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Einige Nachrichten
über die
geb. Prinzessin zu Nassau-Diez,
und ihre Grabstätte.
Vom
Major
Freiherrn v. Sell
zu Bonn.
U eber das Leben der Herzogin Sophie Hedwig, der ersten Gemahlin des Herzogs Carl Leopold von Meklenburg=Schwerin, ist bisher wenig bekannt geworden; und wenn auch nunmehr mit Bestimmtheit ihre Grabstätte festgestellt ist, so haben sich selbst im herzoglich Nassauischen Haus=Archiv zu Weilburg a. L., wo man Aufschluß über ihr Leben zu erhalten hoffen durfte, ungeachtet der dankenswerthen Bemühungen des Vorstandes desselben, des Hof= und Archivraths Hölzgen, bis jetzt genauere Nachrichten nicht auffinden lassen.
Die Herzogin Sophie Hedwig wurde als das 5. Kind ihrer Eltern am 8. März 1690 zu Leeuwarden in Holland geboren. Ihr Vater, seit dem 26. November 1684 mit Amalie, des Fürsten Johann Georg von Anhalt=Dessau Tochter, vermählt, war der Fürst Heinrich Casimir II. zu Nassau=Diez, Erb=Statthalter und General=Capitain von Friesland und Gröningen, General=Feldmarschall der Vereinigten Niederlande. Unter ihm, der fern von seinem Stammlande in den Niederlanden lebte, wo die Würden seines Vaters auf ihn vererb=
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ten, wurde die Statthalterschaft in eine Erbstatthalterschaft für seine männlichen Nachkommen verwandelt; sein Sohn Johann Wilhelm Friso, der Urgroßvater des ersten Königs der Niederlande, nahm 1708 den Titel eines Prinzen von Oranien an.
Ihre ersten Lebensjahre verlebte Herzogin Sophie Hedwig am Hofe ihres Vaters in den Niederlanden; Letzterer verstarb im Jahre 1696. Die Mutter, Fürstin Amalie, scheint noch mehrere Jahre in den Niederlanden zugebracht zu haben - jedenfalls übernahm sie zunächst die Vormundschaft über ihren Sohn Johann Wilhelm - und zog dann mit ihren Töchtern auf ihren Wittwensitz, das Schloß Oranienstein bei Diez a. d. Lahn.
Dorthin hatte schon die Mutter des Fürsten Heinrich Casimir, Emilie Albertine Agnes, nach dem Tod ihres Gemahls in Holland ihren Wohnsitz verlegt, und hier hat sie ihre letzten Tage verlebt; sie ist auch die Erbauerin des Schlosses. Im Jahre 1671 hatte sie das ehemalige Kloster Dirstein mit seinen zerfallenen Gebäuden angekauft; sie ließ es ausbauen, resp. das Schloß, welchem sie den Namen Oranienstein beilegte, nach damaligem Geschmack neu aufbauen und schöne Gärten anlegen. Oranienstein, 1/2 Stunde von Diez an der Lahn sehr schön gelegen, wurde zu einem würdigen Fürstensitz umgeschaffen, namentlich waren die Festräume und die fürstlichen Zimmer recht geschmackvoll und prächtig eingerichtet; auch wurde nach und nach eine ausreichende Einrichtung an Geschirr und Silberzeug angeschafft.
Das alte Schloß in Diez, in welchem die Grafen von Diez (Didese) bis zu ihrem im Jahre 1388 mit Gerhard VII. erfolgten Erlöschen im Mannsstamm residirt hatten, wurde, nachdem nun die Grafschaft an Nassau gefallen war, anscheinend nur vorübergehend von der Fürstin Albertine bewohnt, bevor sie Oranienstein bezog.
Fürstin Amalie lebte in Oranienstein noch bis zum 18. April 1726, indem sie, nebst ihren Töchtern, den Armen in Diez und Umgegend eine Wohlthäterin im wahren Sinne des Worts war, und zugleich, durch Frömmigkeit sich auszeichnend, die Förderung des evangelischen Glaubens sich in hohem Grade angelegen sein ließ. Sie bewies Letzteres u. A. dadurch, daß sie den Lutheranern in Diez im Jahre 1704 die Erlaubniß zum Bau einer eignen Kirche gab, in welcher 1707 zuerst gepredigt wurde.
