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V.

Siedlungsgeographische und
wirtschaftsgeschichtliche Probleme

in der Kieler Dissertation von
Franz Engel (Schwerin) über
deutsche und slawische Einflüsse in
der Dobbertiner Kulturlandschaft

von

Paul Steinmann.

 

Vignette
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D er Druck dieser umfangreichen, mit zahlreichen Flurkarten, Dorfplänen, Skizzen und Bildern ausgestatteten Arbeit * ) wurde durch die großzügige Unterstützung des Herrn Reichsstatthalters für Mecklenburg-Lübeck, durch die Beihilfe der philosophischen Fakultät der Universität Kiel und des preußischen Kultusministeriums ermöglicht.

Engel behandelt "Siedlungsgeographie und wirtschafts-geschichtliche Entwicklung eines mecklenburgischen Sandgebietes". Die gestellte Aufgabe bestand darin, die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur darzustellen, sie nach ihrer inneren Abhängigkeit und Gesetzmäßigkeit zu untersuchen und die Wandlung von der Naturlandschaft zur Kulturlandschaft darzulegen.

Die Arbeit ist die erste ihrer Art in Mecklenburg. Darüber hinausgehend können ihre Ergebnisse aber "in vieler Hinsicht als typisch für die Entwicklung einer ostelbischen Sandlandschaft auf Kolonialboden angesehen werden". In derartigen Gebieten "spielt die Frage nach Ausdehnung und Verbleib der slawischen Bevölkerung und die Dauer ihres Einflusses auf Landschaft und Siedlung eine hervorragende Rolle". (S. 4.) "Die Überwindung slawischen Wesens durch deutsche Kultur und die Entwicklung der ländlichen Siedlungen bedürfen gerade heute der wissenschaftlichen Erforschung, um zum Verständnis ostelbischen Bauerntums und seiner Verknüpfung mit Grund und Boden zu gelangen", schreibt Dr. Engel in seinem Vorwort.

Die Probleme der bäuerlichen Siedlung und Wirtschaft eines bestimmten Gebiets Mecklenburgs von der Urzeit an bis zur Gegenwart werden von Engel unter Heranziehung des Quellen-


*) Schriften des Geographischen Instituts der Universität Kiel, herausgegeben von Prof. Dr. O. Schmieder und Dr. H. Wenzel, Band II, Heft 3, Kiel 1934.
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materials in seiner Totalität behandelt. Das ist ein großer Vorzug gegenüber manchen andern Arbeiten. Neben den Urkunden und Akten des Klosters Dobbertin, den Lehnakten, Kirchenvisitationsprotokollen und Kirchenbüchern benutzte er die Schloß- und Kaiserbederegister des 15., die Landbederegister des 16. und die Kontributionsregister des 17. Jahrhunderts. Vor allem aber zog er die Flurkarten und zu ihrer Ergänzung die Vermessungsregister des 18. Jahrhunderts heran, verwertete zielbewußt die Forschungen der Geologen, Prähistorischer und Flurnamenforscher und vertiefte sie durch eingehende Geländebegehung sowie durch Erkundigung bei den betreffenden Fachleuten, bei Pastoren, Lehrern, Forstbeamten und Bauern des Untersuchungsgebietes.

Grundsätzlich können derartige umfassende Arbeiten nur für verhältnismäßig kleine Gebiete durchgeführt werden. Ferner können in ihnen, ihrer ganzen Natur nach, die hinter den Dingen wirkenden geistesgeschichtlichen Kräfte und Ideen nicht untersucht werden. Innerhalb dieser selbst gesetzten Grenzen stellt Engels Arbeit eine hervorragende Leistung dar. - Sehr zu begrüßen wäre es, wenn noch weitere Untersuchungen dieser Art vorgenommen würden.

Wie z. Zt. die Arbeit von Ihde über das Amt Schwerin, bewegt sich Engels Dissertation in neuen Bahnen und löst mancherlei bislang umstrittene Probleme. Es ergibt sich hieraus die Notwendigkeit, an dieser Stelle eingehender über Methode und Ergebnisse der Arbeit zu berichten.


Das Krakow-Dobbertiner Gebiet ist eine typische Sandlandschaft auf ostelbischem Kolonialboden. Seine Gestaltung verdankt es der Eiszeit. Wenn auch die Landschaft in der Hauptsache durch die Ausschüttungen des Schmelzwassers eines im Norden des Gebiets liegenden Eisrandes aufgebaut wurde, so kann sie doch nicht als reine Sander-Landschaft angesprochen werden. Dazu ist das Gebiet zu hügelig und zu oft von tiefen Seen, Rinnen, Senken und Wannen erfüllt, auch wechselt gelegentlich der Sand sehr stark mit leichtem Geschiebelehm und Mergel. Daher hat "wahrscheinlich bei der diluvialen Entstehung . . . der Faktor Toteis eine erhebliche Rolle gespielt". (S. 9.)

