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A n der südwestlichen Spitze des Tollense=Sees liegt das zum ritterschaftlichen Amte Stavenhagen gehörige Gut Wustrow, im Besitz des Herrn Freiherrn v. Maltzan auf Krukow. Das Dorf ist in einer Entfernung von etwa 50 Ruthen vom Ufer des Sees an einem Bache, der eine Mühle treibt, auf festem Boden aufgebaut. Seewärts und etwa 20 Ruthen von demselben beginnt eine Wiese, welche bis an den See reicht und diesen auf eine längere Strecke umsäumt. Die Wiese besteht größtentheils aus Moorboden. In neuester Zeit ist an der Südostseite des Hofes hart an der Wiese eine Ziegelei von etwas größerem Betriebe errichtet. Um die dort verfertigten Ziegel auf leichte Weise nach der Stadt Neubrandenburg verschicken zu können, ließ Herr v. Maltzan im jüngst verflossenen Sommer von der Ziegelei aus einen Kanal, der einen größeren Kahn tragen kann, durch die Wiese graben. Beim Ausstechen dieses Kanals stießen die Arbeiter hinter der Mitte desselben, von der Ziegelei aus gemessen, auf Bohlen und Pfähle, die auf eine alte Brücke schließen ließen.
Der der Familie v. Maltzan verwandte und befreundete Herr v. Meyenn, Archivcollaborator hieselbst, hörte bei einem Besuch in Krukow im letzten Spätsommer von diesen Ausgrabungen und machte dem Vorstaud des Geschichtsvereins davon Mittheilung.
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In Folge dessen wurde beschlossen, mit Zustimmung des Herrn Freiherrn v. Maltzan in der Wiese an verschiedenen Stellen, unabhängig von dem Kanalbau, Ausgrabungen vornehmen zu lassen, um feststellen zu können, ob in früherer Zeit von dem festen Lande über die jetzige Wiese, deren Boden muthmaßlich ehemals noch zum Bereiche des Sees gehörte, eine Brücke geführt habe.
Diese unter der Leitung des Herrn Inspectors Dühring zu Wustrow geschehenen Ausgrabungen wurden von reichem Erfolge gekrönt. Am 24. October theilte Herr Dühring schriftlich mit, daß die Arbeiter beim Nachgraben links und rechts vom Kanal auf eichene und tannene Bohlen und auf eichene Pfähle gestoßen seien.
Als die Untersuchung soweit vorbereitet war, reiste ich am 12. Nov. (1886) mit Herrn v. Meyenn nach Krukow, um von da aus am nächsten Tage nach Wustrow zu fahren und diese Arbeiten und ihre Ergebnisse in Augenschein zu nehmen. Von Herrn v. Maltzan eingeladen, erschienen am 13. Nov. gleichfalls zur Besichtigung der Wiese die Herren Rath Löper aus Neubrandenburg und Bürgermeister Dr. Piper aus Penzlin. Uns waren zur Erweiterung der Nachforschungen, soweit nöthig, auf das Freundlichste Arbeiter zur Verfügung gestellt.
Schon am Morgen des 13. Nov. ließ sich nach den bisherigen Ausgrabungen im Allgemeinen als zweifellos feststellen, daß ehemals durch die Wiese eine Pfahlbrücke gegangen sei, und daß dieselbe den Kanal so durchschneidet, daß sie ungefähr auf das Südende der nahe dem Ufer gelegenen kleinen Insel im Tollense=See führt. Der hieneben stehende Abriß mag ein ungefähres Bild der Gegend geben und das Verständniß dieser Zeilen erleichtern.