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In der letzten Zeit ihres Lebens scheint sie viel gelitten zu haben, so daß sie den Tod herbeisehnte, "bis zum letzten Hauche standhaft", wie die lateinische Inschrift auf ihrem prachtvollen Sarkophag von schwarzem Marmor in der Gruft zu Diez besagt. Noch jetzt ruht das Andenken an ihre Herzensgüte und Wohlthätigkeit in den Herzen der Nachkommen derer, denen sie Gutes erwiesen.
Wir müssen annehmen, daß die Herzogin Sophie Hedwig, von einer so ausgezeichneten Mutter erzogen, in Frömmigkeit und Gottesfurcht aufgewachsen ist. Als ihre Verlobung mit dem Herzog Carl Leopold stattfand, war ihr Vater bereits verstorben; jedoch lebte ihre Mutter noch in Leeuwarden, der Hauptstadt von Friesland, wo die Statthalter in dem sog. Prinzenhof ihre Residenz hatten; dort fand auch am 27. Mai 1708 ihre Vermählung statt.
An der Seite ihres Gemahls sollte die Herzogin das erhoffte Glück leider nicht finden. Das fürstliche Paar zog nach Doberan, wo es auf dem Amt sein Hoflager hielt und wohl in nicht glänzenden Verhältnissen lebte; der Herzog Carl Leopold war damals noch apanagirter Prinz und auf die Einkünfte des Doberaner Amts beschränkt. Der Grund der am 2. Juni 1710 durch das Consistorium zu Greifswald ausgesprochenen Scheidung dürfte hauptsächlich darin zu suchen sein, daß die Ehe eine kinderlose war. Es fehlte somit nicht nur das Band, welches das Paar näher an einander hätte knüpfen können, sondern es war damals die Gefahr vorhanden, daß die Meklenburg=Schwerinsche Linie ausstarb, da die Ehe des Herzogs Friedrich Wilhelm kinderlos, und der Herzog Christian Ludwig damals noch unvermählt war.
Die Familie der Herzogin erkannte die Scheidung als rechtsgültig nicht an, insonderheit war es der Oheim mütterlicher Seite, der seit 1698 regierende Fürst Leopold von Anhalt=Dessau, welcher als Sophie Hedwigs Sachwalt auftrat und sie eifrig vertheidigte, freilich ohne mehr als den Beifall vieler Standesgenossen zu erreichen. Dessenungeachtet zog, nachdem die Scheidung ausgesprochen war, die Herzogin zu ihrer Mutter nach Oranienstein; nämlich der Herzog Carl Leopold ließ sie in einer Kutsche über die Grenze fahren.
Die Nachrichten über das Leben der Herzogin und überhaupt der fürstlichen Familie zu Oranienstein sind dürftig. Es steht fest, daß Sophie Hedwig an den Bestrebungen der Wohlthätigkeit ihrer Mutter Theil genommen hat. Wiederholt ist sie als Pathin der Kinder der Hofdienerschaft verzeichnet. Zum Besuch des Hofes erscheint häufig die
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Schwester der Herzogin, die Prinzessin Isabelle Charlotte, mit ihrem Gemahl, dem Fürsten von Nassau=Dillenburg. Es werden einige Hofdamen und Cavaliere genannt; doch wird im Ganzen das Leben in Oranienstein, ungeachtet eines dem Range der Oranischen Prinzessinnen entsprechenden Hofhalts und des verhältnißmäßig prächtig eingerichteten Schlosses, ein stilles gewesen sein.
