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II.

Geschichte

der

Sternberger Hospitalien.

Von

Lic. theol. K. Schmidt,
Pastoer zu Sternberg.

~~~~~~~~~~~~

U nter dem Namen "St. Georg=Stift" besteht zu Sternberg eine unter kirchlicher Verwaltung stehende Stiftung für Wohlthätigkeitszwecke mit einem Stiftsgebäude, einer kleinen Stiftskirche und einem nicht unansehnlichen Vermögen an Ländereien und Capitalien. In ihr sind seit dem Jahre 1848 drei bis dahin gesondert von einander verwaltete Stiftungen vereinigt, deren Ursprünge in die Anfangszeiten der Sternberger Stadtgeschichte zurückreichen: das Heiligen Geist=Hospital, das St. Georg=Hospital und das Elenden=Hospital. 1 )

Es verlohnt sich, die Geschichte dieser drei Sternberger Hospitalien eingehend darzustellen. Auch abgesehen davon, daß dieselbe für die Sternberger Localgeschichte von Bedeutung ist - auch von allgemeinerem, kulturgeschichtlichem Standpunkte aus dürfte es werthvoll erscheinen, die Entwickelung dieser Anstalten durch die Jahrhunderte zu verfolgen.

Für die Anfangszeiten fließen die Quellen allerdings spärlich, desto reichlicher aber für die späteren Jahrhunderte. Der als Geschichtschreiber Meklenburgs bekannte wail. hiesige Präpositus


1) Vgl. Lisch im XII. Bande dieser Jahrbücher (1847) S. 203, wo jedoch irrthümlich ein "Siechenhaus (domus leprosorum)" als besondere Stiftung neben dem St. Georg=Hospital aufgeführt ist; vielmehr sind beide ursprünglich identisch und auch später noch verbunden.
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David Franck († 1756) hat mit großer Sorgfalt alle vorhandenen Nachrichten bis auf seine Zeit gesammelt und handschriftlich hinterlassen. Auf diesen Aufzeichnungen basirt meine Darstellung für die frühere Zeit. Für die neuere Geschichte der Hospitalien standen mir die Hospitalregister sowie die bezüglichen Acten aus dem hiesigen Pfarr=Archiv, dem hiesigen Raths=Archiv und dem Güstrower Superintendentur=Archiv zu Gebote. Auch hat Herr Archivrath Dr. Grotefend zu Schwerin die Güte gehabt, aus den Acten des Geheimen und Haupt=Archivs mehreres werthvolle zur Ergänzung mir mitzutheilen, wofür ich demselben auch an dieser Stelle meinen ergebensten Dank sage.

I. Die Anfänge.

Es ist bezeichnend für den Wohlstand und die Bedeutung, deren sich die Stadt Sternberg im Mittelalter erfreute, daß sie in der Lage war, nicht weniger als drei Hospitäler zu begründen. Sie zeichnet sich dadurch vor manchen anderen Städten gleicher Größe aus. Denn wenn es auch damals sicherlich keine noch so kleine Stadt gegeben hat, die nicht ein Hospital aufzuweisen hatte, viele auch, in welchen deren zwei bestanden 1 ), so war es doch für eine Kleinstadt schon ein gewisser Luxus, über diese Zahl hinauszugehen. Die Einwohnerzahl der Stadt war auch in ihrer damaligen Blüthezeit schwerlich größer, eher kleiner als jetzt. Aber es sprechen auch sonstige Beweise dafür, daß die Bürgerschaft nicht nur recht wohlhabend, sondern auch in hohem Maße von Gemeinsinn und Opferwilligkeit beseelt war. Dazu kam freilich auch, daß Sternberg, welches bekanntlich im 14. Jahrhundert längere Zeit fürstliche Residenz war, manche fürstlichen Gunstbezeugungen genießen durfte, und daß sie eine Art Vereinigungspunkt für Ritterschaft und Geistlichkeit war, aus welchen beiden Ständen ihr ebenfalls manche milde Stiftungen zuflossen. Wenngleich vollständige urkundliche Nachrichten darüber leider fehlen, so werden wir doch nicht irren, wenn wir annehmen, daß bei der Begründung und Dotirung der Hospitäler, alle die genannten Factoren, wohl unter Vorantritt der Bürgerschaft, zusammengewirkt haben.

Das Heiligen Geist=Hospital.

Das älteste der drei Hospitäler ist ohne Zweifel das Heil. Geist=Hospital. Urkundlich erwähnt ist es zuerst in einer


1) Vgl. Uhlhorn, Die christliche Liebesthätigkeit im Mittelalter, 1884, S. 202 ff.
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Urkunde vom Jahre 1288, in welcher ein Wismarscher Bürger, Gerbert von Warendorf, demselben ein Legat Von 2 Mark zuweist. 1 ) Erft etwa 40 Jahre zuvor war die Stadt begründet worden. Die Stiftung reicht also ohne Zweifel in die ersten Anfänge der Stadt hinauf. Ohnehin läßt sich in jener Zeit des Aufschwunges und der Blüthe der Städte kaum eine Stadt denken, die nicht darauf bedacht gewesen wäre, eine solche Zufluchtsstätte für die alten und gebrechlichen unter ihren Bewohnern zu errichten. Denn dazu waren im allgemeinen die Häuser bestimmt, welche nach dem "Heiligen Geist" benannt wurden. Es waren im allgemeinen, wenigstens in kleineren Städten, nicht eigentlich Krankenhäuser, auch nicht eigentlich Armenhäuser, sondern Häuser, in welchen sowohl mehr als weniger unbemittelte, mitunter recht vermögende ältere Personen beiderlei Geschlechts, namentlich alleinstehende, für ihren Lebensabend einen friedlichen Aufenthalt, Anhalt und Gemeinschaft suchten und fanden. Wir dürfen im allgemeinen annehmen, daß diejenige Ordnung des Stifts, welche für die Zeit gleich nach der Reformation bezeugt ist, von Anfang dieselbe gewesen ist. Darnach war das Haus bestimmt und im Stande, mindestens vier Personen Aufenthalt zu bieten. Sie wurden in der Regel nicht anders als gegen ein Einkaufsgeld aufgenommen. Letzteres betrug im 16. Jahrhundert 10 Mark, immerhin bei damaligem Geldwerth nicht ganz wenig im Verhältniß zu demjenigen, was das Stift an Emolumenten zum Lebensunterhalt zu bieten hatte. Jede Pfründe ("Pröve") gewährte außer freier Wohnung mit etwas Gartenland und Feuerung eine wohl ausreichende Lieferung an Brod (an deren Stelle später Kornlieferung nebst "Backelgeld" trat), jährlich 1 Paar Schuhe, wie es scheint auch Fischlieferungen für die Fastenzeit. Das Verhältniß gleicht also einer immerhin sehr günstigen Rentenversicherung. Doch ist offenbar, daß die Pfründe für sich allein zum vollen Lebensunterhalt nicht ausreichte, daß vielmehr die Inhaber auf anderweitige Einnahmequellen angewiesen blieben. Es wird also damals so gewesen sein, wie es noch jetzt ist, daß die Hospitaliten, wenn sie nicht vermögend waren, darauf bedacht sein


1) Mekl. Urk.=Buch Bd. III, Nr. 1952: - - hospitali in Sterneberg II marcas. In demselben Testament werden unch den "Hospitälern" in Dassow, Grevesmühlen und Klütz Legate ausgesetzt; es kann wohl kein Zweifel sein, daß in allen diesen Fällen die "Heiligen Geist=Häuser" gemeint sind. - Daß die Urkunde von 1307, Mai 5 (Kauf eines Theils von Kobrow) für das Heil. Geist=Spital bestimmt sei, vermuthet Lisch nur uns dem späteren Besitze desselben in Kobrow.
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mußten, soviel sie noch konnten, für andere Arbeit zu leisten, um etwas dazu zu verdienen. Doch verstand es sich ohne Zweifel von selbst, wie noch jetzt, daß für die Zeiten andauernder Krankheit und Gebrechlichkeit außerordentliche Unterstützungen aus der Stiftskasse gewährt wurden. 1 )

Das Haus lag ziemlich in der Mitte der Stadt an der Küterstraße, und neben dem Hause die zu dem Stift gehörige Kirche, welche schon im Jahre 1357 erwähnt wird und also, wie es auch sonst nur wahrscheinlich ist, mit der Begründung des Stiftes zugleich errichtet sein wird. Ueber die Heil. Geist=Kirche und ihre Benutzung giebt eine Urkunde aus dem Jahre 1503 2 ) wenigstens einigen Aufschluß.

In dem genannten Jahre wurden von Heinrich von Plessen, Ritter, erbgesessen auf Brüel, in Verbindung mit einigen andern, zur Aufrichtung der horae beatae virginis an der Sternberger Kirche mehrere Vicareien fundirt, unter denen eine, die bisher schon an der Heil. Geist=Kirche bestanden hatte und jetzt zur Stadtkirche gelegt wurde. Der darauf bezügliche Abschnitt der Urkunde lautet:

"De ander Vicarie, de ick Hinrick von Plesse, Ritter, Gade almächtig to eren unde ziner werden benedigeden Moder tho der iyde ghelecht hebbe, de nu der tyd besyth Er Hinrick Wittenborg, belegen in des Hilgen Gestes Kerken, tho dem Altar der hilgen Drevaldigheit und teyn dusend Ridder, myt euer vryen Hußstede dar t'yegen äver belegen, de Pacht, wo hier navolgeth u. s. w."

Es ergiebt sich hieraus, daß die Heil. Geist=Kirche einen der heil. Dreifaltigkeit und 10000 Rittern geweihten Altar enthielt, bei welchem - ungewiß zu welcher Zeit, jedenfalls durch einen Vorfahren des Ritters Heinrich von Plessen - eine Vicarei zur Abhaltung einer täglichen Messe gestiftet worden war. Dieselbe war fundirt mit freier Wohnung in einem der Kirche gegenüberliegenden Hause, welches aber im Jahre 1503 nicht mehr stand, sowie mit Pachteinkünften im Betrage von zusammen 14 Mark jährlich.


1) In nachreformatorischer Zeit figurirt unter den jährlichen Leistungen der Stiftskasse an die Hospitaliten je "1 ßl. 3 Pf. Opfergeld". Vermuthlich ist das eine Entschädigung für weggefallene Opfergaben, und wir haben uns danach vorzustellen, daß in älterer Zeit etwa die Besucher der mit dem Heil. Geist=Hospital verbundenen Kirche zum Besten des Stiftes opferten, wovon die Hospitaliten ihren Antheil erhielten.
2) Vollständig mitgetheilt in Franck's Aufzeichnungen über die Sternberger Schule sub Nr. 9 im Urkunden=Anhang.
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Es hatte also die Stiftskirche ihren eigenen täglichen Meßgottesdienst durch mindestens einen eigens an ihr angestellten Priester. Wahrscheinlich hatte das Stift auch damals schon seinen besonderen Kirchhof, da in nachreformatorischer Zeit ein eigener "Armen=Kirchhof" erwähnt wird. Daß jedoch das Stift von dem Parochialverbande der Sternberger Stadtkirche eximirt gewesen, ist an sich unwahrscheinlich und findet sich nirgends angedeutet.

Daß übrigens im Jahre 1503 die Plessensche Vicarei aus der Heil. Geist=Kirche wegverlegt werden konnte, begreift sich doch wohl nur dann, wenn außer derselben noch andere Stiftungen an dieser Kirche bestanden, durch welche für regelmäßigen Meßgottesdienst in derselben gesorgt war.

Die gemeinsame Lebensordnung für die Hospitaliten wird nun vornehmlich darin bestanden haben, daß sie gehalten waren, den in der Stiftskirche stattfindenden Messen beizuwohnen. In nachreformatorischer Zeit findet sich die Einrichtung, daß die Hospitaliten täglich Morgens und Abends eine gemeinschaftliche Andacht mit "Lesen, Beten und Singen" hielten: es ist anzunehmen, daß dieser Brauch durch Umwandlung aus einer Vorreformatorischen Ordnung hervorgegangen ist, und man wird sich also vorstellen dürfen, daß die Hospitaliten täglich Morgens und Abends einer in der Stiftskirche gehaltenen Messe beiwohnten.

Was im Uebrigen die Verfassung des Stiftes betrifft, so finden wir bei der ersten nachreformatorischen Visitation von 1572 die Einrichtung vor, welche schon in einer Urkunde vom 15. November 1357 erwähnt wird, also wohl die ursprüngliche ist, daß die Leitung des Hauses zweien Provisoren (auch Vorsteher, Juraten, Vormünder genannt) oblag. Dieselben hatten abwechselnd je ein Jahr lang die Berechnung der Einnahmen und Ausgaben zu führen. Sie hatten überhaupt die gesammte Oekonomie des Stiftes zu besorgen, die Grundstücke zu verpachten, die Pächte einzuholen, den Hospitaliten ihre "Pröve" zu reichen, die erforderlichen Bauten und Reparaturen an Haus und Kirche anzuordnen. Neben diesen scheint ein besonderer ständiger "Hofmeister", wie er sonst wenigstens in den größeren Heil. Geist=Häusern angestellt war, und wie wir ihn auch bei dem Sternberger St. Georg=Stift finden werden, bei dem Heil. Geist=Hospital nicht gewesen zu sein. Vielmehr scheint die Aufrechthaltung von Zucht und Ordnung im Hause ebenfalls den Provisoren obgelegen zu haben. Näheres übrigens werden wir unten noch zu bemerken haben.

Die Oberaufsicht über das Hospital stand, wie es ja überhaupt bei den aus Mitteln der Stadt oder Bürgerschaft begründeten

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Hospitälern der Fall war, dem Magistrat der Stadt zu. Man kann sagen, daß dasselbe geradezu die Stellung eines städtischen Institutes hatte, weites unter Verwaltung des Magistrates stand. Bezeichnend für dies Verhältniß ist eine Urkunde vom 28. März 1359, in welcher Herzog Johann von Meklenburg dem Hospital zum hl. Geist 14 Hufen zu Pastin verleiht. Es heißt in derselben: dimittimus preesentibus et contulimus quatuordecim mansos cum casis, proprie katen, illis adjacentibus sitos in campis ville Partzentin, quos quidem Nicolaus Wamekowe coram nobis voluntarie resiginavit viris prudentibus nostre civitatis Sternebergh consulibus, qui pro tempore et per tempus fuerint, ad utilitatem et ad manus sancti Spiritus ibidem in Sternebergh jugiter possidendos etc. Also Nicolaus Wamekow, ein Sternberger Bürger, indem er die Revenüen aus diesen Hufen dem heil. Geist zuwenden will, überweist die Ländereien dem Sternberger Magistrat zum Besitz, und der Herzog beftätigt dies mit der Maßgabe, daß der Magistrat befugt sein soll, die Hufen nach Belieben an andere zu verkaufen oder zu Verpfänden: der Magistrat erscheint hier als eigentlicher Besitzer von solchen Grundstücken, deren Nutznießung dem heil. Geiste zusteht. 1 )

Ohne Zweifel waren daher auch die Provisoren vom Magistrat angestellt, wie denn nachweislich dieselben für ihre Rechnungsführung dem Magistrate verantwortlich waren. Bei der Visitation von 1572 nämlich beschwerten sich die Provisoren über die großen Kosten, welche E. E. Rath verursachte, wenn die Rechnungen aufgenommen würden.

Von einer Mitwirkung von fürstlicher oder geistlicher Seite bei der Leitung und Verwaltung des Hospitals ist in vorreformatorischer Zeit keine Spur zu finden, nur daß selbstverständlich die Ausübung des Cultus in der Hospitalkirche unter kirchlicher Aufsicht stand, was auch die bischöfliche Bestätigung einer Vicareistiftung vom 24. Juli 1357 zur Folge hatte.

Fragen wir nun nach den Einkünften und dem Vermögensstande des Hospitals, so wird unterschieden werden müssen zwischen demjenigen, was das Hospital als solches und zu seinem eigentlichen Zweck, der Armenversorgung, zu genießen hatte, und demjenigen, was zur Unterhaltung des Cultus in der Hospitalkirche bestimmt war. Letzteres ist jedenfalls von der Vermögensverwaltung des Hospitals ausgeschlossen gewesen. Jene Plessensche Vicarei=Stiftung wurde, wie wir sahen, im Jahre 1503 der Hospitalkirche


1) Mekl. Urk.=Buch Bd. XIV, Nr. 8588, Vgl. 8366, 8409.
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einfach genommen und zu den Marienzeiten an die Stadtkirche gelegte nach Aufhebung der letzteren, etwa im Jahre 1550, bestimmte Reimar von Plessen als Patron der Kirche zu Bibow dem dortigen Pastor dies Lehn; nun gelang es zwar bei der Visitation von 1572 dasselbe wieder nach Sternberg zurückzubringen, aber nicht etwa, um es dem Hospital zu überweisen, sondern weil man, wie Franck bemerkt, "es für billig hielt, daß solches Beneficium für die Prediger in Sternberg bliebe, als für welche es gestiftet war": das Lehn kam an die Oekonomie. Hat die Hospitalkirche, wie wahrscheinlich ist, noch andere Cultusstiftungen empfangen, so ist doch davon keine Nachricht erhalten und keine Spur geblieben. 1 ) Es ist wahrscheinlich, daß davon manches, ebenso wie von sonstigen Sternberger Cultusstiftungen, in den Wirren der Reformationszeit beseitigt worden ist.

Dagegen dürfen wir annehmen, daß das eigentliche Hospitalvermögen sowohl durch seinen Zweck als auch dadurch, daß es eigentlich städtisches Vermögen darstellte, ungeschmälert durch die Zeit der Verwirrung hindurch gerettet worden ist, und daß also diejenige Uebersicht, welche das Visitationsprotokoll von 1572 bietet, - die älteste, welche wir haben - im wesentlichen den Stand am Ende der Vorreformatorischen Zeit darstellt. Damals belief sich das Capitalvermögen des Stiftes auf 1176 Mk. 8 ßl., wovon 58 Mk. 3 ßl. 6 pf. Zinsen (zu 5 %) eingingen. Das Geld war in 97 kleinen Posten, meist zu 5 oder 10 Mk., an Sternberger Bürger ausgethan. Außerdem gingen etliche Mark jährlich an Pächten und Renten aus Kobrow und Pastin ein - letztere vermuthlich die Revenüen aus den 1357 und 1359 geschenkten Hufen. An Aeckern hatte das Haus 21 Morgen und eine "Breite" 2 ) also etwas mehr als 40 Scheffel Aussaat, durchweg Sandacker, wovon der Morgen nur 4 ßl. Heuer trug; außerdem noch einige "Hopfen=Höfe" und "wüste Dämme". Etliche Schuldforderungen, die das Haus an Bauern der Umgegend zu haben vermeinte, wurden von diesen bestritten. Das gesammte Einkommen an Zinsen, Pächten und Heuer betrug 73 Mk. 5 ßl. 6 Pf. Es reichte vollkommen hin, die Leistungen an die Hospitaliten, sowie die Verwaltungskosten zu bestreiten.


1) Die schon erwähnte Urkunde vom 24. Juli 1357 (Mekl. Urk.=Buch XIV, Nr. 8369), in welcher Bischof Albert von Schwerin eine in der Heil. Geist=Kirche gestiftete Vicurei bestätigt, bezieht sich möglicherweise auf die genannte Plessen=Stiftung.
2) So nannte man ein Ackerstück, welcher über 1 Morgen oder 2s Scheffel Ausaat groß war.
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Das St. Georg=Hospital.

Die auf S. 141, Anm. 1 citirten Worte aus dem Testamente des Gerbert von Warendorf lassen schließen, daß es damals, um 1288, nur ein einziges Hospital, das Heil. Geist=Hospital, in Sternberg gegeben hat. Andererseits wird in einer Urkunde von 1361 1 ) von dem "Gotteshause zu St. Georgs als einem bestehenden geredet. Die Begründung dieses Hospitals wird also in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts zu setzen sein, in die Zeit des hohen Aufschwungs der Stadt Sternberg.

Wie die St. Georg=Hospitäler überhaupt, lag auch das hiesige außerhalb der Stadt, vor dem Lukower Thor, nahe dem Ufer des großen Sees, und es kann kein Zweifel sein, daß es wie durchweg die nach St. Georg genannten Stiftungen ursprünglich zur Aufnahme der Aussätzigen begründet worden ist. In lateinischen Urkunden wird es mehrfach domus leprosorum genannt, und noch zu Franck's Zeiten wurde das Feld, auf welchem es früher gestanden hatte, im Volksmunde "beim Seken=Huse" bezeichnet. Andererseits aber wird es auch öfter als "Armen=Haus" bezeichnet, und in dem Protokoll der Visitation von 1584 wird unterschieden zwischen "den Armen im Sanct Jorgen" und "den Aussätzigen im Seichen=Hause" 2 ). Es wird also David Franck Recht haben, wenn er - anscheinend auf Grund mündlicher Ueberlieferung - berichtet: "Das ist gewiß, daß gedachtes Hospital anfänglich nicht in der Stadt, wie jetzo, gelegen, sondern vorm Lukower Thor, zur rechten Hand, wo der Steindamm zu Ende geht. Da denn nicht allein eine Capelle an dem Orte stand, welcher bei der Linde genannt wird, weil daselbst noch bei Menschendenken eine Linde an der Capelle gestanden; sondern es war auch bei solcher Capelle ein Armenhaus, zum Sankt Jürgen genannt, wie noch jetzo die Gegend daselbst heißt. Weiterhin war ein Garte, und zuletzt an dem Sarrahus Vorder=Camp ein Siechenhaus, welches in lateinischen Urkunden domus leprosorum genannt wird, daher die Gegend noch jetzo beim Seken=Huse heißt."