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Besiedelt ist die Gegend bereits seit der mittleren Steinzeit, wie die bekannten Knochenharpunen von Dobbin zeigen. Hünengräber (Steinkisten) aus der jüngeren Steinzeit und Kegelgräber aus der Bronzezeit, sowie eisenzeitliche Urnenfelder begegnen mehr oder minder zahlreich. Es ist nun die Frage, ob von der Germanenzeit her bis in die Wendenzeit hinein eine gewisse Siedlungskonstanz bestand. Folkers 1 ) hat sie aus siedlungsgeographischen Gründen bejaht. Hingegen hat Beltz in Wort und Schrift immer wieder betont 2 ), daß hier hinsichtlich der prähistorischen Funde und ihrer Qualität ein großer Hiatus (Einschnitt, klaffende Lücke) festzustellen ist. Engel schließt sich der Ansicht Beltzs an. Durch die Völkerwanderung sei in der Entwicklung der Siedlung und des Landschaftsbildes ein großer Schnitt erfolgt, insofern, als durch sie allmählich das Land fast menschenleer oder sogar völlig verlassen wurde. "Das schon durch die Kultur beeinflußte Land ist also auf weite Strecken verwildert und in den Naturzustand zurückverfallen." S. 21, 23.) "Bei der Annahme einer Besetzung verlassener germanischer Dorfstellen durch die Slawen wäre vorauszusetzen, daß diese Plätze noch irgendwie kenntlich waren. Dafür fehlt jedoch jeder Grund. Ein Zeitraum von 50 Jahren hätte genügt, die Felder und Dorfstellen völlig mit Kiefern, Buschholz und Dornengestrüpp überwuchern zu lassen und sie undurchdringlicher als andere Plätze zu machen", bemerkt Engel (S. 22) treffend auf Grund genauesten Studiums des Wesens jener Landschaft. "Es erscheint möglich, ist allerdings nirgends direkt nachzuweisen, daß zurückgebliebene germanische Reste ganz vereinzelt zu einer Konstanz der Siedlungsplätze und gewisser Dorfformen beitrugen. Im allgemeinen dürften die einwandernden Slawen in der Wahl des Platzes wie der Form ihrer Dörfer völlig unbeeinflußt gewesen sein." (S. 23.)

Die zahlreichen wendischen Familien-, Orts- und Flurnamen, die alten Kossätendörfer Und die Bodenfunde zeigen, daß die Wenden überall in dem behandelten Gebiet gesiedelt haben, auch auf den eingeschalteten Moränenflächen, die allerdings verhältnismäßig leichten Lehmboden aufweisen. (S. 31.)


1) Johann Ulrich Folkers, in Endler und Folkers, Das mecklenburgische Bauerndorf, Hinstorff, Rostock (1930), S. 7, S. 27/28.
2) So in: Germanen und Slawen in Mecklenburg (in W. Volz, Der ostdeutsche Volksboden, 2. Aufl., 1926), S. 183.
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Nicht weniger als 32 bis 35 wendische Orte vermochte Engel festzustellen! Wenn auch die einzelnen Orte nur recht klein waren, so ist doch das Land verhältnismäßig dicht besiedelt gewesen. Im Durchschnitt muß alle 1 bis 2 km eine Siedlung gelegen haben. - Wie übrigens heutzutage für das hannoversche Wendland ein dichtes Netz von Siedlungen charakteristisch ist! - Wittes 3 ) und Reches 4 ) Berechnungen von drei wendischen Einwohnern auf den Quadratkilometer erscheinen für die Krakow-Dobbertiner Landschaft zu gering, Engel berechnet die Bevölkerungsdichte auf fast sieben Personen für einen Quadratkilometer, indem er jedes Dorf mit nur acht Familien und jede Familie zu fünf Köpfen ansetzt. (S. 35-36.)

Die wendischen Dörfer lagen in diesem Gebiet stets an einem Gewässer, und zwar in der Regel auf "spornartigen Hügelvorsprüngen" und "flach in die Niederung ausstreichenden Abhängen größerer Landrücken". Kein Dorf liegt auf einer Insel, einige wenige auf Halbinseln. - Hingegen sind die Burgwälle in "ausgesprochener Schutzlage aufgeschüttet". (S. 31/32.)

Engel untersucht anläßlich einer Tiefpflügung eingehend auch die alte slawische, etwa 21 Hütten umfassende Dorfstätte von "Devstorf" am Dobbertiner See. Es ist das der erste slawische Ort in Mecklenburg, dessen Grundriß rekonstruiert werden konnte. Es ergab sich mit aller Deutlichkeit die Form des echten Rundlings! (S. 33/34.)

Ganz allgemein ist zu sagen, daß bei der geschilderten Lage der Dorfstellen "sich die Hütten zwangsläufig um die flache, längliche Hügelkuppe gruppiert haben müssen, außerdem ist nur an einer Stelle ein Zugang möglich gewesen. Da es völlig abwegig wäre, alle diese Orte auf urgermanische Gründung zurückzuführen, ist also damit zu rechnen, daß die Slawen schon wegen der orographischen Lage von sich aus zur Bildung von Rundlingen geschritten sind. Es ist ferner anzunehmen,


3) Hans Witte, Wendische Bevölkerungsreste in Mecklenburg, Stuttgart 1905, S. 114/115.
4) Otto Reche, Die Wiedereindeutschung Mecklenburgs unter bevölkerungsstatistischem Gesichtspunkt, Volk und Rasse, 1929, Heft I, S. 14.
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daß diese Form auch auf andere Orte, deren Gestaltung nicht derartig zwangsläufig bestimmt war, übertragen wurde". (S. 34/35.) Das alles läßt auch Folkers Annahme 5 ), daß das breite Straßendorf in Mecklenburg die typisch wendische Form ist, "bedenklich erscheinen". (S. 32/33.)

So bedeutungslos, wie vielfach angenommen wird, kann der wendische Ackerbau nicht gewesen sein, sonst könnte nicht der Haken die Steuergrundlage abgegeben haben! Allerdings war der Ackerbau stark extensiv, eine primitive Feldgraswirtschaft ohne Düngung, die die Wenden nötigte, häufig die erschöpften Felder aufzugeben, sie lange liegen zu lassen und ev. neue zu roden.