Die Untersuchungen wurden nun zunächst links vom Kanal, von der Ziegelei aus gesehen, fortgesetzt. Ich ließ dort einige der bereits vorhandenen Gruben verbreitern und vertiefen und von dem angesammelten Wasser entleeren, sodaß ich die Breite und Tiefe der jetzt deutlich erkennbaren Brücke messen konnte. Das Pfahlwerk lag mit seiner Oberfläche jetzt überall 80 bis 85 cm unter der Wiesenfläche; die Brücke hatte, wenigstens an einer Stelle - anderswo war es nicht so deutlich zu erkennen - eine Breite von 2,25 bis 2,75 m und ragte in nicht großer Entfernung von dem festen Boden, wo allein diese Untersuchung möglich war, nur reichlich 50 cm über den aus Sand bestehenden, anscheinend früheren Seeboden empor. Zwei aus der Brücke gezogene eichene Pfähle, welche schon auf den Hof getragen waren, wurden von mir gemessen: sie hatten bei einem Durchmesser von etwa 14 cm eine
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Länge von 3,50 m. Das untere zugespitzte Ende derselben war durch Anbrennen widerstandsfähiger gemacht.
Rechts von dem Kanal war erst an einer Stelle, und zwar nicht weit von demselben, die Brücke wiedergefunden worden. Ich ließ nun in größerer Entfernung vom Kanal, also nahe dem Seeufer, zur muthmaßlichen Richtung der Brücke einen Querschnitt in der Wiese machen, und wir hatten noch vor 12 Uhr die Freude, auch hier unsere Brücke wiederzufinden, indem wir wieder auf Holzstücke stießen.
Nach Mittag, wo die ganze Familie v. Maltzan unsere Untersuchungen mit ihrer Gegenwart beehrte, setzten wir zuerst dort, wo wir um 12 Uhr aufgehört hatten, das Ausgraben fort. Als wir aber mehrere eichene Plankenstücke gefunden hatten, und somit das Vorhandensein der Brücke unzweifelhaft feststand, beendeten wir die Nachgrabungen in der Wiese, die in der Nähe des Sees wegen des sehr von Wasser durchtränkten Bodens außerordentlich erschwert wurden.
Der Schluß der Forschungen sollte eine Untersuchung auf der schon genannten kleinen, der Stadt Neubrandenburg gehörigen Insel sein, und zwar nach den beiden Gesichtspunkten, ob das Ende der Brücke noch an der Insel zu finden 1 ), und ob auf derselben Spuren einer vorgeschichtlichen Wohnstätte vorhanden seien. Alle Anweseuden begaben sich darum in den bereit liegenden großen Ziegelkahn, und zwei Arbeiter ruderten uns geschickt durch Rohr und Untiefen hinan an das kleine Eiland. Dort war aber nichts zu entdecken. Denn erstlich verläuft das Südende der Insel, wohin die Brücke ihrer Richtung nach nur führen konnte, in einen tiefen Sumpf, der von Röhricht umgeben ist, und dann scheint der nördliche, festere Theil der Insel im Laufe der letzten Jahrhunderte durch Menschenhand, wohl des Anbaues wegen, so viele Veränderungen erlitten zu haben, daß auf die frühere Gestaltung nicht mehr, jedenfalls nicht mit Sicherheit zu schließen ist. Nur die Muthmaßung dürfte vielleicht erlaubt sein, daß der feste nördliche Theil, dessen Ufer bei dem heurigen niedrigen Wasserstand über 1 Fuß aus dem Wasser steil hervorragen, noch die letzten Reste eines alten Walles zeigt. Dafür scheint auch der Umstand zu sprechen, daß der Boden dort rings am Ufer etwas höher ist als
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in der Mitte der Insel. Darf ich noch die Vermuthung aussprechen, daß man vormals, um die Insel zum Anbau von Getreide oder Gemüse geeignet zu machen, den Wall am Ufer abgrub und die tiefen Stellen in der Mitte damit ausfüllte, so bin ich mit allen meinen möglichen Schlüssen am Ende. Auf den Einwurf, daß dann der Boden in der Mitte in der Vorzeit müßte unter Wasser gestanden haben und also eine menschliche Wohnung nicht ermöglichte, läßt sich leicht antworten.