1) Mekl. Urk.=Buch XV, Nr. 8879. Herzog Johann von Meklenburg gibt dem St. Georg=Hospital den Aalfang im Lukower See: " - dem gadeshuse to sunte Jorgen de dar licht vor deme Sternberge alle den ahlfanck in deme see tho Lukowe" etc.
2) "Den Ahlfangk im Zerran des Lucower Sehes, welcher dem Armen=Hause zu S. Jorgen zustendich, sollen die Juraten, wie vor Alterß gebreuchlich, behalten. Jedoch wen sie waß fangen, daß sie davon den Armen im Sanct Jorgen und Aussetzigen im Seichen=Hause einem Jeden zwe Ahle geben und die übrigen dem Armen Hause zum Besten verkauffen und berechnen sollen".
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Hiernach war bei St. Georg, wenn nicht von Anfang, so doch in späterer Zeit außer dem Aussätzigen=Hospital ein davon getrenntes Armenhaus. Möglicherweise ist letzteres später hinzugekommen, als sich herausgestellt haben mochte, daß das Heil. Geist=Haus, welches nur für 4 Personen Raum bot, dem Bedürfniß nicht genügte. Mit der Zeit je mehr und mehr scheint die Wirksamkeit des St. Georg sich dieser Seite, der Armenversorgung, zugewendet zu haben. Doch finden wir, wie erwähnt, noch 1584 "Aussätzige im Siechenhause" urkundlich genannt. Sollte wirklich der Aussatz sich hier so lange gehalten haben? Oder sind etwa darunter nur überhaupt Kranke zu verstehen, die mißbräuchlich noch mit dem von Alters üblichen Ausdrucke bezeichnet sind? Jedenfalls finden wir bald darauf, wie weiterhin zu erzählen sein wird, diese ursprünglichste Bestimmung des St. Georg beseitigt.

Der Sternberger St. Georg muß einen ziemlich umfänglichen Gebäude=Complex gebildet haben. Außer der kleinen Kirche, dem Armen=Hause, dem Siechen=Hause, befand sich dort noch die Wohnung des "Hofemeisters"; auch wird eine Scheune erwähnt. Der St. Georgs=Hof lag an der verkehrsreichen Bützower Landstraße; ihm gegenüber ein Krug für Durchreisende. David Franck nimmt wohl mit Grund an, daß die von letzteren eingesammelten milden Gaben eine Einnahmequelle des Hospitals gebildet hätten.

Ueber das Aussätzigen=Haus und die in demselben bestehenden Ordnungen haben wir keine Nachricht. Nach demjenigen, was über andere städtische Aussätzigen=Häuser bekannt ist 1 ), bildeten die Aussätzigen unter sich eine Gemeinschaft, ähnlich wie die Hospitaliten zum heil. Geist, nur noch enger geschlossen und durch straffere Ordnung geregelt. Das Armenhaus zu St. Georg haben wir uns jedenfalls ähnlich organisirt zu denken, wie das Heil. Geist=Hospital. Die beiden bei St. Georg neben einander bestehenden Gemeinschaften, die der Kranken und die der Gesunden, waren doch sonst einander ohne Zweifel sehr ähnlich, und erklärt sich daraus um so leichter, daß sie später mit einander verschmolzen werden konnten. Es muß dies um 1600 geschehen sein. Denn während im Jahre 1584 noch die beiden Kategorien der "Armen" und der "Aussätzigen" unterschieden werden, finden wir im Jahre 1606 den Unterschied aufgehoben. Aus diesem Jahre stammt die erste bekannte Jahresrechnung des St. Georg, aus welcher erhellt, daß das Haus sechs "Arme" als Pfründner zu unterhalten hatte. Von da an steht der St. Georg völlig auf gleicher Linie mit dem heil. Geist.


1) Siehe die schöne Darstellung bei Uhlhorn a. a. O. S. 251 ff.
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Im Unterschiede von dem heil. Geist hatte der St. Georg, wie schon erwähnt, einen "Hof=Meister", welchen wir zuerst im Visitationsprotokoll von 1572 erwähnt finden. Damals war seine Stellung die eines Pächters der Stiftsländereien, für welche er jährlich 10 Mark Pacht an den Magistrat bezahlte. Ein Gegenstand des Streites war damals, ob er noch sonstige Verpflichtungen gegenüber dem Stifte zu erfüllen habe. Die Visitatoren verzeichnen unter den "Mängeln" bei St. Georg an erster Stelle folgendes:

"1) will der Hoff=Meister zu St. Georgen frei sein und dem Gottes=Hause, wie in andern Städten, keine Dienste thun, alleine dem Rathe 10 mark pacht entrichten. Bitten die Vorsteher hierauff Verordnung zu machen. Wan die Gotteshäuser baufellig, daß Ehr alsdenn Leim und Stein fhuren möge, und waß sonst zur Gebaute nöthig."

Wenn früher etwa, wie in andern Hospitälern, der Hofmeister innerhalb der Stiftsgemeinschaft eine leitende Stellung gehabt hat, so ist davon doch um diese Zeit nichts mehr erhalten. Die gesammte Leitung hatten, ebenso wie beim heil. Geist, zwei Vorsteher (Provisoren), welche als "Vormünder" schon 1361, Mai 5, erwähnt werden. Daß dieselben auch wenigstens in späterer Zeit die Sittenzucht auszuüben hatten, ergiebt sich wieder aus dem Visitationsprotokoll von 1572, wo es unter den "Mängeln" weiter heißt:

"3) weill ein armer im Sekenhause, welcher seinen Bruder erschlagen, und sich sonsten unchristlich verhelt, nicht zum Dische des Herrn geht, bitten [die Vorsteher] uhm bevehlich zu thun, wie es darmit zu halten."

Auch das St. Georg=Hospital stand unter alleiniger Oberaufsicht des Rathes, welchem die Vorsteher Rechnung abzulegen hatten. Wie durchaus das Stift als ein städtisches Insitut galt, worüber der Rath zu sagen hatte, erhellt daraus, daß die von dem Hofmeister für die Stiftsländereien zu zahlende Pacht, die doch ohne Zweifel in die Stiftskasse floß und den Provisoren zu überliefern war, als eine "dem Rathe" zu entrichtende Pacht galt.

Die zu dem St. Georg gehörige kleine Kirche war hinsichtlich des Cultus ohne Zweifel ähnlich gestellt wie die heil. Geist=Kirche. Sie hat bis in den Anfang des 17. Jahrhunderts gestanden, und noch erhalten ist aus ihr in der jetzt sogenannten St. Georg=Kirche das alte Altarwerk, ein kleiner Flügelaltar mit ziemlich rohem, wohl aus dem 15. Jahrhundert stammenden Holzschnitzereien, den Ritter St. Georg und andere Heilige darstellend.

Das Vermögen des St. Georg, über dessen Erwerbung, Vermehrung und Bewahrung im Allgemeinen dasselbe zu sagen ist, wie

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über das des heil. Geistes, ist bei der Visitation von 1572 folgendermaßen verzeichnet. Der Capitalien waren 730 Mk. in 74 Posten in Bürgerhäuser zu 5 % ausgethan, wovon 37 Mk. 7 ßl. Zinsen kamen: dazu noch 1 Mk. 4 ßl. Zinsen von etlichen Bauern. An Ländereien fanden sich etliche Kohl=Höfe und Hopfen=Gärten, welche je 2 1/2 ßl., zusammen 3 Mk. 12 ßl. Heuer trugen. Dem Hospital gehörten ferner 60 Morgen Acker oder 120 Scheffel Parchimer Maß und eine Wiese, der Acker zu 1/3 Gerst=, zu 2/3 Roggen= oder Sand=Acker, welches alles der Hofmeister Asmus Berends für 10 Mk. in Pacht hatte. Franck bemerkt dazu, daß die Pacht, wenn sie mit der Zeit gebührend erhöht worden wäre, nach damaligem Geldwerth mindestens 50 Mk. hätte betragen müssen, und erkennt hierin ein Zeichen schlechter Fürsorge des Magistrats für das Wohl des Stiftes. Das gewisse Einkommen belief sich zusammen auf 52 Mk. 7 ßl. Dazu kam jedoch eine in ihrer Höhe wechselnde, aber zu Zeiten beträchtliche Einnahme aus dem dem St. Georg im Jahre 1361 verliehenen Aalfang aus dem Lukower See, sowie ein vermuthlich nicht geringer Ertrag aus milden Gaben.

Ueber die Zahl der Insassen des Hauses haben wir die älteste Kunde aus dem Jahre 1606. Damals waren in demselben 6 "Arme" als Pfründner, und es ist kaum anzunehmen, obwohl die Zahl auffallend gering erscheint, daß sie früher sollte größer gewesen sein, da die Einkünfte für eine größere Zahl kaum ausreichend erscheinen. Auch hier bei St. Georg bestand, anscheinend auch für die Aussätzigen, soweit sie es irgend vermochten, der Brauch, ein Einkaufsgeld zu zahlen. Dasselbe betrug 1606 schon 20 Mk., dürfte jedoch in älterer Zeit ebenso wie beim heil. Geist 10 Mk. betragen haben. Die Rewenüen der Stifts=Insassen sind fast dieselben, wie bei dem heil. Geist.

Das Elenden=Hospital.

Es ist bekannt, daß im Mittelalter unter dem Namen "Elenden=Häuser" in vielen Städten hospitalartige Stiftungen begründet wurden, welche bestimmt waren, heimatlosen bedürftigen Leuten, besonders wallfahrenden Personen vorübergehend Obdach und Unterhalt zu bieten 1 ). Daß auch das Sternberger Elenden=Hospital ursprünglich die gleiche Bestimmung gehabt hat, kann nicht zweifelhaft sein. Freilich besitzen wir keine direkte Nachricht über die Einrichtung dieses Hospitals in älterer Zeit; und in der späteren Zeit, aus welcher wir die erste nähere Kunde erhalten, erscheint dasselbe schon um=


1) Siehe Uhlhorn a. a. O. S. 275 ff.
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gewandelt zu einem dem heil. Geist ganz ähnlichen Asyl für Stadtbewohner. Aber schon der Name "Elenden" 1 ) (lateinisch theils exules, theils miserabiles personae) weist bestimmt auf Beherbergung Fremder. Und aus einer lateinischen Urkunde aus dem Jahre 1519 erfahren wir beiläufig, daß das Hospital im Volksmunde "dat Gast=Huß" genannt wurde. 2 )

Da Sternberg an einer vielbenutzten Verkehrsstraße lag, so war die Errichtung einer solchen Herberge ohne Zweifel ein Bedürfniß, und bei der Wohlhabenheit und Opferwilligkeit der Bürgerschaft dürfen wir annehmen, daß die Gründung in frühere Zeiten fällt. Erwähnt wird das Haus zuerst in der genannten Urkunde von 1519. Doch kann kein Zweifel sein, daß es viel älter ist, und ich habe Grund zu glauben, daß es schon etwa um 1319 errichtet wurde. In dem aus dem Jahre 1551 stammenden Hauptbuch des Hospitals, welches David Franck noch gelesen hat, findet sich die Notiz:

"V Mk. Hovetsumme angenahmen Tomas Schmitt tho Weittendorpe wegen siner Vorfarn IIII ßl. rente. Darvor ist gesettett worden Anno XXI dat hoffte tho Weittendorpe dar ihn de sulvige Thomas schmitt wanett."

Wohl mit Grund bemerkt Franck dazu, daß hier der Ausdruck "Vorfarn" sehr weit zurückweise, da man nicht einmal das Jahr mehr gewußt, in welchem die Anleihe geschehen. Bestimmteres zu vermuthen, scheint folgender Umstand zu gestatten.

Jenes Hauptbuch von 1551 erwähnt, daß das Elenden=Hospital aus dem Flusse Mildenitz, da, wo derselbe den Trentsee durchfließt, einen Wadenzug Fische zu genießen habe (der sogenannte "Elenden=Zug") und notirt dabei:

"welcken Waden=Toge quondam von den Crammonen tho Borkow dem elenden Huse edder ahrmen tho einer Ewigen Gedechtnisse gegeven."


1) Siehe Wortregister zum Mekl. Urkundenbuch Bd. XII, s. v. Elende.
2) Die Urkunde handschriftlich in David Francks Aufzeichnungen über die Sternberger Schule sub No. 9: Der Vicar Johannes Hake bestimmt zu einer von seinen Vorfahren errichteten Vicarei an der Sternberger Pfarrkirche ein von ihm neu erbauter Haus zu Sternberg - - domum sitam in platea vulgariter nuncupata de Rydrerstrahte, quae quidem domus habet ab uno latere domum, quae vocatur domus miserabilium personarum, vulgariter dat Gast=Huß, et ab alio latere locum sive aream desolate domus spectantis ad Bernhardum Engelken, jam plebanum in Radem. Die Urkunde ist datirt Bützow 1519, Februar 7.
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Nun findet sich urkundlich, daß der Besitz des Flusses Mildenitz auf der erwähnten Strecke im Jahre 1319 durch den Pfarrer Helmold von Cramon für sich und seine Nachfolger durch Kauf von seinen auf Borkow und anderen Höfen der Gegend wohnenden Vettern erworben ist 1 ). Ich schließe also, daß die Verleihung des Wadenzuges an das Elendenhaus seitens der Borkower Cramons nicht erst nach 1319 erfolgt sein kann, sondern wahrscheinlich mit jener Uebertragung des Besitzes auf den Gägelower Pfarrer gleichzeitig ist, wonach denn die Gründung des Hospitals spätestens 1319 anzusetzen sein würde.

Die Einkünfte dieses Stiftes waren geringer als die der beiden andern. Das Hauptbuch von 1551 verzeichnet an Grundbesitz nur 16 Morgen schlechten Ackers und nur 40 Mark Capital, wovon an Heuer und Zinsen jährlich nur 8 Mark eingingen. Außerdem hatte das Haus nur noch den erwähnten Wadenzug und was etwa an Opfergaben einging. Doch ist zu bemerken, daß das Elenden=Hospital in einer gewissen nahen Verbindung stand mit einem andern pium corpus, an dessen Einkünften es participirte, nämlich mit der St. Gertruden=Kirche.

Den Namen "St. Gertrud" trug in früherer Zeit die kleine noch jetzt stehende Kirche, welche um 1600 zur St. Georg=Stiftskirche umgewandelt wurde. Sie scheint nicht von vornherein mit dem Elenden=Hospital verbunden gewesen zu sein, sondern für sich bestanden zu haben. Es ergiebt sich dies theils daraus, daß, während das Hospital an der Ritterstraße unmittelbar bei der Pfarrkirche lag 2 ), die St. Gertruden=Kirche ziemlich entfernt davon auf dem Spiegelberg liegt, theils daraus, daß das Hauptbuch des Hospitals von 1551 nichts von der Kirche und ihren Einkünften sagt, und andererseits noch bei der Visitation von 1572 die Einkünfte der Kirche für sich gesondert aufgeführt werden. Andererseits muß aber die Verbindung doch ziemlich alt sein, da im 16. Jahrhundert Ausdrücke wie "die Elenden" und "die Armen bei St. Gertrud" promiscue gebraucht werden. Auch deutet auf diese enge Verbindung der Kirche mit dem "Gast=Huß" der Umstand, daß jene im Besitz einer Braupfanne war. Im Jahre 1572 besaß die Kirche 184 Mark Capital und die Braupfanne, welche jährlich 30 bis


1) Urkundenbuch Bd. VI, No. 4090.
2) D. Franck nimmt an (A. u. N. Meklenburg B. IX, S. 79), daß das Elenden=Hospital Anfang des 16. Jahrhunderts auf der Stelle des im Jahre 1492 niedergerissenen Hauses des Jdden Eleaser gelegen habe. Es müßte also eine Verlegung des Hospitals stattgefunden haben, und dasselbe könnte möglicherweise früher nahe bei St. Gertruden gelegen haben.
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40 Mark Heuer trug. Früher hatte sie auch Acker besessen, welcher jedoch damals schon verloren war, daher die Visitatoren notirten: "bei dem Raht nachzufragen, wo derselbe hingekommen?" Ohne Zweifel hat die Kirche vornehmlich dazu gedient, Seelenmessen für verstorbene "Elende" abzuhalten.

Es läßt sich annehmen, daß die ursprüngliche Bestimmung des Hospitals, Fremde zu beherbergen, noch in der Zeit, während welcher Sternberg ein viel besuchter Wallfahrtsort war (Verehrung des heil. Blutes von 1492 bis ca. 1520) und in dieser Zeit ganz besonders zur Geltung gekommen ist. Im Laufe des 16. Jahrhunderts aber hat sich dann die Umwandlung vollzogen, durch welche auch das Hospital ein Asyl für Stadteinwohner geworden ist. Markirt wird diese Veränderung durch die Visitation von 1584, welche zu folgender Verordnung führte:

"Es sollen auch hinfurdt den sämptlichen Armen im Elenden=Hause jerlich auff Martini vier Scheffel Rogken von des Armen Hauses einkommen sampt dem Gulden jehrlicher Boden=Heuer, so offt der Boden vermietett, entrichtet und zugestellet werden, undt soll der erste Rogke auff Martini fünff und achtzigk fellig sein."

Hieraus ergiebt sich, daß damals ständig im Hospital wohnende Arme, vier an der Zahl, vorhanden waren, wie es auch seitdem bis zur Niederlegung des Hospitalgebäudes geblieben ist. Dieselben werden jetzt eigentliche Pfründner, während sie bis dahin keine gewissen Deputate genossen hatten. Deutlich zeigt sich hier der Uebergang von einer Fremden=Herberge zum Pfründner=Hause.

Ebenso wie die beiden andern Hospitäler stand auch das Elenden=Hospital unter der Verwaltung zweier Vorsteher (Provisoren), als welche zuerst aus dem Jahre 1547 Hans Goslick und Jakob Granzin genannt werden, und auch hier stehen dieselben unter der Oberaufsicht des Rathes der Stadt, welcher jährlich die Hospitalrechnung revidirte und den Stadtschreiber dem Provisor ins Haus schickte, um die erforderlichen Eintragungen in das Hauptbuch vorzunehmen. Das im Jahre 1551 neu angelegte Hauptbuch enthielt auf seiner ersten Seite folgende Notiz:

"Nach Christi unsers leven Herrn Geborte dusend viffhundertt ein und voefftig hefft ein Ehrsamer Rath thom Sterneberge von halven der Pachte de gehörig sind jarlikes den Armen to sunte Gertrudis Capellen up to borende, alse von Acker und Hovetsum nachvolgende Act. feria 1 a Letale in en Bock scriven und maken laten, den Vorstendern und Armen thom Besten."

In solchem Maße also lag die oberste Verwaltung des Hospitals in den Händen des Magistrates.

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Ueberblicken wir das bisher Gesagte, so muß anerkannt werden, daß in Sternberg im Mittelalter verhältnißmäßig sehr reichlich für Bedürftige aller Art gesorgt war. Bei alledem aber läßt sich nicht verkennen, daß alle diese Stiftungen doch eigentlich nicht dazu da waren, der wirklichen Armuth in der Stadt abzuhelfen. Das Elenden=Hospital war doch eigentlich für die Fremden da, das St. Georg=Hospital eigentlich für die Aussätzigen, und soweit es auch Gesunde aufnahm, war es, ebenso wie das Heil. Geist=Hospital, eigentlich nur für solche, welche doch noch in der Lage waren, das immerhin nicht unbedeutende Einkaufsgeld zu erlegen, welche dann auch als Hospitaliten noch immer für ihren Unterhalt auf anderweitige Einnahmequellen angewiesen blieben. Mit alledem ist doch für die wirklich Armen und namentlich für die armen Kranken, die Krüppel, die Blinden, die gänzlich Arbeitsunfähigen nicht gesorgt. Wir finden also hier bestätigt, daß bei all dem Reichthum an milden Stiftungen im Mittelalter eine geordnete Armenpflege im heutigen Sinne doch nicht bestand. Die Armuth blieb auf den Bettel angewiesen, der je länger je mehr überhand nahm und erst in nachreformatorischer Zeit abgestellt wurde.

