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II.

Die Schweriner Kornmühlen
von den Anfängen
bis zur Gegenwart

von

Hans Beltz.

Vignette
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D ie Bestrebungen der Gegenwart um die Erhaltung der heimatlichen technischen Kulturdenkmale erfordern eine entsprechende geschichtliche Ergänzung: Neben die Sammlung der noch vorhandenen Denkmale im jetzigen Zustand ist zu stellen die Erforschung von deren Entstehung, Werdegang und geschichtlicher Umwelt. Diese Aufgabe trifft mit Bestrebungen der Wirtschaftsgeschichte zusammen, die heute lebendig sind. Die Geschichte der Technik im weitesten Rahmen erforscht Dr. ing. e. h. Franz Maria Feldhaus 1 ), ebenso der Verein deutscher Ingenieure 2 ). Beide lassen es sich angelegen sein, alles nur irgendwie erreichbare Material über alle Zweige der Technik zu sammeln, wobei natürlich die Gesamtdarstellung einer einzelnen Denkmalsart von ihnen nur gelegentlich gebracht werden kann. Es ist aber heute schon möglich, daß andere Kräfte nur eine Art technischer Betriebe in ihrer Entwicklung durchforschen und zu gewissen abschließenden Darstellungen gelangen.

In der letzten Zeit ist in verschiedenen Gegenden Deutschlands die Geschichte von Mühlenbetrieben zu erforschen versucht worden 3 ). Für unser Heimatland Mecklenburg ist zwar reichstes Aktenmaterial über Mühlen vorhanden, zur Bearbeitung systematisch aber noch nicht herangezogen. An Darstellungen gibt es nur vier kleine Arbeiten:

"Mühlenrecht und Mühlenbetrieb" im Archiv für Landeskunde, wahrscheinlich von dem Herausgeber selbst 4 ). Diese


1) Franz M. Feldhaus, Die Technik der Vorzeit, der geschichtlichen Zeit und der Naturvölker. Ein Handbuch. Leipzig 1914. - Feldhaus, Die Technik des Altertums und des Mittelalters. Feldhaus, Die Technik der Neuzeit. 2 Bde. in Herres Museum der Weltgeschichte. - Schriftenverzeichnis von Dr. ing. e. h. Franz Maria Feldhaus.
2) Matschoß und Lindner, Technische Kulturdenkmale. Bruckmann 1932.
3) Antz, Berliner Mühlenwesen 1932. - Antz, Die Mühlenkunst 1929. (Entwicklung der Germaniamühlenwerke, Werner und Nicola, Mannheim.) - Taschenbuch des Müllers, 8. Ausg., 1927 (Miag, Mühlenbau und Industrie A.-G., Braunschweig.) - Flachsbart, Geschichte der Goslarer Wasserwirtschaft 1928.
4) Archiv für Landeskunde 1860. Herausg. B. J. A. Meyer. Verfasser wahrscheinlich der Herausgeber.
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Arbeit zieht nur die Zustände um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Betracht, die zum Teil recht veraltet sind und auf Rechtszustände des 18. Jahrhunderts zurückführen.

"Zur Geschichte des Amts der Wassermüller zu Rostock" von Dragendorff 5 ), eine Arbeit, die die Zunftrolle von 1490 behandelt und dabei allerlei Einzelheiten des Mühlenwesens erwähnt.

"Von mecklenburgischen Mühlen" von Barnewitz 6 ), eine Arbeit, die unsystematisch, aber sehr unterhaltend mancherlei aus Geschichte und Zuständen, aus Sitten und Sagen im heimischen Mühlenwesen erzählt.

"Entwicklung und Lage der Getreidemüllerei in Mecklenburg-Schwerin seit Einführung der Gewerbefreiheit" von Mohaupt 7 ), eine wenig anspruchsvolle Dissertation, die in die bekannten Ergebnisse der allgemeinen Mühlengeschichte einige mecklenburgische Daten aus neueren Statistiken einsetzt.

Die Forschung im Geh. und Haupt-Archiv über mecklenburgische Mühlen führte bald zu einer Beschränkung im Thema wie in der Stoffmenge. Über ländliche Müllerei ist ein Bild noch nicht zu gewinnen; Klostermühlen, Gutsmühlen, rein dörfliche Betriebe, dörfliche Betriebe in Stadtnähe erfordern, jede für sich, eine Bearbeitung unter anderen Gesichtspunkten. Die ältesten technischen Betriebsmittel und die zu ihnen gehörigen mittelniederdeutschen Ausdrücke, ebenso die Geschichte der Müllerzunft sollen späteren Arbeiten vorbehalten bleiben. Bei der Arbeit über städtische Mühlen war durch Dragendorffs Arbeit ein Einblick in Rostocker Mühlenverhältnisse zu gewinnen, in Wismarsche Verhältnisse aus Techens Geschichte der Stadt Wismar, die, wenn auch nur in zwei umfangreichen Anmerkungen, einige Wesenszüge hervorhebt. Dabei stellte sich heraus, wie eigenartig und abweichend nicht nur von jenen beiden Städten, sondern auch von Parchim und Malchin die Stellung und Entwicklung der Getreidemüllerei in der Stadt Schwerin immer gewesen ist. Die weitere Forschung ergab hierüber ein abgerundetes Bild.



5) Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock, Bd. 3 (1903).
6) Ostmecklenburgische Heimat. Beiträge zu den Teterower Nachrichten 1931, Nr. 7.
7) Dissertation, Rostock 1927.
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I.

Die Mühlen der Stadt Schwerin gehören zweifellos zu den ältesten unseres Landes. Das ist allerdings urkundlich nicht zu belegen. Da man Fälschungen unter den Bewidmungs- und Bestätigungsurkunden des Schweriner Bistums vermutete, die später als solche erwiesen schienen, traten Unstimmigkeiten über den Zeitpunkt der Mühlenentstehung ein. Wigger, Jesse, Salis weichen alle voneinander ab 8 ). Da zurzeit die allgemein angenommene Ansicht von Salis wieder bestritten wird und alle von ihm angefochtenen Urkunden außer MUB. 100 B echt sein sollen 9 ), so wird hier versucht werden, unabhängig von diesen Urkunden einiges zu klären. In Heinrichs des Löwen echter Bewidmungsurkunde von 1171 10 ) wird von Mühlen nicht geredet; die ebenfalls echte Bestätigung seines Sohnes Kaiser Otto IV. von 1209 11 ) nennt molendinarem locum et aquam prope Zwerin versus aquilonem als Dotationen für das Bistum; weiter erhält das Domkapitel in der echten Bestätigung des Papstes Tölestin von 1191 12 ) 2 wichskepel de molendino in aquilonari parte Zverinensis civitatis. Daß letztere Urkunde, die nur in einer Abschrift des 16. Jahrhunderts erhalten ist, vor den anderen von Salis genannten Fälschungen echt sei, ließe sich auch noch anzweifeln: es ist gar zu wenig, was danach in den 20 Jahren seines Bestehens das Bistum neu erworben hätte; es ist sehr eigenartig, daß weder Tölestin 1197 13 ) das wichtige Recht "bannum Zwerinensis provincie" bestätigt, noch auch alle anderen Bestätigungen, die doch Fälschungen zugunsten des Bistums sein sollen, dieses


8) Wigger, Bischof Berno, Mecklb. Jahrb. 28. - Salis, Schweriner Fälschungen, Arch. f. Urkundenforschung 1908, S, 285. - Jesse, Geschichte der Stadt Schwerin I, S. 41 ff.
9) So Pastor Dr. Schmaltz, nach persönlicher Auskunft.
10) MUB. 100 A.
11) MUB. 189.
12) MUB. 151.
13) MUB. 162. - Da Schmaltz die Urkunden für echt hält, setzt er die Mühle vor 1178 an; Wigger, Jahrb. 28, S. 202, hält den Wortlaut "locum et aquam molendinarem" für unecht; Salis, S. 285, erklärt: Der Bischof erhält nur Grund und Boden, nicht aber Gerechtigkeit und Gebäude. Jesse läßt die Bischofsmühle erst 1284 ganz in den Besitz des Bischofs kommen, die Grafenmühle erst kurz vorher entstehen.
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Hauptrecht, den Bann, dem Bischof zubilligen. Also sei auch die Abgabe der zwei Wispel von der Mühle beiseite gelassen. Das erste zweifellos feststehende Datum der sogenannten Bischofsmühle wäre dann der 21. Mai 1209. Der Bischof erhält nur Grund und Boden, dazu das Mühlenwasser. Salis interpretiert, der Graf habe sich Gerechtigkeit und Gebäude vorbehalten. Das wäre eine sehr eigenartige Dotation, durch die der Graf von Schwerin sich selbst als den Besitzer des Betriebes vom Bischof als dem Besitzer von Grund und Boden abhängig macht. So könnte man geneigt sein, zu deuten, der Bischof erhält Grund und Boden, weil Mühlengerechtigkeit und Betrieb überhaupt noch nicht bestanden. Jedoch sollen aus dieser echten Urkunde keine Schlüsse gezogen werden.

Das zweite Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts nennt auch die Grafenmühle zum erstenmal urkundlich. 1217 verleihen Gunzelin und Heinrich, Grafen zu Schwerin, procuratori luminis apud altare sancte Catherine 4 solidos de molendino prope Zwerin posito, procuratori alterius luminis apud sanctum Georgium de eodem molendino totidem 14 ).

Nun ist nicht anzunehmen, daß erst ungefähr 50 Jahre nach Gründung der Stadt Mühlen gebaut sind. Orte, die von Mühlen ihren Namen erhielten: Molenbeke (zwischen Schwerin und Wittenburg), Mölln, Grevesmühlen, ebenso der selbstverständliche sprachliche Gebrauch der Worte molendinum, molendinaris locus deuten auf sichere Bekanntschaft mit dem Mühlenwesen hin 15 ). Die Mühle ist die wichtigste Einrichtung für die Ernährung des Volkes. Schwerin ist aber so unbedeutend nicht, daß angenommen werden könnte, seine Bevölkerung habe sich in deutscher Zeit mit vorgeschichtlichen Reibsteinen, wie die Wenden sie noch hatten, begnügt. Schon das Vorhandensein des gräflichen und des bischöflichen Hofes mit zahlreichen Personen höheren Standes spricht dafür, daß frühzeitig das Handwerk der Mehlbereitung an einer Hauptstelle von einem Fachmanne betrieben wurde. Der wichtigste Grund aber, die Mühle in die Zeit der Gründung der Stadt oder gleich nach ihr zu setzen, ist die Bedeutung der Mühlen für die Ver-


14) MUB. 235 (a. 1217) auf die Bischofsmühle zu beziehen (Salis, Jesse), ist nicht begründet.
15) Mölln MUB. 154 (a. 1194), molendina MUB. 95 (a. 1170), 111 (a. 1173).
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teidigung der Städte 16 ). Das Niveau des Wasserspiegels vom Großen oder vom Ziegelsee ist in der Zeit der Stadtgründung auch für Pfaffenteich und Fließgraben anzunehmen, d. h. noch viel tiefer, als es sich jetzt nach verschiedentlichen Senkungen im Laufe der letzten hundert Jahre zeigt. Der Fließgraben und der Grenzgraben zwischen Pfaffenteich und Beutel an der Nordseite der Altstadt waren wohl kleine Wasserläufe, konnten zur Verteidigung aber nicht gebraucht werden. Erst mit dem Mühlenbau, mit Wehren und Wasserstau konnten die Wasserläufe breit und tief werden und Verteidigungszwecke erfüllen. Da für die deutschen Grafschaften in den 60er und 70er Jahren des 12. Jahrhunderts noch recht unsichere Verhältnisse bestanden, da Rückschläge, wie der von 1178 in Doberan, sich möglicherweise bis Schwerin auswirken konnten, so ist wahrscheinlich mit dem Palisadenbau auch das Aufstauen der Gewässer und der Mühlenbau in den ersten Jahren nach Gründung der Stadt betrieben worden. Das ergibt aber notwendig die Priorität der Grafenmühle vor der Bischofsmühle, die abseits von der Stadt lag, während überall sonst die Verteidigungsmühle, wie es der Sinn erforderte, am Stadtrand lag. Nur die Grafenmühle konnte den Verteidigungszwecken der Stadt dienen; die Bischofsmühle konnte nur das Wasser des Medeweger Sees stauen, ihr Unterwasser, Freiwasser, verlief sich schnell und leicht, wenn es nicht wieder aufgestaut wurde. Von diesen Betrachtungen aus kann man rückwärts schließen und sagen, daß die Bestätigung der Mühle im Besitz des Bischofs 1178 durch Papst Alexander durchaus im Bereich der Möglichkeit liegt, ohne daß hiermit zu der Frage der Fälschungen im übrigen Stellung genommen wird. Daß der Bischof die Mühle vom Grafen erhielt, ist anzunehmen, der Zeitpunkt der Schenkung aber ist nicht genau festzulegen.

So treten uns die beiden Schweriner Mühlen, die Grafen- oder Binnenmühle und die Bischofsmühle, schon innerhalb der ersten Jahrzehnte nach der Gründung der Stadt als Besitz der Personen entgegen, nach denen sie noch heute genannt werden. Beide Mühlen blieben auf lange Zeit die einzigen vor der Stadt, während andere Städte bald eine größere Anzahl aufwiesen. Für die gesamte Geschichte des Mühlenwesens der Stadt Schwerin ist von Anfang ihres Bestehens an die Neu-


16) Die allgemeine Bedeutung der Mühlen für die Verteidigung der Städte kann hier nicht grundsätzlich untersucht werden.
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mühle mitzuzählen, die in der Mitte des 14. Jahrhunderts urkundlich zuerst auftritt 17 ). Ihre Entstehungsgeschichte ist später zu erörtern.

II.

Die Lage der Mühlen und der sie treibenden Gewässer in ihren Beziehungen zu heutigen Ortsbezeichnungen mag die Grundlage für die weitere Darstellung abgeben. Die Grafenmühle lag dort, wo heute das Herbordtsche Grundstück als alleinstehender Hausblock zwischen Kaiser-Wilhelm-, Schloß- und Klosterstraße steht. Die Grundmauern und Kellergewölbe dieses alten Gebäudes zeugen noch heute von ihrer einstigen Bestimmung. Die Mühle lag außerhalb der Palisaden, außerhalb der seit etwa 1400 entstandenen Stadtmauer 18 ). Das Wasser, das die Mühlenräder trieb, kam teils durch den Fließgraben (heutige Kaiser-Wilhelm-Straße) vom Pfaffenteich her, teils durch die Seeke, die (etwas östlich des Zuges der heutigen Rostocker Straße verlaufend, im Bogen südlich der heutigen Helenenstraße zum Fließgraben einschwenkend) das Wasser des Ostorfer Sees kurz vor der Mühle in den Fließgraben führte 19 ). Wenn die Faule Grube (im Zuge der heutigen Bischofs- und Wladimirstraße, die früher noch als Straße jenen Namen trug) auch mit dem Fließgraben in Verbindung stand, so hatte sie doch nie Bedeutung als Mühlen treibender Wasserlauf. Der Mühlendamm lag, wie es sich eigentlich von selbst versteht, unmittelbar vor dem Grundwerk der Grafenmühle und verband die höher gelegenen Ufer, wie sie heute in der ansteigenden Schloßstraße und westlich vom Marienplatz erkennbar sind. Über diesen Mühlendamm führte auch noch in späteren Jahrhunderten der Hauptausgang aus der Stadt, lag doch unmittelbar neben ihm das Mühlentor. Der Ablauf der Wasser der Grafenmühle, das sogenannte Freiwasser, ging in den Burgsee, dessen Bucht noch im 19. Jahrhundert bis dicht an die Mühle heranreichte.