Wir haben nämlich gesehen, daß die alte Brücke jetzt ungefähr 3 Fuß unter der Oberfläche der Wiese liegt. Nun steht aber das Wasser des Sees nicht viel tiefer als die Wiese, wenn es hoch steigt, überfluthet es dieselbe sogar theilweise. Die ganze Brückenanlage ist daher nur verständlich, wenn man annehmen darf, daß der Wasserstand zur Zeit der Erbauung derselben viel niedriger war als jetzt, und zwar wenigstens 4 Fuß niedriger, so daß die Brücke sich etwa 1 Fuß über die Oberfläche des Wassers erhob. Daß aber die Tollense bei Ansiedelung der Deutschen aufgestaut wurde, wissen wir; denn bei der Anlage der Stadt Neubrandenburg (1248) baute man Mühlen am Tollense=Fluß, und dieser Mühlen wegen wurden im Flusse Wehre zum Aufstauen angelegt. Ja die Müller nutzen selbst in der Jetztzeit das Recht des Aufstauens so sehr aus, daß mitunter die Wiesen und Aecker der Stadt nicht wenig darunter leiden. Wir kennen also auch die Ursache, aus welcher das Wasser sich hob. Stand nun der See früher 4 Fuß tiefer, so war das Ufer der Insel bedeutend höher als der Wasserspiegel, und die innere Fläche derselben blieb noch trocken, auch wenn sie 2-3 Fuß tiefer lag. Denken wir uns nun, daß man diese bei dem späteren, höheren Wasserstand des Anbaues wegen um einige Fuß mit der Erde des am Seeufer liegenden Walles erhöhte, so können wir uns wohl vorstellen, daß die Insel vor der Planirung ein Wall umkränzte.
Daß die Moorerde, welche jetzt über der Brücke liegt, erst nach deren Bau im Laufe der Zeit sich dort ablagerte, ist eine nothwendige Annahme, schon wegen des Vorhandenseins der Brücke. Wenn sich aber über der Brücke seitdem das Moor bildete, warum sollte dasselbe nicht auch unterhalb der Oberfläche der Brücke geschoben sein, soweit überhaupt Moorboden vorhanden ist? Und ist auch dies der Fall, dann fehlte früher die jetzige Wiese ganz, und an deren Stelle sah man durch das Seewasser von geringer Tiefe auf den Meeresboden von Sand, den wir heute 50 cm unter den Belagplanken der Brücke gefunden haben. Daß Moore sich noch bilden, ist ja eine bekannte Thatsache.
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Aber auch schon daraus, daß es nunmehr unstreitbar feststeht, daß in grauer Vorzeit vom festen Lande aus eine Brücke auf die Insel führte, muß mit Nothwendigkeit folgen, daß die Insel früher als Wohnstätte von Menschen benutzt wurde 1 ). Ich halte es darum für durchaus unzweifelhaft, daß hier auf der Insel die in alten Urkunden erwähnte Burg (castrum) Wustrow lag. Ohnehin darf man, da es hier ein castrum Wustrow gab, dasselbe nirgends anderswo als auf der Insel suchen, weil das wendische Wort Wustrow (ostrowe) eben Insel (Werder) bedeutet 2 ). Daß aber das ebenfalls in alten Urkunden erwähnte Dorf (villa) Wustrow, das nach der Burg den Namen trug, auf dem Festlande in der Nähe der Insel lag, ist selbstverständlich, denn der geringe Umfang der Insel erlaubte die Anlage eines Dorfes nicht.
Aus welcher Zeit aber castrum et villa Wustrowe stammen, ist garnicht fraglich. Sie waren wendich wie ihr Name.
