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VI.

Mecklenburgs Verhältnis
zu Kaiser und Reich vom Ende des
Siebenjährigen Krieges bis zum Aus=
gang des alten Reiches (1763 bis 1806).

 

Von

Vikar Dr. Niklot Beste=Benthen.

 

Vignette
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Inhalt.


1. Kapitel: Mecklenburgs Beziehungen zu Kaiser und Reich bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges 213
2. Kapitel: Der Regierungsantritt Josephs II. und seine Wirkung auf Mecklenburg 218
3. Kapitel: Mecklenburgs Bemühungen um Erweiterung der Territorialrechte 229
4. Kapitel: Mecklenburg und der Fürstenbund 262
5. Kapitel: Mecklenburgs Verhältnis zum Reich unter der Regierung Kaiser Leopolds II. 278
6. Kapitel: Mecklenburg im Reichskriege gegen Frankreich (1792-1797) 288
7. Kapitel: Mecklenburgs Teilnahme am Schicksal des Reiches vom Frieden zu Campoformio bis zum Reichsdeputationshauptschluß 295
8. Kapitel: Mecklenburg und der Ausgang des Deutschen Reiches 304
Anhang 312

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1. Kapitel.

Die Beziehungen Mecklenburgs zu Kaiser und Reich bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges.

"So eigentümlich großartig. So echt deutsch war die Idee der Reichskonföderation, daß sie entstellt und erstarrt, wie sie im sechzehnten, siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert erschien, dennoch nicht ohne mächtige Einwirkung auf das Leben blieb" 1 ). Immer noch wurden im 18. Jahrhundert deutsche Könige und römische Kaiser gewählt und gekrönt, ein Reichstag war in Regensburg versammelt, Reichsgerichte handhabten in Wien und Wetzlar das Recht, und ein Reichsheer sollte Deutschlands Kraft nach außen offenbaren. "Das Reich war seit Jahrhunderten Konföderation der deutschen Territorien, aber diese Konföderation wurzelte in einer tausendjährigen Geschichte, wurde getragen von dem Einheitsbewußtsein der Nation und gefördert von dem Ergänzungsbedürfnis der Territorien" 2 ). Die Reichsstände beriefen sich auf eine Reichsverfassung, welche die Unauflöslichkeit des Reiches voraussetzte, der deutsche König und der Reichshofrat deuteten auf das Dasein eines alle Deutschen umfassenden Staates hin. Aber es spielte sich jetzt eine Entwicklung ab, die einerseits bestimmt war von dem Willen des Reichsoberhauptes, seine Stellung zu der alten Höhe zu bringen und neu zu festigen, und andererseits durch die Haltung der Territorien, die das Reich nur als Mittel betrachteten, ihre eigenen Wünsche und Vorteile zu erreichen.

Mecklenburg bedurfte mehr als mancher andere deutsche Staat der Ergänzung durch das Reich. Das hatte seinen Grund vor allem in dem Kampf, den der Landesherr um seine Herrschaft zu führen hatte; bald suchten die Stände, bald der Herzog Recht beim Kaiser und Reichshofrat, jene wollten gegen "Bedrückung" geschützt sein, dieser wollte seine Regierung möglichst unabhängig führen und braute dazu die Hilfe von Kaiser und Reich. Außerdem war Mecklenburg durch die Nachbarschaft der Machtbereiche außer deutscher Staaten (Dänemark in Holstein, Schweden in Vor-


1) C. Th. Perthes, Das deutsche Staatsleben vor der Revolution, S. 49.
2) Derselbe, politische Zustände und Personen, II, S. 179 ff.
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pommern) und die Abtretung eines Gebietsteils (Wismar mit Poel und Neukloster 1648 an Schweden) dazu gezwungen, seinen Halt fest an Kaiser und Reich zu suchen, von dessen Vermittlung immer wieder die vollständige Wiederherstellung des Besitzstandes gehofft wurde.

Seit der Thronentsetzung der Herzöge und der Regierung Wallensteins während des Dreißigjährigen Krieges hatte die kaiserliche Autorität besonders große Bedeutung für Mecklenburg gehabt. Immer wieder hatten Kaiser und Reichshofrat, veranlaßt durch die fortwährenden Streitigkeiten zwischen dem Herzog und den Landständen, ihren Einfluß geltend gemacht. Im Beginn des 18. Jahrhunderts war sogar eine Reichsexekution gegen den Herzog Karl Leopold nötig geworden, damals regierte eine kaiserliche Kommission von Rostock aus, bis schließlich Karl Leopold abgesetzt und sein Bruder Christian Ludwig als Administrator vom Kaiser eingesetzt wurde (1728) 3 ); auf diesen wieder übte der Reichshofrat bei allen Gelegenheiten einen bestimmenden Einfluß aus. Während dieser Zeit war häufig der Gegensatz zwischen dem Kaiser und dem König von Preußen in mecklenburgischen Angelegenheiten zutage getreten. Mecklenburg, das zu einer eigenen Politik in jenen Jahren kaum fähig war, blieb ganz von den Plänen seiner Nachbarn und den Verfügungen des Kaisers 4 ) abhängig und geriet durch die Verpfändung von vier Ämtern an Preußen und acht Ämtern an Hannover 5 ) in eine Zwangslage, deren Folgen das Verhalten des Herzogs auf Jahrzehnte hinaus bestimmen sollten. Der Kaiser achtete argwöhnisch auf alle Schritte, die Preußen etwa täte, um seinen Einfluß auf Mecklenburg zu verstärken. Er hatte vergebens zu verhindern versucht, daß die vier Ämter in preußischen Händen blieben, und als nun Herzog Christian Ludwig sich immer wieder bemühte, sie zurückzuerhalten, riet ihm der Kaiser sogar, Gelder zur Auslösung in Holland aufzunehmen 6 ). Es war für Mecklenburg in der Tat sehr wichtig, die Preußen, die sogar in Parchim eine Garnison eingerichtet hatten, wieder aus dem Lande fortzubekommen; denn sie entfalteten eine Werbetätigkeit, die ein Schrecken für das ganze Land war und den Herzog veranlaßte, beim Kaiser deswegen vorstellig zu werden. Herzog


3) v. Schultz, die Verpfändung der mecklenburgischen Ämter unter Herzog Karl Leopold (Jahrb. 59, S. 5).
4) Hannover und Braunschweig waren 1717 vom Kaiser mit der Ausführung der Exekution beauftragt, Preußen 1728.
5) Hannover kaufte dem Herzog von Braunschweig dessen Rechte mit Genehmigung des Kaisers ab.
6) v. Schultz a. a. O., S. 17.
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Friedrich versuchte zwar noch 1756, die Werbestreitigkeiten. Mit Preußen durch einen Vertag beizulegen 7 ), darüber aber war man in Wien äußerst erzürnt, da diese Vorgänge benutzt werden sollten, um das Unrecht König Friedrichs vor aller Welt zu brandmarken. Diese Gelegenheit zeigte deutlich, wieviel Wert man in Schwerin auf die kaiserliche Gnade legte; denn auf unwillige Äußerungen des Reichsvizekanzlers Fürsten von Colloredo hin bemühte sich der Herzog sofort, durch eine eigene "Abschickung" die Gunst des kaiserlichen Hofes wiederzuerlangen.

Das war die Einstellung Mecklenburgs vor dem Beginn des Siebenjährigen Krieges, und es ist kein Wunder, wenn der Herzog nach dem Beginn der Feindseligkeiten auf die Seite Österreichs trat. Dazu veranlaßte ihn einerseits die gewalttätige Behandlung seines Landes und seiner Untertanen von Seiten der Preußen, andererseits die Furcht, sich den Unwillen des Kaisers zuzuziehen. Außerdem hoffte Mecklenburg viel von diesem verhängnisvollen Schritt. Im Falle eines Sieges der Feinde Friedrichs - und damit rechnete man mit Bestimmtheit - sollte der kaiserliche Hof die Rückgabe der verpfändeten Ämter bewirken, die mecklenburgischen Ansprüche auf Lauenburg 8 ) sollten beim Friedensschluß berücksichtigt und Wismar mit Poel und Neukloster von den Schweden zurückerlangt werden. Schließlich hoffte man darauf, daß der Kaiser den Herzog zum Kreisobersten des niedersächsischen Kreises und gegebenenfalls sogar zum Kurfürsten machen würde 9 ). Mecklenburg sollte diese Stellungnahme schwer büßen. Das Auftreten auf dem Reichstag in Regensburg im kaiserlichen Sinne, das Bündnis mit Frankreich und der Kaiserin veranlaßten König Friedrich, Mecklenburg als Feindesland zu behandeln und aus ihm herauszuziehen, was an Rekruten, Geld und Furage überhaupt nur zu erlangen war 10 ). Die Unterstützung, die die Höfe zu Paris und Wien versprochen hatten, blieb aus. Der Herzog ließ durch seine Gesandten Baron v. Ditmar in Wien und Baron Teuffel


7) Vgl. v. Schultz, Mecklenburg und der Siebenjährige Krieg (Jahrb. 53, S. 211).
8) Das Herzogtum Sachsen-Lauenburg gehörte sei[t] 1705 Hannover. Mecklenburg glaubte auf Grund eines alten Erbvertrages Anrechte darauf zu haben und hoffte, Hannover gegen eine Entschädigung auf Kosten Preußens das Land abnehmen zu können. (Vgl. Jahrb. 80, S. 8 u. 9.)
9) Schw. A., III R 21,3 (Schreiben des Baron v. Ditmar, Gesandten in Wien an den Herzog vom 12. Juli 1759).
10) v. Schultz, Mecklenburg und der Siebenjährige Krieg (Jahrb. 53 und 54).
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von Pürkensee in Regensburg immer wieder seine Notlage vorstellen, es half alles nichts. In Wien meinte man sogar, der Herzog könne sich selbst helfen 11 ). Als dann der Friede zwischen Preußen und Schweden zu Hamburg geschlossen und Mecklenburg mit einbezogen wurde, mußte das Land noch die rückständigen Kontributionen zahlen; von Entschädigungen war gar nicht die Rede. Bei den Friedensverhandlungen in Hubertusburg wurde auf Mecklenburg keine Rücksicht genommen, die Treue zum Kaiserhaus hatte nicht die erhofften Vorteile gebracht. Mecklenburg hatte sich Preußen verfeindet und mußte an den Folgen des Krieges noch lange Zeit hindurch tragen.

Noch ein anderes Ereignis fällt in diese Zeit, das die Beziehungen zum Reich und die Abhängigkeit des Herzogs vom Kaiser deutlich zeigt. Die Streitigkeiten zwischen dem Landesherrn und den Ständen hatten zu langwierigen Verhandlungen vor dem Reichshofrat in Wien geführt und erst 1755 ihr einstweiliges Ende durch den "Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich" erreicht, den der Kaiser am 14. April 1756 bestätigte. Jetzt während des Siebenjährigen Krieges geriet der Herzog mit der Stadt Rostock in Streit 12 ). Dazu gab einmal die Weigerung der Stadt die Veranlassung, zu den Kriegskosten beizutragen, die dem Lande von den Preußen 1758 auferlegt wurden, woraus schließlich ein Prozeß beim Reichskammergericht entstand, der aber nicht zu Ende geführt wurde. Ferner erregte der Herzog den Zorn der Stadt durch die Berufung des Professors Döderlein aus Halle in die theologische Fakultät; denn während diese bisher der orthodoxen Richtung angehört hatte, kam Döderlein vom Pietismus her, dessen Anhänger auch Herzog Friedrich war 13 ). Die Fakultät verweigerte die Aufnahme des neuen Kollegen, bevor er das vorschriftsmäßige Kolloquium über seine Rechtgläubigkeit, von dem der Herzog ihn befreien wollte, bestanden habe. Der Rat als Kompatron der Universität unterstützte die Fakultät und bestritt dem Herzog das Recht zur Befreiung. "Es war der letzte Versuch einer Opposition mittelalterlicher Städtefreiheit gegen den vollendeten Sieg der Landeshoheit" 14 ), der sich jetzt abspielte. Rostock glaubte eine "reichsfreie"


11) v. Schulz, Mecklenburg und der Siebenjährige Krieg (Jahrb. 54, S. 59).
12) Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock, II. Bd. (1899), S. 3 ff. Fr. Bunsen, "Der Rostocker Erbvertrag vom 13. Mai 1788".
13) Seit 1756 regierte der Sohn Christian Ludwigs, Friedrich.
14) Urkundliche Geschichte der Friedrichs-Universität zu Bützow von U. Hölscher (Jahrb. 50).
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Stadt zu sein und hatte sich auch bisher immer wider die Herzöge aufgelehnt und jeden bei Kaiser und Reich anhängig gemachten Prozeß geschickt von Instanz zu Instanz verschleppt. Jetzt suchte der Herzog einen Prozeß zu vermeiden und ließ sich durch den Gesandten Baron v. Ditmar in Wien vom Kaiser ein Patent für eine neue Universität erwirken (Oktober 1758). In Anbetracht seiner besonderen Treue gegen Kaiser und Reich wurde ihm gern willfahrt 15 ). Dem Herzog war aber sein eigentlicher Wunsch nicht erfüllt; denn er hatte ein kaiserliches Dekret, das die Rostocker Universität aufhob, erwartet, stattdessen aber enthielt das Patent die der Stadt Rostock so angenehmen Worte "sine praeiudicio vicinarum universitatum". Mehr konnte in Wien trotz aller Bemühungen nicht erreicht werden; 1760 wurde zur Gründung einer Universität in Bützow geschritten 16 ), und der Herzog hob von sich aus die Rostocker Akademie auf. Da verklagte die Stadt den Landesherrn beim Kaiser wegen Verletzung der Privilegien. Dieser wies aber die Klage ab, und sie ging an das Reichskammergericht in Wetzlar. Nach vielen Streitschriften und Beschwerden der Stadt wurden aber alle Streitigkeiten nicht durch das Gericht, sondern mit einem Vertrage im Jahre 1788 zwischen dem Nachfolger Herzog Friedrichs und der Stadt Rostock beigelegt 17 ).

So lagen die Dinge bei Schluß des Siebenjährigen Krieges. Dem Herzog mußte viel darauf ankommen, daß Kaiser und Reichshofrat ihm günstig gesinnt waren. Er brauchte die kaiserliche Autorität, um wirklicher Herr in seinem Lande zu sein. Es ist bezeichnend, daß König Friedrich während des Siebenjährigen Krieges und beim Abschluß des Hamburger Friedens nur den Engeren Ausschuß der Stände als gültiges und rechtmäßiges Regierungsorgan für das Land betrachtete und nur mit ihm die Friedensbedingungen vereinbarte 18 ). Das Bestreben des Herzogs


15) Das Patent wurde für den Preis von 3036 1/2 Goldgulden erworben.
16) Als Universitätsstädte waren dem Herzog Bützow und Grabow empfohlen. Bützow erschien ihm geeigneter, darin bestärkte ihn das Gutachten des Professors Mantzel, damals 61 Jahre alt, der nur noch für Curiosa und Antiquitates Sinn hatte. Diese Schwäche hatte der Bürgermeister Odewahn von Bützow benutzt und Mantzel so begeistert, daß er dem Herzog ein sehr verlockendes Bild von Bützow entwarf. W. Raabe, Meckl. Vaterlandskunde, III, S. 446.
17) Das Patent für Bützow druckt U. Hölscher a. a. O. S. 12 ab. Die Universität Bützow wurde 1788 wieder aufgehoben und Rostock zurückgegeben.
18) Auf Akten gegründete Darstellung in v. Schultz, Meckl. u. d. Siebenjähr. Kr. (Jahrb. 54, S. 67).
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in den folgenden Jahren mußte sein, sich den Ständen gegenüber zu behaupten. Ferner mußten die verpfändeten Ämter wieder eingelöst und das Verhältnis zu Preußen einigermaßen erträglich gestaltet werden. Mecklenburg bedurfte der kaiserlichen Gunst und mußte doch stets auf Preußen Rücksicht nehmen, um den mächtigen Nachbarn nicht zu erzürnen.

2. Kapitel.

Der Regierungsantritt Josephs II. und seine Wirkung auf Mecklenburg.

Wie war 1763 die Lage im Reich? "Friedrich hatte Schlesien dem Hause Österreich abgerungen; eine zweite Absicht aber, die er hegte, das Kaisertum von diesem Hause loszureißen und die oberste Gewalt im Reiche auf einer breiteren Grundlage neu zu gestalten, die hatte er nicht erreicht. Die ruhmwürdige Fürstin, welche Schlesien verlor, eroberte das Kaisertum mit ihren Waffen: sie überlieferte es ihrem Gemahl aus dem Haufe Lothringen und nach dessen Tode ihrem Sohn. In Wahrheit war sie der Kaiser, das Kaisertum war und blieb ein Bestandteil der Macht von Österreich. Bei ihrer Hofburg war der Sitz des Reichshofrates, von Wien aus wurde das Reichskammergericht geleitet und das Übergewicht der Stimmen am Reichstag zu Regensburg festgehalten . . . Im Reiche spielte der Eroberer von Schlesien nur die Rolle, die ihm als einem der ersten Reichsfürsten zukam" 19 ).

Ängstlich beobachtete Mecklenburg die politische Lage, es fürchtete sich vor neuen Verwicklungen, bei denen es nach Lage der Dinge nichts gewinnen konnte. Der Hofrat Edler v. Schmidt vertrat den Herzog in Wien; die Beziehungen zum Kaiserhaus, welches Mecklenburg in Anerkennung seiner Treue gnädig gesinnt blieb, wurden durch ihn in der herkömmlichen Weise gepflegt, und er mußte über alle Vorgänge am kaiserlichen Hof berichten. Vor allem nahmen die verschiedenen Prozesse der Ritterschaft beim Reichshofrat, meistens Berufungen gegen Entscheidungen der mecklenburgischen Land- und Hofgerichte in Güstrow und Schwerin, seine Tätigkeit in Anspruch. Die Zahl der Prozesse wuchs mehr und mehr; es waren vor allen Dingen Klagen der Adligen gegen ihre Pächter, die durch die schlechten Zeiten und die Teuerung in Not geraten waren und. vielfach Konkurs machen mußten, weil


19) v. Ranke, Die deutschen Mächte und der Fürstenbund, I, S. 1.
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sie ihre Pacht nicht zahlen konnten 20 ). So lagen die Appellationssachen von Klinggräff gegen Aschersleven 1762-63, von Barner wegen seines Gutes Zaschendorf gegen Deging bis 1767, von der Lühe zu Buschmühlen und Bolland wegen des verpfändeten Gutes Garvsmühlen 1770 vor. In diesen Jahren häuften sich die Konkurse auch unter den adligen Besitzern derart, daß der Herzog 1769 eine Beschwerde darüber beim Kaiser einreichte, aber natürlich keine Änderung oder Hilfe dadurch erreichte 21 ). Gegen die Bemühungen eines Dr. Wiese, der sich für Rostock einsetzte, mußte Schmidt eifrig tätig sein. Es lagen schließlich soviele mecklenburgische Sachen in Wien vor, daß nach dem Tode des Reichshofrats Frhr. v. Senkenberg (am 2. Juni 1768) erzählt wurde, er habe in seinen Phantasien immer nur von Mecklenburg gesprochen. Die huldvolle Gesinnung des Wiener Hofes kam durch allerlei Gnadenbeweise zum Ausdruck. So wurde der Bruder des mecklenburgischen Reichstagsgesandten Frhr. Teuffel v. Pürkensee, ein österreichischer Offizier, bevorzugt befördert aus Anerkennung "für die allerdevoteste Abhängigkeit und den Diensteifer seines Bruders für das Allerhöchst kaiserlich königliche Interesse" 22 ). Bei den Bemühungen Mecklenburgs 1763 um die Rückgabe der Ämter von Hannover und Preußen wurden die österreichischen Gesandten in London und Berlin zur nachdrücklichen Unterstützung angewiesen 23 ), allerdings hatten sie keine Erfolge zu verzeichnen; denn als der Graf v. Seilern bei König Georg III. davon sprach, wurde er kurz abgewiesen. Ebenso wenig erreichte der Gesandte in Berlin.

In Schwerin lebte man noch ganz in den Überlieferungen der letzten Jahrzehnte. Der Geheimratspräsident Graf v. Bassewitz, dessen Vater sogar den kaiserlichen Geheimratstitel geführt hatte, legte ebenso wie der Herzog Wert auf gutes Einvernehmen mit dem Kaiserhof. Der mecklenburgische Landrat v. Bassewitz sollte sogar 1766 eine Reichshofratsstelle erhalten; die Sache zerschlug sich aber wieder, als v. B. schon in Wien war 24 ). Die Hilfe des Reichsvizekanzlers nahm die Herzogin von Mecklenburg in Anspruch, als der Herzog von Württemberg die ihr zustehenden Zinsen und für ihre in Ludwigslust lebende Mutter das Witwengehalt


20) Vgl. Vitense, Geschichte von Mecklenburg, S. 329.
21) Schw. A., III R 22,3: Viennensia 78.
22) Schw. A. a. a. O. Schmidt an den Herzog. Nr. 114.
23) v. Schultz, Die Reluition der Ämter, Jahrb. 59, S. 30.
24) Schw. A. a. a. O. 79, Schmidt an den Herzog, 31. Juli 1766.
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nicht zahlen wollte 25 ). Sie bat, es auf gütlichem Wege ohne Klage zu erledigen. Teilweise hatten Colloredos bereitwillige Bemühungen durch den württembergischen Gesandten Erfolg; denn die Herzogin-Mutter bekam ihre Gelder, während die Gemahlin Friedrichs selbst weiter vertröstet wurde.

Bemerkenswerter als alle diese Dinge von untergeordneter Bedeutung ist das Verhalten Mecklenburgs beim Tode Kaiser Franz I. und bei der Regierungsübernahme Josephs II. Der Hofrat v. Schmidt zeigte den am 18. August 1765 erfolgten Tod des Kaisers sofort dem Herzog an. Die Haltung Maria Theresias erfüllte den Herzog mit Bewunderung, vor allem ihre "ganz seltsame christliche Standhaftigkeit, mit der Sie das unerwartete härteste Schicksal" trug 26 ). Sofort nach dem Eintreffen der Nachricht schrieb der Herzog an die Kaiserin 27 ): "Meine unwandelbare Verehrung Ew. Kaiserl. Königl. Apostolischen Majestät und meine lebenswierige Veneration für das uns so früh entrissene preiswürdigste Reichsoberhaupt lassen mich dabei keinen Anstand nehmen, meine so grundmütige als tief ehrerbietigste Condolenz hierdurch schuldigst zu bezeugen, und wie ich nichts so sehr wünsche, als daß der Allerhöchste Ew. Kaiserl. Königl. Apostolische Majestät die schmerzhaftesten Empfindungen dieses betrübten Trauerfalls durch seinen gnädigen Trost und durch eine Folge vieler und ununterbrochener Glückseligkeiten lindere." Ein vorläufiges Notifikationsschreiben des eingetretenen Todes traf im Auftrage des neuen Kaisers Anfang September in Schwerin ein, und zwar war es durch den österreichischen Gesandten beim niedersächsischen Kreise, Herrn v. Raab in Hamburg, übersandt. Der Herzog antwortete ihm freundlich und drückte seine Freude über das neue würdige Reichsoberhaupt aus, sandte auch ein Glückwunschschreiben an Joseph ab, das der Edle v. Schmidt in Wien übermitteln mußte. Dann traf noch unmittelbar ein Notifikationsschreiben, vom 19. August datiert, vom neuen Kaiser ein, und Maria Theresia schrieb dabei dem Herzog: "Ich weiß, daß Euer Liebden an allem, was Mich und Mein Haus betreffen mag, jederzeit aufrichtig teilzunehmen belieben. Ich darf also nicht zweifeln, daß Dieselbe den höchst schmerzlichen Verlust, den Ich durch den am 18. d. M. erfolgten jählingen Tod Meines herzinnigst geliebtesten Gemahls


25) Die Gemahlin Herzog Friedrichs war eine Tochter des verstorbenen Erbprinzen Friedrich Ludwig von Württemberg.
26) Schw. A.
27) 7. Sept. 1765 (cito). Schmidt hatte berichtet, daß die Kaiserin am nächsten Morgen schon eigenhändig Briefe geschrieben habe.
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erlitten habe, mit besonderem Leidwesen teilnehmen werden" 28 ). Der Edle v. Schmidt betonte in einem Bericht Ende September, daß in Wien auch auf diese unmittelbaren Notifikationsschreiben noch Antwort erwartet würde, und zwar hätte der Reichskanzler sogar von einer besonderen Abschickung etwa eines Geheimen Rates gesprochen. Er bekam darauf Anweisung, zu beobachten und zu berichten, wie andere Fürstenhäuser es halten würden; der Herzog scheute wegen des schlechten Zustandes der Kassen eine besondere Absendung.

Indessen wurde Trauer für das Land angesagt, am 22. September 1765 (16. Sonntag n. Trin.) wurde in allen Kirchen des Landes ein Trauergottesdienst abgehalten, bei dem, wie bei solchen Anlässen üblich, ein besonderes Kirchengebet verlesen wurde, in dem des verstorbenen und des neuen Kaisers gedacht wurde. Während der nächsten vierzehn Tage (bis zum 6. Oktober) mußten jeden Mittag von 12 bis 1 Uhr die sämtlichen Kirchenglocken des Landes läuten. Jedes Orgelspiel, alle Musik und das Theater war während dieser Zeit verboten. Der Wechsel in der Besetzung des kaiserlichen Thrones wurde allen Landesbehörden mitgeteilt. Sechs Wochen hindurch mußte schwarz gesiegelt und die Publikationspatente an alle Kirchentüren angeschlagen werden. Die Gesandtschaften in Regensburg und Wien bekamen noch besonderen Auftrag zum Anlegen von Trauerkleidern, wofür dem Baron Teuffel für sich und das Gesandtschaftspersonal 280 fl. und dem Edlen v. Schmidt 200 fl. bewilligt wurden. Als Kleidung wurde vorgeschrieben: schwarze Kleider mit überzogenen Knöpfen, schwarze Degen und Schnallen, für die Sekretäre und Kanzleibeamten blaue Degen und Schnallen. Der Edle v. Schmidt wurde bei dieser Gelegenheit zum Geheimen Legationsrat ernannt; um Kosten zu sparen, hoffte man sich seiner zur Übergabe besonderer Kondolenz- und Glückwunschschreiben bedienen zu können, falls andere Höfe auch Gesandte schickten. Schmidt bekam ein besonderes Geheimrats-Kreditivschreiben, in dem die besondere Aufmerksamkeit für das kaiserliche Haus durch diese Ernennung betont wurde. Indessen berichtete der Gesandte 29 ), daß doch eine besondere Absendung nötig wäre; denn obwohl dem Reichsvizekanzler der schlechte Zustand der Kassen vorgestellt sei, habe er geäußert, der Kaiser würde es ganz besonders gern sehen. Da bekam der Baron Teuffel in Regensburg den Auftrag, sich für eine Reise nach Wien bereit-


28) Schw. A., III R 22,3: Viennensia 79.
29) Schw. A. Viennensia 79. Schmidt an den Herzog 30. Sept. 1765.
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zuhalten, und als im Herbst der braunschweigische Herzog und der Landgraf von Hessen-Kassel wirklich besondere Gesandte nach Wien gehen ließen, wurde ihm befohlen, mit den nötigen Kreditiv-, Beileids- und Glückwunschschreiben abzureisen. Er bekam 200 Dukaten Reisegeld. Diese Dinge waren aber erst Anfang Dezember geordnet, so daß Teuffel seinen Besuch in Wien mit Neujahrsvisiten vereinigen wollte. Es trat dann auch noch starke Kälte ein, und er konnte erst am 13. Januar 1766 von Regensburg abreisen und in Wien am 22. Januar eintreffen. Am 26. Januar erhielt er bei Hofe Audienz, in der er die mit schwarzem Rande versehenen Schreiben überreichte und seine Aufträge ausrichtete. An die Gemahlin Josephs II. war vom Herzog schon am 24. Oktober ein besonderes Schreiben gerichtet. Der Baron Teuffel meldete: "Ich kann nicht genugsam ausstreichen, wie allergnädigst ich besonders von des Kaisers Majestät und der verwittibten Kaiserin Majestät empfangen worden und in was vor verbindlichsten Terminis Höchstsie die Attention Euer Herzogl. Durchlaucht wegen der eigenen vorgenommenen Abschickung genommen." Im letzten Augenblick hatte noch Hessen-Darmstadt den mecklenburgischen Gesandten ersucht, zugleich mit seinem eigentlichen Auftrage Kondolenz- und Glückwünsche für den Darmstädter Herzog auszusprechen 30 ). So wurden dann die Kosten unter die beiden Höfe geteilt, aber im Vordergrund hatte doch die Aufmerksamkeit Mecklenburgs gestanden. Das ging auch aus dem Schreiben hervor, welches Joseph an Herzog Friedrich richtete 31 ): "Wir sind von Deiner Liebden Uns unabänderlich zutragenden wahren Achtung und Ergebenheit gänzlich gesichert und überzeugt, daß die über den höchst schmerzlichen Todfall Unseres gnädig und geliebten Herren Vaters Majestät eingeschickte Kondolenz, sowohl als auch zu Unserer hierauf angetretenen kaiserlichen Regierung an Uns schriftlich erstattete, und durch den eigens zu solchem Ende anhero abgeordneten Geheimen Rat und Comitialgesandten Teuffel von Pürkensee mündlich wiederholte wohlmeinende Glückwünsche aus einem reinen und deutsch patriotischen Herzen ihren Ursprung genommen haben." Weil der Fürst von Colloredo erkrankte, konnte der Baron Teuffel erst am 6. Februar bei diesem die Abschiedsvisite machen. Der Edle v. Schmidt und der Reichstagsgesandte berichteten mancherlei Erfreuliches über den neuen Kaiser. Die Aktivität und der Fleiß des Kaisers wurden gerühmt, und in


30) Es kam damals häufiger vor, daß ein Gesandter mehrere Höfe vertrat.
31) 29. Januar 1766, Schw. A. Viennensia 79.
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Schwerin versprach man sich besonders viel von der Verfügung an den Reichshofrat, die Prozesse genauer und schneller zu erledigen; binnen sechs Wochen sollte jetzt über jede Sache referiert werden. Infolge der Veränderungen in der Regierung, vor allem der Festigung in der Stellung des Fürsten Kaunitz als Obristhof- und Staatskanzler, glaubten die Schweriner Minister auf wichtige politische Vorgänge gefaßt sein zu müssen; Colloredos Ansehen fiel, die auswärtigen kaiserlichen Minister brauchten ihm nicht mehr wie bisher Duplikate von ihren Relationen einzusenden, sondern berichteten nur an Kaunitz 32 ).

Lange hatte die Frage der kaiserlichen Belohnung mit Mecklenburg, die nach der Reichsverfassung bei dem Wechsel in der Person des Kaisers oder des Landesherrn jedesmal vorgenommen werden sollte 33 ), geschlummert. Die letzte Belohnung war 1707 erfolgt. Herzog Friedrich hatte zu Beginn des Siebenjährigen Krieges eine Lehnsbefristung nachgesucht (21. Oktober 1757) und für drei Monate erhalten, dann war die Frist stillschweigend verlängert. Jetzt wurde aus Wien gemeldet, daß der junge Kaiser die Belohnungen wieder durchführen wollte. Deshalb richtete im Mai 1766 der Herzog ein Schreiben an den Kaiser und bat in Rücksicht auf die große Notlage seiner Kasse, die durch die Lasten des Krieges entstanden sei, um Aufschub wegen Erledigung der Lehnsangelegenheit. Der Kaiser erklärte, er wolle die Lage Mecklenburgs anerkennen, und gewährte durch den Reichshofrat zunächst auf drei Monate Indult, bemerkte aber, daß endlich die Sache geregelt werden müßte. Dieser gleiche Vorgang wiederholte sich jedesmal nach Ablauf der gewährten Frist. Als der Edle v. Schmidt im August 1766 berichtete, daß auch Baden und Dänemark für Holstein sich zur Belohnung willig zeigten, ließ der Herzog den Reichshofrat um genaue Mitteilung der Kosten ersuchen. "So aufrichtig haben wir doch nach unserer vollkommensten Devotion für Ihre kaiserliche Majestät und nach unserer besonderen Hochachtung für den kaiserl. Reichshofrat den besten Willen, auch in diesem Punkt unserer Schuldigkeit möglichst nachzukommen und so wenig möchten wir es uns dabei von anderen zuvortun lassen" 34 ). Die Reichshofkanzlei teilte die zu zahlenden Summen mit, die inzwischen durch die wiederholte Unterlassung der Belehnung aufgelaufen waren. Die Lehnssumme betrug 37500 fl., das Laudemium (Anfallsgeld) für Schwerin 50000 fl. und für Strelitz 30000 fl. (für


32) Schmidt an den Herzog 25. November 1765.
33) Perthes, Das deutsche Staatsleben, S. 25.
34) Der Herzog an Schmidt, Schw. A. I L. 21.
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Strelitz wurde es dann auf 18000 fl. herabgemindert). Von der einen Hälfte der Lehnstaxe, die der Kurfürst von Mainz als Reichserzkanzler bekam, konnte noch eine Herabsetzung erhofft werden, aber die zu zahlende Summe blieb für die herzogliche Kasse doch zu groß, und das Lehen mußte wieder "gemuthet", d. h. weiterer Indult erbeten werden 35 ), bis die Lande sich wieder einigermaßen erholt hätten. Es erging in dieser Sache am 18. September 1766 eine kaiserliche Resolution: "Nachdem Kaiserliche Majestät nicht gemeint seien, die wirkliche Belehnung länger aufschieben zu lassen, werde dem Herzog zu Mecklenburg-Schwerin annoch ein Indult von drei Monaten dahin erteilet, daß er binnen solchen sowohl praestanda praestieren als auch das ganze Lehnsgeschäft gehörig berichtigen sollte." Indessen wurde im April 1767 wieder ein Indult für drei Monate erteilt. Ein gemeinsames Vorgehen der altweltfürstlichen Häuser veranlaßte ein längeres Ruhen der Sache. Es waren nämlich Vorstellungen beim Kaiser erhoben worden, um die Lehnsgebühren herabzusehen und die Zeremonien bei dem Belehnungsakt selbst zu ändern (das Knien der Gesandten sollte abgeschafft werden) 36 ). Auch Joseph II. selbst trug sich mit Plänen zur Änderung; so wollte er die spanische Mantelkleidung fortfallen lassen 37 ). Aber erst später wurde weiter darüber verhandelt. Wegen der Laudemiengelder, die zum Teil in die Kasse des Reichshofrats flossen 38 ), schrieb am 5. Februar 1774 der Reichshofrat Graf v. Graevenitz, ein Neffe des mecklenburgischen Geheimratspräsidenten, an den Herzog und bat, die rückständigen Gelder zu zahlen, da das Gehalt der Reichshofräte darauf eingerichtet sei. Ihm wurde geantwortet, daß "seine reichskundige Anhänglichkeit für das kaiserliche Haus Mecklenburg durch die Kriegsschäden verhindert habe, auch nur eine kleinere Summe aufzubringen". Der Graf möge die Verlegenheit bedenken, in der sich der Herzog seit dem Kriege mit seinen Landen befinde, "wo Edelmann, Bürger und


35) Hierzu vgl. Perthes, Das deutsche Staatsleben, S. 25.
36) Der Herzog ließ mit den gleichen Wünschen ein Promemoria am 31. Juli 1767 beim R. H. Rat einreichen (Anhang 1).
37) Schmidt an den Herzog, 25. April 1767. Schw. A.
38) In einer anonymen Schrift dieser Zeit ,,Über Irrungen, welche in Ansehung der Reichsbelehnung obwalten", Nürnberg 1791, wird das Wort Laudemium von dem alten deutschen Wort los ober lot (d. h. Lösung ober Vergeltung) abgeleitet. - Laudemien, Anfallsgelder, Lehnstaxen unterscheiden sich darin, daß die ersten beiden gewöhnlich in einer größeren Summe an den Lehnsherrn selbst, die anderen der Kanzlei gezahlt werden sollten. Laudemien sollten nur dann gefordert werden, wenn ein Territorium auf eine noch nicht coinvestierte Seitenlinie überging (vgl. Perthes, Deutsches Staatsleben, S. 26).
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Bauer mit Dürftigkeit und Not zu kämpfen hat und einer nach dem anderen zugrunde gehet". Jedoch bekam der Graf mit diesem Schreiben ein Geschenk übersandt, nämlich "einen Riß, der das Walzenwerk der Münze in Schwerin und das neu angelegte Schleusenwerk in Ludwigslust beschreibt". Dabei blieb es vorläufig.

An kaiserlichen Verordnungen, die in Mecklenburg mit Genugtuung aufgenommen wurden, ist eine solche vom 7. Juli 1769 zu erwähnen 39 ), nach der keine fremden Werber in Deutschland geduldet werden sollten. ferner liegt ein kaiserliches Edikt vom 25. April 1772 vor 40 ), welches sich gegen den "blauen Montag" der Handwerker richtete. Außerdem wurde darin verfügt, daß in der Weberei weibliche Arbeitskräfte zugelassen sein sollten, ferner sollte ein Meister mehr wie einen Lehrling haben und auch über die früher erlaubte Anzahl Gesellen halten dürfen. Die Kinder von sog. "Wesenmeistern" und "Abdeckern" dürften nicht vom Handwerk ausgeschlossen werden, sie sollten von den Meistern als Lehrlinge nicht zurückgewiesen und ihre Töchter jederzeit ehrliche Personen und Handwerksleute heiraten können. Diese Verordnung wurde öffentlich verkündigt und sollte vom 1. Juli 1772 ab Gültigkeit haben 41 ). Sie diente dazu, Handwerksmißbräuche, die in großer Zahl auch in Mecklenburg eingerissen waren, zu beseitigen.