II. Die neuere Zeit.

Am Anfang der neueren Zeit begegnet uns eine merkwürdige und bedeutungsvolle Veränderung hinsichtlich der Stellung der Hospitäler zu den öffentlichen Gewalten. Wir haben gesehen, daß die sämmtlichen drei Hospitäler hinsichtlich der von den Provisoren geleiteten Hausordnung und Vermögensverwaltung zu oberst durchaus dem Stadtmagistrat und ihm allein unterstanden. Wenn auch selbstverständlich die Hospital=Kirchen hinsichtlich der Cultusübung unter bischöflicher Oberhoheit standen, so ist doch eine Theilnahme der Kirchengewalt an der Hospitalverwaltung sonst in keiner Weise erkennbar. Vollends ist von einem Einfluß der landesfürstlichen Gewalt auf dieselbe keine Spur vorhanden. Nunmehr aber findet sich, daß bald nach Beginn des 17. Jahrhunderts der Rath von der Hospitalverwaltung gänzlich ausgeschlossen dastand, und die Aufsicht über die Hospitäler in jeder Beziehung zuoberst von dem Landesherrn, in erster Instanz aber von den Predigern der Stadt ausgeübt wurde.

Wie ist es zu dieser Veränderung gekommen?

Die beiden frühesten in reformatorischem Sinne in Sternberg veranstalteten Kirchenvisitationen von 1535 und 1541 haben sich auf die Pfarrkirche und die Schule beschränkt und mit den Hospitälern noch gar nicht befaßt. Es scheint also, daß damals die Landes=

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regierung überhaupt noch nicht das Recht beanspruchte, Oberaufsicht über dieselben zu üben. Anders war es schon bei der Visitation von 1572, welche späterhin als die erste hier in Sternberg vorgenommene angesehen wurde. Diese erstreckte sich auf sämmtliche pia corpora, auf die Stiftskirchen wie auf die Stiftshäuser, verzeichnete deren Vermögen und Einkünfte und nahm Beschwerden der Vorsteher entgegen, um sie dem Herzog zur Entscheidung vorzulegen. Unter den seitens der Vorsteher des St. Georg vorgebrachten Beschwerdepunkten war der zweite dieser:

"weill man in der rechnung dem Rathe ein stübichen Wein geben müsse, daß solches auch müge abgeschaffet werden."

Ohne Zweifel bezieht sich das "solches" nicht überhaupt auf die Rechnungsablage vor dem Rathe, sondern auf die von dem Rathe beanspruchte und nach Ansicht der Vorsteher ungebührliche Vergütung. Aber es erhellt also hieraus, daß damals schon die herzoglichen Visitations=Commissarien sich befugt hielten, Beschwerden der Vorsteher über den Magistrat entgegenzunehmen, welcher doch bisher als höchste Aufsichtsbehörde über ihnen gestanden hatte, ohne daß von einem fürstlichen Oberaufsichtsrecht die Rede gewesen wäre. Es zeigt sich hierin die im Laufe des 16. Jahrhunderts erfolgte und durch Uebernahme des Summepiscopats vermehrte Erstarkung der landesherrlichen Gewalt. Man darf wohl annehmen, daß dies Recht, auch die Hospitäler zu revidiren, aus dem jus episcopale hergeleitet wurde, vermöge dessen zunächst die Hospitalkirchen dem Landesherrn als Oberbischof unterstanden, dann aber auch die Hospitäler selber, sofern sie als Annexe der Kirchen zu betrachten waren; während bisher umgekehrt die Kirchen gewissermaßen als Attribute der Hospitäler erschienen waren.

Im Uebrigen beließ es diese Visitation von 1572 noch bei dem bisherigen Verhältniß, daß die Hospitalverwaltung zunächst dem Magistrat unterstand. Aber schon die Visitation von 1584 ging einen Schritt weiter. Zwar wurde die von den Visitatoren damals getroffene Einrichtung, daß hinfort aus den Mitteln des St. Georg ein Schüler=Stipendium von jährlich 15 Mark verliehen werden solle, ausdrücklich "mit Zuziehung Bürgermeistere und Rath" getroffen. Aber in dem Visitations=Abschied wird nunmehr folgendes festgestellt:

"Undt sollen auch die Herren Pastores hinfurdt jerlich neben dem Ersamen Rathe von den Gottes=Heusern und Hospitalien undt deren vörordneten Juraten rechnung nehmen. Jhngleichen auch, wen der Arme Kaste eröfnet wirdt, sollen die Pastores dazugezogen und mit ihrem Consens das Geldt der Armuth außgeteilet werden."

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Hiermit wurden also die Pastoren, das geistliche Ministerium gewissermaßen zur Correvisionsbehörde neben dem Magisirat bestellt 1 ). David Franck bemerkt dazu: "Wäre man damit vergnügt gewesen, so würde es wohl bey der Mitzuziehung geblieben seyn: als aber der Raht die Prediger nicht mit zuziehen wolte, so wurde Er, durch Betreibung des Pastoris Michael Gutzmer, gar von der Inspection ausgeschlossen."

Den Anlaß dazu gab, daß im Jahre 1612, da der Posten eines Kirchenvorstehers neu zu besetzen war, der Magistrat die Besetzung ohne Vorwissen der Prediger vornahm, und darauf hinwiederum die Prediger ohne Zuziehung des Magistrates einen neuen Vorsteher beim Elenden=Hospital bestellten. Es kam zur Klage vor den Herzögen Adolph Friedrich und Johann Albrecht, welche zunächst den Kirchenvorsteher removirten und nur, als er darauf seitens der Prediger denominirt wurde, bestätigten, und darauf im Jahre 1614 eine Verordnung ergehen ließen, durch welche dem Magistrat die Befugniß, bei der Bestellung der Provisoren der pia corpora mitzuwirken, überhaupt entzogen wurde.

Diese umfängliche, eingehende Verordnung, welche sich in dem Geheimen und Haupt=Archiv vorgefunden hat, verdient hier nach ihrem ganzen Umfange mitgetheilt zu werden. Sie lautet folgendermaßen:

Unsere von Gotts gnaden Adolff Friedrichs und Hans Albrechts, gebrüder, Hertzogen zu Meckelburg, Fürsten zu Wenden, Graffen zu Schwerin, der Lande Rostock und Stargardt Herrn

Ordnung,

Wie es hinfüro in vnser Stadt Sterneberg mit annehmung vnd bestellung der Kirchen=Juraten vnd Vorsteher der Hospitalien gehalten werden, dieselben auch in verwaltung Jhres ampts sich bezeigen sollen.

Nachdem auß glaubwürdiger bericht vnd clag fürkommen, das in gedachter vnser Stadt Sterneberg ein weill anhero mit an=


1) Dieses Verhältniß kommt auch in der Eidesformel zum Ausdruck, welche 1584 für "die Juraten undt vorsteher der Gotteshäuser und Hospitalien zum Sternberge" vorgeschrieben wurde: "Ich N. und N. swere, das Jch dus Arme Hauß zu N. und die darinne wesende Armen mit Vleiß vorstehen, des Gotteshauses einkomen und außgaben jerlich oder wan es von mir gefordert wirtt, getrewlich berechnen und fleissige Auffsicht thuen, das dem Gotteshause nichtes müge unterschlagen noch veruntrewet werden. Auch ohne vorwissen des Ersamen Raths und Ministerii keine Haubtsumme ablösen noch bestettigen undt des Gotteshauses undt Armen besten nach meinem vermögen alzeidt wissen undt befordern will. Als mir Godt helff und sein heilig Wortt."
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nehmung vnd bestellung der Kirchen Juraten vnd Vorsteher der Hospitalien der gebür nicht Verfahren, itzgemelte Juraten vnd Vorsteher auch in Verwaltung ihres Ampts sich hinleßig erzeiget, auch darbey allerhandt vorteilhaften eigennützigkeit, den Kirchen und Hospitalien zu schaden vndt nachtheill gebrauchet, Alß haben wir, solchen mangelen vnd gebrechen, so viel möglich, vorzukommen, nachfolgende Ordnung verfassen lassen wollen, Hiemit gnedigl. vnd ernstlich befehlendt, das derselben hinfüro in allen Puncten und Articulen, bey vermeidung vnser ungnad vnd ernsten straff, von allen die es belanget, unterthenig, treulich vnd mit fleiß, nachgesetzet werde.

Anfencklich und zum ersten sollen die Prediger zum Sterneberg allein, vnd nicht zugleich mit vnd neben Jhnen der Raht, wie sichs derselbe hiebevor angemaßet, zu Kirchen Juraten vnd Vorstehern der Armen Heuser, Gottfürchtige erbare vnd redliche Männer, die ohne Priuatgesuch der Kirchen vnd Armen Heuser bestes Wissen vnd beförderen mögen, es halten gleich dieselben eigene Pferde oder nicht, an der verstorbenen oder abgestandenen stad erwehlen, und die erwehlte Person vors erstemahl Uns Hertzogk Adolff Friedrichen nominiren, vnd vnsere gnedige confirmation darüber unterthenigl. suchen, wan aber anderweit einer zu bestellen, Uns Hertzog Hanß Albrechten denselben namkundig machen vnd gleichfalls vnsere confirmation vnterthenig erbitten;

Zum Andern, sollen die Juraten und Vorsteher mit den Kirchen vnd Hospital gütern nichtt allein treulich vnd fürsichtig handeln, sondern auch mit einmahnung der schulde sich fleißigk vnd vnverdrossen bezeigen, vnd soviel immer möglich, keine Restanten machen, die seumigen debitores, hindangesetzet aller vngunst, durch gerichtlichen zwangk zur bezahlunge antreiben, vnd dofern vnser Stadtvoigt, vnd seine mit verordnete zum Gericht, in ertheilunge gebürlicher Rechtshülff hinleßig sein würden, es an vns vnterthenig gelangen lassen, darauf wir alsdan bei denselben die gebür ernstlich beschaffen wollen;

Zum Dritten soll vnser Superintendens zu Güstrow, neben dem Visitationis Notario, in beysein der Prediger, damit dieselben von den fürlauffenden sachen, wan es nötig, nachrichtung geben mögen, von den semptlichen Juraten vud Vorstehern, jehrlich auf gewisse dazu bestimbte Zeit rechnung ihrer administration aufnehmen, vnd nach richtiger befindunge derselben, sie entweder gebürlich quitiren, oder auch auffn widrigen fal es vns vnterthenig referiren, damit wan vnd so offt es noth thuet, mit Jhnen den Juraten vnd Vorstehern, enderung könne fürgenommen werden;

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Zum Vierdten, soll nicht der Eltiste, wie bisher geschehen, die Register und geldtlade allein vnter handen haben, sondern damit jherlich umbwechselunge geschehen, vnd dieselbigen der eine Jurat oder Vorsteher das eine, vnd der ander das ander Jahr in verwahrung nehmen, vnd behalten, damit auff des einen Todtsfal auch der ander von allen sachen wissenschafft haben vnd dauon gründlichen bericht thuen vnd geben möge;

Zum Fünfften, sollen aus den Protocollen vnd Hauptbüchern zwene extracta oder directoria geferttiget, vnd das eine vnser Visitationis notarius zu vnsern nachrichtunge bei andern Kirchensachen verwahrlich aufheben, das ander aber in das Kirchengewelb zum Sterneberg, in ein besonder Schapff, dazu die Prediger einen vnd die Juraten auch einen schlüssell haben sollen, neben den Original brieffen und siegelen, hinterlegt, vnd wan man etwas benöttiget, das Schapff in aller beysein eröffnet, vnd was herauß genommen wirdt, auch ebenmeßigk in aller gegenwahrt darin hinwieder vnuerzügklich gelegt werden;

Zum Sechsten, sollen die Juraten vnd Vorsteher einige Hauptgelder, für sich allein abzumahnen, oder hinwieder zinsbar außzuthuen nicht macht haben, sondern dasselbige in der Zeit mit vorwissen vnd beliebung des Superintendenten vnd Prediger geschehen, damit man zu erfahren, wohin solche gelder kommen, vnd ob sie auch gewissen Leutten angeliehen, und genugsamb verhypotheciret ond versichert werden;

Zum Siebenden, wan an den Kirchen gebewen vnd armen Heuseren etwas zu bawen, sollen es die Juraten vnd Vorsteher willig, vnuerdroßen vnd ohne verwegerunge auch zu rechter Zeitt im Vorjahr vnd Sommer vnd nichtt im Herbst, wan es nicht mehr bestendigk sein kan, auch nicht nach ihren eigensinnigen Köpffen, sondern wie es die notturfft vnd gelegenheit der Jenigen, so der Kirchen vnd Hospitalien Heuser bewohnen, bamen vnd verferttigen, auch nichtt auß unartiger karcheit, zu ersparung eines geringen, flickwerk machen lassen, da doch hernacher zu anderweit besserunge, oder auch ganz newen gebew, mit schaden ein viell höhers vnd mehres zum offtern angewandt werden muß;

Zum Achten, wan zu behueff vnd nottwendigkeit der Kirchen vnd armen Heuser Holz zu kauffen, sollen die Prediger, einer umb den andern, neben zween vnparteischen Bürgeren, mit dabei sein, vnd auffsicht haben, das düchtige, vnd nicht solche beume, so voller esten vnd zweige, oder auch gar krum vnd höckrig sein, gekaufft, vnd die daruon gefallene spöne, hinfüro nicht den Juraten

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vnd Vorstehern gefolgett, sondern alles auf werdirung der Prediger vnd vnparteischen bürger, der Kirchen vnd den armen Häusern zum besten, aufs teuerste verkaufft werden:

Zum Neunden, wan die gekauffte Blöcke zu brettern, balcken, stendern oder sonsten zu bawholz zerschnitten, sollen solche newe bretter vnd zerschnitten holz nicht für die Thore, wie bisher geschehen, sondern alßbaldt durch die Prediger ond Juraten, auch die Vorsteher in Augenschein genommen, gezellet, vnd in den Glockthurmb geführet, und alda, biß mans benöttiget, verwahrlich hinterlegt werden;

Zum Zehenden, sollen gleichfals die Prediger vnd vnparteische Bürger, wan bei der Kirchen, in den Hospitalien vnd darzu gehörigen Heusern gebawet wirdt, das alte vbergebliebene Holz auch besichtigen, was noch tauglich, vnd zu Loßhölzern oder sonvten zu gebrauchen, ebenmeßig in den Glockenthurmb geführet, vnd alda hinterlegt, was aber nicht mehr dienlich, auf vorgehende werdierung theuervt verkaufft werden. Jedoch lassen wir in gnaden geschehen, wan solch alt holz geringschezig vnd nicht gar zu viel ist, das es die Juraten vnd Vorsteher zu sich nehmen, die Prediger auch das Rohr von den alten Decheren, auff ihre einhabende Kirchen=Ecker, damit dieselben so viel mehr vnter mist bleiben, führen lassen mögen;

Zum Eilfften, soll gleichfalls alles alteisen Zeugk, alte fenstern vnd dergleichen, in eine besondere Capellen, darzu die Prediger einen, vnd die Juraten den anderen schlüssell haben sollen, bis mans bedarff, auffgehoben vnd verwahret, vnd keins weges von den Juraten vnd Vorstehern zu Jhrem besten wegk genommen werden;

Zum Zwölfften, damit aber die Juraten vnd Vorsteher ihr Ampt nicht vergeblich verwalten, wollen wir einem jeden der Juraten zehen Marck lübsch, auch iglichen Vorsteher sechs marck lübsch von der Kirchen vnd Armen Heuser respective einkünfften, wofern dieselbigen es zu ertragen, zu den Eckern, so sie bereits einhaben, vnd frey gebrauchen, zu jehrlicher besoldungverordenet haben;

Zum Dreizehenden, sollen die Juraten vnd Vorsteher auß dem Gottshauß vnd Armen Heusern kein holz, kalck, stein, Rohr oder dergleichen, es were dan, das man es zu gemeinem Stadtgebew, so keinen verzugk leiden könntte, benötiget were, verleihen, wie dan solches hinfüro zu Ihnen Jhnen hiemit ernstlich verbotten sein soll;

Zum Viertzehenden, sollen die Handwerker, vnd Taglöhner, wan sie der Kirchen vnd armen Heusern arbeiten, einen

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Wochen Zettell auf Jhr Tagwerk vnd Arbeit von den Predigern fordern, vnd solche Zettell die Juraten vnd Vorsteher, bei Jhren rechnungen fürbringen vnd außlegen;

Zum Fünfzehenden, wan in den Hospitalien armen versterben, vnd dieselben etliche Jahr der armen Heuser freiheit vnd almosen genoßen, soll Jhr eingebrachtes Zeugk vnd gerehte, wie an anderen Oertern gebräuchlich, bey den armen Heusern bleiben, vnd von den Vorstehern es semptlich, oder was man daruon zu behueff der anderen armen nicht bedarff, verkaufft werden, oder auch, da die freunde dasselbige haben wollen, es nach billigem wehrt zu lösen, Jhnen frey stehen;

Letzlich, die weill in dem Ano. 1584 gegebenen Visitation abschied versehen, daß die Ecker, so zum Armen Hauß zu S. Georgen gehören, vmb das vierte Jahr vmbgewechselt, vnd den Bürgeren von newen in heur gethan werden sollen, demselben aber bißher kein folge geschehen, alß wollen wir ob angeregten Visitation abschied erwiedert vndt in Krafft dieses verordnet, vnd den Vorstehern gemelten armen Hauses, izigen vnd künfftigen, ernstlich befohlen haben, das die hinfüro die Ecker umbs vier Jahr verenderen vnd nach gelegenheit entweder anderen außthuen vnd verheuren, oder auch den Einhabern derselben den canonem oder mietgeldt erhöhen, damit sich niemandt, durch langen gebrauch, einiger eigenthumbs, oder erbgerechtigkeit daran habe anzumaßen;

Welches alles vnd Jedes wir ernstlich meinen, vnd also durchauß gehalten haben wollen, jedoch mit vorbehalt, diese vnsere Ordnung nach zutragender gelegenheit vnd vnserem gefallen zu endern, zu mindern, zu wehren vnd zu beßeren; Vrkundtlich haben wir dieselbe mit Vnseren aufgedruckten fürstlichen Sekreten besiegeldt, auch eigenen henden vnterschrieben:

Geschehen vnd geben zu Schwerin, den Acht vnd zwanzigsten Aprilis nach Christi vnseres lieben Herrn vnd Seligmachers gebuhrt, Jm Eintausent, Sechshunderten vndt vierzehenden Jahre.

(L. S.) Adolph Friedrich, H. z. M.
mpp.
(L. S.) Hans Albrecht
mpp.

Soweit diese Verordnung über die Verwaltung der Hospitäler (zugleich auch der Kirchengüter) Bestimmungen trifft, werden wir weiter unten mehrfach Gelegenheit haben, auf sie zurückzukommen. Zunächst interessirt uns die bei aller Kürze so einschneidende Bestimmung des I. Artikels, durch welche dem Rath der Stadt die noch 1584 ihm belassene Mitwirkung bei Bestellung der Provisoren genommen wird. Auffallend ist, daß dieselbe als eine "angemaßte" bezeichnet wird, was vorauszusetzen scheint, daß er sie in älteren Zeiten nicht

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gehabt und erst im Laufe der Zeit durch Uebergriffe erworben hatte. Doch steht dem entgegen, was sich uns oben mit ziemlicher Sicherheit ergeben hat, daß vielmehr von Alters her der Rath im rechtmäßigen Besitz des Oberaufsichtsrechtes gewesen ist. Es dürfte also der Ausdruck "angemaßt" sich nur darauf beziehen, daß, wie erwähnt, der Rath in Opposition gegen die Verordnung von 1584 versuchte, die nebengeordnete Aufsichtsinstanz zu ignoriren.

Motivirt wird diese Bestimmung, wie überhaupt die ganze Verordnung, damit, daß bisher schwere Uebelstände bei der Verwaltung der Hospitäler (und Kirchengüter) geherrscht hätten. Daß aber noch ein höherer und allgemeinerer Gesichtspunkt maßgebend war, scheint sich aus folgendem zu ergeben. Aus anderweitigen Angaben der Franckschen Manuscripte ergiebt sich, daß gleichzeitig mit dieser Verordnung über die Bestellung der Juraten und Vorsteher noch eine andere erging, durch welche der Magistrat auch von der Denomination der Schul=Collegen ausgeschlossen wurde, und daß dabei ihm überhaupt bei 100 Thlr. Strafe jeder Eingriff in die kirchlichen Angelegenheiten untersagt wurde. Weiter aber wurde nun ja auch betreffs der Bestellung der Provisoren (und Schuldiener) die Neuerung getroffen, daß dieselben ihre Bestallung nicht mehr wie bisher von der übergeordneten Localbehörde (früher Magistrat, dann Magistrat und Geistlichkeit, nunmehr die letztere allein) empfangen sollten, sondern daß dem geistlichen Ministerium nur die Denomination blieb, während die Bestallung zu ertheilen die Herzöge sich selber vorbehielten.

Mag also immerhin, was nicht zu bezweifeln steht, diese so einschneidende Veränderung dadurch veranlaßt sein, daß bei der bisherigen Art der Oberaufsicht in der Verwaltung der Hospitäler Unordnungen und Mißstände vorgekommen waren, sowie dadurch, daß der Magistrat der 1584 erfolgten Beschränkung seiner Befugnisse eigenmächtig entgegentrat, so ist doch anscheinend das eigentlich Treibende das Streben gewesen, die landesherrliche Oberhoheit straffer geltend zu machen. So verstanden erscheint mir dieser Vorgang charakteristisch für die Entwicklung der fürstlichen Gewalt in Mecklenburg.