Engel macht den interessanten Versuch, die Landschaft vor dem Anfang der großen Rodungen des Mittelalters, also das Aussehen zur wendischen Zeit, zu rekonstruieren. Die Angaben der Urkunden und Akten, sowie die Orts- und Flurnamen lassen erkennen, daß einige größere Laubwaldungen bestanden und daß daneben "in fast allen Teilen . . . Laubwald in ausgedehnten, aber nicht unbedingt siedlungsfeindlichen Wäldern vorhanden war". (S.14.) Die ausgedehnten trockenen Sandflächen werden Kiefernwald, wahrscheinlich mit einer geringen Beimischung von Eiche, getragen haben. Folkers Annahme 6 ), daß die deutschen Kolonisten "noch im wesentlichen die ungebrochene Naturlandschaft vorfanden", trifft für ein Gebiet nach Art der Krakow-Dobbertiner Sandlandschaft nicht zu. Sie gilt in der Hauptsache nur für die mit Urwald bestandenen schweren Böden des Nordens von Mecklenburg. "Vielmehr ist bereits mit einer erheblichen Beeinflussung des Landschaftsbildes durch die Slawen zu rechnen" (S. 18), durch beträchtliches Roden, durch Abbrennen, durch Anlage von Feldern und durch Viehtrieb (vgl. auch S. 36/38).

Auf dem wendischen Burgwall von Dobbertin stiftete "um 1225" Fürst Heinrich Burwy ein Mönchskloster, das "zwischen 1231 und 1237" in ein Nonnenkloster umgewandelt wurde 7 ).


5) Folkers in Endler und Folkers, Das mecklenburgische Bauerndorf, S. 45.
6) Desgl. S. 8.
7) Engel S. 38, 40. Schlie, Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, Bd. IV, S. 349/50, und nach ihm Reifferscheid, Der Kirchenbau in Mecklenburg und Neuvorpommern zur Zeit der deutschen Kolonisation, Pommersche Jahrbücher, Ergänzungsband 2, 1910, S.33, geben die Jahre "zwischen 1219 und 1225" sowie "zwischen 1230 und 1234" an.
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1227 erfolgte eine erneute Dotation mit verschiedenen Ortschaften und 120 Hufen, die 1237 noch erweitert wurde. In der Folgezeit vergrößerte das Kloster seinen Besitz nicht unbeträchtlich durch Dotation und Rentenkauf. Neben Dobbertin dürfte Lohmen, als Mittelpunkt des fruchtbaren Gebietes im Norden, die älteste deutsche Siedlung gewesen sein.

"Die wendische Bevölkerung bleibt im wesentlichen erhalten und wird nur langsam vom deutschen Element durchdrungen." Wenn im 14. und 15. Jahrhundert eine Reihe von wendischen Orten verödete, so lag das nur daran, weil sie mit ihrem dürftigen Sandboden "gegen die wirtschaftlich stärkeren deutsch-rechtlich organisierten Dörfer im Rückstand geraten waren". (S. 44.)

Die deutschen Kolonisten rodeten allmählich die Laubwälder und erschlossen damit den fruchtbaren Moränenboden der Kultur. Das Angerdorf war die Dorfform der deutschen Siedler des Gebietes. Auch wenn es einen slawischen Namen trägt, so entstand es doch nicht, wie Folkers vermutet 8 ), "großenteils" durch "deutsche Verlängerungen slawischer Kerne", sondern nach Ausweis der Scherbenfunde in einiger Entfernung von den slawischen Ortschaften. - Zu demselben Ergebnis kam ich übrigens vor etwa zehn Jahren bei der Erforschung der Geschichte meiner Heimatstadt Burg Stargard. In etwa 500 m Entfernung von dem alten slawischen Dorf (villa) Stargard wurde das deutsche Angerdorf Stargard gegründet, das sich zu einem Marktflecken (oppidum) entwickelte und 1259 Stadtrecht erhielt 9 ). -

Nicht die ganze Dorffeldmark wurde gerodet und unter Kultur genommen, sondern nur 1/3. Auf Grund von sehr interessanten kartographischen Rekonstruktionen der ältesten Ackerfluren von Lohmen, Oldenstorf und Gr. Breesen, an Hand der alten Karten und Vermessungsregister, konnte Engel feststellen, daß die Bewohner der deutschen Angerdörfer den eigentlichen Acker in einem Großgewann mit lang durchlaufenden


8) A. o. O. S. 31, 33.
9) Vgl. in meiner Aufsatzreihe: Quellen und Studien zur Geschichte des mecklenburgischen Bauerntums, Nr. 240 des "Niederdeutschen Beobachters" (11. Jahrgang, 15. Okt. 1935), noch über die Dörfer Leppin, Peetsch, Starsow, Vipperow, Granzin, Qualzow, Gr. Nemerow (Kl. Nemerow), Cölpin, Salow, Gantzkow.
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Ackerstreifen aufteilten. Engel bezeichnet es als "das alte Hufschlagland" mit einer großen Zahl von sehr langen "Hufackerstreifen". Bei dem bei Rostock liegenden Angerdorf Dierkow konnte Engel durch die Angaben einer Urkunde von 1398, die bestätigt wurden durch eine Flurkarte von 1768, dieselben Hufackerstreifen nachweisen. (S. 47ff.) - So konnte ich auch s. Zt. bei der Erforschung der Entwicklung der Feldmark von Burg Stargard an Hand der Stadterhebungsurkunde von 1259 und der alten Flurkarten feststellen, daß der älteste Teil des eigentlichen Ackers aus dem sog. "Hufenfeld" besteht. Es setzt sich zusammen aus den langen, schmalen, durch die ganze Ausdehnung des Hufenfeldes gehenden "Hauptstücken" und den viel kürzeren rechtwinklig dazu verlaufenden "Querkaveln". Diese Querkaveln sind, was Stargard anbetrifft, nicht als "Nebenland" (Überland) bzw. spätere Zurodung anzusehen (Engel S. 82/85), sondern gehören von Anfang an zum Hufenland. Jede alte Stargarder Hufe, deren Größe 8-9 ha betrug, setzte sich zusammen aus einer bestimmten Anzahl von Hauptstücken und Querkaveln. Die Anlage der Querkaveln war durch die Geländeverhältnisse bedingt. -

