgearbeitet, hat eine genauere Offiziersstammliste (leider unter Fortlassung der Reserveoffiziersliste) erhalten und ist für die Friedensjahre nach 1871 von manchem unnützen Ballast befreit worden. Ein größeres Kartenmaterial ist beigegeben.

Über die Münzen und Medaillen der Stadt Rostock hat Ed. Grimm=Grevesmühlen seit Jahren gründliche Forschungen angestellt und diese in den Berliner Münzblättern veröffentlicht. Es ist ein dankenswertes Unternehmen, daß er diese Arbeiten nunmehr zu einer Sonderpublikation (Berlin, 1905) zusammengefaßt hat. Sie enthält eine genaue Beschreibung von 1377 Stücken und ein Verzeichnis der Rostocker Münzmeister und ist mit zehn trefflichen Lichtdrucktafeln geschmückt.

Der zweite Vereinssekretär:     
Dr. Stuhr.                 

 


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Anlage A.

 

Veränderungen des Mitgliederbestandes

im Vereinsjahr 1906-1907.

 

Korrespondierende Mitglieder.

a. Ernannt ist:

  1. Museumsdirektor Professor Dr. Karl Schuchhardt=Hannover, 12. April 1907. Nr. 156.

b. Verstorben sind:

  1. Geh. Archivrat Dr. Gottfried v. Bülow=Stettin, 6. März 1907. Nr. 134.
  2. Staatsarchivar Professor Dr. Paul Ewald Hasse=Lübeck, 30. April 1907. Nr. 141.

Ordentliche Mitglieder.

a. Eingetreten sind:

  1. Bildungsverein in Neubrandenburg, 8. Juli 1906. Nr. 1885.
  2. Güterexpedient I. Kl. Martin Klingner=Neubrandenburg, 8. Juli 1906. Nr. 1886.
  3. Eis.=Betriebsingenieur Friedrich Müller=Malchin, 8. Juli 1906. Nr. 1887.
  4. Mühlenbesitzer Georg Moncke=Neubrandenburg, 8. Juli 1906. Nr. 1888.
  5. Gymnasial=Professor Dr. Julius Brockmann=Neubrandenburg, 8. Juli 1906. Nr. 1889.
  6. Rechtsanwalt Hans Voß=Neubrandenburg, 8. Juli 1906. Nr. 1890.
  7. Geh. Kabinetssekretät Kammerherr Hilmar v. der Wense=Neustrelitz, 8. Juli 1906. Nr. 1891.
  8. Sanitätsrat Dr. Ludwig Brückner=Neubrandenburg, 8. Juli 1906. Nr. 1892.
  9. Gymn.=Oberlehrer Hermann Rieck=Friedland, 8. Juli 1906. Nr. 1893.
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  1. Herr Karl Korttmeyer=Neubrandenburg, 8. Juli 1906. Nr. 1894.
  2. Distriktsbaumeister Ludolf Lübstorf=Schwerin, 10. Juli 1906. Nr. 1895.
  3. cand. jur. Hermann Lisch=Schwerin, 2. Sept. 1906. Nr. 1896.
  4. Oberstleutnant a. D. Richard v. Horn=Schwerin, 4. Okt. 1906. Nr. 1897.
  5. Pastor Karl Ritter=Mummendorf, 13. Okt. 1906. Nr. 1898.
  6. Gymn.=Professor Dr. L. Hellwig=Ratzeburg, 30. Nov. 1906. Nr. 1899.
  7. Distriktsbaumeister Karl Staack=Parchim, 5. Dez. 1906. Nr. 1900.
  8. Kaufmann Karl Bolle=Berlin, 27. Jan. 1907. Nr. 1901.
  9. Rentner Achim v. Voß=Dresden, 2. Febr. 1907. Nr. 1902.
  10. Dr. med. Rudolf Hermes=Altona, 4. Febr. 1907. Nr. 1903.
  11. Gutsbesitzer Dr. jur. Adolf Strauß auf Gneven, 8. Febr. 1907. Nr. 1904.
  12. Generalagent August Müller=Schwerin, 28. Febr. 1907. Nr. 1905.
  13. Erbpachthofbesitzer Wilhelm Proehl=Schwerin, 21. März 1907. Nr. 1906.
  14. Ministerialrat Otto Melz=Schwerin, 3. April 1907. Nr. 1907.
  15. stud. phil. Rudolf Ihde=Rostock, 13. April 1907. Nr. 1908.
  16. Archivregistraturgehülfe Friedrich Zastrow=Schwerin, 13. April 1907. Nr. 1909.
  17. Pastor Gustav Hübbe=Parchim, 19. April 1907. Nr. 1910.
  18. Oberstabsarzt Dr. Ernst Schillbach=Schwerin, 29. April 1907. Nr. 1911.
  19. Weinhändler Karl Bühring=Schwerin, 1. Mai 1907. Nr. 1912.
  20. Gutsbesitzer Hermann Beste auf Ilow, 2 Mai 1907. Nr. 1913.
  21. Gutsadministrator Hugo Lauterbach=Neuburg b. Parchim, 2. Mai 1907. Nr. 1914.
  22. Bürgermeister Robert Capobus=Parchim, 3. Mai 1907. Nr. 1915.
  23. Kommerzienrat Karl Mencke=Parchim, 3. Mai 1907. Nr. 1916.
  24. Rechtsanwalt Hermann Prestien=Parchim, 3. Mai 1907. Nr. 1917.
  25. Rentner Henry Rauert=Parchim, 3. Mai 1907. Nr. 1918.
  26. Hagelversicherungsdirektor Paul Giese=Schwerin, 10. Mai 1907. Nr. 1919.
  27. Pastor Friedrich Köhn=Garwitz, 13. Mai 1907. Nr. 1920.
  28. Dr. med. Rudolf Asmus=Teterow, 22. Mai 1907. Nr. 1921.
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  1. Zahnarzt Wilhelm Wiegels=Schwerin, 4. Juni 1907. Nr. 1922.
  2. Rechtsanwalt Dr. Fritz Tiedemann=Parchim, 17. Juni 1907. Nr. 1923.
  3. Kaufmann Max Heucke=Parchim, 19. Juni 1907. Nr. 1924.
  4. Rechtsanwalt Gottfried Wolff=Parchim, 19. Juni 1907. Nr. 1925.
  5. Bezirkstierarzt Wilhelm Porath=Parchim, 23. Juni 1907. Nr. 1926.
  6. Pastor Johannes Bahlcke=Stuer, 27. Juni 1907. Nr. 1927.