Thatsächlich freilich blieb dem Magistrat auch ferner noch die Möglichkeit, auf die Verwaltung der Hospitäler oft weitgehenden Einfluß zu üben, schon dadurch, daß sehr oft Mitglieder des Magistrates Povisorenämter inne hatten. Aber eine rechtlich anerkannte Einwirkung hat er nicht wieder erlangt. Alle dahin zielenden Bestrebungen, an denen es im Laufe der folgenden Jahrhunderte nicht gefehlt hat, sind erfolglos geblieben. Der letzte kräftigste

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Vorstoß geschah am Ende des 18. Jahrhunderts durch den Bürgermeister Cordua, den - meines Wissens - ersten juristischen Bürgermeister, den die Stadt gehabt hat. Anläßlich eines Falles, in welchem sich nach Ansicht des Magistrates die bisherige Verwaltung der Hospitäler eclatant als eine verkehrte und unhaltbare darstellte, wendete sich der Magistrat im Jahre 1789 an den Herzog und beanspruchte, unter Berufung darauf, daß Rath und Bürgerschaft die Hospitäler begründet und dotirt hätten, daß ihm, dem Magistrat, eine Mitwirkung wieder eingeräumt würde. Aber der damalige Sternberger Superintendent Friedrich, welchem diese Eingabe zum Erachten mitgetheilt war, widersetzte sich dem mit großer Energie und legte dar: es sei unbegründet, daß der Magistrat die Hospitäler begründet habe; von der früher von ihm ausgeübten Inspection sei er wegen schlechter Ausübung definitiv im Jahre 1614 ausgeschlossen worden; seine Prätensionen seien ein Eingriff in die herzoglichen Rechte und müßten mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden. Darauf wurde vonseiten der herzoglichen Regierung dem Superintendenten für seine mannhafte Vertretung der herzoglichen Rechte Anerkennung gezollt, und der Magistrat wurde dahin beschieden, daß seinen Ansprüchen nicht zu willfahren stehe. Und als bald nachher, im Jahre 1792, zur Erledigung mannigfacher Streitigkeiten zwischen der Stadt und den piis corporibus durch Vermittelung einer herzoglichen Commission ein Vergleich geschlossen wurde, so wurde in dessen §. 29 bezüglich dieser Frage festgesetzt:

"Der Magistrat und die Stadt entsagen auf alle Concurrenz zur Aufsicht und Verwaltung der Hospitäler und stellen bloß Serenissimo und der Herzoglichen Regierung das Beste der Stadt bei Verbesserter Einrichtung der geistlichen Stiftungen in Unterthänigkeit anheim."

Was die Stellung der Sternberger Geistlichkeit betrifft, so war derselben durch die erwähnten Verordnungen Von 1584 und 1614 ein früher nicht besessener Einfluß auf die Hospitalverwaltung, wie zugleich auch auf die Verwaltung des Kirchenvermögens zugewiesen. Sie sollten - anfangs in Gemeinschaft mit dem Magistrate, dann allein - jährlich die Rechnungen der Provisoren aufnehmen; zu bedeutenderen Finanzoperationen sollte ihre Zustimmung erforderlich sein; bei der Anstellung der Provisoren sollten sie das Vorschlagsrecht haben. Dabei wird freilich dem Superintendenten die Oberaufsicht zugewiesen, indem bestimmt wird (Artikel III), daß derselbe (mit dem Visitationssecretair) jährlich die Rechnungen revidiren und nöthigenfalls über zu treffende Aenderungen

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referiren soll. Aber dies vorbehalten, sollte doch den Predigern nach dem Wortlaut jener Verordnungen die Stellung einer Aufsichtsbehörde zukommen. Allein thatsächlich ist dieselbe vielfältig beeinträchtigt gewesen. Die jährliche Rechnungsaufnahme ist nur zu Zeiten actuell geworden. Die Provisoren waren von selbst nicht geneigt, die Register vorzulegen; die Prediger waren zu Zeiten selbst nicht darauf bedacht, dies ihr Recht und ihre Pflicht wahrzunehmen; zu Zeiten sind die visitirenden Superintendenten nebst den Visitationssecretairen selbst dem in den Weg getreten, indem sie den Provisoren untersagten, die Rechnungen vorzulegen, und zwar dies, wie Franck schreibt, aus dem Grunde, damit nicht etwa ihre eigene Revision überflüssig würde: es ist sogar vorgekommen (1715), daß der Superintendent nicht einmal bei der Visitation die Prediger zuzog. Auch das Vorschlagsrecht bei Neubesetzung der Provisorstellen wurde öfter illusorisch gemacht dadurch, daß die Bewerber sich unmittelbar an die fürstliche Regierung wendetn und durch Connexionen ihre Bestallung ohne oder auch gegen den Vorschlag der Prediger erlangten, wobei es denn auch vorkam, daß selbst die Instanz der Superintendenten ignorirt und übergangen wurde. Der Einfluß der Geistlichen beschränkte sich zeitweise darauf, daß sie bei Aufnahme von Conventualen gefragt wurden und bei Austheilung kleiner außerordentlicher Unterstützungen Anweisung ertheilten.

Im Ganzen genommen stellt sich also die um 1600 geschehene Veränderung dar, nicht sowohl als Uebergang der Aufsichtsgewalt vom Magistrat auf die Geistlichkeit, sondern als Beseitigung des Magistrates durch die fürstliche Gewalt, wobei letztere freilich im Namen des jus episcopale die Stiftungen als kirchliche in Anspruch nahm, vielfach jedoch, die bestehenden kirchlichen Instanzen übergehend, durch die staatlichen Behörden ihre Maßnahmen vollzog. 1 ) Rechtlich betrachtet muß jene Veränderung als eine Verkirchlichung der Hospitäler bezeichnet werden. Thatsächlich jedoch waren sie damit vielmehr eigentlich auf den Weg gekommen, aus städtischem in staatlichen Besitz überzugehen. Doch ist es zu letzterem nicht gekommen, sondern es ist, wie wir weiterhin darzustellen haben werden, in neuerer Zeit der kirchliche Charakter dieser Stiftungen zu entschiedener Anerkennung und Geltung gelangt.

Für die Stellung der Provisoren brachte jene Beseitigung der magistratlichen Aufsicht thatsächlich eine Erhöhung ihrer Unabhängigkeit


1) Zeitweise fungirte auch der herzogliche Stadtvogt als Inspector wenigstens neben den Predigern.
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und Selbständigkeit. Sehr bezeichnend bemerkt Franck da, wo er von der Verordnung von 1614 berichtet: "Man findet, daß die Provisores, sowohl bey der Kirche als bey den Hospitalien, nachdem viel ruchloser geworden, weil Sie hier nun weniger Aufsicht hatten." Also während die Tendenz der Verordnung dahin ging, den Mißbräuchen der Verwaltung abzuhelfen, hat sie den Erfolg gehabt, dieselben zu steigern. In der That weist die Geschichte der nachfolgenden Zeiten in der Hospitalverwaltung mannigfache Unordnungen auf, über welche wir noch werden berichten müssen. Zunächst jedoch haben wir die innere Entwickelung der Hospitäler in nachreformatorischer Zeit darzustellen.

Was das Elenden=Hospital betrifft, so haben wir schon oben dargelegt, wie dasselbe, seiner ursprünglichen Bestimmung entgegen, am Ende des 16. Jahrhunderts als Pfründner=Asyl dasteht. Auch hier mußte nun bei der Reception ein Einkaufsgeld erlegt werden, welches aber, entsprechend den geringeren Emolumenten, welche den Insassen gereicht wurden, niedriger war, als in den beiden andern Hospitälern, nämlich anfangs 5 Mk. (so noch im Jahre 1614), später 10 Mk. (so schon im Jahre 1640), nachdem die Emolumente etwas erhöht waren. 1 ) Die Einkünfte des Hauses hatten sich seit 1551 (s. oben S. 151) erheblich vermehrt, indem die Zinsen des damals nur 40 Mk. betragenden Capitalvermögens im Jahre 1606 schon jährlich 40 Mark, im Jahre 1623 sogar über 54 Mk. (von 1071 Mk. 8 ßl. Capital) betrugen, während allerdings der Grundbesitz nicht vermehrt war. Die günstigen Verhältnisse gestatteten eine Erweiterung des Stiftes, mit welcher zugleich eine Verlegung desselben verbunden war. Auf der Stelle, auf welcher bisher das Elendenhaus gestanden, nahe der Stadtkirche an der Ecke der Pastinerstraße, wurde für das im Jahre 1621 nach Sternberg verlegte Hofgericht ein Gebäude errichtet, für die Stiftsinsassen aber im Jahre 1635 nahe dem Hl. Geist ein neues Haus erbaut, welches im Stande war, sechs Insassen aufzunehmen.

Aber kaum war das geschehen, so kam das Stift dem Ruin nahe. Das für Sternberg so furchtbare Kriegs= und Pestjahr


1) Die letzten in das Elendenhaus aufgenommenen Hospitaliten (um 1650) erhielten jeder 2 Scheffel Roggen nebst 2 ßl Backel=Geld, ferner auf Martini, Weihnachten, Neujahr, hl. drei Könige und Fastnacht jedesmal 2 ßl., zusammen 10 ßl.; außerdem freie Wohnung und Feuerung. Das Hans enthielt 1 Stube und 5 Kammern. In der Stube logirte die älteste der Hospitalitinnen (meist waren es ja alte Frauen), die andern 5 in den Kammern. Des Winters war die Stube für Alle.
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1638 machte den Anfang. Die gänzliche, ein halbes Jahr dauernde Verödung der Stadt, aus welcher sie nur langsam wieder erstand, brachte mit sich, daß Zinsen und Pächte ausblieben. Der Vorschuß des Provisors wuchs von Jahr zu Jahr. Und als, vornehmlich durch die Einkaufsgelder der neu eintretenden Hospitaliten, die Verhältnisse anfingen sich zu bessern, erfolgte der totale Stadtbrand von 1659, in welchem auch das vor 24 Jahren neu erbaute Stiftsgebäude zu Grunde ging. Es ist nie wieder aufgebaut worden. Die Insassen wurden zunächst mit denjenigen der beiden andern Hospitäler zusammen in einer von den sämmtlichen Hospitälprovisoren gemeinschaftlich ausgebauten "Steinbude" - in einer einzigen Stube ! - untergebracht. Da aber die Mittel des Stifts vorläufig einen Neubau nicht gestatteten, so ließ man die Hospitaliten des Elendenhauses hinwegsterben, ohne neue wieder aufzunehmen. Damals waren die Einkünfte so gering, daß der Provisor zum Jahre 1664 bemerkt: "Diß Jahr hab ich den Armen ihr Deputat nicht geben dürffen." Die Grundstücke lagen fast alle wüste und brachten in diesem Jahr - statt bisher 15 Mk. - nur 1 Mk. 6 ßl. Heuer. Die ausstehenden Capitalien beliefen sich zwar noch auf 730 Mk., wovon 40 Mk. 3 ßl. Zinsen eingehen sollten; allein die Zinsen waren meist nicht einzutreiben. Die gesammte Einnahme des Jahres 1664 betrug nur 13 Mk. 5 ßl.

Während der nächsten Jahrzehnte beschränkten sich die Leistungen der Stiftskasse zu wohlthätigen Zwecken darauf, daß in Fällen besonderer Noth Unterstützungen gewährt wurden, wobei der Prediger Urtheil maßgebend war. In Erinnerung an die ursprüngliche Bestimmung dieses Hospitals wurde manches für bedürftige Fremde gegeben, namentlich zu Beerdigungen solcher, so 1672 1 Mk. 8 ßl. zum Begräbniß einer armen Frau aus Stettin; 1692 "empfing ein alter Con-Rector aus der Frembde, da er hier im Mühlen=Thor starb, zu seiner Beerdigung 1 Mk." Daneben manches an städtische Arme, wie 1686 zur Verpflegung eines armen Kindes 5 Mk. 8 ßl.; 1676 erhielt eine alte Frau 2 Scheffel Roggen, 1 Paar Schuhe und 1 Fuder Holz. Inzwischen hatte sich der Cassenvorrath wieder so gemehrt, daß man an Wiederaufbau des Stiftsgebäudes denken konnte. Nun aber wurde die Kasse des Stiftes ebenso wie die der andern beiden Hospitäler zu Leistungen herangezogen, welche an sich außerhalb ihrer Bestimmung lagen.

Nach dem Brande von 1659 hatte sich Pastor Schwabe, da die Kirche unvermögend war, aus eigenen Mitteln ein Haus gebaut, welches im Jahre 1681 als Pfarrhaus für die Kirche angekauft werden sollte. Da aber die Kirche noch immer außer Stande war,

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die Kosten zu tragen, so wurden dieselben im Betrage von 100 Thlrn. durch fürstliche Anordnung den drei Hospitälern aufgelegt, so zwar, daß St. Georg und hl. Geist je 25 Thlr., das Elendenstift 50 Thlr. bezahlen mußten. Die Stadtkirche, welche im Brande von 1659 auch ihre Orgel verloren hatte, erhielt im Jahre 1687 eine neue Orgel, und es handelte sich nun um Wiederanstellung eines Organisten. Kirche und Oekonomie waren nach den überstandenen schlimmen Zeiten völlig außer Stande, das Gehalt für denselben zu zahlen. Da erfolgte nun 1688 eine hochfürstliche Verordnung, durch welche das Organistengehalt, im Betrage von 25 Thlr. jährlich, den drei Hosptälern aufgelegt wurde, und zwar sollte St. Georg 12 Thlr., der hl. Geist 10 Thlr. und das Elendenhaus 3 Thlr. beitragen.

Hiermit wurden also die Stiftskassen zu aushülfsweiser Leistung von kirchlichen Anstaltsausgaben verbindlich gemacht. Bei St. Georg und hl. Geist lag das nicht so fern, da sie durch ihre Stiftskirchen zu Cultuszwecken in näherer Beziehung standen. Das Elendenstift aber, von welchem die Gertrudenkirche finanziell getrennt war, hatte bisher lediglich zu Wohlthätigkeitszwecken gedient. Von jetzt an sollte es nun auch Cultuszwecken dienen. Die jährliche Ausgabe von 3 Thlr. = 9 M k. war bei seiner schwachen Einnahme groß genug. Außerdem mußte es der Kirche zum Orgelbau ein Capital von 50 Mk. darleihen. Hierdurch wurde die Casse so erschöpft, daß von dem Wiederausbau des Stiftshauses abgesehen werden mußte. Zwar wurde noch öfter seitens der visitirenden Superintendenten eingeschärft, die Wiederherstellung als Ziel im Auge zu behalten, und im Jahre 1717 traf der bekannte Superintendent Albrecht Joachim von Krackewitz, welcher auch sonst sich um die Hospitäler sehr verdient gemacht hat, die Anordnung, daß von den Einkünften jährlich 20 Mk. auf Zinsen gegeben und so ein Baufonds gesammelt werden solle. Allein die nachfolgenden Zeiten großer finanzieller Bedrängniß verhinderten die Ausführung. Auch die Hospitäler hatten unter den Wirren und Unruhen, welche zur Zeit Carl Leopolds das Land erfüllten, sehr zu leiden; dazu kam dann der Stadtbrand von 1741, von welchem sich die Stadt nur langsam erholte. So ist denn später davon nicht weiter die Rede gewesen, zumal auch es scheinen konnte, als ob für dasjenige Bedürfniß, welchem die Pfründner=Asyle zu dienen hatten, durch die bestehenden andern beiden Hospitäler ausreichend gesorgt sei.

Dagegen wurde nun, ebenfalls durch von Krackewitz, im Jahre 1717 die Veranstaltung getroffen, die Einkünfte des Stiftes in geregelter Weise zur Unterstützung der außerhalb der Hospitäler

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stehenden städtischen Armen zu verwenden. Der Superintendent, welcher die jährlichen Einnahmen auf mindestens 60 Mk. berechnete, bestimmte, daß alles, was nach Entrichtung der 25 Mk. feststehender Ausgaben und der zur Capitalisirung ausgesetzten 20 Mk. übrig bliebe, also mindestens 15 Mk. jährlich, "an elende Personen distribuiret werden solle, womit nunmehro in Gottes Nahmen wieder der Anfang zu machen", wobei dem Provisor aufgetragen wurde, "wohl darauff zu sehen, daß es warhafftig elende oder arme wären, die hievon etwas genössen; wie sie denn auch das Zeugnis eines vorhin geführten guten Wandels haben und daher solche Personen eine schrifftliche Einwilligung von den Herren Predigern aufweisen müßten." Was also früher nur außerordentlicher und mehr zufälliger Weise geschehen war, sollte nunmehr systematisch ins Werk gesetzt werden: eine von den Predigern geleitete Armenpflege. Dieselbe ist auch seit der Zeit beständig geübt worden, und zwar in der Weise, daß jedes Jahr eine Anzahl Armer je 1 Scheffel Roggen erhielt. Die Zahl variirte nach der Höhe der Kornpreise, doch wuchs sie allmählich. Nach dem Brande von 1741 stieg sie auf 12. Später wurde sie auf 15 fixrirt. Außerdem wurden noch je nach dem Stand der Casse baare Unterstützungen ausgetheilt, bis endlich im Jahre 1804 durch Allerhöchsten Befehl verordnet wurde: "daß zum Besten der in hiesiger Stadt errichteten Armen=Ordnung aus dem Hospital der Elenden eine jährliche Beisteuer von 40 Thlr. N 2/3 vorläufig auf 5 Jahre geleistet werden soll, und dafür die bisher verabreichten Unterstützungen an Stadtarme, sei es an Geld oder Korn, aufhören sollen."

Damit wurde eine neue Entwickelung eingeleitet welche dahin führen zu sollen schien, daß die Hospitalmittel der in der Bildung begriffenen städtischen, bürgerlichen Armenpflege zur Verfügung gestellt wurden.

Wir stehen hiermit, was das Elendenstift betrifft, an der Schwelle der neuesten Zeit.

Was die mit dem Elendenhause in wenn auch loserer Verbindung stehende St. Gertrudenkirche betrifft, so hatte dieselbe schon am Ende des 16. Jahrhunderts aufgehört, als selbständiges corpus zu bestehen und war mit ihrem gesammten Vermögen in das Eigenthum - nicht etwa des Elendenhauses, sondern der beiden andern Hospitäler übergegangen. Die Kirche scheint, nachdem der Meßkultus aufgehört hatte, unbenutzt gestanden zu haben. Als nun - wahrscheinlich in den Jahren zwischen 1572 und 1584 - das St. Georg=Stift von seiner bisherigen Stelle außerhalb der Stadt in die Stadt hineinverlegt wurde, faßten die Provisoren

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desselben ins Auge, für dasselbe die Gertrudenkirche zu übernehmen. Als Eigenthümerin derselben galt die Oekonomie der Stadtkirche. Diese also verkaufte dem St. Georg=Stift die Kirche und den angrenzenden Hof für die Summe von 80 Mk. - ein Preis, welchen Franck als einen nach damaligem Geldwerth holten bezeichnet. Was aber das anderweitige Vermögen der Kirche, bestehend in einer Braupfanne und 184 Mk. Capital (s. S. 151) betrifft, so ist dasselbe anscheinend ohne Weiteres unter die beiden Hospitäler zum hl. Geist und zum St. Georg getheilt worden. Wenigstens findet sich die Braupfanne bei der Visitation von 1606 im Besitz des hl. Geistes. Und beide Hospitäler weisen um 1600 eine so erhebliche Vermehrung ihres Vermögensbestandes auf, welche sich nur bei der Annahme erklärt, daß ihnen das Vermögen von St. Gertrud anheimgefallen war. Die St. Gertrudenkirche verschwindet also nunmehr aus der Zahl der hiesigen pia corpora, und das Kirchengebäude, obwohl es bei Bestand und im Gebrauche blieb, war schon im Jahre 1624 nur noch unter dem Namen "St. Jürgen" im Volksmunde bekannt.

Das St. Georg=Stift hatte, wie wir gesehen haben, am Ende des 16. Jahrhunderts schon seine ursprüngliche und vornehmste Bestimmung als eines Aussätzigen=Hospitals fast verloren und diente überwiegend als Pfründner=Asyl für alte Leute. Dadurch ohne Zweifel ist es veranlaßt und ermöglicht worden, dasselbe in die Stadt zu verlegen. Aus dem Jahre 1624 findet sich die Angabe, daß schon vor längerer Zeit der S. Jürgens=Hoff, außerhalb den Lukower Thor belegen, nieder gelecht worden" sei 1 ). Doch hat wenigstens die Kapelle, sowie das "Sekenhus" noch eine Zeitlang nachher gestanden. 1615, Mai 15, berichten die Provisoren zu St. Jürgen an die Herzöge, daß "allhie vorm Lukower Thore außerhalb der Stadt eine alte verfallene, Dach= und Fachlose Capelle, dem Armenhause St. Jürgen zugehörig, belegen sei; der Amtmann Matthäus Thuen wolle sie auf Abbruch kaufen." So geschah es. Die Kapelle wurde im Jahre 1618 abgebrochen (für die Mauersteine erlöste man die Summe von 32 Mk. 14 ßl.). Das "Sekenhus" steint sogar noch einige Zeit zur Aufnahme von


1) Von dem "Hofe=Meister", welcher sich bis dahin bei dem St. Georg befunden und den Acker gegen 10 Mk. Pacht bewirthschaftet hatte, ist seit der Verlegung des Stiftes keine Rede mehr. Die dem Stift gehörenden Grundstücke wurden fortan ebenso wie die der anderen Hospitäler einzeln "verheuert" und brachten im Jahre 1606 schon ungefähr 59 Mk. Pacht (mit Einschluß der Hopfen= und Kohl=Höfe).