Die Bischofsmühle war in alter Zeit nicht in die Stadt einbezogen; sie lag sogar weit von ihr entfernt und war nur nach Verlassen des Schmiedetores auf dem Höhenwege westlich


17) MUB. 8379 (1351).
18) Jesse a. a. O.
19) Zum Verständnis mag der Plan Hübbes im Jahrb. 61, S. 14 bis 15, auch Karte von Martius 1819 dienen.
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der Stadt, der alten Wismarschen Landstraße, zu erreichen, aber nicht über das Gebiet des Bischofs, die Schelfe und den Spieltordamm, der in ältester Zeit kein Fahrdamm war. Da, wo heute am Bürgermeister-Bade-Platz die kleinen einstöckigen Häuser an die Nordgrenze des Gaswerkes stoßen, war der älteste Mühlenbetrieb. Das heute vor dem Abbruch stehende hohe Gebäude zwischen Aubach und Gutenbergstraße kam in seinen Grundbestandteilen erst 1763 hinzu. Getrieben wurde die alte Bischofsmühle durch die Wasser von "6 gewaltig großen Sehen, als Mettweger, Lankower, Groß und Klein Stücker, Trebbower und Rugensehe, die überhalb solcher Mühlen belegenn und allen ihren Ausfluß uf dieselbe haben" 20 ). Ein breiter Arm des Medeweger Sees erstreckte sich bis unmittelbar vor die Mühle. Und doch war auch hier nicht immer Überfluß an Triebkraft. Der Mühlendamm war nicht sehr lang, da beiderseits Höhen das schmale Tal begrenzten. Das Freiwasser der Bischofsmühle hatte mehrere Wege in den Pfaffenteich.

Die Lage der Neumühle am Südostende des gleichnamigen Sees, die noch heute erkennbar ist, bedarf keiner Erörterung. Jedoch als Gegensatz zu den anderen ist zu erwähnen, daß es sich beim Bau des Mühlendammes hier um die Anlage einer sehr großen Talsperre gehandelt hat, und daß die Neumühle das ganze Jahr hindurch gute Wasserverhältnisse hatte. Ihr Freiwasser ging in langem Lauf bei Görries in den Ostorfer See.

III.

Verlauf und Beziehungen der Gewässer rühren an wichtige geschichtliche Probleme. Alle diese Seen und Wasserläufe waren nicht im Besitze der Stadt. Es war der Stadt also jeder Einfluß auf die Mühlen des Grafen und des Bischofs unmöglich, und doch war sie wegen der Ernährung ihrer Einwohner stark auf sie angewiesen. Pfaffenteich, Ziegelsee und Medeweger See waren im Besitz des Bischofs, die weiter oberhalb gelegenen


20) In dem dritten der 44 Punkte der großen Beschwerdeschrift des Domkapitels von 1582 über den Stau des Pfaffenteiches. Das hauptsächlichste Aktenmaterial für den Aufsatz entstammt den zwei Bündeln: Acta civ., Schwerin, Mühlen, im Geh. u. Haupt-Archiv. - In diesem Falle Bündel: Bischofsmühle. - Dieses Material wird im folgenden nicht jedesmal angeführt; nur wo andere Akten herangezogen sind, wird die besondere Quelle genannt.
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Seen im Besitz von Grundherren, Ostorfer und Burgsee im Besitz des Landesherrn.

Die Mühle des Grafen gebrauchte zum Aufstau ihres Wassers den Teich des Bischofs. Staute der Müller zu hoch, so verlangsamte er den Zufluß aus der Seeke. Bei natürlichen Verhältnissen freilich konnte das Wasser nicht sehr hoch ansteigen, weil es sich auf die zu große Fläche von Pfaffenteich und Ziegelsee verteilen mußte. Nach dem Aufbau der Schweriner Landschaft ist anzunehmen, daß, genau wie der Werder gegenüber Karlshöhe, wie der Rücken bei der heutigen Hafenbahnbrücke in der Mitte des Ziegelsees vorspringen, so auch in seinem südlichen Teile (also vor dem heutigen Schweinemarkt) eine Landzunge weit nach Westen in das Wasser vorsprang. Wie die beiden nördlicheren Stellen ließ auch sie nur eine schmale Wasserstraße zwischen sich und dem Westufer offen. Es hatte also diese Halbinsel der Schelfe ursprünglich keine Landverbindung mit dem Westufer. Der Spieltordamm kommt zuerst 1284 vor 21 ). Dieser Damm ermöglichte erst ein höheres Aufstauen des Wassers in dem Pfaffenteich; ein Wasserdurchlaß war in älterer Zeit in dem Damm nach seiner Erbauung nicht vorhanden. Der höhere Stau bedingte aber den Einbau einer Stauschleuse im Kanal nördlich der Altstadt, wahrscheinlich eine stärkere Abdämmung der Seeke gegen die tiefen Wiesen am Burgsee. Schleuse und Damm sind oft von Wichtigkeit gewesen. Zu hoher Stau ließ das Wasserrad der Bischofsmühle im Freiwasser ersaufen und deren Betrieb zum Stillstand kommen. Zu sparsamer Verbrauch von Wasser auf der Bischofsmühle beraubte die Binnenmühle ihrer Triebkraft.

IV.

Über die mittelalterliche Geschichte der Mühlen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts stehen nicht viele Urkunden und Akten zur Verfügung. Darum soll erst vom reicheren Fließen des Materials an eine systematische Darstellung gewählt werden, während das mittelalterliche Material zeitlich aneinander gereiht werden mag.

Nach der Untersuchung über jene Urkundengruppe, die mit der Gründung zusammenhängt, kommen wir nun zu der Entwicklung der Mühlen am Ende des 13. Jahrhunderts. Über


21) MUB. 1766.
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den Besitz des Bischofs und des Grafen waren noch Unklarheiten vorhanden, die sich auch auf die Bischofsmühle bezogen. Graf und Bischof schritten 1284 zu einer klaren Abgrenzung ihres beiderseitigen Besitzes 22 ). Nach einem Austausch von Gebieten innerhalb der Stadt wurde dem Bischof die Schelfe zugewiesen mit dem Bemerken: ita tamen, quod comes et sui heredes tantum de terra in vinea possunt accipere, quantum necesse fuerit ad aggerem reparandum; weiter soll der Bischof haben: stagnum, quod Tegelse vulgariter dicitur, ab aggere, molendini nostri ex utraque parte litoris usque ad lacum, ubi lacus magnum stagnum infiuit. Similiter stagnum, quod molendino nostro affluit, ascendendo sursum usque in stagnum de Magno Medewege et ipsum stagnum usque ad lacum in utraque parte litoris nostrum (des Bischofs) erit. Aus dem ersten Satz geht zunächst hervor, daß der "agger" im Besitz des Grafen bleibt, denn für seine Mühle ist er wichtig. Er kann kein anderer als der Spieltordamm sein. Er muß auch mit der Bezeichnung "ab aggere molendini nostri" gemeint sein. Dieses Wort darf nicht auf den Staudamm der Bischofsmühle bezogen werden, der ja am Ausfluß des Medeweger Sees oberhalb der Mühle lag. Der "agger molendini nostri" steht aber in einem Satz über den Ziegelsee. So enthält die Bezeichnung "Damm unserer Mühle" von seiten des Bischofs eine Unklarheit; es wäre also zu übersetzen: Damm bei unserer Mühle. Der Spieltordamm steht auch nicht einmal in einer Zweckverbindung mit der Bischofsmühle; was aus dem Wasser unterhalb der Mühle wird, hat keinen Belang für den Müller der Bischofsmühle. Es scheint, als läge die Anlage der Spieltordammes nicht weit zurück vor 1284. Die in dieser Urkunde zum ersten Male auftauchende Bezeichnung der Größe der Grafenmühle von vier Rädern, einer beträchtlichen Größe, legt dieses ebenfalls nahe. Eine so große Mühle bedurfte einer großen Wassermasse als Antriebskraft. Diese wurde erst durch den Bau des Dammes geschaffen, der die aufgestauten Wassermassen in einem verkleinerten Becken zusammenhielt und dazu den Vorteil gewährte, das Freiwasser der Bischofsmühle auch der Grafenmühle nutzbar zu machen. Oberhalb der Bischofsmühle befand sich nicht ein Bach (wie jetzt der


22) Wigger, Jahrb. 28, S. 200/01, erläutert den Teil innerhalb der Stadt sehr genau, während er den Teil Schelfe, Ziegelsee zu kurz behandelt und darum unklar läßt. Vgl. Lisch, Jahrb. 42, S. 112 ff.
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Aubach), sondern schon in jenen Zeiten ging der Mühlenteich unmittelbar in den Medeweger See über; nur das kann der Wortlaut der Urkunde bedeuten. Und wenn der Zustand eines breiten, unmittelbar bis zur Mühle reichenden Seearmes noch 1713 urkundlich 23 ) und 1729 auf einer Karte besteht 24 ), so beweist das den alten natürlichen Zustand.

Nachdem Graf und Bischof ihre Mühlen das ganze Jahrhundert in Eigenbewirtschaftung gehabt hatten, verkaufte 1292 der Graf seine, also die Binnenmühle, an Abt und Konvent des Klosters Reinfeld 25 ); 1349 verpfändete der Bischof die seine zusammen mit anderen Gütern an die Brüder und Vettern v. Bülow, die dieses Pfandgut untereinander teilten 26 ). Die neue Art der Nutzung solcher Betriebe hing wahrscheinlich mit dem Aufkommen städtischen Geld- und Kreditwesens zusammen, von dem die Fürsten bald lernten. Die Binnenmühle wurde bei jenem Verkauf als eine von vier Gängen bezeichnet (quatuor rotarum); der Kaufpreis von 1624 Mk. lüb. wurde noch im gleichen Jahre bezahlt; die Stadt erklärte, sie habe keine Rechte an der Mühle, werde ihr aber auch unter der neuen Besitzerin Schutz gegen Feinde gewähren. Die Stadt tat ja gut daran, denn sie war für ihre Bürger, die hier mahlen ließen, an ihr interessiert. Über den Beginn eines etwaigen Mahlzwanges, der bei Doberan schon 1287 27 ) festgesetzt wurde, läßt sich für Schwerin noch nichts sagen.

Die Wasserverhältnisse, die 1284 einen Vergleich nötig machten, führten bald wieder große Streitigkeiten herbei. 1328 glaubte der Bürger Hermann Wend (Slavus), ein Anrecht auf die Schleuse (gurgustrium) an der Grafenmühle zu haben 28 ). Nach einem Zeugnis des Vogtes von Schwerin und des Rates der Stadt trat er sie aus freiem Antrieb gern und völlig an den Grafen ab, und der Streit zwischen Kloster und Hermann Wend war "amabiliter" geschlichtet. Oberhalb dieser Schleuse wurde bald eine neue angelegt juxta pontem sancti spiritus 29 ), die nicht weit von der Grafenmühle lag. Sie wurde


23) S. Anm. 20.
24) Geh. u. Haupt-Archiv: Karte von 1740; desgl. Karte von 1729 von Tilly.
25) MUB. 2525-2527.
26) MUB. 6909.
27) MUB. 1936 a. 1287.
28) MUB. 4962.
29) Lage nach Wigger, Jahrb. 28, S. 201. - Es kann nur die Brücke beim Schmiedetor gemeint sein. MUB. 5956 a. 1339.
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als "vorescutte" (Vorschütt, Vorstau) bezeichnet, diente also dem Mühlenbetrieb; bei ihrer Anlage vor der Faulen Grube, zugleich vom Grafen und Rat genehmigt, hatte sie eine besondere Bedeutung: sie sollte durch Öffnen und Schließen das Wasser des Fließgrabens in die Faule Grube eintreten lassen und diese so reinigen, bzw. diese vom Fließgraben trennen. Mit der Entwicklung der Stadt war auch der Mühlenbetrieb gewachsen. Das erforderte eine große Wassermenge, hohen Stau. Da legte 1344 der Dekan Konrad für das Domkapitel bei Gelegenheit einer Ausbesserung, die das Kloster Reinfeld an der Schleuse im Kanal zwischen Stadtmauer und Schelfe, also anscheinend auf Bischofsgebiet, vornehmen wollte, mit heftigen Worten Verwahrung ein 30 ). Wenn auch die Beauftragten der Klosterbrüder ihm, dem Dekan, mit einer Schrotwaage das Maß der alten Schleuse bewiesen und erklärten, sie wollten nach genauen Maßen jener alten Schleuse, nicht höher und nicht tiefer, bauen, so war ihm das alles doch nicht sicher genug; denn die Wasserhöhe durfte wegen der Räder der eigenen Mühle unter keinen Umständen steigen. 14 Tage später wurde ein förmlicher Vergleich zwischen dem Kloster einerseits und dem Bischof und dem Domkapitel andererseits geschlossen, daß ersteres von da an und für zukünftige Zeiten die Schleuse in ihrer damaligen Höhe - also nicht höher - halten sollte, ebenso das Grundwerk seiner Mühle. Im nächsten Jahre 1345 erwarb das Kloster Reinfeld diese Schleuse vom Bischof für 100 Mk. lüb., die sofort bezahlt wurden 31 ). Der heftige Protest des Dekans, die Höhe des Kaufpreises von 100 Mk. für eine Schleuse zeugen von der Wichtigkeit des Gegenstandes für beide Teile.

Nach dieser Zeit (1357) tauchte zum ersten Male die Neumühle auf 32 ). Ob ihre Erbauung damals als Aushilfe erfolgte - der obige Streit in Schwerin deutet auf Wassermangel bei der Grafenmühle hin -, ob der Graf schon 1298 nach dem Verkauf seiner Mühle erkannte, daß sein Haushalt zu teuer wurde und wieder eine eigene Mühle nötig hatte, woraus man auf einen Bau der neuen Mühle bald nach 1298 schließen könnte, ob nur die ganz besonders gute örtliche Beschaffenheit hier einen Mühlenbau veranlaßte, vielleicht sogar schon vor


30) MUB. 6432; 6438; 6439.
31) MUB. 6513.
32) MUB. 8379.
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1298, all das müssen offene Fragen bleiben. Auch die Bezeichnung "nige" Mole sagt nichts, denn neu könnte sie, so gut wie heute, auch schon vor 1298 geheißen haben.

1362 erwarb Detlef von Züle diese Neumühle zur Pfandnutzung für eine Forderung von 400 Mk. lüb. von dem Herzog Albrecht II., der eben erst in ihren Besitz gekommen war 33 ).

Kurz vor der Wende zum 15. Jahrhundert kamen die Mühlen wieder in den Eigenbetrieb der früheren Besitzer zurück. Die Bischofsmühle zwar nicht in den des Bischofs, sondern in den des Domkapitels. Der Bischof verkaufte sie 1392 an den Domherrn Johann Berchteheile für 400 Mk. lüb. 34 ); dieser schenkte sie 1397 an das Kapitel 35 ), dem sie bis zum Westfälischen Frieden verblieb. Die Herzöge erwarben 1398 vom Kloster Reinfeld die Grafenmühle zurück 36 ). Die Mitwirkung des Papstes und die Vermittlung des Lübecker Bischofs sind formalrechtliche Dinge bei der Übergabe, die nicht weiter erörtert werden sollen. Die Neumühle war im Anfang des 15. Jahrhunderts wieder in der Hand des Herzogs; wann sie aus der Verpfändung zurückfiel, ist nicht zu ersehen.

Gleich am Anfang des 15. Jahrhunderts beginnen mit 1409 die Schloßregister die wertvollsten Angaben über die Eigenwirtschaft zu machen. Da sind (auf Datum und Scheffelzahl) genaue Buchungen über die Ablieferungen der Mühlen an die herzogliche Küche, an das Backhaus, an das Brauhaus, in den Keller. Es ist zu erkennen, daß den Hauptteil der Hofwirtschaft an Weizen und Roggen Neumühl lieferte, an Malz die Grafenmühle, "de Molen to Zwerin, binnen Zwerin"; sie wurde wegen dieser Lieferung kurz de Moltmolen genannt, wenngleich sie auch Weizen und Roggen lieferte. Neben ihnen lieferten Banzkow und Eichsen an den Hof. Der Verkauf aus der Binnenmühle hielt sich auf einem Durchschnitt von 50 bis 60 Mk. lüb. In den Löhnen vollzog sich im 15. Jahrhundert eine Steigerung: 1409 erhielten die Mühlenmeister 1 Mk., Wagendriver (Pungenfahrer) 12 ß; 1454 ff. erhielten die Meister 4 Mk., Matter in der Stadt 3 Mk., ebenso die Wagendriver


33) MUB. 9075. Jesse setzt die Entstehung der Neumühle erst unter Albrecht II. an, indem er von dieser Urkunde als der ersten über Neumühl ausgeht.
34) MUB. 13062.
35) MUB. 13083.
36) MUB. 13268-13272; 13279; 13314.
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in der Binnenmühle und Neumühl. Die Ausgaben für den Betrieb waren natürlich sehr ungleich. Neumühl brauchte immer mehr Geld für Hufschlag als die Grafenmühle. Der Bedarf an Bicken, Rynen, Spillen, "bamit de nyge Sten ward upgebracht", an Tappen, Bende to de Wellen, Neghelen war sehr verschieden 37 ). Ein rheinischer Mühlenstein kostete 40 Mk., der gebräuchlichere Sandstein 16 Mk. 1458-60 wurden die Mühlen mit Steinen planmäßig neu beliefert: Binnenmühle mit zwei Sandsteinen, Neumühle mit zwei Sandsteinen und zwei rheinischen, Eichsen mit zwei Sandsteinen. Leider läßt sich Bezugsquelle und Gebrauchsdauer der Steine weder feststellen noch berechnen.