b. Ihren Austritt haben erklärt:

  1. Landgerichtsrat Otto Düwel=Rostock, 23. Sept. 1906. Nr. 1777.
  2. Univ.=Professor Dr. Gustav Körte=Rom, 7. Nov. 1906. Nr. 1199.
  3. Oberlehrer Friedrich Sellin=Oldenburg, 8. Nov. 1906. Nr. 1809.
  4. Gymn.=Professor Dr. Heinrich Ernst=Langenberg, 8. Nov. 1906. Nr. 1246.
  5. Oberleutnant a. D. Eduard Plüschow=Schwerin, 4. Dez. 1906. Nr. 1518.
  6. Schulamtskandidat Dr. Georg Nöldeke=Hannover, 11. Jan. 1907. Nr. 1820.
  7. Gutsbesitzer Heinrich Bock auf Gr.=Welzin, 1. März 1907. Nr. 1724.
  8. Küchenmeister a. D. Heinrich Engel=Schwerin, 9. April 1907. Nr. 1773.
  9. Geh. Kammerrat a. D. August Birckenstaedt=Schwerin, 10. April 1907. Nr. 1430.
  10. Zuckerfabrikdirektor Dr. Robert Stutzer=Güstrow, 12. April 1907. Nr. 1443.
  11. Amtmann Karl Leo=Güstrow, 12. April 1907. Nr. 1699.

c. Verstorben sind:

  1. Dr. med. Bernhard Möller=Eldena, 11. Juli 1906. Nr. 1708.
  2. Gutsbesitzer Rudolf Graf v. Schack auf Brüsewitz, 12. Juli 1906. Nr. 852.
  3. Baurat Hermann Loycke=Schwerin, 6. Aug. 1906. Nr. 996.
  4. Gutsbesitzer Andreas Graf v. Bernstorff auf Wedendorf, 12. Sept. 1906. Nr. 1414.
  5. Gymn. Professor Dr. Oscar Glorius Stötzer=Bützow, 24. Sept. 1906. Nr. 1188.
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  1. Wiss. Hülfsarbeiter am Archiv Kurd v. Pressentin=Schwerin, 5. Okt. 1906. Nr. 1800.
  2. Schriftsteller Dr. Heinrich Seidel=Gr.=Lichterfelde, 7. Nov. 1906. Nr 1299
  3. Präpositus Konrad Ihlefeld=Muchow, gest. Rostock 19. Nov. 1906. Nr. 1301.
  4. Realschullehrer a. D. Ernst Saubert=Ludwigslust, 27. Nov. 1906. Nr. 902, 1648.
  5. Kammerherr August v. Plessen auf Damshagen, 21. Dez. 1906. Nr. 1008.
  6. Geh. Ministerialrat a. D. Dr. Bernhard Frhr. v. Hammerstein=Schwerin, 2. Jan. 1907. Nr. 881.
  7. Oberlanddrost Robert Balck=Güstrow, 31. Jan. 1907. Nr. 1503.
  8. Stadtbaudirektor a. D. Heinrich Hübbe=Schwerin, 1. Febr. 1907. Nr. 1361.
  9. Drost a. D. Max v. Ketelhodt=Behringen, 13. Febr. 1907. Nr. 1675.
  10. Oberjägermeister Georg v. Graevenitz=Neustrelitz, 21. Febr. 1907. Nr. 1215.
  11. Kirchenrat Wilhelm Hoyer=Schwerin, 13. März 1907. Nr. 1799.
  12. Amtsgerichtsrat Friedrich Martens=Wismar, 7. Mai 1907. Nr. 1786.

 


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Anlage B.

 

Zuwachs der Vereins=Bibliothek.

I. Mecklenburg.

1) Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg. 60 Jahr (1906) II. Abt. - 61. Jahr (1907) I. Abt. Güstrow 1906/7.

2) Großherzogliches Gymnasium Carolinum zu Neustrelitz. Festschrift zur hundertjährigen Jubelfeier am 10. Oktober 1906. Neustrelitz 1906.

3) Großherzogliches Hoftheater zu Schwerin. Übersicht der während der Spielzeit 1906/7 gegebenen Vorstellungen und Konzerte. Nebst Theaterzetteln.

4) Kern (O.), die Entwicklung der klassischen Altertumswissenschaft an der Universität Rostock. (Rede.) Rostock 1906.

5) Regulativ für die Stellung von Preisaufgaben an die Studierenden der Universität zu Rostock. Rostock 1906.

6) Verzeichnis der Behörden, Lehrer, Beamten, Institute und Studierenden der Universität Rostock. Wintersemester 1906/7. Rostock 1906.

7) Wossidlo (R.), Mecklenburgische Volksüberlieferungen. III. Bd.: Kinderwartung und Kinderzucht. Wismar 1906.

II. Allgemeine Geschichts=, Sprach=, Natur=, Kunst= und Altertumskunde.

1) Analecta Bollandiana. Tom. XXV. Fasc. 4. - Tom. XXVI. Fasc. 1. 2. 3. Paris=Bruxelles 1906/7.

2) Kaiserlich Deutsches Archäologisches Institut. Jahresbericht für 1906. (S.=A.)

3) Bericht über den 7. Verbandstag der west= und süddeutschen Vereine für römisch=germanische Altertumsforschung zu Basel vom 20. bis 22. April 1906. Berlin 1906.

4) Der Burgwart. Zeitschrift für Burgenkunde u(c). 7. Jahrg. Nr. 10-12. - 8. Jahrg. Nr. 1-5. Berlin 1906/7.

5) Heraldisch=genealogische Blätter für adelige und bürgerliche Geschlechter. - 3. Jahrg. 1906. Nr. 8-12. - 4. Jahrg. 1907. Nr. 1-7. Bamberg.

6) Deutsche Erde. Beiträge zur Kenntnis deutschen Volkstums allerorten und allerzeiten. Herausgeg. von P. Langhans. Jahrg. 5. Heft 4. Gotha 1906.

7) Haupt u. Hager, Bemalung und Konservierung mittelalterlicher Holz= und Steinskulpturen. Karlsruhe 1906.

8) Der deutsche Herold. 37. Jahrg. Berlin l906.

9) Hoßfeld, Denkmalpflege auf dem Lande. (S =A.) Karlsruhe 1906.

10) Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. Jahrg. 1906. XXXII. Norden u. Leipzig 1906.