Vom Jahre 1717 an war zwei Jahre hindurch Herr Pierre de Royere des Monges als Cavalier in Oranienstein nebst seiner Gemahlin, einer geborenen von Leuthold; er war sonderbarer Weise zugleich Hofprediger und wird von einem Zeitgenossen als ein sehr liebenswürdiger Mann geschildert. Später erscheint dort als Hof=Cavalier Heinrich von Studnitz, 1722 Fräulein Albertine de Tour, dann die Staatsdame Fräulein von Röder und Fräulein von Asseburg. Nach dem Abgange des Herrn von Royère, der später Kammerherr am Gräflich Wied'schen Hofe zu Runkel wurde, scheint die Capelle in Oranienstein zum Gottesdienst nicht mehr benutzt worden zu sein und wohnte die fürstliche Familie dem Gottesdienst in der reformirten Kirche zu Diez bei, wo der aus Dessau gebürtige Hofprediger Treviranus fungirte. Nach dem Tode der Fürstin Amalie wird eine Einschränkung im Hof=Etat stattgefunden haben, und setzten sich die Prinzessinnen in Bezug auf ihren Marstall in der Art auseinander, daß sich die älteren Prinzessinnen sowohl wie auch die jüngeren je einen Leibkutscher hielten. -
Vom Fürsten Heinrich Casimir, seiner Gemahlin und sämmtlichen Kindern wurden Portraits durch einen tüchtigen Maler angefertigt, die ihren Platz im Schlosse zu Oranienstein fanden. Die gut gemalten und, wie es scheint, ähnlichen Oelbilder wurden, nachdem 1866 Oranienstein preußisch geworden und zum Cadettenhause umgewandelt worden war, nach dem alten, noch jetzt im Besitz des Herzogs von Nassau befindlichen Schlosse zu Weilburg a. d. Lahn gebracht, wo sie in dem großen, neben dem sog. Thronsaal liegenden Saale hangen. Das Bild der Herzogin Sophie Hedwig stellt dieselbe im blauseidenen Kleide, umgeben vom Hermelinmantel, dar. Da es in Meklenburg gute Bilder der Herzogin nicht giebt, auch sonst ein solches nicht vorhanden ist, so wäre zu wünschen, daß es gelänge, das Bild selbst, oder eine gute Copie desselben zu gewinnen. Einstweilen reproduciren wir hieneben eine von diesem Gemälde genommene Photographie.
Herzogin Sophie Hedwig starb am 1. März 1734. Die Vorbereitungen zur Beisetzung scheinen längere Zeit in
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Anspruch genommen zu haben, denn erst am 13. April Abends fanden ihre sterblichen Ueberreste in der Gruft der Kirche zu Diez, neben dem Sarkophag ihrer Mutter, ihre letzte Ruhestätte. Nach der Beisetzung der Letzteren war der Haupteingang zur Gruft, nachdem der sehr große Sarkophag aufgestellt war, vermauert worden, so daß die Särge der. Herzogin und ihrer nach ihr verstorbenen Schwestern, welche, wie aus der Anm. 1 ) ersichtlich, es zum Theil zu einem hohen Alter brachten, durch den kleineren, noch vorhandenen Eingang in die Gruft, die sog. Sakristei, gebracht wurden; es stehen dort demnach die 6 Särge der Fürstin und 5 ihrer Töchter, während die Fürstin Isabelle Charlotte in Dillenburg, Heinrich Casimir und seine Söhne aber in Holland ruhen. Zuletzt wurde in Diez die älteste Schwester der Herzogin Sophie Hedwig, die Prinzessin Marie Amalie, Domküsterin zu Herford, am 25. Februar 1771 beigesetzt, welche fast 82 Jahre alt wurde.
Die Leichen der Prinzessinnen in der Gruft zu Diez waren bis vor Kurzem wohl erhalten; vermuthlich sind sie einbalsamirt worden. Auch hat wohl zu der guten Erhaltung derselben der mäßige Hinzutritt von Luft beigetragen; denn seitdem vor einigen Jahren die oberen, kleinen Gitterfenster der Gruft mit Glas versehen wurden, begannen jene mehr zu zerfallen, wenn auch noch heute die Züge zu erkennen sind. Das Schließen der genannten Fenster geschah auf Anordnung des ersten evangelischen Pfarrers in Diez, des Herrn Dressler (durch dessen gütiges Entgegenkommen die Besichtigung
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der Gruft gestattet wurde), um das Hineinwerfen von Steinchen, welches hie und da durch Kinder geschah, zu verhüten. Die Herzogin Sophie Hedwig und die andern Prinzessinnen ruhen in offenen, zum Zuklappen eingerichteten Särgen in weiß seidenen Gewändern mit gefalteten Händen, umgeben von Blumen und Kränzen. Keine Inschrift oder besondere Verzierung kennzeichnet den Sarg der früh verstorbenen Herzogin, welche unter glücklicheren Verhältnissen an der Seite ihres Gemahls in Meklenburg eine zweite Heimath hätte finden können.