Von der Bischofsmühle konnte für das ganze spätere Mittelalter nur ein Aktenstück aufgetrieben werden: 1534 nahmen die Domherren ein Kapital von 100 Mk. auf gegen eine jährliche Rente von 4 Mk.; die 100 Mk. wurden für Einrichtung und Grundwerk (grindt) der Bischofsmühle verwandt.

V.

Das vervollkommnete Kanzleiwesen der Renaissancezeit, die bessere Aufbewahrung der Urkunden und Akten sind auch beim Forschen über Mühlen spürbar. So ist es von der Zeit an möglich, einzelne Seiten der Mühlenentwicklung zusammenfassend zu behandeln: Bau und Vergrößerung, Pachthöhe und Pachtrecht, Verhältnis zur Stadt, Verhältnis der Müller zueinander, Dinge der Einrichtung und des Betriebes der Mühlen.

Die Mühlenbauten unserer Zeit zeigen eigentlich immer eine sehr große Lebensdauer, auch die nur aus Holz gebauten Windmühlen; mehrere von ihnen reichen in das zweite Drittel des 18. Jahrhunderts zurück. Wenn wir solche Festigkeit auch den Mühlen früherer Jahrhunderte im allgemeinen zusprechen können, so zeigt doch die Geschichte, daß gerade über die Mühlen schwerste Geschicke dahingegangen sind und sie in ihrer Entwicklung gehemmt haben, wenn auch die Größe und Art der Mühlen an der allgemeinen Aufwärtsentwicklung teilnimmt.


37) Über molen, ryne, steenbom, bicken, matten kommen schon im MUB. die bemerkenswertesten Angaben vor. Die mittelniederdeutschen Bezeichnungen technischer Dinge können in dieser Arbeit nicht näher dargestellt werden.
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Die Binnenmühle hat ihre stolze Größe von vier Rädern, die sie 1298 hatte, nicht behalten, wie etwa die Vierradenmühle zu Neubrandenburg. Wann der Rückgang eintrat, ist nicht ersichtlich; doch deuten die Berichte der Schloßregister darauf hin, daß der Rückgang auf zwei Gänge schon vor 1409 lag. 1598 heißt es in einer Liste 38 ): Schwerinsche Mühle mit der Windmühle zwei Gänge; ein Vergleich ihrer Pachthöhe mit der anderer Mühlen zeigt, daß die Wassermühle zwei Gänge hatte und die Windmühle für sich berechnet wurde. Mit dieser Windmühle war immerhin schon wieder eine Vergrößerung des Mühlenbetriebes eingetreten. Mit ihr scheint die schon 1576 genannte Mühle auf dem Berge Jerusalem identisch zu sein. Die Annahme, diese Mühle auf dem Berge Jerusalem habe auf der Schelfe gestanden, kann nicht stimmen, da die Schelfe zum Gebiet des Administrators Herzog Ulrich gehörte, die Mühle aber in den Tutelakten für die Söhne Johann Albrechts I. genannt wurde. In einem Register von 1633, das nur Mühlen des Schweriner Amtes enthält, heißt es: Schwerinsche Mühle zwei Gänge, Neumühle zwei Gänge, Mühle auf dem Berge ein Gang 39 ). Das ist alles, was wir über diese Windmühle wissen: weder die Stelle des Berges Jerusalem, noch die Zeit ihrer Entstehung, noch die ihres Untergangs ist zu finden. 1631 war die Binnenmühle sehr zerbrochen; aber der Binnenmüller Martin Berg, ein geschickter Zimmermann und Tischler, der sie noch 1638 verwaltete, wird, wozu er sich bei seiner Anstellung verpflichtete, sie wieder instand gesetzt haben. Sehr nahm der große Krieg die Mühle in den letzten Jahren mit. Vielleicht ist auch die Windmühle damals zerstört. Nach des Herzogs Befehl sollten aus den mecklenburgischen Ämtern zum Schweriner Mühlenbau Gelder aufgebracht werden; diese aber reichten am 14. Juni 1647 bei weitem nicht zu diesem Zweck; so wurde den Ämtern eine zweite Umlage von 136 Rtlrn. auferlegt: Schwerin 16, Neustadt 13, Marnitz 6, Grabow 11, Eldena 11, Dömitz 9, Grevesmühlen 10, Mecklenburg 7, Redentin 7, Farben 7, Poel 7, Bukow 7, Doberan 16, Neukloster 9 Rtlr. Nach einer Unterliste lieferte der Doberaner Küchenmeister Bernd Crüger diese Summe am 22. Juli 1647


38) Vormundschaftsakten nach dem Tode des Herzogs Johann Albrecht I.
39) In Pacht ausgetane, abgesetzte Mühle.
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ab 40 ). Trotz dieser großen Ausbesserung war 1649 schon wieder eine notwendig; wieder mußte Bernd Crüger 16 Rtlr. zur Entlohnung der Tagelöhner, eigener Amtsuntertanen, binnen zehn Tagen an den Sekretarius Beckmann in Schwerin liefern. Dieses Mal war das Grundwerk zu erneuern: 20 Personen täglich benötigt, bei der Rahmen (Ramme) Pfähle zu stoßen 41 ). Bei dem großen Brande der Stadt 1651 wurde auch die Binnenmühle vom Feuer ergriffen und die ganze Erneuerungsarbeit vernichtet 42 ). Da von 1653 an die Bischofsmühle in der Verwaltung des Binnenmüllers war und das Mühlenwesen in den nächsten Jahrzehnten einen großen Aufschwung nahm, muß sie sogleich wieder voll aufgebaut sein. Die kleinen Schäden auf eigene Kosten auszubessern, war der Müller verpflichtet.

Neumühl und die Bischofsmühle scheinen in der Neuzeit nicht größer geworden zu sein. Neumühl hat noch immer zwei Gänge, die Bischofsmühle war ein kleiner Betrieb von einem Gang geblieben. Von ihr sind zwei Inventare der Jahre 1578 und 1600 weiter unten zu behandeln. Im Dreißigjährigen Krieg verwaltete sie ein gefreiter Soldat im Auftrage der schwedischen Heerführung. Dieser Gefreite war wahrscheinlich ein Müller, denn in den Stammrollen der Regimenter beider Parteien wurden Müller und Zimmermeister in der Reihenfolge der Rangstufen immer zu oberst bei den Gefreiten genannt. Durch die Nachlässigkeit dieses Gefreiten ist die Bischofsmühle in den ersten Tagen des Jahres 1642 abgebrannt. Über ihren Wiederaufbau wissen wir nichts weiter, als daß 1649 in einem Haus von fünf Gebinden ein Betrieb mit zwei böhmischen Mühlensteinen war 43 ).

Unter dem berüchtigten Mühlenpächter Meister Jochim Hoykendorf 1553-76 sind die Mühlen in vollem Betriebe. Über


40) Die zweite, allerdings undatierte Doberaner Liste wird die der vorangegangenen Umlage sein.
41) Werke über Mühlenbaukunst: Sturm, Vollständige Mühlenbaukunst 1718; Leupold, Schauplatz der Mühlenbaukunst 1735; Scopp, Schauplatz des mechanischen Mühlenbaues 1766; Behrens, Die prakt. Mühlenbaukunst, Schwerin 1789; Beschreibung der von Wiesemann erfundenen Segelwindmühle mit wagerechten Flügelbalken. Eine große Zahl weiterer Werke aus allen Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts befindet sich in der Schweriner Landesbibliothek.
42) Bilderbeck, Predigt am 18. Juli 1652, zur Erinnerung an den Brand von 1651, im Dom gehalten.
43) Akten des Amtes Schwerin.
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Bauten in dieser Zeit erfahren wir nur kurz, daß Hoykendorf die Grundsteine zum Neubau seines Wohnhauses aus herzoglichem Besitz mit Hilfe eines Steinhauers gestohlen hat. Im Jahre 1700 bat Mühlenmeister Hancke die Kammer um zwei Buchen zu Schaufeln und um Spillholz. Der Herzog befahl, aus der Lewitz oder der Wildbahn eine kleine Eiche anzuweisen, "so zum Rande umb den Steinen geschnitten werden muß", und das zweite Fuder Spill- (Kamm-) holz 44 ). 1709 klagte Hancke über Baufälligkeit beider Mühlen, für deren Ausbesserung er an Zimmermannslohn über 100 Rtlr. ausgegeben hätte. Er wollte aus diesem Grunde und anderen Gründen seine Pacht herabgesetzt wissen. Daß sich ein halbes Jahrhundert nach der Neuerrichtung beider Mühlen eine solche große Ausbesserung vernotwendigte, nimmt nicht wunder. Ob Hancke damals den dritten Gang auf der Binnenmühle, den sie 1717 hatte, erbaute oder erst kurz vor 1717, ist nicht zu erkennen. Freilich konnten alle drei Gänge wegen niedrigen Wassers nie zugleich gehen.

Wieder taucht die Frage der Windmühlen auf. Hancke hatte am 21. Januar 1711 drei Mühlen, ein Meister Ahrens 1722 vier Mühlen. Von den drei Mühlen scheint die eine die alte Lohmühle (heutige Schleifmühle, im 16. Jahrhundert Pulvermühle) gewesen zu sein, die etwas später "ein Pertinenz zu hiesiger Mühlen" heißt. Am 21. April 1711 wird die Bischofsmühle und Windmühle im Gegensatz zur Binnenmühle genannt. Daraus geht hervor, daß die Windmühle der Binnenmühle nicht mehr bestand, daß aber die zur Bischofsmühle gehörige, die im Januar 1711 noch nicht da war, in den nächsten drei Monaten errichtet sein muß. Diese Bockmühle auf dem Mühlenberge (an der heutigen Mühlenstraße) ist auf dem "Grundriß der Stadt und Vestung Schwerin von Tilly 1729" 45 ), auf dem auch die übrigen drei Mühlen verzeichnet sind, als solche deutlich zu erkennen. Diese Bockmühle ließ der Müller Jörn 1731 aus seinem Vertrag, und ein Reiter vom Leibregiment zu Pferde nahm sie in Pacht, obgleich sie sehr baufällig war. Er besserte sie aus, geriet aber bald mit seinen Pachtzahlungen in Rückstand, so daß die Kammer sich genötigt


44) Spillholz = Kammholz für die Zähne der Kammräder muß besonders hart und zäh sein; "Rand umb den Steinen" = Schlingholz, die sogenannte Läufte oder Zarge, das Holzgefäß, in dem die Steine laufen.
45) S. Anm. 21.
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sah, ihm die Mühle abzunehmen und sie dem Müller Röper von der Binnenmühle wieder zu überlassen. Das Grundwerk der Binnenmühle bedurfte 1734 einer gründlichen Ausbesserung. Die Kammer lieferte wie gewöhnlich das Material, die herzogliche Schatulle steuerte 12 Rtlr. zur Bezahlung für bereits geschnittene Bretter, Rämell u. dgl. bei. Mit dem starken Wachsen der Schelfstadt verlor die Bockmühle durch naheliegende Häuser ihren Wind und wurde 1749 auf die Höhe westlich der Bischofsmühle verlegt 46 ). Ihr neuer Standort war an dem Wege, der etwa vom Luisenplatz über das heutige Bahnhofsgelände nach Klein-Medewege führte; sie lag damit viel günstiger zur Bischofsmühle.

Nach der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die Mühlenbetriebe sehr vergrößert 47 ). Als der Müller Röper jun. 1763 die Mühle zu neuem Pachtsatz übernahm, wurde ihm die Verpflichtung zum Bau einer neuen zweigängigen oberschlächtigen Mühle bei der Bischofsmühle auferlegt. Der Bau wurde sofort ausgeführt, dabei lieferte die Kammer Holz, Kalk und Steine, der Müller trug die baren Kosten in Höhe von 2000 Rtlrn. "Der Müller zahlt bis 1766 ein besonderes locarium, erhält dann bei etwaigem Rücktritt von der Pacht 500 Rtlr. zurück, und die Mühle ist Eigen Serenissimi" wurde in den Niederschriften über die Baubedingungen am 9. Februar und 1. März 1763 bemerkt. Das alte Werk an der Südseite des Mühlenteiches blieb in Betrieb, das neue lag östlich des Teiches und entließ sein Freiwasser durch einen neuen Graben unmittelbar in den Ziegelsee. Röper behielt die Pachtung lange. Beim Antrag auf Verlängerung seines Vertrages 1784 wies er noch einmal auf diese hohen Kosten hin; jetzt konnte er sich freilich schon auf mehr berufen, nämlich die hiesige Binnenmühle mit Aufwand zweckmäßig eingerichtet, einen gänzlich neuen Anbau erstellt und zum Bau des Wohnhauses des Binnenmüllers 1777


46) Großherzogliches Haus-Archiv: Acta Fürstliche Häuser außerhalb der Stadt, Vol. 19.
47) Über die 1756 zum Nutzen des städtischen Armenhauses für dessen eigenen Gebrauch erbaute Bockmühle waren nur die Akten zu finden, die von ihrer Errichtung handeln; dazu kommt eine Karte aus ungefähr gleicher Zeit von der Schelfstadt, auf der die Mühle in Ansicht erscheint. Sie lag westlich neben dem Judenfriedhof. Ein Plan von Schwerin hat an dieser Stelle keine Mühle, wohl aber eine Windmühle auf dem Kämmereihof, über die ebenfalls nichts in Erfahrung gebracht ist. Vielleicht ist es dieselbe wie die erstgenannte.
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900 Rtlr. Zuschuß geleistet zu haben. Dieser Neubau ist das noch heute erhaltene Haus Herbordt. Bald erhielt auch die Bischofsmühle neue Wohngelegenheiten, zwar nicht für einen Mühlenpächter; denn noch bei der Versteigerung von 1809 hieß es, die Mühlen müßten zusammen verpachtet werden, weil bei der Bischofsmühle sonst ein neues Wohnhaus nötig würde. Das mittlere der heutigen kleinen Häuser an der Nordseite der Gasanstalt trägt in einem der sogenannten Hahnenbalken die Jahreszahl 1791 eingeschnitzt. Der sehr reiche Mühlenpächter Stüdemann wird das Haus für den Mühlenbetrieb und für die Wohnungen seines Meisters und des Mühlenschreibers errichtet haben.

Schwerin hatte also um 1800 die Binnenmühle mit drei Gängen, die Bischofsmühle mit vier Gängen und mit der Bockmühle; auch Neumühl ist damals mit seiner zweigängigen Mühle in der Hand Stüdemanns. Dagegen zählte Rostock damals 6 Wasser-, 4 Wind- und 1 Grützmühle, 11 Betriebe; Waren 8; Wismar 6; Güstrow und Malchin je 2 städtische Betriebe.