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11) Jahrbuch für Genealogie, Heraldik und Sphragistik. 1904. Mitau 1906.

12) Römisch=germanische Kommission des Kaiserlich Archäologischen Instituts. Bericht über die Fortschritte der römisch=germanischen Forschung im Jahre 1905. Frankfurt a. M. 1906.

13) Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts= und Altertumsvereine. 54. Jahrg. 1906. Nr. 8-12. - 55. Jahrg. 1907. Nr. 1-3. 5-7. - Festnummer zur Hauptversammlung 1906. Berlin.

14) Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. 1906. XXVII, Nr. 3-6. - 1907. XXVIII, Nr. 1. 2. Hamburg.

15) Heraldische Mitteilungen. XVII. Jahrg. Nr. 8-12. - XVIII. Jahrg. Nr. 1. 2. 4-6. Hannover 1906/7.

16) Protokolle der Generalversammlung des Gesamtvereins der deutschen Geschichts= und Altertumsvereine zu Wien 1906. Berlin 1907.

17) Schuchhardt (C.), Zur Alisofrage. (S.=A.)

18) Schuchhardt (C.), Aliso=Führer durch die Ausgrabungen bei Haltern. 3. Aufl. Haltern 1906.

19) Stegmann (R.), Die Berichte der Schriftsteller des Altertums über die Varusschlacht und das Castell Aliso. Detmold 1901.

20) Stegmann (R.), Zur Lage des Castells Aliso. Detmold 1901.

21) Studien und Mitteilungen aus dem Benedictiner= und dem Cistercienser=Orden. 27. Jahrg. (1906) Heft 2-4. - 28. Jahrg. (1907) Heft 1.2.

22) Zeitschrift für Ethnologie. 38. Jahrg. (1906) 4./5. Heft. - 39. Jahrg. (1907) 1.-3. Heft. - General-Register zu Bd. XXI-XXXIV (1889-1902).

III. Preußen und Hohenzollern.

1) Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein. Heft 79-82. Köln 1905/7.

2) Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung. 36. Bd. 1906. Wiesbaden 1907.

3) Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark. XV. Dortmund 1907.

4) Beiträge zur Geschichte des Niederrheins. 20. Bd. Düsseldorf 1906.

5) Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen. Heft 28. 29. Essen 1906/7.

6) Beiträge zur Geschichte, Landes= und Volkskunde der Altmark. Bd. II. Heft 4. Stendal 1907.

7) 33. Bericht der wissenschaftlichen Gesellschaft "Philomathie" in Neisse vom Okt. 1904 bis Okt. 1906. Neisse.

8) Mansfelder Blätter. 20. Jahrg. 1906. Eisleben 1906.

9) "Brandenburgia." XV. Jahrg. Nr. 1-12. - XVI. Jahrg. Nr. 1-3. Berlin 1906/7.

10) Codex diplomaticus Lusatiae superioris III. Görlitz 1905.

11) Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte. Bd. 2-4. Breslau 1906/7.

12) Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte. Bd. 19, 2. Hälfte. - Bd. 20, 1. Hälfte. Leipzig 1906/7.

13) Fuldaer Geschichtsblätter. 5. Jahrg. Nr. 7-12. - 6. Jahrg. Nr. 1-4. Fulda 1906/7.

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14) Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg. 41. Jahrg. 1906. Magdeburg 1906.

15) Hannoversche Geschichtsblätter. 9. Jahrg. (1906). Heft 10-12. - 10. Jahrg. (1907). Heft 1-9. Hannover.

16) Mühlhäuser Geschichtsblätter. 7. Jahrg. 1906/7. Mühlhausen i. Thüringen 1906.

17) Die Heimat. 16. Jahrg. Nr. 9-12. - 17. Jahrg. Nr. 1-8. Kiel 1906/7.

18) Oberschlesische Heimat. Bd. II. Heft 3. 4. - Bd. III. Heft 1. 2. Oppeln 1906/7.

19) Jahrbuch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer zu Emden. 16. Bd. Emden 1907.

20) Pommersche Jahrbücher. 7. 8. Bd. Greifswald 1906/7.

21) Bonner Jahrbücher. Heft 114/115. Bonn 1906.

22) Jahrbücher der Königlichen Akademie gemeinnütziger Wissenschaft zu Erfurt. N. F. Heft XXXII. Erfurt 1906.

23) Jahresbericht der Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier. Von 1900 bis 1905. Trier 1906.

24) 83. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Breslau 1906.

25) 33. 34. Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte und Industrie zu Salzwedel. Magdeburg 1906/7.

26) Jahreshefte der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz. Bd. II. Heft 2. Görlitz 1906.

27) Neues Lausitzisches Magazin. 82. Bd. Görlitz 1906.

28) Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins. 1906 Nr. 8-12. - 1907 Nr. 1-5. 6. 7. - 1. Nachtrag zu dem Katalog der Bibliothek des Vereins für die Geschichte Berlins. Berlin 1907.

29) Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt. Heft 27. Erfurt 1906.

30) Mitteilungen der Litterarischen Gesellschaft Masovia. 12. Heft. Lötzen 1907.

31) Niederlausitzer Mitteilungen. IX. Bd. 5.-8. Heft. - 10. Bd. 1.2. Heft. Guben 1906/7.

32) Mitteilungen des Uckermärkischen Museums= und Geschichts=Vereins zu Prenzlau III. Bd. 3. Heft. Prenzlau 1906.

33) Mitteilungen des Westpreußischen Geschichtsvereins. 5. Jahrg. 1906. Danzig.

34) Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch=antiquarischer Forschungen. Bd. XXII. Heft 3. Halle a. S. 1906.

35) Mitteilungen des Anthropologischen Vereins in Schleswig=Holstein. 18. Heft. Kiel 1907.

36) Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde zu Homburg v. d. Höhe. 9. Heft. Homburg 1906

37) Mitteilungen des Coppernicus=Vereins für Wissenschaft und Kunst zu Thorn. 14. Heft. Thorn 1906.

38) Mitteilungen des Vereins für Heimatskunde zu Eberswalde. 1. Jahrg. (1906). - 2. Jahrg. (1907) Heft 1. Eberswalde.

39) Mitteilungen des historischen Vereins für Heimatkunde zu Frankfurt a. d. O. 23. Heft. Frankfurt a. O. 1907.

40) Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Landeskunde von Osnabrück ("Historischer Verein"). 29. Bd. 1904. - 31. Bd. 1906. Osnabrück 1905/7.