Es ist bekannt, daß die von Thietmar von Merseburg und Adam von Bremen erwähnte Tempelburg und Hauptstadt der Redarier Rethra seit Latomus der Gegenstand eifriger Forschungen unserer einheimischen und auch anderer Geschichtsforscher geworden ist. Es ist sehr viel gesucht und sehr viel angenommen, ohne daß die Frage nach der Lage Rethras bis jetzt endgültig beantwortet wurde. Diese Forschungen und die aus denselben gewonnenen Schlußfolgerungen nehmen unsere Theilnahme hier insofern in Anspruch, als Beyer mit großer Ueberzeugung die Behauptung aufgestellt hat, daß grade auf der kleinen Insel im Tollense=See neben der Feldmark Wustrow der Radegasttempel zu Rethra gestanden habe. Ich werde darum nicht umhin können, bei einer Untersuchung über Wustrow auch die Frage nach Rethra zu berücksichtigen. Um aber nicht mit Wiederholungen den Leser zu ermüden, und um mich überhaupt möglichst kurz zu fassen, verweise ich hier nur auf die Litteratur aus der neuesten Zeit, durch welche
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man zugleich mit den Urtheilen früherer Forscher bekannt gemacht wird. Es ist folgende:
1) Lisch, Die Stiftung des Klosters Broda und das Land der Rhedarier. Jahrb. III, S. 1 ff. Lisch hielt (S. 21) Prillwitz für die Stätte des alten Rethra.
2) Franz Boll, Kritische Geschichte der sogenannten Prillwitzer Idole. Jahrb. XIX, 168-286.
3) Beyer, Die wendischen Schwerine. Darin: 8) Seitenblicke auf Rhetra und Arkona. Jahrb. XXXII, 134-148.
4) Beyer, Die Landwehren und die Grenzheiligthümer des Landes der Rhedarier. Jahrb. XXXVII, 42-171. Hier ist B. in dem festen Glauben, daß Rethra auf der kleinen Neubrandenburger Insel bei Wustrow lag.
5) Ernst Boll, Beschreibung der Tollense. Archiv für Landeskunde Meklenburgs. 1853, S. 1-69. B. vermuthet Rethra auf der Halbinsel im Norden des Sees Lieps bei Prillwitz.
6) F. Boll, Geschichte des Landes Stargard. I, 1 ff.
7) Wigger, Meklenburgische Annalen, S. 119, 120.
8) Willebrand (Past. zu Zapel), Rethra. Jahrb. XLIV, S. 37 ff. W. hält den Hof Wustrow selbst für die Tempelstätte Rethra 1 ).
Aus den alten Historikern, die uns Mittheilungen über die Wenden Meklenburgs machen, lernen wir mit Sicherheit, daß es eine weit berühmte Tempelburg Rethra gab, und daß diese im Lande der Redarier lag. Wenn man sonst auch die Berichte Thietmars und Adams, wo sie sich auf Einzelheiten einlassen, nicht so genau nehmen will, diese Nachricht verdient Glauben, denn es ist durchaus glaublich, daß eine so wichtige Thatsache auch den den Wenden nahe wohnenden deutschen Völkern der Zeit bekannt war. Gewiß ist ferner, daß Rethra in den Kämpfen der Deutschen gegen die Wenden unter Heinrich dem Löwen untergegangen ist, denn sonst würden die ersten christlichen Urkunden aus unserer Heimath etwas von dem berühmten Orte berichten. Und es wäre in der That merkwürdig, wenn Rethra der Zeit nicht untergegangen wäre; denn wie hätten die christlichen Deutschen wohl einen großen, heidnischen Tempel können stehen lassen, da sie bei der Unterjochung, um nicht zu sagen Vernichtung, der Wenden grade das Heidenthum bis auf seine letzten Spuren ausrotteten.
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Lag aber Rethra im Lande der Redarier, im Radwer
oder Raduir
1
), so dürfen wir es
nicht in Wustrow suchen, da das Land Radwer sich
nach sicherem Zeugniß nur östlich vom
Tollense=See ausdehnte
2
) und
dessen Westufer nirgends berührte. Die
gegentheilige Behauptung Beyer's, daß nämlich in
Wustrow Rethra zu finden ist, müssen wir
durchaus als unbewiesen bezeichnen, trotz der
langen scharfsinnigen und gelehrten Abhandlungen
desselben, denn wir haben zwei Gegenbeweise, die
seine Behauptung nicht gelten lassen können.