Die Entwicklung des 19. Jahrhunderts steht unter dem Zeichen der Großmühle. Aus Amerika kam der mechanisierte Betrieb, der alle Mahlvorgänge in einen zusammenhängenden mechanischen Ablauf brachte; aus Österreich und der Schweiz kam der Walzenstuhl nach Deutschland mit seinen Ergänzungsmaschinen, den Vorreinigern und Sichtern; durch sie wurde Feinausmahlung = Hochmüllerei und Grobausmahlung = Niedermüllerei geschieden. Zwar drangen die Neuerungen nicht schnell in Mecklenburg ein, doch verfolgte man die Entwicklung genau 48 ). Die Bevölkerungszunahme im neuen Jahrhundert, die wirtschaftlichen Fortschritte in der Landwirtschaft wirkten auf das Mühlenwesen ein. 1816 hatte der neue Teil der Bischofsmühle drei Gänge. 1819 erhielt die Binnenmühle eine holländische Windmühle vor dem Wittenburger Tor, nach einer Federzeichnung im Besitz des Herrn Mühlenbesitzers W. Janssen ein Erdholländer. 1824 erhielt die Bischofsmühle den großen Galerieholländer hinter der Augustenstraße. 1842 baute Mühlenpächter Röper in der Bischofswassermühle an Stelle der Wasserräder eine Turbine, nach Mohaupt die erste Turbine in einer Mühle Deutschlands. 1844 baute der Binnenmüller Heldt den zweiten Holländer, eine große Galeriemühle mit zwei Walzenstühlen. 1853 wurde zwar der alte Wasserbetrieb der


48) S. Anm. 41.
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Grundmauer der alten Bischofsmühle. / Bockmühle zur Bischofsmühle gehörig.
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Situationsplan der Binnenmühle von 1853 bei Aufhebung des Mühlenbetriebes. / Die beiden Janssen Mühlen nebem der Wittenburger Chaussee
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Grafen- oder Binnenmühle wegen des Baues der Poststraße, jetzt Kaiser-Wilhelm-Straße, aufgehoben 49 ), aber dafür konnte 1860 Karl Pingel, der Pächter der Bischofsmühle, diese in eine Dampfmühle verwandeln und, nachdem er 1864 Besitzer geworden war, das neue Mühlengebäude errichten, auf das er eingedenk der großen Vergangenheit seiner Mühle jene bekannte Inschrift "Ora et labora 1865" setzte 50 ). Damit hörte der Wasserbetrieb auf, und der Mühlengraben zum Ziegelsee wurde zugeschüttet; nur ein Gang im alten kleinen Mühlengebäude blieb kümmerlich als Wassermühle in Betrieb. 1863 gelangten die Windmühlen am Wittenburger Tor in die Hand des Pächters W. Janssen. Dieser umbaute 1875 als Besitzer die große Holländermühle mit dem Fabrikgebäude einer Dampfmühle und gab der Windmühle fünf Flügel. Freilich wurde der Windmühlenbetrieb 1894 aufgehoben, und nun wurden auch die oberen Teile in Böden verwandelt; bis zum Ende des Jahrhunderts aber vergrößerte Janssen ständig den Betrieb, der zuletzt eine Fläche von 8707 Quadratzoll = 1025,53 qm bedeckte.

1868/69 war in Mecklenburg die Gewerbefreiheit eingezogen, was eine starke Anregung zum Mühlenbauen gab. Sei 1870 tauchte eine Windmühle in Tannenhof auf; 1871 baute Heinrich Awe seinen großen Galerieholländer südlich der Friedrich-Franz-Straße, 1885 Rieckhof einen kleineren Holländer an derselben Straßenseite weiter nach Lankow hin. 1891 erbaute Beckmann die Dampfmühle an der nördlichen Seite der Friedrich-Franz-Straße; er mahlte aber nur für die Militärverwaltung.

Damit war der Höhepunkt der Mühlenentwicklung in Schwerin erreicht: 3 Dampfmühlen, 2 Galerieholländer, 2 Erdholländer, 1 Bockmühle, mit Neumühl noch eine Wasser- und eine Windmühle mehr, also 10 Betriebe, der Schleifmühle und der Lohmühle vor der Jägerstraße gar nicht zu gedenken.

Nun erfolgte ein schneller Rückgang. Gebrüder Pingel müssen in den achtziger Jahren erst die Bockmühle abstoßen, dann die Holländermühle verpachten; 1892 können sie auch die


49) Hausakten des Herrn Herbordt von 1853. Damals wurde das Haus, das jetzt noch besteht, an Müller Voß verkauft; nur die Ecke Kaiser-Wilhelm-Straße und Schloßstraße, wo vorher ein kleiner Hof war, ist später ausgebaut.
50) Akte des Amtes Schwerin, Mühlenverkauf Bischofsmühle.
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Dampfmühle nicht mehr halten, die Janssen erwirbt. 1893 wird die Bockmühle abgebrochen, nachdem sie zuletzt kläglich von Hand zu Hand gewandert ist. 1896 brennt die Mitte der Janssenmühle aus, was aber die Tatkraft ihres Besitzers nicht lähmt. Im Juni 1914 wird das große Mühlenwerk Janssens durch einen gewaltigen Brand völlig vernichtet. 1909 brennt die kleinere Holländermühle an der Friedrich-Franz-Straße ab, 1910 der Galerieholländer hinter der Augustenstraße. Paul Fischer erwirbt kurz vor dem Kriege die Awesche Mühle; er bricht sie im zweiten Kriegsjahr ab und verkauft sie nach auswärts. Janssen setzt seine Pläne, eine Großmühle am Ziegelsee zu bauen, bei den Behörden nicht durch und verlegt seinen Hauptbetrieb nach Kleinen. Die Bischofsmühle tritt er 1915 ab an Deppen, den aber die letzten Zeiten wirtschaftlichen Rückgangs 1926 zwingen, sein Werk stillzulegen. Heute steht diese uralte Mühle als trauriges Denkmal großer Vergangenheit da. Die Dampfmühle an der Friedrich-Franz-Straße wird in eine A.-G. verwandelt; sie ist freilich Großhandelsmühle und noch kürzlich wieder ausgebaut. Neben ihr besteht nur noch seit 1903 die Linowsche Dampfmühle, die in der Hauptsache für die mit ihr verbundene Bäckerei arbeitet.

Neumühl hat fast keine Größenentwicklung gehabt. 1611 hat sie eine Walkmühle (Windmühle) mit einem Stempel, deren Lage unbekannt ist, also keine Kornmühle. Nach der Landesvermessung der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gehört zu Neumühl der Erdholländer am scharfen Knick des Weges Neumühl-Lankow; diese Mühle liegt nach einem Blatt der Generalstabskarte aus den achtziger Jahren stadtwärts direkt vor dem Neumühler Gehöft auf der Höhe über der Wittenburger Kunststraße. Sie brannte 1900 ab. Obgleich die Stadt damals keine Windmühle wieder errichten wollte, ist doch bald wieder eine erbaut, und zwar auf der Höhe jenseits Neumühl, wo Verfasser als Schüler um 1903/04 sie liegen sah. Die Wassermühle, die schon im Erbzinsvertrag von 1818 nicht mehr als Korn-, sondern als Öl- und Walkmühle erschien 51 ), brannte 1902 völlig aus. Bald darauf muß auch


51) Jesse II, S. 539. Die Nachrichten seit der Gewerbefreiheit 1868 stammen aus den genau durchgesehenen Schweriner Adreßbüchern und aus eingehenden Gesprächen mit den z. T. heute noch lebenden Müllern oder ihren Angehörigen. Die sehr umfangreichen Akten der Stadtkämmerei über Neumühl geben für den Mühlenbau und -betrieb wenig her. Die Entwicklung der Janssen-Mühle ist nach Akten der Stadtbauamtes dargestellt.
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die Windmühle von Neumühl abgebrochen sein, spätestens 1909; denn seitdem führt das Adreßbuch keinen Müller in Neumühl mehr.

Heute ein Großbetrieb, ein mittlerer Betrieb, nicht ein einziger Kleinbetrieb außer der kleinen, vor wenig Jahren errichteten Motormühle von Beckmann in Görries, - das ist der Abschluß der Geschichte der Schweriner Mühlen.

VII.

Als Mecklenburg zur Zeit Heinrichs des Löwen in das helle Licht der Geschichte trat, gehörte die Anlage von Mühlen zu den grundherrlichen Rechten, die die Grundbestandteile des heraufkommenden Landesherrentums bildeten. Das Recht des Mühlenregals war damals anscheinend im Entstehen, und gelegentlich kommt seine Ausübung durch den Kaiser in den Urkunden vor. Auf mannigfache Weise traten Regal und landesherrliches Grundrecht in den mecklenburgischen Territorien in Erscheinung.

Die Dotation der Bischofsmühle durch den Grafen war Ausfluß aus diesem Recht. Dabei gingen an den Bischof nicht nur die Nutzung dieses Rechtes über, sondern das grundherrliche Recht selbst. Wenn die Grafenmühle in der Form des Kaufes an das Kloster Reinfeld überging, so blieb doch hier eine gewisse Bindung an den Landesherrn gewahrt, wie der Streit mit Hermann Wend und die Rücknahme der Mühle 1398 bezeugen. Die Eigenbewirtschaftung der Schweriner Mühlen im 15. Jahrhundert ging im 16. Jahrhundert in das Rechtsverhältnis der Pachtung über, was bei der Bischofsmühle vielleicht erst im 17. Jahrhundert geschah.

Die Pachtverhältnisse der folgenden Jahrhunderte sind nach der wirtschaftlichen wie nach der rechtlichen Seite überaus reich überliefert.

Die Binnenmühle hatte 1598 mit einer Pacht von

30 Drbt. Roggen (à Scheffel 28 ß) 52 ) und
80 Drbt. Malz (à Scheffel 20 ß),


52) Grundmaße: 1 Last = 2 Drömbt; 1 Drömbt = 12 Scheffel (Rostocker); 1 Scheffel = 60 Pfund (anno 1860); 1 Metze = 6 Pfund (a. 1860); in früherer Zeit 14 Metzen = 1 Schweriner Scheffel; 12 Metzen = 1 Rostocker Scheffel. Die Berechnung ist der Zeit von 1676 entnommen; sie weicht in der Angabe der Last von Raabe, Meckl. Vaterlandskunde, 2. Ausg., 2. Teil, S. 195, beträchtlich ab. 1 Reichstaler = 3 M = 48 ß.
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zus. mit der Windmühle mit einer Pacht von

5 Drbt. Roggen und
8 Drbt. Malz

einen Pachtwert von 1220 Rtlr.; Neumühl mit 38 Drbt. Roggen, 2 Drbt. Weizen einen solchen von 604 Rtlr. 1603 sind diese Werte auf 700 fl. (= 350 Rtlr.) bzw. 350 fl. (= 175 Rtlr.) gesunken, was mit der Bewegung des allgemeinen Wirtschaftslebens übereinstimmt, sich in den einzelnen Gründen aber noch nicht klären ließ. Im Dreißigjährigen Kriege mußte Löther 52a ) für die Binnenmühle 120 Drbt., sein Nachfolger Gantzauer auf Einspruch 140 Drbt. zahlen trotz schwerer Kriegszeiten. Gantzauers Matterknecht J. Ahrens, der später Malzmeister in der Binnenmühle war, berichtete 1675, Gantzauer habe immer behauptet, daß die Mühle viel mehr tragen, daß die Malzmühle allein die Pension bringen könnte. Nach dem Kriege trat wieder ein bedeutender Rückschlag in der Pachthöhe ein: in des Müllers Hoykendorf Vertrag von 1655 53 ) war die Pacht mit 2 Drbt. Weizen, 34 Drbt. Roggen, 36 Drbt. Malz festgesetzt, für Neumühl mit 21 Drbt. Roggen,. für die 1648 mit dem Bistum ans Herzogtum Schwerin gekommene Bischofsmühle mit 17 Drbt. 4 Scheffel Roggen. Jeder Müller hatte dazu jährlich 2 bis 4 Mastschweine zu liefern 54 ). Über Hoykendorfs Pachtung sind zwei weitere Angaben vorhanden:

Bei Abschluß des Vertrages mit Jochim Jörn 1677 wurde von der Kammer ein Durchschnittsgetreidepreis von 6 Rtlr. 4 ß


52a) Anlage 1: Liste der Müller.
53) Ihde, Amt Schwerin, Jahrb. 77, Beiheft, S. 262. Dabei macht Ihde den Fehler, 20 Drömbt Weizen statt 2 zu setzen.
54) S. Ihde, S. 86/88, und Anmerkungen; ich habe sie als Abgabe der Müller zuerst 1675 gefunden.
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für 1 Drömbt zugrunde gelegt, also bedeutend weniger, als Weisel angibt. Dieser Preis würde für Hoykendorf eine Pacht von 590 Rtlr. bedeutet haben (s. unten!). Nach einem gleichzeitigen Kammerbericht war der Oberakzisemeister Daniel Weisel, der nach Absetzung Hoykendorfs ein Jahr lang die Mühlen verwaltete, zu folgender Pachtsumme verpflichtet:

Wenn man die 19 Drbt. der Bischofsmühle gleich 136 Rtlr. setzte, würde für die Binnenmühle sich eine Pacht von 594 Rtlr. (s. oben!) ergeben. Die Neumühle wurde 1667 zu 28 Drbt. Roggen verpachtet. Daniel Weisel drückte die beiden ihm unterstellten Müller, Ahrens auf der Binnenmühle, Icke auf der Bischofsmühle, so sehr, daß sie sich bei der Kammer beklagten.

Jörns eigener Vertrag lautete auf 2 Drbt. Weizen, 30 Drbt. Roggen, 40 Drbt. Malz, 4 Mastschweine = 73 1/2 Drbt. Das würde nach Weisels Einheitspreisen eine Pachtsumme von 572 Rtlr. ergeben, nach dem Durchschnittspreis der Kammer 477 3/4 Rtlr. Wenn auch diese Angaben bei einem Vergleich noch gewisse Unklarheiten lassen, so war doch anders ein Ergebnis nicht zu erzielen. Die Berechnungen arbeiten mit abgerundeten und manchmal stark angleichenden Zahlen und folgen darin Weisels Art in seiner umfassenden Buchführung 55 ).


55) Eine letzthin klare Preisberechnung ist von Schwankungen des Geldwertes und der Sachwerte, von Zeitverhältnissen, Angebot und Nachfrage, besonderen Notständen abhängig, darum äußerst schwierig. Vorarbeiten auf diesem Gebiete gibt es kaum, wie Luschin von Ebengreuth in seiner allgemeinen Münzkunde und Geldgeschichte 1904 in § 25 (Münzwert in alter Zeit) ausführt. Abgesehen von dem örtlichen Belange kann diese ganze Reihe der Pachtwerte als Unterlage für eine zukünftige Geschichte des Geldwertes in Westmecklenburg neben anderen Reihen von Preisen Bedeutung haben.
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Jörns Nachfolger zahlt 1709 150 Drbt. = 730 Rtlr.; eine Liste aller Mühlen im Amte Schwerin von 1718 setzt für Hancke wieder nur 120 Drbt. = 706 Rtlr. Die Kornpreise in dieser Liste zeigen in den verschiedenen Gegenden desselben Amtes starke Unterschiede. Neumühl zahlte 1718 43 Drbt., gegen 1667 eine wesentliche Erhöhung, die auch weiterhin stetig blieb. Wenn der folgende Müller auf der Binnenmühle, Jörn (II), um 1730 nur 636 Rtlr. zahlte, so wurde der Rückgang diesmal mit dem großen, durch drei Jahre andauernden Wassermangel begründet. Sein Nachfolger zahlte für die drei ersten Pachtjahre 10 Drbt. mehr als er und war verpflichtet, dann noch einmal einer Erhöhung der Pacht um 10 Drbt. zuzustimmen, wenn bessere Wasserverhältnisse herrschten. Um diese 10 Drbt. entspann sich ein drei Jahre währender Streit, der mit der Festsetzung von 716 Rtlrn. endete. Bei Ansetzung des gleichen Kornpreises wie 1730 würde das eine Erhöhung von wenig mehr als 1 Drbt. bedeuten. Freilich wurde dem Pächter Röper dazu auferlegt, 100 Rtlr. Sicherheit zu stellen, wozu vorher schon Ahrens verpflichtet war, der aber seine Summe noch nicht wieder zurückerhalten hatte. Diese Sicherheitsstellung blieb von nun an eine dauernde Einrichtung. Einige andere kleine Verpflichtungen kamen für Röper noch dazu 56 ).