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Kranken gedient zu haben. Wenn auch, wie erwähnt, im Jahre 1606 keine Aufwendungen mehr für solche verzeichnet sind. so findet sich doch noch im Register von 1617 vermerkt, daß Stroh auf dem Siechenhause verdeckt worden sei. Franck hat noch ein aus dem Jahre 1622 stammendes Bild, die Stadt Sternberg darstellend, gesehen (dasselbe hing "zu Rehna auf dem Tantz=Saal"), auf welchem das Siechenhaus vor dem Lukower Thor zu sehen war. Erst im Jahre 1663 zum ersten Mal wird der Grund und Boden, auf welchem das Haus gestanden, als nunmehr verpachteter Acker aufgeführt.

Ueber die Aufführung des neuen, in der Stadt gelegenen Stiftsgebäudes finden wir keine Nachricht, nur daß dasselbe unmittelbar neben der St. Gertrudenkirche, also auf dem mit dieser erworbenen Hofe, auf derselben Stelle, auf welcher es noch jetzt steht, errichtet wurde, während der übrige Hofplatz, wie noch jetzt, als Garten benutzt wurde. Außerdem kauften die Provisoren um 1620 eine benachbarte Hausstelle ("Klenevotes abgebrochene Hausstedte") dazu und machten daraus "einen Kirchhoff für die Armen und Arbeits=Leute". Ueber diesen Kirchhof, der wohl erst Ende des 18. Jahrhunderts eingegangen ist, finde ich weiter nichts, als daß zu Franck's Zeit der Provisor, wenn eine Leiche darauf begraben wurde, dafür 6 ßl. erhielt, welche Gebühr als persönliches Accidens galt, und daß der Platz zugleich den Hospitaliten als Bleiche diente. Es scheint mir bemerkenswerth, daß dieser Kirchhof nicht bloß von den Hospitaliten, sondern zugleich von "Arbeits=Leuten" benutzt wurde, daß also damit eine Scheidung zwischen der untersten Classe der Bevölkerung und den anderen Ständen markirt wurde.

Auch das neue Haus war wie das alte zur Aufnahme von 6 Pfründnern bestimmt und eingerichtet, welche Zahl auch in den gedeihlichen ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts voll besetzt war. Das furchtbare Kriegs= und Pestjahr 1638 1 ) brachte auch


1) Im Frühling 1638 bitten die vor der Kriegsnoth nach Sternberg geflüchteten Dorfprediger, ihnen "das Kirchlein zu St. Jürgen" zur Abhaltung von Gottesdiensten einzuräumen. Das Gesuch wird von Herzog Adolph Friedrich unter dem 8. Juni 1638 genehmigt, und obwohl die Pastoren und Juraten zu Sternberg des Präjudizes halber sich weigerten, dem nachzukommen, wird dasselbe arctiore forma adhibita unter dem 12. Juni nochmals anbefohlen. Doch kann diese Benutzung der Kirche nicht lange gedauert haben, da bald darauf Sternberg selbst in die Wogen der Kriegsnoth hineingezogen wurde und verödete.
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dieses Stift herunter. Wir haben keine nähere Nachricht über die Zustände der nächstfolgenden Jahre, können sie aber daran ermessen, daß noch im Jahre 1653 die Visitatoren nur 4 Insassen vorfanden. Und bald darauf 1659 erfolgte der Stadtbrand, in welchem die Stiftskirche zwar, wenn auch stark beschädigt 1 ), erhalten blieb, das Haus aber gänzlich eingeäschert wurde. Die Hospitaliten, nunmehr nur noch 2 an der Zahl, wurden vorläufig, wie schon oben erwähnt (s. S. 164), mit denen der beiden andern Stifte zusammen, in einem nothdürftig hergerichteten Gebäude untergebracht 2 ), bis im Jahre 1663 die Provisoren vom St. Georg und Hl. Geist sich dahin vereinigten, an der Stelle des abgebrannten St. Georg ein neues, gemeinschaftliches Pfründnerhaus zu errichten. Dasselbe wurde 1668 fertig. Die baaren Baukosten betrugen ungefähr 1000 Mk. Doch blieben in dem Gebäude die Wohnungen der St. Georgs=Pfründner und der Hl. Geist=Pfründner gesondert: erstere hatten, nach der Straße zu gelegen, 2 Stuben und 4 Kammern für 6 Personen, letztere, nach der Gartenseite, nur 1 Stube, aber 6 Kammern, 3 helle und 3 dunkle, so daß außer für 4 Pfründner noch für 3 Exspectanten Platz war.

Was das Hl. Geist=Stift betrifft, so ist dasselbe im Wesentlichen das geblieben, was es von Alters her war: ein Asyl für 4 alte, gebrechliche, alleinstehende, doch nicht ganz unbemittelte Pfründner. Die Zahl wechselte. Zu Zeiten wurden, soweit der Raum es zuließ, Exspectanten ausgenommen, die dann etwas geringere Emolumente, etwa die Hälfte, bezogene zu Zeiten blieben auch Pfründen unvergeben. Auch hier griff das Jahr 1638 zerstörend ein, und der Brand von 1659 legte das ganze Stift in Asche, so daß nur die massiven Mauern der kleinen Kirche, wiewohl stark beschädigt, stehen blieben. Letztere wurde etwa 1660 zu einem nothdürftigen Unterkommen für die Schule hergerichtet. Für die Hospitaliten aber, wie erwähnt, in den Jahren 1663 - 1668 das neue gemeinschaftliche Haus bei St. Georg erbaut.

Seitdem ist die Entwickelung dieser beiden Hospitäler, wiewohl die Verwaltung noch immer eine getrennte blieb, in Bezug auf das Leben der Insassen eine gemeinsame gewesen.


1) 1677 berichten die Provisoren der Armenhäuser: bei dem Armenhause sei eine kleine Capelle, die am Dach sehr baufällig sei und nothwendig müsse gedeckt werden, wenn darin, wie es früher nach altem Herkommen zu gewissen Zeiten geschehen, wiederum sollte gepredigt werden.
2) Franck erwähnt rühmend, daß die Hospitaliten die ersten waren, für deren Unterbringung nach dem Brande gesorgt wurde.
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Wie sich das gottesdienstliche Leben in den Hospitälern in nachreformatorischer Zeit gestaltete, darüber haben wir, was den hl. Geist und das Elendenhaus betrifft, keine Nachricht. Vom St. Georg aber findet sich aus dem Jahre 1624 die Notiz, daß in der ehemaligen St. Gertruden=, nunmehr St. Georgskirche "4 mahl alle Jahr den Armen zu St. Jürgen gepredigt" wurde, nämlich, wie Franck erläuternd bemerkt, an den 4 Tagen, an welchen die Armen zum hl. Abendmahl gingen, als: auf Pauli Bekehrung (Januar 25), Philippi et Jacobi (Mai 1), Jacobi (Juli 25) und Simonis et Judae (Octbr. 28). Ich möchte glauben, daß der Ausdruck "den Armen zu St. Jürgen" ungenau ist, und daß wenigstens die Insassen des Elendenhauses, deren Kirche es doch gewesen war, daran participirten, möglicherweise auch die des hl. Geistes. Jedenfalls ist - während die "Elenden" seit ca. 1660 nicht mehr in Betracht kommen - seit der räumlichen Vereinigung der beiden andern Hospitäler die nunmehrige St. Georgskirche für beide gemeinschaftlich gewesen. Für Haltung dieses 4maligen Gottesdienstes erhielten die beiden Pastoren, welche denselben abwechselnd hielten, jeder ein Schock Aale aus dem dem St. Georg gehörigen Aalfang 1 ). Zu Franck's Zeit war dieser 4malige Abendmahlsgottesdienst, nachdem er im 17. Jahrhundert nach dem Kriege und Brande eine zeitweilige Unterbrechung erlitten (vgl. Anm. 1, S. 169), noch bei Bestand, wie denn damals noch im Allgemeinen der Brauch war, viermal im Jahre zu communiciren. Im Laufe aber des nächstfolgenden Jahrhunderts hat derselbe aufgehört. Genaueres darüber finde ich nicht, nur daß aus dem Jahre 1829 eine Mittheilung vorliegt, welche hiervon nichts mehr erwähnt, sondern statt dessen berichtet, daß in der Fastenzeit 5mal am Mittwoch Vormittag in der St. Georgskirche Passionsgottesdienst und zwar 4mal mit Communion für die ganze Stadtgemeinde gehalten werde. So ist es noch jetzt, und pflegen die Hospitaliten in dem ersten dieser vier Communionsgottesdienste gemeinschaftlich zu communiciren. Außerdem wurde im Jahre 1706 die Einrichtung getroffen, daß in der St. Georgskirche am Neujahrstage Nachmittags ein außerordentlicher Gottesdienst zugleich für die Stadtgemeinde gehalten wurde, welcher noch jetzt besteht, nur daß er seit längerer Zeit in der Frühe um 6 Uhr stattfindet.

Jn Bezug auf die täglichen Andachten im Stift findet sich eine bemerkenswerthe Verordnung des genannten Superintendenten


1) Diese Gratification ist später mit je 3 Thlr. abgelöst worden, welcher Betrag noch jetzt aus der Stiftskasse gezahlt wird.
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von Krackewitz aus dem Jahre 1715, welche zugleich andere Punkte betrifft und der vollständigen Mittheilung werth ist 1 ).

Verordnungen

so betreffen die Conventualen des St. Jürgen, wie auch des

Hl. Geistes in Sternberg.

1. Es soll ein gemeinschafftlicher Beht=Vater bestellet werden, welcher das Lesen, Beten und Singen verrichte, auch zugleich bemerke, welche von denen Conventualen muthwillig und ohne dringende Noht die täglich zu haltende Beht Stunden verseumen, diese sollen demjenigen Provisori, darunter Sie stehen, angezeiget werden, damit Sie ihrer Pflichten durch denselben können erinnert werden. Für diese Mühe soll dem Beht=Vater jährlich von einem jeden Provisore Ein Scheffel Rocken gereichet werden.

2. Jn den Beht=Stunden des Morgens wird der Anfang gemacht mit einem Morgen=Liede, darnach der Morgen=Segen, aus einem Buche, gebetet, ein Capittel aus dem Alten Testament nebst einem Psalm, gelesen, ein Stück aus dem Catechismo gebetet und mit einem Gesange geschlossen. An Sonn= und Festtagen kan, anstat des Catechismi, das Evangelium nebst der Epistel gelesen werden. Jn den Abend=Bet=Stunden wird der Anfang gemacht mit einem Buß=Liede, oder Vom christlichen Leben und Wandel, auch wohl einem andern geistreichen Gesange. Darnach wird ein Capittel aus dem neuen Testament gelesen, der Abend=Segen, nebst der Litanie, gebetet und mit einem Abend=Liede beschlossen.

3. Wenn Jemand der Conventualen die Beht=Stunde, ohne dringende Noht versäumet oder sonst unordentlich wandelt, so sind sie ihrer Pflichten, durch die Provisores, zu erinnern; wan solches nicht helffen wil, so kan denen Inspectoribus es kund gemacht werden; welche denn dahin sehen werden, wie entweder durch harte Verweisungen oder auch durch einigen decourt von ihren Hebungen, Sie zu bestraffen.

4. Solten sich aber einige Conventualen gar widerspänstig und boshafftig bezeigen, und durch keine Correctiones zu emendiren seyn, so ist solches von denen HHrn Inspectoribus an den Superintendenten zu referiren; da denn, nach Befinden, solche unwürdige Mittglieder aus der Societaet außzustoßen und ihres Rechtes verlustig erklähret werden sollen.


1) Eine ähnliche, nur noch umfassendere und eingehendere Verordnung, ist im Jahre 1713 von demselben Superintendenten von Krackewitz auch in Bezug auf das Armenhaus zu Brüel erlassen worden, und erkennt man auch hieraus, wie segensreich die Wirksamkeit dieses Mannes für unsere Mecklenburgische Landeskirche gewesen ist.
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5. Die Conventualen sind auch verbunden, in dem St. Jürgens=Hause sich aufzuhalten, sonderlich des Nachts; es wäre denn, daß Sie, aus erheblichen Ursachen, ein anderes zu thun genöthiget würden; auf welchen Fall solches, mit Vorwissen der HHrn Inspectorum, geschehen soll. Welches denn auch denen HHrn Provisoribus gebührend anzumelden. Wer hie wieder handelt, soll seines beneticii verlustig seyn.

6. Wann ein Ehrwürdiges Ministerium sich beklaget, daß es, bey reception der Conventualen nicht ordnungsmäßig zugehe, so werden die HHrn Provisores solches inskünftige zu beobachten haben.

7. Was denen Conventualen an Holtz und sonsten gebühret, ist ihnen willig zu reichen, so lange sie sich nicht ungebührlich bezeugen.

8. Die Provisores haben die Conventualen mit keinen Diensten zu beschweren; es wäre denn, daß sie, aus freyem Willen, Jhnen einen Liebesdienst erweisen wollen.

9. Wenn etwas zu repariren nöhtig, muß damit nicht gesäumet werden, wiedrigenfalls können die Conventualen, bei denen HHrn Pastoribus sich melden, welche die HHrn Provisores Jhrer Pflicht erinnern werden; wo solche Erinnerungen nicht helffen, ist es dem Superintendenti zu denunciiren.

10. Es haben auch die HHrn Inspectores, sammt denen HHrn Provisoribus darauf zu sehen, daß die Zank und Hader liebende Personen nachdrücklich bestraffet, hingegen die Frommen und Friedliebenden bey ihrem stillen und gottseligen Wandel geschützet werden, damit Gott unter ihnen wohne, Friede und Einigkeit erhalten, auch die wahre Gottseligkeit möglichster maßen befördert werde.

11. Die HHrn Inspectores werden nicht versänmen dann und wann, sonderlich zur Zeit der Communion, eine Visitation zu halten und zu forschen: ob diesem allen gebührend nachgelebet worden. Wobey zugleich der Conventualen ihre etwan habende Beschwerde anzunehmen und denen selben nach Befinden abzuhelffen.

Datum Rostock, den 20. Febr. ao. 1715.

Verordnet vi commissionis generalis, von mir, Albrecht
Joachim v. Krakevitz. Der Heil. Schrifft D.
und P. P. Fürstl. Mecklenb. Consistorial-Raht und des
     Mecklenb. Districts Superintendente.

Diese Verordnung läßt erkennen, daß auch bisher schon der Brauch täglicher gemeinsamer Andachten der Hospitaliten bestanden hatte, daß es dabei aber an der rechten Ordnung und Stetigkeit

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gefehlt haben muß 1 ). Die hier vorgeschriebene Ordnung erinnert in manchen Stücken an die altlutherische Metten= und Vesper=Ordnung, welche dabei als Vorbild gedient zu haben scheint. Das Amt eines "Betvaters" dagegen, welches sich bis heute erhalten hat, ist anscheinend eine neue Einrichtung, die als sehr schön und zweckdienlich bezeichnet werden muß. Als erster Betvater wurde 1716 einer aus der Zahl der Stiftsbeneficiaten selbst bestellt, und so ist es auch später meistens gehalten. Doch stieß die Besetzung dieses Amtes mitunter auf Schwierigkeiten, wie wir denn in dem St. Georg=Register von 1739 lesen: "Dem Bet=Vater wird sonst auch 1 Sch. Roggen gereichet weil aber Wichtermann nicht beten wollen und sonft niemand dazu geschickt gewesen, so cessiret diese Ausgabe." Der Betvater als primus inter pares hatte zugleich eine gewisse Aufsicht über die Ordnung im Stift zu führen, für welche bisher, ohne Zweifel zum Nachtheil, die nicht im Stifte selbst wohnenden Provisoren die erste Instanz bildeten.

Weiter läßt freilich die Verordnung auch erkennen, daß in dem Verhältniß der Provisoren zu den Predigern als Inspectoren allerlei Schwierigkeiten vorlagen. Die Tendenz der Verordnung ist offenbar die, die Befugniß der Pastoren zum Eingreifen und zur Ueberwachung der Stiftsleitung zu erweitern.

Was die Hebungen der Hospitaliten betrifft, so blieb es nach wie vor bei demjenigen, was aus dem Mittelalter überkommen war. Da dieselben außer freier Wohnung und Feuerung zum allergrößten Theil aus Korn bestanden, welches entweder in natura geliefert oder nach dem jeweils üblichen Preise in Geld behändigt


1) Nachträglich finde ich noch eine Verordnung des Superintendenten Grünenberg von 1699, durch welche meine obige Annahme sich bestätigt: "Wegen des Gottesdienstes bleibet es bey dem, wie es vor alteres gebräuchlich und im Visitations-Buch befindlich, ordentlich sind sie, die Gonventualen, verbunden ihre Morgens= und Abends=Bet=Stunden zu halten, und soll künfftig keiner mehr recipiret werden, der nicht lesen kann, wofern es auf einige Weise zu ändern". - Der Merkwürdigkeit halber folge hier eine Notiz über die von dem genannten Superint. Grünenberg i. J. 1705 gehaltene Visitation, Franck rühmt von demselben, daß er "von sonderbahrer Lebhaftigkeit" gewesen und bei dieser Visitation "eine recht erstaunliche Arbeit" verrichtet habe; er habe in der Regel jeden Tag bis Mitternacht gearbeitet und sei doch des Morgens zu rechter Zeit wieder munter gewesen, und zwar dies trotzdem, daß "der Raum in des Senioris Hause klein und voller Kinder war". Also der Senior, d. i. Präpositus in dessen Hause der Superintendent eingekehrt war, war nicht in der Lage, demselben als Arbeitszimmer ein anderes einzuräumen als dasjenige, in welchem zugleich seine Familie haus'te. Offenbar hat das Haus des Seniors nur eine einzige heizbare Stube gehabt!
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wurde, so stand die Höhe der Hebung immer in angemessenem Verhältniß zu den Kosten des Lebensunterhaltes 1 ). Dem entsprechend wurde denn auch das Einkaufsgeld bei fortschreitender Steigerung der Lebensmittelpreise bezw. Entwerthung des Geldes fort und fort erhöht. Bei St. Georg betrug dasselbe noch 1623 nur 20 Mk, aber seit 1676 schon 20 Thlr., seit 1702 25 Thlr. Seitdem ist es bis in die neueste Zeit noch auf das doppelte, 50 Thlr., gestiegen. Beim hl. Geist, bei welchem die Emolumente etwas geringer waren, blieb auch das Einkaufsgeld niedriger, stieg jedoch auch mit der Zeit; um 1680 und auch noch 1736 betrug es nur 30 Mk., dagegen um 1800 schon 25 Thlr.

Uebrigens wurde auch aus St. Georg und Hl. Geist fort und fort manches für andere Wohlthätigkeitszwecke gegeben.

Schon im Jahre 1584, bei Gelegenheit der damals gehaltenen Visitation, wurde aus den Mitteln des St. Georgs ein Stipendium für Studirende von jährlich 15 Mark - eine für jene Zeit nicht unbedeutende Summe - ausgesetzt. Die Worte lauten:

"Dieweil denn im Stettlein Sterneberge bißweilen seine Knaben, Armuth halber, von den Studiis abstehen müssen; welches die HHrn Visitatores gerne etzlicher maßen endern wollen: also haben, neben den Herren Visitatorn, Bürgermeister und Rath verordnet, daß aus St. Jörgens Hebung und einkommen fünfzehn Marck jährlicher Zinse und Hebung zu einem geistlichen Lehn bestetiget und einem armen düchtigen Knaben, Predigers oder Bürgers Kindern, zum Sterneberge, zu ihren Studiis, durch den Radt mit Wissen und Bewilligunge des Ministerii, sollen verleihet werden, und soll von itz an Joachime Duncker, uff 5 Jahr, verleihet sein".

Die Verleihung ging mit der gesammten Inspection des Stiftes 1914 auf die Prediger über. Es ist dies Stipendium seitdem fast fortwährend, meist an Söhne von Pastoren oder Stiftsprovisoren, gezahlt worden, und zwar bis zum Jahre 1727, wo die Zahlung infolge schlechter Verwaltung des Provisors in Stocken gerieth. Die Ausgabe=Rubrik wurde noch eine Zeitlang fortgeführt aber das Stipendium ist später nicht wiederhergestellt worden, anscheinend um deswillen, weil die Summe von 15 Mk. nunmehr als belanglos erscheinen mußte.