Auf dem Reichstage in Regensburg wurde Mecklenburg durch den Baron Teuffel von Pürkensee vertreten, der schon im Siebenjährigen Kriege alle Verhandlungen dort für den Herzog geführt hatte. Seit einiger Zeit war er kränklich, und im Winter 1767/68 trat er von seinem Posten zurück. Es kam nun darauf an, einen neuen Gesandten zu finden, "der neben anderen Vorzügen die größte Vertraulichkeit und Konnexion mit den hiesigen kaiserlichen Ministris und hauptsächlich in Wien hat". Herzog Friedrich legte aber nicht allzu viel Wert auf den Reichstag, und so wurde kein eigener Gesandter berufen, sondern ein Graf von Bünau, der Sachsen-Weimar vertrat, wurde mit Führung der mecklenburgischen Stimmen von 1767 bis 1778 beauftragt. 1779 führte die mecklenburgischen Vota eine Zeitlang Baron v. Wülknitz, der Gesandte von Hessen-Kassel, dann übernahm Baron Paul v. Gemmingen (Sachsen-Gotha) die Geschäfte für Mecklenburg. Die Berichte


39) Schw. A.
40) Schw. A., Viennensia 78, 104.
41) Vgl. Wilh. Stieda, Gewerbliche und kommerzielle Zustände in Meckl.-Schwerin unter Herzog Friedrich dem Frommen, 1887, S. 28.
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wurden indessen in der Hauptsache von dem Regierungsrat Christian Ludwig Becker, dem Sekretär der mecklenburgischen Gesandtschaft, besorgt Mecklenburg hielt sich in dieser Zeit sehr zurück, lieber wurden Vota "quiesziert", und man versuchte allem auszuweichen, "was zur Kollision mit dem kaiserlichen Hof führen könnte". So auch 1769 in einer Angelegenheit der Kammergerichtsvisitation, wo Preußen gern die mecklenburgischen Stimmen für sich gehabt hätte 42 ). Die Stellen in der hohen Generalität des Reichsheeres, das allerdings nur in der Idee bestand und zu einer Verbindung von einzelnen Kontingenten geworden war, wurden mit Einverständnis des Reichstages besetzt 43 ). Als im Sommer 1767 eine Reichsfeldmarschallstelle durch den Tod des Pfalzgrafen Friedrich von Zweibrücken erledigt war, wandte sich im kaiserlichen Auftrage am 27. Oktober der Gesandte v. Raab in Hamburg an den Herzog und bat um Fürsprache für den Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen, sowohl in Rücksicht "auf dessen hohe Geburt als auch auf seine nahe Verwandtschaft mit dem durchlauchtigsten Erzhause 44 ). Der Herzog antwortete, daß es ein Vergnügen für ihn sei, seine untertänigste Verehrung für des Kaisers Majestät und das kaiserliche Erzhaus bezeugen zu können, und gab dementsprechende Anweisungen. Auch der Wiener Bevollmächtigte v. Schmidt mußte dem Fürsten von Colloredo davon Mitteilung machen, damit der Kaiser davon Kenntnis bekäme. Der Herzog Albrecht, der selbst noch geschrieben hatte, erhielt ebenfalls eine freundliche Antwort. - An den Ereignissen in Wien und am Kaiserhof, von denen der Herzog von 1777 ab durch den Reichshofratsagenten Anton Ditterich von Erbmannszahl unterrichtet wurde, nahm man weiter den gebührenden Anteil. Als die Kaiserin Maria Theresia nach einer Krankheit im Juli 1767 wieder genas 45 ), wurden ihr besondere Glückwünsche ausgesprochen; ein paar Tage darauf kam die Todesnachricht von der zweiten Gemahlin Josephs II. 46 ), die ein Beileidschreiben an den Kaiser notwendig machte. Bis zu Neujahr 1767 waren regelmäßig Glückwünsche zum Jahreswechsel an den Kaiser und seine Gemahlin, die Kaiserin-Witwe, den Reichsvizekanzler, jeden Reichshofrat,


42) v. Schultz, Die Reluition der Ämter, Jhb. 59, S. 58. und Schw. A. IV, Z. 24, 1 und 2.
43) Perthes, politische Personen und Zustände, II, S. 180.
44) Herzog Albrecht war mit einer Tochter Maria Theresias vermählt.
45) Schw. A., Viennensia 78.
46) 13. Juli 1767.
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den Fürsten Kaunitz und den Hof- und Staatskanzler v. Starhemberg abgesandt. Maria Theresia ließ im Januar 1767 mit ihrem Dank mitteilen, sie könne die Wünsche zwar noch annehmen, aber nicht mehr beantworten, und Joseph verbat sich im April 1767 die besonderen Glückwünsche, er "wolle der patriotischen Gesinnung trotzdem versichert bleiben". So hörten 1768 die Gratulationen zum Jahreswechsel auf; an die Reichshofräte scheinen sie aber weiter ergangen zu sein, wenigstens liegt ein Glückwunschschreiben an den Reichshofratspräsidenten v. Hagen zu Neujahr 1779 vor. Außerdem ließ sich der Herzog während einer Krankheit Colloredos 1767 genaue Mitteilungen über dessen Befinden machen, und nach seiner Genesung mußte Schmidt ihm ein besonderes Glückwunschschreiben überreichen. Auch bei "Promotionen" (Ernennungen) hoher Persönlichkeiten versäumte Mecklenburg die Gratulationen nicht. So schrieb der Herzog dem Reichshofrat v. Thüngen 1767 und dem Reichshofrat Friedrich Karl v. Moser, dem er besonders freundlich gesinnt war, weil er in mecklenburgischen Angelegenheiten sehr tätig sein sollte; als der letztere 1769 ausschied, wurde sogar erwogen, ihn zum mecklenburgischen Comitialgesandten zu ernennen. Noch am 20. Mai 1768 hat Herzog Friedrich an ihn ein Schreiben gerichtet 47 ), in dem er im Gegensatz zu gelegentlichen Ungerechtigkeiten des Reichshofrats die Gerechtigkeitsliebe Mosers besonders lobt. Es heißt darin: "Was kann einem patriotisch denkenden Fürsten betrübter sein als seine in Gesetzen und Privilegien gegründete Freiheit gegen die verteidigen zu müssen, die als ihre auserkorenen Verteidiger gelten sollten? Und das alles unter einem glorwürdigen Reichsoberhaupt, von dessen persönlicher Gerechtigkeitsliebe jeder Mund voll Rühmens ist! Lassen Sie, ich ersuche Sie nochmals darum, durch Ihr Beispiel und Ihre standhafte Mitwirkung das ganze Reich überzeugt werden, daß es für Fürsten und Untertanen die größte Glückseligkeit sei, ein gemeinschaftliches Oberhaupt und Reichsgericht zu haben, und daß sie es sich zur wahren Pflicht machen, die Untertanen sowohl gegen alle Bedrückungen zu schüren als auch in Gehorsam ihrer Landesobrigkeit zu erhalten. Daß mithin die Reichsgerichte kein Zufluchtsort für diejenigen sein mögen, die alle ihre Pflichten gegen ihre Landesfürsten und selbst gegen ihre Mituntertanen abschütteln wollen." Beziehen sich diese Zeilen auch vor allem auf die mecklenburgischen Verhältnisse, so zeigen sie doch deutlich, wie der Herzog sich in jenen Jahren die Aufgabe des Reichshofrats dachte. - Bei dem Reichs-


47) Mosers patriotisches Archiv, Bd. IV, S. 475 f. Vgl. Raabe a. a. O., S. 454.
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kammergericht in Wetzlar lag ebenfalls eine große Anzahl mecklenburgischer Prozesse vor. Die Interessen des Herzogs nahm dort der Reichskammergerichtsprokurator v. Gülich wahr. Zur Unterhaltung des Kammergerichts zahlte Mecklenburg jährlich 560 fl. sein Präsentationsrecht 48 ) für das Reichskammergericht übte der Herzog 1776 aus, als dort eine Assessorstelle frei wurde. Ein früherer Bützower Professor Rudloff, der jetzt Hofrat in Hannover war (ein Bruder des herzoglichen Regierungsrats R.), sollte den Posten erhalten. Er trat später wieder davon zurück, und Hessen-Kassel übte das Präsentationsrecht aus.

Das niedersächsische Kreisdirektorium (Magdeburg und Braunschweig) trat in Tätigkeit, wenn ein fremder Gesandter akkreditiert worden war, wovon dem Herzog jedesmal Mitteilung gemacht wurde. 1775 wurde der kaiserliche Gesandte v. Raab in Hamburg durch den wirklichen kaiserlichen Hofrat Anton Baron v. Binder und Kriegelstein ersetzt. In dieser Angelegenheit erfolgte ein kaiserliches Schreiben an den Herzog, welches derselbe am 29. Juli 1775 beantwortete und seiner Verehrung für die "überall hervorleuchtende reichsväterliche allergnädigste Obsorge für die Wohlfahrt des werten deutschen Vaterlandes überhaupt sowohl als des niedersächsischen Kreises" versicherte.

Mit Preußen stand Mecklenburg in diesen Jahren in keinen sehr engen Beziehungen. Von Zeit zu Zeit hielt sich der Geheimrat Baron v. Lützow als außerordentlicher Gesandter in Berlin auf, um die Rückgabe der verpfändeten Ämter zu erwirken; wie es bei König Friedrich nicht anders zu erwarten war, erreichte er jedoch nichts. Nach der Zusammenkunft des Königs mit Kaiser Joseph 1769 in Neiße sollte der Kaiser um direkte Fürsprache in Berlin ersucht werden 49 ). Doch als der Gesandte v. Schmidt schrieb, daß die beiden Herrscher bei ihrer Zusammenkunft verabredet hätten, die lästige Form von Handschreiben in ihrem gesellschaftlichen Verkehr ganz fallen und alle Angelegenheiten durch ihren Gesandten in Audienzen erledigen zu lassen, und daher die Angelegenheit dem Reichsvizekanzler unterbreitet werden mußte, ließ man diese Absicht fallen, um nicht den Anschein einer Klage bei Kaiser und Reich zu erwecken. Man fürchtete sich in Schwerin vor Preußen in Erinnerung an die erlittenen Leiden, aber andererseits wußte man es auch zu schätzen, daß ein mächtiger Reichsfürst da war, der


48) Vgl. Perthes, Das deutsche Staatsleben, S. 31.
49) v. Schultz, Die Reluition der Ämter, Jhb. 59, S. 57.
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gegebenenfalls bei Kaiser und Reich die Rechte der kleinen Territorien vertreten konnte. Das sollte sich im bayrischen Erbfolgekrieg und seinen Nachwirkungen zeigen, die den Anlaß gaben, daß Mecklenburg und Preußen einander wieder näher traten.

3. Kapitel.

Mecklenburgs Bemühungen um Erweiterung der Territorialrechte.

a) Der Friede zu Teschen und seine Bedeutung für Mecklenburg.

Am 3. Januar 1778 starb der bayrische Kurfürst Maximilian Joseph. Ein Teil des Kurfürstentums wollte Joseph II- als erledigtes Reichslehn einziehen, Friedrich der Große trat diesen Plänen entgegen und begann den Feldzug in Böhmen, der mit dem Frieden von Teschen endete. Mecklenburg glaubte Ansprüche auf die Landgrafschaft Leuchtenberg zu haben. Als der dänische Etatsrat v. Moser in einer Veröffentlichung über die bayrische Frage meinte, auf Leuchtenberg habe niemand ein Recht, erhob sich in Schwerin große Entrüstung; denn schon vor dem Tode des Kurfürsten hatten die Minister dem Herzog vorgestellt, daß die Gelegenheit der bayrischen Thronfolge benutzt werden müsse 50 ), um Leuchtenberg zu erhalten. Das wollte man Preußen anbieten und dafür die vier verpfändeten Ämter zurücknehmen, während Strelitz mit Geld abgefunden werden sollte. Aber leider waren die Ansprüche nur schlecht begründet. Der umfangreiche Bericht aus dem Archiv, den die Minister anfertigen ließen, ergab zwar, daß im Jahre 1502 Kaiser Maximilian dem mecklenburgischen Herzog Heinrich dem Friedfertigen als Dank für seine Dienste und als besondere Auszeichnung die Anwartschaft auf diese Grafschaft verliehen hatte, seitdem war man zwar auf diese Angelegenheit wieder zurückgekommen, war aber in Wien stets abgewiesen worden 51 ). Moser hatte mit seiner Ansicht also nicht ganz unrecht, aber man beschloß in Schwerin, ihm eine für Gelehrte bestimmte goldene Medaille zuzusenden und ihn zu ersuchen, bei weiteren Veröffentlichungen auch die mecklenburgischen Ansprüche zu vertreten, die ihm als begründet dargestellt wurden. Er hat dies auch getan, denn in späteren Schriften trat er für Mecklenburg in dieser Angelegenheit ein. - Nun sondierte das Strelitzer Ministerium, das


50) Promemoria des Ministeriums an den Herzog, 5. April 1777. Schw. A.
51) Vgl. Raabe, Meckl. Vaterlandskunde, S. 352, Bd. III.
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in näheren Beziehungen zu Preußen stand, in Berlin, und es ergaben sich gute Aussichten für einen etwaigen Vortrag der Ansprüche bei König Friedrich. Doch eine eigene "Abschickung" von Schwerin aus erschien nicht angebracht, sondern Strelitz beauftragte den Geheimrat Seip, der sich gerade in Berlin aufhielt 52 ), unauffällig durch seinen Freund, den Geheimen Sekretär des Königs v. Steck, die Sache Friedrich bekannt werden zu lassen. Eine genaue Kenntnis der Akten über die Ansprüche könne von ihm nicht verlangt werden, da diese sich ja in Schwerin befänden, während das bei einem Abgesandten von dort der Fall sein müßte und dann die mangelhafte Begründung den Herzog in schlechtes Licht setzen würde 53 ). Steck mochte auch Hoffnung, der König würde vielleicht darauf eingehen, die Ansprüche zu vertreten. Die Strelitzer Minister schlugen vor, sich jetzt in aller Form an die preußischen geheimen Etatsräte, aber auch an den Kaiser in Wien zu wenden. Es wurde am 4. Februar 1778 ein gemeinsames Schreiben der beiden Ministerien an die preußischen Räte gesandt, in dem um Vortrag beim König gebeten und die Abtretung der Ansprüche auf Leuchtenberg gegen eine andere Entschädigung angeboten wurde. An den kaiserlichen Hof, der schon selbst Ansprüche auf das erledigte Reichslehen machte, wollte man sich noch nicht wenden. Es erschien nicht zweckmäßig, bevor die preußische Gesinnung bekannt wäre. Es wurde nur für den Fall in Aussicht genommen, daß Preußen etwa vor der Abtretung ein Belehnungsgesuch für Leuchtenberg seitens des Herzogs verlangte.

Die preußischen Minister antworteten, daß es geraten sei, sich nach Wien zu wenden, um dort die Anwartschaft geltend zu machen und der Einziehung als vakantes Reichslehen zu widersprechen, die in einem kaiserlichen Patent angekündigt war. Man sollte sich auf das darin geäußerte Versprechen berufen, daß eines jeden Prätendenten Recht berücksichtigt werden sollte. Die Gesandtschaft auf dem Reichstag sollte ebenfalls instruiert werden, im übrigen aber müßte man erst die nähere Klärung der Erbfolge abwarten. Auf ein Schreiben des Strelitzer Herzogs antwortete König Friedrich, daß er die Ansprüche Mecklenburgs kenne und sich durch seine Minister die weiteren genaueren Mitteilungen der mecklenburgischen Regierung vortragen lassen werde. In Schwerin wurde jetzt ein kurzes Promemoria, das die Ansprüche begründete, entworfen


52) Sein Aufenthalt war nicht auffällig, weil er dort einen Sohn auf der Realschule hatte.
53) Schreiben des Schweriner Ministeriums nach Neustrelitz, 30. Januar 1778. Schw. A.
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und zur Verbreitung in Druck gegeben 54 ). Nach Wien wurde zunächst nicht geschrieben, man wollte eine Abweisung vermeiden. Doch am 3. März entschloß sich der Schweriner Herzog, den kaiserlichen Hof um Unterstützung zu bitten, da Preußen nichts weiter zu unternehmen schien. Er richtete ein Gesuch an den Kaiser mit einem Begleitschreiben an den Vizekanzler Fürsten von Colloredo. Ebenso wurde der Gesandte in Regensburg beauftragt, Unterstützung durch andere Fürsten zu gewinnen. Auch wandte sich der Herzog unmittelbar an König Friedrich und erhielt von ihm am 28. März ein "höfliches und freundliches Schreiben, wie noch keines nach Schwerin gelangt war", und in dem die preußische Verbindung in Aussicht gestellt wurde 55 ). Die Minister in Schwerin waren mit der Einleitung der Dinge sehr zufrieden. Sie wollten sich zwei Eisen im Feuer halten. Sie hofften zwar nicht auf eine besondere Zuwendung vom Kaiser, aber sie betrachteten es auch als zweifelhaft, daß sich der preußische Hof lange für die Interessen Mecklenburgs verwenden würde. Sie wollten so vorgehen, daß die Nachwelt "nichts Verfahrenes" feststellen könnte. Mecklenburg zog sich durch Hervorkehren seiner Ansprüche nicht den Verdacht eines Einverständnisses mit dem kaiserlichen Hof zu und entging dadurch der Gefahr einer üblen Behandlung durch eiserne Hand. "Im Falle eines Krieges hat man jedenfalls keine so ruinöse Invasiones wie im vorigen Kriege zu besorgen, wowider der Lage halber keine kaiserliche Gnade, so verehrlich diese auch sonst ist, das Land zu schüren vermag und wofür die Entschädigung hernach zu den frommen Wünschen gehört." Den Ministern war klar, daß das Anliegen Mecklenburgs dem kaiserlichen Hof nicht gerade angenehm sein würde. "Ein ungestümes oder spöttisches abschlägiges kaiserl. Conclusum dürfte dieses, woferne die Intercessiones der größeren Höfe nicht einigen Eindruck machen, vielleicht bald beweisen. Alles, was dem kaiserlichen Hofe anhänget, wird es immer äußerst tadeln, daß der Herzog nicht das ganze Interesse und alle hohe Befugnisse des herzoglichen Hauses immer bloß zur kaiserlichen Gnade und Willkür vorstellt, sich nicht von allen mächtigeren protestantischen


54) Vorläufige Darstellung des Rechts des durchlauchtigen herzogl. Meckl. Hauses, von dem durch das Absterben des durchl. Kurfürsten und Herrn Maximilian Joseph zu Bayern gegenwärtig erledigten und dem Reiche eröffneten Lehen eins oder das andere, in specie die Landgrafschaft L., von kaiserl. allerhöchsten Majestät und dem Reiche alleruntertänigst zu verlangen und zu gewärtigen. (28. Februar 1778. Schwerin, Herzogl. Bärensprungsche Hofbuchdruckerei, 18 S., 21 §§, mit dem Abdruck der Urkunde von Kaiser Maximilian.)
55) Die Minister an den Herzog, 28. März 1778. Schw. A.
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Reichsständen trennt und seine zelierte Anhänglichkeit an den kaiserlichen Hof durch öffentliche Auflehnung gegen den großen Nachbarn betätigt." Man wollte aber doch andererseits nicht als Feind des Kaisers gelten; denn als im April 1778 in der "Hamburgischen Neuen Zeitung" (58. Stück) eine Nachricht erschien, daß ein Korps mecklenburgischer Truppen zu den preußischen stoßen würde, wurde sofort durch den Baron Lützow der Syndikus Schubach in Hamburg beauftragt, die Widerrufung dieser unwahren Nachricht zu veranlassen und dafür zu sorgen, daß künftig nicht wieder solche Behauptungen erscheinen würden.

Die Antworten des Kaisers und des Fürsten Colloredo fielen nicht so ungünstig aus, wie man erwartet hatte, wenn sie auch nicht allzu viel Hoffnung ließen. Von einer "Abschickung" nach Wien sah man ab, aber ebenso sollte auch nach Berlin niemand gesandt werden, weil dadurch der kaiserliche Hof verstimmt werden könnte 56 ). Die Unterstützung bei Rußland, Dänemark und allen deutschen Höfen wurde nachgesucht. Mecklenburg erreichte in einer Hinsicht seine Wünsche, es blieb dieses Mal ganz von preußischen Werbungen verschont, und außerdem vertrat Preußen die Ansprüche auf Leuchtenberg bei den Vorverhandlungen in Braunau und dann auf der Friedenskonferenz in Teschen. Es ergab sich ein Schriftwechsel im Frühjahr 1779 mit den preußischen Ministern, und es schien zunächst so, als wenn die Wolfsteinischen Herrschaften in der Nähe von Ansbach als Entschädigung für Leuchtenberg gegeben würden, aber dann fragten die preußischen Räte an, ob Mecklenburg mit dem Privilegium de non appellando illimitatum (d. h. der gänzlichen Beschränkung des Berufungsrechtes der mecklenburgischen Untertanen an den Reichshofrat und an das Reichskammergericht) zufrieden sein würde. Die Minister in Schwerin waren zunächst ein wenig enttäuscht; ihnen war ein Landbesitz, den man dann an Preußen hätte abtreten können, lieber, und sie machten auch kein Hehl daraus. Das Privilegium würde, fürchteten sie, die Landstände unzufrieden machen und zu großen Weiterungen Anlaß geben. Es müßte eben auf alle Fälle ein Privilegium "illimitatum" sein. Diese Wohltat für das Land würde dann auch sehr gern genommen werden, weil die vielen Berufungen aufhörten und durch ein Oberappellationsgericht, das in Güstrow zu errichten wäre, und durch die herzogliche Justizkanzlei erledigt werden könnten. Jedoch baten die Minister, wenn irgend möglich, außerdem doch noch eine Entschädigung mit Land zu er-


56) Der Herzog an die Minister, 20. Juni 1778. Schw. A.
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wirken. Hertzberg und Finkenstein erwiderten, daß der König zusammen mit der Kaiserin und dem Hause Pfalz den Kaiser ersuchen würden, Mecklenburg das Privilegium de plane non appellando illimitatum zu verleihen. Aus den Verhandlungen entstand der 15. Artikel des Teschener Friedenstraktats vom 13. Mai 1779 57 ), nach dem der Kaiser erst um Erteilung und Ausfertigung des Privilegs von dem Herzog ersucht werden mußte. Man tröstete sich aber in Schwerin, ,,weil der König und die Kaiserin sich zur Unterstützung verpflichteten, ist doch Aussicht vorhanden, es zu bekommen, was beider "Appellationssucht" der Untertanen sehr angenehm sein würde, und die schon äußerst alarmierte Ritterschaft wird auch durch die ängstliche Abschickung "ganzer drei, sonderbarer Weise allesamt bucklichter Deputierten" nach Wien nichts dagegen ausrichten können".

Am 18. Mai 1779 traf die Mitteilung der preußischen Räte von dem Ergebnis der Friedensverhandlungen ein; eine unentgeltliche Erteilung des Privilegs, die der Herzog auch gewünscht hatte, war nicht zu erreichen gewesen. Jetzt wurden schriftliche Gratulationen zu dem Friedensschluß nach Berlin und Wien gesandt, von besonderen Absendungen 58 ) auch an den preußischen König wurde abgesehen. König Friedrich mache sich nichts aus solchen Gesandtschaften, und dann hätte auch der Wiener Hof sich beleidigt gefühlt, wenn nur nach Berlin jemand gekommen wäre, auch die hohen Kosten sollten gespart werden.

b) Die erste Entscheidung des Reichshofrats.

Jetzt aber sollten der Herzog und seine Minister nachdrücklich erfahren, wie wichtig die kaiserliche Gnade und Gunst war, und wie abhängig sie von dem Willen des Reichsoberhauptes waren. - Bereits am 9. Juni traf die Bitte des Engeren Ausschuß 59 ) beim Herzog ein, das Privilegium nicht anzunehmen, da es dem Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755 widerspräche. Aber da-


57) Der Art. 15 lautet: "Finalement, Sa Majesté l'Impératrice-Reine interposera volontiers, conjointement avec Sa Majesté Prussienne, ses bons offices auprès de Sa Majesté l'Empereur, pour le porter à accorder à la Maison Ducale de Mecklembourg le privilège de non appellando illimité; lorsqu'elle l'aura demandé selon l'usage."
58) Nach dem Frieden zu Hubertusburg 1765 war der Oberkammerjunker von Oertzen nach Berlin mit Glückwunschschreiben geschickt, nach Wien niemand.
59) Der Engere Ausschuß an den Herzog, 3. Juni 1779. Schw. A., I F, 15. Der Engere Ausschuß war die ständige Vertretung der Ritterschaft und tagte in Rostock.
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durch unbeirrt sandten beide Herzöge am 22. Juli ein umfangreiches Schreiben an den Kaiser, in dem die Erteilung des Privilegs nachgesucht wurde. An den Fürsten von Colloredo erging wieder ein Begleitschreiben. Man hatte voll Freude in Schwerin festgestellt, daß bereits Wallenstein als Herzog von Mecklenburg von Kaiser Ferdinand II. für sich und seine Nachfolger das Privilegium de non appellando illimitatum erhalten hatte; die Herzöge hatten sich dessen nur aus Haß gegen Wallenstein und seine Einrichtungen nicht bedienen wollen. Auf diese Erteilung beriefen sich jetzt die Herzöge und stellten dem Kaiser vor, daß nur eine Erneuerung oder Bestätigung des damals erteilten Privilegs in Frage käme. Ihnen seien "die Merkmale der erhabensten oberstrichterlichen Neigung zu allgemeiner Beförderung der besten Justizpflege und zur Bändigung der dawider unermüdet arbeitenden Schikane bekannt", deshalb hofften sie auf die Wohltat des Privilegs bei der großen Prozeßsucht der Untertanen, die vor allem durch die vielen Konkurse veranlaßt sei 60 ).

Inzwischen hatte sich die Ritterschaft und die Stadt Rostock eifrig bemüht, auf jeden Fall die Erteilung des Privilegs zu verhindern. Wie erwähnt, hatten sie bereits im April Gesandte nach Wien geschickt, die beim Kaiser vorstellig werden sollten. Zunächst konnte der Reichshofratsagent v. Ditterich berichten, daß ihre Bemühungen keine Erfolge hätten; denn die Mitglieder des Reichshofrats seien anscheinend der Auffassung, daß in dem Artikel 15 des Friedensvertrages schon eine kaiserliche Zusicherung enthalten sei, und vor allem sei der Baron Puffendorff als Referent der herzoglichen Sache günstig gesinnt. Aber bald kamen auch andere weniger erfreuliche Nachrichten aus Wien. Das zu errichtende Oberappellationsgericht werde so besetzt werden müssen, daß die Stände einen Teil der Mitglieder zu präsentieren hätten, und überhaupt seien jetzt die Darlegungen der Gegner beifälliger aufgenommen. - Ebenso arbeitete in Regensburg beim Reichstag, auf dem es sich um die Bestätigung des Teschener Friedens handelte 61 ), der Herr v. Viereck, ein Bruder des dänischen Gesandten in Wien, im Auftrage der mecklenburgischen Stände (er hatte in Mecklenburg Besitzungen gehabt, hatte sie aber durch Schulden im Konkurs verloren) gegen den Herzog. Auf dem Reichstag bildeten sich in der Frage des Friedens zwei Parteien, von denen die eine den Frieden ohne jeden Vorbehalt gutheißen, die andere eine be-


60) Die Herzöge an den Kaiser, 22. Juni 1779, Schw. A. I F, 15.
61) v. Ranke, Die deutschen Mächte, I, S. 35 ff.
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schränkende Klausel hinzufügen wollte. Der Herzog gab seinem Gesandten, dem Baron v. Gemmingen, zunächst nur Weisungen, wie er den Bemühungen der Stände eifrig entgegentreten sollte. Ihm wurden gedruckte Schriften übersandt, die von der Regierung veröffentlicht wurden, und die das Recht der Herzöge auf die Verleihung des Privilegs begründeten. Dagegen verbreitete Herr v. Viereck wieder andere Schriften, die in Schwerin mit Ärger als Beilagen der Gesandtschaftsberichte angenommen wurden. - Auf dem Reichstag wollte ein Teil der sog. "Klausulanten" die Rechte Dritter vorbehalten wissen; diese Gedanken waren natürlich den mecklenburgischen Ständen äußerst angenehm. Sie hofften dadurch auf Erleichterung ihrer Absicht, das Privileg unmöglich zu machen. Nach längeren Verhandlungen gelang es endlich dem Freiherrn v. Borié, dem österreichischen Direktorialgesandten 62 ). im Gegensatz zu den Bestrebungen des kurbrandenburgischen Gesandten v. Schwarzenau ein Reichsgutachten zustande zu bringen 63 ), "daß zu dem besagten Friedensschlusse und dessen zugehörigen, dem Reiche mit vorgelegten Akten und Konventionen des Reichs Beitritt und Einwilligung, jedoch unter der bedinglichen Voraussetzung und Zuversicht zu erteilen seien, daß sothaner Friedensschluß (wie es sich von selbst verstehe) 64 ) den Rechten des Reiches, dem Westfälischen für beide Religionsteile mit wechselweisen gleichen Rechten bestehenden Frieden und übrigen Reichsgrundgesetzen, oder jemand anderen an seinem erweislichen und behöriger Orten gebührendermaßen auszutragenden Rechte für jetzt und künftighin in keinem Fall zum Nachteil gereichen möge und solle." Mecklenburgs Gesandter v. Gemmingen hatte seine Stellung mit Preußen vereinbart, aber in seinem Votum alle Rechte betont (reservatis reservandis). Man war mit dem Ergebnis in Schwerin sehr zufrieden und hoffte, da der Kaiser dem Teschener Frieden in allen seinen Teilen beitrat, sei die Erteilung des nachgesuchten Privilegs sicher. Während des Winters war wenig in der Angelegenheit geschehen. Die Kaiserin Maria Theresia und Kaunitz hatten im November 1779 herzogliche Schreiben bekommen, in denen auch sie gebeten wurden, das Gesuch zu befürworten. Die preußische Ge-


62) Ranke a. a. O., I, S. 36.
63) Bericht Gemmingens vom 28. März 1780, Schw. A., I F, 15.
64) Den Bemühungen Schwarzenaus war es gelungen, um die Einschränkung abzuschwächen, diese Formel einzufügen, v. Ranke a. a. O., Bd. I. S. 41.
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sandtschaft (der Baron v. Riedesel und der Resident v. Jakobi-Klöst) 65 ) wurde vom König beauftragt, bei der Erledigung der im Friedensschluß angeregten Privilegsache mitzuwirken. Auch der Herzog bediente sich jetzt ganz der Hilfe Jakobis. Die ersten Berichte aus Wien lauteten nicht gerade hoffnungsfreudig. Die Umtriebe der Stände fanden williges Gehör. "Es ist leicht begreiflich, daß, da der kaiserliche Hof schwer an die Einschränkung seiner Gerichtsbarkeit durch Erteilung uneingeschränkter Appellationsprivilegien kommt, und die Reichsgerichte sich das Herzogtum Mecklenburg am wenigsten gern entziehen lassen, man die Vorstellungen eines Teils der Ritterschaft, welche durch Emissarien und Bankerotteure verleitet ist, mit Vergnügen aufnimmt, um einen Vorwand zu haben, die Erfüllung des 15. Artikels des Teschener Friedens abzuweisen" 66 ). Diese Ansicht der preußischen Minister kennzeichnet die Politik Wiens in dieser Angelegenheit während der nächsten Zeit. Allerdings erklärte die Kaiserin Maria Theresia dem Gesandten v. Riedesel, daß sie sich dem Friedensvertrag gemäß für die Erteilung des Privilegs beim Kaiser verwenden werde. Das Gleiche teilte Kaunitz im Auftrage der Kaiserin in der Antwort dem Herzog mit.

Der Kaiser selbst schien geneigt, zunächst ein Gutachten des Reichshofrats einzufordern; denn die Stände pochten auf ihre Rechte im Erbvergleich, in dem der Herzog versprochen hatte, "er werde den Berufungen an die Reichsgerichte den uneingeschränkten Lauf lassen", und spiegelten dem kaiserlichen Hof die Verleihung des Privilegs als bedenklich vor, weil das königlich preußische Haus beim Aussterben des herzoglichen in Mecklenburg sukzedieren werde 67 ). Der erste Bescheid, den der Geheime Reichsreferendar v. Leykam Jakobi erteilte, besagte, daß der Kaiser "überhaupt nicht ungeneigt sei, die unumschränkte Appellationsprivilegia,. insoweit solche niemand in seinem Recht verkürzen, zu erteilen, da solche wirklich öfters der Prozeßsucht der Untertanen Einhalt tun könnten". Nun wäre es aber auf der anderen Seite gewiß, daß bei despotischen Grundsätzen der Landes-


65) Bailleu in der A.D.B., Bd. 13, S. 576. König Friedrich war J. nicht gnädig gesinnt, deshalb versuchte dieser gelegentlich beim Herzog sich einzuschmeicheln, um sich für die Zukunft zu sichern. (Jakobi an Bassewitz, 22. April 1882.)
66) Die preußischen Etatsräte an das Ministerium, 12. Oktober 1779. Schw. A. I F, 15
67) W. Raabe, Meckl. Vaterlandskunde, III, S. 414 ff., druckt den: letzten Erbvertrag zwischen Christian Ludwig und König Friedrich vom 14. April 1752 ab.
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herren die Untertanen durch dergleichen Privilegia der Mißhandlung preisgegeben würden. Aus diesem Grunde wolle der Kaiser erst den Reichshofrat hören.

König Friedrich von Preußen war mit dieser Wendung nicht einverstanden; er meinte, daß man durch gerichtliche Erörterung der Sache seiner Verwendung ausweichen wolle, und er gab seinem Gesandten die strikte Anweisung, daß die Erteilung des Privilegs an Mecklenburgs Herzog Sache des Friedensschlusses sei; das Reichshofratsgutachten dürfe auf die Ausführung keinen Einfluß haben, wenn man auch seine Einforderung dem Kaiser nicht verwehren könnte. Das preußische Ministerium teilte jeden Schritt, der in der Sache getan wurde, bald nach Schwerin mit. Es war eine gute Gelegenheit für das Berliner Kabinett, in Wien immer wieder Vorstellungen zu erheben und dadurch Mecklenburg an sich zu binden.

Herzog Friedrich und seine Minister in Schwerin versprachen sich sehr viel von der preußischen Verwendung und beauftragten den Residenten v. Jakobi jetzt offiziell, die Sache zu betreiben. Allerdings scheute man sich, die Schreiben unmittelbar an ihn zu richten; sie wurden durch den Baron v. Lützow, der sich zeitweise in Berlin aufhielt, weitergegeben, "um den éclat zu vermeiden, den eine gelegentliche Estafette aus Mecklenburg an die kgl. preußische Gesandtschaft in Wien machen könnte" 68 ). Da Freiherr v. Leykam in einem Gespräch Jakobi gegenüber geäußert hatte, daß die Herzöge sich sonderbarerweise in ihrem Gesuch gar nicht auf den Teschener Friedensvertrag berufen hätten, wurde Jakobi beauftragt, darauf zu entgegnen, daß man dies aus Rücksicht für den Kaiser unterlassen habe, der das Privilegium eben nicht auf Grund des Friedens, sondern aus freier Entscheidung erteilen möge. Es wurde auch ein neues Schreiben an den Kaiser gesandt (am 20. März 1780), in dem wieder die Bitte um Erteilung des Privilegs ausgesprochen wurde, diesmal aber unter Berufung auf den Beitritt des Kaisers zum Teschener Friedensvertrage. Auch die größten Mächte Europas 69 ) wären Garanten dieses Vertrages und, wenn sich auch die Stadt Rostock und die Ritterschaft dagegen auflehne, so würde der Kaiser doch sicher darauf nicht achten, sondern baldigst das Privileg erteilen, das einst Wallenstein für Mecklenburg schon erhalten habe.


68) Geheimratspräsident Graf Bassewitz an den Herzog, 28. März 1780. Schw. A., I F, 15.
69) Rußland und Frankreich waren Garanten des Teschener-Friedens.
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Aber trotz aller Anstrengungen, die Jakobi in Wien machte, verlautete lange Zeit nichts in dieser Angelegenheit. Freudig wurde in Schwerin eine Schrift des kgl. dänischen Etatsrats Joh. Jakob Moser aufgenommen: Der Teschenische Friedensschluß vom Jahre 1779. Er erklärte darin zu dem 15. Artikel, daß Mecklenburg als Äquivalent für Leuchtenberg das Privilegium de non appellando illimitatum erhalten werde. Dieselbe Freiheit besäßen die meisten weltlichen und geistlichen Kurfürsten auch für ihre neu erworbenen Länder, ferner Schweden für Vorpommern. Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt, Nach der kaiserlichen Wahlkapitulation Art. 18 § 6 sollte der Kaiser bei Erteilung solcher Vorrechte "die Notdurft väterlich beobachten", d. h. sparsam damit umgehen, um die Jurisdiktion des Reiches nicht zu beschränken. Er könne aus eigener Macht das Recht verleihen und sei darin nicht vom Reich abhängig 70 ). Die weitere Auslegung Mosers betonte, daß Preußen und Österreich das Gesuch des Herzogs unterstützen müßten, und daß nun die vielen Streitigkeiten mit den mecklenburgischen Landständen leichter erledigt werden könnten. Die im Jahre 1746 gedruckten Decisiones Imperiales in causis Mecklenburgicis machten einen kleingedruckten Folianten aus, welcher 886 meistens vom Reichshofrat ergangene gerichtliche Erkenntnisse von 1660 bis 1746 enthielt. Der kaiserliche Hof hätte Mecklenburg die Herrschaft Wiesensteig 71 ) oder dergleichen lieber gegönnt.

Dies merkte man auch aus dem ferneren Verhalten des kaiserlichen Hofes. Im April wurde Jakobi ein Vergleich zwischen Herzog und Ständen vorgeschlagen. Er berichtete an den Herzog,. der ebenso wie seine Gegner nicht darauf einging. Dann wurde bald die Abwesenheit des Kaisers, bald eine Krankheit oder Arbeitsüberlastung eines Reichshofrats als Grund für das Zögern angegeben. Der Sommer brachte keinen Fortschritt, erst als der Herzog am 27. Oktober Schreiben an den Fürsten von Colloredo und an den Freiherrn von Leykam richtete und diese bat, jetzt wirklich die unberechtigten Widersprüche der Stände abzuweisen, schien es, als ob der Reichshofrat die Sache in Angriff nehmen wollte. Aber auch die Ritterschaft war eifrig tätig. Jakobi be-


70) Schweden hatte 1648 dieses Privileg durch den Frieden mit Bewilligung von Kaiser und Reich erhalten.
71) Gemeint ist wohl die Herrschaft Wiesentheid (nördlich von Ansbach).
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richtete am 14. November sogar, daß die Gegner hofften, bald werde ein für die Stände günstiges kaiserliches Konklusum erfolgen. Im übrigen beschwerte er sich über das schlechte Zusammenarbeiten mit dem mecklenburgischen Reichshofratsagenten v. Ditterich, der natürlicherweise enttäuscht war, daß er nicht alles. allein unternehmen durfte, was in der Angelegenheit zu geschehen. hatte. Ferner ließ der preußische Resident durch den Legations-Sekretär Regierungsrat Becker in Regensburg beim Herzog anfragen, ob er Geldmittel bekommen könnte, die er bei einem glücklichen Ausgang der Sache verwenden wollte 72 ). Er bekam sofort einen Kreditbrief über 1000 fl. zu diesem Zweck. Aber soviel der Herzog auch tun mochte, das Reichshofratsgutachten und die kaiserliche Entscheidung ließen noch immer auf sich warten. Die preußische Unterstützung reichte eben doch nicht aus, im Gegenteil, der Kaiser war nicht geneigt, König Friedrich einen Gefallen zu erweisen, besonders da es sich um eine Verringerung der Reichsgewalt handelte. Man gewinnt den Eindruck, daß Preußen eben auch nicht sonderlich viel daran gelegen war, daß Mecklenburg das Privileg schnell erhielt, wenn auch die preußischen Minister in ihren Schreiben wiederholt betonten, daß sie alle Hebel in Bewegung setzten, um die Wünsche des Herzogs zu erreichen.