Mit dem starken Wachsen der Betriebsgröße der Mühlen, das, wie wir berichteten, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einsetzte; verband sich natürlich eine Erhöhung der Pachtsummen. Gleichzeitig setzte ein Schwanken der Meinung über den Wert der gebundenen Wirtschaftsform ein. Die besonders schlechte Finanzlage der herzoglichen Kassen um diese Zeit ist bekannt 57 ). Der Streit des Herzogs Friedrich mit der Kammer, der sich Jahrzehnte hinzog, berührte das ganze mecklenburgische Wirtschaftsleben. All das machte sich bei der Verpachtung der Mühlen stark bemerkbar. 1763 wurde die Pacht aller Mühlen um 500 Rtlr. 28 ß N 2/3 erhöht und dem Müller die Sonderleistung des oben erwähnten Mühlenbaues auferlegt. Wenn auch das Wachsen der Bevölkerung, die Entwertung des Geldes hierbei mitspielte, so hatte doch das zähe Drängen der Kammer auf höhere Pacht mehr seinen Grund in den eben


56) Pacht in natura gezahlt; erst 1748 wird der Witwe Röper gestattet, von 12 1/2 Last im Quartal 2 in Geld mit 36 Tlr. zu bezahlen.
57) Witte, Kulturbilder aus Alt-Mecklenburg I.
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genannten Dingen. Nach Röpers Tode 1785 wurde der Ertragsanschlag für einen Pachttermin auf 3416 Rtlr. 41 ß außer zu lieferndem Korn festgesetzt. Meister Volrad Wasmuth, "ein nicht unbemittelter und friedfertiger Mann", bot in dem Termin - es handelte sich nicht mehr um einfache Verpachtung, sondern um nackten Meistbot ohne Berücksichtigung des bisherigen Pächters - allerdings noch mehr, nämlich 3600 Rtlr., dazu 98 Drbt. reinen Roggen, den er mit 8 Scheffel Aufmaß à Last zum herzoglichen Kornboden zu liefern hatte.

Nachdem schon 1763 Erwägungen über getrennte Verpachtung der Mühlen gepflogen waren, trat diese 1817 wirklich ein. Die Ertragsanschläge der Kammer bezifferten sich für Binnen- und Bischofsmühle auf 7886 Rtlr. Die Versteigerung erbrachte

5025 Rtlr. für die Binnenmühle,
3655 Rtlr. für die Bischofsmühle (mit Windmühle),
----------
Summe 5025 Rtlr. Überschuß 794 Rtlr.

Dabei hatte schon der Ertragsanschlag die Pacht der letzten acht Jahre um 1821 Rtlr. überstiegen; der Termin brachte also einen Gesamtüberschuß von 2614 Rtlrn. Schon vier Tage nach dem Termin erteilte das großherzogliche Ministerium den Zuschlag und gestand 16 Vertragsjahre zu. Fast scheint es, als sei es kein Zugeständnis, sondern als wolle das Ministerium diese hohe Pachtsumme möglichst lange festhalten; um so mehr könnte man dies glauben, als Jahre schweren wirtschaftlichen Rückganges folgen. Zunächst brachte freilich noch im selben Jahre der Termin zur Veräußerung des Erbzinsrechtes von Neumühl die Summe von 12510 Rtlr. durch Wasmuths Erben, was die Kammer in höchstes Erstaunen setzte.

Die Mißjahre brachten für alle drei Betriebe den vollen Zusammenbruch. 1824 mußte der Großherzog die Binnenmühle zurücknehmen unter einem jährlichen Verlust von 2200 Rtlr.; der neue Pächter Glamann wurde dann 1830 freilich schon wieder auf 3000 Rtlr. gesteigert; er zahlte sie auch. Wiencke, der neue Pächter der Bischofsmühle, war von Wasmuth jun. nur vorgeschoben, war in Wirklichkeit dessen Verwalter mit einem Gehalt von 300 Rtlr. Als Wasmuths Erben ihm seinen Vertrag nicht halten wollten, klagte er gegen sie; andererseits wollte er aber auch nicht von seinem formalen Recht, der Pachtung, Abstand nehmen. Bei einer neuen Versteigerung

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1825 setzte er sein ganzes Vermögen daran, die Pachtung zu behalten. Bald aber bat er um Herabsetzung der Pacht und um Rücksichtnahme bei der Zahlung seiner rückständigen Pachtsummen von 3500 Rtlrn. Lange blieb der Großherzog unnachgiebig; er befahl von neuem allgemeine Versteigerung. Diese brachte plötzlich nur 1860 Rtlr.; 2850 waren gefordert. Nach vielen Schreibereien hin und her steigerte Wiencke sein Gebot auf 2200, dann auf 2400, zuletzt auf 2500 Rtlr. Zu diesem Preise erhielt er die Pachtgenehmigung mit Auferlegung vieler kleiner Bedingungen. Als er 1830 starb, mußten seine Erben wieder um die Pacht kämpfen und sich schließlich auf die Summe von 2800 Rtlrn. einlassen; auch im Streit um die Rückstände erfolgte endlich eine Einigung. Auch um Neumühl entspann sich ein großer Streit. Kuetemeyer, der Vertreter der Wasmuthschen Erben, führte ihn mit großer Kraft und Gewandtheit; bei seinem großen Ansehen konnte er sich Schroffheiten und Schärfen gegen die Kammer leisten, "die 1817 die Verpachtung rücksichtslos hochgetrieben habe". Hart blieben die Antworten der Kammer.

Grundzins und Zeitpacht für die Hufe betrugen 1725 Rtlr. 14 ß 6 Pf., der Mühlenanschlag 543 Rtlr. 14 ß 6 Pf. Letzteren setzte die Kammer 1826 auf 325 Rtlr. 19 ß 3 Pf. herab, womit Kuetemeyer sich zufrieden gab. Der Kampf ging aber weiter um die Rückstände und Pachtvorschüsse (diese wahrscheinlich der Ersatz für die frühere Sicherheitsleistung). Endlich verkaufte Kuetemeyer 1829 für Wasmuths Erben Neumühl um 8045 Rtlr. an den Müller Heldt von der Woldmühle; gegen 1817 ein großer Verlust.

Mit 1830 ungefähr brechen diese Pachtakten ab. Das ständige Wachsen der Bevölkerung, die modernen Einrichtungen der vermehrten Mahlmittel werden ständig steigende Pachtsummen gebracht haben. Festzustellen war der Preis für das Wohnhaus der Binnenmühle. Dieses wurde bei Aufhebung des Wassermühlenbetriebes für 2935 Rtlr. an Müller Voß verkauft, der von hier aus die Windmühlen am Wittenburger Tor weiter betrieb. Festzustellen war der Preis, für den Karl Pingel 1864 die Bischofsdampfmühle mit Wasser-, Bock-, Holländermühle kaufte, wobei einiges Inventar schon sein eigen war. Der Preis für alle diese Mühlen mit einem Mahlkontingent von 82000 Scheffeln, von denen 6600 aus der Stadt, die übrigen aus 28 Domanialdörfern kamen, betrug 43 100 Rtlr.

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VIII.

Nicht nur von diesen rein wirtschaftlichen Fragen des Pachtverhältnisses der Müller, sondern auch von der förmlichen und rechtlichen Seite der Mühlenverpachtung gewinnt man ein klares Bild.

Die Pächter hatten den Müllereid zu schwören, wie er in der Polizeiverordnung von 1572 steht (in der von 1516 noch nicht vorhanden) 58 ) und wie er in einer zweiten Form aus der Zeit Adolf Friedrichs I. von etwa 1620 erhalten ist 59 ). Die Eidesleistung kam wahrscheinlich um die Mitte des 16. Jahrhunderts auf. Da der Übergang aus der Eigenwirtschaft zur Verpachtung der Mühlen in dieses Jahrhundert fällt, liegt der Gedanke eines Zusammenhanges des Müllereides mit der veränderten Wirtschaftsart nahe, wenngleich er sich nicht genau erweisen läßt. Seitdem wurden in den folgenden Jahrhunderten immer wieder Müllereide geleistet.

Leider ist nur ein einziger Pachtvertrag erhalten, der des Müllers Jörn vom 11. Juni 1677 60 ). Der Vertrag ist auf zwei Jahre geschlossen; als Pachtzeiten kommen sonst noch vor 3, 6, 10, 12, 16, 18 Jahre. Ein Vertrag lautete bei der Binnen- und bei der Bischofsmühle immer auf Zeitpacht 61 ), während Neumühl mindestens seit 1784, wo Jörn als Erbmüller bezeichnet wurde, wahrscheinlich aber viel früher, im Erbpachtverhältnis stand. Nach jenem Vertrag waren die Lasten und Pflichten des Müllers: Pachtzahlung (Nr. 2 des Vertrages), freie Übernahme von Eisen- und Steinverschleiß (Nr. 3), gebührliche Behandlung der Mahlgäste, ehrliches Metzen bei bestimmtem metzenfreien Mahlen für Hofstatt, Prediger, Hofbediente und Schützenkönig, dazu Zimmermannsarbeit auf dem Schloß (Nr. 4), Erhaltung und Pflege der Gebäude, Geräte, Brücke und Schleusen (Nr. 5), Aufstellung eines Inventarverzeichnisses (Nr. 6). Bestimmungen über Herabsetzung der Pacht bei Kriegsschäden, Vorpachtrecht bei gleicher Pachtsumme, Bürg-


58) Entwicklung der Polizei-Ordnung Jahrb. 57: Pol.-O. von 1516, dort abgedr.; 1542 wenig veränderte Fassung; 1562 und 1572 eingehende Revisionen.
59) Anlage 2: Müllereid.
60) Anlage 3: Vertrag Jörn 1677.
61) Übel der Zeitpacht im allgemeinen s. Witte, Kulturbilder aus Alt-Mecklenburg I, S. 129.
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schaft des Müllers mit seiner beweglichen und unbeweglichen Habe, auch der seiner Familie, und eine Zeugenliste bilden den Schluß des Vertrages.

Inventarverzeichnisse werden des öfteren erwähnt, es fanden sich aber nur zwei nicht sehr umfangreiche der Bischofsmühle von 1578 und 1600 62 ).

Mehrere vorher getroffene Abmachungen, Verhandlungen, Erwägungen der Kammer sind vorhanden, die aber in dem wirklichen Pachtverhältnis nicht immer aufrechterhalten blieben, Aus ihnen sei nur erwähnt die seit alters gebräuchliche Bestimmung: Holz und Materialien sollen bei Ausbesserungen dem Müller gereicht werden, eine Bestimmung, die in Jörns Vertrag nicht klar zum Ausdruck kam. In diesen Erwägungen traten im Jahre 1763 zuerst die Gedanken der getrennten Verpachtung der Mühlen und des Wettbewerbs der Betriebe hervor; dabei waren natürlich das Recht des Mahlzwanges, des jus banni oder des Mahlbezirkes, das Metzen in natura (statt in Geld oder nach Gewicht) lästig. Die Empfehlung solcher Pläne, die uns eigentlich in das 19. Jahrhundert zu gehören scheinen, waren noch sehr vorsichtig; wie die Kammer berichtete, waren eines Tages Vorschläge der Polizeikommission, die nach dieser Richtung zielten, sogar völlig aus den Akten der Kammer verschwunden.

1809 schlug Stüdemann bei einem Antrag zu einem neuen Pachtvertrag vor: "Zur Behebung aller Schäden im Mühlenbetrieb, die für Bürger, Verpächter, für die Qualität des Mehles doch noch immer vorhanden sind, ist das einzige Mittel: Freie Konkurrenz, Verpachtung ohne Bevorrechtung. Malchin ist sehr zufrieden damit, Rostock, Güstrow, Waren, Malchin haben weder Metze noch Mahlgeld und sind ein Beispiel, daß es auch ohne dem gut geht; Schwerin steht einzig in der Welt da." Erst 1817 bekannte sich auch der Großherzog grundsätzlich zu diesem Gedanken, erklärte aber, die örtlichen Verhältnisse der Schweriner Mühlen zwängen zu dem anderen Wege. Noch in den dreißiger und vierziger Jahren schwankte die Kammer zwischen beiden Wegen; es lockerten sich die Formen der gebundenen Wirtschaftsart, der Mahlzwang wurde durchbrochen und erleichtert, die Bannbezirke verschoben sich, die Pungen-


62) Inventare der Bischofsmühle im Geh. u. Haupt-Archive; Akten des Stiftes Schwerin, Bündel: Güter und Dörfer; Medewege.
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wagen durften in andere Bezirke fahren, bis 1869 mit der Aufhebung des Zunftwesens und der vollen Durchführung freier Wirtschaftsformen auch im Mühlenwesen alle alten Einrichtungen dahinschwanden.

Zu den Rechtspflichten der Müller gehörte auch die Beachtung des herzoglichen Rechts auf Alleinhandel mit Mühlensteinen 63 ). Seit 1530 liegen darüber Akten vor. Wann es entstanden ist, ob neben ihm ein gewisser selbständiger Handel der beiden Städte Wismar und Rostock bestand, die im Mittelalter stärksten Mühlensteinhandel hatten, ist nicht zu erkennen. Boizenburg als der Hafen des Güstrower, Dömitz als der des Mecklenburger Landesteils, waren die Lagerplätze der aus dem Elbsandsteingebirge bezogenen Steine, welche gelegentlich auch aus Perleberg kamen. Die rheinischen Steine - es waren wahrscheinlich französische Hartsteine: "Franzosen" - wurden meistens über Hamburg bezogen. Dieses Recht auf Alleinhandel bestand unverändert bis 1781. Die Zwangsmahlgäste waren verpflichtet, ihren Müllern die Steine gegen Entlohnung anzufahren. In den letzten Jahren vor 1781 häuften sich die Klagen, daß die Müller sich der Pflicht entzogen, das herzogliche Recht zu achten; dabei erkent man nicht, wo sie kauften. Es erfolgten Mahnungen an die Müller, bei 50 Rtlrn. Strafe nirgends anders als vom Elbzollkommissar Ehlers in Dömitz zu beziehen, dem der Betrieb des Mühlensteinhandels bis Ostern 1781 verpachtet war. Kurz vor Ablauf dieser Pachtzeit wurde am 12. Januar 1781 den Müllern im Domanium die alte Verpflichtung vor der Hand erlassen; dafür setzte der Herzog voraus, daß die Müller sich des Rechts der freien Anfuhr durch Zwangsmahlgäste begäben. Die allgemeine Verordnung über die Aufhebung des Alleinhandelsrechts auf Mühlensteine wurde in den Mecklenburger Nachrichten vom 27. Januar 1781 veröffentlicht.

Pachtverhältnisse sind auch vor Ablauf der Pachtzeit aufgehoben worden. Jochim Hoykendorf wurde im Frühjahr 1676 seiner Pachtung enthoben und durch einen langen Rechtsstreit wegen vielerlei Verfehlungen zur Rechenschaft gezogen; für ihn führte ein Jahr lang der Salz- und Oberakzisemeister Daniel Weisel eine harte Verwaltung mit genauester Buchführung; von ihr sind Reinschrift und Unterlagen vollständig


63) Geh. u. Haupt-Archiv: Acta gen. Mühlen, Mühlensteinhandel.
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erhalten; über seine kühnen Abrundungen darin ist oben berichtet worden. Auch der Mühlenpächter Ahrens verlor wegen seiner Unterschleife die Mühlen, und zwar auf Drängen der Mühlenzunft 64 ). Das war im Jahre 1725. Ein weiterer Fall vorzeitiger Zurücknahme des Pachtgegenstandes durch den Großherzog Friedrich Franz I. ist oben bei der Darstellung der Pachterträge behandelt worden.

IX.