1) Es mag von Interesse sein, den Preis für den Scheffel Roggen uns verschiedenen Jahren zu notiren: es galt der Sch. R. 1606: 1 Mk. 8 ßl. 8 Pf., 1680: 1 Mk. 4 ßl., 1691: 2 Mk. 4 ßl., 1697: 5 Mk., 1700: 1 Mk. 14 ßl., 1760: 4 Mk. 4 ßl., 1761: 8 Mk., 1762: 16 Mk., 1763: 2 Mk. 12 ßl., 1765: 4 Mk. 8 ßl., 1777: 2 Mk., 1787: 3 Mk. 4 ßl., 1793: 4 Mk. 4 ßl., 1795: 6 Mk. 12 ßl.
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Ferner wurden die Hospitäler öfter zur Aushülfe herangezogen, wenn die Stadtkirche, wie es vielfach vorkam, nicht in der Lage war, die nothwendigen Ausgaben für das Kirchen= und Schulwesen zu leisten. So nach dem Brande von 1741, als die Kirche außer Stande war, die Pfarrhäuser wiederaufzubauen, und den Pastoren Miethsentschädigung gezahlt werden mußte: hiezu trug jedes der beiden Hospitäler 12 Thlr. bei. Schon im Jahre 1607 hatte das Hl. Geist=Hospital zur Pension einer Predigerwittwe 6 Mk. zu leisten. Eine ständige Ausgabe wurde der Beitrag zum Organistengehalt, welche für Hl. Geist 1617 nur 4 Mk., 70 Jahre später schon 30 Mk. betrug. Im Jahre 1709 wurde auf Antrag der Prediger durch fürstliche Verordnung festgesetzt, daß fortan jede Predigerwittwe eine volle Stiftspräbende, zur Hälfte aus St. Georg, zur Hälfte aus Hl. Geist, empfangen solle, eine Bestimmung, welche erst in neuester Zeit aufgehoben worden ist. Auch zur Hausmiethe für die Predigerwittwen (nachdem 1741 die Wittwenhäuser abgebrannt waren) wurden die Hospiäler herangezogen. Schließlich ist sogar im Jahre 1826 ein neues Predigerwittwenhaus aus Stiftsmitteln für 1800 Thlr. erbaut worden, in welchem zugleich für die damals noch in rein kirchlicher Verwaltung stehende Schule ein Klassenzimmer eingerichtet wurde: das Haus wurde jedoch 1856 wieder verkauft. Zu erwähnen ist auch noch, daß in neuerer Zeit mehrfach die Hospitäler der Kirche erhebliche Summen als zinsenlose Darlehen haben vorstrecken müssen, welche zum Theil überhaupt nicht zurückgezahlt worden sind; daß, als im Jahre 1823 in der Kirche eine neue Orgel nebst Orgelchor zu erbauen war, die Kosten dem St. Georg aufgelegt wurden, welcher zu dem Zwecke eine Anleihe von 1355 Thlrn. machen mußte, endlich, daß seit Anfang dieses Jahrhunderts die beiden Hospitäler zum Gehalt des Rectors je 10 Thlr. und zu dem des Conrectors je 20 Thlr. beitrugen.

Es erhellt hieraus, daß in neuerer Zeit mehr und mehr die beiden Hospitalkassen in einer ihrem Stiftungszweck nicht immer angemessenen Weise für kirchliche Bauten und Anstaltsausgaben herangezogen wurden. Daher es noch im Jahre 1839 vorkommen konnte, daß die Eingepfarrten der Stadtgemeinde, wenn es sich um Beschaffung der Mittel für kirchliche Bauten handelte, die Ansicht äußerten, sie seien dazu überhaupt nicht verpflichtet, sondern im Bedürfnißfalle seien die Hospitalkassen dazu da auszuhelfen.

Für die außerstiftische Armenpflege wurde, wie wir gesehen haben, vornämlich die Kasse des Elendenhauses in Anspruch genommen. Doch sind auch aus den beiden andern, namentlich aus derjenigen des Hl. Geistes, zu allen Zeiten vielfache Unterstützungen

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gezahlt worden. Namentlich finden wir oft erwähnt Beiträge zu Begräbnissen ärmerer Leute, zum Unterhalt armer Kinder und gebrechlicher Personen, und zwar dies auch noch in der Zeit, als schon das Prinzip aufgestellt war, daß die städtische Commune für ihre Armen zu sorgen habe. Es kam vor, daß, als der Rath eine gebrechliche Person zum Unterhalt austhat, die Kosten dafür aus den beiden Hospitalkassen bezahlt wurden. Auch hier also, wie bei dem Elendenhause, macht sich die Tendenz bemerkbar, die Stiftsmittel der in der Entwickelung begriffenen bürgerlichen Armenpflege zur Verfügung zu stellen.

Schließlich erwähnen wir noch, daß es im 16. Jahrhundert üblich war, den damals häufig auftretenden Collectanten von auswärts - man nannte sie "Bettler" -, welche für abgebrannte Kirchen und Schulen, manchmal auch für verarmte Private, milde Gaben sammelten, aus Hospitalmitteln etwas zu reichen. Sie empfingen von dem Magistrat und der Geistlichkeit unterschriebene Assignationen. Anfangs des 17. Jahrhunderts wurde dies, unbekannt weshalb, durch höhere Weisung untersagt, und seitdem wurden solche "Bettler" an den Armenkasten gewiesen. Im 18. Jahrhundert jedoch wurde es üblich, ärmeren Kirchen des Landes zur Deckung außerordentlicher Bedürfnisse eine auf vermögendere pia corpora des ganzen Landes zu vertheilende Steuer zu bewilligen, wozu denn auch die Sternberger Hospitalkassen mit wenn auch meist geringfügigen Beiträgen herangezogen wurden. So finden wir in den Registern vom Hl. Geist z. B. 1767: für die Kirche zu Karbow 12 ßl. für die Kirche zu Mecklenburg 2 Mk.; 1768: für verschiedene Kirchen 3 Mk. 9 ßl.; 1784: Kirche zu Warnkenshagen 6 ßl., Wittwenhaus in Sülz 6 ßl., Schulhaus in Tessin 6 ßl., Pfarrhaus zu Wustrow 1 Mk., Pfarrhaus zu Gorlosen 8 ßl.

Es erübrigt nun noch, über die Provisoren der Hospitäler und über deren Amtsführung, über die Verwaltung des Stiftsvermögens und des Grundbesitzes zu berichten. Dabei können wir die 3 Hospitäler zusammenfassen.

Die ursprüngliche Einrichtung, nach welcher bei jedem Hospital zwei Provisoren angestellt waren, die abwechselnd je 1 Jahr lang die Leitung und Berechnung hatten, blieb noch bis weit ins 17. Jahrhundert bei Bestand. Durch die Verordnung von 1614 (s. oben S. 157) wurde sie zweckmäßig dahin erweitert, daß auch die Aufbewahrung der Register und der Geldlade jahrweise wechseln solle. Sie hatte, wie Franck bemerkt, den Vortheil, daß sie einen Schutz gegen unordentliche Verwaltung bot, indem jeder der beiden die

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demnächstige Controle seines Collegen zu gewärtigen hatte. Aber seit 1631 wurde dies dahin geändert, daß nur je ein Provisor bestellt wurde, zuerst in dem genannten Jahre beim Elendenhaus, dann seit 1639 beim Hl. Geist, endlich seit 1663 auch beim St. Georg - anscheinend infolge der durch die Kriegsnoth der 30er Jahre und den Stadtbrand von 1659 herbeigeführten kümmerlichen Verhältnisse, in denen es beim Zusammenschmelzen der Bevölkerung zeitweise selbst an geeigneten Persönlichkeiten gefehlt haben mag.

Wie schon bemerkt, war das Verhältniß der Provisoren zu den mit der Inspection bekleideten Pastoren vielfach ein schwieriges und gespanntes, das zu mancherlei Klagen und Zwistigkeiten Anlaß gab. Die Provisoren waren immer geneigt, ihre Verwaltung dem Einfluß der Pastoren zu entziehen, und die Pastoren unter sich waren nicht immer einig. Daher mußte z. B. 1699 der Superintendent Grünenberg folgende Verordnung treffen:

"Wegen der reception der Conventualen und Conventualinnen im St. Jürgen ist verabredet, daß, gleichwie von alters, also auch ferner beyde Pastores ordinarii Inspectores bleiben, und ohne ihren Bewußt keiner oder keine wird eingenommen werden. Worüber zu beiden Seiten conferiret wird. Eine Person, so hinein will, meldet sich bey dem Provisore, und Provisor giebt davon Nachricht an beyde Pastores, welches ordentlich geschehen kan, entweder nach gehaltenem Gottes=Dienst vor dem Altar, oder privatim in den Häusern. Vor die reception giebt pro consuetudine, wer eingenommen wird, dem Provisori 2 Thlr. und pro attestato de recipiendis, dem ältesten Pastori, so das Attestatum schreibet, eine discretion, aber nicht unter 1/2 Thlr. Es unterschreibet solches aber auch der jüngste Pastor zum Zeugniß, daß die einzunehmende Person der reception nicht unwehrt sey. Sollen aber Pastores wieder die reception etwas zu reden haben, kan Provisor sie nicht vollziehn".

Es war dies unter dem St. Georg=Provisorat des Stadtvogtes Heinrich Achilles Schaller, der beständig mit den Pastoren im Streite lag. Derselbe war im Jahre 1693 ohne Mitwirkung der Pastoren unmittelbar von der Regierung zum Provisor bestellt und dünkte sieh daher von vornherein der Aufsicht der Pastoren enthoben, verweigerte die Vorlegung seiner Register und verfuhr in allen Stücken eigenmächtig. Er behielt trotzdem das Provisorat bis an seinen Tod 1730, also 36 Jahre lang, und hat in dieser Zeit so gewirthschaftet, daß, als endlich nach seinem Tode eine genaue Revision seiner Register erfolgte, ich ein Manco von

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1000 Thlrn. herausstellte 1 ). Vielfach waren die Provisorstellen in den Händen der städtischen Bürgermeister, welche schon in Erinnerung daran, daß die Inspection früher dem Magistrat zugestanden hatte, ihm aber genommen war, der pastoralen Inspection wenig Geneigthetl entgegenbrachten. Andrerseits kam es auch vor, daß als Provisoren Männer bestellt wurden, von denen sich nachher zeigte, daß sie der Rechnungsführung nicht gewachsen waren, so daß sie zum Theil froh waren, wenn die Pastoren ihnen die Arbeit abnahmen. Zeitweise mußte auch geradezu ein Pastor zum Provisor genommen werden. Alles wies und drängte darauf hin, diesem Zustande dadurch ein Ende zu machen, daß man die Verwaltung der sprovisorate einfach den Pastoren übertrug. Hierzu ist es denn auch im Laufe des gegenwärtigen Jahrhunderts gekommen.

Eigenthümlich ist die Erscheinung, daß die Provisorstellen immer sehr begehrte Posten gewesen sind, während doch die damit verbundenen Einkünfte anscheinend durchaus nicht in angemessenem Verhältniß zu der damit verbundenen Mühe und Verantwortung standen. Wie groß die Verantwortung war, zeigt sich darin, daß wenigstens in früherer Zeit jeder Provisor für die Restanten - deren es immer viele gab - persönlich haftete, so daß für die bei seinem Tode zurückgebliebenen Restanten seine Erben einstehen mußten, dabei aber ein sicherer Weg, das Restirende einzutreiben, noch nicht gegeben war. Erst 1667 wurde durch fürstliche Verordnung entschieden, daß beim Tode eines Revisors nicht seine Erben haftbar zu machen seien, sondern die Beitreibung der Restanten seinem Nachfolger überlassen bleibe, welcher "sich dabei des Richterlichen Ambts Unseres Stadt=Voigdts in puncto executionis gebrauchen soll". Auch dann aber noch blieb mit dem Provisorat das Risiko verbunden, daß der Provisor sehr oft in die Lage kam, ganz erhebliche Vorschüsse - zu Zeiten mehrere 100 Mark -machen zu müssen, deren Rückerstattung manchmal Jahre lang sich verzögerte. Endlich war es auch von Alters Brauch, daß jeder


1) Zur Kennzeichnung der Schallerschen Verwaltung dienen folgende Notizen. 1732, Februar 15, klagt der Nachfolger Schallers im Provisorat zu St. Jürgen dem Herzog Carl Leopold, das Haus drohe einzufallen, die Stiftung habe kein Vermögen mehr und sei besonders ruinirt durch eine unrealisirbare Forderung an die Schallerschen Erben; er bittet um Bauholz. Franck bemerkt dazu, es sei dem St. Jürgen unmöglich, die Kosten zum Bau herzugeben, nachdem es durch den letzten Provisor beinahe zum Untergang gebracht worden sei. 1733, Februar 4, ergeht von neuem die Klage, das Wohngebäude sei dergestalt beschädigt, daß die Sparren oben von einander grissen und nur mit Weden (gedrehten Zweigen) zusammengebunden seien.
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Provisor eine Caution hinterlegen mußte, deren Höhe freilich nicht bekannt ist; nach dem 30jährigen Kriege wurde davon abgesehen, vermuthlich weil die Provisoren damals außer Stande waren, das erforderliche Geld aufzubringen; nachdem man aber mit dem Provisor Schaller so üble Erfahrungen gemacht, wurde seit dem Jahre 1730 die Cautionsforderung wiederhergestellt.

An fixem, baarem Gehalt erhielten die Provisoren in älterer Zeit - nichts. Erst seit Anfang des 17. Jahrhunderts auf Grund des Artikels XII. der mehrerwähnten Verordnung von 1614, erhielten sie jeder jährlich 6 Mk., welcher Betrag, seitdem an die Stelle zweier Provisoren ein einziger getreten war, wenigstens bei St. Georg und Hl. Geist auf 12 Mk. erhöht wurde. Auch frei Zu gebrauchender Dienstacker war den Provisoren erst seit Anfang des 17. Jahrhunderts ausdrücklich zugestanden und zwar nur in geringem Maße, z. B. beim Elendenhause für jeden nur 1 1/2 Morgen (3 Scheffel Aussaat). Außerdem gab es nur noch ungewisse und nicht bedeutende Accidenzien, wie z. B. eine observanzmäßige Gebühr bei Aufnahme neuer Hospitaliten. Man darf sagen, daß vor dem 17. Jahrhundert fast gar keine, nachher nur geringe direkte Einkünfte bestanden. Andererseits kann doch auch nicht die Meinung gewesen sein, das Amt ohne jeden Vortheil lediglich als ein Ehrenamt verwalten zu lassen - welcher Auffassung schon die Cautionsforderung widersprechen würde. Offenbar also waren die Provisoren so zu sagen angewiesen darauf, sich durch indirekte aus der Hospitalverwaltung erwachsende Vorteile schadlos zu halten - ein Umstand, der große Uebelstände im Gefolge gehabt hat, und aus welchem sich manche sehr auffallende Unregelmäßigkeiten und Unrechtfertigkeiten erklären, welche unter ziemlicher Duldung fortbestanden. Eben diese Uebelstände waren es vornehmlich, welchen der Erlaß der Verordnung von 1614 Einhalt thun wollte, ohne ihnen doch Einhalt thun zu können.

Ein großer Vortheil war, daß die Provisoren in der Lage waren, bei Verpachtung der Ländereien sich selbst zu begünstigen. Eine öffentliche meistbietende Verpachtung, wie sie durch Verordnungen seit 1584 erstrebt wurde, blieb trotzdem noch lange nur Ausnahme. In der Regel wurde der Acker unter der Hand verpachtet. Natürlich nahm jeder Provisor - denn die Provisoren waren durchweg, wie überhaupt so ziemlich alle Bürger, Ackerbau treibende Leute - soviel möglich den besten und für ihn bequemsten Acker für sich. Natürlich gegen Pacht, aber dies ist nun das Weitere, daß sie in der Lage waren, die Pacht niedrig zu halten. Durch das ganze 17. Jahrhundert bis tief ins 18. hinein zieht sich in Franck's Darstellung

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die Klage, daß zum großen Nachtheil der Hospitäler die Pächte viel zu niedrig gehalten seien. Immer wieder werden die Provisoren von oben gemahnt, auf Erhöhung derselben Bedacht zu nehmen. Daß sie so schwer daran gingen, erklärt sich in erster Linie daraus, daß sie damit eben sich selber des Vortheils beraubt hätten. Daher denn, als schließlich doch durch meistbietende Verpachtung eine wesentliche Erhöhung erfolgte, den Provisoren concedirt wurde, eine Anzahl Grundstücke gegen die bisherige geringe Pacht in Nutznießung zu behalten. Außerdem bemerkt Franck, daß die Provisoren vielfach auch um deswillen die Pacht niedrig gehalten und überhaupt sich den Wünschen der Pächter mehr als billig geneigt gezeigt hätten, um dieselben ihrerseits sich geneigt zu erhalten und sich ihrer guten Dienste und mancherlei Gefälligkeiten zu versichern.

Ein ähnlicher Vortheil erwuchs daraus, daß bei Capitalbelegung der Provisor in der Lage war, sich selbst zu bevorzugen, infolge dessen öfter die Hospitäler, wenn etwa der Provisor zum Concurs kam, Gelder eingebüßt haben. Zwar schrieb schon die Verordnung von 1614 (Art. VI.) vor, daß die Provisoren neue Capitalien nur mit Vorwissen des Superintendenten und der Prediger belegen dürften, aber die Aussicht war eben nicht genügend. Erst 1745 erging das fürstliche Mandat, wonach "alle capitalia der piorum corporum im Lande niemals anders als auf an Uns ergangene pflichtmäßige Anzeige und Unsern erfolgten gnädigsten Consens untergebracht werden sollen". Hiergegen wurde von Sternberg aus remonstrirt, daß die hiesigen pia corpora Capitalien meist nur in kleinen Pösten von 5-30 Mk. belegen könnten, welche die Kosten solcher Consens=Einholung nicht tragen könnten; worauf concedirt wurde, daß dieserhalb der Consens per Post vom Superintendenten eingeholt werden könne.

Auch sonst konnten sich die Provisoren allerlei kleine Vortheile verschaffen, welche mehr oder minder zweifelhaften Charakters waren. Es war von Alters üblich, das Rechnungsjahr von Judica bis Judica zu datieren, und obwohl um 1700 angeordnet wurde, den Neujahrstermin statt dessen zu nehmen, beharrten die Provisoren dabei. Der Grund war, nach Francks Angabe, daß um Judica der Preis des Korns höher war als sonst im Jahr: die Provisoren berechneten nun das Deputatkorn zu diesem höheren Judica=Preise, während sie thatsächlich den niedrigeren Martini=Preis gezahlt hatten; die Differenz strichen sie ihrerseits ein. Der Provisor Schaller blieb auch nach Einführung des Neujahrstermins dabei, den Scheffel Roggen regelmäßig um 8 ßl. über den wirklichen Preis zu berechnen, und erwiderte, zur Rede gestellt, ganz unbefangen, eine

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solche Erhöhung sei alte und allgemeine Observanz, welche durch die Geringfügigkeit des Provisoren=Gehaltes völlig gerechtfertigt erscheine.

Es läßt sich nicht leugnen, daß die ganze Art der Verwaltung viele und schwere Versuchungen zur Unredlichkeit darbot, daß die Provisoren denselben vielfach unterlegen sind, und - daß das allgemeine Urtheil darüber, auch bei den Aufsichtsbehörden, ein im Ganzen recht laxes war.

Diese Verhältnisse haben, wenn auch keineswegs allein, so doch mit verschuldet, daß die Finanzen der Hospitäler nicht entfernt so gut gediehen, wie sie hätten gedeihen können und müssen, vielmehr oft recht ungünstig standen und manchmal dem Ruin nahe kamen.

Wir geben hier eine allerdings vielfach lückenhafte Uebersicht über die Vermögensentwickelung der Hospitäler.

1. Hl. Geist. Die Capitalien, welche sich 1572 auf 1176 Mk. 8 ßl. belaufen hatten, waren in den folgenden Jahrzehnten ruhigen, gedeihlichen Fortschrittes rasch angewachsen und betrugen 1623 schon nicht weniger als 2946 Mk., sanken dagegen infolge der Kriegs= und Pestnoth auf 1611 Mk. im Jahre 1653, und weiter infolge der Kriegsunruhen der 70er Jahre auf 1328 Mk. im Jahre 1677. Für viele Capitalien mußten die Provisoren Aecker und Häuser oder wüste Hausstätten an Zahlungsstatt annehmen, die doch infolge der Verarmung und Decimirung der Bürgerschaft kaum zu verwerthen waren. Z. B. ein Ackerstück, welches für ein Capital von 120 Mk. zugeschlagen war, und also 6 Mk. Heuer hatte tragen sollen, brachte nur 2 Mk. Infolge dessen erfuhr auch die Ackerheuer, trotz erheblicher Vermehrung des Grundbesitzes, nur eine geringe Zunahme. Unter der umsichtigen Verwaltung des Provisors Wineke stieg das Capitalvermögen von 1677 bis 1691 wieder auf 1614 Mk. Doch blieb der Fortschritt nicht gleichmäßig andauernd. Im Jahre 1767 finden wir an Capitalien 2138 Mk., wovon jedoch nicht weniger als 1267 Mk. keine Zinsen brachten, indem 862 Mk. bei der Kirche standen, die zur Zeit außer Stande war, Zinsen zu Zahlen, und 405 bei alten Restanten, "von denen nichts zu hoffen". Die Finanzlage des Stiftes war damals eine so schwache, daß lange Jahre hindurch überhaupt keine Conventualen aufgenommen werden konnten, weil die Kasse nicht in der Lage war, das Deputat zu reichen. Es schien damals, als ob der völlige Ruin des Stiftes unvermeidlich sei. Da kam ihm unerwartet rettende Hülfe. Im Jahre 1774 kaufte sich ein alter vermögender Sternberger, Namens Pierstorff, ein und erlegte aus besonderer Freigebigkeit als Einkaufsgeld 414 Mk.; von demselben erhielt das Stift schon 1776 ein

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Legat von 678 Mk.; endlich geschah es noch in demselben Jahre 1776, daß ein von Hamburg hierher gezogener wohlhabender Schuster Jürgen Teichen für sich seine Frau und Schwägerin für 4 Hebungen ein Einkaufsgeld von 1080 Mk. bezahlte. Damit war die Stiftskasse in sehr günstige Lage gekommene es konnten erhebliche Summen capitalisirt werden; und obwohl nun die "Franzosenzeit" von 1806 bis 1815 enorme Ausgaben für Einquartierung 1 ) und Kriegssteuer brachte, so mehrte sich doch stetig der Capitalbestand bis auf etwa 1500 Thlr. im Jahre 1835 2 ).