Die koloniale Flurform (der Hufackerstreifen bzw. Streifenfluren) war nach Ausweis der Flurkarten in Mecklenburg-Strelitz weit verbreitet. (Engel S. 51.) "Die Untersuchung der verschiedenen Streifenfluren ergibt mit Sicherheit, daß sie als ein Produkt der Kolonialzeit aus dem planmäßig, rationalen Geist jener Epoche geboren sind. Ferner ist festzustellen, daß die Streifen ebenso wie die Gewanne Westdeutschlands nur das Ackerland aufteilten, im Gegensatz zu den Hagenhufen, die geradlinig Acker und Weide durchschnitten. Der Acker wurde überall im Flurzwang der Drei- oder Vierfelderwirtschaft bestellt" (S. 52). Engel bezeichnet derartige, in den slawisch besiedelten Gegenden des Landes gelegenen deutsche Streifenfluren als "umgesetzte Slawenorte". Er will damit sagen, daß diese Ackerfluren "im allgemeinen nicht auf Neurodung zurückzuführen sind". Vielmehr "teilte man das vorhandene oder vielleicht mit Gestrüpp bewachsene Ackerland (der Wendendörfer) in lange, schmale Streifen. Da mit einer feststehenden Hufengröße zu rechnen ist, ergab sich aus der Größe der aufgeteilten Ackerfläche zwangsläufig die ungefähre Hufenzahl des neuen deutschen Dorfes." (S. 54.) - Zutreffender wäre übrigens wohl die Bezeichnung: umgesetzte slawische Feld-

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marken. - Bei diesen Feldmarken war ursprünglich nur das Hufenland unter die Bauern als Ackerland verteilt. Die übrige Flur (Weide, Wald) war im Allgemeinbesitz des Dorfes, war Almende. In späteren Zeiten wurden "bei gelegentlichem Bedarf einzelne Kämpe oder Horste gerodet und urbar gemacht und kabelweise an die berechtigten Hüfner vergeben; im Laufe der Zeit wurde auf diese Weise das "Weideland" immer mehr verringert". (S. 82/83.) Diese später kultivierten Kämpe werden vielfach in den Urkunden als "overland" (Überland) bezeichnet, weil es außerhalb des eigentlichen alten Hufenlandes lag.

In den eigentlichen Rodungsdörfern des Urwaldgebietes des nördlichen Mecklenburgs wurde ganz allgemein die Hagenhufeneinteilung angewandt. "Die Hagenhufe verkörperte den Gedanken der langsam beharrlichen Rodungstätigkeit des auf sich selbst gestellten Bauern, während die Streifenflur die optimale Form der genossenschaftlichen Aufteilung einer vorhandenen Ackerfläche darstellte." (S. 55.)

"Die Hagenhufe (Hägerhufe) ist ihrem Wesen nach im allgemeinen an langgestreckte, wenigstens annähernd gradlinige Reihendörfer gebunden. Im Dobbertiner Gebiet findet sich diese Regel in Alt- und Nienhagen und Gerdshagen bestätigt." (S. 56.) - Wenn heutzutage vielfach die Hagenhufenstreifen die Dorfstraße überqueren und sich somit vorwärts und auch rückwärts der Gehöfte erstrecken, so konnte Engel bei Gerdshagen nachweisen, "daß diese doppelseitige Erstreckung der Hufen auf jüngere Flurerweiterungen zurückzuführen ist und die alten Hufen nur an einer Seite der Straße gelegen hatten". (S. 58.) An Hand alter Flurkarten, Vermessungsregister, durch Nachmessungen und Berechnung der mecklenburgischen Hufengröße kam Engel zu dem Ergebnis, daß wohl alle Hagenorte in der Kolonisationszeit nach dem einseitigen Schema angelegt seien, daß also "die Hufe vom Gehöft aus sich nur in einer Richtung erstreckte, während der zweite Flurabschnitt als später gerodetes Ödland anzusehen ist". (S. 58.)

In den wendisch gebliebenen Siedlungen, es sind das die reinen Kossätendörfer, erstarrte "die alte Feldgraswirtschaft zu einer Form, die als regellose Gewannflur zu bezeichnen ist". (S. 55.) Eine Trennung von Acker und ewiger Weide scheint nicht bestanden zu haben. "Je nach Bedarf

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wurden Flächen des weiten Ödlandes umgebrochen, und diese in separierten Kabeln oder in gewannähnlichen Blöcken in Gebrauch genommen." (S. 88/89.)

Neben dem Kloster Dobbertin waren in dem Krakow-Dobbertiner Gebiet als Kolonisatoren auch Ritter (die Dessins, Linstows, Weltziens usw.) aufgetreten. Aber ihr Besitz war in der Regel im Mittelalter noch Streubesitz. Erst im 16. Jahrhundert begegnen die ersten Ansätze, den Besitz abzurunden, z. T. durch Legen von Bauern. So enthält das Landbederegister von 1554 bei Kl. Tessin die Bemerkung: Christoffer Dessin hat den buren ludt der alten Register 4 huwen abgenommen undt zu seinem Buwhaven geleget." "In Samnit sind 1441 19 Hufen und 4 Katen, 1540 10 Hufen und 13 Katen vorhanden, so daß 9 Hufner von dem Geschlecht der Weltzien zu Kossäten herabgedrückt zu sein scheinen." (S. 59/60)