Die Frage der staatlichen Gesetze über das Mühlenwesen soll nur kurz gestreift werden. Auf den Unterschied zwischen der Polizeiordnung von 1516 und denen von 1562/72 ist hingewiesen. Der Landesgrundgesetzliche Erbvergleich enthält in Beilage Nr. VII (Instruktion für die Einnehmer bei dem städtischen Modo Contribuendi), Anmerkungen zu Kapitel 6 und 7, neben einer Eidesformel Bestimmungen über die Steuerpflicht der Müller. Gewerbe- und Nahrungssteuer brauchen die Leute mit Kopf- und Kammersteuer nicht zu zahlen 65 ). An bestimmten Angaben über Steuern ist nur eine vorhanden: Hancke berechnete 1709 seine Ausgaben für die Mühle; zu ihnen gehörten 16 Rtlr. Lizent und Kopfgeld. In einer Rundfrage der Kalkulatoren 1770 sind nach Ansicht des Herzogs Friedrich die Müller mit in die Gewerbe- und Nahrungssteuer eingeschlossen, obgleich er zweifelte, daß durchgehends auf diese Erlegnisse gehalten würde. Entsprungen war diese Rundfrage einem früher eingetretenen Fall. Meister Röper von der Binnenmühle war 1756 zur Gewerbe- und Nahrungssteuer veranlagt worden; er hatte sich über die Steuerstube beschwert, Herzog Friedrich aber die Bitte in puncto exemtionis abgelehnt. Die endgültige Regelung erfolgte dann 1779 durch die allgemeine Verordnung: die Müller haben trotz des Rechtes auf Freiheit von Gewerbe- und Nahrungssteuer doch für den Fall, daß sie durch Malzen, Brennen und großen Verkehr (heißt vermutlich Mehlhandel) bürgerliche, mithin steuerpflichtige Nahrung treiben, ordentlich und ediktmäßig steuern müssen. Erwähnt sei auch


64) Die Frage Müllerzunft in Schwerin kann nur im Zusammenhang mit der Gesamtaufgabe: Müllerzunft im Lande behandelt werden.
65) Geh. u. Haupt-Archiv: Gen. Civ. Accise, IV. Mahl- und Schlachtsteuer, Vol. I u. II; Kopfsteuer: LGGEV. Art. I § 44, 6 u. Anm. a.
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die Angabe über die Türkensteuer des Bischofsmüllers aus der Zeit, als er noch zum Stift Bützow gehörte. Er zahlte 1579 = 6 ß; 1576 = 8 ß; 1596 = 16 ß; 1597 = 20 ß; 1600 = 8 ß; 1602/3 = 12 ß jedes Jahr.

Die Bestimmung in dem LGGEV. Art. 14 §§ 259 und 261 über Mühlen bezieht sich auf ritterschaftliche Handwerker. Der Schweriner Mühlenpächter war aber amtssässig, Domanialeinwohner. Erst im Anfang des 19. Jahrhunderts erwarb er das Bürgerrecht der Stadt Schwerin.

X.

Mit diesen Ausführungen ist schon das Verhältnis der Mühlen zur Stadt gestreift. Mehrfach war gesagt, daß die Stadt Schwerin eine Sonderstellung im Mühlenwesen hätte. Im Mittelalter hatte der Rat dem Kloster Reinfeld seinen Schutz zugesagt, er mußte sich ja die Inhaber der Mühle günstig stimmen. Der Rat konnte zunächst nichts weiter tun, als etwaige Beschwerden seiner Bürger zu unterstützen, deren Zwangsmahlpflicht zur Binnenmühle aktenmäßig erst kurz vor dem Dreißigjährigen Kriege festgestellt werden konnte. Freilich konnte es dabei vorkommen, daß unter den abgefaßten Zwangsmahlgästen, die versuchten, ihr Korn auf der Bischofsmühle mahlen zu lassen und dem Binnenmüller seine Metze zu entziehen, sich ein Ratsverwandter fand 66 ). Auch in dem großen Rechtsstreit Jochim Hoykendorfs vertrat der Rat die Belange seiner Bürger in nachdrücklicher Weise. In der Zeit, als bei der Kammer die ersten Zweifel an dem Wert der gebundenen Wirtschaftsart auftraten, machte der Rat den ersten Versuch, eine selbständige Stellung gegenüber dem herzoglichen Mühlenmonopol zu erreichen 67 ). Am 26. Juli 1763 legte er dem Herzog einen umfangreichen Antrag vor, alle Mühlen zusammen zu gleichen Bedingungen wie Mühlenmeister Röper in Pacht zu nehmen und für gute Bedienung der Einwohner zu sorgen (wobei schärfster Tadel an Röpers bisherigem Verfahren geübt wurde). Am Tage vorher hatten Rat, Sechszehnmänner und Bürgerschaft diesen Plan gutgeheißen. Unter Führung des


66) 1633 Jochim Gamme.
67) Besonders beachtenswert, wenn man diese Vorgänge in den Rahmen der Pläne zur Änderung der Agrarpolitik in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stellt, wie Witte sie in den Kulturbildern aus Alt-Mecklenburg I schildert.
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Stadtsekretärs Kuetemeyer hatten sich drei reiche Bürger, Bürger und Kornhändler Hollien, Bürger und Bäcker Görentz, Bürger Lütgens, verpflichtet, der Kammer gegenüber für Geldbeschaffung und für gute Afterpächter der Mühlen zu bürgen. Auf Empfehlung seines Rates Blume antwortete Herzog Friedrich am 1. August, daß man von Röpers Vertrag, über den schon Ende April in der Kammer verhandelt war, noch Abstand nehme, daß mit den Deputierten des Rates zu verhandeln und die Frage der Stempelsäcke (s. unten!) noch zu beheben sei, daß die anderen "Conditiones preferabel" seien. - Wie mag die Sache weiter verlaufen sein? - Wir wissen es nicht. Aber Röper hatte bald darauf wieder die Mühle, und schon 1765 beschwerte sich der Rat über den großen Kornhandel Röpers, der über den Handel mit Metzenkorn weit hinausgehe, ohne daß Röper an den Oneribus civicis (städtischen Lasten) teilnähme. Röpers Gegeneingabe wurde kurz und schroff von der Kammer abgelehnt: "Du hast dazu keine Konzession; der § 374 des LGGEV. spricht wider dich." Dabei wurde dem Rat mitgeteilt, daß der Brüeler Pachtmüller durch Gerichtsbeschluß verurteilt wäre, die Bürgerschaft zu erwerben; auf des Rates Bitte wurde ihm von dem Herzog das Brüeler Urteil zugestellt. Röper aber tat, als habe er alles Recht auf seiner Seite, und machte gar keine Miene, städtische Obliegenheiten zu erfüllen. Ein jahrelanger ähnlicher Streit wurde 1825/27 und 1831/40 zwischen der Stadt und dem Mühlenpächter Glamann ausgefochten; wieder hieß die städtische Beschwerde: Der Mehlhandel des Binnenmüllers bringt viel, aber der Müller zahlt nur wenig. Einen zweiten großen Vorstoß, die Mühlen in seinen Betrieb zu bekommen, machte der Rat vor dem Versteigerungstermin 1816. Vergleiche mit anderen Städten, z. B. Parchim, das überhaupt keine Mühlenabgaben kenne, auch mit anderen Ländern, wurden von der Stadt in ihrem Antrag herangezogen. Der Bericht des Amtshauptmannes Glöckler, der zwar viele Schäden in den Schweriner Mühlenverhältnissen zugab und gute Verbesserungsvorschläge machte (der Bischofsmühle einen Weizenmahlgang einzurichten, die Binnenmühle durch Beigabe einer Windmühle mit Weizengang und durch bessere Leitung der Seeke vom Pfaffenteich unabhängig zu machen), gipfelte in dem Satz: "Der Rat will sich nur allem Mühlenzwang entziehen." Man fühlt die Abneigung des übergewissenhaften Beamten gegen so viel bürgerlichen Freiheitssinn. Auch

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der begutachtende Kammerrat wußte der Schäden noch neue: in trockenem Sommer mahlt die Bischofsmühle nur mit einem Gang, und oft ist Korn zum Abmahlen schon nach Moidentin gebracht 68 ). Wenn er mit Wismar und Rostock verglich, dann kam er doch wieder zu ablehnendem Bescheide: "So lange Mühlen verpachtet werden, muß der Zwang bleiben, bei Eigentum wäre es anders." So fand der Großherzog die Lösung in dem Vergleich, daß die Schweriner Mühlen geteilt würden, daß Neumühl in Erbpacht, die Stadtmühlen in Zeitpacht ohne weiteren als bestehenden Mahlzwang ausgegeben werden sollten, daß Landbaumeister Wünsch mit dem Amtshauptmann über die besten Mittel dazu verhandeln und Vorschläge machen sollte. Die Stadt hatte also wiederum nichts erreicht. Auch für sie kam der wirkliche Anbruch der Neuzeit erst mit dem Jahre 1869 der Entstehung der Gewerbefreiheit.

Einer städtischen Angelegenheit soll hier noch gedacht werden, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Mühlenwesen steht. Als 1780 bei einer gründlichen Ausräumung des Fließgrabens in der Nähe des Mühlentores (anscheinend nicht durch den Müller, sondern durch den Rat) dem am Fließgraben wohnenden Bürger D. Bernien seine lebende Hecke beschädigt wurde und er um ein neues Bollwerk am Fließgraben bat, bewilligte es die Stadt bereitwillig, Bernien mußte aber die Hälfte des Holzes bezahlen. Der Grund für dieses Vorgehen der Stadt, der nur beiläufig erwähnt ist in den Worten des Bürgermeisters: "Wir wollen die Einfahrt in unsere Stadt etwas anständiger machen", ist doch von Bedeutung. Da man aus Wittes mecklenburgischen Kulturbildern den dürftigen Zustand der damaligen Städte und das gleichgültige Verhalten der Stadtverwaltungen gegenüber Schmutz und Unordnung kennt, so fällt dieser Verschönerungssinn der Schweriner Stadtverwaltung ganz besonders ins Auge 69 ).

Die Windmühle des Binnenmüllers und die des Bischofsmüllers standen von Anfang an auf städtischer Feldmark, wie das eine Karte von etwa 1847 nachweist, die im Besitz der Reichsbahndirektion Schwerin ist. Daher steht die Jurisdiktion und Polizei auf ihnen den städtischen Behörden zu. Auf der Bischofsmühle hat die Stadt um 1864 nur die Sicherheitspolizei,


68) Moidentin hat 1860 die erste Mühle Mecklenburgs nach amerikanischer Art.
69) Vgl. Witte, Kulturbilder I.
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aber im Kaufvertrag H. Pingels wird diesem in § 18 auferlegt, daß er sich jederzeit gefallen lassen muß, daß auch auf ihr Jurisdiktion und Polizei den städtischen Behörden übertragen werden. Das wird bald darauf durchgeführt sein. Der Platz vor dem Mühlengebäude geht aber erst 1875 in Stadtrecht über.

XI.

Das Verhältnis der Mühlen zueinander brachte durchweg recht bewegte Zustände und Ereignisse. Hier in Schwerin war das nicht der Fall. Gegensätze zwischen Grafen- und Bischofsmühle, wie sie im Mittelalter um die Stauhöhe bestanden hatten, kamen seit dem Westfälischen Frieden nicht mehr vor, da nun die Mühlen in einer Hand waren. Vor und im Dreißigjährigen Kriege wurde in einigen Fällen das Ausmahlen, so nannte man das Mahlen in einem anderen als dem Zwangsbezirk, den Schweriner Bürgern leicht gelegt. Ein Bericht des Amtmannes Pellikan 1593 an den Administrator Herzog Ulrich zeigte, daß kurz vorher solche Fälle durch Räte von beiden Seiten in Richtigkeit gebracht und jedem Teil ein Bericht zur Nachachtung zugestellt war. Selbst der Schwedenobrist Ribling und sein Leutnant in Groß-Medewege, welche die Bischofsmühle unter sich hatten, erhielten in diesem Punkt Recht für ihre Mühle. Auch in der Frage des Ausmahlens waren nach dem Kriege die Gegensätze geschwunden. Erst im 19. Jahrhundert traten die Mühlen wieder in Wettbewerb zueinander; aber nun waren die alten Streitgründe des Wasserstaues nicht mehr von Wichtigkeit, denn beide Betriebe hatten bei niedrigem Wasserstand einen Ersatz der Triebkraft in ihren Windmühlen.

Der Wettbewerb der Mühlen um die Grenzen ihrer Bannbezirke war in Schwerin ebenfalls gering: die Binnenmühle hatte das Gebiet der Altstadt, die Bischofsmühle die Schelfe und die altbischöflichen Dörfer 70 ), Neumühl einen großen ländlichen Mahlbezirk von Pampow am Buchholz bis Trebbow und Dalberg an der Stepenitz. Nach Südosten grenzte an Schwerin der Bannbezirk der Banzkower Mühle mit Consrade und Mueß als den nächsten Dörfern; die hatten es sicher bequemer nach Banzkow als nach Schwerin auf dem umständlichen Weg durch die Stadttore mit ihren einschränkenden Bestimmungen. Zwischenfälle mit Banzkow fanden sich in den Akten nicht.


70) Bischofsdörfer: zuerst Rampe, Medewege, Hundorf, Wickendorf; später in den Listen der Türkensteuer auch Lankow u. Dalberg.
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Ein Streit zwischen dem Trebbower Gutsmüller Hans Ratke aus der Düsterloksmühle, die fast bis 1800 an der Au südlich vom Trebbower See im nördlichsten Winkel des Waldes lag, und dem Binnenmüllermeister Adam Wilcken 1651 drehte sich nicht um irgendwelche sachlichen Dinge, sondern war eine reine Beleidigungsklage. Wilcken hatte den Ratke vor Knechten einen Pfuscher genannt, mußte ihm aber nach vielen Gerichtsverhandlungen eine Ehrenerklärung geben. Zwischen der Binnenmühle und Neumühl wird nur zweimal ein Streitfall erwähnt. 1682 beschwerte sich Jochim Jürgen über seinen eigenen Bruder, Müller in Neumühl, daß er Mehl zur Stadt verkaufte, daß Leute aus der Stadt Korn nach Neumühl zum Ausmahlen brächten. Der Herzog befahl dem Generalmajor von Halberstadt, er sollte es verhindern, d. h. die Torposten sollten die Müllerwagen zurückweisen. In einer ähnlichen Beschwerde Hanckes 1711 wurde zum Ausdruck gebracht, daß solches Ausmahlen auf den Landmühlen dem Steuerkommissar gleichgültig wäre, wenn er nur seine Steuer bekäme, daß er, der Müller, aber die Schädigung nicht ertragen könnte. Erst im 19. Jahrhundert setzte für den Neumühler Müller ein großer Wettbewerb mit seinen ländlichen Nachbarmüllern ein. Man durchbrach immer mehr die feststehenden Banngrenzen 71 ), von dem Gedanken des bürgerlichen Individualismus und der in Preußen geltenden Gewerbefreiheit beeinflußt. Zwangsmahlgäste gingen zu fremden Mühlen über; Pungenwagen aus Dambeck, Mühlen-Eichsen, ja selbst aus der Grönings-Mühle bei Wismar suchten seine Mahlgäste zu gewinnen und fuhren ihm immer wieder in seinen Bezirk. Die Regierung verhielt sich schwankend, verbot und strafte hier, gewährte Sonderfreiheit dort, hob Vorschriften ganz auf und kehrte dann doch wieder zu dem alten Verfahren zurück. Am verwirrtesten ist die Sache in den vierziger Jahren; wiederum ist es das Jahr 1869, das mit überalterten Sitten aufräumte.

Die zunftmäßigen Verhältnisse der Müller müssen gesondert in einer Arbeit über die Müllerzünfte des ganzen Landes behandelt werden. Hier ist nur so viel zu sagen, daß von der alten Form einer freien, selbständigen Müllerzunft für Schwerin keine Nachrichten vorliegen, daß aber die neue Form der Zunft, die sich Ihre Sonderrechte vom Herzog erbat, von Schwerin aus-


71) Anlage 4: Liste der Dörfer im Neumühler Bannbezirk 1560, 1676, 1818.
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ging. Jener berüchtigte Hoykendorf hatte sie in den letzten Jahren vor seinem Sturz gegründet; mit ihm schlief die Sache wieder ein; am 16. Januar 1700 griff Hancke den Gedanken der Zunft wieder auf. Auf seinen Antrag gab der Herzog in einer Zunftrolle für die Müller des ganzen Landes diesen ihre Sonderrechte. Ein reges Zunftleben entwickelte sich; die eine Landeszunft teilte sich in Amtszünfte; aber all das führt über Schweriner Angelegenheiten und den Rahmen dieser Arbeit hinaus.