Erstens heißt es in der freilich gefälschten
Urkunde über die Stiftung des Klosters Broda vom
16. August 1170
3
) illi ecclesie contulimus . . .
Wustrowe castrum cum villa. In Raduir Podulin,
Tribinowe
. So ist interpungirt, und das
kann nur bedeuten, daß die Aufzählung der Örter
in Raduir erst nach Wustrow beginnt, daß also
Wustrow nicht zum Lande Raduir gehört. Zwar ist
diese Urkunde, wie bemerkt, gefälscht; aber ihr
Inhalt ist vollständig in die echte,
unverfälschte Urkunde vom 27. Mai 1244
4
), welche die Besitzungen
Broda's bestätigt, wieder aufgenommen, daher ist
nicht zu zweifeln, daß diese Orte so vorhanden
waren, wie sie die falsche Urkunde aufführt.
Diese Fälschung muß aber, weil sie 1244
bestätigt wird, jedenfalls vor 1244 angefertigt
sein, also zu einer Zeit, wo man von den
wendischen Völkerschaften und deren Wohnsitzen
noch genügende Kenntniß haben konnte, denn in
diesen Gegenden wohnten, wenn auch nur
vereinzelt, noch Wenden, da es in der genannten
Urkunde von 1244 heißt: "Absoluti sunt
fratres nostri (die Mönche zu Broda) et homines
eorum tam Slavi quam Teutonici ab omni
exactione"
. Und wenn man die Oertlichkeiten
kennen konnte, so wird man sich gewiß bei
Abfassung einer falschen Urkunde hinlänglich
über dieselben unterrichtet haben, um nicht
durch falsche Bezeichnungen die Urkunde zu
verdächtigen und die Fälschung zu verrathen. Nun
kann man uns zwar entgegen halten, daß die echte
Urkunde anders interpungirt, nämlich:
"Wustrow. castrum cum villa in radur.
Podulinov"
. Aber ich erwidere darauf:
Dieselbe Urkunde giebt auch bei Benennung der
Orte Groß= und Klein=Vielen: Vilim, item Vilim.
Carstitze." für Vilim, item Vilim
Carstitze, und da der Punkt hier nach dem
zweiten Vilim als Zeichen einer Pause gradezu
unsinnig ist, so muß man ent=
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weder einräumen, daß der Schreiber bei der Vertheilung der Interpunctionszeichen gedankenlos zu Werke ging, also kein sonderliches Vertrauen verdient, oder daß er, und dies wird das Richtige sein, den nachgesetzten Punkt bloß als eine Bezeichnung des Eigennamens verwendet, wie es in Urkunden auch Gebrauch ist 1 ). Bezeichnet aber der nachgesetzte Punkt hier bloß den Eigennamen als solchen, so konnte der Schreiber ihn nicht nach villa setzen, wo wir ihn erwarten, und mußte ihn hinter radur geben, eben weil radur ein Eigenname ist. Es ist ersichtlich, daß bei diesem Gebrauch die Deutung des Inhalts unsicher werden muß, und eben darum dürfen wir zwecks derselben nicht die echte, sondern nur die falsche Urkunde zu Rathe ziehen.
Zweitens aber kann ich nicht begreifen und darf es nicht gelten lassen, daß ein wendischer Ort, der sonst doch Rethra hieß und unter diesem Namen berühmt wurde, von den Wenden selbst sollte später Wustrow genannt sein. Der Name Rethra konnte meines Dafürhaltens in einen andern wendischen so schwer verwandelt werden, daß ich an diese Möglichkeit nicht eher glaube, bis ich unumstößliche Beweise dafür habe.