In dieser Zeit vollzog sich die Wendung Rußlands zu Österreich. Bis dahin hatte es auf Preußens Seite gestanden und noch beim Teschener Frieden als Garant einen maßgebenden Einfluß gehabt. Jetzt aber war es Joseph II. gelungen, die russische Kaiserin Katharina II. für sich zu gewinnen 73 ). Für Mecklenburg sollten diese Verhältnisse insofern Bedeutung gewinnen, als nach dem Tode Maria Theresias (29. November 1780) Preußen in Petersburg und Paris aufs neue durch seine Gesandten auf die Erfüllung des 15. Artikels des Teschener Friedens hinweisen ließ. Diesen Schritten folgte der Herzog mit Schreiben an Katharina im Februar 1781 und an den Grafen Panin; man wußte, daß in Petersburg viel Gewicht auf die Durchführung des Teschener Friedens gelegt wurde, versprach sich von der russischen Verwendung sehr viel, und wenn auch der König von Frankreich, der als Garant des Friedens durch den mecklenburgischen Ministerresidenten Graf Diodati in Paris um Unterstützung gebeten worden war, sich der Sache annahm, konnte ein Erfolg nicht ausbleiben.


72) Becker an den Herzog, 20. November 1780. Schw. A., I F, 15, 2.
73) Ranke a. a. O., I, S. 142 ff.
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Wirklich kam jetzt die Angelegenheit beim Reichshofrat in Bewegung, aber im ungünstigen Sinne 74 ) 75 ). Im Auftrage des Kaisers teilte Fürst Colloredo dem Baron v. Riedesel mit, daß eine Entscheidung in Rücksicht auf Rußland, Frankreich und Preußen gefällt sei. Die Einwände der Ritterschaft wären als unbegründet abgewiesen, aber bei der Errichtung eines Oberappellationsgerichts müßten die Landstände mitwirken. Das Reichshofratskonklusum erfolgte am 11. April, am 14. April stimmte der Kaiser zu, und es wurde durch den Agenten v. Ditterich nach Schwerin gesandt, wo es am 25. April eintraf 76 ). Die Entscheidung erregte bei dem Herzog und seinen Räten große Enttäuschung, sie enthielt so viele Einschränkungen, namentlich in ihrem ersten Teil. Auf alle älteren Rechte der Ritterschaft und der Stadt Rostock, vor allem aber auf den Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich war Rücksicht genommen worden, so daß von einem Privilegium de plane non appellando illimitatum keine Rede sein konnte. Die Minister hatten vielmehr allen Grund, zu sagen, daß das hiernach ausgefertigte Privileg ein Privilegium limitatum sein werde, das man bereits besitze. Diese Ansicht brachte der Herzog bei seinem Dank an den König von Preußen vom 5. Mai zum Ausdruck, auch an den Fürsten Colloredo erging ein Schreiben 77 ), in dem die Enttäuschung unverhohlen ausgesprochen wurde; die vielen Einschränkungen und auch die Bestimmung, daß man sich wegen der Besetzung des Oberappellationsgerichtes mit den Ständen einigen sollte, seien gar nicht willkommen. Der Herzog wünsche aber, möglichst schnell ein Ende mit den Schikanen zu machen.

Aus diesem Grunde wurden auch die Stände am 3. Juli aufgefordert, Deputierte nach Schwerin abzusenden, um über die Einrichtung des Gerichtes mit der Regierung zu verhandeln. Die Antwort des Engeren Ausschuß war die Mitteilung, daß Abgesandte in Schwerin nicht erscheinen würden, sondern daß man Berufung gegen das kaiserliche Konklusum vom 11. April einlegen werde. Nun sah sich der Herzog genötigt, um weitere Unterstützung in Berlin, Petersburg und Paris nachzusuchen. Aus


74) Seit dem Tode der Kaiserin Maria Theresia war noch kein anderer auswärtiger Gesandter zur Audienz beim Kaiser zugelassen worden.
75) Jakobi an den Herzog, Schw. A., I F, 15.
76) Das Konklusum vom 11. April 1781 ist wörtlich im Anhang, Nr. II, angeführt.
77) 26. Mai 1781, Schw. A, I F.
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Berlin traf auch bald die Versicherung ein, daß man der Sache zu ihrem Erfolg verhelfen werde. In Petersburg war der russische Etatsrat Aepinus, dessen Bruder Rostocker Professor und herzoglicher Geheimer Kanzleirat war 78 ), bei dem russischen Vizekanzler Ostermann für den Herzog tätig. Als Erfolg kam auch im Oktober ein Schreiben mit Versprechungen Ostermanns, man werde sich für den Herzog in Wien verwenden. In Paris versuchte der mecklenburgische Bevollmächtigte Graf Diodati bei Vergennes die erwünschte Instruktion für den Grafen v. Breteuil, den französischen Gesandten in Wien, zu erreichen, die ihm auch zugesichert wurde.

c) Die Berufung der Stände.

Am kaiserlichen Hof war wieder die preußische Gesandtschaft und der Reichshofratsagent v. Ditterich tätig. Vor allen Dingen sollte eine Ablehnung der Revision der Stände erreicht und dem Kaiser vorgestellt werden, daß die Verleihung des Privilegs eine bloße Gnadensache sei. Die Einsprüche der Stände sollten in Wien möglichst verächtlich gemacht werden: "Dieser ausgelassene Haufe entblödet sich nicht, sogar ein Remedium juris zu ergreifen" 79 ). Die Minister teilten Jakobi mit, daß sie dem Wunsche der Wiener Reichshofräte entsprechend einen Entwurf für das Oberappellationsgericht nach dem Muster von Celle ausgearbeitet hätten, aber dem Landtag würden sie diesen Plan nicht erst vorlegen, da sie "nicht die geringste Hoffnung eines guten Erfolgs und der Ermannung des blöden vernünftigeren Teils gegen die rasenden Schreier" entdecken könnten. "Unerhört und ohne Exempel bleibe es allemal, daß ein unpatriotischer Teil der eigenen herzöglichen Vasallen und Untertanen, unter der Anführung einiger böser Schuldner, welche die letzte Instanz in ihren Debitsachen am liebsten - wenn es möglich wäre - in Ostindien haben möchten, mit solchem Erfolg wider die wohltätige Vereinbarung der europäischen Höfe sollte angehen können." Aber nicht allein die Einsprüche der Stände waren schuld daran, daß der Herzog um das Privilegium illimitatum soviel Bemühungen anwenden mußte, der Hauptgrund lag in der Abneigung des Kaisers, den Einfluß der Reichsmacht weiter einzuschränken 80 ).


78) Aepinus war auch mit in Bützow gewesen, Jahrb. 50, S, 70.
79) Der Herzog an Ditterich, 8. September 1781, Schw. A., I F, 15.
80) Vgl. Perthes. Das deutsche Staatsleben, S. 20.
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Trotz mehrfacher Bemühungen in Wien und Petersburg gelang es dem Herzog nicht, eine zusagende Antwort in Sachen des unbeschränkten Privilegs zu erhalten. Auch ein erbetenes Provisorium, das Jakobi unter Berufung auf das 1651 erweiterte Privileg nachsuchte, wurde von dem Geheimen Reichsreferendar v. Leykam abgelehnt. Mecklenburgs Herzöge hatten sich des 1629 Wallenstein verliehenen Privilegs aus Widerwillen gegen alles von ihm Herrührende nur kurze Zeit bedient und hatten dann 1651 eine geringe Beschränkung des Berufungsrechtes der Stände erreicht.

Auch die Anstrengungen des Herzogs in Petersburg wollten keinen Erfolg haben, obwohl Aepinus 81 ) unermüdlich tätig war.

d) Die Wiener Vergleichsvorschläge.

Der Wiener Hof hüllte sich in Schweigen, obwohl einerseits Herr v. Viereck im Auftrag der Stände und andererseits die preußische Gesandtschaft für den Herzog unablässig tätig war. Jakobi bekam jetzt sogar eine jährliche Gage von 1500 fl., die ihm während des ganzen Aufenthalts in Wien bis zum Jahre 1792 vom Herzog gezahlt wurde. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß die Revision der Stände angenommen und die ganze Angelegenheit aufs neue verhandelt werden würde. Auch ein Schreiben des Herzogs an den Staats- und Vizekanzler v. Cobenzl, das Jakobi am 9. Januar 1782 überreichte, hatte keinen Erfolg. Endlich äußerte Leykam am 25. Januar seine "Privatgedanken" über die Sachlage und meinte, der Herzog täte am besten, einen Vergleich einzugehen, denn sonst könne die Angelegenheit noch mehrere Jahre hindurch dauern. Der Herzog wies nachdrücklich darauf hin, daß von einem Vergleich keine Rede sein könnte, da die Ritterschaft ja überhaupt von einer Einführung des Privilegs nichts wissen wolle, und dann sei jede Auseinandersetzung über die Art und Weise der Durchführung zwecklos. Am 2. Februar meldete Jakobi, "er habe aus sicherer Quelle, daß der Kaiser schon eine ganz günstige Resolution gefaßt habe, womit man sehr zufrieden gewesen wäre, aber da habe kurz vor der Bekanntgabe jemand


81) Für diese Bemühungen erzielt Aepinus in Petersburg eine wertvolle Tabatiere, die Baron v. Lützow einmal in Württemberg geschenkt erhalten und für 650 Taler jetzt verkauft hatte. Baron Welz, der im russischen Departement für auswärtige Geschäfte zugunsten Mecklenburgs tätig war, erhielt eine andere Dose im Werte von 350 Talern, da der einzige Jude in Schwerin, Ruben Michel Hinrichs, nichts Passendes hatte.
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dem Kaiser mitgeteilt, es bestände die Möglichkeit zu einem Vergleich, und eine förmliche Entscheidung könne vermieden werden, welche, sie möchte ausfallen wie sie wolle, immer Gelegenheit geben würde, den Kaiser mit neuen Klagen und Vorstellungen zu behelligen; die Sache würde noch gar an den Reichstag gehen. Darauf hätte der Kaiser entschieden: nachdem Hoffnung zum Vergleich vorhanden sei, habe der Reichshofrat inzwischen mit allem ferneren Verfahren innezuhalten" 82 ). Ferner ließ Leykam Jakobi wissen, daß die Einmischung anderer Höfe sehr ungern gesehen würde 83 ).

In Schwerin wurde man jetzt unruhig und glaubte, sich nicht mehr ganz auf die preußische Hilfe verlassen zu dürfen. Das beweist. ein Schreiben des Herzogs an Ostermann vom 5. März. Nach den freundlichen Mitteilungen aus Petersburg und von der russischen Gesandtschaft in Wien habe er gehofft, bald nach der Erledigung der Sache dem Minister seinen Dank aussprechen zu können. Statt dessen habe der Kaiser erklärt, daß ein gerichtliches Verfahren nicht mehr stattfinde, aber das Privileg sei nicht erteilt und die gewährleistenden Höfe seien nicht benachrichtigt. Der Herzog sei völlig überzeugt, daß diese anscheinende Abneigung des Kaisers gegen die Erfüllung des kleinsten Punktes im Teschener Frieden einen anderen und wichtigeren Grund haben müsse "als das so ungegründete blinde Geschrei eines einzigen, das wahre Wohl des Vaterlandes nur aus Nebenabsichten verkennenden Teils der Untertanen und deren in der Person eines Bankerotteurs abgeordneten Deputati". Er denke vielmehr, daß der eigentliche Grund in dem Mißvernehmen zwischen Preußen und Österreich liege, weil sich der preußische König für die Sache eingesetzt habe 84 ). Jetzt möchte doch Rußland seinen ganzen Einfluß in Wien ausüben. - Wir sehen, wie die politische Einstellung der Großmächte von dem Herzog in diesem Augenblick benutzt werden sollte.


82) Es läßt sich nicht feststellen, von wem Jakobi diese Nachricht hat. Der Kaiser ist sicher von Leykam beeinflußt.
83) Jakobi an den Herzog, 20. Februar 1782, Schw. A., I F, 15.
84) Daß dies tatsächlich der Fall war, beweist ein Brief Josephs II. an Katharina vom 19. Februar 1782 (Briefwechsel Josephs II. und Katharinas, herausg. von Arneth, Wien 1869, S. 123 ff. Es ist darin im Zusammenhang mit einem etwaigen Krieg mit der Türkei die Rede von der Haltung des Preußenkönigs dem Kaiser gegenüber. " . . . Il serait bien sûr, tant qu'il est si en force a notre dos, d'arracher sans coup férir le meilleur lot ou en Pologne, dans le Mecklembourg ou par la Lusace." Den Kaiser ärgerte also der Einfluß Preußens.
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Trotzdem ging noch am 4. März ein Schreiben nach Berlin mit der Bitte um nachdrückliche Unterstützung. Die Sache läge ganz in den Händen Colloredos und Leykams, die man zu gewinnen versuchen müßte. Auch in Paris wurde durch Diodati wieder angefragt.

Am 16. März sprach Jakobi mit Leykam 85 ) und bekam zur Antwort, daß er selbst nicht wisse, weshalb der Kaiser keine Entscheidung bekanntgebe; wenn die Gesandtschaften von neuem darauf dringen wollten, würde ein Vortrag beim Kaiser geschehen. Nun wurden der preußische, russische und französische Gesandte ersucht, den Reichsvizekanzler an die Sache zu erinnern. Alle drei versprachen es, der Baron Riedesel tat es sogar noch am gleichen Abend. Leykam deutete immer wieder einen Vergleich an, Jakobi erwiderte aber, daß für den Herzog die unbedingte Einräumung des Privilegs von seiten der Stände Vorbedingung für alle Vergleichsverhandlungen über die Ordnung und Errichtung des Oberappellationsgerichtes sei. Das Privilegium sollte ein illimitatum sein, etwas anderes käme für den Herzog nicht in Frage 86 ). Am 24. März fragte plötzlich Leykam, ob Jakobi bald das Beglaubigungsschreiben des Herzogs von Mecklenburg erhalten werde, das der Hofrat Bouchholz in Aussicht gestellt hätte (das ist nicht zutreffend, wie B. selbst bemerkt). Leykam setzte hinzu, daß es wohl gut wäre, wenn man endlich wissen würde, mit wem man es zu tun hätte. Obwohl ja schon mehrere Akkreditierungsschreiben für Jakobi nach Wien gegangen waren, wurde in Schwerin noch am 16. April ein von beiden Herzögen unterzeichnetes Schreiben an Colloredo gesandt, das sich allerdings nur auf die Privilegsache bezog. Dabei wurde dem Residenten mitgeteilt, daß man ihn "nach glücklicher Erledigung der Angelegenheit je nach dem Stande des sodann zwischen den hohen Höfen zu Wien und Berlin vorwaltenden besseren oder schlechteren Vernehmens entweder öffentlich oder unter der Hand für den sonstigen Betrieb der herzoglichen Angelegenheiten" gebrauchen werde.

Jetzt wurde vom Herzog ein gemeinsames Vorgehen der Gesandten in Wien erwartet; denn er teilte Jakobi mit, daß ihm aus Petersburg und Paris ein "eifriges Betreiben der Angelegenheit" versprochen sei. Am 3. April meldete Jakobi, daß der französische Botschafter krank sei und Fürst Gallizin die Osterandachten habe, und sie deswegen noch nicht bei Colloredo gewesen seien, es


85) Jakobi an den Herzog, 16. März 1782, Schw. A., I F, 15.
86) Die Verhandlungen wurden übrigens im Einverständnis mit dem Streiter Herzog und zugleich für ihn geführt.
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aber bei nächster Gelegenheit nachholen wollten. Am 10. April waren sie endlich beim Reichsvizekanzler und empfahlen ihm die Sache recht angelegentlich, wie sie versicherten 87 ). Colloredo sollte nur kurz geantwortet haben, er werde dem Kaiser ungesäumten Vortrag deshalb machen. Jakobi meinte, jetzt sei bald eine Entscheidung zu erwarten, aus Petersburg würde sicher sofort für Gallizin ein bestimmter Befehl eintreffen, wenn erst der Legationsrat v. Koch, der die Sache ja kenne, sich dort darum bemüht habe. Sonst sei jeder gemeinsame Schritt der Gesandtschaften erst nach langen beschwerlichen Unterhandlungen möglich. - Eine große Enttäuschung war in Schwerin, als am 20. April Jakobi berichtete, daß er mit Leykam gesprochen und von ihm erfahren habe, daß Fürst Gallizin überhaupt nicht bei Colloredo vorstellig geworden sei, "Sondern daß er nur, wie Leykam sich ausdrückte, von ungefähr etwas fallen gelassen haben mag, worauf der Reichsvizekanzler nicht attendieret haben möchte". Jakobi ließ sofort durch die russische Gesandtschaftskanzlei den Fürsten an sein Versprechen erinnern, welches er dem französischen Botschafter ausdrücklich wegen einer gemeinschaftlichen Vorstellung gegeben hatte. Gallizin selbst ließ sich wegen Unpäßlichkeit nicht sprechen. Jetzt wurde versucht, durch eine kleine Noteden Kaiser zu erinnern 88 ). Die Reichskanzlei weigerte sich indessen, dem Kaiser die Sache vorzutragen, wenn nicht alle beteiligten Gesandtschaften einen gemeinsamen Schritt täten. "Wenn das auch erreicht sei, würde sicher auszusetzen sein, daß Mecklenburg-Strelitz nicht auch vorstellig geworden wäre," meinte Jakobi. Am 26. April hatte endlich Gallizin mit Colloredo von der Sache gesprochen, und der Kanzler hatte ihm geantwortet (wie Gallizin Jakobi mitteilte), er habe bereits dem Kaiser die Angelegenheit vorgetragen und den Auftrag erhalten, bekanntzugeben, daß dem Reichshofrat das Fortschreiten in der Revision in via juris befohlen wäre. Das bedeutete eine Zulassung der Berufung. Aber sonderbarerweise erklärte der Referent v. Heß, der Reichshofrat wisse noch nichts davon, und auch Leykam sagte, ihm sei nichts davon bekannt, es müsse ein Irrtum vorgekommen sein. Gallizin habe wohl nicht recht verstanden oder Colloredo habe sich wegen seines Alters und harten Gehörs geirrt. Die Gesandten sollten nur kleine Erinnerungsnoten vorlegen. - Der Fürst Gallizin blieb indessen bei seiner Behauptung, er habe Colloredo sehr gut verstanden. Als Riedesel dann Leykam Anfang Mai zur Rede stellte, bekam auch er die Antwort, daß nach seiner


87) Bericht Jakobis vom 11. April 1782, Schw. A., I F, 15.
88) Jakobi an den Herzog am 24. April 1782, Schw. A., I F, 15.
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Ansicht ein Mißverständnis vorliege, Fürst Colloredo hätte sich undeutlich erklärt, "weil Fremde von Reichsgeschäften nur dunkle Begriffe hätten, und weil der Fürst sich zuweilen in französischer Sprache dunkel ausdrücke" 89 ). Leykam versicherte 90 ), der Kaiser habe noch keine Resolution gefaßt, die Sache liege noch ganz, wie sie gewesen sei, als Riedesel das letzte Mal bei Colloredo angefragt habe. Ob die Gesandtschaften neue Vorstellungen erheben sollten, stünde ganz in ihrem Belieben. Eine kaiserliche Antwort würde erfolgen, wann, sei ungewiß; es könnte ein Jahr dauern, und am Ende sei doch ein Vergleich nötig. Die Frage, ob das Privileg erteilt werden solle (quaestio an), sei entschieden, es komme nur noch auf die Ausführung an (quo modo). Darauf antwortete Riedesel, daß die Stände die quaestio an eben nicht als entschieden ansähen, sondern dagegen gerade Berufung einlegten 91 ). Leykam blieb bei seinem Rat zu einem Vergleich und meinte, der Kaiser würde selbst Vorschläge machen, nach denen sich die Parteien vergleichen könnten. Einige Punkte in den Einschränkungen müßten vielleicht noch näher bestimmt werden; jedenfalls werde er sich der Sache weiter annehmen. Riedesel gewann den Eindruck, als wenn es Leykam gar nicht auf eine kaiserliche Resolution ankomme, sondern daß er einen Vergleich herbeiführen wollte, der ganz unmöglich war. Den Grund für diese Bemühungen sah der preußische Gesandte darin, daß dem Kaiser mitgeteilt war, ein Vergleich stehe in Aussicht, und jetzt scheute man sich, erneut die Sache zu betreiben, und wollte auch wirklich einen Vergleich herbeiführen.

Auch nach Berlin hatten Jakobi und Riedesel von den Vergleichsvorschlägen berichtet. Darauf erfolgte ein Schreiben des Königs, der seine Gesandten anwies, auf solche Verhandlungen nicht einzugehen, vielmehr die fremden Botschafter, deren Höfe Unterstützung zugesagt hätten, recht eindringlich an die Erledigung der Sache zu mahnen. Von dieser Antwort gaben die preußischen Räte nach Schwerin Kenntnis.

Hier war inzwischen eine Nachricht des Grafen Diodati aus Paris eingetroffen 92 ), weiche große Entrüstung erregte. Der kaiserliche Gesandte Graf Mercy hatte nämlich dort erklärt, daß


89) Wahrscheinlich hat Gallizin absichtlich ein Mißverständnis herbeigeführt, oder Colloredo gab ihm wirklich die erwähnte Auskunft, um ihn zu beruhigen, näheres ergeben die Akten darüber nicht.
90) Riedesel an den Herzog, 5. Mai 1782, Schw. A., I F, 15.
91) Das Gespräch zeigt deutlich, wie wenig Neigung am Wiener Hof für die Erteilung des Privilegs vorhanden war.
92) Graf Diodati an den Herzog, 11. Mai 1782, Schw. A., I F, 15.
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die Privilegsache nur durch einen Vergleich beigelegt werden könnte; denn die mecklenburgischen Stände seien sehr wohl zu ihren Widersprüchen berechtigt. Darauf erging sofort eine Anweisung nach Paris, Graf Diodati sollte bekanntgeben, daß der Reichshofrat längst die Berechtigung des Privilegs anerkannt habe, und es sei nicht zu erwarten, daß der Kaiser sich von seiner "einmal ergangenen hohen kaiserlichen Decision wieder entfernen werde". Jakobi wurde am 13. Mai mitgeteilt, daß der Herzog sehr enttäuscht sei. Man habe "von der Wirkung der großmütigen Verwendung der drei Höfe mehr erwartet". Auch das Verhalten des Gesandten in Paris habe recht befremdet und man sehe, in wessen Händen die Sache liege (Leykams). Jakobi sollte auf die Taxen für das Privileg hinweisen. Vielleicht fielen diese in Wien etwas in die Wagschale. Der Kanzleirat Aepinus in Rostock wurde ersucht, durch seinen Bruder den etwaigen falschen Vorspiegelungen des kaiserlichen Gesandten in Petersburg vorzubeugen und sich dabei auf das Reichshofratskonklusum vom 11. April 1781 zu stützen. Alle Schritte in Petersburg und Wien nützten nichts, und immer deutlicher erkannte man in Schwerin die Absicht des kaiserlichen Hofes, es zu keinem Privilegium illimitatum kommen zu lassen.

Der Kaiser hatte inzwischen die Zarin und den König von Frankreich als Garanten des Teschener Friedens ersucht, ihre Bemühungen anzuwenden, daß die mecklenburgische Privilegsache auf gütlichem Wege geendigt werden könnte. Katharina ging darauf ein und erteilte ihrem Gesandten in Paris dahingehende Anweisungen. Nach Vereinbarung mit Frankreich wollte sie durch den russischen Gesandten v. Groß in Hamburg dem Herzog nähere Mitteilungen zugehen lassen. Ostermann versicherte dem Herzog, die Kaiserin bleibe auf alle Fälle dabei, daß dem herzoglichen Gesuch nach dem wörtlichen Sinn und Inhalt des Teschener Friedens Genüge geschehe 93 ). Die preußische Gesandtschaft in Petersburg war von diesen Dingen gar nicht in Kenntnis gesetzt. Diese Wendung hatte Cobenzl, der kaiserliche Gesandte, dort erregt. indem er erklärt hatte, der Kaiser könne das Verfahren gegen das Reichshofratskonklusum nicht wieder aufnehmen, weil der Herzog eine Revision ablehne, und ihm seien die Hände gebunden, da es nicht in seiner Gewalt stände, eine Wiederaufnahme anzubefehlen. Wie Herr v. Koch nach seiner Rückkehr dem Etatsrat Aepinus


93) Staatsrat Aepinus aus Petersburg an den Herzog, 28. April (a. St.) 1782, Schw. A., IF, 15.
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erzählte, stand Leykam auf Seiten der Ritterschaft und beeinflußte den Kaiser so stark, daß die Sache daher diese Schwierigkeiten hatte 94 ).

Den Absichten der mecklenburgischen Stände war diese Wendung sehr willkommen, sie wollten die Sache möglichst hinziehen, bis das Interesse der Höfe ganz erlahmt sei. Der kaiserliche Hof dachte wirklich an einen Vergleich; eine ungenannt gebliebene Person überreichte Jakobi am 22. Mai den Entwurf dazu, der nach Schwerin gesandt wurde. Er ging darauf hinaus, daß die Ritterschaft sich zwar der Ausfertigung des Privilegs nicht widersetzen, daß aber andererseits die Herzöge die Einschränkungen voll anerkennen sollten.

Jakobi stellte nun auch Leykam zur Rede 95 ) wegen der bekannten Äußerung des Gesandten v. Mercy in Paris. Die Antwort war, es müßte ein Mißverständnis vorliegen; denn das kaiserliche Ministerium sei der Ansicht, daß die Stände ein jus contradicendi in bezug auf die Ausnahmen und Einschränkungen des kaiserlichen Conclusi besäßen, von der Erteilung selbst sei dabei nicht die Rede gewesen. Als Jakobi weiter fragte, ob diese Äußerung des Mercy, die derselbe aus einer von dem Reichsvizekanzler erhaltenen Instruktion gemacht hätte, auch einer Entscheidung des Kaisers entspräche, erklärte Leykam, Joseph habe noch keine Entschließung gefaßt. Die Absicht dieser in Paris getanen Äußerung sei nur die gewesen, die Meinung des Herzogs über die Fassung des ersten Teils des Conclusi näher kennen zu lernen. Jakobi hielt jede Erörterung darüber für unnütz, solange die Frage der Erteilung noch nicht geklärt sei. Als Leykam auf die Vergleichsvorschläge zurückkam, meinte der preußische Resident, er werde den Herzog zu einem Schreiben an den Kaiser veranlassen, in dem der ganze Hergang der Angelegenheit und die Schikanen der Ritterschaft genau vorgestellt würden. Der Kaiser wollte ja ein Privilegium illimitatum erteilen, deshalb würde der Herzog um ein Provisorium einkommen, in dem die Ausnahmen des ersten Teils im damaligen Konklusum einfach fortfallen sollten. Ein solches Schreiben werde Jakobi dem Kaiser in einer besonderen Audienz überreichen. Leykam tat zunächst so, als ob ihm dieser Plan ganz gleichgültig sei, dann versuchte er aber Jakobi zu überzeugen, daß das beabsichtigte Vorgehen auch nur eine Verfügung des Kaisers an den Reichshofrat erwirken werde,


94) Derselbe an seinen Bruder in Rostock, 28. April 1782. Ebenda.
95) Jakobi an den Herzog, 5. Juni 1782, Schw. A. Ebenda.
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die Sache weiter in via juris zu behandeln, am besten sei doch ein Vergleich. Am Abend nach dieser Unterredung waren Jakobi und Leykam zusammen auf einem Diner bei dem kurpfälzischen Gesandten. Der Österreicher nahm den Residenten beiseite und sagte, er habe inzwischen mit Colloredo von dem Mißverständnis in Paris gesprochen und bei diesem auch die Ansicht gefunden, daß nur die Ausnahmen des Conclusi die Ritterschaft zu Einsprüchen berechtige. Aber die Absicht, ein Provisorium zu erreichen, werde niemals Erfolg haben.

Trotzdem eine Nachricht in Schwerin eintraf, daß Frankreich beabsichtige, in Hamburg Vergleichsverhandlungen ins Werk zu setzen, ging eine nachdrückliche, auf ein Provisorium gerichtete Anweisung des Herzogs, der übrigens ebensowenig wie die Stände von einem Vergleich wissen wollte, an Jakobi nach Wien. "Wir erwarten, daß S. Kaiserl. Majestät der Reichskanzlei aufgeben würde, daß sie ohne ferneren Anstand und des, der kaiserlichen Unbeschränktheit in bloßem Gnadensachen ebenso sehr als allen Reichsfürsten überhaupt und uns in specie zum offenbaren Nachteil, hingegen durch die Wahlkapitulation so wenig als sonst durch irgend ein Reichsgesetz nicht begründet, von einigen unserer zudringlichen und unruhigen Untertanen, auch den berüchtigten Bürgermeistern und Ratmännern der einzigen Stadt Rostock ganz ungebührlich zur Hand genommenen Remedii Revisionis ohngeachtet, ein Privilegium de non appellando illimitatum in allen der Maße und Form, wie solche Privilegia illimitata anderen altfürstlichen Häusern im Reiche und selbst dem Hause Mecklenburg vormals erteilt worden, für uns und unser herzogliches Gesamthaus auf alle gegenwärtig besitzende Lande ausfertigen und dasselbe gegen Erlegung gewöhnlicher Gebühr ungesäumt aushändigen solle." Der Resident sollte versuchen, die Zurücknahme der von Wien aus gemachten Einleitung zu Vergleichsverhandlungen zu erreichen.

Über diese Pläne wurde jetzt weiter bekannt, daß Österreich an Verhandlungen unter der Teilnahme von Frankreich und Rußland ohne Preußen etwa in Hamburg dächte, anderen Meldungen zufolge sollten sie in Wien stattfinden 96 ). Leykam bestritt überhaupt, daß Hamburg jemals in Aussicht genommen sei, aber bei seiner Ansicht über die guten Aussichten eines Vergleichs blieb er immer noch, obwohl ihm Jakobi vorstellte, wie sehr durch das lange Zögern und durch die etwaige Annahme der Revision das kaiserliche Ansehen geschmälert werden könnte.


96) Jakobi an den Herzog, 27. Juli 1782, Schw. A., IF, 15.
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e) Neue Bemühungen des Herzogs.

Jakobi riet dem Herzog jetzt, ein Schreiben an den Kaiser abzusenden, um ihn von der Ansicht, ein Vergleich sei im Werke, zurückzubringen; einer eigenen Abschickung, die in Schwerin erwogen war, widersprach er. "Weit entfernt, daß Augustissimus dergleichen Abschickung als Zeichen besonderen Ehrerbietung ansehen, so vermutet er im Gegenteil darunter, wie die Erfahrung lehret, die besonderen Absichten, den zu sollicitierenden Sachen durch Nebenwege andere Wendung zu verschaffen. Der Kaiser ist gewohnt 97 ), nach den Ideen, die er sich in einer Sache gleich im Anfange gemacht hat, auf einem und dem nämlichen Wege fortzufahren." "Abschickungen" kämen ihm sehr ungelegen. Vielleicht aber spielte der Wunsch Jakobis dabei eine Rolle, lieber allein die Angelegenheit zu erledigen.

Am 1. August 1782 wurde dann ein gemeinschaftliches Schreiben der beiden Herzöge abgesandt. Sie beriefen sich darauf, daß der Kaiser habe versichern lassen, er werde das Privileg erteilen, wenn es ohne Schädigung der Rechte Dritter geschehen könne. Das Konklusum vom 11. April enthalte zwar viele Einschränkungen, aber da ein Privilegium illimitatum nachgesucht und in Aussicht gestellt sei, hofften die Herzöge bei der demnächstigen Expedierung würden diese Ausnahmen fortfallen, da ja die Rechte Dritter nicht geschädigt würden. In der festen, auf die "weltbekannte kaiserliche Gerechtigkeitsliebe" gegründeten Überzeugung, daß das Privileg baldigst erteilt würde, hätten die Herzöge mit den Ständen über die Errichtung des Oberappellationsgerichts verhandeln wollen, dieses Entgegenkommen sei zurückgewiesen, weil die Renitenten Revision einlegen wollten. Sie hätten auch Erfolg gehabt, und jetzt verlaute sogar, nur auf dem Wege eines Vergleichs mit ihnen könnte das Privileg erlangt werden. Das alles könne beweisen, daß den mecklenburgischen Landesherren kein Vorrecht ohne die Einwilligung von Ritter und Landschaft bewilligt werden könnte. Da es aber reine Gnadensache sei, wolle der Kaiser geruhen, die von den Widerspenstigen zum bloßen Verschleppen der Sache ergriffene Revision nunmehr sofort zu verwerfen und die Expedition der Reichskanzlei zu befehlen.

Nach langen Bemühungen gelang es endlich Jakobi, am 22. September eine Audienz beim Kaiser zu erhalten 98 ). Leykam


97) "Wie er, Jakobi, durch seinen achtzehnjährigen Aufenthalt in Wien wisse."
98) Jakobi an den Herzog, 23. September 1782, Schw. A., IF, 15.
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war auf einige Monate verreist, ein Umstand, der der Sache entschieden zu Hilfe kam. Jakobi überreichte das herzogliche Schreiben und trug die Wünsche Mecklenburgs vor. Joseph hörte alles aufmerksam an und erklärte, daß er nichts gegen das Privileg habe, aber der Reichsschluß über den Frieden sei nur salvo jure cuiuscumque erfolgt 99 ). Das Recht Dritter dürfe nicht verletzt Werden. Jakobi sagte, das habe der Reichshofrat bereits entschieden, ein jus tertii sei nicht vorhanden. Der Kaiser erinnerte an die Ausnahmen, die hätten gemacht werden müssen, jeder müsse sein Recht bekommen. Der Gesandte äußerte, die Ausnahmen im ersten Teil des Conclusi ließen sich nicht aus den Verträgen zwischen Ständen und Landesherrn begründen. Joseph unterbrach ihn und sagte: "Wenn den Landesherren ganz freie Macht über ihre Untertanen gegeben würde, würden sie Despoten und mit solchen machen können, was sie wollten." Jakobi berief sich auf Franz I., der mehrere solche Privilegia erteilt hätte (u. a. für Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt und einige preußische Länder), und es hätten sich die üblen Folgen, welche der Kaiser erwähnt habe, nicht gezeigt, das Gegenteil, die Wohlfahrt der Länder, sei eingetreten; außerdem seien selbstverständliche Klagen über verweigerte oder verzögerte Justiz ausgenommen. Der Kaiser meinte, die genannten Länder hätten auch nicht derartige Verträge gehabt wie die Mecklenburger, welche erst kürzlich (1755) darüber paktiert hätten. Der Resident erwiderte, in dem Vergleich von 1755 wäre aber keine einzige Stelle, welche den Widersprüchen der Stände Recht gäbe. Joseph erklärte, er wolle niemand sein Recht nehmen, hätten die Stände Unrecht, würden sie zum zweitenmal abschlägig beschieden werden. Die Revision würde nicht verworfen werden, ohne die Gründe dafür zu prüfen. Das vom Herzog erhaltene Schreiben würde er dem Reichshofrat übergeben und von dem hören, ob die Sache revisible sei oder nicht.

Die Audienz würde noch längere Zeit fortgesetzt. Der Kaiser kam auf die Vergleichsvorschläge zurück, versprach aber schließlich, die Sache nochmals prüfen zu lassen. Aus den Äußerungen Josephs ging deutlich hervor, wie wenig er geneigt war, die Rechte der Landesherren zu erweitern und in der Sache Mecklenburgs nachzugeben.

Jakobi trat sofort mit dem russischen und französischen Gesandten in Verbindung und nahm sich vor, falls in vierzehn Tagen kein Bescheid erfolgt sei, in der Reichskanzlei nachzufragen. War


99) Vgl. oben S. 235
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auch wahrscheinlich keine Abweisung der Stände mit ihrer Revision zu erwarten, so war doch der Herzog mit dem Ergebnis der Unterredung zufrieden. Jetzt müßten Stimmen im Reichshofrat gewonnen werden, meinte er 100 ).

Inzwischen war der Schriftwechsel mit Petersburg eifrig gepflogen. Aepinus hatte wiederholt Aufträge erhalten und konnte mancherlei berichten 101 ), so die Äußerung der Zarin, die sich Jakobi bereits in der Audienz beim Kaiser zunutze machen konnte. Diese Erklärung war veranlaßt durch die Vorstellung des preußischen Gesandten v. Goerz, welcher mitgeteilt hatte, "daß S. Königl. preuß. Majestät als Hauptkontrahent des Teschener Friedens sich beschwert finden, daß der Wiener Hof diesen Vorschlag zu einem Vergleich Ihnen nicht mitgeteilt hätte, und daß sie überhaupt nicht zugeben würden, daß in dieser Sache etwas ohne Ihre Teilnehmung abgemacht würde, daß dieser ganze Vorschlag offenbar nur darauf abziele, die Sache in die Länge zu ziehen und gänzlich zu eludieren; daß die Herren Herzöge von Mecklenburg Sr. Majestät zu erkennen gegeben, daß sie sich auf die vorgeschlagenen Vergleichsverhandlungen nie einlassen würden, und daß demzufolge Ihre Majestät verlangten, daß der Artikel des Teschener Friedens ohne Ausflüchte endlich purement und simplement erfüllt würde und dieserwegen Ihrer kaiserlichen Majestät Garantie ausdrücklich reklamierten."

Aepinus riet zu einem Schreiben an die Kaiserin, das auch am 10. September 1782 gemeinschaftlich von Schwerin und Neustrelitz abging. Es enthielt eine nochmalige eingehende Darstellung der ganzen Angelegenheit und betonte vor allem, daß ein Vergleich nicht in Frage käme, da das Privileg aus den Händen des Kaisers eine Gnadensache sein sollte 102 ). Man bat um tätige Unterstützung in Wien. Gleichzeitig bekamen Ostermann und Aepinus Briefe des Herzogs, in denen beide um Vermittlung ersucht wurden. Aepinus sollte mit den nötigen Empfehlungen die Schreiben an die Kaiserin und den Minister übergeben, außerdem teilte ihm der Herzog den Wunsch mit, Katharina möge ein eigenes Handschreiben an Joseph richten und nicht nur durch Fürst Galizin die Sache betreiben lassen. Jakobi wartete nun auf einen Schritt Rußlands.