Der Stand und die Person des Müllers galten als unehrlich 72 ). In den Akten der Schweriner Mühlen ist darüber nicht viel zu finden. 1671 klagte der Malzmeister Ahrens, der den Brauern und Bäckern wegen richtiger Zahlung der Akzise auf die Finger zu sehen hatte, daß sein Sohn, der das Mühlenhandwerk gelernt, darauf gewandert und in Wismar auch vorgerücket ist, und er selbst "bloß wegen dieses meines Amtes vor Schelme gescholten" seien, daß man dem Sohn Schurzfell und Bindaxt genommen und ihn habe unehrlich machen wollen. Wenn in demselben Jahre Hoykendorf eine Flut von Schimpfworten der Hedwig Turow, Bürgers und Kürschners Andreas Dabelsteins Eheweibes, über sich ergehen lassen mußte, so hatte diese tapfere Frau sicher Recht mit den Vorwürfen, er sei ein Dieb und Schelm, weil er zu viel metze (matte, vgl. S. 124). In dem anschließenden Rechtsstreite wurde in vielen Verhören aber nur ein richtiger Rattenschwanz von Klatsch vorgebracht; wie sein Ausgang war, ist nicht zu ersehen. Vier Jahre später ereilte den Hoykendorf sein Schicksal. In seinem letzten Rechtsstreite kamen alle seine Betrugsarten und Unterschleife, so viel nur ein Müller begehen kann, an das Tageslicht. Sie sollen weiter unten bei der Behandlung des Mühlenbetriebes besprochen werden. Nur ein Müllerwort sei hier erwähnt: "Schäfer, Müller und Leineweber sind nicht die reinlichsten unter denen, so tapfer zugreifen." Hoykendorfs eigene Leute nannten ihn den alten Dieb. Der Matterknecht Peter Schwitzer wurde von seinem Kameraden mit der Redensart gewarnt, "wenn er nicht aus der Mühle kommen wehre, hätte er Leib und Seele vermattet". Auch später sind es immer die gleichen Klagen über die Unehrlichkeit, über zu vieles Metzen, die gegen die Müller erhoben wurden. Hoykendorf und Röper


72) Beneke, Von unehrlichen Leuten. Berlin 1889. Barnewitz, a. a. O.
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jun. scheinen die schlimmsten gewesen zu sein, während 1730 dem Jörn nachgesagt wurde, er sei bis dahin der ehrlichste gewesen.

XII.

Zu der Geschichte des Mühlenwesens gehört die Entwicklung der technischen Einrichtungen und des Betriebes. Soweit diese Dinge Ausbesserungen und Vergrößerungen betrafen, sind sie oben behandelt. Es kann sich hier natürlich nicht um eingehende Durcharbeit jedes einzelnen technischen Teiles der Mühle handeln. Besonders Fragen der Bauart von Wasserrädern verschiedener Art, von Vorgelegen usw., oder die Frage der mathematischen Berechnung von Formen der Windmühlenflügel, der Bauart von Kammrad, Hauptwelle und Königswelle, von Kron- und Stirnrädern müssen völlig wegfallen, da in den Akten über diese Dinge nichts zu finden war. Für diesen Teil der Arbeit muß das Wesentliche der Mühleneinrichtung und des Betriebes als bekannt vorausgesetzt und können nur die Funde aus den Akten in ihm zur Darstellung gebracht werden.

Zu den ältesten Stücken über technische Teile der Mühle gehören die zwei Inventarverzeichnisse der Bischofsmühle von 1578 und von 1600 73 ). Unter Fortlassung der unwichtigen Dinge, wie Schleete, Bedachungsmaterial, sollen die Hauptsachen genannt werden: Sohlen im Grundwerk sind baufällig; Mühlensteine (nach Alter und Brauchbarkeit); das große Mühleneisen und die Pfanne 74 ), vier Mühlenbicken; die vier eisernen Bänder und die zwei eisernen Zapfen; mit zwei Driefscheiben, so dazu gehören (1578) zwei Triefbende gleichfalls (1600); Aufstellung oder Gerüst, darauf man den Mühlenstein aufbringet (1578), das Gerüste zum Mühlenstein ist nicht vorhanden, ist auch bei dieses Müllers Zeiten nicht vorhanden gewesen (1600) 75 ).

Über die Räder und Wellen ist nichts weiter erwähnt als einmal der Bedarf an Hartholz. Oft aber begegnet die Läufte


73) S. Anm. 62.
74) Mühleneisen mit dem Ryn, die Pfanne sind die durch die Achse beider Mühlensteine führenden Träger und Beweger des oberen Mahlsteines; ihre Aufhängung oder Aufstellung ist sehr verwickelt und kunstvoll.
75) Der Wortlaut allein gibt keine Klarheit; erst aus der Kenntnis des gesamten Mühlenbetriebes kann man schließen, daß hier nicht die Lagerungsverkeilung des unteren festliegenden Mahlsteines, des Bodensteines, gemeint ist, sondern der Kran, das Spill, mit dem der Läuferstein aus seiner Lage herausgehoben und wieder in sie eingesetzt wird.
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oder Zarge, jenes Holzgestell, das die Steine umgibt, um das durch die schleudernde Bewegung der Steine herausfliegende Mehl aufzufangen und durch eine Öffnung abzuleiten. Die Zarge war der häufige Anlaß zu Betrügereien und folglich zu Beschwerden. Zwischen dem Bodenstein und der Zarge blieb natürlich ein Rest Mehl zurück, was der Korn liefernde Laie nicht wußte. Dieser Raum war manchmal mit Absicht so breit gehalten, daß er 1-1 1/2 Scheffel faßte. Der "auf Sauberkeit haltende" Müller ließ, natürlich nur aus Gründen der Sauberkeit, ihn öfter ausräumen - der Inhalt, sein Gewinn. Wer am nächsten Tage als erster mahlte, mußte den Raum in der Zarge wieder füllen; auch wenn er mißtrauisch dem Mahlvorgang und dem Treiben des Müllers zuschaute, merkte er diesen Betrug nicht. In Gegenwart der herzoglichen Knechte schalt Hoykendorf seine Knechte, daß man für das herzogliche Korn, das gerade am frühen Morgen eintraf, die Mühle und besonders die Steine nicht gereinigt habe. Nur um der Reinlichkeit, nur um des Hofes willen? - Meister Ahrens, der seinem Lehrjungen befahl, Löcher in die Mattenkiste zu bohren, der ihm zeigte, wie er durch brav Weizenstehlen sich silberne Jackenknöpfe verdienen könnte, hatte einen besonderen Ausdruck für das Reinigen des Raumes in der Läufte: Treben. Was hat man gegen den Betrug getan? - Gestraft, wenn er zu groß und entdeckt wurde. Die erste Vorschrift für eine Begrenzung des Abstandes zwischen Stein und Läufte auf zwei Zoll, für Auffüllung des Hohlraumes mit Kleie und Steinmehl fand sich 1864 im Kaufvertrag des Bischofsmüllers Pingel.

Am ausführlichsten ist die Matte behandelt: "Ein Messingmatte (1578), ein Messing, doch alte und geflickte Matte (1600). Die Matte, hd. die Metze, war das Einheitsmaß für Korn und Mehl; l4 Metzen = 1 Scheffel Roggen oder Weizen 76 ); 12 Metzen = 1 Scheffel Malz, das loser liegt. Das Messen blieb unverändert bis ins 19. Jahrhundert hinein. Um die Matte drehte sich das halbe Mühlenleben. Matte war zugleich das Maß der Entlohnung für das Mahlen, der immer gültige Grund aller Streitigkeiten und Klagen. 1676 war sie aus Eisen, 1699 wurde bei einer Prüfung des Betriebes eine neue aus Kupfer angefertigt, die der prüfende Küchenmeister Klähn lieferte. Wenn es da heißt, die alte sei vom Meister Jörn gemacht, der zugleich Zimmermann war, so ist anzunehmen, daß sie aus Holz war; auch heißt es da, es läge noch eine auf dem Boden,

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wohl hundert Jahre alt. Die Form der Matte war meistens die des runden Kübels zu 4-5 Pfund Inhalt heutigen Gewichts 76 ). Bei ihr bestand die Seitenwandung aus einem einzigen gebogenen Brett. Doch gab es auch die schaufelförmige Matte, die Mattenkelle. Dem Hoykendorf wurde einmal nachgerühmt: "Er faßt die Matten beim Stiel, hält dieselbe vorn aus, mattet mit freier Hand und nimmt nicht mehr zu Matten, als was in freier Hand drauf liegen bleibt, läßt solches in die Molden schütten, nicht aber aus den Rümpen, Säcken oder Kufen die Matten in die Molden raken." Dieses Lob erhielt er freilich nicht in seiner letzten Zeit. Wenn 1723 die Matte laut Verordnung durchaus mit Streicheisen und Bolzen versehen werden mußte, so konnte das nur bei der runden Form geschehen. Nun mußte bei jedem Metzen die Oberfläche durch das Streicheisen geglättet werden; das Häufen der Matte war unmöglich, ein großer Verlust für den Müller. Im gleichen Jahre mußte auch schon Meister Ahrens verklagt werden, er habe Bolzen und Streicheisen von der Matte abgerissen. Die immerwährenden Klagen führten 1756 zu der Verordnung, daß die Metze auch in Geld entrichtet werden könnte. Die gewogene Metze setzte sich erst seit 1825 allmählich durch. Das gemetzte Mehl wurde in die verschlossene Mattenkiste geschüttet und aus ihr nur vom Meister entnommen. Die älteste Schilderung einer solchen lautet: "Der Khum oder Troch, aus ein Buchenholz gehauen zur Mattkisten, daran die Krampe und das Schloß, dem Möller zugehörig." Später trat diese Form nicht mehr auf. Der ganzen Zeitentwicklung entsprechend wurden sie nicht mehr so schwer wie mittelalterliche Kirchenladen oder eisenbeschlagene Truhen hergestellt. Die Ausübung des Metzens stand dem Matter, Matterknecht, Sackkieker schon in ältesten Zeiten zu. Neben diesen Gefäßen waren in der Mühle Kufen, Kübel, Bütten (große und kleine) in Benutzung, ohne daß im einzelnen Formen und besonderer Zweck ersichtlich wäre. Eine Metzenkufe von 1671 sollte zum Aufnehmen des angelieferten Kornes vor dem Metzen dienen; sie hatte 8 Scheffel Inhalt. Von diesen ließ Hoykendorf nur drei Matten nehmen, obgleich er nach einer herzoglichen Verordnung schon bei 6 Scheffeln zu 3 Matten berechtigt gewesen wäre. Wie alle Aussagen Hoykendorfs, ist auch diese über die besondere Größe der Metzenkufe sehr vorsichtig aufzunehmen. Das vorgeschriebene Maß


(  ...  ) S. Anm. 52; vgl. MUB. 433 (anno 1236) Schwer. Stadtrecht!
76) S. Anm. 52; vgl. MUB. 433 (anno 1236) Schwer. Stadtrecht!
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des Metzens war in jenen Jahren von 1 Scheffel Korn 1 Metze, von 3 Scheffel Malz 1 Metze.

Beim Anschlag zur neuen Verpachtung 1677 wurde die Metze von Weizen mit 1/13, die Metze von Roggen mit 1/12, die Metze von Malz mit 1/21 zugrunde gelegt, was nur ungefähr dem vorhergenannten Maß gleichkommt. Angaben über die rechtliche Höhe der Metze sind sehr spärlich, selbst im Vertrag sind sie mit allgemeinen Worten umschrieben. Das war den Müllern selbstverständlich sehr angenehm und öffnete dem Betrug immer wieder Tür und Tor. Später änderte sich die Maßzahl etwas: In einer Liste von 1753 über versteuertes Korn ist die Metze von Weizen, Roggen, Malz, Branntweinschrot und Futterschrot mit 1/12 des Scheffels gerechnet. Das war auch noch 1809 der Fall, als ein Antrag der Bäckerzunft auf Herabsetzung der Metze von 1/12 auf 1/16 bei Branntweinschrot abgelehnt wurde, und noch 1864, als im Kaufvertrag Pingels die Metze von jeglicher Kornart mit 1/12, aber von Malz mit 1/16 festgesetzt wurde. 1864 war natürlich längst die Matte nach Gewicht genommen, aber ihre Berechnung geschah noch immer nach der alten Art.

Zu den Maßen gehören auch die Stempelsäcke. Im Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich, Beilage Nr. VII, war bestimmt: Stempelsäcke sollen Maße nach einem approbierten Rahmen haben (d. h. einen Scheffel enthalten), die Stempelung soll in Gegenwart des Steuereinnehmers geschehen, der Stempel hat an der Stempelnaht zu stehen; zu den Säcken darf kein gekrimptes, gekochtes, gewalktes Leinen genommen werden, auch der Saum nicht breit und oft umgeschlagen werden, ebenso nicht die Seitennähte; solcher Sack, ordentlich gehalten, soll für gültig passieren, Fälschungen sind dem Einnehmer zu melden, das Korn wird dann konfisziert und Strafe gezahlt. In einer Beschwerde des Rates von Schwerin, der über die Betrügereien mit Stempelsäcken völlig verzweifelt war, sagten die Beschwerdeführer, 1749 sei über Stempelsäcke ein Instrument herausgekommen, das aber leider nicht im LGGEV. enthalten sei. Diese amtlichen Säcke enthielten durch List und Betrug halbmal so viel, als wozu sie gestempelt, einige mehr als das Gedoppelte ihres Stempelzeichens - "aus bis ans Ende der Welt nicht zu elidierenden Ursachen".

Mit dem neumodischen Werkzeug, Waage genannt, verschwanden allmählich im 19. Jahrhundert Metze und Stempel-

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sack. Wieder war es das Jahr 1763, das zum erstenmal dieses unglaublich neue Maßmittel der Waage in Betracht zog. Herzog Friedrich selbst stellte an seine Kammer die Forderung, Waagen in den Mühlen einzurichten; es blieb aber erfolglos. Als 1809 die Kammer unter Vorschlägen zur Verbesserung des Mühlenwesens einiger schon vorhandener Waagen Erwähnung tat, bei denen aber keine Aufsicht wäre, die auch schlecht bedient würden, empfahl sie Anstellung unparteiischer Wäger. Aber erst 1818 wurde die Anschaffung von Waagen Gesetz für die Mühlen. Es waren also Waagen in der Mühle; ihre Benutzung durch die Bevölkerung geschah aber nur gezwungenermaßen; erst 1835 konnte ein Müller schreiben, daß sich freiwilliges Wägen in den Mühlen mehrte. Zunächst gab es eine Waage nur auf der neuen holländischen Windmühle am Wittenburgerr Tor und auf der Bockmühle. 1827 wurde ein solches Wägegeschirr beschrieben: ein eiserner Wagebalken von 5 Fuß Länge, 2 tannenbretterne, mit Eisen beschlagene Schalen, woran 8 eiserne Ketten, jede zu 30 Gelenken, befindlich sind; die Gewichte hierzu sind 4 gegossene eiserne zu je 100 Pfund, ein gegossenes, eisernes zu 50, je ein gleiches zu 25, 10, 8, 5, 4, 3, 2, 1 Pf. Zwar beschrieb Landbaumeister Wünsch, dem man auch sonst Kenntnis und Einführung aller möglichen technischen Neuheiten und Erfindungen zutraute, die Schnellwaage, d. h. also die Dezimalwaage. Über ihre Einführung aber wissen die Akten nichts.

Über die Entwicklung der Mehlreinigung vom Beuteln zum Sichten war leider gar nichts in den Akten zu finden.

Der Mühlen- oder Pungenwagen, den man noch hie und da gelegentlich auf den Landstraßen als ein kennzeichnendes Bild aus dem Mühlenleben erblickt, war seit den ältesten Zeiten das notwendige Verbindungsmittel zwischen der Mühle und ihren Kunden, wie ja der Wagendriwer schon 1409 vorkam. Bemerkenswert ist es, daß die Räder der schweren Pungenwagen durch ihre Erschütterung auf mehrere Ruten Umfang hin das Pflaster der Straße schnell schlecht machen sollten. Immerhin sind im 18. Jahrhundert Mühlenwagen die schwerste Fuhrwerksart gewesen. Gegen den Vorschlag, den Mühlenwagen, wie in Hamburg, Blockräder zu geben, wandte sich 1769 Amtmann Streubel mit der Behauptung, nicht die eisenbeschlagenen, handbreiten Felgen seien schuld, sondern Räder anderer Wagen mit schmalen Felgen, weil sie einschneidend wirkten; Blockrädern könnte man keine breiteren Felgen geben, ihre Aus-

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besserung alle 6-8 Wochen brächte keinen Vorteil. Mit dem Pungenwagen befuhr der Knecht ungestört von dem Wettbewerber seinen Bezirk, bis man im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts die alten Bindungen durchbrach. Besonders der Müller von Neumühl wurde in seinem Bezirk arg bedrängt. Er suchte sein Recht mit Amt und Landreiter, mit Strafen und Verträgen und mußte doch Schritt für Schritt vor der neuen Zeit zurückweichen. Wut und List, schlechte Geschäftszeiten und Sorge, Zusammenhalten ganzer Dorfschaften gegen mißliebige Müller ziehen in lebendigen, anschaulichen Bildern am Auge des Lesers der Akten vorüber.