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41) Monatsblätter. Herausgeg. von der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde. 1906.

42) Historische Monatsblätter für die Provinz Posen. VII. Jahrg. (1906). Posen.

43) Altpreußische Monatsschrift, neue Folge. 39. Bd. 7. 8. Heft. - 43. Bd. 3. 4. Heft. - 44. Bd. 1. 2. 3. Heft Königsberg i. Pr. 1902/7.

44) Monatsblätter des Touristenklubs für die Mark Brandenburg. XV. Jahrg. Nr. 9-12 - XVI. Jahrg. Nr. 1-6. Berlin 1906/7.

45) Monumenta historiae Warmiensis. 26. Lief. Bd. IX, 2. Braunsberg 1906.

46) Lüneburger Museumsblätter. Heft 4 Lüneburg 1907.

47) Protokolle über die Sitzungen des Vereins für die Geschichte Göttingens. 3. Bd. 4. Heft. Göttingen 1906.

48) Die Saalburg. Mitteilungen der Vereinigung der Saalburgfreunde. Nr. 12. 13. Berlin 1906/7.

49) Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift. N. F. IV. Bd. Breslau 1907.

50) Schriften des Vereins für Geschichte der Neumark. Heft XVIII. XIX. Landsberg a. W. 1906.

51) Baltische Studien. N. F. 10. Bd. Stettin 1906.

52) Touristenklub für die Mark Brandenburg. 22. Jahresbericht. 1905.

53) Pommersches Urkundenbuch. VI. Bd. 2. Abt. Stettin 1907.

54) Veröffentlichungen des Altertums=Vereins zu Torgau. Heft XX. Torgau 1907.

55) Verwaltungsbericht über das Märkische Provinzialmuseum für das Etatsjahr 1905. (S.=A.) Berlin 1906.

56) Volksschriften des Vereins für Kirchengeschichte in der Provinz Sachsen. Heft 1. Magdeburg 1906.

57) Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde. 3. Jahrg. 1906. Heft 3. 4. - 4. Jahrg. 1907. Heft 1-2. Elberfeld.

58) Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte in der Provinz Sachsen. III. Jahrg. Heft 2. - IV. Jahrg. Magdeburg 1906/7.

59) Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins. 28. Band. Aachen 1906.

60) Zeitschrift des Harz=Vereins für Geschichte und Altertumskunde. 39. Jahrg. 1906. 2. Heft. Wernigerode 1906.

61) Zeitschrift des Heimatbundes Niedersachsen. 1. Jahrg. Nr. 11. 12. - 2. Jahrg. Nr. 1-8. Hannover 1906/7.

62) Zeitschrift des historischen Vereins für den Regierungsbezirk Marienwerder. 45. Heft. Marienwerder 1906.

63) Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen. Jahrg. 1906. 3. 4. Heft. - 1907. 1. 2. Heft. Hannover 1906/7.

64) Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde. N. F. 30. Bd. 1. 2. Hälfte. Kassel 1906/7.

65) Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen. 21. Jahrg. Posen 1906.

66) Vestische Zeitschrift. Zeitschrift der Vereine für Orts= und Heimatkunde im Veste und Kreise Recklinghausen. Jahrg. 1906. 16. Bd. Münster.

67) Zeitchrift des Vereins für Geschichte und Altertum Schlesiens. 41. Bd. Breslau 1907.

68) Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig=Holsteinische Geschichte. 36. Bd. Kiel 1906.

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69) Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Alterthumskunde. 64. Bd. 1. Abt. - Historisch=geographisches Register zu Bd. 1-50. Lief. 8. 9. Münster 1906.

70) Zeitschrift des Westpreußischen Geschichtsvereins. Heft 49. Danzig 1907.

71) Zeitschrift des Vereins für die Geschichte von Soest und der Börde. Vereinsjahr 1904/5. 22. Heft. Soest 1906.

72) Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands. 14. Bd. - 16. Bd. Heft 1. Braunsberg 1903. 1906

73) Zingeler (K. Th.) u. Buck (G.), Zollerische Schlösser, Burgen und Burgruinen in Schwaben. Berlin 1906.

IV. Die übrigen deutschen Staaten.

Hansestädte.

1) Festgabe zum 21. Juli 1905 Anton Hagedorn gewidmet. Hamburg und Leipzig 1906.

2) Mittheilungen des Vereins für Lübeckische Geschichte und Alterthumskunde. 12. Heft, 2. Hälfte. (1907). Lübeck 1907.

3) Voigt (J. F.), die Hamburgische Landgemeinde Gr. Hansdorf Schmalenbek. Hamburg 1906.

4) Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde. Bd. 9. Heft 1. Lübeck 1907.

Oldenburg.

1) Jahrbuch für die Geschichte des Herzogtums Oldenburg. 15. Bd. Oldenburg 1906.

2) Bericht über die Tätigkeit des Oldenburger Vereins für Altertumskunde und Landesgeschichte. XIV. Heft. Oldenburg 1906.

Anhalt.

1) Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Altertumskunde. 10. Bd. 4. Heft. Dessau 1907.

Sachsen.

1) Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde. 27. Bd. Dresden 1906.

2) Dresdner Bilderchronik. Herausgegeben von O. Richter. I. Tl.: 16. und 17. Jahrhundert. Dresden 1906.

3) Dresdner Geschichtsblätter. 15. Jahrg. 1906. Dresden.

4) Mitteilungen vom Freiberger Altertumsverein. 42. Heft. 1906. Freiberg i. S. 1906.

5) Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens. 20. Heft. Dresden 1907.

6) Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen. Des 7. Bandes 2. Heft. Meißen 1906.

7) Mitteilungen des Vereins für Sächsische Volkskunde. 4. Bd. Heft 3-6. - IX. Jahresbericht auf das Vereinsjahr 1906. Dresden.

8) Moeschler (F.), Gutsherrlich=bäuerliche Verhältnisse in der Ober= Lausitz. Görlitz 1906.

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9) Pfau (W. Clemens), Die Vorstellung des Drachens in Westsachsen. (S.=A.)

10) -, Einzelheiten aus dem Gebiete der Rochlitzer Geschichte. Lief. 6. Rochlitz 1907.

11) Raab (C. v.), Schloß und Amt Vogtsberg bis Mitte des 16. Jahrh. und das Erbbuch vom Jahre 1542. Plauen i. V. 1907.

12) Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs. VIII. Leipzig 1906.