2. St. Georg. Die Capitalien, welche 1572 sich auf 730 Mk. (mit 37 Mk. Zinsen) belaufen hatten, wuchsen bis 1623 in überaus starkem Maße auf 2770 Mk. (wovon 140 Mk. Zinsen kamen). Gleichzeitig wuchs die Zahl der dem Stift eignenden Ackerstücke von 60 Morgen auf über 100 Morgen, und die Heuer für sämmtliche Ländereien, welche 1606 schon 59 Mk. betragen hatte, auf 82 Mk. Aber die Kriegszeit und der Stadtbrand von 1659 brachte auch diesem Stift enormen Schaden. Im Jahre 1663 war an Capital nur noch kaum die Hälfte, nämlich 1313 Mk. vorhanden. Allerdings waren nun im Laufe dieser Jahre dem Stift eine große Zahl von Aeckern und Hausstellen in solutum zugeschlagen worden, nämlich für im Ganzen 2341 Mk. an Capital und rückständigen Zinsen. Aber abgesehen davon, daß dieselben bei den schlechten Zeiten wenig oder gar nicht verwerthet werden konnten - die meisten davon und dazu sogar noch solche, welche das Stift früher schon besessen, gingen, da sie lange Jahre wüste liegen mußten, durch Nachlässigkeit der Provisoren wieder verloren. So konnte es geschehen, daß das Stift im Jahre 1663 nicht einmal soviel Grundbesitz hatte, wie im Jahre 1623. Die folgenden Jahrzehnte waren gedeihlich: 1693 betrug das Capital doch schon Wieder 1577 Mk. 3 ), die Ackerheuer war sogar auf 196 Mk. gestiegen. Aber dann kamen


1) Für Einquartierung zahlte das Stift 1806: 13 Thlr., 1807: 80 Thlr., 1811: 35 Thlr., 1813: 84 Thlr., 1814: 33 Thlr., 1815: 19 Thlr.
2) Es sei noch erwähnt, daß die von St. Gertruden auf den Hl. Geist übergegangene Braupfanne 1621 (für 180 Mk.) verkauft und nicht wieder erneuert wurde, da sie zuletzt nur noch 10 Mk. Heuer eintrug. Franck bemerkt dazu, daß seit Einführung des Landfriedens die Nahrung aus den Brauereien sich von den Städten nach dem Lande gezogen, und der Adel seit Aufhebung der Calande seine Gastereien nicht mehr wie früher in den Städten angestellt habe.
3) Die Zinsen hiervon, welche bei einem Zinsfuß von 5 % 75 Mk. hätten betragen müssen, beliefen sich in Wirklichkeit auf fast 84 Mk., da etliche Capitalien zu 6 % Zinsen standen. Aus zerstreuten Notizen Francks entnehme ich, daß der Zinsfuß für ausgeliehene Stifts=Capitalien, (  ...  )
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wieder schlimme leiten: die üble Wirthschaft des Provisors Schaller (1693-1730), die nicht minder üble seines Nachfolgers Krüger (1730-1737), sowie der Concurs des 1721 verstorbenen Präpositus Sukow, welcher dem Stift Erhebliches schuldete, endlich auch noch der Brand von 1741. so erklärt es sich, daß im Jahre 1753 die Ackerheuer nur wenig mehr betrug als vor 60 Jahren, nämlich 201 Mk., das Capital aber sogar wieder auf 1308 Mk. gesunken war, wovon noch dazu die Zinsen nur zum geringsten Theil eingingen, indem die Capitalien zum größten Theile bei solchen standen, "von denen nichts zu hoffen". Noch weiter sank das Capitalvermögen bis 1787 auf 1076 Mk. Nachdem aber inzwischen die Ackerheuer dadurch, daß man jetzt anfing, mit der öffentlichen meistbietenden Verpachtung Ernst zu machen, ziemlich gestiegen war (1773: 255 Mk, 1774: 288 Mk" 1785: 313 Mk.), so fing nun auch das Capital wieder an, sich zu mehren. Und zwar nahm jetzt beides, die Steigerung der Ackerpacht und die Mehrung des Capitalbestandes ein rasches Tempo an; die jährliche Ackerpacht betrug: 1813: 707 Mk., 1823: 1080 Mk.; das Capital 1793: 2250 Mk., 1800: 3000 Mk., 1813: 9255 Mk., 1823: 9990 Mk. Von diesen Capitalien war allerdings das meiste als zinsenloses Darlehen an die Kirche übergegangen, und, da die Kirche außer Stande war, zu zahlen, so wurde der größte Theil der Schuld gestrichen. Infolge dessen betrug das Capital 1833 nur noch 1490 Thlr., und auch die Ackerpacht war inzwischen gefallen und betrug 1833 nur 236 Thlr. Immerhin war die finanzielle Lage des Stiftes jetzt so günstig, daß das Capitalvermögen bis 1842 wieder auf 2132 Thlr. anwuchs. Die Pacht im letztgenannten Jahre betrug 243 Thlr.

3. Das Elenden=Hospital. Dieses Hauses Vermögensverhältnisse haben wir oben schon bis zum Jahre 1664 verfolgt, in welchem die Einnahme auf den enorm geringen Betrag von 13 Mk. 5 ßl. gesunken war. Seitdem mehrte sie sich stetig. 1705 betrug sie 51 Mk. 3 ßl., 1731 schon 86 Mk. 14 ßl., 1754: 124 Mk.


(  ...  ) welcher im Anfang des 17. Jahrhunderts noch durchweg 5 % gewesen, im Laufe des Jahrhunderts vielfach auf 6 % gestiegen war. Wiewohl nun durch kaiserliche Verordnung von 1654 und Landesverordnungen von 1656 und 1661 der Zinsfuß allgemein auf 5 % herabgesetzt worden war (s. Franck, A.= u. N.=M. Buch XIV, S. 115, 155, 156), so hielt sich doch hier der höhere Zinsfuß noch längere Zeit. Franck bemerkt dazu: "welches auch von der Regierung zu Schwerin gut geheißen, ja wohl gar vorgeschrieben ward, gleich als wüste man von abgedachtem Reichs=Abschiede noch nicht".
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In letztgenanntem Jahre betrug das Capital 1358 Mk., und im Besitz des Stiftes befangen sich 39 Ackerstücke. Es ist früher erwähnt, daß der ehemalige Grundbesitz im Jahre 1572 als verloren galt; seitdem war also neuer erworben, wahrscheinlich auf dieselbe Weise, auf welche auch die andern beiden Hospitäler ihren Grundbesitz vermehrt hatten, nämlich indem das Stift die Grundstücke an Zahlungsstatt für ausstehende Schuldforderungen und rückständige Zinsen annahm. Auch weiter noch vermehrte sich der Grundbesitz bis 1777 auf 44 Stücke, während gleichzeitig das Capital - unbekannt wodurch - auf 890 Mk. sank. Von da an aber findet sich - bei gleichbleibendem Grundbesitz - eine ziemliche erhebliche Vermehrung des Capitals; dasselbe betrug 1787: 1847 Mk., 1804: 2520 Mk., 1828: 1338 Thlr. Da dasselbe aber zum großen Theil der Kirche geliehen war, so erging es diesem Stifte ähnlich wie dem St. Georg, so daß 1841 nur 750 Thlr. Capital aufgeführt werden. -

Aus dem bisherigen läßt sich leicht abnehmen, daß die Hospitäler mit ihrem immerhin nicht unbedeutenden Vermögen an Capital und Grundbesitz in ökonomischer und finanzieller Beziehung für die Stadt und ihre Bevölkerung ein Faktor von nicht geringer Bedeutung gewesen sein müssen. Es kommt dabei freilich in Betracht, daß außer ihnen noch andere pia corpora vorhanden waren, welche ebenfalls nicht Unerhebliches an Geld und Grundstücken besaßen, nämlich die Kirche mit ihrem Aerar und ihrer - bis in neuere Zeit von dem Aerar getrennt verwalteten - Oekonomie, sowie die beiden Pfarren (und auch die Stellen der niederen Kirchendiener und der Schulcollegen) mit ihren Dienstländereien, endlich auch die Filialkirche zu Cobrow, welche einigen Acker auf Sternberger Feldmark besaß. Nehmen wir alle diese pia corpora zusammen - wie sie denn in dieser Beziehung nicht zu trennen sind -, so repräsentiren sie in volkswirthschaftlicher Hinsicht eine Macht, von welcher die öffentlichen und privaten Verhältnisse der Stadt vielfach abhängig waren. Von großem Werthe für die Stadt war, daß man an diesen Kassen der pia corpora meist leistungsfähige Darlehnskassen besaß, aus welchen kleinere oder größere Summen im Bedarfsfalle entliehen werden konnten, ohne daß man in der Regel Kündigung der Forderung zu befürchten hatte. So war denn immer ein großer, vielleicht der größte Theil der Bürgerschaft den piis corporibus gegenüber in einem durchaus nicht drückenden Schuldverhältniß. Es ist auch aus den Registern zu ersehen, daß die Provisoren den Restanten gegenüber stets eine nur allzu weit getriebene Milde und Nachsicht walten ließen. Die Sache wurde sehr

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gemüthlich betrieben, indem die Provisoren, wenn sie nicht gerade dringend Geld gebrauchten, der Restanten schonetn, und in der Regel von oben dazu gedrängt werden mußten, sie beizutreiben oder gar sich der richterlichen Execution zu bedienen. Die Folge war freilich, daß in manchen Fällen die Rückstände so anschwollen, daß die Entrichtung immer schwieriger wurde, und nicht selten schließlich die Schuldner die als Hypothek gesetzten Grundstücke abtreten mußten. In Zeiten allgemeiner Calamitäten geschah es, wie wir gesehen haben, daß in größeren Mengen Grundstücke zur Befriedigung ausstehender Forderungen den piis corporibus abgetreten oder gerichtlich zugeschlagen wurden. Auf diesem Wege vornehmlich erfuhr der Grundbesitz derselben zu Zeiten eine erhebliche Vermehrung. Zu andern Zeiten freilich auch sahen sich die Provisoren bei schwachem Kassenbestand genöthigt - was ihnen in älterer Zeit nach eignem Ermessen zu thun frei gelassen war -, Grundstücke zu veräußern, so daß der Grundbesitz mitunter auch eine erhebliche Verminderung erfuhr. Im ganzen aber doch wuchs derselbe, und zwar im Laufe des 18. Jahrhunderts so sehr, daß man um 1790 berechnete, daß ungefähr der dritte Theil aller in privatem Besitz befindlichen Ländereien in den Händen der pia corpora sei.

Indem nun fast alle diese Ländereien der Bürgerschaft in Pacht gegeben waren, ergab sich hieraus ein weiteres Verhältniß, welches in dem ökonomischen Leben der Stadt eine wichtige Rolle spielte. Wir haben gesehen, daß die Provisoren auch hierbei, allerdings zum Theil aus eigennützigen Gründen, sehr rücksichtsvoll gegen die Bürgerschaft verfuhren. Sie waren sehr schwer dazu zu bringen, die Pächte dem steigenden Werth des Grundbesitzes entsprechend zu erhöhen: bis gegen 1700 blieben die Pächte durchweg so gering, wie sie etwa vor 100 Jahren gewesen waren. Auch waren die Provisoren immer geneigt, die Grundstücke in einer und derselben Hand zu lassen, und zwar dies auch deshalb, weil beim Uebergang aus einer Hand in die andere immer die Frage Schwierigkeit machte, welcher von beiden verpflichtet sei, die Düngung zu beschaffen. Es kam dahin, daß die Pachtäcker in einer und derselben Familie fast erblich wurden, sowie daß die für ein Geringes gepachteten Aecker von den Pächtern gegen eine viel höhere Summe in Afterpacht gegeben wurden.

Mit der Zeit aber mußten diese der Bürgerschaft so überaus günstigen, den piis corporibus aber so überaus nachtheiligen Zustände sich ändern, woraus lang andauernde Differenzen erwuchsen. Zunächst, als um 1700 die Provisoren anfingen, in einzelnen Fällen eine Erhöhung der Heuer zu fordern, und, wo sie geweigert wurde,

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die Aecker den bisherigen Inhabern zu nehmen und an andere, zum Theil an Auswärtige, auszuthun, so empfand dies die Bürgerschaft als eine Kränkung eines vermeintlich ersessenen Rechtes.

Eine weitere Differenz entstand daraus, daß mit der Zeit der Unterschied zwischen den blos verpfändeten Ländereien, die in den Registern immer mit aufgeführt wurden, und denjenigen, welche früher verpfändet gewesen, dann aber abgetreten, jedoch vielfach in Nutznießung der früheren Besitzer, nunmehrigen Pächter, geblieben waren (den sog. "liquidirten und cedirten" Aeckern), in manchen Fällen verwischt worden war. Mitunter hatten die Provisoren blos verpfändete Aecker unter die cedirten gerechnet und die angebotene Reluition geweigert; andererseits glaubten die Nutznießer mitunter cedirte Aecker als blos verpfändete reclamiren und reluiren zu dürfen.

Auch darüber entstand Streit, wie es inbezug auf die Ländereien der pia corpora mit der an die städtische Commüne zu zahlenden Grundsteuer, dem "ordinären Schoß" zu halten sei. Bezüglich der aus alter Zeit überkommenen Grundstücke war unbestritten, daß dieselben immun seien, dagegen von den später durch Cession oder Adjudication erworbenen, welche zuvor schoßbar gewesen, verlangte die Stadt den Schoß, während die pia corpora auch für diese Immunität beanspruchte. Eine fürstliche Verordnung, 1693 erlassen und 1702 kaiserlich confirmirt, hatte auf Antrag des Magistrates dahin entschieden, daß die Provisoren "von denen in administration habenden Schoßbahren Gütern, so viel das vergangene betrifft, innerhalb 3 Wochen mit denen Supplicanten sich vergleichen und abfinden, wegen des künftigen aber den Schoß jährlich richtig bezahlen und abführen" sollten. Allein die Provisoren gaben, wenigstens theilweise, ihre Sache trotzdem noch nicht verloren, und soweit sie sich fügten, geschah es in der Weise, daß die Entrichtung des Schosses den Pächtern noch zu der Pacht auferlegt wurde.

Bei der Visitation von 1705 kamen diese Streitpunkte zur Verhandlung. E. E. Rath und Bürgerschaft überreichten ihre gravamina, worunter auch folgende:

"7. Daß die Kirchen= und Hospitalien=Aecker von den HHrn Provisoribus der Bürgerschaft an Heuer nicht, wie geschehn, versteigert und zum Theil gar abgedrungen werden. Item, daß denen Erben bleiben möge, die Aecker und Gründe gegen Erlegung der Capitalien zu reluiren".

"8. Daß die HHrn Provisores der Kirchen und Hospitalien den gewöhnlichen Schoß nach Hochfürstl. Verordnung de Ao. 1702 zu entrichten gehalten seyn mögen, und nicht den Bürgern über die Heuer, wie geschehn, aufgedrungen werde."

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Die Resolutionen der Visitatoren lauteten:

"ad 7. Daß Kirchen= und andrer piorum Corporum Aecker und liegende Gründe, durchgehends wie andere bürgerliche Aecker, nothwendig müssen so hoch vermiethet werden, als möglich ist, und zwar ohne Ansehen einiger Person. Doch sollen die Bürger, so jährlich ihre Bezahlung richtig thun, für Frembden allezeit die praeference, bey gleicher Entgeltung, haben; es wäre denn, daß einige sonderbare Umstände ein anders erfoderten. So sollen auch, wenn Capitalia ablöslich zu seyn erwiesen, und die Zinsen richtig abgetragen seyn, und zwar solchergestalt, daß die Zinsen dem Capital gemäß befunden werden, die reluitiones nicht gewegert werden".

"ad 8. Was seit Ao. 1702, da die hochfürstl. Resolution von Kayserl. Majest. ist confirmiret worden, denen geistlichen Corporibus an Aeckern und liegenden Gründen zufallen mögte, ist man, zu unterth. Respect solcher confirmirten Resolution, proportionaliter das onus zu ertragen erbötig. In vorgehabten Aeckern aber stehen Sie in immemoriali possessione immunitatis vel quasi, und kan man sich solche de novo zu oneriren, da Sie summo cum onere, der restirenden vielen Zinsen halber, an die pia corpora gemeiniglich judicialiter gedien, nicht gestehn".

Allein damit waren diese Streitpunkte nicht aus der Welt geschafft, vielmehr haben sie noch fast ein volles Jahrhundert hindurch immer wieder die Gemüther erregt, vielfach zu erbittertem Hader und langwierigen kostspieligen Processen geführt, bis sie durch den schon früher erwähnten und in seiner segensreichen Bedeutung für Sternberg kaum zu überschätzenden Vergleich von 1792 beigelegt wurden.

Im Laufe des Jahrhunderts mehr und mehr kam das Princip zur Geltung, durch meistbietende Verpachtung eine angemessene Steigerung der Pächte zu erzielen. Der Verdruß darüber führte die Bürgerschaft zu immer erneuten, verschiedenartigen Sturmanläufen. Auch die Schoßfrage blieb andauernd in der Schwebe, indem darüber gestritten wurde, wie hoch der Schoß zu bemessen sei, und ob die Pächter oder die pia corpora denselben zu tragen hatten. Gegen Ende des Jahrhunderts gesellten sich dazu weitere heftige Streitigkeiten über die Grenzen und Scheiden der geistlichen Grundstücke, über die Benutzung der brach liegenden Stücke, über das Eigenthumsrecht an dem aufgewachsenen Buschholz und Bäumen u. s. w. Endlich erneuerte auch der Magistrat seine Versuche, auf die Verwaltung der Hospitäler einen Einfluß wieder zu gewinnen.

Letzteres geschah, wie oben (S. 160 f.) schon kurz erwähnt wurde, namentlich anläßlich eines erwähnenswerthen Falles vom Jahre 1789.

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Ein hiesiger, früher wohl situirter Bürger, Bäcker Stender, war durch liederliches Leben heruntergekommen und verarmt, so daß er schließlich mit seiner Frau gänzlich mittels und obdachlos war. Der Magistrat gedachte sich seiner Verpflichtung zur Armenversorgung damit zu erledigen, daß er an den Provisor zum Hl. Geist die Zumuthung stellte, dem Ehepaar in dem Hospitalgebäude, in welchem gerade mehrere Stellen vakant waren, Wohnung und zwei Präbenden zu gewähren. Aber der Provisor lehnte ab, indem er geltend machte, daß die Aufnahme nur gegen Einkaufsgeld erfolge, sowie daß das Ehepaar in seinem gänzlich verlumpten Zustande durchaus nicht in die Gemeinschaft der Hospitaliten hineinpasse. Einige Zeit vorher hatte sich zur Aufnahme in das Stift, wie schon oben erwähnt, ein bisher in Hamburg wohnender, jedoch aus Meklenburg gebürtiger, nicht unbemittelter Schustermeister Teichen nebst Frau gemeldet, indem er nicht nur für sich und seine Frau, sondern zugleich für seine hier lebende Schwägerin das Einkaufsgeld und noch etwas darüber, im Ganzen eine beträchtliche Summe, an das Stift zahlte. Die drei Personen waren aufgenommen worden.

Da wendete sich der Magistrat mit einer Beschwerde an den Herzog. Er stellte vor, wie unrecht es sei, hiesige Einwohner abzuweisen und fremde aufzunehmen. Die Hospitäler seien doch Armenhäuser, und müßten für die Versorgung der hiesigen Armen offenstehen. Sternberg sei eine so nahrlose Stadt, und die Einwohnerschaft in so bedrängten Umständen, daß sie die Einkünfte der Hospitäler für die städtische Armenpflege in Anspruch nehmen müßte. Doch damit nicht genug. Der Magistrat stellte vor, daß überhaupt die Verwaltung der Hospitäler eine verkehrte sei und einer verbesserten Einrichtung bedürfe, es würden ungeheure Capitalien gesammelt und die Verwaltung sei eine viel zu kostspielige. Er beanspruchte, unter Berufung darauf, daß Rath und Bürgerschaft dieselben begründet und dotirt hätten, daß ihm, dem Magistrat, eine Mitwirkung eingeräumt würde, indem ihm die Berechnung der Hospitäler und ein Ausweis über den Vermögensstand vorgelegt, und seine Vorschläge zur besseren Einrichtung gehört würden.