Aus den beiden, eben besprochenen Urkunden erfahren wir also, daß es zur Wendenzeit und noch während der ersten christlichen Ansiedelung eine Burg und ein Dorf Wustrow gab. Sehen wir, was andere alte Zeugnisse uns mehr von Wustrow lehren. In dem Vertrag von Kremmen, abgeschlossen zwischen Brandenburg und Pommern am 20. Juni 1236 2 ), traf Herzog Wartislav von Pommern an die Markgrafen Johann und Otto von Brandenburg u. a. ab: "terram Wostrowe, sicut sita est cum omnibus atenenciis, usque ad flumen, quod dicitur Tholenze." Es gab darum, wie sich übrigens schon aus dem Vorhandensein der Burg Wustrow schließen ließ, auch eine terra, ein Land Wustrow, und dieses erstreckte sich (mindestens) von der Südgrenze der Feldmark Wustrow bis zum Ausfluß des Tollense=Flusses aus dem gleichnamigen See, d. h. es lag an dem ganzen Westufer des Tollense=Sees. Später, und zwar schon 1274, gehörte der südliche Theil dieser Gegend zur Vogtei Penzlin, wie wir aus einer Urkunde vom 12. März des genannten Jahres erfahren 3 ). Damals wird schon die Burg Wustrow untergegangen oder verlassen sein, und aus diesem Grunde der neu aufblühende Ort Penzlin als Sitz des Vogtes der Gegend den Namen gegeben haben.
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Zum Schluß möchte ich noch im Zusammenhang kurz mittheilen, welche Ergebnisse diese Untersuchung nach meiner Ansicht liefert.
Auf unserer gegen feindliche Anfälle sehr gesicherten kleinen Insel bauten die Wenden, zu welcher Zeit, wird nie bekannt werden, eine Burg, welcher sie wegen ihrer Lage ganz ihrer Gewohnheit gemäß den Namen Wustrowe, zu deutsch etwa Inselburg gaben. Um bequemen Zugang zu der Burg zu gewinnen, wurde die Erbauung einer Brücke nöthig, welche vom Festland durch das Vorland des Sees von geringer Tiefe zur Insel führte. Diese Brücke wurde hinlänglich fest (mit 3 Reihen Pfähle) und verhältnißmäßig kunstreich gezimmert. Vor der Brücke am Seeufer entstand nun das Dorf Wustrow. Diese Anlage wurde der ideelle Mittelpunkt der ganzen Gegend am Westufer des Sees, der Hauptort eines Gaues, einer terra, und von der Inselburg aus verwaltete der Burgvogt, der Zupan, diesen Gau.
Im Jahre 1164 setzte, wie bekannt, Herzog Heinrich der Löwe von Sachsen durch den Sieg bei Verchen hier der Wendenherrschaft ein Ziel, und es folgte nun die Germanisirung dieser Gegenden. Aber wenn auch beim Eindringen der Deutschen zahlreiche wendische Niederlassungen zerstört wurden, unsere Inselburg wurde verschont, und sie galt noch im Anfang des 13. Jahrhunderts für den Hauptort des Gaues Wustrow. Doch den deutschen Bewohnern sagte wohl dieser feuchte Wohnsitz auf der Insel nicht sonderlich zu; sie wandten vielmehr ihr Auge auf einen in der Nähe gelegenen, für sie günstiger scheinenden Ort, und so lief Penzlin dem alten Vogtssitz Wustrow den Rang ab. Nach der Verlegung des Verwaltungssitzes nach Penzlin mußte der Gau bald den Namen nach seinem neuen Hauptort annehmen, und die Burg auf der Tollense=Insel verfiel in ihrer Verlassenheit, und endlich verschwanden selbst die letzten Spuren derselben. Glückliche Umstände erhielten uns aber die alte Brücke. Unbenutzt ragte sie noch lange aus dem Wasser empor, bis allmählich sich das schützende Moor um sie bildete und sie endlich völlig verdeckte und dem Auge der Meuschen entzog. So ruhte sie lange im Grabe, und es verschwand selbst das Andenken an sie lange Jahre, bis in der Gegenwart Erwerb suchende Menschenhände ihr stilles Grab wieder öffneten und uns so Kunde gaben von grauer Vorzeit.