13) Schule der Gemeinde Neu=Eibau in der Ober=Lausitz auf der 3. Deutschen Kunstgewerbe=Ausstellung Dresden 1906.

14) -, Sind die alten Steinkreuze Grenzzeichen? (S.=A.)

Thüringen.

1) Alt=Arnstadt. Beiträge zur Heimatkunde von Arnstadt und Umgegend. 3. Heft. Arnstadt 1906

2) 76. und 77. Jahresbericht des Vogtländischen Altertumsforschenden Vereins zu Hohenleuben. 1907.

3) Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde zu Kahla und Roda. VI. Bd. 3. Heft. Kahla 1906.

4) Mitteilungen der Geschichts= und Altertumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes. 11. Bd. 1. Heft. Altenburg 1907.

5) Das Mareile. Bote des Rennsteigvereins. 5. Reihe 1906/7. Nr. 5-8. Hildburghausen.

6) Schriften des Vereins für Sachsen=Meiningische Geschichte und Landeskunde. 53. 54. 55. Heft. Hildburghausen 1906/7.

7) Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde. N. F. XVI. Bd. Heft 2. - XVII. Bd. Heft 1. 2. -XVIII. Bd. Heft 1. Jena 1906/7.

Braunschweig.

1) Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig. 4. 5. Jahrg. Wolfenbüttel 1905/6.

2) Braunschweigisches Magazin. 11. Bd. Jahrg. 1905. - 12. Bd. Jahrg. 1906. Wolfenbüttel.

3) Wieries (R.), Aus der Chronik des Harlingeröder Pastors Rudolphi. (S.=A.) Wernigerode 1905.

Lippe.

1) Mitteilungen aus der lippischen Geschichte und Landeskunde. IV. Detmold 1906.

Waldeck.

1) Geschichtsblätter für Waldeck und Pyrmont. 5. u. 6. Bd. Mengeringhausen 1906.

Hessen.

1) Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde. N. F. IV. Bd. 2. Heft. Darmstadt 1906.

2) Beiträge zur Hessischen Kirchengeschichte. II. Bd. 4. Heft. - III. Bd. 1 Heft. Darmstadt 1905/6.

3) Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins. N. F. 14. Bd. Gießen 1906.

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4) Quartalblätter des Historischen Vereins für das Großherzogtum Hessen. N. F. Jahrg. 1905. - Jahrg. 1906 Heft 1. 2.

5) Mainzer Zeitschrift. Jahrg. I, 1906. Mainz.

Bayern.

1) Abhandlungen der historischen Classe der königlich bayerischen Akademie der Wissenschaften. 24. Bd. 1. Abt. München 1906.

2) Archiv des Historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg. 48. Bd. Wurzburg 1906.

3) Archiv für Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken. 35. Bd. 3. Heft. - 43. Bd. 2. Heft. Bayreuth 1901/7.

4) Oberbayertsches Archiv für vaterländische Geschichte. 52. Bd. 2. Heft. München 1906.

5) Chroust (A.), Gneisenau in Würzburg. (Rede.) Würzburg 1906.

6) Jahrbuch des historischen Vereins Dillingen. 19. Jahrg. 1906. Dillingen.

7) 54. Jahresbericht des Historischen Vereins für Mittelfranken. Ansbach 1907. - Die Handschriften des Hist. V. f. Mittelfranken. I. ebd. 1907.

8) Jahresbericht des Historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg für 1904. 1905. Würzburg 1905/6.

9) Kollektaneen=Blatt für die Geschichte Bayerns, insbesondere des ehemaligen Herzogtums Neuburg. 68. Jahrg. 1904. Neuburg a. D.

10) Mittheilungen und Umfragen zur bayerischen Volkskunde. N. F. Nr. 6-10. Augsburg und München.

11) Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg. 17. Heft. Nürnberg 1906. - Jahresbericht über das 29. Vereinsjahr 1906. Nürnberg 1907.

12) Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz. XXVIII. Speier 1907.

13) Monatsschrift des Frankenthaler Altertums=Vereins. 14. Jahrg. Nr. 4. 8-12. - 15. Jahrg. Nr. 1-7. Frankenthal 1906/7.

14) Altbayerische Monatsschrift. 6. Jahrg. 3.-6. Heft. München.

15) Sammelblatt des historischen Vereins Eichstätt. 20. Jahrg. 1905. Eichstätt 1906.

16) Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 35. Heft. Lindau i. B. 1906.

17) Sitzungsberichte der philosophisch=philologischen und der historischen Classe der k. b. Akademie der Wissenschaften zu München. 1906. Heft 2. 3. - 1907. Heft 1. München.

18) Verhandlungen des historischen Vereins für Niederbayern. 42. Bd. Landshut 1906.

19) Verhandlungen des historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg. 57. Bd. Regensburg 1905.

20) Verwaltungsbericht des Historischen Vereins für Donauwörth und Umgegend. Für die Vereinsjahre 1904/5-1906/7.
Württemberg.

1) Blätter des Schwäbischen Albvereins. 18. Jahrg. Nr. 9-12. - 19. Jahrg. Nr. 1-8. Tübingen 1906/7.

2) Diöcesanarchiv von Schwaben. 24. Jahrg. (1906). Stuttgart.

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3) Reutlinger Geschichtsblätter. 17. Jahrg. (1906). Nr. 1-6. Reutlingen.

4) Historischer Verein Heilbronn. 8. Heft. Heilbronn 1906.

5) Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. N. F. XV. Jahrg. 1906. Stuttgart.

Baden.

1) Freiburger Diöcesan=Archiv. N. F. Bd. VII. Freiburg i. B. 1906.

2) Mannheimer Geschichtsblätter. 7. Jahrg. Nr. 8-12. - 8. Jahrg. Nr. 1-7. Mannheim 1906/7.

3) Schau ins Land. 1906. 33. Jahrlauf. - 1907. 34. Jahrlauf. Freiburg i. B.

4) Zeitschrift der Gesellschaft zur Beförderung der Geschichts=, Altertums= und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften. 22. Bd. Freiburg i. Br. 1906.

Elsaß=Lothringen.

1) Jahrbuch für Geschichte, Sprache und Litteratur Elsaß=Lothringens. 22. Jahrg. Straßburg 1906.

2) Erinnerung an das Museum der Stadt Metz. Metz o. J.

V. Österreich=Ungarn

1) Magyar Tud. Akadémiai Almanach. 1906. Budapest.