100) Der Herzog an Jakobi, 10. Oktober 1782, Schw. A., IF, 15.
101) Aepinus an seinen Bruder (nicht datiert, wohl Anfang August 1782, Schw. A. ebenda.
102) Das Schreiben betonte die Freiheit des Kaisers zur Erteilung des Privilegs.
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Leykam war inzwischen von seiner Reise zurückgekehrt, aber der Kaiser war jetzt in Böhmen (Oktober 1782), da konnte zunächst auf keine Entscheidung gerechnet werden. Preußen hatte in Wien angefragt, was die Nachrichten über einen Vergleich zu bedeuten hätten, und zur endlichen Erledigung der Sache gemahnt. Die Antwort war gewesen, man habe nicht die Ursache zu den Vergleichsgerüchten gegeben. So ging das Jahr 1782 ohne eine Entscheidung zu Ende.

Der Herzog versuchte jetzt Kaunitz für die Erteilung des Privilegs zu interessieren (13. Januar 1783) und schickte Jakobi ein Empfehlungsschreiben für den Staatskanzler. Die ausländischen Gesandtschaften hüllten sich in schweigen. Jakobi erfuhr nur, daß Fürst Gallizin Katharina berichten solle, wie Joseph über die Sache denke, da sie die Angelegenheit zu beendigen wünsche. Weiter war Jakobi die Mitteilung des Gesandten Cobenzl bekannt geworden, in Petersburg wolle man nichts tun, womit man in Wien nicht einverstanden sei. Nicht ganz im Einklang damit stand die Nachricht von Aepinus, nach der die Kaiserin auf Vorstellungen des Grafen Goerz erklärt hatte. Sie wolle jetzt mit Frankreich und Preußen gemeinsam alles tun, um die Sache zu erledigen. Petersburg und Wien stimmten in der Sache ganz überein. Cobenzl hatte auf Befragen übrigens zugegeben, daß die Verleihung des Privilegs Gnadensache sei, aber er hatte gemeint, es könnten andere frühere Privilegien dazwischen stehen, und vor allem Rostocks Vorrechte 103 ) erwähnt.

f) Die zweite Entscheidung des Reichshofrats.

Und doch gab anscheinend das Interesse Rußlands den entscheidenden Anstoß, die Privilegiensache wieder in Angriff zu nehmen; denn jetzt wurde beim Reichshofrat eine Kommission gebildet aus dem Präsidenten v. Hagen, dem Vizepräsidenten Graf Überacker und den Reichshofräten v. Bartenstein, v. Heß, Baron Puffendorff und Braun. Diese sollten ein Gutachten über die Lage der Angelegenheit abgeben 104 ). In der Zeit vom 5. bis 10. Februar fanden Konferenzen statt, in denen auch das Schreiben des Herzogs an die Zarin den Räten vorlag (es war durch Cobenzl aus Petersburg eingesandt). Das Resultat wurde auf ausdrücklichen kaiserlichen Befehl geheimgehalten, Jakobi aber erfuhr


103) Aepinus an seinen Bruder (Ende Dezember 1782), Schw. A., IF, 15.
104) Berichte Jakobis an den Herzog vom 5. Februar und 10. Februar 1783, Schw. A. ebenda.
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unter der Hand davon und konnte dem Herzog mitteilen, die Kommission wäre der Ansicht, daß die Revision der Stände nicht abgewiesen werden könnte. Der Kaiser müßte die "Notdurft für die Erteilung solcher Privilegia väterlich beobachten". Eine Erneuerung des Vorrechts von 1629 komme nicht in Betracht. Aus diesen Gründen könne aber auch ein Provisorium nicht verfügt werden. Allerdings wurde auch ein Vergleich als recht schwierig bezeichnet. - Dieses Gutachten wurde nach Petersburg gesandt, um "der Kaiserin eine den darin enthaltenen Grundsätzen angemessene Idee von der jetzigen Lage der Privilegsache zu geben und um sie zu überzeugen, daß, wenn auf der einen Seite die Revision, weil man sich darin nicht einlassen will, nicht kann erledigt werden, sodann auf der anderen auch kein Vergleich erzielet werden, dem Kaiser die Hände gebunden sind und Allerhöchstdieselben ohne dem ganzen Reich zu begründeten Klagen Gelegenheit zu geben, keinen Machtspruch tun können." Solche Ansichten waren nach Jakobis Nachrichten vorhanden, und er riet dem Herzog, sich mit der Aufnahme der Revision einverstanden zu erklären, da der Kaiser auch trotz aller fremden Fürsprache auf seinem Standpunkt bleiben werde."

In Schwerin konnte man sich zunächst mit diesen Gedanken aber durchaus nicht befreunden. Es wurde erwogen, ob man dem Kaiser die Lehnsnehmung anbieten könne, wenn er dagegen das Privileg erteile. Das Berliner Ministerium, dem man diese Absicht mitgeteilt hatte zugleich mit der Bitte um die Vermittlung eines Handschreibens der Zarin an Kaiser Joseph, antwortete, es werde selbst in der Lehnssache keinen Schritt tun, ließe aber Mecklenburg darin ganz freie Hand. Ein Handschreiben der Zarin könnte nicht vermittelt werden. Doch sollten die preußischen Gesandtschaften weiter die Bemühungen des Herzogs unterstützen 105 ). Auf die Erfolge fremder Verwendung hofften der Herzog und seine Räte immer noch. "Wir sehen nicht ab, wer und was den Herzog zwingen kann, über die Friedenserfüllungssache sich in eine Revision einzulassen," schrieben sie am 31. März nach Neustrelitz.

Doch gehörte das Auftreten der fremden Höfe nach Jakobis Ansicht zu den frommen Wünschen 106 ). Gallizin tat nichts, die Kaiserin selbst hatte nach Wien geschrieben, "Sie fände die Gründe erheblich, welche bisher die Privilegsache verzögert hätten, sie wolle also die Beendigung derselben bloß von Sr. Majestät gerechten


105) Das preußische Ministerium nach Schwerin, 18. Februar 1783, Schw. A., I F, 15.
106) Jakobi an den Herzog, 5. März 1783, Schw. A., I F, 15.
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Denkungsart erwarten und die Art und Weise Höchsteigenem Gutfinden überlassen". Den ganzen Frühling über geschah nichts, der Kaiser war auf Reisen, der Fürst Colloredo im Bad. Erst Ende Juni erinnerten die drei Gesandten (von Rußland, Preußen und Frankreich) den Vizekanzler wieder an die Sache, er sicherte einen Vortrag beim Kaiser zu 107 ). Jakobi begab sich zu Kaunitz und überreichte ihm das herzogliche Schreiben, das er solange zurückgehalten hatte, weil er meinte, der Staatskanzler würde nur bei gleichzeitiger Verwendung der fremden Höfe Unterstützung versprechen, wie er es nun auch wirklich tat.

Indessen hatte man sich in 'Schwerin doch für die Annahme der Revision. entschlossen. Das preußische Ministerium hatte geschrieben 108 ): "Die gegenwärtigen Konjunkturen und politischen Verbindungen 109 ) haben auch auf diese Sache einen sehr ungünstigen und nachteiligen Einfluß." Aepinus aus Petersburg berichtete von der Aussichtslosigkeit, auf Rußlands nachdrückliche Hilfe zu hoffen 110 ). - So teilte der Herzog Jakobi am 30. Juli mit, daß das "Mitangehen der Revision wohl nötig sei". Aber es sollten Vorkehrungen getroffen werden, daß eine ungünstige Entscheidung des Reichshofrates nicht bekannt werde. Jakobi hatte das früher schon versprochen.

Da geschah etwas Unerwartetes, der Kaiser schrieb am 16. August ein Handbillet an den Präsidenten v. Hagen, die Privilegiensache solle wieder in Gang gebracht werden, der Reichshofrat solle berichten, ob die Ritterschaft (!) wieder etwas vorgebracht hätte. Jakobi schrieb diese Wendung dem Einfluß des Fürsten Kaunitz zu, den er nochmals aufgesucht und der ihm Vortrag beim Kaiser versprochen hatte. Zwar sagte er, das Privileg könne nicht brevi manu erteilt werden, aber es sei eine Rechtssache, die erledigt werden müßte. Auch Rußlands Wünschen sollte dieser Schritt des Kaisers entsprechen. Näheres über die Gründe ergeben die Akten nicht. Schon am 18. August erfolgte eine kaiserliche Resolution, die Revision wurde zugelassen. - Die Ritterschaft versuchte jetzt wieder, durch ihre Bevollmächtigten die Sache zu verschleppen 111 ); sie erklärte, in Konkurssachen sich unter ein mecklenburgisches Oberappellationsgericht beugen zu wollen und auf dieser Grundlage zu einem Vergleich bereit zu sein. Jakobi


107) Jakobi an den Herzog, 23. Juni 1783, Schw. A., I F, 15.
108) Am 29. Juni 1783, Schw. A. ebenda.
109) Vgl. Ranke, Deutsche Mächte, Bd. I, S. 160.
110) 3. Juni 1783, Aepinus an den Herzog, Schw. A. ebenda.
111) Jakobi an den Herzog, 18. August 1783, Schw. A., I F, 15.
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erwiderte, zwar sei eine Revision nicht angenehm, aber sie sei dem Herzog lieber als ein Vergleich, den die Sache nicht erlaube, da man nicht einer Vereinbarung mit der Ritterschaft, sondern nur der höchsten Huld und Gnade das Privileg zu verdanken haben wolle. Auch jetzt noch wieder hätte der Wiener Hof einen Vergleichsversuch gern gesehen, wie Jakobi erfuhr. Er wollte eben beide Parteien in steter Unzufriedenheit erhalten.

Am 21. August erging das erste reichshofrätliche Konklusum, die Ritterschaft sollte 6000, die Stadt Rostock 2000 Gulden Sporteln (Gerichtskosten) binnen zwei Monaten zahlen. Rostock erbat Herabsetzung der Summe, wurde aber abgewiesen. Der Ritterschaft wurden im Oktober zwei Monate Frist zur Bezahlung der Summe gewährt, die dann im Dezember beglichen wurden 112 ).

Von Schwerin aus erging eine Anweisung, die zum eifrigen Betrieb der Sache mahnte. Die ausgearbeitete Gerichtsordnung wurde mitgesandt, um sich des Beifalls dafür in Wien zu versichern, auch wurde versprochen, daß die Stände Mitbesetzungsrecht haben sollten. Jakobi hatte um Geldmittel "zur besseren Regelung" der Angelegenheit gebeten, der Herzog ließ ihm mitteilen 113 ), er sei seines Rechts sicher, den Dezernenten traue er "alle Rechtliebenheit" zu und die Kabale der Gegenseite fürchte er nicht viel, deshalb werde kein Geld gesandt. Jakobi hatte nämlich geschrieben, Herr v. Viereck ließe sich aus Mecklenburg schöne Pferde kommen, zeige diese Kaunitz, der großer Pferdeliebhaber sei, und bei der Pferdeleidenschaft in Wien würden sie auch anderweitig verwandt.

Jetzt wurden die Prozeßschriften für die Revision (Libelli revisionis) der Ritterschaft und der Stadt Rostock beim Reichshofrat eingereicht. Die erste umfaßte zwanzig kleingeschriebene Seiten und enthielt die Berufung auf die Rechte in den früheren Verträgen, betonte dabei, der Kaiser müsse sich seine Rechte doch auch vorbehalten. Rostocks Schrift war siebzehn Seiten lang. Jakobi meinte, beide enthielten nur "Sophisterei und reines Blendwerk, voll von seinen Wendungen, Verdrehungen und gefährlichen Einstreuungen". Das kaiserliche Konklusum vom 11. April 1781 wurde als ein voreiliges und den Gegenstand nicht erschöpfendes Erkenntnis bezeichnet. Dagegen wurde von der herzoglichen Seite keine Exzeptionsschrift, wie sonst üblich war, eingereicht, sondern der Herzog beschränkte sich auf eine Contradictio generalis und berief sich auf seine früheren Ausführungen in der


112) Ditterich an den Herzog, 13. August 1783, Schw. A., I F, 15.
113) Geheimrat Joh. Peter Schmidt an Jakobi, 24. Dezember 1783, Schw. A. ebenda.
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Sache 114 ). über die Verhandlungen ging das ganze Jahr 1784 hin; der Referent Baron v. Heß war längere Zeit verreist. Erst Ende des Jahres kam die Sache wieder in Bewegung. Die Ritterschaft geriet über den Ausgang in Sorge, sie ließ eine Schrift ausarbeiten: "Kurze Übersicht der Gründe der mecklenburgischen Landstände gegen das im höchstverehrlichen Concluso vom 11. April 1781 resolvirte Privilegium de non appellando". Darin stützte man sich vor allem auf die §§ 391, 392, 428, 431, 464 des Landesgrundgesetzlichen Erbvergleichs, die die bisher gültigen Bestimmungen und Beschränkungen über Berufungen enthielten (z. B. die Höchstsummen eines Berufungswertes). Dieser Erbvergleich sei für alle Zeiten gültig. Auch wurde auf das bisher geltende Privilegium de non appellando hingewiesen, das in dem Erbvergleich und in der Bestätigungsurkunde des Kaisers mit aufgeführt war 115 ). Diese Schrift war in Wien in Umlauf und fand auch zustimmende Leser im Reichshofrat. Ein Gerücht wurde verbreitet, der inzwischen verstorbene Geheimratspräsident v. Bassewitz 116 ) hätte sich mit dem Privileg nur persönlichen Ruhm erwerben wollen, dem Herzog liege gar nicht so viel daran. Da hatte Jakobi wieder eifrig zu tun, um das Gegenteil zu behaupten. Auch der neue französische Gesandte in Wien Marquis de Noailles sollte für die Sache interessiert werden. An diesen schickte der jetzige Geheimratspräsident v. Dewitz mit einer Anweisung an Jakobi am 29. Dezember 1784 ein herzogliches Schreiben. Dewitz teilte dabei im Vertrauen dem Residenten mit, daß von seiten Hollands in Schwerin und Neustrelitz "Anträge zur Überlassung eines Korps von 4-5000 Mann gegen einen vorteilhaften Subsidientraktat geschehen, aber aus untertänigster Devotion gegen Seine kaiserliche Majestät sofort von beiden Seiten abgewiesen seien." Bei der "Kommunikation" des Schreibens nach Berlin (das Ministerium pflegte die meisten Schreiben in der Angelegenheit in Abschrift an die preußischen Räte zu senden) wurden diese letzten Sätze fortgelassen. Es handelte sich ja um die Streitigkeiten Josephs II. mit Holland 117 ) wegen der Scheldemündung; Frankreich und Preußen waren dabei seine Gegner, und so war die Vorsicht der Schweriner Räte sehr verständlich. Diese Schreiben kamen erst


114) Der Herzog an Ditterich, 5. Juni 1785, Schw. A., IF, 15.
115) Landesgrundgesetzlicher Erbvergleich, Rostock 1755.
116) Graf Carl v. Bassewitz starb am 14. Mai 1783, sein Nachfolger wurde Stephan Werner v. Dewitz. v. Maltzahn, Einige gute mecklenburgische Männer, S. 37 und 40 ff.
117) Hanke, Die deutschen Mächte, S. 188 ff., vor allem S. 202.
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nach längerer Zeit in Wien an (am 20. Februar 1785). Dewitz hatte schon besorgt nachgefragt und adressierte später alle Schreiben an Ditterich in der Sorge, es könnte doch in Berlin mehr, als ihm lieb war, zur Kenntnis gelangen.

Auf dem Landtag im Herbst 1784 hatten die Stände die Behandlung der Privilegsache in pleno abgelehnt und ein geheimes Komitee von drei Rittern gewählt, das die Sache mit dem Engeren Ausschuß beraten sollte 118 ). Nun waren ihre Hoffnungen geringer geworden, und es wurde beschlossen, eine Deputation nach Schwerin zu senden, die mit der Regierung verhandeln sollte. Anfang März wurde diese Absicht ausgeführt. Die Deputation war bereit, für Konkurssachen die Berufungsfreiheit aufzuheben und die Summen zu erhöhen, die bisher die Grenze für Appellationen gebildet hätten (§ 391 des Erbvergleichs) 119 ). Aber mitten in die Verhandlungen hinein kam die Nachricht von dem erfolgten Reichshofratskonklusum vom 12. Februar 1785, welches die Entscheidung vom 11. April 1781 voll bestätigte (plane confirmatoria prioris sententiae). Dem Herzog selbst kam das überraschend. Noch am 25. Januar hatten die mecklenburgischen Räte in Berlin angefragt, ob Preußen bei Schlichtung der Streitigkeiten zwischen dem Kaiser und Holland die Privilegsache zur Sprache bringen wolle, falls andere wichtige Dinge dabei erledigt würden. Vielleicht könnte die Expedierung des so lange hingehaltenen Privilegs erreicht werden. Hertzberg hatte geantwortet, der König wisse nichts von solchen Verhandlungen 120 ), gegebenenfalls aber wolle man an die Sache denken. - Jetzt teilte das Schweriner Ministerium voll Schadenfreude der noch tagenden Ständischen Deputation das Konklusum mit (am 12. März) und fügte hinzu, die Sache habe ein anderes Bild bekommen, die Oberappellationsgerichtsordnung werde noch durchgearbeitet und dann dem Landtag im Herbst vorgelegt werden. Die Deputierten erklärten aber, der ritterschaftliche Konvent in Rostock müsse erst befragt werden, und sie verließen Schwerin.

Bald meldete Jakobi aus Wien neue Bemühungen der Stände, die die Absicht hätten, noch das letzte Rechtsmittel zu ergreifen und den Antrag auf die Restitutio in integrum zu stellen. Zwar könne man unbesorgt sein: "Bei der jetzigen Zusammensetzung des Reichshofrates kann man sich von dessen Einsicht und Willfährigkeit zur Justizpflege allen rechtlichen Beistand wider


118) Landtags-Diarium, 1784, Schw. A., I F, 15.
119) Promemoria der Deputation an den Herzog vom 4. März 1785.
120) Ranke, Deutsche Mächte, I, S. 245 f.
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unziemliche und schikanöse Einstreuungen der Contradicenten versprechen." Herr v. Viereck, mit dessen Erfolgen die Stände äußerst unzufrieden waren, erhielt eine Abberufung, die ihn jedoch nicht hinderte, noch mehrere Monate hindurch gegen die Sache des Herzogs für seine bisherigen Auftraggeber tätig zu sein.

Der Geheimratspräsident v. Dewitz erhielt schon am 23. März eine private Nachricht aus Rostock, nach der die Stände das letzte Rechtsmittel in Wien ergreifen wollten, und am 28. März berichtete Jakobi, daß in Wien die Restitutio in integrum beantragt sei.

Indessen wurde dem Berliner Ministerium und dem Grafen von Vergennes in Paris der Dank des Herzogs für die Hilfe ausgesprochen. - Bezeichnend ist ein Schreiben der hundert Mannen 121 ) aus Rostock an den Herzog vom 12. April 1785, die sich im Namen eines großen Teils der Bürgerschaft gegen das Vorgehen E. E. Rates erklärten, der "das Vermögen dieser guten Stadt" unnötig für die neuen Weiterungen verwende. Diese Mitteilung wurde Jakobi zum Gebrauch in Wien übersandt. Auf Annahme des ständischen Antrages wurde nicht gerechnet. - Eine Veränderung in der Stellungnahme rief auch der Thronwechsel in Schwerin nicht hervor.

Am 24. April 1785 starb Herzog Friedrich 122 ), sein Neffe Friedrich Franz wurde sein Nachfolger. Sofort gingen die üblichen Notifikationen an den Kaiser und den Fürsten Colloredo ab, und schon am 25. April erhielten Jakobi und Riedesel, die beiden preußischen Bevollmächtigten, die Anweisung, daß der neue Herzog die Angelegenheit fortsetze. Am 4. Mai wurde Jakobi bei Colloredo in dieser Sache neu kreditiert.

Die Stände hatten inzwischen das letzte Rechtsmittel beim Reichshofrat ergriffen. Ihnen wurde eine Frist zur Einreichung der Restitutionslibelli gewährt, dann noch zweimal um je zwei Monate verlängert, so daß es Herbst wurde, bis die Sache verhandelt wurde. Am 2. Dezember fiel die Entscheidung; dem Restitutionsgesuch könne nicht stattgegeben werden. Das Konklusum vom 11. April 1781 bleibe maßgebend. Nun wünschte der Herzog


121) Diese hundert Männer sind als Institution der Stadtverwaltung in der Zeit zwischen dem Erbvertrage von 1573 und dem von 1584 entstanden, gewissermaßen als Beirat, aber noch nicht rechtlich anerkannt. Vgl. Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock, Bd. II, S. 4.
122) Der Vater von Friedrich Franz, der nicht zur Regierung gekommene Erbprinz Friedrich Ludwig war seit 1755 vermählt mit Charlotte Sophie von Coburg-Saalfeld, Schwester des späteren Reichsfeldmarschalls, Prinzen Friedrich Josias.
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aber Milderung des ersten Teils der Conclusi 123 ) und beauftragte Jakobi, darüber zu berichten und mitzuteilen, wieviel das Privileg kosten würde und wie es mit der Expedierung stehe. Die Antwort lautete, die Ausnahmen könnten möglicherweise beseitigt werden, wie die Räte versichert hätten, Stände das dem Kaiser ganz frei. Aber es sei wieder nachdrückliche Unterstützung durch Rußland und Frankreich nötig; da diese schwerlich erreicht würde, sei es besser, gleich um Erteilung des Privilegs einzukommen. Es würde etwa 18000 bis 19000 Gulden kosten 124 ). Mit den Ständen müßte erst die Gerichtsordnung vereinbart werden. - Auf diesen Vorschlag ging der Herzog nicht mehr ein. Er zweifelte wohl an seinem Erfolg und ließ die ganze Angelegenheit, die seinen Vorgänger fast sechs Jahre hindurch beschäftigt hatte, bis zu einer passenderen Gelegenheit ruhen. Im Grunde hatten weder die Stände noch der Herzog, sondern Kaiser Joseph gesiegt, das Privilegium erteilte er nicht; Landesherr und Untertanen des mecklenburgischen Territoriums waren weiter darauf angewiesen, die Gunst des Wiener Hofes zu umwerben, um ihre nur einstweilen begrabenen Wünsche zur Erfüllung zu bringen. Der zuletzt so schnelle Betrieb der Angelegenheit seitens des Reichshofrates verrät die Absicht des Kaisers, bei seinen Tauschplänen mit Bayern und den Niederlanden wie andere deutsche Staaten so auch Mecklenburg auf seiner Seite zu haben und für sich zu gewinnen. (Vgl. Ranke a. a. O. I, Kap. 9.)

Die jahrelangen Bemühungen des Herzogs um das Privilegium de non appellando illimitatum waren nichts anderes gewesen als eine Phase in dem Kampf des Landesherrn mit den Ständen um die Herrschaft. Der Landesgrundgesetzliche Erbvergleich von 1755 hatte schon auf Grund aller bis dahin geltenden Reichsschlüsse und Landesgesetze bestimmt, daß die Berufungen an die Reichsgerichte eingeschränkt würden; so sollte nicht mehr an die Reichsgerichte appelliert werden können, falls der Wert des Prozesses nicht 1000 Goldgulden erreichte (§ 391), ferner nicht in Ehe- und Kirchensachen. Im übrigen sollte den Berufungen "der starke ungehinderte Lauf gelassen werden". Es ist verständlich, daß die Stände auf keinen Fall diese Rechte, von denen sie eifrig Gebrauch machten, aufgeben wollten. Dem Herzog war natürlich


123) Der Herzog an Jakobi, 21. Dezember 1785, Schw. A., I F, 15.
124) Jakobi an den Herzog, 26. Januar 1786, Schw. A., I F, 15. Die Summe von 18000 fl. war für das gleiche Privilegium von Kurpfalz gezahlt. Maria Theresia hatte 15000 fl. davon beglichen. Jakobi erzielt 1000 Dukaten für seine Bemühungen.
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viel daran gelegen, das nachgesuchte Vorrecht zu erhalten, um dadurch einen Druck auf die Stände ausüben zu können und seinen Gerichten ein größeres Ansehen zu verschaffen (verweigerte oder verzögerte Justiz sollte nach wie vor Berufungen zulassen). - In der Goldenen Bulle (Kap. XI, §§ 3 u. 4) war das "letzte Entscheidungsrecht" den Kurfürsten verliehen. Seitdem bemühten sich immer wieder deutsche Fürsten darum (z. B. Württemberg erhielt es 1595). Auf dem Reichstag in Regensburg 1653 wurde die Willkür des Kaisers zu solcher Verleihung eingeschränkt (Wahlkapitulation Art. XVIII, § 6. "In Erteilung der Privilegien de non appellando, welche zur Ausschließung des heiligen Reichs-Jurisdiktion oder der Stände älteren Privilegien, oder sonst zum Präjudiz eines Tertii ausrinnen können, sollen und wollen wir die Notdurft väterlich beobachten"). Der Beitritt des Reiches zu dem Teschener Frieden war mit Vorbehalt der Rechte Dritter erfolgt. Auf diesen Sachverhalt konnten sich die Stände mit ihren Widersprüchen stützen. Außerdem bestimmte der Landesgrundgesetzliche Erbvergleich, daß alle Zweifel und Mißverständnisse zwischen dem Herzog und den Ständen in Zukunft durch den Engeren Ausschuß oder auf dem Landtag "zur Zufriedenheit der getreuen Ritter- und Landschaft" beigelegt werden sollten. - Auf das Privileg hatte der Herzog jedoch mit keinem Worte verzichtet, und er betonte bei seinen Bemühungen immer wieder, daß es eine reine Gnadensache sei, und daß er das Privileg als Geschenk des Kaisers betrachten wolle. Den Behauptungen der Stände trat er besonders mit den Vorwürfen entgegen, daß sie nur die Berufungsfreiheit behalten wollten, um ihre Prozesse wie bisher verschleppen zu können. Sicherlich hatte der Herzog die besten Absichten, um seinem Lande durch das Privilegium die vielfach endlosen Prozesse zu ersparen; "Despotismus" lag ihm fern, wenn er auch die Herrschaft der Stände mindern wollte. Der Verfassung des deutschen Reiches sollte kein Abbruch getan werden. Es war der Versuch, die absolute Herrschaft des Landesherrn, die sich in Mecklenburg niemals durchgesetzt hat, zur Einführung zu bringen. -

Wenn der Herzog Friedrich Franz zunächst das Privilegium auch nicht weiter verfolgte, so sollten doch bald Gelegenheiten kommen, wo die Angelegenheit wieder aufgenommen werden konnte. Aber erst mußte Joseph II., der letzte Habsburger, der die deutsche Kaiserkrone zu altem Ansehen erheben wollte, die Augen für immer geschlossen haben.

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4. Kapitel.

Mecklenburg und der Fürstenbund.

Schon seit 1784 plante König Friedrich die "Aufrichtung eines Bündnisses unter den deutschen Fürsten nach Muster des Schmalkaldischen Bundes". Zu Beginn des Jahres 1785 gaben die Absichten Josephs II., der die österreichischen Niederlande gegen Bayern vertauschen wollte, den Anstoß, das Vorhaben weiter durchzuführen. Zunächst vereinigten sich am 23. Juli 1785 Preußen, Kursachsen und Hannover zu einer "reichsverfassungsmäßigen Verbindung der deutschen Reichsfürsten" 125 ).

Auch Mecklenburg sollte wie andere deutsche Staaten für den Bund gewonnen werden. Schon am 18. März 1785 schrieb der preußische Major v. Berge, der in Parchim in Garnison stand, an den Geheimratspräsidenten v. Dewitz, er habe vom König durch den General v. Möllendorf den Auftrag erhalten, Mecklenburg zum tätigen Beistand bei der Erhaltung des deutschen Reiches aufzufordern. Dewitz erwiderte sehr höflich, der Herzog schließe sich gerne patriotischen Reichsfürsten an, "damit er nicht in Gefahr käme, untergraben und über den Haufen geworfen zu werden". Die Aufrechterhaltung der deutschen Reichsverfassung und der ständischen Gerechtsame liege ihm sehr am Herzen. Er werde nähere Mitteilungen gern entgegennehmen 126 ). Major v. Berge schrieb am 28. März, der König sei erkrankt und die Entwicklung der Angelegenheit werde länger dauern. Weitere Nachrichten würden übersandt werden. Inzwischen hatte die Königin von England, eine geborene Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, mit der Gemahlin des Herzogs Friedrich Franz korrespondiert und dabei auch die Verhandlungen zum Fürstenbund besprochen. Die Herzogin stellte es darauf der Königin vor, daß es für Mecklenburg zunächst noch gar nicht möglich sei, dem Kaiser so gegenüberzutreten, die Freundschaft mit Hannover wolle man natürlich auch ferner pflegen.

Da traf ein Schreiben vom 6. Juni 1785 von dem Baron v. Binder, dem kaiserlichen Gesandten in Hamburg, an den Herzog ein 126). Der gewaltsame Austausch von bayrischen gegen österreichische Länder wurde im Auftrage des Kaisers als ein unbegründetes Gerücht hingestellt. Der Kaiser sei Gegenstand des allgemeinen Mißtrauens und Hasses. Auf allerhöchsten Befehl gelange hierdurch zur Eröffnung, "daß die Gerüchte offenbare Ver-


125) v. Ranke, Die deutschen Mächte, Bd. I, S. 208 ff.
126) Schw. A., III (Reich), 26.
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leumdungen und überhaupt für Absichten anzusehen seien, die der kaiserlich königliche Hof nie gehabt oder dermalen hat, noch jemalen haben wird, bei deren Erdichtung und Verbreitung kein anderer Endzweck sein kann, als das allerhöchste Reichsoberhaupt zum Gegenstand der allgemeinen Besorgnis aufzustellen. Dabei aber zugleich die selbsteigenen gefährdevollen Anschläge vorzubereiten und durchzusetzen.

Um jedoch die sämtlichen höchste und hohe Stände des Reiches nicht bloß durch Worte allein, sondern auf die werktätigste Art zu überzeugen, wieweit Seine Kaiserl. Majestät von den Ihnen so unverschämt angedichteten Absichten nicht nur entfernt, sondern wie fest sie entschlossen seien, die gesetzmäßige Reichsverfassung im ganzen und einzelnen genommen unverrückt aufrecht zu erhalten, wollen Allerhöchstdieselben gedachten und hohen Reichsständen, welche die allfällige Bewerkstelligung der bisher ausgestreuten oder was immer für sonstige gefährliche Absichten von irgendeiner Seite wirklich besorgen und durch eine engere Vereinigung sich gegen solche sicherzustellen für nötig ansehen dürften, eine förmliche und feierliche Verbindung unmittelbar mit dem Reichsoberhaupt selbst anbieten und sich gegen sie hierzu bereitwillig erklären. Einen mehr auffälligen, tätigen Beweis wissen Seine Kaiserl. Majestät von der wahren Gesinnung und Vorsorge für die Aufrechterhaltung der gesetzmäßigen Reichsgrundverfassung nicht zu geben, sowie im Gegenteil jene höchst und hohe Reichsmitstände, die sich dessen ungeachtet gegen alle bessere Vermutung zu nebenseitigen Verbindlichkeiten einlassen dürften, bei der ganzen unparteiischen Welt außer alten Zweifel setzen werden, daß hierunter ganz andere Beweggründe und Absichten als die bloß äußerlich vorgegebenen obwalten. -

Es kann übrigens Ew. hochfürstl. Durchlaucht tiefsten Einsicht nicht entgehen, wie wenig dabei unter gehässiger Einleitung Vorhabende wider den kaiserlichen Hof gerichtete Verbindungen mit den Reichsgrundsätzen und sonderlich der Wahlkapitulation vereinbarlich seien, wie sehr hingegen derlei Vorhaben unübersehliche Verwirrung in der Reichsverfassung veranlassen, dem Gegenteil davon den abzielenden Vorteil zuwenden, den anderen Reichsmitständen aber den alsdann unausbleiblich erfolgenden unersetzlichen Schaden und Verlust zuziehen werden, mithin Kaiserl. Majestät selbe davon ernstlich abzumahnen, vermöge erwähnter Reichssatzungen zustehe."

Wir sehen aus diesem Schreiben, daß der Kaiser nicht nur den Gerüchten über den gewaltsamen Austausch von Bayern ent-

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gegentreten wollte, sondern daß ihm auch daran lag, Mecklenburg in diesem Augenblick enger an sich heranzuziehen und von dem Eintritt in den Fürstenbund abzuhalten. Sogar ein Bündnis bot er dem Herzog an.

Die Antwort an den Baron v. Binder vom 25. Juni 1785 war sehr freundlich gehalten, ging aber auf den Sachverhalt nicht näher ein, nach einem Dank für das gesandte Schreiben fuhr der Herzog fort: "Der Inhalt desselben hat mir billig umso schätzbarer sein müssen, je mehr er von den erhabensten und verehrungswürdigsten auf die Erhaltung der Reichsverfassung und der darauf sich gründenden reichsständischen Wohlfahrt und Sicherheit gerichteten Gesinnungen Seiner Kaiserl. und Königl. Majestät Versicherung gibt."

Am 18. Juli 1785 traf schon wieder eine Mitteilung Binders in Schwerin ein 127 ). Die Nachrichten von der Unterstützung Rußlands in der Tauschangelegenheit 128 ) hatten zu der Ansicht Anlaß gegeben, der Kaiser lasse den Plan nur verleugnen und stehe in Wirklichkeit mit seiner ersten Kundgebung in Widerspruch. Jetzt wurde betont, daß es eben keine gewaltsame und die Reichsverfassung störende Handlung sei, sondern eine Verabredung mit dem Herzog von Zweibrücken. "Bei dieser handgreiflich überzeugenden Aufklärung der Sache kann demnach die bisher in Bewegung gebrachte Conföderation der Reichsstände gegen nichts anderes als gegen folgende drei Gegenstände gerichtet sein, nämlich entweder gegen die Seiner Kaiserl. Majestät angedichteten gewaltsamen Absichten oder gegen ähnliche von anderen Seiten etwa besorgende Gefahren oder endlich gegen solche Austausche oder sonstige Arrangements, worüber sich einzelne Stände des Reichs freundschaftlich, freiwillig und auf eine der gesamten Reichs-, Kreis- und ständischen Verfassung unschädliche Art für jetzige und künftige Zeiten nicht verstehen dürften." Binder bat, dem Kaiser das alte Vertrauen zu schenken, ersuchte dann aber auf ausdrücklichen kaiserlichen Befehl um "eine von der ganz freien Willkür abhängende, jedoch bestimmte und kategorische Antwort", ob erstens der Herzog eine nähere Verbindung gegen etwa zu besorgende gewaltsame Unternehmungen und reichsverfassungswidrige Gefahren für unnötig und überflüssig holte oder nicht, und zweitens, ob der Herzog im letzteren Falle der vom Kaiser angebotenen näheren Vereinigung beizutreten gewillt sei.


127) Schw. A., III (Reich), 26.
128) Vgl. Ranke, Bd. I a. a. O., S. 209.
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Dieses Ultimatum, wie man es wohl nennen darf, veranlaßte in Schwerin großes Kopfzerbrechen. Offizielle Verbindungen in dieser Angelegenheit mit Berlin und Hannover waren bisher noch nicht gepflogen; man wollte diese auf jeden Fall vermeiden. Die innerliche Feindschaft zwischen dem Wiener und Berliner Hofe schien den Schweriner Räten eine Gewitterwolke zu sein, die sich jeden Augenblick entladen könnte. Sie wollten möglichst ohne Konnexion und ohne Entfremdung den beiden Höfen gegenüber bleiben, "qui bene tacuit, bene vivit", meinte Dewitz. Nur Graf Bernstorff, der dänische Minister, ein geborener Mecklenburger, wurde ins Vertrauen gezogen. Aber noch bevor dessen Meinung gehört war, sandte der Herzog am 23. Juli 1785 ein Schreiben an den Baron v. Binder 129 ). "Der Wahrheit gemäß" versicherte er, daß ihm "zur Zeit von einer wirklich getroffenen Verbindung gewisser Reichsfürsten noch nichts weiter bekannt sei, als was einige deutsche und französische Zeitungen berichteten." Die Lage Mecklenburgs, die nahe Verwandtschaft mit den Nachbarn, die traurigen, noch nicht verwundenen Folgen des siebenjährigen Krieges erregten bei ihm billig den Wunsch, "außer Einmischung in diese oder jene große, Mich und Meine Lande aufs neue gleichen Gefahren aussetzende Welthändel zu bleiben". Diese Antwort ging auf die eigentliche Frage nicht ein und konnte doch den kaiserlichen Minister nicht erzürnen.

Noch im gleichen Monat (am 28. Juli 1785) 130 ) kam ein Schreiben des russischen Gesandten in Hamburg, Baron v. Groß, mit einer gemeinsamen Erklärung Österreichs und Rußlands, die die Versicherung enthielt, gewaltsam und verfassungswidrig und auch gegen den Frieden von Teschen solle nichts unternommen werden 131 ). Der Herzog erwiderte, der Teschener Friede sei in der Tat sehr wichtig und er selbst wünsche dessen Erfüllung auch in bezug auf das ihm versprochene Privilegium de non appellando illimitatum.

Von gleichem Datum wie das russische Schreiben war eine Anfrage v. Hertzbergs bei dem Geheimratspräsidenten v. Dewitz eingegangen. Er teilte die inzwischen vollzogene Gründung des Fürstenbundes mit und brachte als Veranlassung dafür vor, daß die Erklärung Österreichs nicht mit seinen Absichten und dem Teschener Frieden übereinstimmte. Mecklenburgs Herzöge als patriotische Reichsfürsten sollten mit dazu geladen werden; die


129) Schw. A., III (Reich), 26.
130) Schw. A., III (Reich), 26.
131) Vgl. Ranke a. a. O., Bd. 1, S. 229.
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Verbindung sei rein defensiv und wolle niemand beleidigen. Aber vor der offiziellen Aufforderung wolle man erfahren, ob der Herzog etwa geneigt sei, dem Bunde beizutreten und dadurch das gegenwärtige Reichssystem mit allen seinen Kräften zu behaupten. Am 8. August antwortete Dewitz, der Herzog wünsche, daß seine freundschaftlichen Beziehungen und Gesinnungen gegen Preußen nicht bekannt werden möchten, weil dadurch gänzliches Mißtrauen gegen ihn am Wiener und Petersburger Hof entstehen würde. Außerdem hätte die Zarin erklärt, dem Teschener Frieden lege sie gleichen Wert bei wie dem Westfälischen Frieden. Solange der Kaiser sich die an Binder gegebene Antwort genügen lasse, fühlte sich der Herzog daran gebunden. Nur falls Joseph mit Schritten gegen seine bisherigen Erklärungen und gegen die Wahlkapitulation vorgehe, so daß die Freiheit der Stände in Zweifel gezogen und die Reichsverfassung umgestürzt werde, würde der Herzog den reichsverfassungsmäßigen Maßregeln des Königs gern beitreten. Hertzberg werde diese Vorsicht verstehen, wenn er bedenke, daß man erstens in Schwerin solange als möglich gegen die kaiserlichen Höfe "alles Menagement" gebrauchen müsse; zweitens wäre es für den König jetzt noch kein Vorteil, wenn er die freundlichen Gesinnungen des Herzogs öffentlich bekannt mache; und drittens habe der Wiener Hof ohnehin den Schweriner wegen seiner Annäherung an Preußen in Verdacht, nachdem der Herzog und seine Minister mit Einwilligung des Königs den Residenten v. Jakobi als ihren Chargé d'affaires in der Privilegiensache auserkoren und akkreditiert hätten. Dieses Schreiben wurde nicht durch die Post gesandt, sondern durch den gerade über Berlin reisenden Herrn v. Plessen überbracht. Auf die Aufforderung zum Beitritt, die von der hannoverschen Regierung an die Räte am 5. August erging, wurde am 15. August einfach die Antwort an Hertzberg kommuniziert und sich auf deren Inhalt berufen, man müsse "noch zur Zeit an sich halten". So vorsichtig verhielt sich die Schweriner Regierung, sie wollte es mit keinem verderben; und ein wenig hat sicher die Abneigung gegen Friedrich den Großen, dem man die Kriegsschäden und die Ablehnung der Ämterrückgabe nicht vergessen konnte, dazu beigetragen.