Hingegen verpachtete das Kloster Dobbertin noch 1561 eine wüste Feldmark und Hofacker an Bauern, ja man bemühte sich, die Bauern mit allen Mitteln auf ihren Stellen zu halten, lieferte ihnen die Hofwehr und suchte sogar die Zahl der Bauern Zu vergrößern, um höhere Pachteinnahmen zu erzielen. Bis zum 17. Jahrhundert hat das Kloster "nirgends den Versuch gemacht, Gutsbetriebe an die Stelle von Bauerndörfern zu setzen". (S. 60.) Und doch hatte Sich, wohl seit dem 15. Jahrhundert, auch die soziale und rechtliche Lage der Dobbertiner Klosterbauern verschlechtert. Sie wurden als "Untertanen" und schon 1556 als "Pflugdienste" bezeichnet". (S. 65.) Die seit dem 16. Jahrhundert gesteigerten Hofdienste hatten eine Steigerung des Zugviehbestandes und eine Vermehrung des Gesindes als Folge. - Um 1698 mußten die Bauern in der Regel vier Tage mit Gespann und einen mit der Hand dienen. - "Die einzelnen Bauernstellen wurden also seit dem Dreißigjährigen Kriege mit einer stets wachsenden Menge toten Kapitals belastet." (S. 109.) Eine Abgabenfreiheit für die Schulzenhufe oder irgendwelche sonstigen Privilegien scheinen die Freischulzen des Untersuchungsgebietes schon im 16. Jahrhundert nicht mehr besessen zu habend (S. 65.) Ihre Freiheit von den Pflugdiensten wurde nach dem Dreißigjährigen Kriege aufgehoben.

Über die Seßhaftigkeit der Bauern stellt auch Engel eingehende Untersuchungen an, die sich besonders auf

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das Dorf Lohmen erstrecken. Dort bleiben von 1540 bis 1630 nur drei Höfe von 16 in Hand derselben Familie. "Beim Tode oder bei Absetzung eines Hüfners wird in der Mehrzahl der Fälle (56,5 %) die Bauernstelle nicht an dessen Sohn vererbt, sondern einem fremden Hauswirt zur Bewirtschaftung überlassen" . . . "Von einer wirklichen Seßhaftigkeit der einzelnen Familien auf angestammten Hufen kann . . . nur noch in sehr wenigen Ausnahmefällen die Rede sein." Einen eigentlichen triftigen Grund für diese außerordentlich geringe Seßhaftigkeit vermag Engel nicht anzugeben. selbst wenn in manchen Fällen der Wechsel durch "Einheirat" eines fremden Bauern gemildert wäre, so bliebe doch zu fragen, weshalb die zunächst erbberechtigten Söhne den Hof nicht übernehmen. "Vielleicht haben grundherrliche Eingriffe mit Schuld an den labilen Besitzverhältnissen." (S. 67.) Auch die übrigen Dörfer des Gebietes werden untersucht. Engel kommt zu folgendem Ergebnis: Die geringste Seßhaftigkeit weist anscheinend das 15. Jahrhundert auf, auch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist der Wechsel noch außerordentlich stark, in der zweiten Hälfte scheint sich die Seßhaftigkeit zu steigern. Dieses und die Vergrößerung der Gesindezahl sprechen für den wachsenden Wohlstand der ländlichen Bevölkerung im Laufe des 16. Jahrhunderts. (S.72.)

Auch für die bäuerlichen Verhältnisse des Krakow-Dobbertiner Gebietes bedeutete das Jahr 1637 in jeder Beziehung die Katastrophe. "In diesem Jahre wurden alle Orte ausgeplündert und verwüstet, die meisten Bauernstellen wurden von ihren Wirten verlassen." (S. 97.) Gewiß die Verschlechterung der Verhältnisse war im Keim schon vor dem Dreißigjährigen Kriege angebahnt. Aber, "wenn die vor dem Kriege noch überall vorhandene gesunde Kraft des Bauerntums nicht so plötzlich zerschlagen worden wäre, hätte eine folgerichtige Entwicklung durchaus zu einer gesunden Synthese zwischen dem bäuerlichen Beharrungsvermögen und den gutsherrlichen Bestrebungen der Ritter und Klosterherrschaft führen können", bemerkt Engel (S. 98). 143 besetzte Bauern- und Kossätenstellen waren vor dem großen Kriege in 13 Dörfern vorhanden. 1649 lebten dort insgesamt nur 35 "Bauleute". "Bis 1720 war deren Zahl erst wieder auf 44 gestiegen, um sich später kaum noch zu vermehren." (S. 99.) Auch hier war es zum weitaus überwiegenden Teil die alteingesessene Bevölkerung, die die Wieder-

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aufbauarbeit leistete! - Das Kloster Dobbertin besaß ursprünglich nur einen Bauhof, den zu Dobbertin. Zwischen 1441 und 1540 kam Hof Kogel hinzu. Der dritte Hof, Neuhof, der 1540 bestand, ist höchstwahrscheinlich durch Waldrodung entstanden. (S. 60.) Bereits vor dem Dreißigjährigen Krieg fing die Klosterverwaltung an, einzelne Höfe zu verpachten. - Im Anfang des 18. Jahrhunderts legte das Kloster drei weitere Höfe noch in wüsten Ortschaften (Jellen und Kleesten) oder im Waldgebiet (Spendin) an. "Seit der Mitte des Jahrhunderts ging man jedoch dazu über, auch Bauerndörfer in Höfe umzuwandeln und griff nun ebenfalls zu dem System des Bauernlegens, wie es die ritterschaftlichen Grundherrn schon um 1600 angewendet hatten. Aber doch ist ein großer Unterschied festzustellen, "die Bauern wurden nicht, wie es in der Ritterschaft üblich war, zu besitzlosen Katenleuten degradiert, sondern sie blieben Hofbesitzer und wurden nur in ein anderes Dorf versetzt. (S. 103.) "Wenn - - noch bis heute eine Anzahl reiner Bauerndörfer im Untersuchungsgebiet vorhanden sind, so ist dieses auf konservierenden Einfluß der Klosterherrschaft zurückzuführen, während der Adel seine Besitzungen längst in Gutsherrschaften umgewandelt hatte." (S. 42.)