2) Anzeiger der Akademie der Wissenschaften in Krakau. 1906. Nr. 4-10. - 1907. Nr. 1. 2. Krakau.

3) Archiv für österreichische Geschichte. Bd 95. Wien 1906.

4) Archiv des Vereines für siebenbürgische Landeskunde. N. F. 33. Bd. Heft 1. 3. 4. - 34. Bd. Heft 1. 2. Hermannstadt 1906/7.

5) Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs. September 1906. (Festgabe.) Wien 1906.

6) Bericht über das Museum des Königreichs Böhmen für d. J. 1906. Prag 1907.

7) Beiträge zur Erforschung steirischer Geschichte. 31. 32. 33. 35. Jahrg. Graz 1901/6.

8) Bullettino di Archeologia e Storia Dalmata. Anno XXIX. Nr. 1-7. Spalato 1906.

9) Bünker (J. R.), das Bauernhaus der Gegend von Stams im Oberinntale (Tirol) (S.=A.) Wien 1906.

10) Carinthia I. 96. Jahrgang. Klagenfurt 1906.

11) C(V)asopis Musea Královstvi Ceského. 1906. R. 80 S. 3. 4. -1907. R. 81 S. 1. 2/3. V Praze.

12) Dachler (A.), das Bauernhaus in Niederösterreich und sein Ursprung. Wien 1897.

13) Dem 6. deutschen Archivtag in Wien und der Hauptversammlung des Gesamtvereins der deutschen Geschichts= und Altertumsvereine gewidmet von dem Vereine für Geschichte der Deutschen in Böhmen. Prag 1906.

14) Unser Egerland. 10. Jahrg. Heft 4-6. - 11. Jahrg. Heft 1-4. - Kunst=Beilagen zur Karlsbader Nummer, Sommer 1906. Eger 1906/7.

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15) Archaeologiai Értesitö. Uj Folyam. XXV. Kötet 2-5. Szám. - XXVI. K. 1. 2. Sz. Budapest 1905/6.

16) Festgabe, den Teilnehmern an der Hauptversammlung des Gesamtvereines der deutschen Geschichts= und Altertumsvereine in Wien gewidmet vom Vereine für Landeskunde von Niederösterreich. Wien 1906.

17) Festnummer der Zeitschrift für österreichische Volkskunde. Wien 1906.

18) Fontes rerum Austriacarum. II. Abt. Diplomata et acta. Bd. 59. Wien 1906.

19) Forcher v. Ainbach (Fr.), Wer war die Urbevölkerung des Murbodens und wie erfolgte die spätere Besiedelung? Graz 1906.

20) Jzvestja muzejskega drutvša za Kranjsko. Letnik XVI. V Ljubljani 1906.

21) Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich. N. F. IV. und V. Jahrg. 1905 u. 1906. Wien 1906.

22) Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich. 25. Jahrg. Wien=Leipzig 1904.

23) Jahrbuch der k. k. heraldischen Gesellschaft "Adler". N. F. 17. Bd. Wien 1907.

24) Jahres=Bericht des Geschichtsvereines für Kärnten in Klagenfurt über 1905. Klagenfurt 1906.

25) Jahresbericht der Königl. Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften für 1905 u. 1906. Prag 1906/7.

26) 65. Jahresbericht des Museum Francisco=Carolinum. Linz 1907.

27) Kaiser Franz Josef=Museum für Kunst und Gewerbe in Troppau. Jahresbericht für das Jahr 1906. Troppau.

28) Katalog literatury naukowej Polskiej. Tom. V. Rok Zeszyt 3. 4. - T. VI R. 1906 Z. 1. 2. Kraków 1906.

29) Kuefstein (Karl Graf), Verzeichnis des Kuefsteinschen Familienarchives in Greillenstein aus dem Jahre 1615. (Als Manuskript gedruckt).

30) Mitteilungen des Musealvereines für Krain. 19. Jahrg. Laibach 1906.

31) Mittheilungen des nordböhmischen Excursions=Clubs. 29. Jahrg. (1906). 4. Heft. - 30. Jahrg. (1907). 1. 2. 3. Heft. Leipa 1906/7.

32) Mittheilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde. XLVI. Vereinsjahr 1906. Salzburg.

33) Mittheilungen der k. k. Zentral=Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst= und historischen Denkmale. 3. Folge. V. Bd. Nr. 5-12. - VI. Bd. Nr. 1. 2. 4. 5. Wien 1906/7.

34) Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. 36. Bd. Heft 5. 6. - 37. Bd. Heft 1-3. Wien 1906/7.

35) Mitteilungen der Oesterr. Gesellschaft für Münz= und Medaillenkunde. Bd. II. Nr. 9. September 1906. Wien.

36) Wissenschaftliche Mitteilungen aus Bosnien und der Herzegowina. X. Bd. Wien 1907.

37) Monatsblatt der Kaiserl. Königl. Heraldischen Gesellschaft "Adler". Nr. 304. 309. 314. 316. 318. 319.

38) Monatsblatt des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich. 4. Jahrg. 1905. Wien.

39) Monatsblatt der numismatischen Gesellschaft in Wien. Nr. 278. VII. Bd. (Nr. 9.) September 1906. Wien.

40) Monumenta medii aevi historica res gestas Poloniae illustrantia. Tom. XVI. Cracoviae 1901.

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41) Nejedlý (Zderěk), Počátky Husitského zpěvu. V Praze 1907.

42) Památky archaeologické a mistopisné. XXII. Dilu 1-4. Se v it. 1906. V Praze 1906.

43) Rapport sur les travaux de l' Académie Hongroise des Sciences en 1905. Budapest 1906.

44) Sitzungsberichte der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften. 144. l51.-153. Bd. Jahrg. 1901. 1906/7. Wien 1902/7.

45) Sitzungsberichte der kgl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften, Klasse für Philosophie, Geschichte und Philologie. Jahrg. 1906.

46) Topographie von Niederösterreich. VI. Bd. Heft 6/8. Wien 1905.

47) Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg. 3. Folge. 50. Heft. Insbruck 1906.

48) Zeitschrift des deutschen Vereines für die Geschichte Mährens und Schlesiens.7. Jahrg. 1. 2. Heft. - 9. Jahrg. 1. 2. Heft. - 10. Jahrg. 4. Heft. - 11. Jahrg. 1. 2. 3. Brünn 1903/7.

49) Zeitschrift des historischen Vereines für Steiermark. IV. Jahrg. 1.-4. Heft. Graz 1906.