Mecklenburg-Strelitz, das immer Auskunft von Schwerin über dessen Stellungnahme erbat, verhielt sich ebenso. In Neustrelitz war das Berliner Ministerium noch dringender vorstellig geworden, auch Hannover und Kursachsen hatten angefragt, aber das Strelitzer Ministerium blieb zurückhaltend, es wollte den Beitritt hinausschieben.

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Im August 1785 traf noch eine weitere Erklärung Preußens in Schwerin ein, die die Ursachen, welche zur Gründung des Bundes geführt hatten, ausführlich darlegte.

In Regensburg waren, wie bei solchen Anlässen gewöhnlich, eine Reihe von Druckschriften veröffentlicht, die der mecklenburgische Legationssekretär Regierungsrat Becker einsandte 132 ). Es war von einer "Staatsrevolution" von seiten Österreichs die Rede, während der Kaiser die Ursachen der Fürstenbundsgründung einer scharfen Kritik unterziehen ließ. Der Baron v. Gemmingen, der Mecklenburgs Stimmen zu führen hatte, trat gegen Preußen und seine Ansichten auf; er meinte, es sei ein Untergraben der Reichsautorität, das man sich in Berlin erlaube. Der Kaiser habe immer ein Toleranzsystem gelten lassen: "Der Patriotismus kann nicht beide Parteien vereinigen, weil in dem in soviele besondere Staaten verteilten deutschen Reich ein allgemeiner Patriotismus und ein allgemeines Interesse nicht statthaben können."

Der Herzog Karl August von Sachsen-Weimar teilte seinen Beitritt im Herbst 1785 nach Schwerin mit und sandte eine Abschrift seiner Beitrittserklärung. Dann verlautete längere Zeit hindurch nichts in dieser Angelegenheit.

Erst nach dem Tode Friedrichs des Großen trat Mecklenburg wieder in Beziehungen zu dem preußischen Hof 133 ). Die Auslösung der verpfändeten Ämter, die unter dem alten König nicht gelungen war, wurde von neuem durch den zu diesem Zweck nach Berlin abgesandten Baron v. Lützow 134 ) betrieben. Diesem schien zur Durchführung seiner Absichten eine Reise des Herzogs nach Berlin erwünscht, die der Herzog auch wirklich am 8. Dezember 1786 unternahm. In seiner Begleitung befand sich der Regierungsrat v. Bassewitz 135 ). König Friedrich Wilhelm II. nahm Friedrich Franz sehr liebenswürdig auf, die Ämterangelegenheit wurde in diesen Tagen von den Räten in Angriff genommen, schien zwar zunächst für Mecklenburg nicht viel Erfolg zu versprechen, aber der König machte die freundlichsten Versicherungen. Als auch Karl August von Sachsen-Weimar in Berlin eintraf, überreichte Friedrich


132) Schw. A., III (Reich). 27.
133) W. Raabe a. a. O., S. 462, Vitense a. a. O., S. 556, Asch, Auswärtige Politik, S. 6 u. a., verlegen den Beitritt Mecklenburgs in den Fürstenbund in den Beginn des Jahres 1786. Die Akten ergeben, daß die Mitteilung nicht zutreffend ist.
134) Sonst vertrat die mecklenburgischen Interessen in Berlin der Agent Marcuse.
135) Ein Sohn des 1783 verstorbenen Geheimratspräsidenten. Maltzahn a. a. O., S. 37.
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Wilhelm bei den Festlichkeiten dem Schweriner Herzog den Schwarzen Adlerorden 136 ). Im Laufe der Gespräche hatte Friedrich Franz auf den Vorschlag des Königs, er möge dem Fürstenbund beitreten, sich so unklar ausgedrückt, daß der König seinen unbedingten Beitritt annahm, obwohl der Herzog keine bestimmten Zusicherungen hatte geben wollen. Dewitz hatte ihm nämlich noch kurz vor der Abreise vorgetragen, daß nur ein geheimer Beitritt zum Fürstenbund dann in Frage komme, wenn die Ämterangelegenheit nach dem Wunsche Mecklenburgs erledigt sei.

Der König teilte nun gleich am nächsten Tage Hertzberg schriftlich mit, der Schweriner Herzog werde dem Bunde beitreten. Dieses Schreiben legte der preußische Minister dem Baron v. Lützow vor, und dieser erklärte, um den König nicht zu kompromittieren, der Herzog werde dem Fürstenverein gern beitreten, aber über die Art und Weise, wie es vor sich gehen sollte, das Erachten seiner Räte in Schwerin einfordern und auch die Meinung des hannoverschen Ministeriums erst hören, weil dieses damals nach Schwerin in dieser Angelegenheit geschrieben habe 137 ). Vor dieser Antwort hatte Lützow in seiner Verlegenheit erst mit dem Herzog und Bassewitz Rücksprache genommen. Jetzt begab sich der Regierungsrat v. Bassewitz schon einige Tage früher als der Herzog, der erst am 22. Dezember wieder abreiste, nach Schwerin zurück, um dort die Minister zu befragen. Diese waren über die Lage nicht gerade erfreut, denn jetzt mußte Mecklenburg auf alle Fälle dem Fürstenbund beitreten. Nach langen Beratungen erhielt der Baron v. Lützow am 27. Dezember 1786 diese Instruktion 138 ): "Nach Maßgabe des auf seiner Königl. Majestät Höchsteigenes Antragen von Uns zugesicherten Beitritts zu dem Fürstenverein hat Unser Gesandte zu versichern, daß Wir eben in Begriff gewesen, hierob mit dem Herzog von Mecklenburg-Strelitz zu korrespondieren, sobald Wir von demselben die erforderliche Erklärung, sie möge ausfallen, wie sie wolle, erhalten hätten, Wir nicht säumen würden, die Uns kommunizierte und von des Herzogs von Sachsen-Weimar Durchlaucht unterschriebene Akte gleichfalls zu originalisieren und öffentlich beizutreten." - Sodann wurden am 28. Dezember Schreiben nach Hannover und Neustrelitz gesandt, der Herzog habe eingesehen, daß indem Bündnis nichts enthalten sei, "was den hohen Befugnissen und Prärogativen des allerhöchsten Reichsober-


136) v. Schultz, Die Reluition der Ämter, Jahrb. 59, S. 76.
137) Denkschrift des Regierungsrats v. Bassewitz, 20. Dezember 1786, Schw. A. III (Reich), 26.
138) Schw. A. ebenda.
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hauptes anstößig und entgegen wäre"; denn die beschworene Wahlkapitulation, der Westfälische und der Teschener Friede und sonstige Reichsgesetze sollten geschützt werden. Jetzt trage man kein Bedenken mehr, beizutreten. - Wir sehen, daß durchaus nicht Rache und Vergeltungsgedanken gegen den Kaiser den Grund zum Anschluß bildeten 139 ). Sondern daß der Herzog nur gute Miene zum bösen Spiel machte und seine veränderte Stellung, die durch ein Mißverständnis veranlaßt war, zu rechtfertigen suchte.

Am 2. Januar 1787 konnte Lützow mitteilen, der König sei hoch erfreut über den Beitritt des Herzogs, die nötigen Akten wurden dabei übersandt. Auch Hannover antwortete am 8. Januar 1787 und machte Vorschläge über den Akzessionstraktat. Der Herzog von Mecklenburg-Strelitz schrieb am 13. Januar, er habe noch Bedenken, dem Bunde beizutreten, weil sein jüngster Bruder, der 1786 verstorbene Prinz Georg 140 ), als General in kaiserlichen Diensten und bei Joseph II. hoch geachtet gewesen sei. Nun wolle er nicht undankbar erscheinen, besonders da er noch verschiedene Prozesse beim Reichshofrat liegen habe.

Nun wurden die Akzessionsakte hergestellt und am 16. Januar nach Berlin gesandt. Die offizielle Mitteilung von dem Beitritt nach Hannover erfolgte am 22. Januar. Zunächst schlich sich noch ein Irrtum ein, durch ein Versehendes Baron v. Lützow wurden die Artikel 6 und 7 nur auszugsweise aufgenommen. Erst am 4. Februar unterschrieb der Herzog das vollständige Original genau nach dem Muster des Weimarer Beitrittsprotokolls mit dem geheimen Artikel 141 ), am 5. Februar ging dieses nach Berlin und Hannover, und am 10. Februar bzw. 24. März trafen die Empfangsurkunden ein. Damit war der Eintritt in den Fürstenbund vollzogen.

Trotzdem waren noch lange Verhandlungen nötig, bis Ende März die Rückgabe der Ämter zustande kam. Jetzt lenkte Mecklenburg sein Augenmerk auf das 1648 an Schweden abgetretene Wismar mit Insel Poel 142 ) und dem Amt Neukloster. Schweden hatte nämlich wieder in der Angelegenheit des Warnemünder Zolls, den es 1715 an Mecklenburg verpfändet hatte und der dann auf-


139) Vgl. Asch, Mecklenburgs auswärtige Politik, S. 6.
140) Vgl. Jahrb. 50, S. 323.
141) Schw. A., III (Reich), 26. Das Schriftstück enthält 11 Artikel, die sich in der Hauptsache auf die Erhaltung der Reichsverfassung beziehen. Der geheime Artikel war insbesondere gegen den Austausch Bayerns gerichtet. Vgl. Ranke a. a. O., Bd. I, S. 250 ff.
142) Vier Dörfer auf der Insel Poel: Wangern, Seedorf, Brandenhusen, Weitendorf gehörten dem Hl.-Geist-Hospital in Lübeck bis 1802.
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gehoben war, Forderungen auf Wiederherstellung und Rückgabe des Zolls gestellt 143 ); der Herzog lehnte diese ab, weil es nicht nur Sache des herzoglichen Hauses, sondern "eine gemeinschaftliche Angelegenheit des ganzen deutschen Reiches sei, und vor weiterem mit dem Kaiser und den übrigen Reichsfürsten vereinbart werden müsse". Bald darauf hatte Dewitz eine Unterredung über diese Dinge und vor allem über die Rückerlangung Wismars mit dem in Schwerin anwesenden dänischen Minister Graf Bernstorff. Dieser riet ihm 144 ), "den Kaiser (der jetzt zuversichtlich von allen Regenten der einsichtsvollste Politicus wäre) von den Verhandlungen mit Schweden im Vertrauen zu unterrichten, das würde gewiß nichts schaden". Bei dieser Gelegenheit ermahnte er Dewitz aufrichtig, doch ja nicht zu unterlassen, die Korrespondenz mit dem kaiserlichen Hof einigermaßen zu unterhalten. Es wäre dem Kaiser sehr angenehm gewesen, daß der Herzog dem Fürstenbund anfangs nicht hätte beitreten wollen. Er fügte noch hinzu, es würde in Wien gut aufgenommen werden, wenn Dewitz dem Baron v. Binder in Hamburg von der Rückgabe der Ämter Nachricht gäbe und dabei mit einfließen ließe, daß der Herzog sich den Beitritt zum Fürstenbund nicht hätte entziehen können, wenn er diese so wichtige Angelegenheit beenden wollte. Wirklich schrieb Dewitz am 2. Juli 1787 an Binder und teilte ihm mit, daß die Ämter von Preußen zurückgegeben seien, und fuhr dann fort: "Je mehr dem herzoglichen Hause an Wiedererhaltung der demselben so lange entzogenen Ämter gelegen war, und so lästig und kummervoll es zugleich dem Landesherrn sein mußte, in seinen Landen fremde Troups und mancherlei damit begleitete Drangsale und Widerwärtigkeiten dulden zu müssen, desto weniger haben Durchlaucht, mein gnädigster Herr, zur Beförderung dieser dem herzoglichen Hause und dem Lande so wichtigen Angelegenheit und nach so vielen - bei Lebzeiten des verstorbenen Königs von Preußen selbst unter Vermittlung und Empfehlung verschiedener ansehnlicher Mächte, auch des Kaiserl. Königl. Hofes - vergeblich gemachten Versuchen und verunglückten Negotiationen sich entziehen mögen, dem Anlangen des jetzt regierenden, friedfertig freundschaftlich und nachbarlich gesinnten Königs von Preußen, dem sogenannten Fürstenbunde beizutreten, zu genügen, umso mehr da bei den nach dem Tode des Königs Friedrich von Preußen sich veränderten Umständen und Gesinnungen, und der weisen und rühmlichen Ge-


143) Jahrb. 77, 200.
144) Schw. A., IV Z, 24 (Dewitz an den Herzog).
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denkungsart des großen und erhabenen Regenten von Europa unter göttlicher Gesegnung alle gegründete Hoffnung zur Erhaltung und Fortdauer eines glückseligen guten Vernehmens unter Ihnen vorhanden ist".

Binder gratulierte höflich zu dem erreichten Ergebnis, so befremdlich und auffallend übrigens auch dasjenige Mittel gewesen sei, welches der Herzog sich habe gefallen lassen müssen, um wieder zu seinem Eigentum zu gelangen. - An den Kaiser selbst wandte sich der Herzog in den Angelegenheiten mit Schweden jedoch nicht.

Um Preußen auch ferner gefällig zu sein 145 ), nahm der Herzog an dem Mißgeschick des oranischen Hauses in Holland interessierten Anteil und ließ sich dazu herbei, auf die Anfrage des holländischen Gesandten in Berlin, Verhandlungen mit dem Prinzenstatthalter wegen Überlassung von Truppen zu führen, die nach anfänglicher Erfolglosigkeit am 5. Mai 1788 in Ludwigslust mit der Überlassung von tausend Mann endigten. Diese Truppen blieben bis 1795 in Holland. Daß Mecklenburg diesen Vertrag mit der Absicht, die Interessen des Kaisers, der ohnehin nicht stark an der Sache beteiligt war 146 ), zu schädigen, geschlossen haben sollte, ist nicht wahrscheinlich; es findet sich kein Anhaltspunkt dafür in den Akten.

Das Verhältnis zum Wiener Hof wurde durch eine andere Angelegenheit in diesen Jahren erheblich bestimmt. Seit dem 31. Juli 1767, dem Tag der Überreichung des Promemorias mit den verschiedenen Wünschen auf Änderung der Belehnungsweise, war von dieser Angelegenheit nicht mehr die Rede gewesen. Die Frage wurde wieder brennend, als Herzog Friedrich Franz 1. am 24. April 1785 den Thron bestiegen hatte. Er ließ am 18. Januar 1786 ein Rundschreiben an die Ministerien der altfürstlichen Häuser senden 147 ) (Braunschweig-Wolfenbüttel, Sachsen-Weimar, Gotha, Meiningen, Hildburghausen, Pfalz-Zweibrücken, Hessen-Kassel und Baden-Durlach). Es wurde um Meinungsäußerung in der Lehnsangelegenheit gebeten. Der Herzog würde sonst gern seiner Verbindlichkeit, sein angestammtes altfürstliches Reichslehen binnen Jahr und Tag beim Kaiser zu "muthen" und von neuem zu empfangen, nachkommen, wenn die Verhältnisse nicht so verwickelt wären 148 ). Zwar sei Mecklenburg vom Kaiser in dieser Sache nie


145) Schw. A., IV, H, 47 (Bericht Lützows im Januar 1788).
146) Vgl. v. Ranke a. a. O., Bd. l, S. 550. Das Ergeben der (Truppen in Holland stellt v. Kamptz, "Ein Beitrag zu den Annalen des Meckl. Subsidiencorps in Holland 1788-1795" dar. Im Arch. f. Landeskunde 1863, S. 69/73.
147) Schw. A., I L, 25.
148) Vgl. Perthes, Das deutsche Staatsleben, S. 25.
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beunruhigt worden, aber es müßte jetzt geklärt werden, ob die kurfürstlichen Häuser bei den Zeremonien Vorzüge vor den anderen Fürsten erhalten sollten, und ob die hohen Taxen und Laudemiengelder gefordert werden dürften.

Auch der Baron v. Gemmingen in Regensburg erhielt den Auftrag 149 ), sich nach der Stellungnahme der anderen Fürsten in Lehnssachen zu erkundigen und darüber zu berichten.

Auf das Rundschreiben liefen verschiedene Antworten ein, die einen hatten das Lehen gemuthet und Indult erhalten, die anderen die Sache seit langer Zeit auf sich beruhen lassen. Der Herzog schrieb nun am 21. März 1786 an den Kaiser 150 ) und erklärte sich zum Lehnsempfang bereit, zu dem er nach seinem Regierungsantritt verpflichtet sei. Aber er bäte vorläufig um Indult, da er die erforderlichen Summen bei der großen Schuldenlast und den Ausgaben für die ausgelösten Ämter nicht aufbringen könne. Der Agent Ditterich überreichte dieses Schreiben der Reichskanzlei. Der Reichshofrat beschloß einen Bericht an den Kaiser, doch wurde die Angelegenheit noch nicht erledigt. Erst eine Nachricht vom 12. November 1787 über die Belohnung des Fürsten von Thurn und Taxis mit einer Grafschaft in Schwaben erregte wieder Interesse für die Lehnsangelegenheit, da das Knien des Gesandten und die spanische Kleidung 151 ) bei dieser Feierlichkeit fortgefallen waren. Im Reich erhob sich jetzt eine Debatte, ob der Kaiser befugt sei, sich bei Reichsbelehnungen die Kniebeuge zu verbitten. Das Eidesformular wurde auch geändert, es hieß jetzt nur statt einer längeren Formel: "So wahr mir Gott helfe." Statt der spanischen Kleidung sollten rote Mäntel oder eigene Kleider getragen werden. Wegen dieser Neuerungen Stand eine kaiserliche Verordnung in Aussicht. "Der Kaiser wünscht das Vertrauen und Einvernehmen zwischen Haupt und Gliedern im Reich wiederherzustellen," schrieb der Regierungsrat Becker am 7. Januar 1788 an den Herzog, und an diesem Tage erfolgte wirklich ein kaiserliches Dekret in Wien, welches die Zeremonien änderte und das Niederknien fortan untersagte.

Jetzt wurde vom Reichshofrat die Lehnsangelegenheit wieder aufgenommen. Mit Mecklenburg machte man den Anfang und teilte dem Agenten Ditterich die Summe, die zu zahlen sei, mit.


149) Schw. A., I L, 25. Der Herzog an Gemmingen, 18. 1. 1786.
150) siehe Anhang III.
151) Bei der Belohnung von Kurfürsten brauchte der Gesandte auch früher nicht zu knien. Vgl. politisches Journal des Jahres 1787 Nov., 11. Stück, p. 1106.
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Sie belief sich im ganzen auf 154 363 fl., da die Taxen inzwischen durch die vier Thronwechsel der Kaiser 152 ) und ebenso vier der Herzöge seit 1713 so angewachsen waren. Dazu kamen Indultsgebühren und Laudemien, die gezahlt werden mußten, wenn eine noch nicht investierte Linie zur Regierung in den einzelnen Territorien gelangte. Das war 1713, 1747 und 1785 in Mecklenburg der Fall gewesen, wo jedesmal ein Herrscher ohne Söhne verstorben war.

Zunächst wurde am 8. Januar 1788 ein Indult von drei Monaten erbeten und gewährt. Jetzt kam es darauf an, ob man sich mit der Aufstellung der Kosten einverstanden erklären wollte; denn die ersten Beschwerdegründe von 1767 hatte der Kaiser jetzt durch ein Edikt aus der Welt geschafft und ließ nun die Lehnssache wieder aufnehmen in der festen Absicht, sie durchzuführen. "Diese Maßregel ist ein Probierstein, ob der deutsche Fürstenbund nicht andere Absichten zum Grunde habe als diejenigen, welche dem Publico angekündigt worden sind. Niemand werde es dem Kaiser verdenken, daß er darauf bedacht sei, den wahren Nexum zwischen dem Reichsoberhaupt und den Reichsmitgliedern aufrecht zu erhalten, und daß der Kaiser nicht etwa bloß erniedrigende Verbindungen herstellen wolle. Solches würde durch Abschaffung aller Zeremonien, woran sich sonst verschiedene Stände als nicht auf die jetzigen Zeiten passend gestoßen, genugsam an den Tag gelegt" 153 ).

Herzog Friedrich Franz verdachte die Absichten dem Kaiser gewiß nicht, im Gegenteil, ihm lag stets viel daran, die reichsverfassungsgemäße Verbindung mit dem Kaiser aufrecht zu erhalten, aber die Forderung des Reichshofrates war ihm zu hoch. Er wandte sich deswegen wieder an die anderen altfürstlichen Häuser und fragte sie nach ihrer Meinung bei der jetzt veränderten Lage. Die Antworten fielen aus, wie es nicht anders zu erwarten war: jeder fühlte sich beschwert, aber die meisten hatten doch Indult erbeten und erhalten.

Merkwürdigerweise war es gerade ein norddeutsches Territorium ohne deutschen Lehnsnehmer, über das in dieser Zeit die Belohnung ausgesprochen wurde. Am 8. Februar 1788 meldete Ditterich aus Wien 154 ), daß die Belohnung des dänischen Königs in der Person des Freiherrn v. Güldencrone für Holstein vollzogen


152) Jeder Thronwechsel kostete 1018 fl.
153) Jakobi an Dewitz, 9. Januar 1788, Schw. A., I L, 21.
154) Schw. A., I L, 21.
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sei 155 ). Die Feierlichkeit war ohne die alten Zeremonien vor sich gegangen. Der Gesandte hielt seine Rede stehend, nicht, wie sonst üblich gewesen, kniend, und das Kniebeugen beim Vortreten wurde durch tiefe Verbeugungen ersetzt. Der mecklenburgische Agent Ditterich nahm wegen der Verwandtschaft der Häuser Dänemark und Mecklenburg daran teil und fuhr mit dem oldenburgischen Agenten zusammen in einem Wagen bei der Auffahrt.

Der Geheimrat Dewitz fragte jetzt gleich bei dem Minister Graf Bernstorff an, wie er es mit den Taxen und Anfallsgeldern gehalten habe. Die Antwort war, der Reichshofrat habe zwar sehr hohe Summen gefordert, aber man habe einen Vergleich abgeschlossen, mit dem der Kaiser sehr zufrieden gewesen sei, weil auch er die hohen Ansätze des Reichshofrats nicht billigte. Es sei eine Abschlagssumme gezahlt, und die Frage der Anfallsgelder offen gelassen. Auch Jakobi schrieb aus Wien an Dewitz 156 ), der Reichshofrat werde wegen der Summen mit sich handeln lassen. Doch Anfang März wurde Ditterich beauftragt, um Verlängerung der Indultfrist einzukommen, der Kaiser war abwesend (im Kriege gegen die Türken), eine Belohnung konnte jetzt doch nicht stattfinden. Die Korrespondenz mit den anderen Höfen wurde weiter unterhalten, manches Schreiben ging hin und her, ohne daß eigentlich ein wirkliches Ergebnis festzustellen gewesen wäre. Jetzt wandte sich der Herzog auch an Preußen und Hannover, was er bisher in dieser Angelegenheit noch nicht getan hatte, und fragte sie um Rat (Juni 1788). Beide lehnten es entschieden ab. Sich auf Verhandlungen wegen der Gebühren mit dem Reichshofrat einzulassen, obwohl sie zugestanden, daß der reichsständische Lehnsverband ein Teil der deutschen Reichsverfassung sei und mittels Lehnsempfang aufrecht erhalten werden müsse. In dem Schriftwechsel mit den deutschen Fürsten zeichnete sich vor allem Brandenburg-Onolzbach durch den Umfang der Schreiben aus, da es sich besonders beschwert glaubte.

Man erwartete jetzt in Schwerin ein energisches Vorgehen des Reichshofrates in dieser Sache, besonders als er verschiedenen fürstlichen Agenten Fristen zu Indultsgesuchen oder Lehnsnehmung anberaumt hatte. Deshalb ließ der Herzog im Juli 1788 ein eingehendes Promemoria von 25 Aktenseiten durch den Regierungsrat Rudloff ausarbeiten 157 ), in dem genau die Gründe dargelegt


155) Vgl. Staats- und Gelehrten-Zeitung des hamburgischen unparteiischen Korrespondenten vom 20. Februar 1788, Nr. 30.
156) 25. Februar 1788, Schw. A. ebenda.
157) Schw. A., I L, 21.
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wurden, durch die Mecklenburg sich benachteiligt fühlte. Wenn auch die Etikette geändert war, so handelte es sich jetzt um die Taxen. Dagegen, daß jetzt für acht Belehnungsfälle nachgezahlt werden sollte, obwohl nur eine einmalige Belohnung in Frage käme, wolle man nichts einwenden. Aber in den Jahren 1742-45 wäre der Fall der Belohnung überhaupt nicht denkbar gewesen, weil der Lehnsherr selbst durch Konklusum vom 11. Mai 1728 den damals regierenden Herzog Karl Leopold seiner Reichslehen, wenngleich nur provisorie, so doch plenarie enthoben, die Comitialstimmen in Untätigkeit gesetzt und die Regierung einem kommissarischen Administrator (Herzog Christian Ludwig) übergeben habe. In dem Augenblick wäre ein Antrag des abgesetzten Vasallen auf erneuerte Verleihung ebenso wie der des einstweiligen Administrators auf eigentümliche Übertragung vergeblich gewesen; denn dieser war nicht Kurator oder Vormund, sondern regierte im Namen des Kaisers. Es war damals eben ein nur provisorie, aber doch plenarie vakantes Lehen. Also zwei Thronfälle müßten in Abzug gebracht werden. Ferner wandte man sich gegen die doppelte Anrechnung der Gebühren wegen des Herzogtums Güstrow, beides, Schwerin und Güstrow, sei zusammen ein Reichslehen, auch für das säkularisierte Fürstentum Schwerin (das im Westfälischen Frieden als Entschädigung für Wismar gegeben war) dürften keine besonderen Taxen verlangt werden. Dann wurde die Frage aufgeworfen, ob für nicht nachgesuchte, aber doch stillschweigend gewährte Indultsfrist auch Gebühren zu zahlen wären. In der Berechnung der Reichskanzlei war noch ferner ein "annus utilis" nach dem Tode Herzog Friedrichs vergessen. Für die Zeit der kommissarischen Regierung und des siebenjährigen Krieges wurde überhaupt wegen Unmöglichkeit der Belohnung Kostenfreiheit verlangt. Schließlich unterzog man die Laudemial- und Anfallskosten einer Kritik und behauptete, daß die Nebenlinien schon längst coinvestiert seien, weil der Urgroßvater des Herzogs Friedrich Franz, Adolf Friedrich I., "für sich und seine Leibeslehnserben" im Jahre 1651 belehnt sei 158 ), also seine Nachfolger seien sämtlich mitbelehnte Agnaten. Kurz, die Berechnung des Reichshofrates von 151160 fl. wurde auf 21690 fl. in diesem


158) Herzog Adolf Friedrich I. (1592-1658) hatte 19 Kinder, auf seinen Sohn Christian (1658-1692) folgte dessen Neffe Friedrich Wilhelm (1692-1713); dann weiter regierten die Brüder des letzteren Karl Leopold (1713-1747 bzw. 1728) und Christian Ludwig II. (1746-1756). Dann dessen Sohn Friedrich (1756-1785). Siehe Jahrb. 50, S. 294.
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Promemoria zusammengestrichen. Man kann es dem Herzog nicht verdenken, wenn er deshalb soviel Mühe aufwandte.

Diese Denkschrift wurde an die anderen Höfe gesandt, die den Dank für das "recht gründliche Gutachten" aussprachen. Nach Wien gelangte sie nicht; denn am 17. September 1788 teilte Jakobi dem Präsidenten von Dewitz mit, daß der Kaiser wegen der Vorstellungen verschiedener Kurfürsten, die ebenfalls die hohen Kosten nicht zahlen wollten, dem Reichshofrat befohlen habe, die Lehnssache vorläufig einzustellen. Er selbst kam nicht mehr zur Erledigung der Angelegenheit, der Türkenkrieg nahm ihn in Anspruch, und die Nachrichten über seine Gesundheit wurden immer schlechter.

Mit dem baldigen Ableben des Kaisers wurde infolgedessen schon 1789 gerechnet. In der Publizistik dieses Jahres finden wir die Schrift eines mecklenburgischen Predigers in Parchim 159 ), in der als "Traum" die künftige Kaiserwahl vor Augen geführt wird. Es wird die Frage aufgeworfen, ob das Haus Habsburg wiedergewählt werden solle, da es schon zu mächtig geworden sei und die schwächeren Reichsstände unterdrücken könnte. Das habe man vor allem aus den Plänen Josephs mit Bayern gesehen. Aber wen sollte man wählen? Es wird ein Vorschlag gemacht, man möge bald aus diesem, bald aus jenem Fürstenhause den deutschen Kaiser wählen, für ihn ein Reichsland schaffen und darin eine ständige Reichsarmee halten. Die Gebiete der geistlichen Stifter und die Bistümer sollten dazu verwandt werden. Joseph II. habe durch die Säkularisierungen in den Erbländern "ein nachahmungswürdiges Beispiel" gegeben, den Papst brauche man nicht zu fürchten; "denn mit dem Bann darf er nicht mehr hervorrücken". Dieses alles glaubte der Mecklenburger der künftigen Wahlversammlung "im Traum abgelauscht" zu haben. Soviel Interesse hatte er am Leben des Deutschen Reiches.

Der Reichstag hatte durch die Gründung des Fürstenbundes und dessen Pläne neue Belebung erfahren 160 ). Schon 1780 hatte Herzog Friedrich das Angebot eines preußischen Legationssekretärs Ganz angenommen, welcher "Comitialnebenstunden", d. h. genaue Berichte über die Vorgänge am Reichstag senden wollte. Der Herzog las sie selbst, aber sie trafen so unregelmäßig ein, daß man sie bald wieder abbestellte. Der Herzog Friedrich Franz äußerte einmal, er wolle wieder mehr Wert auf den Reichstag legen und


159) Daniel Heinrich Purgold, Der erledigte deutsche Kaiserthron, ein Traum, 1789.
160) Vgl. Ranke a. a. O., Bd. 1, S. 404.
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fände es "despektierlich", daß Mecklenburg keinen eigenen Gesandten in Regensburg hätte. Doch vorläufig behielt der Baron von Gemmingen weiter die Führung der Geschäfte und der Stimmen. 1789 wurde die Frage der Fortdauer des Reichstags im Fall eines Interregnum, das bei der schlechten Gesundheit Josephs II. bald zu erwarten war, besprochen. Die Kurfürsten hatten es beider letzten Wahlkapitulation durchgesetzt, daß auch unter dem Vikariat der Reichstag weiter tagen könnte; man hoffte dabei allerlei Vorteile für die einzelnen Territorien zu gewinnen. Herzog Friedrich Franz stimmte der Fortdauer zu, doch wies er den Gesandten an, dafür zu sorgen, daß die Kurfürsten ja nicht zu viel Rechte über ihre Reichsmitstände erhielten 161 ). Am 20. Februar 1790 starb Kaiser Joseph, am 28. Februar traf die vorläufige Nachricht durch Baron Binder in Schwerin ein. Der Herzog antwortete am 1. März: "Die Mir von Ew. Hochwohlgeboren beliebigst gegebene vorläufige Nachricht von dem nach Gottes unerforschlichem Ratschluß erfolgten frühen Ableben seiner Kaiserl. Majestät Josephs II. hat Mich zu sehr erschüttert, als daß ich in diesem ersten Augenblick Meine Regungen der innigsten Traurigkeit darüber auszudrücken vermöchte, Empfindungen, welche der Verlust eines so würdigen Reichsoberhauptes, dessen Andenken dem deutschen Vaterlande ewig unvergeßlich sein wird, natürlich hervorbringen müssen. Den hohen Angehörigen der verewigten Kaiserl. Majestät widme ich auch bei dieser höchst betrübten Gelegenheit Meine ganze Verehrung und besten Wünsche alles künftigen hohen Wohlergehens."

Schon vor dem Eintreffen der offiziellen Notifikation befahl der Herzog die Landestrauer und das Glockenläuten 162 ). Vom 14. März bis zum 28. März durfte kein Theater, keine Musik und kein Orgelspiel stattfinden. Im Kirchengebet mußte des verstorbenen Kaisers und des Reichsvikariats gedacht werden, da ein neuer deutscher König noch nicht gewählt war. Auch sollten alle übrigen Bestimmungen gelten, wie beim Tode Franz I. Bald traf auch die förmliche Notifikation aus Wien ein, zugleich mit der Todesnachricht von der Erzherzogin Elisabeth. Der Herzog sandte ein Beileidsschreiben an Leopold, den Nachfolger Josephs II. in den Erbländern, und betonte, "daß nicht bloß die geheiligten Verhältnisse der Pflichten", worin er als "Reichsfürst gegen die nun verewigte Römische Majestät zu stehen das Glück hatte, sondern


161) Schw. A., Promemoria des Ministeriums v. 28. Juli 1789.
162) Schw. A., Verfügung vom 5.März 1790.
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auch seine persönliche unumschränkte Ergebenheit gegen den Kaiser und das hohe Erzhaus" ihn zur Teilnahme auffordere. Weiter wurden Glückwünsche zur Thronbesteigung Leopolds in Österreich ausgesprochen.

Es ist keine Frage, daß Mecklenburg sich während der Regierungszeit Josephs II. mehr an Preußen angeschlossen hat wie bisher. Der Fürstenbund konnte nicht ohne Einfluß auf die Politik des Herzogs bleiben. Aber andererseits hat Joseph II. auch Mecklenburg gegenüber seine Reichspolitik durchsetzen wollen, und er erreichte es wenigstens, daß der Herzog darauf bedacht blieb, seine Verpflichtungen dem Reiche gegenüber zu erfüllen und mit dem Kaiserhofe ein gutes Einvernehmen aufrecht zu erhalten.

5. Kapitel.

Mecklenburgs Verhältnis zum Reich unter der Regierung Kaiser Leopolds II.

Solange noch kein deutscher König gewählt war, trat nach der Reichsverfassung das Vikariat in Tätigkeit. Kursachsen übernahm für Norddeutschland, Pfalz für Süddeutschland die einstweilige Leitung. Kurfürst Friedrich August teilte im März 1790 den norddeutschen Fürsten die Übernahme des Vikariats mit, es wurden gedruckte Publikationspatente mitgesandt, die der Herzog dann weiter zur Verkündigung und zum Anschlag an alle Regierungsstellen, an die Landgerichte, an die Superintendenten, die Stadt Rostock und an Rektor und Konzil der Universität sandte 163 ). Zwar berichtete der "Envoyé extraordinaire" Baron v. Lützow aus Berlin, daß in Preußen die Reichsvikariatspatente nicht mehr "affigiert" würden, doch stellten die Räte des Herzogs fest, daß es für Mecklenburg notwendig sei, weil die Vikariatsgerichte nur über kurfürstliche Untertanen nicht gebieten dürften. Wegen der Fortdauer des Reichstags traf ein Handschreiben des Königs Friedrich Wilhelm von Preußen vom 1. März ein 164 ); er meinte, nach dem Tode Josephs könnten über die Befugnisse des Reichsvikariats und die Fortsetzung des Reichstages leicht Zweifel in Regensburg entstehen, und er bat, den mecklenburgischen Comitialgesandten erklären zu lassen, daß die Reichsverweser sofort ihr Amt antreten könnten und in ihrer Tätigkeit


163) Herzogl. Verfügung v. 29. März 1790. Schw. A. III (Reich) 25.
164) Schw. A.
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von den Fürsten nicht gehindert werden sollten. Die Rechte dieser und eine baldige Beratung in der Reichsversammlung über die Vikariatsbefugnisse mögen vorbehalten bleiben. Es sollten Streitigkeiten und Untätigkeit in Regensburg vermieden werden, das allein sei der Grund zu diesem Schreiben. - Der Herzog antwortete zustimmend, und Gemmingen erhielt entsprechende Anweisung, die er in der Reichstagssitzung vom 19. April 1790 ausführte, und die sich in dem Votum Mecklenburgs 165 ) für die Notwendigkeit der Fortsetzung der Reichstagsgeschäfte aussprach.

Jetzt schien dem Herzog und seinen Ministern der Zeitpunkt gekommen, wo sie die Angelegenheit des Privilegium de non appellando illimitatum wieder aufrollen konnten. Die Absendung Lützows von Berlin nach Dresden wurde vorgeschlagen und am 17. März beschlossen 166 ). Er sollte dort dem Kurfürsten die Komplimente der beiden mecklenburgischen Herzöge machen und gleichzeitig das Vikariatsgericht für die Privilegsache interessieren. Am 15. April traf Lützow in Dresden ein und erledigte seine Aufträge. Er erhielt zunächst freundlichen Bescheid von den sächsischen Ministern, dann aber wurden diese zurückhaltender; sie hatten festgestellt, daß die vormaligen Vikariatsakten zur Hälfte mecklenburgische Streitsachen betroffen hatten. Sie meinten jetzt, man könne die Sache nicht übersehen, der Herzog möge eine besondere Abschickung oder ein längeres ausführliches Schreiben veranlassen. - Am 25. April kehrte Lützow nach Berlin zurück. Das Vikariat nahm Mecklenburg doch nicht weiter in Anspruch.