Damit wäre denn freilich der Magistrat in die Stellung einer Aufsichtsbehörde wieder eingetreten.

Diese Eingabe wurde dem damaligen hiesigen Superintendenten Friedrich zum Erachten mitgetheilt, und derselbe lieferte eine geharnischte Gegenschrift. Was den Fall des Bäckers Stender betrifft, so legte er die Gründe dar, weshalb die Aufnahme schlechthin unzulässig gewesen sei. Die Aufnahme dagegen des Schusters Teichen sei in jedem Betracht gerechtfertigt und geboten gewesen: nur durch

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seine reiche Geldspende sei das Hl. Geist=Stift vor dem Ruin bewahrt und wieder lebensfähig geworden, nachdem es vorher 25 Jahre lang auf so schwachen Füßen gestanden habe, daß es überhaupt nicht in der Lage gewesen sei, Conventualen aufzunehmen. Es sei unberechtigt, Auswärtige vom Genuß der Stiftsbenefizien auszuschließen, da auch Auswärtige zur Fundirung der Hospitäler beigetragen hätten. Die Behauptung gänzlicher Nahrlosigkeit der Stadt sei ungegründet. Mit besonderer Energie aber wendete sich Friedrich gegen den Anspruch des Magistrats auf ein Mitaufsichtsrecht über die Hospitäler. Es sei ungegründet, daß der Magistrat dieselben dotirt habe. Von der früher von ihm ausgeübten Inspektion sei er wegen schlechter Ausübung für immer ausgeschlossen worden. Seine Prätensionen seien ein Eingriff in die herzoglichen Rechte und müßten mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden. was die bisherige Verwaltung betrifft, so sei dieselbe im Ganzen eine vernünftige gewesen. Es sei ungegründet, daß "ungeheure Capitalien" gesammelt würden. Allerdings habe sich in neuerer Zeit die Lage der Hospitäler etwas gebessert, und man habe einiges zurückgelegt, aber nicht mehr, als bei einer rationellen Wirthschaft geboten sei.

Hierauf wurde von Seiten der Regierung dem Superintendenten für seine mannhafte Vertretung der herzoglichen Rechte Anerkennung gezollt, und der Magistrat wurde dahin beschieden, daß seinen Ansprüchen nicht zu willfahren stehe; doch solle ihm unversehrt bleiben, wenn er Vorschläge habe über bessere Einrichtung der Hospitäler, dieselben vorzutragen, worauf der Herzog sie prüfen und nach Befinden berücksichtigen werde. In Betreff des Falles Stender wurde dem Superintendenten aufgegeben, zu veranstalten, daß - nachdem der Mann inzwischen verstorben war - der Wittwe eine monatliche Unterstützung von 32 Schill. aus Hospitalmitteln gereicht werde.

Damit war dies erledigt. Aber dieser Fall hatte gezeigt, daß es dringend wünschenswerth war, über die Stellung des Magistrates eine unzweideutige, definitive Erklärung herbeizuführen. -

Um alle diese und noch einige andere zwischen der Stadt und den piis corporibus schwebende Streitfragen zu schlichten, wurde nun 1792 eine herzogliche Commission nach Sternberg abgeordnet, welche nach langwierigen Verhandlungen am 27. October "zu allerseitiger völliger Zufriedenheit" den Vergleich zu Stande brachte, welcher noch jetzt in vielfacher Beziehung die rechtliche Grundlage für die Stellung der pia corpora gegenüber der Stadt bildet.

Der Vergleich ist in 39 Paragraphen abgefaßt.

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Die ersten 4 Paragraphen behandeln den Streitpunkt bezüglich des Anrechtes der pia corpora auf die in ihrem Besitz befindlichen Grundstücke. Es war ein Verzeichniß derselben aufgemacht, und beide Theile erkennen dasselbe an und entsagen allen anderweitigen Ansprüchen. Seitens der Stadt war noch bei den Verhandlungen der Vorschlag gemacht, daß sämmtliche Grundstücke der pia corpora der Stadt in Erbpacht gegeben und auf die Bürgerhäuser vertheilt werden möchten. Die Gegenpartei erklärte, daß sie dem an sich nicht abgeneigt wäre, doch müßte die Erbpacht hauswirthlich veranschlagt werden, wo sie dann erheblich höher sich stellen würde als die bisherige Pachtsumme. Als dies der Stadt vorgestellt wurde, trat sie davon zurück. Es werden nun auch alle Ansprüche auf generelle Reluirung aufgegeben und nur vorbehalten, daß einzelne Private, falls sie nachweisen könnten, daß dies oder jenes Ackerstück nur verpfändet gewesen sei, berechtigt seien, dasselbe wieder einzulösen. Es ist auch nachher noch ein Grundstück auf diese Weise zurückgegeben worden. Die pia corpora andererseits verpflichten sich, hinfort keine weiteren Grundstücke zu erwerben.

Der umfänglichste Theil des Vergleiches beschäftigt sich mit den streitig gewordenen Grenzen der geistlichen Grundstücke und verwandten Punkten. Wir können dies hier übergehen und haben auch aus dem weiteren Inhalt nur noch hervorzuheben, daß der "ordinäre Schoß" von den geistlichen Grundstücken, dessen Entrichtung früher schon den piis corporibus auferlegt war, auf einen für immer gleichbleibenden Betrag normirt wurde, sowie, was schon oben erwähnt wurde, daß der Magistrat und die Stadt auf alle Concurrenz zur Aufsicht und Verwaltung der Hospitäler verzichten.

III. Die Gegenwart.

Der Vergleich von 1792 eröffnete für die Hospitäler eine Zeit friedlichen Gedeihens. Die Jahreseinnahmen wuchsen erheblich und überstiegen die Ausgaben bedeutend. Wir haben gesehen, wie infolge dessen im Laufe der ersten Jahrzehnte des gegenwärtigen Jahrhunderts die Hospitalkassen zu allerlei ihrem Stiftungszweck mehr oder weniger fern liegenden Bedürfnissen aushülfsweise herangezogen wurden, nämlich zu zinsenlosen Darlehen an die immer bedürftige Kirche, zu den Lehrergehältern an der damals noch in kirchlicher Verwaltung stehenden Schule, sowie zu Beiträgen an das städtische Armenversorgungsinstitut. Allmählich wuchsen diese Leistungen über die eigentlich stiftischen Ausgaben hinaus, und es wurden dadurch

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über die Hospitäler, ihre Bestimmung, ihre Einrichtung, die Verwendung ihrer Mittel, Erwägungen und Verhandlungen veranlaßt, welche lange Jahre hindurch gedauert und schließlich zu dem gegenwärtigen Zustande geführt haben.

Den Anfang der Verhandlungen machte die schon früher öfter ventilirte Frage, ob nicht zur Vereinfachung und Erleichterung der Verwaltung und zur Ersparung von Kosten die drei Hospitäler unter einheitliche Verwaltung zu stellen seien. Zunächst kam eine Personal=Union zu stande. In den 30er Jahren wurde, nach dem Ableben des St. Georg=Provisors, der damalige Provisor des Hl. Geistes auch zum Provisor für St. Georg bestellt, und als auch dieser etliche Jahre darauf starb, beide Hospitäler dem damaligen Provisor des Elenden=Stiftes, Präpositus Dietz, mit übertragen, nach dessen Abgang 1847 sein Nachfolger Pastor Gaedt ebenfalls, aber nur provisorisch, die Verwaltung aller drei Hospitäler überkam. Die definitive und völlige Verschmelzung sollte zugleich mit einer neuen Regelung der gesammten Verhältnisse erfolgen.

Im Jahre 1838 erforderte die Regierung von dem damaligen hiesigen Superintendenten, Consistorialrath Kleiminger ein Erachten, ob nicht die drei Hospitäler, nach Fixirung der an Geistlichkeit und Schule zu leistenden Abgaben, ganz der Stadt überlassen werden könnten. Es ist nicht ersichtlich, wodurch die Regierung veranlaßt wurde, diesen Plan ins Auge zu fassen, offenbar aber, daß sie demselben nicht abgeneigt war. Kleiminger erwiederte, daß dies zwar mit dem Elenden=Stift wohl geschehen könne, daß aber die beiden andern zu gut fundirt seien; die Stadt würde eine Entschädigung zahlen müssen, wozu ihre Mittel nicht ausreichen würden. Aber damit war die Sache nicht abgethan. 1839 (März 4) wendete sich der Magistrat mit einer Eingabe an den Großherzog, worin er zunächst beantragte, zu erklären, daß die Hospitäler verpflichtet seien, mit ihren Ueberschüssen dem Kirchenärar zu Hülfe zu kommen, sodaß die kirchlichen Baukosten bestritten werden könnten, ohne die Eingepfarrten heranzuziehen, dann aber vortrug, daß es das Beste sein würde, die Hospitäler an die Stadt übergehen zu lassen, was derselben zu unberechenbarem Gewinn gereichen würde. Dagegen remonstrirte Kleiminger (1839, April 24), daß die Hospitalkassen nicht als Hülfskassen für irgendwelche kirchliche oder städtische Zwecke zu betrachten seien. Nun aber äußerte sich (1839, Mai 18) auch das städtische Departement zu Schwerin in dem Sinne begutachtend, daß zwar eine Verwendung der Stiftsmittel für kirchliche Anstalts= oder Bauausgaben entschieden verwerflich und stiftungs=

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widrig sei, daß es sich dagegen entschieden empfehle, ebenso wie es in Plau und Malchin geschehen sei, die 3 Hospitäler an das städtische Armen=Institut zu überweisen.

Hiergegen nun aber erhob sich Kleiminger (1839, Mai 31) mit einem ganz entschiedenen Protest. Das würde heißen, die Hospitäler ihrem Stiftungszweck durchaus entfremden. Es sei ein wesentlicher Unterschied zwischen der bürgerlichen Armenpflege, für welche das Armen=Institut bestimmt sei, und der geistlichen Armenpflege, welcher die Hospitäler dienen sollten. Beide ergänzten einander, es sei auch nicht ausgeschlossen, wie es bisher schon geschehen, daß das Armen=Institut aus Stiftsmitteln Beihülfe erhielte, aber durch eine Verschmelzung würde der eigentliche Charakter der Hospitäler als religiöser Stiftungen aufgehoben werden. In erster Linie müßten die Mittel für die geistliche Armenpflege conservirt bleiben; seien Ueberschüsse vorhanden, so liege es am nächsten, sie für die Bedürfnisse des Schulwesens zu verwenden. Er schloß mit erneuetem, entschiedenem Protest gegen den Vorschlag des städtischen Departements.

Hierauf entschied ein Regiminal=Rescript (1840, April 2), daß die Ueberweisung an das Armen=Institut zwar vorbehalten bleiben, für jetzt aber unterbleiben solle. Man ist auch später nicht darauf zurückgekommen.

Dagegen tauchten einige Jahre später andere Pläne auf, welche doch auch eine wesentliche Verwandlung des bisherigen ursprünglichen Charakters der Stiftungen bezielten.

Im Jahre 1847 (Juli 9) erstattete das städtische Departement ein neues Erachten, betreffend zweckmäßigere Einrichtung der Sternberger Hospitäler. Es geht davon aus, daß der frühere, von Kleiminger zurückgewiesene Vorschlag (Ueberweisung an das Armen=Institut), wiewohl die Allerhöchste Entscheidung noch vorbehalten sei, nicht erneuert werden dürfe, nachdem inzwischen durch Rescript vom 11. April 1844 (betreffend Abhülfe des ungenügenden Zustandes der landesherrlichen Finanzen) folgende Grundsätze als maßgebend aufgestellt worden seien: 1) Solche Institute, die im Laufe der Zeit oder durch andere neue Einrichtungen entbehrlich geworden sind, sind auch formell zu beseitigen, damit Zeit, Kraft und Geld für die Bedürfnisse der Gegenwart gewonnen werden. 2) Die Revenüen der städtischen pia corpora sind, bei Conservirung der Substanz, auf eine anderweitige, den Zeitbedürfnissen mehr entsprechende Weise zu verwenden, soweit nicht Bestimmungen der Stifter entgegenstehen; namentlich ist bei Hospitälern und Armenhäusern auf Abschaffung

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der Gebäude und Vereinfachung der Administration Bedacht zu nehmen. - Bei Anwendung dieser Grundsätze auf die Sternberger Hospitäler sei nun zu beachten, daß dieselben für den ursprünglichen Zweck, die gewöhnliche Armenpflege, nachdem inzwischen 1844 das städtische Armeninstitut neu geordnet worden, überflüssig geworden seien und sich in ihrer inneren, zunächst auf Führung eines gemeinsamen geistlichen Lebens berechneten Einrichtung längst überlebt hätten; sowie daß Stiftungsurkunden, durch welche man gebunden sein könnte, nicht mehr vorhanden seien. Daraufhin macht das städtische Departement nun folgende Vorschläge: 1. Die Gebäude werden veräußert. 2. Der Erlös wird zum Capital geschlagen. 3. Die drei Hospitäler werden vereinigt. 4. Die unentgeltliche Administration wird einer eigenen Behörde überwiesen, bestehend aus dem Superintendenten, dem Bürgermeister und einem Bürger, welcher ein cautionsfähiger, besoldeter Berechner beigeordnet ist. 5. Die Substanz ist stets ungeschmälert zu erhalten. 6. Die jährlichen Aufkünfte werden zur Hälfte für Schulzwecke verwendet, zur Hälfte für verschämte Arme, d. h. solche hülfsbedürftige Orts=Einwohner, welche keinen Anspruch auf die Orts=Armenkasse haben. 7. Die Bestimmung über diese Unterstützungen hat die Verwaltungsbehörde. 8. Von den Beneficiaten wird keine Gegenleistung gefordert. 9. Die Rechnung wird von der Verwaltungsbehörde aufgenommen und von der Regierung superrevidirt.

Kleiminger, zum Bericht erfordert (1847, August 11), erklärt sich im Allgemeinen einverstanden bis auf 2 Punkte: 1. Der Abbruch der Kirche würde sowohl von den Hospitalbewohnern - so lange noch solche da sein würden - als auch von der Gemeinde sehr beklagt werden; 2. die Theilnahme des Bürgermeisters sei bedenklich, wenn die Hospitäler, was sie doch sollen, pia corpora bleiben sollen.

Darauf erging unter dem 4. März 1848 ein "Landesherrlich bestätigtes Regulativ für die Reorganisation und künftige Verwaltung der unter dem Namen St. Georg Stift vereinigten drei Hospitäler zu Sternberg".

Dasselbe geht wie das Erachten des städtischen Departements von der Voraussetzung aus, daß die ursprüngliche Bestimmung, nämlich die der Armenversorgung, durch das im Anfang des Jahrhunderts begründete, 1844 umgestaltete städtische Armenwesen hinfällig geworden sei, daß die bisherige, auf Führung eines gemeinsamen geistlichen Lebens berechnete Einrichtung sich völlig überlebt habe, und daß keine Stiftungs=Urkunden vorhanden, also der Wille

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der Stifter unbekannt sei. Somit sei eine zeitgemäße Umgestaltung möglich und nothwendig. Die Hauptpunkte sind folgende: 1. Die drei Hospitäler werden vereinigt. 2. Sobald die derzeitigen Hospitaliten ausgestorben oder abgefunden sind, soll das Hospitalgebäude - event. an die Stadt zum Armenhause - veräußert, und auch - entgegen der Vorstellung Kleimingers - die Kirche auf Abbruch verkauft werden. 3. Der Erlös zusammen mit allem vorhandenen Capital soll - freilich im Widerspruch mit der Bestimmung des Vergleichs von 1792 - zum Ankauf von Grundstücken verwendet, und das Vermögen stets unangetastet bleiben. 4. Die jährlichen Aufkünfte sollen, nach Abzug der Verwaltungskosten, theils für die Sternberger Schule, theils für verschämte Arme verwendet werden: die Bestimmung steht bei der Regierung; die Aufwendungen aber für verschämte Arme erfolgt auf Vorschlag des Superintendenten und eines angesehenen Bürgers (die Betheiligung des Bürgermeisters also ist entsprechend dem Vorschlage Kleimingers unterblieben; andererseits freilich auch nicht eine Verwaltungsbehörde geschaffen). 5. Zur Verwaltung wird ein Provisor bestellt, welcher in derselben Weise Rechnung ablegt, wie sonst die Berechner von Kirchen und milden Stiftungen landesherrlichen Patronates.

Zunächst wurde nun der jetzt definitiv zum Provisor des vereinigten St. Georg=Stiftes bestellte Pastor Gaedt beauftragt, mit den vorhandenen Hospitaliten zu verhandeln, um sie zu bestimmen, gegen entsprechende Abfindung auf ihre Präbende und die Wohnung im Hospitalgebäude zu verzichten. Aber er mußte unter dem 23. Mai 1848 berichten, daß dieselben ungeachtet aller Vorstellungen sich nicht darauf einlassen wollten und dringend bäten, sie zu belassen. Er seinerseits tritt dieser Bitte bei, da von den 10 Insassen 8 schon über 70 oder nahe an 70 Jahre alt seien, sodaß sie, aus dem Hause gewiesen, hülflos dastehen würden, und da außerdem die Abfindungsgelder den Erlös aus dem Verkauf des Hauses übersteigen würden. Sein Vorschlag geht dahin, die Insassen aussterben zu lassen, bis dahin die vacant werdenden Räume zu vermiethen, darnach aber das Haus zu verkaufen.

Dieser Vorschlag wurde (1848, Mai 25) von der Regierung angenommen.

So war denn den Hospitälern bezüglich ihrer bisherigen eigentlichen Bestimmung das Todesurtheil gesprochen, und nur der Widerstand der Hospitaliten hatten eine Aufschiebung der Ausführung bewirkt.

Dieser Aufschub aber wurde das Mittel zur Rettung. Denn inzwischen ging die Ausübung der oberbischöflichen Rechte an den

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neu errichteten Oberkirchenrath über, welcher bald dem hiesigen St. Georgs Stift seine Aufmerksamkeit zuwendete. Schon unter dem 28. Jimi 1851 hatte Pastor Gaedt dem Oberkirchenrath einen Etat über das Stift einzureichen. Derselbe lautete dahin:

Einnahme:

I. Zinsen 280 Thlr.
II. Stehende Hebungen 120 "
III. Miethe 70 "
IV. Pächte 790 "
------ -------- -------
1260 Thlr.

Ausgabe

I. An die Hospitaliten und den Betvater 235 Thlr.
II. Feststehende Gehalte 470 "
III. An öffentliche Cassen 125 "
IV. Baukosten 50 "
V. An die Schulkasse 160 "
VI. Sonstige Ausgaben 20 "
------ -------- -------
1060 Thlr.

Jährlicher Ueberschuß: 200 Thlr.

Durch Krankheit und Tod des Oberkirchenraths zur Nedden wurde die Regelung der Sache verzögert. Aber im Jahre 1856 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen, welche schließlich zu dem unter dem 19. December 1857 bestätigten neuen Regulativ führten, auf welchem nunmehr der Bestand und die Verwaltung des Stiftes beruht.

Das Hospitalgebäude und die Kirche sind conservirt. Ersteres ist umgebaut und bestimmt, ständig 10 bis 12 Insassen zu beherbergen, welche unter der Leitung eines aus ihrer Mitte zum Betvater bestellten in alter Weise ein durch christliche Hausordnung geregeltes Gemeinschaftsleben führen. Sie genießen gegen früher etwas erhöhte Emolumente. Das Einkaufsgeld beträgt 150 Mk. Allmonatlich einmal halten die Prediger in der Kirche Bibelstunde für die Hospitaliten. Außerdem dient die Kirche zugleich der Gemeinde für die altherkömmlichen 5 Fasten= und Communion=Gottesdienste nebst dem Neujahrsgottesdienst, sowie für andere etwa einzurichtende Nebengottesdienste. Die Verwaltung des Stiftes steht bei dem Vorstande, welcher aus den beiden Predigern und zwei Bürgern besteht. Der erste Prediger als Provisor hat den

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Vorsitz und die Berechnung, welche er in derselben Weise ablegt, wie sonst die Berechner kirchlicher Stiftungen landesherrlichen Patronates. Die Einnahmen des Stiftes, welche in neuerer Zeit sich erheblich vermehrt haben, werden, soweit sie nicht durch die Leistungen an die Hospitaliten, durch die Verwaltungs= und Baukosten, sowie andere feststehende Abgaben absorbirt sind, zu einem nicht unbedeutenden Theil für Unterhaltung des inzwischen aus der kirchlichen in die städtische Verwaltung übergegangenen Schulwesens, ausnahmsweise auch für Erfordernisse des Kirchendienstes, vornehmlich aber für Wohlthätigkeitszwecke verwendet.

 

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