50) Zeitschrift für Geschichte und Kulturgeschichte Österreich=Schlesiens. 1905. Heft 1-3. - 1906/7. Heft 1-4. Troppau.

VI. Italien.

1) Bullettino di Paletnologia Italiana. Serie IV. Tomo II. Anno XXXII Nr. 6-12. - Tomo III. Anno XXXIII Nr. 1-5. Parma 1906/7.

VII. Schweiz.

1) Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde. N. F. VIII. Bd. 1906. Nr. 1-4. - IX. Bd. 1907. Heft 1. Zürich 1906/7.

2) Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte. Heft 46. Frauenfeld 1906.

3) Freiburger Geschichtsblätter. 13. Jahrg. Freiburg i. Ue. 1906.

4) Der Geschichtsfreund. 61. Bd. Stans 1906.

5) Jahrbuch für Schweizerische Geschichte. 31. 32. Bd. Zürich 1906/7.

6) 36. Jahresbericht der Histor.=antiquar. Gesellschaft von Graubünden. Jahrg. 1906. Chur 1907.

7) Schweizerisches Landesmuseum in Zürich. 14. Jahresbericht. 1905. Zürich 1906.

8) Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich. LXXI. Heft. Zürich 1907.

9) Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur 1872-1907. Winterthur.

10) Taschenbuch der historischen Gesellschaft des Kantons Aargau für das Jahr 1906. Aarau 1906.

11) Historisch=antiquarischer Verein des Kantons Schaffhausen. Festschrift zur Erinnerung an das 50 jährige Jubiläum. Schaffhausen 1906.

12) Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde. VI. Bd. Basel 1907.

VIII. Luxemburg.

1) Publications de la Section historique de l'Institut G.=D. de Luxembourg. Vol. 53. Luxembourg 1906.

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IX. Belgien.

1) Annales de la Société Archéologique de Namur. Tome 25, Livr. 3. Namur 1907.

2) Bulletin de l'Institut Archéologique Liégeois. Tome XXXVI. Fasc. 1. 2. Liége 1906.

3) Bulletin de la Société scientifique et littéraire du Limbourg. Tome XXII. XXIII. XXIV. Tongres 1904/6.

X. Niederlande.

1) Bijdragen en Mededeelingen van het Historisch Genootschap, gevestigd te Utrecht. 27. 28. Deel. Amsterdam 1906/7.

2) Handelingen en Mededeelingen van de Maatschappij der Nederlandsche Letterkunde te Leiden over het Jaar 1905/6. Leiden 1906. - Bijlage: Levensberichten der afgestorven Medeleden etc. ib. 1906.

3) Koninklijk Oudheidkundig Genootschap te Amsterdam. Jaarverslag in de 48. Algemeene Vergadering 1906.

4) Maandblad van het genealogisch=heraldisk Genootschap "De Neederlandsche Leeuw". 24. Jaargang Nr. 6-12. - 25. Jaargang Nr. 1. 2. 3. 4./5. s' Gravenhage 1906.

5) Tijdschrift van het koninklijk Nederlandsch Genootschap voor Munt- en Penningkunde te Amsterdam. 14. Jaargang. - 15. Jaargang 2. 3. Afl Amsterdam 1906/7.

6) Vereeniging tot Beoefening van Overijsselsch Regt en Geschiedenis. Verslag van de Handelingen der 97. 98. Vergadering. Zwolle 1906. - Het Copieboek van Wolter van Heyden, Richter te Oldenzaal, 1547-1570. ib. 1906.

7) 78. Verslag van het Friesch Genootschap van Geschied-, Oudheid- en Taalkunde te Leeuwarden 1905-1906. Leeuwarden 1907.

8) Werken uitgegeven door het Historisch Genootschap (gevestigd te Utrecht). 3. Serie Nr. 18. 21. 22. 23. Amsterdam 1906/7.

XI. Dänemark.

1) Aarbøger for Nordisk Oldkyndighed og Historie. 1906. II. Raekke. 21. Bind. Kjøbenhavn.

2) Meddelelser fra det Danske Rigsarkiv I, 1-2. København 1906.

3) Mémoires de la Société Royale des Antiquaires du Nord. Nouvelle Série. 1904. 1905/6. Copenhague.

XII. Schweden.

1) Bergsten (N.), Bevillningsutskott vid Frihetstidens Riksdagar. (Akad. Afh.) Uppsala 1906.

2) Bratt (A.), Sverges yttre Politik under de preliminära Vörhandlingarne före Freden i Rijswijk. (Akad. Afh.). Uppsala 1905.

3) Collijn (J.), Katalog der Inkunabeln der Kgl. Universitäts=Bibliothek zu Uppsala. Uppsala u. Leipzig o. J.

4) Fornvännen. Meddelanden från K. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien 1906. Häftet 3-5. - 1907. Häftet 1. 2. Stockholm.

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5) Hazelius (G.), Om Handtverksämbetena under Medeltiden. Stockholm 1906.

6) Meddelanden från Svenska Riksarkivet. Ny Följd. I. 12-16. - II. 2. Stockholm 1906/7.

7) Nordiska Museet. Fataburen. 1906. Häft 1-4. Stockholm.

8) Schück (H.), Studier i Ynglingatal. I. II. Upsala 1905/6.

9) Schweden. Ein kurzer Führer durch Schwedens Geschichte usw. Herausgegeben vom Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs (Turisttrafikförbundet) Stockholm. 1906.

10) Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademiens Månadsblad. 1903-1905. Stockholm 1907.

XIII. Norwegen.

1) Bergens Museums Aarbog 1906. 1. 2. 3. Hefte. - 1907. Hefte 1. 2. Bergen 1906/7. Aarsberetning for 1906. ib. 1907.

2) Foreningen til Norske Fortidsmindesmaerkers Bevaring. Aarsberetning for 1906. Kristiania 1907.

3) Forhandlinger i Videnskabs-Selskabet i Christiania. Aar 1906. Christiania 1907.

4) Skrifter udgivne af Videnskabs-Selskabet i Christiania 1906. II. Historisk-filosofisk Klasse. Christiania 1906.

5) Det kongelige Norske Videnskabers Selskabs Skrifter. 1905. Trondhjem 1906.

XIV. Rußland.

1) Beiträge zur Kunde Est=, Liv= und Kurlands. 6. Bd. 4. Heft. Reval 1907.