Statt dessen sandte das Ministerium am 14. Juni ein längeres Schreiben an die preußischen Räte und erinnerte an das versprochene Privileg, das man seinerzeit habe ruhen lassen, um einen besseren Zeitpunkt abzuwarten, "da von der allzu nachsichtsvollen Circumspection Josephs II. gegen die Stände nichts mehr zu erwarten war" 167 ). Der Hergang der ganzen Angelegenheit wurde eingehend vorgetragen; jetzt wolle man Preußen um Unterstützung und Erwähnung der Sache bei den Verhandlungen mit dem künftigen Kaiser und besonders bei der Wahlhandlung in Frankfurt und um dahingehende Instruktion der Gesandten bitten. In die kaiserliche Wahlkapitulation möge in den Artikel 18


165) Mecklenburg führte auf dem Reichstag (im Reichsfürstenrat) zwei Stimmen für Schwerin und Güstrow, Mecklenburg-Strelitz für Ratzeburg.
166) Schw. A.
167) Schw. A., I F, 15. Der Herzog an Lützow.
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Paragraph 6, der von diesen Privilegien sprach, hinter "die Notdurft zu deren Verleihung väterlich beobachten" ein erleichternder Zusatz aufgenommen werden: "hinfolglich da, wo bereits der Widerspruch eines tertii als unstatthaft und ein jus contradicendi als unerfindlich verworfen worden, unerwartet einer Vereinbarung mit denselben, das nachgesuchte Privilegium in gewöhnlicher Fassung erteilen und gegen Erlegung herkömmlicher Taxen unauffällig ausfertigen zu lassen". Preußen möge diesen Zusatz, der ganz auf die mecklenburgischen Verhältnisse zugeschnitten wäre und alle Hindernisse aus dem Weg geräumt hätte, nachdrücklich befürworten und im Kurfürstenkollegium, das ja die Wahlkapitulation beraten mußte, durchsetzen. Mecklenburg wolle sich auch deswegen unmittelbar an alle Kurhöfe wenden und sogar einen eigenen Bevollmächtigten zum Wahlkonvent nach Frankfurt absenden, mache diese Pläne aber von der Zustimmung Preußens abhängig. Lützow bekam den Auftrag, sich mit den Geheimräten Hertzberg und Steck vertraulich zu besprechen 168 ).

Das preußische Ministerium antwortete unter dem 26. Juni und riet zur Vermittlung der Kurfürsten und Absendung eines Gesandten nach Frankfurt. Es hätte selbst schon die beiden Wahlbotschafter (Graf Goerz und Fürst Sacken) mit der Unterstützung der mecklenburgischen Wünsche beauftragt. - Am 1. Juli 1790 bat der Herzog den König Leopold als Inhaber der Kurwürde von Böhmen unter Berufung auf den Teschener Frieden und das Reichshofratskonklusum von 1781, das aber durchaus nicht den Erwartungen des Herzogs entsprochen habe, die endliche Ausführung des Privilegs zu ermöglichen, und zwar dadurch, daß in der Wahlkapitulation "die väterliche Beobachtung der Notdurft" so erweitert würde, daß jede Beschränkung für das Privileg fortfalle. Dieses Schreiben wurde dem Baron Binder in Hamburg zur Weitergabe übersandt. An alle Kurfürsten ergingen ähnliche Gesuche. Außerdem wurde dem Baron v. Lützow die Reise von Berlin nach Frankfurt befohlen, um auf dem Wahlkonvent die Wünsche Mecklenburgs durchzusetzen, die in einem ausführlichen Promemoria zur Überreichung in Frankfurt dargelegt waren 169 ).

Mit Kreditivschreiben an den Kurfürsten von Mainz und an den Bürgermeister und Rat der Reichsstadt Frankfurt versehen, reiste Lützow am 20. Juli ab. Es waren große Anschaffungen, nämlich zwei Wagen und üppige Kleider, dazu nötig gewesen;


168) Schw. A., I F 15. Der Herzog an Lützow.
169) Schw. A., I F 15.
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denn in Frankfurt pflegte bei solchen Gelegenheiten große Pracht zu herrschen. Am 8. August traf Lützow in Frankfurt ein 170 ). Schon am 11. August war eine Auffahrt, bei der vor allem Kursachsen und Hannover riesiges Gepränge entfalteten.

Die Aussichten für die Sache Mecklenburgs waren zunächst ganz günstig. Lützow traf den Reichshofrat Baron v. Bartenstein, der Kurböhmen vertrat, und hoffte, ihn bei einem Diner zu gewinnen. Kurbrandenburg war bei der Unterstützung tätig und wirksam, nur Sachsen zeigte sich widerspenstig und war der Ansicht, es sei eine res judicata, über die bereits ein Konklusum vorliege. Von einem Einvernehmen zwischen Österreich und Preußen hoffte Lützow am meisten 171 ).

Da traten Zwischenfälle ein, die die Erfüllung der herzoglichen Wünsche sehr in Frage stellten. Böhmen, Köln, Trier und Pfalz machten Schwierigkeiten, und unter den Wahlbotschaftern erhoben sich Streitigkeiten 172 ). Preußen geriet dadurch, daß Kurmainz sich auf die Seite der katholischen Kurfürsten stellte, in Nachteil, und sein Einfluß wurde geringer. Lützow gab sich für seinen Auftrag alle Mühe, der Reichshofrat v. Bartenstein erinnerte zwar von der ganzen Sache, die er damals verhandelt hatte, nichts mehr, doch versprach er, sich damit zu beschäftigen. Den Grafen v. Loeben, den Gesandten Sachsens, konnte Lützow nicht überzeugen; jener blieb dabei, daß die Wünsche des Herzogs nicht erfüllt werden könnten, da die Rechte Dritter stets gewahrt bleiben müßten. Lützow begab sich sogar zum Kurfürsten von Mainz nach Aschaffenburg, wurde zwar sehr freundlich empfangen, aber man wollte von der Angelegenheit nicht viel wissen, sondern riet, einen passenderen Zeitpunkt abzuwarten. Der Baron v. Waldenfels (Kurköln) schlug Lützow gelegentlich eines Diners bei dem Grafen Goerz vor, daß die Frage ganz aus der Wahlkapitulation fortbleiben und nur in einem besonderen kurfürstlichen Kollegialschreiben dem Kaiser empfohlen werden sollte. Darauf ging aber der mecklenburgische Gesandte zunächst noch nicht ein.

Eine gute Unterstützung hatte Lützow in Frankfurt an dem württembergischen Comitialgesandten Baron v. Seckendorf 173 ), den


170) Lützow an den Herzog, 14. August 1790. Schw. A. ebenda.
171) Die Konvention von Reichenbach stand in Aussicht. Vgl. Ranke a. a. O. Bd. 2 S. 227 ff. und D. Heigel, Deutsche Geschichte von 1786-1806, Bd. I S. 358 ff.
172) siehe ebenda.
173) Geheimrat Christoph Albrecht v. S. (seit 1788 württembergischer Gesandter in Regensburg) war wegen der neunten Kurwürde für sein Herzogshaus in Frankfurt. (A.D.B. Bd. 54 S. 292.)
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der Herzog selbst wegen der Verwandtschaft Württembergs und Mecklenburgs in einem besonderen Schreiben um Beistand gebeten hatte. Denn nicht allein die Privilegsache wollte Friedrich Franz berücksichtigt wissen, sondern Lützow sollte auch dafür sorgen 174 ), daß die Lehnsangelegenheit jetzt endgültig geregelt würde; auch dazu hatte er eine besondere Denkschrift aus Schwerin erhalten, die den Wahlbotschaftern vorgelegt werden sollte. Ein Rundschreiben hatte die altweltfürstlichen Häuser zur Teilnahme an diesen Schritten aufgefordert. Man wollte dafür sorgen, daß der kaiserliche Hof bestimmte Vorschriften für die Ausübung des Lehnsrechts mitbekomme. Die Kurfürsten sollten keine Vorteile vor den anderen Fürsten erhalten; man fürchtete, Kurmainz und Böhmen könnten solche für die Kasse des künftigen Reichshofrats und des kaiserlichen Hofes beantragen und durchsetzen. Auch Gemmingen in Regensburg hatte Anweisungen darüber erhalten. Aber diese Bemühungen blieben umsonst, in der Lehnsangelegenheit wurden keine Änderungen in die Wahlkapitulation aufgenommen.

In Darmstadt befand sich gerade der Prinz Karl von Mecklenburg-Strelitz 175 ). Dieser hoffte die Nachricht von der erfolgten Wahl an Leopold überbringen zu können, eine Aufgabe, die meistens anwesenden Prinzen zuzufallen pflegte; der Landgraf von Hessen hatte auch bei einer solchen Gelegenheit von Kaiser Franz I. das Privilegium de non appellando illimitatum erhalten.

Der Graf Goerz setzte sich anfangs für den Zusatz zu Art. 18, den Mecklenburg gewünscht hatte, ein und beabsichtigte, dem Wahlkonvent ein Monitum zu übergeben, aber die meisten Gesandten machten schon vorher Einwendungen, und dann kam inzwischen der Befehl aus Breslau 176 ), daß solche Monita zurückgehalten werden sollten, von welchen man voraussetzen könnte, daß sie nicht günstig aufgenommen werden oder der Parität ausgesetzt sein würden. Minister v. Beulwitz (Hannover) und andere Herren stellten Lützow in einer langen Konferenz vor, daß dem Herzog nicht damit gedient sein könne, wenn, wie es schon gewiß schiene, bei der jetzigen Lage der preußische Hof mit seinem


174) Schw. A., I L 21. Anweisung des Herzogs.
175) Seine beiden verstorbenen Gemahlinnen stammten aus Darmstadt. Er war der Vater der Königin Luise. Diese machte später 1792 die Krönungsfeierlichkeiten für Franz II. in Frankfurt mit.
176) Die Konvention von Reichenbach war am 27. Juni unterzeichnet worden.
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Ansuchen in der mecklenburgischen Sache nur abgewiesen würde. Lieber sollte eine neue Denkschrift um das kurfürstliche Kollegialschreiben an den künftigen Kaiser bitten. Da mußte Lützow nachgeben und setzte ein neues Promemoria auf, das er dem Mainzischen Direktorium übergab, und das am 11. September auf dem Wahlkonvent diktiert wurde. Jetzt unterstützten Pfalz, Köln, Sachsen, Brandenburg und Hannover dieses neue Gesuch. Mainz hatte sich etwas zurückgezogen, da Albini 177 ) "wahrscheinlich aus Eigennutz und der Sporteln halber" seinen Einfluß geltend gemacht hatte. Auch wurde jetzt ein neues Empfehlungsschreiben des Herzogs für Lützow den Wahlbotschaftern überreicht; denn das ursprüngliche war nicht richtig befunden, "weil einesteils die den kurfürstlichen Herrn Botschaftern zukommenden Prädikate sich nicht in derjenigen Ordnung placiert finden, in welchen dieselben ihrem Rang nach auf einander folgen, sodann aber weil anderen Teils die Ausdrücke "Ew. Liebden, Exzellenzen und Herren" dem den sämtlichen kurfürstlichen Herren Wahlbotschaftern gebührenden gleichen Rang keineswegs gemäß find und also eine Umänderung erfordern, wodurch diesen beiden Umständen gänzlich abgeholfen werde."

Am 14. September wurde ein kurfürstliches Kollegialschreiben in der Sache Mecklenburgs einstimmig angenommen 178 ). Auch Herr v. Fechenbach (Mainz) hatte sich jetzt dafür eingesetzt, und der Baron Bartenstein zeigte dem Grafen Goerz sogar ein Schreiben aus Wien, das eine erbetene Auskunft über die ganze Privilegsache enthielt. Danach sollte Joseph II. schon 1785 auf Veranlassung der russischen Kaiserin in einem Handbillett die Erteilung des Privilegs befohlen haben, aber die Stände hätten mit ihren


177) Freiherr v. Albini, Kanzler von Mainz, war bisher Reichsreferendar in Wien. Vgl. Perthes, Polit. Personen und Zust. Bd. I S. 64 und 67.
178) Das Kollegialschreiben, datiert vom 20. September 1790, lautet: "Obgleich die Frage über das von dem Herzoge zu Mecklenburg in Anspruch genommene Privilegium de non appellando illimitatum an einem der höchsten Reichsgerichte befangen ist, und von seiten der mecklenburgischen Untertanen sich auf Landesverträge und Privilegien und dadurch erworbene Rechte bezogen wird; so haben wir dennoch aus besonderer Rücksicht auf das an uns dahin gestellte Gesuch und auf die darin enthaltenen Gründe des Herrn Herzog von Mecklenburg-Schwerin keinen Anstand genommen, desselben Angelegenheit, das gedachte Privilegium de non appellando betreffend, Sr. kaiserl. Majestät zur Justiz und mit Vorbehalt der Rechte eines Dritten allergnädigst zu empfehlen."
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Vorstellungen die Ausführung verhindert, Geld sei dabei aber nicht gespart worden 179 ).

Inzwischen machte die Wahlangelegenheit Fortschritte, und der Herzog sandte Lützow schon am 14. September ein Gratulationsschreiben, das dem künftigen Kaiser Leopold überreicht werden sollte. Es trafen eine Reihe von Fürstlichkeiten in Frankfurt ein, Herzog Albert von Sachsen-Teschen und Gemahlin und die drei geistlichen Kurfürsten. Lützow wartete als "particulier" auf, da keine besonderen Audienzen genommen wurden. Nach der Wahl am 30. September wurde Prinz Karl von Mecklenburg-Strelitz wirklich beauftragt, das Wahldiplom nach Mergentheim zum Kaiser zu bringen, und er nahm sich vor, die Privilegienangelegenheit Leopold vorzutragen. Am 5. Oktober kehrte der Prinz hocherfreut zurück. Er hatte einen schönen Degen erhalten und dazu das Versprechen, der Kaiser werde sich des Privilegs annehmen, wenn es irgend tunlich wäre. Der Vizekanzler Fürst Colloredo, den Lützow noch aufgesucht hatte, versprach ebenfalls seine besten Bemühungen, aber er erwähnte doch den Widerspruch der Stände.

Über die Krönung des Kaisers berichtete Lützow am 11. September: "Vorgestern ist die kaiserliche Krönung auf die gewöhnliche feierliche Art, und welches sehr zu verwundern, ohne Unglück vor sich gegangen. Es ist wohl gewiß, daß diese erhabene Feierlichkeit einen großen Eindruck auf jeden Zuschauer machen muß, und daß in keinem Lande der Welt das Oberhaupt von einer solchen Anzahl von Kurfürsten, Fürsten und Reichsgrafen bedient und begleitet werden kann." Am 10. Oktober konnte Lützow dem neuen Kaiser das Glückwunschschreiben seines Herzogs überreichen und sein Anliegen vortragen; "der Kaiser hörte geduldig und huldreich zu und antwortete mit vieler Dankbarkeit und mit Versicherung der Begierde, welche er hätte, dem herzoglichen Hause nützlich zu sein" 180 ). Einweiteres Gesuch, das die Angelegenheit selbst betraf, wurde von dem Gesandten nicht übergeben, da das Kollegialschreiben erst später in die Hände des Kaisers kam. Lützow war unermüdlich, alle nur denkbaren Vermittlungen in Anspruch zu nehmen. Der Prinz Karl hatte leider keine Gelegenheit mehr, sich bei Leopold zu verwenden, aber der Reichsvizekanzler wurde eifrig bestürmt. Auch Fürst von Sacken und Graf Goerz versicherten, ihr möglichstes getan zu haben; Colloredo habe ihnen versprochen, daß der Kaiser das herzogliche Haus um so mehr


179) Bericht Lützows vom 14. September 1790. Schw. A., I F 15.
180) Bericht Lützows vom 16. Oktober 1790. Schw. A., I F 15.
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zufriedenzustellen wünsche, da er auch dadurch dem König von Preußen einen Beweis seiner Freundschaft geben könnte. Selbst Graf Cobenzl, der österreichische Staatsvizekanzler, machte sowohl dem Fürsten Sacken als auch Lützow große Hoffnungen und meinte, die Angelegenheit gehöre gar nicht erst vor den Reichshofrat, sondern sei eine rein politische Gnadensache. Am 16. Oktober begab sich der mecklenburgische Gesandte nach Berlin zurück.

In Schwerin war inzwischen ein Schreiben Leopolds vom 14. September eingetroffen, in dem er bedauerte, sich nicht für Erweiterung der kaiserlichen Rechte in der Wahlkapitulation einsetzen zu können, wie der Herzog gebeten habe, da er selbst Bewerber um den Kaiserthron sei. Wenn das kurfürstliche Kollegium etwas darin täte, würde er sich sehr freuen. - Am 28. Oktober teilte das preußische Ministerium mit, daß leider nicht mehr zu erreichen gewesen sei, als nur das kurfürstliche Schreiben. Der Herzog dankte dem König Friedrich Wilhelm und bat um weitere Unterstützung. Der Fürst Sacken sandte noch einen besonderen Bericht und meinte, seine Erfolge seien der Einstimmigkeit zwischen Österreich und Preußen, die jetzt herrsche, zu verdanken.

Doch erst am 12. Februar 1791 wurde die Privilegiensache in Angriff genommen und an den preußischen Residenten v. Jakobi in Wien eine Anfrage gerichtet, wie die Aussichten für eine neue Bitte um die Erteilung des Privilegs seien. Der am 13. Mai 1788 mit Rostock geschlossene Erbvertrag wurde mitgesandt. Jakobi antwortete 181 ), daß neue Vorstellungen beim Kaiser nötig seien, auf den es allein ankäme. Aber zunächst müsse eine Vereinbarung mit den Ständen über das Oberappellationsgericht getroffen werden und die Gerichtsordnung so verfaßt sein, daß der Reichshofrat erkenne, jedermann könne sich in allen Fällen wegen einer unparteiischen Gerechtigkeitspflege beruhigen. Wenn eine solche Ordnung den Ständen vorgelegt und sie darüber nach ihren Bedenken befragt seien, müßte der Herzog eine Vorstellung unter Berufung auf das Kollegialschreiben der Kurfürsten beim Kaiser einreichen. Auch die Unterstützung fremder Höfe sei am Platze; dann werde Leopold, der eingerissene Fehler und Mißbräuche gerne abschaffe, nicht mehr durch das Vorgehen der Ritterschaft von der Erteilung des Vorrechtes für Mecklenburg zurückgehalten werden.

Diesen Vorschlag hielten die Räte in Schwerin nicht für richtig 182 ); denn erst mußte man bestimmt die Befugnisse und Grenzen des Oberappellationsgerichts kennen, ehe eine Gerichts-


181) Schw. A., I F 15. Jacobi an den Herzog.
182) Schw. A., I F 15. Die Minister an den Herzog.
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ordnung dafür mit Sicherheit entworfen werden konnte. Mit den Landständen konnte man weit besser verhandeln, wenn man das Privileg so hatte, wie es sein sollte. Dann konnte der Herzog sich immer noch nachgiebig und unparteiisch zeigen. Nun sollte Lützow beauftragt werden, die preußische Regierung zu sondieren und auch durch seinen Neffen von der Lühe, der sich gerade in Wien aufhielt, dort noch einige "gute Kanäle" zu suchen. Diese fanden sich jedoch nicht, wie es scheint; denn in dieser Angelegenheit wurde nicht mehr verhandelt. Erst 1803 tauchte der Gedanke daran wieder auf. Ein Jahr nach der Thronbesteigung des Kaisers mußte die Belehnung der Reichsfürsten erfolgen. Deshalb sandte schon am 15. April 1791 das Schweriner Ministerium ein Rundschreiben an die altweltfürstlichen Häuser mit der Frage, was jetzt in der Lehnsangelegenheit zu tun sei 183 ). Ebenso wurde wieder Baron v. Gemmingen in Regensburg beauftragt, mit anderen Gesandten Fühlung zu nehmen, nachdem die Kaiserwahl keine Veränderung gebracht habe. Die Antworten lauteten, man müsse doch wieder zur Lehnsmuthung schreiten, bis die Beschwerden aus der Welt geschafft seien. Aber als dann Mecklenburg wieder einwandte 184 ), die Kurfürsten hätten immer noch zu viele Vorteile, ihnen sei z. B. auch die Entschuldigung des persönlichen Fernbleibens beim Belehnungsakt erlassen, da kam es am 23. Mai 1791 zu einem "Konzert der altweltfürstlichen Häuser" in Regensburg. Es wurde eine "Registratur" 185 ) aufgesetzt, in der der gemeinsame Standpunkt in der Lehnsangelegenheit dargelegt wurde; es unterzeichneten Sachsen-Weimar, Baden, Meiningen, Coburg-Saalfeld, Hessen-Cassel, Braunschweig-Wolfenbüttel, Sachsen-Gotha, Württemberg, Ansbach-Bayreuth und Anhalt. Holstein-Glückstadt Schloß sich bezeichnenderweise aus. In dem Schriftstück wurden insbesondere die Einwendungen der Fürsten gegen die hohen Taxen und gegen das Zeremoniell festgestellt. Falls eines der Häuser sich beschwert fühle, solle es sich sofort mit den anderen in Verbindung setzen und auf die Vorstellungen von 1767 berufen, überhaupt sei eine Lehnsmuthung nicht ausgeschlossen, da sie verfassungsgemäß sei und vom Kaiser gefordert werden könne.

Als dann die drei geistlichen Kurfürsten und Anhalt und Württemberg während des Sommers zu Indultgesuchen schritten, schrieb auch Herzog Friedrich Franz am 9. September 1791 an den Kaiser, teilte ihm "als treugehorsamster Reichsfürst" seine


183) Schw. A., I L 21.
184) Rundschreiben vom 16. Mai 1791. Schw. A. ebenda.
185) Anhang IV
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Bereitwilligkeit zur Lehnsnehmung mit. Doch seien die fortwährenden Behinderungen wegen der bereits 1767 geäußerten Anstände noch vorhanden, bis zu deren Erledigung er um Befristung und um die Erteilung eines gewöhnlichen Muthscheins bitte. Anfang November erfolgte vom Reichshofrat das Konklusum, die Lehnsrequisition sei ad acta genommen, und statt des Muthscheins wurde ein Protokollauszug erteilt 186 ). Mit diesem Vorgehen waren die anderen Höfe vollkommen einverstanden und folgten, soweit sie nicht schon Lehnsfrist erlangt hatten, dem Beispiel Mecklenburgs 187 ).

Nach der Wahl und Krönung Leopolds war in Mecklenburg der Regierungsantritt öffentlich durch Zeitungen bekanntgegeben und Danksagung in den Gottesdiensten angeordnet. Am 29. Dezember 1791 gratulierte der Herzog dem Kaiserhaus zu der Geburt einer Tochter des Erzherzogs Franz und seiner zweiten Gemahlin Maria Theresia. - Mit dem Einvernehmen Preußens und Österreichs war der Herzog sehr zufrieden; ihm war es am liebsten, wenn er mit beiden Höfen gleichmäßig freundlich verkehren konnte, ohne fürchten zu müssen, den einen oder anderen zu beleidigen. Durch einen Besuch des Prinzen Friedrich Josias von Coburg (ein Onkel des Herzogs) und des päpstlichen Nuntius Caprara 188 ) aus Wien am 4. Juni 1791 in Ludwigslust wurden glänzende Feste veranlaßt, zumal der Prinz im Türkenkriege siegreich gewesen war. Die beiden Persönlichkeiten trafen sich mit dem Könige von Schweden, um Besprechungen zum Schutze Ludwigs XVI. abzuhalten. Auch hierdurch wurde die Verbindung mit dem Wiener Hof etwas belebt. Die Neujahrsglückwünsche, die unter Joseph II. unterlassen waren, wurden jetzt wieder gesandt.

Wegen der Lütticher Unruhen schien es einen Augenblick möglich, daß der niedersächsische Kreis Truppen aus den Reichsmitständen heranziehen werde; für diesen Fall wollte der Herzog das Bataillon aus Holland verwenden, aber es kam nicht mehr dazu.

Nach kurzer Regierung starb Kaiser Leopold II. am 1. März 1792. Als die Nachricht eintraf, wurde Landestrauer angesagt (1. bis 15. April) und auch alle übrigen Anordnungen getroffen, die der Tod eines Kaisers nötig zu machen pflegte. Das Theater wurde sogleich geschlossen. An König Franz sandte der Herzog


186) Ditterich an den Herzog, 5. Nov. 1791. Schw. A., I L 21.
187) Gemmingen an den Herzog, 15. Sept. 1791. Schw. A., I L 21.
188) W. Raabe, Meckl. Vaterlandskunde, S. 470.
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sofort ein Schreiben, in dem von dem Schmerz die Rede war, von welchem er "über den Verlust des besten und ewig unvergeßlichen Kaisers mit allen Verehrern erhabener Fürstentugenden und mit allen rechtschaffenen Patrioten des Deutschen Reichs gemeinschaftlich ganz durchdrungen sei". Auch beim Tode der Kaiserin-Witwe am 15. Mai 1792 erging ein Beileidsschreiben.

Bis zur Wahl Franz' II. war wieder das Vikariat in Tätigkeit; am 20. Juli konnte dann der Herzog dem Baron Binder das Glückwunschschreiben zur Thronbesteigung des neuen Kaisers übermitteln 189 ). Bald darauf traf die offizielle Notifikation ein 190 ), die der Herzog dieses Mal durch ein weiteres Schreiben beantwortete. Von einer besonderen Absendung sah er ab, weil die Kosten zu groß waren, und auch keine geeignete Persönlichkeit in der Nähe von Wien war, die man hätte beauftragen können 191 ).

Wegen der Belohnung schrieb der Herzog am 3. Juni 1793 an Kaiser Franz und bat, wie schon zwei Jahre vorher, um Lehnsfrist und einen Protokollauszug statt des Muthscheins. Das Gesuch wurde am 22. August erfüllt. Der Herzog fügte seinem Schreiben hinzu: "Im übrigen erkläre ich mich in Untertänigkeit so schuldig als bereit, alles dasjenige, was mir dieser Lehnsempfängnis halber nach den Reichsgesetzen und dem Herkommen obliegt, gleich anderen getreuen Reichsfürsten und Vasallen auf das genaueste zu beobachten und zu praestieren. Nichts soll und wird unterdessen mich abhalten, die schuldigen Pflichten der unverbrüchlichsten Lehnstreue, gleich als wären sie bereits von mir beschworen, gegen Ew. Kaiserl. Majestät als meinen höchstverehrlichen Reichslehnsherrn bei jeder Gelegenheit und in der tiefsten Ehrerbietung zu erfüllen."

Bald sollte eine Gelegenheit kommen, wo nach diesen Versprechungen gehandelt werden mußte.

6. Kapitel.

Mecklenburg im Reichskriege gegen Frankreich (1792-97).

Noch während der Regierung Leopolds war an die Kreisdirektoren ein kaiserlicher Gebots- und Verbotsbrief ergangen, der die Unruhen und aufrührerischen Bewegungen Frankreichs


189) Siehe Anhang V, Schw. A. III, Viennensia 78.
190) Siehe Anhang VI, Schw. A. III, Viennensia 78.
191) Baron v. Gemmingen in Regensburg, der wegen der kürzesten Reise in Frage kam, trank gern ein Glas Wein zuviel, deswegen wollte man ihn nicht absenden. Die Räte an den Herzog. Schw. A. Viennensia 78.
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betraf. Der Herzog erhielt dieses Avokator- und Inhibitor-Patent im Dezember 1792 und Schritt zu seiner Veröffentlichung 192 ); es sollten nicht nur die Intelligenzblätter dazu benutzt werden, sondern alle vorhandenen Möglichkeiten. Die Verkündigung des Kaisers enthielt acht Punkte. Es wurden Militärdienste in Frankreich verboten; vor Aufrührern und Volksverführern wurde gewarnt; eine Strafe gegen die, welche sich zum Aufruhr gebrauchen ließen, angedroht, ferner jede Verbindung mit Frankreich, die Ausfuhr von Pferden, Kriegsmaterial und Lebensmitteln dorthin untersagt; der Verlust von Geldern (Assignaten) und der Briefwechsel sollte möglichst vermieden und endlich der Verkehr und die Schriftenverbreitung im Reich überwacht werden. Der Herzog ließ noch einige Sätze hinzufügen und erinnerte darin an das Glück einer geordneten Verfassung: "Desto ernstlicher und landesväterlicher werden Unsere getreuen Untertanen hierdurch gewarnet; weder müßigen Spekulationen und hämischen Insinuationen eingebildeter Philosophen oder unberufener Volksaufwiegler, die auf eine Verkennung der gesetzmäßigen obrigkeitlichen Autorität, mithin auf den Umsturz regelmäßiger Verfassungen und auf zudringliche Einführung idealistischer Systeme der Politik abzielen, Gehör und Raum zu geben oder sich dadurch in der Schuldigen Anhänglichkeit an die gesetzliche Verfassung, mithin an der treuen Ausübung ihrer zum Teil beschworenen Untertanenpflichten irremachen lassen, weniger noch selber dergleichen verderbliche Grundsätze äußern und, sei es mündlich oder schriftlich, zu verbreiten, vielmehr, wo sie dergleichen erfahren und vermerken, davon der kompetierenden Obrigkeit gebührende Anzeige zu machen, widrigenfalls aber zu gewärtigen, daß sie als Aufrührer und Komplottmacher mit reichs- und landesgesetzlicher Strenge bestraft werden sollen." An die Superintendenten erging der Befehl, eine besondere Predigt anzuordnen und den Pastoren "ihre vorgeschriebene pflichtmäßige Lehre von der weltlichen Obrigkeit" gehörig einzuschärfen 193 ).

Auch in Mecklenburg regte sich in jenen Jahren unter der städtischen Bevölkerung in Schwerin und Rostock Unzufriedenheit, die hier und da zu offenem, wenn auch harmlosem Aufruhr aus-


192) Schw. A. III (Reich), 40.
193) Das Schriftstück lautet weiter: "Nicht weniger wird es Euch hiermit zur Pflicht gemacht: bei dem Examine Candidatorum Ministerii Eure Aufmerksamkeit auf die Lehrmeinung des Examinandi über den vorliegenden Gegenstand (die Obrigkeit) von nun an sorgfältig zu erstrecken und dieselben zu gleichmäßiger Erkenntnis und Bekenntnis der obigen gesetzlichen Norm nachdrücklich anzuweisen."
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artete; durch Eingreifen von Militär und Obrigkeit wurde schnell ein Ende damit gemacht. Friedrich Franz war kein Freund dieser Ideen 194 ).

Schon 1791 hatte ihn die Besetzung des Elsaß durch die Franzosen mit Ärger erfüllt, und da Mecklenburg hierdurch die beiden Straßburger Kanonikate, die es u. a. 1648 für Wismar erhalten, aber eigentlich schon 1687 durch Ludwig XIV. wieder eingebüßt hatte, jetzt verlor, wandte er sich nach Berlin, um freundschaftliche Unterstützung des Königs für eine Entschädigung seitens des Reiches zu erbitten. Diese könnte etwa nach Beendigung des Krieges, den Österreich und Preußen im Frühjahr 1792 gegen Frankreich eröffnet hatten, erreicht werden.

In Regensburg wurde nun über einen Reichskrieg gegen Frankreich verhandelt und für die Stellung der Kontingente der Repartitionsfuß im Reichsschluß von 1681 maßgebend erklärt. Danach hatte bei Bewilligung eines Triplums Mecklenburg-Schwerin 425 1/6 Mann Infanterie und 510 3/7 Mann Kavallerie zu stellen. Der Herzog war für ein Vorgehen des Reiches gegen Frankreich, doch hoffte er, seine Truppen durch Geldentschädigung, wie es in früheren Zeiten üblich gewesen war, ablösen zu können. Aber eine kaiserliche Verordnung bestimmte, daß sämtliche Kontingente in natura gestellt werden müßten; gegebenenfalls könnte ein Fürst die Stellung für einen anderen Staat mitübernehmen. Mecklenburg besaß nur eine ganz geringe Anzahl Soldaten, die drei Infanteriebataillone waren nach dem noch erst 1791 für drei Jahre erneuerten Vertrag in holländischen Diensten. Dort könnten sie ebensogut gegen Frankreich kämpfen wie am Rhein, meinten die mecklenburgischen Minister 195 ). Jetzt wurde eine unmittelbare Beteiligung am Reichskriege nötig. Deshalb ergingen Anfragen wegen einer Stellvertretung an den Herzog von Braunschweig, Anfang Dezember; sie wurden ablehnend beantwortet 196 ). Da wurde der Baron v. Gemmingen in Regensburg beauftragt, im Falle einer Reichskriegserklärung bei dem österreichischen und brandenburgischen Gesandten auf eine Erlaubnis hinzuwirken, daß kleine und entfernt" vom Kriegsschauplatz liegende Staaten für die Truppenstellung entsprechende Beiträge an die Reichsoperationskasse zahlen könnten.

Als im Februar 1793 die Nachricht von der Hinrichtung des französischen Königs in Schwerin eintraf, legte der Herzog un-


194) Vitense a. a. O. S. 361.
195) Schw. A. I, 4.
196) Asch, Mecklenburgs auswärtige Politik, S. 14.
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aufgefordert Trauer an, weil der kaiserliche Hofes sicher auch tun werde 197 ). In diesen Tagen traf ein Schreiben des Reichsfeldmarschalls, des Prinzen Friedrich Josias von Koburg, an den Herzog ein, in dem der Oheim seinem Neffen vorschlug, daß Mecklenburg, abgesehen von seinem Kontingent, etwa zwei Regimenter auf Reichskosten stellen solle. Am 12. Februar antwortete der Herzog eigenhändig, er habe leider keine Truppen, kein Geld und keine Menschen: "Ginge es nach meinen Wünschen, so setzte ich mich gern, sobald es die Zeit erlauben würde, vor mein Regiment und marschierte, wohin sie befohlen; denn unter Ihrem Kommando, es sei in was für einem Verhältnis, wollte ich getreu mein Leben und Blut aufopfern; denn, bester Herr Onkel, sie können nicht glauben, was in mich für eine innerliche Wut gegen die Franzosen glühet, und besonders seit der Ermordung des unschuldigen Königs. Wollte Gott, ich wäre in diesem Augenblick Ihr Adjutant, so könnte ich doch persönlich beweisen, daß, was ich hier schreibe, nicht leeres Geschwätz ist, aber so muß ich mit Anwünschung alles möglichen Glücks und wahrhaftiger Teilnahme an den zu hoffenden glücklichen Fortschritten Ihrer vorzunehmenden kriegerischen Operationen als ein unbrauchbares Geschöpf hinter dem Ofen sitzen und sehen, wie Menschen, die nichts besser sind wie ich, dem allgemeinen Besten nützliche Dienste leisten." Ein Aufruf zu freiwilligen Beiträgen zur Verteidigung des Reiches, der von Regensburg übersandt war, wurde in Schwerin bekannt gemacht 198 ).

Inzwischen war im März ein Reichsgutachten für den Krieg gegen Frankreich zustande gekommen, und Mecklenburg mußte ernstlich an die Vertretung seiner Truppen herangehen. Da traf die Nachricht ein, daß doch beim Reichsfeldmarschall noch eine Möglichkeit vorhanden sei, für Geldzahlung Truppen zu erhalten 199 ). Deshalb wurden lange Verhandlungen mit dem Befehlshaber des Reichsheeres, mit dem kaiserlichen Gesandten beim niedersächsischen Kreis in Hamburg, ja mit dem Kaiser selbst notwendig. Der Schriftwechsel des Herzogs Friedrich Franz läßt stets die Treue zum Reich und die Bereitwilligkeit zur Erfüllung seiner Pflichten als Reichsfürst erkennen, aber die traurigen Verhältnisse in Mecklenburg waren mächtiger als er. Der Herzog scheute weder die Absendung eines besonderen Gesandten (Kammerherr v. Dorne), noch die Kosten der Stellvertretung, die der kaiserliche


197) Schw. A. I, 4. Der Herzog an die Minister.
198) Schw. A. ebenda.
199) Asch a. a. O. S. 15.
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Feldherr (Prinz v. Koburg), beschaffte, der ein Bildnis des Herzogs in Medaillenform enthielt. Mecklenburg hatte 195500 fl. für die Zeit vom 1. März 1793 bis 1. März 1794 zu zahlen. Die etwaigen Römermonate, die zum Unterhalt des Reichsheeres noch auf dem Reichstag bewilligt werden konnten, zählten dabei noch nicht mit. Der Landtag bewilligte von den Kosten, allerdings unter Bestreitung der Verbindlichkeit, 100000 fl., das übrige mußte aus der herzoglichen Kasse gezahlt werden.

Dabei kam es noch zu kleineren Reibereien mit Preußen; denn der König als Kreisdirektor fühlte sich übergangen, obwohl er kurz darauf seine Unlust an dem ganzen Kriege zeigte. Als der Reichstag, auch der mecklenburgische Gesandte, später forderte, daß auch die preußischen Truppen unter den Befehl des Reichsfeldmarschalls gestellt würden, zog Friedrich Wilhelm II. bekanntlich 1794 seine Truppen ganz von der Beteiligung am Kriege zurück.

Preußens Zurücktreten veranlaßte den Kaiser, doppeltes Gewicht auf die Verstärkung des Reichsheeres zu legen, und neue Forderungen traten an Mecklenburg heran; ein Mahnungsschreiben nach dem andern traf in Schwerin ein. Selbst der Gedanke an eine Reichsexekution, wie sie einst Herzog Karl Leopold erlebt hatte, wurde wieder lebendig. Viel Schuld hatte an dieser Verlegenheit die Gebundenheit des Herzogs in finanzieller Hinsicht an den Landtag. Sämtliches Militär mußte er allein erhalten, und zu Römermonaten (Beitrag für die Erhaltung des Reichsheeres im Betrage von 182000 fl., repartiert auf Kreise und Territorien) brauchte die Ritterschaft erst beizutragen, wenn über 200 in einem Jahr vom Kaiser oder von Reichs- und Kreiswegen gefordert wurden; die Städte zahlten erst, wenn über dreihundert Römermonate bewilligt waren. Nur über eine "Kontribution zu Garnisons-, Fortifikations-, Legationskosten, zu Reichsdeputations- und Kreistagen" sollte man sich nach dem Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich jedes Jahr auf dem Landtag vergleichen. Diese Lage macht es vielleicht verständlich, weshalb der Herzog sich so sträubte, Truppen aufzustellen; seine Kasse hätte es schwerlich leisten können. Die Reichstreue Mecklenburgs ist auch in diesen Verhandlungen immer wieder zu erkennen und war besser als die mancher anderer Staaten, die sich überhaupt nicht ernstlich bemühten.

Immer wieder suchte der Herzog bei den größeren oder militärisch leistungsfähigeren Staaten, wie Braunschweig und Hessen-Kassel, um Stellvertretung nach. Als das keinen Erfolg hatte, wurde die Berufung eines außerordentlichen Landtages in Erwägung gezogen, aber glücklicherweise gelang noch vorher die

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Ablösung durch Truppen, die unter Prinz v. Rohan dem Reichsfeldmarschall (Herzog Albert v. Sachsen-Teschen) zur Verfügung stellen konnte.

Auf dem Reichstage in Regensburg war inzwischen das fünffache Kontingent bewilligt. Wie sehr die bedrängte Lage des Reiches dem Herzog Friedrich Franz am Herzen lag, beweist die Tatsache, daß er schon am 8. Oktober 1794 die Landräte durch ein Rundschreiben aufforderte, nach Schwerin zu kommen, um mit der Regierung zu beraten, was in der Kontingentsangelegenheit zu tun sei; denn die Stände müßten dazu herangezogen werden.