Über Zeitpunkt und Umstände, unter denen die ritterschaftlichen Bauernhufen zum Hofland geschlagen wurden, versagen die Quellen meist völlig. "Schließlich hatten die wenigen noch vorhandenen Bauern nur noch die kümmerlichsten oder doch ganz geringe Teile der Feldmark im Besitz, die zum Teil nicht größer waren als die Kossäten-Äcker in Bauerndörfern. Trotz aller Drangsalierung konnten sich in manchen Orten (Woserin und Schlowe) noch bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts Reste des selbständigen Bauernstandes erhalten. Bis 1800 jedoch waren auch diese wenigen Bauernstellen rücksichtslos von den ritterschaftlichen Grundherrn gelegt worden, die Besitzer enteignet und zu Tagelöhnern gemacht 10 ): In Woserin waren 1776 noch vier Vollbauern vorhanden. In diesem Jahre wurde der erste Bauer gelegt und zum Schweinehirten gemacht: 1778


10) Diese Darstellung bezieht sich nur auf Woserin und Schlowe. Über die Schicksale der ritterschaftlichen Bauern in Kirch-Kogel und Reimershagen vgl. S. 126.
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wurden zwei weitere gelegt, der eine starb und seine Frau "nährt sich kümmerlich", der andere wurde "Tobacks Planteur". Der letzte Bauer wurde 1784 gelegt - - -. Auf diese Weise wurden binnen kurzem die letzten Reste des selbständigen Bauernstandes (in Woserin) durch die Ritter vernichtet. - - -Das Dorf Schlowe, das im 18. Jahrhundert eine Pertinenz von Woserin war, verlor durch Bauernlegen allmählich eine Hufe nach der andern - - -. Als 1801 Woserin und Schlowe für das Domanium angekauft wurden, war durch Bauernlegen das ganze Dorf bis auf ein altes Bauernhaus und einen Katen verschwunden. Heute dehnen sich an Stelle des ehemaligen Dorfes weite Kiefernforsten aus." (S. 105/106.)

Die Vermessung des Dobbertiner Klostergebietes erfolgte 1728, 1832/33 die Separation und 1836-40 die Vererbpachtung in den Klosterdörfern. "Auf den ritterschaftlichen Besitzungen suchte man möglichst eine Vererbpachtung zu vermeiden, so daß 1890 im ganzen Untersuchungsgebiet erst ein ritterschaftlicher Erbpächter gegenüber vier Zeitpächtern vorhanden war. Auch die Hauswirtsstellen in Kirch-Kogel wurden erst nach dem 1878 erfolgten Ankauf des Gutes durch das Kloster in Erbpacht gegeben. Wenn auch das Legen der Bauern um die Mitte des (19.) Jahrhunderts nicht mehr möglich war, so pflegten doch die Grundherrschaften nach Belieben mit dem Bauernacker zu verfahren." (S. 126.) Er wurde einfach auf den schlechteren Ackerboden der Gutsfeldmark verlegt, das war um 1850 in Kirch-Kogel und 1862 in Reimershagen der Fall!!

Bei der Regulierung und Vererbpachtung in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde durch die Dobbertiner Klosterverwaltung den sechs Hauswirten in Gr. Breesen ihr Acker genommen und zum Gutsbezirk gemacht. Ein Hauswirt erhielt eine Stelle in Altenhagen, vier bekamen Höfe in Mestlin, der Schulze ging aufs Altenteil. "Freiwillig werden die Bauern diesen Maßnahmen wohl kaum zugestimmt haben, offiziell aber gaben sie zu allem ihre Unterschrift her. Dieses Beispiel zeigt deutlich, daß das Kloster trotz Bauernbefreiung und neuzeitlicher Gesetzgebung noch im 19. Jahrhundert nach Belieben mit seinen Untertanen verfahren und aus Bauerndörfern Gutsbetriebe machen konnte." (S. 126.)

"Als besondere und für Sandgebiete charakteristische Form der Gutswirtschaft entwickelte sich seit dem 18. Jahrhundert

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die Pflege der Kiefernforsten. - - - Gefördert wurde diese Entwicklung durch die Verödung der Dörfer des Heidegebietes, die schon mit dem Wüstwerden von Schwinz, Langkavel und Werle begonnen hatte und durch den Dreißigjährigen Krieg und seine Nachwirkungen zum Abschluß gebracht wurde." (S. 106.) Teile der Feldmark von Kleesten und die von Kläden wurden im 18. Jahrhundert Forstgebiet. "Hier (in Kläden) begegnen wir zum ersten Male den "Forsthof" als Wirtschafts-Verwaltungszentrum eines größeren Areals Wald und Ödland; eine Einrichtung, die später für das ganze Krakow-Dobbertiner Gebiet von hervorragender Bedeutung werden sollte." (S. 107.) In dem Maße, wie der Wert des Kiefernholzes stieg, ging man noch im 18. Jahrhundert von "regellosem Plänterbetrieb zur geordneten Schlagwirtschaft über". (S. 107.) In den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts wurde der Forsthof Schwinz angelegt, 1801 der Forsthof Schlowe. (S. 107, 121.)

So entstand "neben den Gutshöfen eine zweite Gruppe von Großbetrieben." (S. 108.) Und damit entwickelte sich allmählich der Beruf des gelernten Forstarbeiters. "Der Wendenzeit entsprach die Beackerung des Sandgebietes im Kleinbetrieb, der Neuzeit die großzügig forstwirtschaftliche Nutzung." (S. 109.) Wobei zu bedenken ist, daß "manche Flächen, die ehemals wegen einer dünnen, den Sand überlagernden Lehmdecke als fruchtbar galten, heute infolge dauernder Bewirtschaftung ohne genügende Regeneration des Bodens als reine Sandgebiete anzusehen sind". (S. 9.)