Der Mühlenbetrieb war je nach Größe der Mühle, nach Zahl und Art der Arbeitskräfte sehr verschieden; noch heute sieht man in der einen Mühle peinliche Sauberkeit, in der andern Bruch und Schmutz; erlebt man in der einen genaue Buchführung, in der andern unzureichende Zettelwirtschaft.

Im allgemeinen war der Ablauf des Mahlbetriebes folgender: Der Zwangsmahlgast oder der Pungenfahrer brachte das Korn zur Mühle. Der Matter empfing es und nahm die Matte in Gegenwart des Mahlgastes; die Bäcker und Brauer mußten zugleich den Akzisezettel, den jeder Gewerbetreibende sich rechtzeitig von der Steuerstube zu besorgen hatte, abliefern; ohne diesen Zettel durfte der Müller von Bäckern und Brauern kein Korn annehmen. Der Müller war verpflichtet, jedem Mahlgast innerhalb dreier Tage sein Korn abzumahlen. Länger brauchte der nicht zu warten, sondern konnte vom Müller sich die Erlaubnis zum Ausmahlen bescheinigen lassen. Dabei entspannen sich die Streitigkeiten, die der Anlaß wurden zu einem Kammererlaß, der alles Schimpfen auf den Mühlen untersagte. Das Korn oder Mehl in der Mattenkiste stand unter Mitaufsicht des Mühlenschreibers, eines Unterbeamten der Steuerstube. Er führte den zweiten Schlüssel zur Mattenkiste. Er hatte auch die Annahme der Akzisezettel und die monatliche Verrechnung der Akzise mit Einreichung dieser Zettel an die Steuerstube. Solche Zettel befinden sich bei den Rentereirechnungen, ordentlich gebündelt, in großer Menge 77 ). Beim Abmahlen des


77) Geh. u. Haupt-Archiv: Renterei-Akten, besonders in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Diese Angaben entstammen einer handschriftlichen Arbeit des Herrn Eisenbahninspektor a. D. Rohr in Schwerin. Die Liste der Schweriner Müller in Anlage 1 wurde gemeinsam mit Herrn Rohr aufgestellt. Ihm danke ich auch für manchen Rat und manche Auskunft in Mühlenfachsachen.
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Kornes war der Müller mit seinem Matter und dem Jungen oft auf nächtliches Mahlen angewiesen, je nach Verhältnissen von Wasser und Wind. Aber nur bei Tageslicht durfte er Korn annehmen oder Mehl ausgeben. Die Kammer kannte eben die Betrügereien und die Schliche auf den Mühlen. Bei einer Durchschnittsleistung eines Mahlganges üblicher Größe von 8-10 Scheffeln die Stunde konnte der Müller seine Kunden ordnungsmäßig bedienen. Diese erhalten durch Pungenwagen oder Selbstabholung die von ihnen gewünschte Art des Mehles oder Schrotes zurück. Diese allgemeine Schilderung des Ablaufs im Betriebe mag genügen, da eine genauere Darstellung allzu mannigfaltigen, besonderen Erscheinungen Rechnung tragen müßte.

Die Arbeit des Historikers gilt dem alten Mühlengewerbe. Die neuzeitlichen Großmühlen mit ihren für die verschiedensten Zwecke fein durchdachten Maschinen sind in ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnissen, in ihren Sitten und Gebräuchen der heutigen Gleichmacherei aller Fabrikbetriebe verfallen. Besichtigung und Durchforschung solcher Mühlenwerke beschäftigen den Techniker, Statistiker, Wirtschaftspolitiker. Dem Historiker gibt die Kenntnis solcher Betriebe erst den Blick für die eigenartigen Vorzüge altdeutschen Handwerks; in der Rückschau von der Großmühle aus geht ihm auf, was für ein Stück lebensvollster deutscher Kultur sich in tote Technik gewandelt hat. Das alte Mühlenwesen wird nie, weder wirtschaftlich noch rechtlich, wieder erstehen; als wertvolle technische Denkmale alter Zeit stehen heute die Wassermühle, die holländische und die Bockmühle da. Darum kann gerade hier die Arbeit des Historikers heute abgerundete Bilder zeichnen; sie muß auch heute einsetzen, ehe zu viel des Alten verloren geht. Eine Arbeit wie die vorliegende möchte zu weiteren Forschungen auf diesem Gebiet anregen. Nicht nur für die engere Heimatkunde, auch für die Kultur des gesamten Deutschlands liegen hier Forschungsaufgaben, die, als solche kaum gesehen, nur in wenigen, vereinzelten Fällen in Angriff genommen sind.


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Anlagen.

1. Liste der Schweriner Müller.

Liste der Schweriner Müller
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Fortsetzung der Liste der Schweriner Müller und Sonstige Schweriner Müller

2. Müllereid von etwa 1620.

Ich Joachim Moller lobe und schwere, falls der durchl. hochwürd. hochgeb. Fürst und Herr, Herr Adolph Friedrich, Herzog zu Megklenburg, mein gnädiger Fürst und Herr, mir für S. F. Gn. Müller auf der Müle allhier zu Schwerin gnädig bestellen und annehmen lassen, daß demnach hochgedachten S. F. Gn. ich getreu, hold und gehorsamb sein, S. F. Gn. Frommes und Bestes jederzeit wissen und befödern, hingegen aber Schaden und Nachteil besten meinem Vermuggen nach wehren und abwenden, insonderheit aber S. F. Gn. Untertanen und Mülengeste schleunigst befodern, die-

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selben mit keiner ungebürlichen Matten belegen, weniger einigen Betrug oder Falschheit drunter gebrauchen, noch durch die Meinigen solchs zu geschehen verhängen, keinem einigen Menschen an Malz, Weizen, Rogken oder Gersten mahlen oder in den Rumpf gießen, es ist mir dann zuvor ein Accis-Zettel überreicht, und ein mehreres an Korn, als darin enthalten, nit mahlen, solche Zettel in die dazu vorordente Lade stecken, den Scheffel nach Rostocker Maß zurichten, keinen einzigen Unterschleif so wenig in der Masse, als sonsten gebrauchen, auch, das solchs durch meine Knechte geschieht, nit verhengen und insgemein alles dasjenige verrichten soll und will, was einem redlichen Müller eignet und gebuert. So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Wort.

3. Mühlenvertrag von 1677.

Wir Christian Ludwig, von Gottes Gnaden Herzog von Mecklenburg, pp. urkunden und geben hiermit zu wissen, daß zwischen Uns und Unserm Müller hieselbst und lieben getreuen Jochim Jorn wegen Unser Mühlen alhier in Schwerin nachfolgender Pensionscontract mit gutem Wolbedacht verabredet und geschlossen worden:

1) Erstlich versprechen Wir besagte Unsere Kornmühle alhie in der Stadt dem Müller Jochim Jorn umb eine jährliche gewisse Pension auf zwey Jahr lang, als von diesen Trinitatis laufenden 1677ten Jahres bis wider Trinitatis Anno 1679, einzuthun, dergestalt und also, daß er dieselbe sambt allen dazu gehörigen Mahlgästen und davon fallenden richtigen Matten und allen andern Hebungen, ohne was nachgehends ausbescheiden, die gedachten zwey Jahr über unberechnet einhaben, genießen und gebrauchen, inmassen ihm dan dieselbe eingereumet und er bey geruhiger Possession und Geniesbrauch derselben die Pensionjahr über geschützet und vertreten, auch was ihm dabei an einem und andern geliefert wirdt, desfalß ein richtiges Inventarium verfertigt werden soll, nach welchem dan der Müller beym Abtrit die Mühle widerumb liefern mus und will.

2) Dahingegen und vors ander verspricht der Müller Jochim Jorn vor diese Einhab- und Genießung bemelter Unser Mühlen Uns oder Unserm Ambte alhie jährlich und alle Jahr besonders - ohne was er Uns überdem laut eines absonderlich getroffenen Vergleichs à part entrichtet - zwey Drbt. Weitzen, sechs und dreißig Drbt. Rocken und vierzig Drbt. Maltz, alles Rostocker Maße, an guten untadelhaften Korn allemal gegen Trinitatis zu geben und abzutragen oder auch mit bahrem Geld nach dem Wehrt, als das Korn jedes Jahr auf Trinitatis gelten wirdt, und macht dazu jährlich zu Unser Hofstaht in hiesiger Mühle vier Schweine tüchtig feist und erleget die Pension ohn einigen Verzug, Exception oder Behelf, wie die immer Nahmen haben und erdacht werden möchten.

3) Vors dritte nimbt er bey dieser Unser Kornmühle allen Eisen- und Steinschlett über sich und hatt Uns desfals an der Pension nichts zu kurtzen.

4) Vors Vierte soll er Unsere Unterthanen und Mühlengäste, wan dieselbe zur Mühlen kommen, schleunigst, und so viel ohne Waßersmangel immer geschehen kan, befodern und zur Ungebühr nicht aufhalten, dieselben auch mit keinen ungebührlichen Matten

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belegen, weniger einigen Betrug oder Falschheit darunter gebrauchen, noch durch die Seinigen solches zu thun verhengen, sondern allemahl die Matte beym Stiel faßen, vorn aushalten und nicht mehr, als was in freyer Hand darauf ligen kan, zur Matte nehmen und in die Molde schütten, nicht aber aus den Rumpen, Säcken oder Kufen die Matten in die Molde racken laßen. Solte aber über Zuversicht was furgehen und darüber Klage geführt werden, ist er dafür gehalten und muß nach Befinden für sich und sein Volk desfals büßen, gestalt er auch alles Korn, so für Unsere hiesige Hofstaht, item die Prediger, wie auch einige Unsere Bedinte, so vorhin mattenfrey gewesen, gemahlen wirdt, imgleichen dem Schutzenkönige wöchentlich zwey Drbt. Maltz, dan ferner das Commißkorn für hiesige Unsere Soldatesque, wan derselben was gereichet wirdt, mattenfrey mahlen, auch, wan Wir seiner zur Verfertigung Unser Zimmer bedürftig, sich dazu gleich andern Unsern Müllern ohnwegerlich gebrauchen lassen soll.

5) Die Mühle solI er zum Fünften in gutem Stande erhalten und derselben als ein guter Müller vorstehen, was an und in der Mühle schadhaft befunden wirdt, - doch daß ihm das benötigte Holtz verschafft und, so große Arbeit vorfält, dazu vom Ambte behufige Arbeitsleute zugegeben werden sollen - zu besserlichem Stande bringen und, was also an der Kornmühle, auch die Brucken, zu thun vorfält und er und seine Knechte mit ihrer Hand und Zimmerarbeit verrichten können, ohne Abstatung einigen Tagelohns verrichten, auch sonsten auf die vorhandene Schleußen und Vorschutte jedesmahl, Tages und Nachts, gute Achtung geben, damit selbige bei grossen Wasser, und wan es nötig, zu rechter Zeit aufgezogen und zugesetzet werden, damit kein Schade entstehe, welchen er sonsten, so er durch sein Veruhrsachen und Fahrläßigkeit geschieht, zu erstaten gehalten ist.

6) Ferner und vors Sechste soll gedachter Müller auf besagte Unsere Mühle gute fleißige Acht haben, daß mit brennenden Lichtern und ferner behutsamb ümbgegangen werde, und, da durch sein oder den Seinigen Verwahrlosung Uns einiger Fewrschaden, so Gott aber gnädig verhüte, zuwachsen solte, wollen Wir die Erstattung dessen von ihm oder seinen Mitbeschriebenen gewertig sein.

7) Vors Siebende, zum Fall auch mehrbesagter Müller an seinem Mattekorn oder an der Mühlen und deren Zubehör durch Kriegsmacht und Gewalt - welches der liebe Gott gnädig verhüten wolle - Schaden zugefügt werden sollte, derselbe soll nach Befindung und Billigkeit moderiret und an den Pächten oder Pension gekürzet werden, gestalt auch der Müller nach verflossenen Pensionjahren, wan er die Mühle länger behalten und dasjenige, was ein ander mehr dafür bieten möchte, geben wolte, ihm für einen andern gelassen werden soll. Wo nicht, soll er nach geendigten Pensionjahren die Mühle nach dem Inventario Uns vollenkömblich zu Unser guten Begnugung hinwider einantworten und dieselbe abzutreten schuldig sein.

8) Schließlich und fürs Achte, damit Wir und Unsere Ambtskammer wegen der versprochenen Pension und sonsten, was in diesem Contract in obgesetzten Punkten verschrieben, desto mehr gesichert sein mögen, so thut der Möller Jochim Jorn vor sich und seine

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Erben sub pacto executivo nicht allein all das Seinige, so er an Vieh und Fahrnis alhier hat und in die Mühle ferner bringen wird, besondern auch all seine übrige beweg- und unbewegliche Güter, itzige und künftige, an was Ohrt dieselbe auch sein möchten, zu einer wahren Hypothec und Unterpfand wißent- und wolbedächtlich verschreiben und einsetzen und hatt davon diesen Contract festiglich und unverbrüchlich zu halten versprochen und angelobet und danebst aller rechtlichen Behelfe, Exceptionen und Ausfluchte, wie die Nahmen haben und diesem Pensioncontract schädlich sein möchten, als weren sie wörtlich anhero gesetz, vor sich und seine Erben wissentlich und wolbedächtlich renuncyret und abgesaget, auch zu mehrer und fester Haltung Greger Stahlen und Niclaus Neuman, beide Bürger und respective Frey- und Ambts-Schuster hieselbst, zu seinen unzweifentlichen Bürgen eingesetzet, welche auch die Bürgschaft gutwillig über sich genommen und nebst dem Principal sich unterschrieben. Deßen zu Uhrkunde ist dieser Contract zwiefach verfertigt, mit Unserem fürstl. Kammerinsigel bestetiget und von dem Müller auch unterschrieben, ein Exemplar bey Unser fürstl. Ambtskammer behalten und das ander dem Müller zugestellet. So geschehen auf Unser Residenz und Vestung Schwerin, 11. Juni 1677.

(gez. Hans Hinrich Wedeman. Johan Eicholtz. Jochim Jörn. Greger Stahl. Clauß Neuman.

4. Liste der Dörfer im Neumühler Bannbezirk.

1560. Nach Ihde, Jahrb. 77, Beiheft, S. 262 (Liste anscheinend sehr unvollständig):
Steinfeld, Wüstmark bei Pampow, Görries, Klein-Medewege, Warnitz, Krebsförden, Pingelshagen, Kirchstück, Groß-Welzien, Wittenförden.
Die angrenzenden Bezirke von Mühleneichsen und Banzkow.
1676. Liste in Weisels Journal der Brauer und Becker: Nachricht was vor Dörfer zur Neuen Mühlen gehoren und daselbst mahlen müssen, ohne dieselben, so noch von andern Ohrtern dahinkommen, und Becker allhier aus der Stadt:
Zippendorf, Ostorf, Kräbsforde, Wüstemarck, Pampow, Groß- und Klein-Rogan, Dorf Görries, Wittenförden, Grambow, Wangerin, Warnitz, Driberg, Daalberch, Rugen See, Böcken, Grievenhagen, Trebow, Niemarck, Pingelshagen, Medeweg (wo Doct. Hein seel. sein Fr. wohnet). Der Schäfer aus dem Haselholz; Stück gehoret auch dazu.
NB. ohne die Bäcker aus hiesiger Stadt.
1818. Akten von Wasmuths Erben: Ertragsanschlag von den der Neumühle bis Johannis 1838 beigelegten Zwangsmahlgästen:
Dorf Görries, Krebsförden, Wüstmarck, Hof Pampow, Dorf Pampow, Wittenförden, Hof Großen Rogahn, Dorf Großen Rogahn, Dorf Klein Rogahn, Lankow, Warnitz, Pingelshagen, Hof und Dorf Driberg, Dorf Böcken, Hof Dorf Ostorf, Hof Kl. Medewege, Dorf Dalberg, Hof Herrensteinfeld, Hof Wandrum, Hellkrug.
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