Nach § 168 des Erbvergleichs sollten in "vorfallenden Nöten" zunächst die Landräte gehört werden. Diese erschienen auch am 28. Oktober. Man trug ihnen die ganze Sachlage genau vor und, teilte ihnen auch mit, daß jetzt das fünffache Kontingent auf Reichstagsbeschluß zu stellen sei. Sie gaben indessen keine bestimmte Antwort, hießen die herzoglichen Maßnahmen gut und versprachen, dem Engeren Ausschuß in Rostock Bericht zu erstatten. Auf dem dann folgenden Landtag, wo der Herzog den Anschlag für das bewilligte fünffache Kontingent vorlegen ließ, mußte er erklären lassen, er vermisse den Patriotismus der Stände. Er bat, "die Schwierigkeiten zu unterlassen, um dem Reich einen öffentlichen Beweis von der politischen Gesinnung der hiesigen Stände zu geben". Aber dieser Wunsch des Landesherrn wurde nicht erfüllt. Der Landtag bewilligte zwar für das Triplum (dreifache Kontingent) monatlich 30 540 Taler, aber von weiteren Leistungen wollte er nichts wissen, weil darüber noch keine besondere Anforderung des Kreisdirektoriums vorliege und auch wohl nie eingehen werde. Ferner bestand er auf Einberufung eines besonderen Kreistages; denn die Belastung Mecklenburgs sei zu groß, auch habe der Herzog selbst viel zu wenig zur Verteidigung des Reiches beigetragen. Zur Stellung des Reichskontingents verpflichte die Stände eben kein Gesetz; was sie zahlten, sei freiwillige Beihilfe.

Kaum war der Landtag geschlossen, da traf ein Schreiben des Kreisdirektoriums vom 17. November 1794 ein und verlangte unter Beifügung des kaiserlichen Dekrets die ungesäumte Stellung des fünffachen Kontingents. Die Verlegenheit und Sorge in Schwerin war nicht gering. Die Besorgnis vor unangenehmen Überraschungen wurde auch wieder laut, da Geheimrat v. Bassewitz meinte: "Wir müßten meines Erachtens sehr auf unserer Hut sein und von den Reichsschlüssen, soviel nur immer möglich ist, um, kein Haarbreit abweichen." Es wurde betont, daß Mecklenburg

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"immer noch die Gesinnungen hegte, welche das Herzogshaus unter den patriotisch denkenden Fürsten Deutschlands stets ausgezeichnet hätten."

Ehe noch die Angelegenheit zum Abschluß gelangt war, kam es im Frühjahr 1795 (5. April) zum Frieden von Basel zwischen Preußen und Frankreich. Alle Reichsstände, welche binnen drei Monaten die Vermittlung des Königs von Preußen nachsuchten, sollten für neutral erklärt werden, und im Mai wurde zur Sicherung Norddeutschlands eine Demarkationslinie von Ostfriesland bis an den Main vereinbart. Jetzt geriet Mecklenburg in eine schwierige Lage. Preußen hatte gewissermaßen den Frieden für das Land mit geschlossen, während sich das Reich noch im Krieg befand und der jetzige Reichsfeldmarschall erneut dringend zur Stellung des fünffachen Kontingents mahnte. An einen Partikularfrieden mit Frankreich dachte der Herzog gar nicht, auch gegen Preußen hegte er Mißtrauen; es könne am Ende seinen Schutz nur deshalb anbieten, um dafür das Recht zur Truppenwerbung im Lande verlangen zu können. "Eine voreilige verfassungswidrige Trennung von dem Reichsverbande und eine ohne alle Not ergriffene Absonderung von der kaiserlichen Partei dürften bei Kaiser und Reich eine üble Impression hervorbringen." So heißt es in einer Ministerialdenkschrift, der noch der Präsident v. Dewitz hinzufügte: Jeder Schritt, der zur Beteiligung am Frieden getan würde, ist dem kaiserlichen Hof auffallend und erregt Sensation und Widerwillen gegen den Herzog. Preußen wolle nur die Reichsfürsten von dem Reichsverband abziehen, um seine eigene Handlungsweise nicht so alleinstehend zu lassen. Hieraus sehen wir, daß die mecklenburgischen Minister durchaus nicht das Vorgehen Preußens, das zum Baseler Frieden geführt hatte, gutheißen konnten.

Mecklenburg zahlte, ohne es Preußen wissen zu lassen, noch für das ganze Jahr 1795 die Gelder für das dreifache Truppenkontingent. Allerdings stimmte Mecklenburg dem preußischen Antrag auf Einsetzung einer Reichsfriedensdeputation zu, ließ aber dabei erklären, daß eine möglichst geringe Anzahl von Bevollmächtigten am Platze sei, und der Kaiser solle im Namen des Reichs Friedensverhandlungen mit Frankreich beginnen. Natürlich wurde auf die mecklenburgischen Entschädigungsansprüche, die die Reichsdeputation bedenken solle, immer wieder hingewiesen.

Immerhin verlangte das Reich aufs neue zu Beginn des Jahres 1796 die erneute Stellung des fünffachen Kontingents. Wieder begannen neue schriftliche Verhandlungen, in denen der

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Herzog seinen guten Willen, aber sein Unvermögen betonte, wenn der Kaiser ihn auf seine Pflichten zum Schutze des Vaterlandes hinweisen ließ.

Da wurde vom Niedersächsischen Kreisdirektorium ein Kreistag nach Hildesheim einberufen, auf dem Mecklenburg sich durch Geheimrat Graf v. Bassewitz vertreten ließ. Preußen verlangte jetzt noch die Stellung von Truppen zur Sicherung der Demarkationslinie. Das lehnte der mecklenburgische Gesandte seinem Auftrage gemäß entschieden ab; denn das würde der kaiserliche Hof als kränkend empfunden haben. Herr v. Dohm, der preußische Gesandte, ließ sich bei den Verhandlungen sogar zu der Äußerung hinreißen: "Nous n'avons pas le dos libre." v. Bassewitz schrieb: "Ich fürchte, es ist der letzte Kreistag, das Gebäude in Deutschland fällt, die Freiheit der Reichsstände sinkt." Schließlich wurde doch die Sicherung Norddeutschlands beschlossen. Mecklenburg konnte sich der Großmacht Preußen gegenüber nicht länger widersetzen und leistete in Zukunft keine Beiträge für das Reichsheer mehr. An die Stelle der Reichstreue trat jetzt der eherne Zwang der Lage, die für Schwerin eine der preußischen feindliche Politik ausschloß.

7. Kapitel.

Mecklenburgs Teilnahme an dem Schicksal des Reiches vom Frieden zu Campoformio bis zum Reichsdeputationshauptschluß.

Nach dem Ausscheiden Preußens hatten Österreich und das Reich den Krieg gegen Frankreich fortgesetzt. Die Franzosen behielten schließlich trotz einiger Erfolge des Erzherzogs Karl die Oberhand, und der Kaiser mußte in den Frieden von Compoformio willigen. Am 20. April 1797, 10 Uhr abends, sandte der Legationssekretär Gumpelzhaimer diese Nachricht nach Schwerin ab; die Estafette traf am 25. April dort ein, und jetzt war die Freude groß. Man hoffte nun auch auf die Wiederherstellung des Reichsfriedens, über den denn auch bald wieder die Beratungen in Regensburg stattfanden. Der Herzog ließ das Votum "auf eine allgemeine Danksagung gegen Ihre Kaiserliche Majestät für die bezeugte reichsväterliche Sorgfalt, dem Reiche den längst erwünschten Frieden zu beschaffen, beschränken und den Antrag dahin richten, daß durch den Frieden der Status des Deutschen Reiches vor den mit Frankreich entstandenen Mißhelligkeiten in Grundlage älterer

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Friedensschlüsse wiederhergestellt werde" 200 ). Am 4. Oktober, dem Tag des Namensfestes des Kaisers, ließ der Herzog den Frieden zwischen dem Kaiser und Frankreich publizieren. Dewitz meinte: "Quod felix faustumque sit!" Die offizielle Nachricht vom Friedensschluß sandte Baron Buol am 10. September 1797 201 ). Der Herzog dankte und äußerte, "der mir gütigst versicherten weiteren Mitteilung umständlicherer Nachrichten sehe ich um so sehnlicher entgegen, als ich mich gewiß überzeugt halte, daß durch die reichsoberhauptliche kaiserliche Fürsorge dem gesamten Deutschen Reiche ein auf dessen Integrität gebaueter heilsamer Friede baldig werde geschenkt werden".

Man darf nicht sagen, daß Äußerungen dieser Art bloße Schmeichelei gewesen wären. Dem Herzog und seinen Räten war das Dasein des Reiches ein notwendiger Bestandteil des deutschen Lebens. Dabei spielte die Tradition und die äußere Form gewiß ihre Rolle, aber man erwartete zunächst vom Kaiser, daß er die Rechte und Besitzungen der Fürsten schützen sollte, und der Gedanke an das deutsche Reich als solches fehlte nicht. Das trat deutlich hervor, als am 29. Dezember die Abschrift des Friedenstraktats zwischen dem Kaiser und Frankreich in Schwerin eintraf. Man war sehr verwundert über den Inhalt und vermißte die Erwähnung und die Zusicherung der Reichsintegrität, die der Kaiser doch dem Reichstage versprochen hatte. In dem Antwortschreiben an den Gesandten v. Buol wurde dies jedoch nicht erwähnt, "weil man das für Ironie halten könnte" 202 ). Es hieß nur: "Indem ich mit allen getreuen Verehrern des K. K. Erzhauses meine ehrerbietigsten Glückwünsche zu dem dadurch der österreichischen Monarchie erwünschten gesicherten Ruhestande und zu dem erhaltenen Zuwachs der kaiserlichen Erblande auf das teilnehmendste vereinige, bleibt mir nur noch der patriotische Wunsch übrig, daß die reichsoberhauptlichen Sorgen und Anstrengungen Seiner Kaiserlichen Majestät für die Erhaltung der glücklichen Verfassung unseres deutschen Vaterlandes durch einen ebenso glücklichen und glorreichen Reichsfrieden binnen kurzem mögen gekrönt, mithin dadurch die allerhöchste Zufriedenheit auf das vollständigste erreicht werden."

An den Rand eines unerfreulichen Berichts des Gesandten aus Regensburg vom 9. Januar 1798 schrieb der Geheimrats-


200) Schweriner Archiv III. Der Herzog an Gemmingen, 20. Juli 1795.
201) Schw. A. III.
202) Dewitz an den Herzog, 30. Dezember 1797. Schw. A. ebenda.
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präsident v. Dewitz: "Von der Reichstagsverhandlung in Regensburg kann man jetzt sagen: Dum deliberat Roma, perit saguntum. Mainz ist verloren nebst anderen jenseits des Rheins gelegenen Ländern. Was kann man jetzt für Instruktion erteilen als diese: schicket euch in die Zeit, denn es ist böse Zeit. Man muß der Gewalt und dem zwischen dem Kaiser und den Franzosen getroffenen Maßregeln nolens volens weichen und Folge leisten."

Inzwischen war zu dem Kongreß in Rastatt durch ein kaiserliches Dekret vom 1. November 1797 eingeladen 203 ). Zunächst wurde der Baron Buol von Schauenstein ersucht 204 ), Mecklenburg beim Kaiser bestens zu empfehlen und ihn um Vermittlung etwaiger Entschädigungen für die Straßburger Kanonikate und um Berücksichtigung der Ansprüche auf Lauenburg zu ersuchen. Der Herzog wäre sehr zufrieden, wenn er nur das Land zwischen der mecklenburgischen Grenze und der Elbe bei Dömitz bekommen könnte. Aber bald erschien es notwendig, einen eigenen Gesandten noch Rastatt zu senden, und deshalb besprach sich Friedrich Franz gelegentlich eines Besuches in Hamburg des Näheren über die etwaigen Aussichten auf Erfolge. Man wollte jetzt auch den Kaiser bitten, Mecklenburg besonders in den Reichsfrieden einzuschließen und ihm Nachsicht wegen der damals nicht geleisteten Kontingente zu gewähren 205 ). Würde Preußen etwas dagegen äußern, wollte man erklären, der Herzog habe willig zur Kreisdefension gezahlt, jetzt suche es auch im Reichsfrieden Schutz beim Kaiser. Buol wurde um Rat gefragt, wen man nach Rastatt senden solle. Gemmingen wollte man nicht nehmen, "er habe keinen festen Charakter". Der Graf Karl Christian zu Lippe, der die Expektanz auf den Posten eines mecklenburgischen Comitialgesandten bekommen hatte, schien auch nicht passend. Deshalb wurde schließlich der Geheimrat Graf von Bassewitz, der Mecklenburg schon in Hildesheim vertreten hatte, für die Reise in Aussicht genommen. Der Legationssekretär Gumpelzhaimer mußte sich ebenfalls nach Rastatt begeben, um Bassewitz zu unterstützen.

Auf dem Wege nach Rastatt reiste der Geheimrat über Hamburg und suchte dort mit einem Empfehlungsschreiben den Baron


203) Heigel a. a. O. Bd. II S. 291.
204) Schw. A. III.
205) Die Reichsstände sollten sich jetzt noch in Regensburg wegen der Nichterfüllung ihrer Pflichten verantworten. Mecklenburg hatte nur für die Zeit vom 1. März 1793 bis 1. März 1794 und vom 1. Januar bis 31. Dezember 1795 gezahlt, es fehlte also die Zeit vom 1. März bis 31. Dezember 1794 und die Jahre 1796 und 1797.
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Buol auf. Er erschrak aber sehr, als der Österreicher ihm rundweg erklärte, Mecklenburg habe alle Rückstände an die Reichs-Operationskasse zu zahlen, bis auf Unterstützung von Wien zu rechnen sei. Bassewitz blieb nichts anderes übrig, als die Kreisverpflichtungen vorzuschützen, zu denen Mecklenburg nach Lage des Landes gezwungen gewesen sei. Buol meinte, trotz dieser Verbindung hätten andere Reichsstände doch die notwendigen Zahlungen geleistet, und er erwarte das Gleiche von Mecklenburg; er fügte hinzu, der Geheimrat solle nur keine Schwierigkeiten suchen, der Herzog habe schon selbst mit ihm davon gesprochen 206 ). Am 25. Dezember 1797 mußte Graf Bassewitz den französischen Gesandten aufsuchen, um einen Paß von Hamburg bis Rastatt für die Reise durch das besetzte Gebiet zu erhalten. "Nun ward ich als ein Rekrut gemessen und als Pferd nach allen Abzeichen betrachtet und beschrieben, über 20 Artikel inquisitorisch befragt und darauf mit einem das Wesentlichste enthaltenden Dokument ausgerüstet. Es empörte sich ein gewisses Gefühl, in Deutschland französischen Schutz suchen zu müssen." So berichtete er dem Herzog.

Nach einer beschwerlichen Reise über Hannover und Frankfurt kam Bassewitz am 10. Januar 1798 in Rastatt an. Unterwegs hatte er viel Elend, vor allem das der flüchtenden Emigranten und die traurige Lage der von den Franzosen besetzten Gegenden gesehen 207 ). - Die Reichsdeputation war zunächst gegen die Gesandten der Reichsstände äußerst verschlossen; die Franzosen traten sehr herrisch auf und schüchterten die Versammlung so ein, daß ein Widerspruch kaum gewagt wurde.

Am 9. Januar wurde Bassewitz zum Grafen Metternich beschieden, der mit Lehrbach und Cobenzl zusammen den Kaiser vertrat; der Geheimrat übergab das Schreiben des Herzogs. Metternich dankte, brachte aber das Gespräch sogleich auf die Trennung des nördlichen Deutschland vom Reiche, welche die Verlegenheit des Kaisers veranlaßte. Um dem Vorwurf zu begegnen, der in diesen Äußerungen zu liegen schien, bat Bassewitz, auf Mecklenburgs geographische Lage Bedacht zu nehmen; im weiteren


206) Schw. A. III. Bericht des Grafen Bassewitz an den Herzog, 29. Dezember 1797.
207) "Zur Erleichterung der Last zahlten die Reisenden alles doppelt. Das Postgeld kostete jede Meile 9 fl. Die Franzosen erhalten keinen Sold, weil alles so überflüssig geliefert werden muß, daß der Soldat noch davon verkaufen kann. In Gießen kostet die Tafel des Generals allein 400 fl."
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Verlauf des Gesprächs war übrigens der kaiserliche Bevollmächtigte äußerst liebenswürdig 208 ).

Während der Unterhandlungen in Rastatt wurden viele Vorschläge zum Ersatz für die Geschädigten 209 ) gemacht. Bassewitz vertrat bei den einflußreichen Persönlichkeiten eifrig die Wünsche des Herzogs. Graf Cobenzl versprach Unterstützung, als ihm vorgehalten wurde, wie sehr Mecklenburg seine Anhänglichkeit an das kaiserliche Haus stets, besonders noch im siebenjährigen Kriege, betätigt hätte. Aber der Kongreß schien sich sehr in die Länge zu ziehen. Metternich meinte, "die Gesandten würden das Laub nicht nur ausbrechen, sondern auch wieder abfallen sehen". - Die Differenz zwischen Österreich und Preußen, die bei den Verhandlungen hervortrat, gab den kleineren Reichsfürsten Anlaß, Pläne zur Errichtung eines engeren Fürstenbundes zu erwägen. Bassewitz berichtete darüber am 23. Januar 1798: "Es bleibt in der Tat kein anderes Mittel übrig, da fremde Einmischung nicht zugelassen werden soll, Preußen und Österreich schon ihre Separatfrieden haben, folglich das übrige Deutschland verlassen und jeder einzelne Reichsstand nicht mächtig genug ist, sich dem stärkeren Feinde zu widersetzen. Die Hauptabsicht muß Erhaltung der deutschen Staatsverfassung und des Körpers, soviel die Umstände es zulassen, sein. Wird der Plan nicht verfolgt, so ist für Deutschland nicht nur keine Hoffnung zur Erhaltung, sondern es wird nach meiner Ahnung der Kongreß schnell gesprengt und namenloses Unglück vorbereitet. Gott gebe, daß ich irre, aber diese Betrachtungen sind nicht Folgen einer zu großen Furcht oder erhöhten Phantasie, sondern reifer Überlegung, nachdem ich mit dem Gang des Geschäfts und dem Urteil aller Personen von Einsicht bekannt bin." Zu einem Zusammenschluß deutscher Fürsten kam es jedoch nicht; die Uneinigkeit und der Zwiespalt der Meinungen dauerte weiter an. Der Braunschweiger Gesandte meinte, es sei eine nähere Verbindung norddeutscher Fürsten unter sich das Beste. Bassewitz trat dem entgegen und äußerte, daß dieser Weg bestimmt ins Verderben führen und die Uneinigkeit der Reichsstände nur noch mehr hervorkehren werde. Die Hoffnung auf Vereinigung von Wien und Berlin kehrt in seinen Berichten immer wieder. Die Abtretung


208) Bassewitz an den Herzog, 9. Januar 1798. Schw. A. III.
209) Ein päpstlicher Gesandter war in strengstem Inkognito in Rastatt, "um für die Geistlichkeit, die schon teilweise alles, sogar ihre Möbel verkauft hat, zu bitten oder zu beten, wenn ihre Kräfte nicht weiterreichen sollten." 10. Januar. Diarium von Bassewitz über die Reise nach Rastatt.
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des linken Rheinufers war ihm besonders schmerzlich. Als die Friedensdeputation nicht mehr ein noch aus wußte, schrieb der Minister dem Herzog: "Mein Rat war, ein Mitglied der Deputation fordersamst nach Wien abzusenden, um dem Kaiser als Vater des Reiches die große Verlegenheit unmittelbar darzulegen, worin das Reich sich befinde, und die Bitte anzubringen, den Entschluß der Deputation zu richten, weil diese ohne Zusicherung seiner kräftigsten Unterstützung sich gemüßigt sehen würde, in die Abtretung des ganzen linken Rheinufers zu willigen. Dies schien jedoch keinen Beifall zu finden, weil dafür gehalten wurde, daß das Vertrauen durch die Abtretung von Mainz zu sehr geschwächt sei" 210 ). Die Anmaßung und das nichtachtende Auftreten der französischen Delegierten empfand Bassewitz tief und klagte mehrmals dem Herzog darüber, auch sprach er einmal besorgt von der Wehrlosmachung Deutschlands, wenn die Franzosen die Rheinfestungen, vor allem Ehrenbreitstein, behielten 211 ).

Als die Verhandlungen sich länger hinauszogen und es zu keinem Resultat kommen wollte, schien dem mecklenburgischen Gesandten ein längerer Aufenthalt unnötig, und nachdem die Erlaubnis von Schwerin eingeholt war, reiste er am 4. Mai wieder nach Hause zurück. Vorher hatte er der Reichsfriedensdeputation eine Denkschrift überreicht, die ihm aus Schwerin zugesandt worden war. Es heißt darin: "Daß Seine Herzogliche Durchlaucht von Mecklenburg-Schwerin durch den patriotischen Eifer und die rastlosen Bemühungen, mit welchen die fürtrefflichen Herren Reichsfriedensdeputation-Subdelegierte das wichtige Geschäft der Friedensunterhandlungen im constitutionellen Wege zu bearbeiten sich bestreben, dasjenige große Vertrauen ihnen bewähren, welches das ganze Reich von Anfang an auf sie gesetzt hat.

Seine Herzogliche Durchlaucht finden daher eine überzeugende Beruhigung darin, in dem gegenwärtigen Augenblick, wo die schröckliche Notwendigkeit sichere Aufopferungen des Reichs auf dem jenseitigen Rheinufer verlangt und auch Ihnen dadurch ein bekannter Verlust bevorstehe, die ferneren Unterhandlungen in den Händen dieser patriotischen Versammlung zu wissen und ferner diese allgemein vaterländische Angelegenheit ihrem Ermessen auf verfassungsmäßige Weise zu überlassen in der festen Zuversicht, sie werde es sich eine ebenso angenehme Pflicht sein lassen, diese Verhandlungen zum Wohle Deutschlands bald ihrem Ende näherzu-


210) Bericht Bassewitz' vom 3. Februar 1798. Schw. A. III. Vgl. Heigel, Deutsche Geschichte II, S. 335.
211) Bassewitz an den Herzog, 24. April 1798. Schw. A. ebenda.
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bringen und, wenn einmal sich über die Grundsätze von Entschädigungen der Beteiligten vereinbart wird, sich das besondere Interesse des herzoglichen Hauses dem bestehenden Reichsverbande gemäß angelegen sein zu lassen." Es wurde in dem Schriftstück noch weiter der herzogliche Anspruch auf Entschädigung begründet. Ob das Vertrauen zu dem glücklichen Ende der Verhandlungen so groß war, wie geäußert wurde, mag nach den Erfahrungen, über die Bassewitz berichtet hatte, bezweifelt werden. Hier wurde die eifrig beobachtete Formalität zur reinen Ironie, obwohl doch auch darin noch ernste Anklänge an die Verantwortung der Reichsdeputation zu finden sind.

Dem Grafen Goerz, dem Vertreter Preußens, übergab Bassewitz eine besondere Denkschrift, in der die Ansprüche Mecklenburgs dem Grafen zur besonderen Berücksichtigung empfohlen wurden. Der Herzog und seine Räte in Schwerin verfolgten die Vorgänge in Rastatt mit großer Spannung und Anteilnahme. Dewitz schrieb oft kurze Bemerkungen unter die eingelaufenen Berichte; so am 9. Februar 1798: ,,Traurige Nachrichten und kummervolle Aussichten; uns bleibt für jetzt nur noch übrig, in spe et silentio, sowie in der Ferne der Entwicklung der Dinge entgegenzusehen."

Nach der Abreise des Grafen v. Bassewitz blieb der Legationsrat Gumpelzhaimer noch in Rastatt zurück und mußte regelmäßig Meldungen erstatten; erst als der Kongreß ohne Ergebnis 1799 aufgehoben wurde, kehrte er am 9. April auf Seinen Posten nach Regensburg zurück.

Der Reichsfriede kam nicht zustande. statt dessen begann Österreich aufs neue den Krieg gegen Frankreich. Der Kaiser verlangte auf dem Reichstag nachdrücklich Unterstützung der Reichsstände. Für Mecklenburg war die Frage, was sollte man tun? Unter Preußens Führung war Norddeutschland neutral, und nach den Abmachungen von Hildesheim hatte Mecklenburg zu den Kosten der Demarkationslinie beizutragen. Die Räte überlegten 212 ), daß die Fortsetzung von Lieferungen das Land womöglich zum Vorteil der Nachbaren erschöpfen würde und dem kaiserlichen Hof "bei dessen ohnehin bekannten Gesinnungen über diese Absonderung von der allgemeinen Reichsverteidigung um so viel mehr aufbringen, je mehr derselbe außerdem schon gegen die Unternehmungen des Berliner Hofes mißtrauisch und eifersüchtig zu sein berechtigt ist. So leicht sich auch die bisherige Assoziation zur Kreissicherung mit dem Geist der Reichsgesetze vereinbaren


212) Die Minister an den Herzog, Februar 1799. Schw. A. I.
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und rechtfertigen läßt. So würden doch nach den vorliegenden, so offenen als beunruhigenden kaiserlichen Comitialerklärungen und Versicherungen eine ohne Not willkürlich verlängerte Bewaffnung der nördlichen Reichsstände für sich leicht als Mißtrauen gegen das allerhöchste Reichsoberhaupt und Abneigung gegen den gemeinsamen Reichsverband ausgelegt werden können, folglich jede fernere Teilnehmung daran höchst bedenklich sein." Mecklenburg wollte eben nicht in den Verdacht kommen, am Leben des Reiches keinen Anteil zu nehmen. Aber was sollte es jetzt auf dem Reichstag erklären lassen? Daß eine solche Erklärung nichts enthalten durfte, was dem Kaiser anstößig sein könnte, verstand sich für den Herzog von selbst. Das Reichsoberhaupt erwartete und verlangte tätige Unterstützung durch Römermonate und Quintuplum; die Verbindung mit Preußen ließ die Leistung der Reichspflichten nicht zu, weil es in dem Baseler Frieden den Franzosen versichert hatte, "daß diejenigen, welche in die Demarkationslinie begriffen wären, solche Pflichten nicht leisten dürften". Am liebsten hätte das Schweriner Ministerium geraten, beide Verbindlichkeiten zu erfüllen, aber dazu reichten die Kräfte des Landes nicht. So beschloß man, vor der Hand gar keine Äußerungen in Regensburg tun zu lassen 213 ), da sie "allemal nicht den Erwartungen des einen oder des anderen Teils entsprechen würden". Man tröstete sich damit, daß man in Wien die Zwangslage Mecklenburgs kenne; der kaiserliche Hof würde daher "ein Stillschweigen nicht für einen Mangel des guten Willens oder gar der Teilnehmung an Deutschlands Schicksal annehmen". Schließlich könnte man unter der Hand doch noch wieder die Reichsverpflichtungen übernehmen 214 ).

Der Herzog hielt sich im September 1799, wie gewöhnlich im Sommer, in Doberan auf und empfing dort den Besuch des österreichischen Bevollmächtigten Baron Buol, der von Hamburg aus dort weilte. Der Gesandte erklärte dem Herzog nachdrücklich, daß der Kaiser bei seinen Forderungen bleiben und auch die rückständigen Zahlungen für das Reichskontingent aus den früheren Jahren verlangen werde. Friedrich Franz faßte deshalb den Entschluß, im Stillen die Forderung des Kaisers zu begleichen, dabei aber Preußen in dem Glauben zu lassen, daß nichts gezahlt würde. Die Lieferungen für die Demarkationslinie sollten eingestellt werden mit der Begründung, der Kaiser von Rußland 215 ), der sich


213) Bassewitz an den Herzog, 9. September 1799. Schw. A. I.
214) Ebenda.
215) Der Herzog an die Minister, 10. September 1799. Schw. A.. I. Der Zar Paul war Schwiegervater des Erbprinzen Friedrich Ludwig.
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dem Kriege gegen Frankreich angeschlossen hatte, verlange, daß man sich ganz still verhalte. Die Regierung aber stellte dem Herzog vor 216 ), daß die Kasse einfach die Kosten nicht aufbringen könnte; die kaiserlichen Forderungen müßten nach der Reichsverfassung erst durch das Kreisdirektorium mitgeteilt werden. Der Herzog konnte sich den Bedenken seiner Räte nicht verschließen; er beschränkte sich auf mündliche Äußerungen, um den österreichischen Gesandten von seiner reichspatriotischen Gesinnung zu überzeugen. Bis 1801 wurde noch weiter zu den Kosten der Demarkationslinie beigetragen; am 9. Februar d. J. kam es zum Frieden von Luneville. Kaiser und Reich mußten in die Abtretung des linken Rheinufers willigen, die geschädigten Fürsten aber sollten in Deutschland dafür Ersatz erhalten.

Als sich die Franzosen im Jahre 1800, wie schon einmal 1796, Regensburg näherten, ließ der Herzog die mecklenburgischen Gesandtschaftsbeamten (Becker und Gumpelzhaimer) ohne Antwort auf ihre Frage, ob sie fliehen oder wie sie sich sonst sichern sollten. An dem Hause der Gesandtschaftskanzlei ließen sie eine Tafel anbringen mit der Umschrift: "De la Serenissime Cour de Mecklembourg neutre." Das herzogliche Wappen war darauf, und darunter stand: "Sous la protection de S. M. Roi de Prusse." Als Gumpelzhaimer davon Meldung machte, erschien den Ministern in Schwerin das "sous la protection" anstößig, aber sie meinten, weil sie dazu keinen Auftrag gegeben hätten, gelte dies eben nur von der Person Gumpelzhaimers, und der Herzog selbst habe nichts damit zu tun.

Als im Juni 1801 dem Erzherzog Karl auf dem Reichstag für die ruhmvolle Verteidigung Deutschlands "der öffentliche Beweis der Hochachtung und Dankbarkeit" gegeben werden sollte, stimmte Friedrich Franz diesem Gedanken mit Freuden zu; selbst als Preußen nicht dafür war, blieb er dabei. - Daß der Herzog auch sonst an den Ereignissen im Reich teilnahm, beweist eine Spende von je 100 fl., die er der Reichstagsgesandtschaft für die in Not geratene Stadt Regensburg und für die zerstörte Festung Philippsburg anwies.

Das zustimmende Votum bei den Verhandlungen über den Frieden von Luneville hatte Graf Goerz 217 ) abzugeben, da ihm nach dem Tode des Baron v. Gemmingen seit 1800 die mecklen-


216) Die Minister an den Herzog am 16. September 1799. Schw. A. I.
217) Graf Goerz war seit 1787 der brandenburg-preußische Comitialgesandte in Regensburg.
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burgischen Geschäfte, allerdings unter großen Bedenken, übertragen waren. Der Herzog hielt es bald für nötig, wieder einen eigenen Gesandten in Regensburg zu haben, deshalb berief er 1802 den Kammerherrn Leopold v. Plessen 218 ) auf diesen Posten. Die Verhandlungen der Reichsdeputation, die inzwischen für die Festsetzung der Entschädigungen bestimmt war, hatten für Mecklenburg nicht geringen Wert; der Herzog hoffte, das Reich würde seine billigen Ansprüche nicht übergehen.

8. Kapitel.

Mecklenburg und der Ausgang des Deutschen Reiches.

Nach dem Frieden zu Lunéville bemühten sich deutsche Fürsten um die Gunst der Franzosen, damit diese ihre Entschädigungswünsche erfüllten. Fremde Mächte hatten in Deutschland das Wort, auch Rußland mischte sich in die deutschen Angelegenheiten ein und übte auf die Reichstagsverhandlungen einen großen Einfluß aus.

Mecklenburg beteiligte sich nicht an dem Jagen nach Land- und Gelderwerb in Paris, sondern erwartete von der inzwischen eingesetzten Reichsdeputation die ihm gebührenden Entschädigungen für die Straßburger Kanonikate, am liebsten in Gestalt des Amtes Neuhaus im Herzogtum Lauenburg rechts der Elbe, oder es hoffte gar auf das ganze Lauenburg selbst 219 ). Aber nicht allein Entschädigungen sollte der Comitialgesandte v. Plessen in Regensburg erwirken, sondern der Herzog hoffte jetzt die Kurwürde zu erhalten 220 ). Er fand dabei Unterstützung bei Rußland, von dem die Gedanken zu dieser Erhöhung ausgingen, obgleich Mecklenburg sie sich schon früher häufig gewünscht hatte. Das Kurkollegium mußte durch die Abtretung des linken Rheinufers in seiner Zusammensetzung geändert werden, Köln und Trier mußten fortfallen, und dafür sollten drei neue Kurfürstentümer, nämlich Baden, Hessen-Cassel und Württemberg, geschaffen werden, später wurde auch Salzburg und Toskana dafür in Aussicht genommen. Rußland bewog den Herzog, Sich ebenfalls um die Kurwürde zu bemühen, aber mit der Erhebung zusammen wünschte Mecklenburg eine entsprechende Gebietserweiterung, vor allem


218) v. Maltzahn a. a. O. S. 109.
219) Vgl. oben Anm. 1 S. 4.
220) Schröder, Mecklenburg und die Kurwürde. Jahrb. 80 S. 9.
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durch Lauenburg. Als diese Hoffnung wegen der abweisenden Haltung Hannovers bald schwand, richtete Friedrich Franz sein Augenmerk auf die beiden im Lande befindlichen Besitzungen des Deutschen Ordens (die Güter Frauenmark im Amt Gadebusch und Rosenhagen im Amt Schwerin) 221 ). Ebenso hoffte er, die Privatgüter und Dörfer des Heiligengeist-Hospitals in Lübeck (Wangern, Seedorf, Brandenhusen, Weitendorf auf Poel und Alt-Buckow und Warnkenhagen) zu erhalten.

Der Gesandte v. Plessen teilte in seinen ersten Berichten mit, wie unzufrieden Österreich über den Verlust seines Einflusses sei, und er betonte, daß für die Ernennung zum Kurfürsten "die kaiserliche Genehmigung weder in der Form noch dem Rechte nach" vernachlässigt werden dürfe. Die Reichsdeputation zeige große Gefälligkeit, da könne man schon etwas hoffen, besonders, da in Wien die Erhebung von Baden und Hessen-Cassel sehr ungern gesehen würde (von letzterem wegen seiner Verbindung mit dem preußischen Hof)- Der Kaiser gebe sich alle Mühe, seine Stellung Preußen gegenüber zu behaupten. Dann ging der Gesandte auf die sonstigen Verhältnisse im Reich ein und fügte hinzu: "Mit dem meisten Befremden werden Ew. Herzogl. Durchlaucht ersehen haben, wie man nicht nur den drei Hansestädten einzeln besondere Vorteile und selbst Acquisition zugesteht, sondern ihnen auch noch den großen Vorzug einräumen möchte, daß diese übrigbleibenden Städte ein eigenes Reichskollegium ausmachen sollten 222 ), weiches, wenn es gleich keinen decisiven Ausschlag auf Deliberationen geben kann, doch selbige rückgängig zu machen vermöchte" 223 ). Der kaiserliche Hof sei zweifellos auf Schonung und Unisicht für die Reichsstädte bedacht, während sie dafür in dem Kriege für die


221) Der Besitzer des Gutes Frauenmark v. Barsse verpfändete am 14. Juni 1720 dasselbe auf 16 Jahre dem Otto Dietrich v. Bülow als Landkomtur der Deutsch-Ritterordens-Ballei Sachsen und dessen Nachfolgern im Amte. Das Pfand wurde nicht eingelöst und ging 1770 in den Besitz des Ordens über. Zu Händen desselben v. Bülow für den Deutschen Orden wurde 1723 das Gut Rosenhagen verkauft. Im Preßburger Frieden (am 26. Dezember 1805) wurden (Art. 12) die Besitzungen des Deutschen Ordens dem kaiserlichen Hause als erbliches Gut übertragen. Am 24. April 1809 wurde der Deutsche Orden aufgelöst durch ein Dekret Napoleons. Deshalb beschloß am 10. Juli 1809 Herzog Friedrich Franz die Einziehung der Güter, die Einkünfte sollten den Ordenspersonen als Pensionen verbleiben. Jahrb. 14, S. 41 ff.
222) Auf dem Reichstag gab es drei Kollegien, die der Kurfürsten, der Reichsfürsten und der Reichsstädte.
223) v. Plessen an den Herzog, 16.August 1802. Schw. A. III.
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Demarkationskosten und außerdem noch unter der Hand in Wien ihre Kontingentsbeiträge gezahlt hätten.

Um den Wiener Hof nicht zu erzürnen, wurden die Wünsche auf Abtretung der Deutschen Ordensgüter noch nicht geäußert 224 ). Im übrigen mußten Plessen und Gumpelzhaimer die mecklenburgischen Ansprüche auf alle mögliche Weise begründen und vertreten 225 ). nach langen Verhandlungen und verschiedenen Bemühungen konnte die Gesandtschaft endlich die Hoffnung auf Erfüllung der Entschädigungswünsche aussprechen. Mecklenburg sollte aus den säkularisierten Osnabrücker Stiften eine Rente von 10000 fl. außer den Lübecker Besitzungen erhalten. Jetzt dachten der Herzog und seine Räte wieder an das Privilegium de non appellando illimitatum, das erteilt werden könne, vielleicht als Vorbedingung oder als Folge der etwaigen Erhebung in den Kurfürstenstand.

Da erfolgte am 25. Februar der Reichsdeputationshauptschluß. Mecklenburg erhielt die sog. "lübischen Hospitaldörfer" und eine immerwährende Rente von 10000 fl., welche jetzt auf den Rheinzoll (Rheinschiffahrts-Oktroi) gelegt wurde 226 ).