Bei dem "Gutshof" Neu Samnit z. B. überwiegt heute bei weitem die forstwirtschaftliche Nutzung. Im ganzen Krakow-Dobbertiner Gebiet gibt es heutzutage "keine einzige Feldmark mehr, die nicht ein mehr oder minder großes Areal Kiefernwald umschließt". (S. 121.)

Seit dem 18. Jahrhundert wurde der von Natur aus vorhandene Mischwald beseitigt. Das hat leider die große Eintönigkeit, die dem Wanderer überall, insbesondere aber in der Schwinzer Heide, begegnet und die großen Forstschäden durch den Kiefernspanner als Folge gehabt.

Auf Seite 118/119 bringt Engel sehr interessante Zusammenstellungen über die Bevölkerungsverhältnisse von je drei Bauerndörfern und Gütern an Hand der Kaiserbede von 1496, der

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Untertanenliste von 1800 und der Volkszählunglisten von 1819, 1875, 1910 und 1925. In den Bauerndörfern hat sich seit 1496 die Einwohnerzahl im Jahre 1925 verdoppelt, sie hat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr starke Zunahme erfahren, ist aber schon von 1875 an im Rückgang begriffen. Die Nachkriegszeit brachte allmählich eine Erhöhung der Einwohnerzahl, ohne bis 1925 den Stand von 1819 zu erreichen. Die allgemeine Volksdichte jenes ländlichen Gebiets mit 13,7 Personen auf dem Quadratkilometer ist eine äußerst geringe. (Reichsdurchschnitt 120!) - "Während sich die Hufenzahl seit 1496 beträchtlich verringert hatte, war die Gesamteinwohnerzahl der einzelnen Dörfer seit dem Dreißigjährigen Kriege in starkem Ansteigen begriffen." (S. 109.) "Noch bis 1700 waren im Wesentlichen nur die alten amtssässigen Familien festzustellen. Im Laufe des 18. Jahrhunderts taucht mit dem Überhandnehmen der Einlieger, Handwerker usw. eine ganze Anzahl neuer Familiennamen in den Registern auf." (S. 109/110.) Eine soziale Umschichtung hatte stattgefunden. Die Hufner traten an Zahl stark zurück, die Hauptmasse der Bewohner bestand nun aus Einliegern, Katenleuten und Gesinde. Und dadurch, daß die meisten Erbpächter, also der wohlhabende Teil der Bevölkerung, ausgebaut wurden, trat auch etwa seit 1850 eine starke Veränderung des Dorfbildes ein. Es nahm "einen immer ärmlicheren Charakter an". "Welch ein Unterschied zwischen Dobbin, wo die kümmerliche Katen der Einlieger eng an die Straße drängen, und Oldenstorf, das mit seinen 5 großräumigen Bauernhöfen mit strohgedeckten Häusern und Scheunen noch einen Eindruck altmecklenburgischer Bauernkultur zugeben vermag!"

"Seit 1929 findet sich auch im Untersuchungsgebiet ein Beispiel der rückläufigen Bestrebung, den Großgrundbesitz wie er in Bauernland umzuwandeln. Das Gut Suckwitz wurde bis auf einen kleinen Rest aufgeteilt , und auf den Einzelparzellen von etwa 15 ha siedelte man 25 Familien Wolgadeutsche an, die noch heute neben russisch ein unverfälschtes Schwäbisch sprechen." (S. 128.)

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In einem besonderen Anhang untersucht Engel den für Aufbau und Einteilung der bäuerlichen Siedlungen grundlegenden Begriff der Hufe , einschließlich ihrer Arten und Größenverhältnisse. Es war hierüber bislang in der Forschung keine Klarheit erzielt worden. Drei verschiedene Auffassungen begegnen über die Hufe:

  1. bloße Steuerrechnungseinheit,
  2. Bonitierungsbegriff,
  3. festes Flächenmaß.

Die Hufe zerfällt in Morgen. Zunächst stellt Engel in Anlehnung an Ihde (Amt Schwerin) und auf Grund weiterer Quellenstellen (Dörfer des Amtes Doberan und des Klosters Ribnitz) fest, daß der Morgen ein reines Flächenmaß, kein Bonitierungsbegriff ist. Er wird auch bei der Flächenangabe von Wald und Wasser angewandt. Das Verhältnis zwischen Morgen und Hufe ist nach Ausweis der Quellen im Norden ein anderes als in der Mitte und im Süden von Mecklenburg. Im Norden galt der Rostocker Morgen zu 240 Quadratruten, es umfaßte hier die Hufe 40 Morgen, in den andern Gegenden zählte der Morgen 300 Quadratruten, hier enthielt die Hufe 32 Morgen.

Auch die Hufe ist ein festes Ackermaß. "Es ergibt sich also die Wahrscheinlichkeit, daß in ganz Mecklenburg im 16. Jahrhundert nach einer einheitlichen Landhufengröße von 9600 Quadratruten = 20,8 ha gerechnet wurde." (S.141, vgl. S.73.)

Diese mehr theoretisch festgestellte Wahrscheinlichkeit erhob Engel zur Sicherheit durch den Gang in die Praxis, in dem er umfangreiche Flächenberechnungen bzw. Nachmessungen vornahm. Ausgangspunkt waren die Feldmarken der umgesetzten wendischen Dörfer mit ihren Streifenfluren. Er erkannte, daß hier die mittelalterlichen Hufenangaben sich nicht um die Gesamtfeldmark, sondern nur auf das permanente Ackerland, und zwar auf den ältesten Teil, auf das Hufenschlagland mit seinen langen schmalen Streifen, beziehen konnten. Es ergab sich, daß die Größe der gewöhnlichen mecklenburgischen Landhufe, die 1 Mark zur einfachen Land-

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bede zahlte, in 5 Orten seines Untersuchungsgebietes 20,5 bis 21,2 ha, die gewollte Norm also gleichfalls rund 20,8 ha, betrug.