2) Materialien für die Geschichte der russischen geistlichen Mission in Peking. Lief. 1. St. Petersburg 1905.

3) Memoiren der Kaiserlich Russischen Archäologischen Gesellschaft. Klassische Abteilung Bd. II. - Orientalische Abteilung Bd. XVI Heft 2-4. XVII Heft 1.2.3. - Russische und slavische Abteilung Bd. VII. VIII. - Numismatische Abteilung Bd. I Heft 1. St. Petersburg 1905/6. (In russischer Sprache.)

4) Sitzungsberichte der Gelehrten Estnischen Gesellschaft 1905. Jurjew=Dorpat 1906.

5) Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Rußlands aus dem Jahre 1905. Riga 1906.

6) Sitzungsberichte der altertumsforschenden Gesellschaft zu Pernau. 4. Bd. Pernau 1906.

Der Bibliothekar:     
Dr. Schröder.          

 


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Anlage C.

Zuwachs der Bildersammlung 1906/07.

  1. Paul Friedrich, Großherzog von Mecklenburg=Schwerin. Lithogr.Nach dem Leben gez. von F. Lieder, gedr. im Lithogr. Inst. in Wien.
  2. Alexandrine, Großherzogin von Mecklenburg= Schwerin. Lithogr. Verlag von Otto's Buchhandlung in Burg.
  3. Luise, Königin von Preußen. Kupferst. M. Voigt sc.
  4. Albrecht Baron von Maltzan=Peutsch. Lithogr. (auf chines. Papier), 1848 (1851).
  5. Curt Christoph Graf von Schwerin, Preuß. General=Feldmarschall. Kupferst. J. G. Strantz pinx. E. Henne sc.
  6. Fürst Blücher von Wahlstadt. Kupf. Kolbe del. Wachsmann sc.
  7. M. Hermann Joachim Hahn (geb. Grabow, 31. Juli 1679, † Dresden, 21. Mai 1726). Kupf. C. A. Wortmann sc.
  8. D. Johannes Quistorp (geb. 18. Aug. 1584, † 2. Mai 1648). Kupf. Melch. Haffner sculps.
  9. Oberappellationsgerichtsrat Christian Karl Friedr. Wilh. Baron von Nettelbladt. Lithogr. (auf getöntem Grund).
  10. Dr. W. Lesenberg. Lithogr. (auf getöntem Grund). P. Tischbein. J. G. Tiedemann'sche Hof=Steindr., Rostock.
  11. Luise Köster (geb. Schlegel). Kupf. Aug. Hüßener sc. Druck von A. Alboth jr., Leipzig.
  12. Balthasar Denner (geb. Hamburg, 15. Nov. 1685, † Rostock, 14. April 1749). Kupf. Franck fecit.
  13. Alfred Krabbe (geb. 8. Aug. 1840, † 11. März 1858). Lithogr., gez. 1856 von Alex. Roeper, Lithogr. von S. Steenbock.
  14. Wilh. Riefstahl (geb. Neustrelitz, 15. Aug. 1827). Radierung von W. Krauskopf, München 1890. (Aus: Nord und Süd. Bd. LV. 1890. Heft 163).
  15. Plan von Rostock, gemessen und gezeichnet von W. Dugge. Lithogr. von J. G. Tiedemann. (Unkoloriertes Exemplar, ohne die kolorierte Kirchspieleinteilung).

Der Bilderwart:     
Dr. W. Voß.         

 


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Anlage D.

Auszug

aus der Rechnung der Kasse des Vereins
für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde
für den Jahrgang 1. Juli 1905/6.

Auszug aus der Rechnung der Kasse des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde für den Jahrgang 1. Juli 1905/6. - Einnahme/Ausgabe
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Auszug aus der Rechnung der Kasse des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde für den Jahrgang 1. Juli 1905/6. - Abschluß/Vermögensübersicht

 

Vignette
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An die Mitglieder.

N ach dem Beschlusse einer früheren General=Versammlung sollen an die Mitglieder des Vereins die vor ihrem Eintritt erschienenen Vereinsschriften zu bedeutend ermäßigten Preisen abgegeben werden.

1. Jahrbücher und Jahresberichte des Vereins u(c).

  1. bei Bezug mehrerer aufeinander folgender Bände: Bd. 17-46, 48, 49, 51 - 69 je 1 Mk.,
  2. einzelne Jahrgänge (soweit vorhanden und stets die jeweiligen letzten zwei Jahrgänge) statt 8 Mk. je 3 Mk.

2. Sonder=Abzüge aus den Jahrbüchern:

  1. Wigger, Stammtafel des Großherzoglichen Hauses (zum Aufziehen), aus Bd. 50, (statt 1,50 Mk.) 1 Mk.,
  2. Crull, Die Wappen der Geschlechter der Mannschaft, aus Bd. 52, (statt 3 Mk.) 1 Mk.,
  3. Stuhr, Die Kirchenbücher in Mecklenburg=Schwerin, aus Bd. 60, (statt 2 Mk.) 50 Pf.,
  4. Krieg, Die Kirchenbücher in Mecklenburg=Strelitz, aus Bd. 68, (statt 1 Mk.) 50 .Pf.,
  5. Moeller, Geschichte des Landespostwesens in Mecklenburg, aus Bd. 62, (statt 5 Mk.) 1,50 Mk.,
  6. Stuhr, Der Elbe=Ostsee=Kanal zwischen Dömitz und Wismar. Mit 2 Karten, aus Bd. 64, 1 Mk.

3. Register über die Jahrbücher Bd. 1-30, 2 Hefte (statt 6 Mk.) zusammen 2 Mk.

- über die Jahrbücher Bd. 31-40 (statt 5 Mk.) 1 Mk.
-    "      "          "          "    41-50 (statt 5 Mk.) 1 Mk.

4. Mecklenburgisches Urkundenbuch, Bd. 1-21, (statt je 15 resp. 16 Mk.) je 3 Mk.

5. daraus: Mecklenburgische Siegel, 2 Hefte, (statt je 4,50 Mk.) je 1 Mk.

6. Crull, Nachricht von einem Todtentanze zu Wismar. 1877. 1 Mk.

Die Bestellungen auf diese Bücher sind direkt an die Vereins=Sekretäre zu richten.


Sonderabzüge des Aufsatzes im Jahrbuch 69 über die Pastoren im Lande Stargard seit der Reformation können die Mitglieder für 3,50 Mk. von dem Verfasser, Pastor Krüger in Stargard M., beziehen.