Die Kosten der zukünftigen Kurwürde hatten dem Herzog viel Sorge gemacht und ihn immer wieder veranlaßt, auf größere Landzuweisungen sein Bestreben zu richten. Aber die Hilfe Rußlands und Preußens, die er dabei brauchte, war nicht allzu nachdrücklich. - Und jetzt wurde es immer deutlicher, daß der Wiener Hof der Erhebung Mecklenburgs nur dann zustimmen würde, wenn zur Parität der Konfessionen der Hoch- und Deutschmeister ebenfalls zum Kurfürsten gemacht würde; das konnten aber andererseits Preußen und Frankreich nicht zugeben, weil dann drei Brüder aus dem Erzhause ihre Plätze im Kurkollegium hätten. Wirklich wurde von dem russischen Gesandten Baron v. Bühler ein Antrag auf Erhebung des Herzogs von Mecklenburg mit Erteilung der damit verbundenen Vorteile gestellt 227 ). Aber ohne Zustimmung des kaiserlichen Hofes konnte natürlich nichts erreicht werden. Schon bei der Abstimmung über die Beschlüsse der Reichsdeputation am 10. März 1805 hatte Mecklenburg in einem längeren Votum


224) Hoch- und Deutschmeister war Erzherzog Karl. Der Deutsche Orden sollte für seine Verluste am Rhein anderweitig entschädigt werden. Der Herzog konnte vielleicht durch Tausch etwas für Mecklenburg dabei erlangen.
225) Schröder a. a. O. S. 25 ff.
226) Diese Rente wurde 1812 für 90000 Taler an Hessen-Darmstadt verkauft Jahrb. 80, S. 45 und Jahrb. 65, S. 201 ff.
227) Schröder, Mecklenburg und die Kurwürde, S. 50 ff.
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seine Befriedigung über die gesicherte Ruhe und verfassungsmäßige. Ordnung ausgedrückt und dem Kaiser den Dank für die bewiesenen Fürsorge für das allgemeine Beste des Reichs und dessen einzelne Glieder ausgesprochen. Es gereichte dem Herzog "zur besonderen Zufriedenheit, daß die Entschädigung des Erzhauses Österreich und des Herrn Großherzogs zu Toskana in Gemäßheit der Anträge Sr. Kaiserl. Majestät selbst bestimmt worden. Wenn die bedrängte Lage des gesamten Deutschen Reiches außerordentliche Maßregeln bisher erforderte und im einzelnen Aufopferungen notwendig machte, um desto mehr wäre nach wiederhergestellter Ruhe und, Ordnung auf die Befestigung des Reichsverbandes und auf Erhaltung der Reichsverfassung nach bestehenden Grundgesetzen, Formen und Herkommen vorzügliche Sorgfalt zu nehmen."

Ende Mai wurde Plessen beauftragt, mit einem herzoglichen Handschreiben und Empfehlungen an den Reichsvizekanzler Fürst Colloredo, den Staatsvizekanzler Graf Cobenzl und den russischen Gesandten eine Reise nach Wien anzutreten, um dort die Erhebung Mecklenburgs zum Kurfürstentum durchzusetzen 228 ). Er wurde vom Kaiser und den Ministern sehr freundlich aufgenommen und verhandelte viel mit der Reichs- und mit der Staatskanzlei, beobachtete dabei, daß diese beiden Behörden ständig auf gespanntem Fuße ständen, und deshalb große Vorsicht am Platze sei, um es mit keiner zu verderben. Mecklenburg begründete sein; Gesuch um die Kurwürde vor allem damit, daß es mit drei der neuernannten Kurfürsten in gleichem Range stehe 229 ) und daher billigerweise dieselben Vorteile erhalten müsse. Aber das sah der Reichsvizekanzler nicht für stichhaltig an und berief sich auf den Wunsch des Wiener Hofes, daß Erzherzog Karl als Hoch- und Deutschmeister ebenfalls Kurfürst werden müßte. Diese Meinung hatte man schon nach Petersburg mitgeteilt, und jetzt sollte Mecklenburg außerdem verpflichtet werden, im Falle der Erhebung, seine Stimme bei der nächsten Kaiserwahl nur dem Erbfolger in den österreichischen Staaten zu geben. Das wollte Plessen auch zugestehen, "es sei gewiß dem Hause Habsburg nicht zu verdenken, wenn es, so wenig reelle Vorteile mit der Kaiserkrone auch vorhanden seien, sie sich doch zu erhalten bestrebt sei, und es sei gewiß nicht unbillig, wenn der Kaiser ein Recht, welches er einem Reichsstande erteile, nicht gleich bei der ersten Anwendung gegen sich


228) Schröder a. a. O., S. 51 ff.
229) Die alternierenden Häuser bei der Abstimmung auf dem Reichstag waren Pommern, Mecklenburg, Württemberg, Hessen, Baden- und Holstein.
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selbst benutzt sehen wolle" 230 ). Rußland ließ sich aber auf solche Verpflichtungen nicht ein, da die Goldene Bulle Wahlfreiheit verlange. Plessen äußerte nun Cobenzl gegenüber, daß der kaiserliche Hof jetzt wohl von dieser Forderung Abstand nehmen, aber durch sein Wohlwollen, welches er durch die unbedingte Erteilung der Kurwürde dem Hause Mecklenburg erzeige, "Sich dieses zur Erreichung desgleichen Endzwecks weitdauernder, nur auf angenehmere Weise verbinden werde". Aber der Wiener Hof blieb bei seinem Wunsche, und der Gesandte v. Plessen riet schon zur freiwilligen Abgabe des Versprechens, begab sich aber inzwischen wieder nach Regensburg, da er beim Kaiser vorläufig nichts weiter erreichen konnte.

Auch in Schwerin war man geneigt, ganz den Forderungen des Kaisers zu entsprechen, und teilte diese Ansicht nach Petersburg mit 231 ). Weiteres ist in dieser Angelegenheit nicht festzustellen 232 ). Mecklenburg erhielt die Kurwürde und das Privilegium de non appellando illimitatum nicht. Auch seine Bemühungen um eine neue Virilstimme (für Rostock) auf dem Reichstag blieben umsonst. Es fehlten die erhofften Unterstützungen, und letzten Endes wird Frankreich den Ausschlag bei dem Mißlingen der Pläne für die Kurwürde gegeben haben, wenn auch der französische Botschafter zuerst in Regensburg den mecklenburgischen Wünschen geneigt geschienen hatte 233 ). Napoleon hatte nämlich seinen Gesandten Talleyrand am 31. August 1802 angewiesen 234 ), nicht mehr wie drei protestantische Kurfürsten zuzulassen und Mecklenburg dabei auszuschließen (Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Bd. I, S. 178 ff., vermutet, weil es preußisch gesinnt sei). Das wird schließlich bei der Macht Frankreichs und seinem Einfluß auf die deutschen Angelegenheiten der eigentliche Grund gewesen sein, weshalb der Herzog nicht die Stellung im Reich erhielt, die er für sich erhofft hatte. Österreich hätte möglicherweise doch zugestimmt, wenn Mecklenburg freiwillig seine Stimme für das Erzhaus versprochen hätte.

Die Reichsdeputation wurde noch von Mecklenburg-Strelitz in Anspruch genommen, da es ebenfalls Wünsche auf Entschädi-


230) Schröder a. a. O., S. 54.
231) Brandenburg hatte im Hubertusburger Frieden seine Wahlstimme Joseph versprochen.
232) Wie Schröder a. a. O. S. 59 berichtet, sind weder in Wien noch in Petersburg einschlägige Akten darüber vorhanden.
233) Schröder a. a. O., S. 59 ff., und die dort angeführte Literatur.
234) Correspondance de Napoléon I. Bd. 8 S. 20.
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gung wegen der Straßburger Kanonikate geltend machte; es bekam indessen nur eine neue Virilstimme im Reichsfürstenrat für Stargard.

Der Reichsdeputationshauptschluß hat ferner für Mecklenburg die Bedeutung gehabt, daß man jetzt an die Einziehung der Landesklöster gehen konnte 235 ). Es entspannen sich lange Verhandlungen mit den Ständen, die ihren Besitz in Anspruch nahmen Eine Einigung kam damals nicht zustande; erst 1809 bewilligtest diese dem Herzog eine Beihilfe von 80000 Taler aus den Überschüssen der Klöster, dagegen verzichtete Friedrich Franz auf etwaige Ansprüche, die er aus dem Reichsdeputationshauptschluß herleiten könnte 236 ).

Im Jahre 1805 gelang es Mecklenburg, Wismar, die Insel Poel und das Amt Neukloster von Schweden als Pfand zu erhalten 237 ). Auf den Wunsch des Herzogs hatte der König von Schweden die Benachrichtigung des Kaisers (gemäß Artikel 25 des Pfandtraktats) übernommen, und zwar erfolgte diese nur d'état à l'état, da es nur eine Verpfändung wäre; aber der Kaiser sollte immerhin ersucht werden, als Reichsoberhaupt für die Beobachtung des Artikel 16 zu sorgen ("daß der Hafen der Stadt Wismar nie zu einem Kriegshafen zu einem Gebrauch irgendeiner fremden Macht oder eines anderen Staates bestimmt werden könne"), da dessen Übertretung zugleich eine Verletzung des Reichsgebietes sein würde. Der Reichsvizekanzler Fürst Colloredo verlangte indessen von dem schwedischen Gesandten eine vollständige Abschrift des Vertrages, wenn der Kaiser etwas davon garantieren sollte. Der König von Schweden hielt dann aber eine kaiserliche Sanktion nicht für nötig, und diese erfolgte nicht mehr. -

Leider sind die Akten aus den nun folgenden Jahren sehr dürftig, so daß sich kein Bild daraus ergibt, wie Mecklenburg sich zu der 1804 erfolgten Errichtung des Kaisertums in Österreich gestellt hat, und welchen Eindruck der neue Krieg mit Frankreich und die Neutralität Preußens in Mecklenburg hervorriefen. - Jedenfalls schloß der Herzog sich in diesen Jahren enger an Ruß-


235) Nach den §§ 35 und 36 des Reichsdeputationshauptschlusses.
236) Schröder, Jahrb. 77 S. 15 ff. Erst in neuester seit ist die Frage endgültig geregelt: 1918 sind die Klöster von Mecklenburg-Schwerin eingezogen; 1926 sind die Ansprüche Mecklenburg-Strelitz an die Klöster und das Ständevermögen durch Entscheidung des Staatsgerichtshofes abgewiesen.
237) Schröder, Jahrb. 77 (1900): Die schwedische Verpfändung Wismars an Mecklenburg-Schwerin 1803.
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land und auch an Preußen an 238 ). Er bemühte sich vor allem, sein Land nicht in Verbindung mit etwaigen Feindseligkeiten gegen Napoleon zu bringen.

Die Beziehungen zum Kaiser wurden durch eine Reise des Erbprinzen Friedrich Ludwig wieder belebt. Dieser hatte nämlich seine Gemahlin, die russische Großfürstin Helene Pawlowna, 1805 verloren und begab sich 1805 für längere Zeit nach Süddeutschland und in die Schweiz 239 ). Auf der Rückreise stellte er sich in Wien dem Kaiser Franz vor und wurde von ihm sehr freundlich empfangen. Der Begleiter meldete dem Herzog, "daß vielleicht nie ein deutscher Reichsfürst mit mehrerer Auszeichnung in Wien aufgenommen wie Durchlaucht der Erbprinz". Auf Einladung und als Gast des Kaisers machte er einen Ausflug nach Preßburg mit, um dort der Eröffnung des ungarischen Landtages am 18. Oktober 1805 beizuwohnen. Er mußte dann sogar vor den anrückenden Franzosen aus Wien fliehen und hielt sich eine Zeitlang in Brünn auf; er wollte nämlich die Ankunft des Zaren in Österreich abwarten. Am 18. November fuhr er von Olmütz aus mit Kaiser Franz, dem Prinzen Ferdinand von Württemberg und dem Grafen Cobenzl dem russischen Kaiser entgegen. Er erlebte dann die Begegnung und das Zusammensein der beiden Kaiser und berichtete davon hoffnungsfreudig seinem Vater. Er gedachte dann die beiden Herrscher noch zu den Armeen zu begleiten, trat aber die Rückreise nach Mecklenburg doch schon Ende November an, so daß es ihr erspart blieb, an der gänzlichen Niederlage teilzunehmen, welche die Verbündeten am 2. Dezember 1805 in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz erlitten.

Erst nach langen Erwägungen entschloß sich Mecklenburg, 1805 der bewaffneten Neutralität Preußens beizutreten; aber es kam nicht mehr offiziell dazu. Die Schweriner Räte hatten vor allem das Verhältnis zu Rußland und dessen Spannung gegen Preußen zu der abwartenden Haltung veranlaßt. Im Herbst 1805 gestattete der Herzog den russischen und schwedischen Truppen den Durchmarsch nach Hannover und ebenso 1806 den Rückmarsch.

Napoleon hatte inzwischen Österreich besiegt, die süddeutschen Staaten schlossen sich dem Eroberer an; der Rheinbund wurde begründet.

In Schwerin befürchteten der Herzog und seine Minister sogar, Napoleon könne sich zum Kaiser von Deutschland ausrufen lassen.


238) Asch, Mecklenburgs auswärtige Politik, S. 66.
239) Tagebuch des Erbprinzen Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin, herausgegeben von C. Schröder, 1900. Jahrb. 65, S. 137.
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Als im Juli 1806 der deutsche Reichsverband sich auflöste, war die Ratlosigkeit und Bestürzung recht groß, besonders als die Auflösungserklärung des Reichstages vom 1. August 1806 und die Niederlegung der deutschen Kaiserkrone durch Franz II. Bekannt wurde. Der Herzog schrieb: ,,Es bedarf keiner besonderen Souveränitätserklärung, es ist mir nichts daran gelegen." Als dann eine Aufforderung zum Beitritt in den Rheinbund kam, wurde sie abgelehnt 240 ); der Herzog wollte nur einem Bunde der nordischen Mächte gegen Frankreich beitreten; er würde, schrieb er z. B., einer Gründung eines Oberappelationsgerichts für den Rheinbund nie zustimmen. Der Geheimratspräsident Graf Bassewitz schrieb am 11. August: "Vielleicht ist der Augenblick gekommen, wo Preußen die Vernachlässigung seiner Pflicht teuer bezahlen muß, und wo vielleicht viele andere unverschuldet mitbüßen müssen . . . Wenn es gleich kein Verdienst für den Schwächeren ist, wenn er sich nicht zuerst von einem Verbande trennt, der ihm bisher Schutz gewährte und seine Existenz sicherte, so ist es doch viel wert, daß nicht wir dem Kaiser, sondern der Kaiser uns den Beruf aufsagt. - Dem unglücklichen Neide, der durch den Baseler Frieden noch mehr betätigt ward, hat Deutschland dies Unglück zuzuschreiben. Aber besorglich werden diejenigen, die es veranlaßt haben, die Folgen dereinst zu bereuen Ursache haben."

Diese Worte des mecklenburgischen Ministers zeigen den richtigen Blick für die politische Lage. Die Niederlagen Preußens bei Jena und Auerstädt kamen und mit ihnen der Zusammenbruch des einst so mächtigen Nachbarn. Bald mußte auch Mecklenburg die Hand Napoleons fühlen. Der Herzog von Mecklenburg-Schwerin wurde vertrieben, das Land in französische Verwaltung genommen.

Die nun folgende Leidenszeit hat auch gerade in Mecklenburg dazu beigetragen, die Besinnung auf das Deutsche Reich wieder lebendig zu machen. Als erster deutscher Reichsfürst trat Friedrich Franz 1813 wieder aus dem Rheinbund aus. Auf dem Wiener Kongreß 1815 war es der mecklenburgische Gesandte von Plessen, der eine Flugschrift schrieb mit dem Titel: "Grundzüge zu einem künftigen deutschen Gesamtwesen und einer Nationaleinheit", Plessen sollte dazu beitragen, "daß das gesamte Deutsche Reich ein einziges unzertrennliches Ganze bleibe" 241 ).


240) Schw. A. I. Der Herzog an die Minister am 10. August 1806.
241) v. Maltzahn a. a. O. S. 124. Die Schrift ist in Wien im Anfang des Jahres 1815 bei Strauß anonym (von einem deutschen Kongreßbevollmächtigten) erschienen.
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So tief wurzelte in mecklenburgischen Herzen der Gedanke an das einige Deutsche Reich; der Keim für künftige Gestaltung und Größe fand sich auch inmitten aller Zerrüttung, in aller Oberflächlichkeit und allem Eigennutz wie in anderen deutschen Territorien, so besonders auch in Mecklenburg.

Anhang.

I. Pro Memoria

beim Reichshofrat eingereicht zur Änderung der Lehnsverfassung durch den meckl. Agenten Ditterich am 31. Juli 1767.

"So vollkommen bereitwillig Sr. zu Mecklenburg-Schwerin und Güstrow regierenden Herzogl. Durchl., gleich anderen Reichsfürsten Alt-Welt-Fürstlicher Häuser, sind, Ihre von Kaiserl. Majestät und dem Reich tragende Reichs-Lehne und Regalien, mittelst feierlicher Kaiserlicher Belehnung gebührend zu empfangen; so sehr wünschen Höchstdieselbe, diese Angelegenheit überall in solche Umstände gesetzet zu sehen, daß dabey keine Bedenklichkeit oder Anstand weiter eintreten möge.

In dieser aufrichtigen. Gesinnung beziehen Höchstgedachte Sr. Herzogl. Durchl. bei dem Vorfall, da abseiten des hochpreislichen Kaiserl. Reichs-Hof-Raths und der Reichs-Canzelei an verschiedene altfürstliche Häuser in Ansehung sogenannter Laudemien und Anfalls-Gelder, wie auch der Lehn-Taxe und deren Vervielfältigung, bereits Anforderungen geschehen sind, die von denselben nicht für gegründet erkannt werden mögen, Sich auf Ihro Römisch-Kaiserl. Majestät allergnädigstes Versprechen in allerhöchst dero Wahl-Capitulation Art. XVII. § 15 und 19, nach welchem eines Theils von einer Belehnung, wenn gleich verschiedene Lehen empfangen werden, mehr nicht als N. einfacher Tax entrichtet, und dawider kein Herkommen eingewandt noch einige Erhöhung gemacht; anderen Theils aber die Churfürsten, Fürsten und Stände mit Laudemial- und Anfalls-Geldern von Lehen, damit sie allbereits coinvestiret gewesen, oder sonst mit ungewöhnlichen und neuerlichen Anforderungen nicht beschweret werden sollen.

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Soviel hiernächst das Ceremonial bei den Belehnungen anlanget, halten Höchstgedachte Sr. Herzogl. Durchl. von Ihro Kaiserl. Majestät Weltgepriesener allerhöchsten Gerechtigkeits-Liebe sich völlig versichert, daß allerhöchstdieselben es Ihnen zu Gnaden halten werden, wenn Sie Sich und Ihr Fürstliches Haus bei den vorhin gehabten und in dem Westphälischen Friedens-Schluße ihnen gleich allen und jeden Churfürsten und Ständen des Reichs zu Vermeidung aller künftigen Irrungen aufs feierlichste bestättigten uralten Gerechtsamen und Vorzügen ungekränkt zu erhalten bedacht sind.

Ihro Römisch Kaiserliche Majestät allerhöchste Reichsväterliche Denkungs-Art und Rechts-Liebe lassen nicht zweifeln, daß nicht in diesen beiden Considerandis alles den Alt-Welt-fürstlichen Häusern nachtheilige und bedenkliche werde entfernet werden. Des regierenden Herrn Herzogs zu Mecklenburg Schwerin und Güstrow Durchl. haben daher durch Endes unterzeichneten Instructionsmäßig, wie andere Dero Alt-Welt-fürstl. Mit-Stände, Ihro völlige Bereitwilligkeit zu der schuldigen Lehns-Empfahung wiederholt bezeugen und in in solcher Absicht hiemit geziemend erklären und zu erkennen geben lassen wollen, daß man eines Theils sich zu den gewöhnlichen Tax- und Renumerations-Geldern, wie solche in einfacher Taxe und bei dem gegenwärtigen würklichen Belehnungsfall Wahl-Capitulationsmäßig zu entrichten sind, gebührend offeriere, dabei aber auch, gegen den klaren Buchstab der Wahl-Capitulation Art. XVII. § 18. und 19. mit mehrern Anforderungen nicht beschwert zu werden hoffe; und daß anderen Theils in Ansehung des Ceremoniels Sr. Herzogl. Durchl. wie andere Altweltliche Reichs-Fürsten, dem Vorgang einiger Geist- und Weltlichen Churfürstl. Höfe gemäß, die Lehns-Empfahung schuldigst zu vollziehen gar keinen Anstand nehmen werden.

Wien, d. 31sten Julii 1767."

 

II. Reichshofrats-Konklusum wegen der Beschwerden der mecklenburgischen Stände gegen die Verleihung des Privilegium de non appellando illimitatum an den Herzog von Mecklenburg, vom 11. April 1781.

"Ihre Kaiserl. Majestät haben gehorsamstes Reichshofratsgutachten allergnädigst approbieret und solchemnach, mit Verwerfung des von denen Landräten und Deputierten von der Ritterschaft der Herzogtümer Mecklenburg zum Engeren Ausschuß

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eingelegten unstatthaften Widerspruchs und des von der Stadt Rostock insbesondere behaupteten, außer dem Fall, da die Herren Herzöge zu Mecklenburg jemand aus dem Mittel der dasigen Bürger und Einwohner bei dem Rat zu Rostock belangen, unerfindlichen juris contradicendi, den Herrn Herzogen zu Mecklenburg das von ihnen allergehorsamst nachgesuchte Privilegium de non appellando, nach vorgängiger Vereinbarung mit Ritter- und Landschaft wegen Besetzung des aufzurichtenden Oberappellationsgerichts und Landesgrundgesetzmäßige Verfassung einer Oberappellationsgerichtsordnung, jedoch

I. mit Ausnahme der Appellationen in causis fiscalibus und in Sachen, wo der Herren Herzoge besonderes Interesse mit eintritt, insoweit solche nach dem kaiserlichen Privilegio de non appellando vom 28. Oktober 1651 noch Statt finden, in specie derjenigen Berufungen, welche in jenen Fällen, wo die Herren Herzoge zu Mecklenburg eine oder mehr Personen aus dem Mittel der Bürger und Einwohner zu Rostock vor dem dasigen Rat gelangen, nach dem Erbvertrag vom 21. September 1575 von den Urteln des Rats Stracks an kaiserliche Majestät und das kaiserliche Reichskammergericht gehen, weniger nicht

II. mit Vorbehalt der Nullitätsklage und der querela de negata vel protacta justitia, ersterer nämlich in Sachen, wo das objectum litis die in dem Reichsabschiede vom Jahre 1654 § 112 bestimmte Summam appellabilem erreichet, oder über eine Obrigkeit, Gerechtigkeit, persönliche und Felddienstbarkeit und dergleichen, so nicht gewisse Achtung hat, gestritten wird, ratione derjenigen Nullitäten, welche in sanabilem defectum aus der Person des Richters oder der Partei oder aus den substantialibus des Prozesses mit sich führen, letzterer aber auf die Fälle, da jemand das aufzurichtende Oberappellationsgericht mit Recht ansuchet, und ihm dieses darauf in seit eines Monats nach beschehenem Ersuchen zu Recht nicht verholfen oder mit Gefährde verzogen hätte, und endlich

III. den - in den Fällen, da die Herren Herzoge entweder selbst oder durch die ihrige dem Erbvergleich vom Jahre 1755 oder den mit der Stadt Rostock getroffenen Erbverträgen und Konventionen vom 21. September 1573, letzten Februar 1584 und 26. April, auch 16. August 1748 contravenieren, oder die auf allgemeinen Landtagen vorkommende Beschwerden und aus dem Erbvergleich vom Jahre 1755 sich ergebende Zweifel und Mißverstände nicht nach Vorschrift der §§ 161, 162 und 521 besagten Erbvergleichs erledigen und abtun, oder auf andere Weise jemand extra-

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judicaliter beschweren, oder zu Klagen Anlaß geben würden, - sowohl nach den gemeinen Rechten und Reichskonstitutionen offen flehenden, als in den §§ 165, 525 und 526 oft gedachten Erbvergleichs vom Jahre 1755 und in dem mit der Stadt Rostock im Jahre 1573 aufgerichteten Erbvertrag ausdrücklich stipulierten Wegen, auch im übrigen der nach dem mehrerwähnten Erbvertrag vom Jahre 1575 der Stadt Rostock in denen Fällen, da entweder die Herren Herzöge wider den dasigen Rat und die Gemeine eine Zivilklage anzustellen haben, oder da der Rat und die Gemeine zugleich wider die Landesfürsten etwas verbrochen, und diese sich deswegen besprechen werden, zustehenden ersten Instanz vor Kaiserl. Majestät und dem Kaiserl. Reichskammergericht unabbrüchlich

zu verleihen allergnädigst beschlossen.

Würden dann demzufolge die Herren Herzoge sowohl wegen Besetzung des aufzurichtenden Oberappellationsgerichts sich mit Ritter- und Landschaft vereinbaren, als mit deren Zuziehung eine Oberappellationsgerichtsordnung verfassen lassen, (wobei ersagter Ritter- und Landschaft dafür Sorge zu tragen unbenommen bleibet, daß die in dem Erbvergleich vom Jahre 1755 Art. XXI §§ 381, 393, 394, 396, 398, 399, 400 und 401 enthaltene Verordnungen auf das zu errichtende Oberappellationsgericht ihre ausdrückliche Anwendung erhalten), so ergehet, auf vorgängige bescheinigte Anzeige jener Vereinbarung und Produktion der abgefaßten Gerichtsordnung, wegen Expedition der Privilegii quaesiti fernere kaiserliche Verordnung."

III. Schreiben des Herzogs an den Kaiser wegen der vorzunehmenden Belehnung. 21. März 1786.

,,Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster und Unüberwindlichster Römischer Kayser, auch zu Hungarn und Böheim König,

Allergnädigster Kayser, König und Herr!

Seitdem durch das am 24. April des abgewichenen Jahres 1785 erfolgte und Ew. Kayserl. Königl. Apostol. Majestaet zu seiner Zeit von mir allerdevotest angezeigte Ableben meines hochsel. Vater-Bruders, Herrn Friedrich regierenden Herrn Herzogs zu Mecklenburg Gnaden, die Regierung der Herzogthümer Mecklenburg-Schwerin und Güstrow sammt den übrigen dazu gehörigen Fürstenthümern und Landen, auch meinem fürstlichen Hause zustehenden Reichsständige An- und Zusprüche, auf mich in natürlicher Ordnung vererbfället worden, erkenne ich es für eine meiner

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größten Glückseligkeiten, Ew. Kaiserl. Königl. Apostol. Majestät auch wegen dieser meiner angestammten altfürstlichen Reichs-Lehne als Obersten Reichs-Lehn-Herrn in allertiefstem Respect zu verehren.

Wie es nun solchem nach meine allererste Lehnsobliegenheit erfordert, über vorgenannte von meinen Vorfahren dem Reiche zu Lehn aufgetragenen Herzog-Fürstenthümer und Lande, wie auch die damit verknüpften Reichsfürstlichen Gerechtsame, Privilegien und Regalien von Ew. Kayserl. Königl. Apostol. Majestaet binnen rechtserforderlicher Frist die Reichs-Oberhauptliche Belehnung allerunterwürfigst nachzusuchen; So verfehl ich auch nicht, als ein treu-gehorsamer Reichs-Fürst und Vasall, vorgedachte altfürstliche Reichs-Lehne zu rechter Zeit hierdurch zu muthen und zu deren erneuerten Lehns-Empfahung allersubmissest mich zu erbieten. Ich würde auch sofort jetzt zur würklichen Empfahung solcher Investitur mich in aller Unterthänigkeit bereit erklären, wenn nicht die mein Fürstliches Haus noch fortwährend drückende und die von meinen fürstlichen Domänen noch nicht verwundene gar große Schäden, Geld-Erpressung, Verheer- und Verwüstungen und sonstige Drangsale des siebenjährigen Krieges nebst der mit schweren Kosten und großen Zinsen von Fremden und Auswärtigen aufgenommenen Geldern vollbrachten Einlösung der während vormaliger Landes-Unruhen an Chur-Braunschweig verpfändeten acht der beträchtlichsten Domanial-Ämter noch nicht abgebürdete Schuldenlast wie auch die Entbehrung der Einkünfte aus den seit eben dem erwähnten unglücklichen Zeitraum von Königl. Preußischer Seite noch detinirten vier anderen Ämtern, mich außer Stand setzten, die damit verknüpften Erfordernisse nach meinen Wünschen zu berichtigen.

Indem ich zugleich zu der preiswürdigsten Gnade und Gerechtigkeit Ew. Kayserl. Königl. Apostol. Majestaet allerunterthänigst vertraue, AllerhöchstDieselben werden auf das im Betreff des Reichs-Belehnungswesens unterm 31ten July 1767 nach dem Vorgange anderer altfürstlicher Häuser zu den Acten gebrachte diesseitige Pro Memoria ein allermildestes Augenmerk zu richten geruhen, sehe ich, obiger Hindernisse halber, mich genöthiget, allersubmissest zu bitten: Ew. Kayserl. Königl. Apostol. Majestaet wollten, bis zu deren endlichen Wegräumung, mit der Verbindlichkeit zur würklichen Empfahung der erneuerten Belohnung mit meinen Reichsfürstlichen Landen in allerhöchsten Gnaden mich zu befristen, inmittelst aber mir darüber einen gewöhnlichen Muthschein und Indult allerhuldreichst zu ertheilen.

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Gleichwie ich aber dadurch mich nicht abhalten lassen werde, meiner angebohrenen Obliegenheit gemäß als einen getreuen Reichs-Fürsten und Vasallen gegen Ew. Kayserl. Königl. Apostol. Majestaet mich allerwege zu beweisen, also übergebe AllerHöchstdero Kaiserlichen Huld und Protection ich mich und mein fürstliches Haus in der allertiefsten Verehrung, womit ich unverbrüchlich bestehe

Ew. Kayserl. Königl. Apostol. Majestaet
          allerunterthänigst treugehorsamster
       Reichsfürst Friedrich Franz, Herzog zu Mecklenburg."

Schwerin, den 21. März 1786.

IV. Registratura,

am 30. Mai 1791 auf Betreiben Mecklenburgs von den Reichstagsgesanden altweltfürstlicher Häuser in der Lehnsangelegenheit aufgesetzt.

"Da bei erfolgter allerhöchst kaiserlichen Thronveränderung von neuem die Frage entstehet, wie man sich abseilen der altweltfürstlichen Häuser der Reichsthronbelehnung halber zu benehmen habe. So setzet man voraus: daß die Lehne binnen Jahr und Tag nach Antritt der jetzig glorreichen Regierung Sr. Kaiserl. Majestät zu muthen seien, ist aber zugleich dahin miteinander einverstanden: daß, da diejenige Anstände, welche die altweltfürstliche hohe Häuser zu dem bekannten Konzert im Jahre 1753 und zu denen im Jahre 1767 deshalb erneuerten Maßnehmungen veranlaßt haben, bishero so wenig

1) in Betreff der neugegründeten Anforderungen an mehrfache Tax-, Laudemien-, Anfalls- und Indultgeldern, als wenig

2) in Ansehung des Ceremonielpunkts

gehoben sind, sondern noch immer obwalten, bei jenem gemeinverbindlichen Konzert und Maßnehmungen unabweichlich standhaft zu beharren, sich nicht von einander trennen zu lassen, sondern in Fortsetzung vertraulichster Communication. causam communem zu machen und, wann ein oder anderen fürstlichen Haus ungleiche Zumutungen geschehen oder sonst in dasselbe gedrungen werden wollte, die Conzert- und unionsmäßige Assistenz der übrigen zu reklamieren, auch einander conjunctim unitis viribus zu leisten sei: Und daß insbesondere abseiten derjenigen Höfe, welche durch kaiserliche Reichs-Hofrats-Conclusa ex officio oder in anderer Maße zur Berichtigung der Lehnsempfängnis aufgefordert oder auch mit unstatthaften An-

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forderungen beschweret werden wollten, den vorliegenden Umständen nach und in Gemäßheit der bereits im Jahre 1768 unter den altweltfürstlichen Gesandtschaften dahin getroffenen Abrede vor Ablauf des etwa anberaumten Termini, ohne eine neue Prolongation oder Indult zu begehren, mittelst Exhibierung einer förmlichen Vorstellung beim Reichs-Hofrath der ganze Inhalt davon den mehresten altweltfürstlichen Häusern im Jahre 1767 an den damaligen Herrn Reichs-Vicekanzler Fürsten von Colloredo überreichtem Promemoria vollständig dargelegt und mit ausdrücklicher Beziehung auf dessen geschehene Übergabe zu erkennen gegeben wäre: wie bereits damals der wirklichen Lehnsempfängnis halber, wenn nur die dabei sich ergebende in jenem Promemoria bemerkte Anstände zuförderst gehoben sein würden, die vollkommenste Bereitwilligkeit bezeiget worden: für jetzo aber, da nach der darauf zu erteilenden allergnädigsten kaiserlichen Resolution mit Hebung der Anstände entgegengesehen werde, die nämlichen Umstände annoch eintreten, mithin man unter wiederholter Bereitwilligkeitsversicherung zu schuldigster Vollziehung einer dem Vorgang eines geist- und weltlichen Churfürstlichen Hofes gemäße Lehnsempfahung sich vermüßigt sehe, gegen alles Präjudiz, weil man darunter keineswegs in mora, noch in culpa sei, sich und seine mit anderen altweltfürstlichen Häusern gemein habende Gerechtsame und Prärogative bestermaßen geziemend zu verwahren.

Wobei dann denen in Wien anwesenden der altweltfürstlichen, im Konzert begriffenen hohen Häuser Ministers, Räthen und Residenten, auch Agenten durch gemessene Anweisungsreskripte ernst-nachdrücklichst und geschärft aufzugeben wäre, über die ihnen in dieser gemeinsamlich interessierenden Angelegenheit zukommende Aufträge und Zufertigungen sofort mit einander vertraulichst zu communicieren, selbigen in allen dem Gebühr nachzukommen und anders nicht dann in Conformität derer ihnen ausdrücklich ertheilten Befehlen zu Werke zu gehen.

Vorstehende Registratur ist bei heutiger Zusammentretung von nachstehend unterzeichneten Reichstagsgesandtschaften der altweltfürstlichen Häuser concertieret und verfaßt, auch an allerseits hierbei interessierte höchste Höfe zur gnädigsten Approbation und Ratification unterthänigst einzusenden beschlossen worden.

Regensburg, den 25. Mai 1791. Salvo loco et ordine.

J. H. Graf von Goertz von wegen Sachsen Weimar und Eisenach und Baden.
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F. L. von Wülknitz von wegen Sachsen Coburg Meiningen, Sachsen Coburg Salfeld, Braunschweig Wolffenbüttel und Hessen Cassel.
P. von Gemmingen von wegen Sachsen Gotha, Mecklenburg-Schwerin und Ratzeburg.
C. A. Freiherr von Seckendorff von wegen Württemberg und Mömpelgardt.
Theodor von Salzmann von wegen Brandenburg, Ansbach-Bayreuth und Anhalt."

V. Notifikationsschreiben des Kaisers nach erfolgter Wahl an den Herzog von Mecklenburg.

"Franz der Zweite von Gottes Gnaden erwählter Römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, König in Germanien, zu Hungarn und Böheim, Erzherzog zu Österreich, Herzog zu Burgund und zu Lothringen, Großherzog zu Toskana pp.

Durchlauchtig-hochgeborner lieber Oheim und Fürst!

Nachdem aus unzweifelbarer Fürsehung und Schickung Gottes die am 5. dieses Monats vorgegangene Wahl eines Römischen Königs und künftigen Kaisers mittels ordentlichen und einmüthigen Stimmen des Kurfürstlichen Kollegiums auf Uns ausgefallen, auch hierauf gestrigen Tages die Krönung zum Römischen Kaiser in Unserer und des Heiligen Römischen Reichs Stadt Frankfurt mit allen gebräuchlichen Feierlichkeiten glücklich vollzogen worden ist: So haben Wir nach Unserem Ew. Liebden zutragenden besonderen Neigung nicht unterlassen wollen, denselben dieses erfreuliche Ereignis hiemit gnädigst kundzumachen, nicht zweifelnd, daß Ew. Liebden daran freudigen Anteil nehmen und Uns diese Erhebung zur kaiserlichen Würde gerne gönnen werden.

Ew. Liebden können dagegen versichert sein, daß, gleichwie Wir Unsere kaiserliche Regierung mit göttlicher Hilfe und mit getreuem Beistand der Kurfürsten, Fürsten und Ständen des Reichs dergestalt zu führen gedenken, damit dadurch des Heiligen Römischen Reichs, Unseres werthen deutschen Vaterlandes, Nutzen und Aufnahme möglichst gefördert werden möge, also auch Wir insbesondere Ew. Liebden bei allen Gelegenheiten mit Kaiserlichem Schutz, Gnade und allem Guten wohl beygethan verbleiben werden. Gegeben mit Unserer und des Heiligen Reichsstadt Frankfurt den 15. Julius im Jahre 1792, Unserer Reiche, des Römischen auch des Hungarischen und Böhmischen im ersten.

Franz I. R.
         Fürst zu Colloredo-Mannsfeld."
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VI. Herzoglisches Schreiben an den Kaiser nach erhaltener Notifikation der erfolgten Wahl.

"Allerdurchlauchtigster . . . . . . . . .

Je dringender die Angelegenheit des gemeinschaftlichen deutschen Vaterlandes war, bei den jetzigen mancherlei Verwickelungen und critischen Verhältnissen baldigst mit einem Oberhaupt versehen zu werden, desto erfreulicher hat es für mich, sowie für jeden meiner patriotischen Reichs-Mitstände sein müssen, daß nach Ew. Kaiserl. Königl. Apostol. Majestät mir darüber allergnädigst angeehrten Notifikation die deshalb angestellte Wahl, deren Einstimmigkeit sich nicht bezweifeln ließ, auf Allerhöchstdieselben ausgefallen und, nach den allgemeinen Wünschen, von Allerhöchstderselben angenommen worden. Glücklicher hätte diese Wahl nie getroffen werden können, da in Ew. Kaiserl. Königl. Apostol. Majestät erhabenster Person alle die großen Eigenschaften, wodurch dero glorreiche Vorfahren sich und die Ihrem Zepter und Händen anvertraute Wohlfahrt des deutschen Reiches unsterbliches Verdienst erworben haben, so vollkommen vereiniget sind. Ich rechne es daher zu der glücklichsten meiner Stunden, wenn ich die Pflicht erfüllen darf, Ew. Kaiserl. Königl. Apostol. Majestät mit Bezug auf mein hiebevor schon submissest erlassenes Glückwunschschreiben hiedurch insbesondere auch noch zu der jetzt angetretenen Kaiserwürde meine allerehrerbietigste Gratulation abzustatten und allen göttlichen Segen und Beistand zu dieser Oberhauptlichen Reichsverwaltung, sowie überhaupt, also besonders auch bei den gegenwärtigen Zeitläuften, in welchen Allerhöchstdieselben schon gleich den ersten Anfang dero Allerhöchsten Reichsbeschirmung mit sovieler Würde und Nachdruck bezeichnen, inbrünstig anzuwünschen. Darf ich gleich an der allgemeinen Kaiserlichen Obhut ohnehin einen Reichsmitständigen Antheil hoffen, so geruhen Ew. Kaiserl. Königl. Apostol. Majestät doch, mich und mein herzogliches Haus hiedurch noch zur besonderen Allerhöchsten Gnade auf das submisseste empfehlen und dagegen die tiefste Devotion bezeugen zu dürfen, in welcher ich zeitlebens beharre Ew. Kaiserl. Königl. Apostol. Majestät unterthänigst gehorsamster Reichsfürst

       Friedrich Franz, Herzog zu Mecklenburg.

Schwerin am 27. July 1792."

(Gegenzeichnung dreier Minister.)