Im 15. Jahrhundert begegnet aber eine kleine Hufe zu 4800 Quadratruten = 10,4 ha, von denen später verschiedentlich zwei zu einer gewöhnlichen Landhufe zusammengefaßt wurden. Diese Kleinhufe begegnet in Ortschaften, die, hinsichtlich ihrer Bevölkerung, ihren slawischen Charakter beibehielten, aber eine deutsche Hufenverfassung erhielten. "Dieselbe Kleinhufe konnte Ahlers (Das bäuerliche Hufenwesen in Mecklenburg zur Zeit des Mittelalters, Jahrb. d. Vereins für meckl. Geschichte 51 (1886) S. 9l/92) auf mehreren Stadtfeldmarken feststellen. Sie entsprach offenbar der slawischen Hakenhufe, die in Pommern 9,8 ha enthält." (S. 153.) - In Burg Stargard betrug die Größe der alten (Klein-) Hufe, wie schon erwähnt, 8 bis 9 ha in jüngerer Zeit (zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts) wurden vier alte Hufen zu einer Hufe zusammengefaßt und als solche bezeichnet.

Während in den bisher behandelten Fällen die Hufe nur Ackerland umfaßte, schließt die Hagenhufe sämtliches Land des Hufners, Acker und Weide, ein". (S. 148.) Hier wurde, "der Methode der Kolonisten folgend, - - die Hufengröße durch Nachmessung der Länge und Breite ermittelt". (S. 148.) Es stellte sich heraus, daß die Hufengröße zwischen 20,8 und 22,98 ha schwankte. Als beabsichtigte Norm nimmt Engel die Größe der Hagenhufe mit 20,8 ha an. - Engel kommt zu folgendem zusammenfassenden Ergebnis hinsichtlich der Entwicklung des Hufenwesens. "In der Kolonisationszeit gab es nur zwei Hufenarten, die wendische und die deutsche. Die wendische Hufe von 10,4 ha, auch Hakenhufe genannt, kam in slawischen Orten zur Anwendung, deren Fluraufteilung ohne Neuorganisation durch Kolonisten zur unregelmäßigen Gewannflur erstarrte. Wohl aus wirtschaftlichen Gründen (Sandboden, slawische Wirtschaftsformen, S. 155) zahlte sie meist geringe Bede. Andererseits wurde diese Hufe auch in Kolonistendörfern mit Hufenacker und in Städten vermessen, zahlte hier aber die volle Bede von 1 Mark. Die deutsche Hufe, auch als Hagen- oder Landhufe bezeichnet, von 20,8 ha war in allen Hagenorten mit Rodungsfluren in Gebrauch. Möglicherweise ist sie auch in

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manchen umgesetzten Slawenorten (z. B. Oldenstorf und Ruest) zur Anwendung gelangt, dürfte aber in der älteren Zeit auf Rodungsfluren beschränkt gewesen sein." (S. 154.) "Die slawische und die deutsche Hufe in Mecklenburg sind nur scheinbar, nicht in der Wirtschaftsgröße, verschieden. Beide Hufenarten haben, wie sich aus der wirtschaftlichen Stellung des Hufenackers ergibt, im Prinzip ungefähr gleich große Ackerflächen." (S. 155.) - Die Weideflächen lagen bei der Hagenhufe bei der Hufe, waren in diese mit einbegriffen, bei der gewöhnlichen Hufe gehörten sie mit zur Almende der Dorfschaft. - Bei verschiedenen Ortschaften ist im Laufe der Zeit eine Herabminderung der Gesamthufenzahl auf die Hälfte eingetreten. "Angleichung der wendischen an die deutsche Hufengröße wie in Lohmen; andererseits wird eine Heraufsetzung der Hagenhufengröße auf 41,6 ha wie in Altenhagen und Mönchhagen bewirkt. In dem letzteren Fall dürfte diese Veränderung dadurch notwendig geworden sein, daß wohl in den meisten Hagendörfern durch Urbarmachung von Overland die Hufe illegal auf diesen hohen Betrag angewachsen waren." (S. 155.)

Demnach sind seit dem 15. Jahrhundert drei Hufenarten zu unterscheiden:

  1. die alte Hakenhufe zu 10,4 ha,
  2. die Landhufe (die frühere Hagenhufe) zu 20,8 ha,
  3. die Hagen-Großhufe zu 41,6 ha.

"Durch die fortgesetzten Zurodungen von Ackerland mußte die alte Hufenberechnung immer mehr gegenstandslos werden. - - - Die Angabe der Hufenzahl und Hufengröße gibt also keineswegs die Möglichkeit, den wirklichen Ackerbesitz eines Bauern zu errechnen. - - Die Hufenrechnung verlor infolge des Dreißigjährigen Krieges jegliche praktische Bedeutung. Man legte nun nicht mehr bestimmte Abschnitte der Flur, sondern die Gesamtfeldmark, der Nachmessung zu Grunde und kam infolgedessen zu der Annahme, die alten mecklenburgischen Hufen seien 19,5, 39 und 78 ha groß gewesen." (S. 155.) Eine gründliche Reform des Hufenwesens wurde immer mehr zur Notwendigkeit. Diese kam durch die Neuvermessung des Domaniums 1701 ff., des Dobbertiner Klostergebietes von 1728 und des Gebietes der Ritterschaft um 1755 ff. Die Hufe war nun nicht mehr ein Flächenmaß, "sondern ihre Größe wurde

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durch die Menge der fiktiven Aussaat bestimmt. Auf eine Hufe entfiel also überall die gleiche fiktive Aussaatmenge, ihre Fläche war jedoch stets verschieden" - - Ein Vergleich der Hufen des Mittelalters mit den bonitierten Hufen des 18. Jahrhunderts zeigt die Widersinnigkeit der Annahme, daß auch im Mittelalter die Bonität für die Hufengröße ausschlaggebend war." (S. 156.)

 

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