zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 219 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Eßbare Muscheln im Meerbusen von Wismar.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.

Weit und breit bekannt sind die viel begehrten "Kieler Pfahlmuscheln" (Miesmuschel, Mytilus edulis). In neuern Zeiten ist wiederholt der Vorschlag gemacht, dieselben auch in dem Meerbusen von Wismar, wo sie noch jetzt häufig gefunden und begehrt werden, in größeren Massen zum Verkauf zu ziehen. Dafür läßt sich nun noch sagen, daß sie in frühern Zeiten dort in größerer Menge zur Ausfuhr gewonnen sein werden, da um die Mitte und in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. oft auch "Muscheln" von Wismar an die herzoglichen Höfe geschickt wurden.

Um die Mitte des 16. Jahrh. lebte in Wismar ein angesehener Kaufmann 1 ) Heinrich Alkopff, ein Hof=Lieferant, wie wir jetzt sagen würden, welcher von Wismar aus den herzoglichen Hof zu Schwerin nicht nur mit allen möglichen Gegenständen versorgte, sondern auch zu den vielen Bauten in den ersten Zeiten der Regierung des Herzogs Johann Albrecht Lieferungen von Baumaterialien aller Art zu besorgen hatte (vgl. Jahrb. V, S. 251). Im Jahr 1544, Johannis, kaufte er in Wismar ein Haus, Nr. 2 von der Neustadt zur Faulen Grube in der Lübschen Straße, welches er 1562 wieder verkaufte, und 1557, Scholasticä, das Haus am Markt Südseite Nr. 6, welches sogleich dem Hinrick Dürjahr als Mitgift ("titulo dotis") zugeschrieben ward. (Mittheilungen des Herrn Dr. Crull zu Wismar.) Vom 16. Decbr. 1563 ist noch ein Brief von Alkopff an M. Simon Leupold vorhanden. Im Jahre 1587 wird "Heinrich Ahlkopf, Bürger zu Wismar", als in Verkaufsgeschäften von dem verstorbenen Herzoge Johann Albrecht beauftragt gewesen erwähnt, ob noch am Leben, ist jedoch nicht ersichtlich.


1) Im Siegel führt "Heinrich Alkopff" einen Schild mit einer Hausmarke, welche den verbunden Buchstaben HA ähnlich ist, und darüber die Buchstaben H. A.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 220 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Daß Alkopff ein viel in Anspruch genommener Mann war und eine vielseitige Rolle spielte, geht aus einer undatirten Klage bei dem Herzoge hervor, welche lautet:

"Alkopff czeygt an, s. f. g. habe ime vor drey jaren vmb seins langen trewen dienstes wollen vorschreiben wollen jarlich aus dem Ampt Buckow zu krigen I Oßen, II vetthe schweine, II Drt. roggen vnd aus der kamer ein gut hoffkleyt, hat aber byß an her wydder vorschreybunge ader sunst nichts van deme deputat bekomen, byddet nach vndertheniglichen, ien seines langhe getrewen dienstes wolle geniessen laßen."

Er galt auch sonst im Handel und Wandel als gewiegte Persönlichkeit. Aus dem Wismarschen Zeugenbuche, 1556, theilt Herr Dr. Crull folgende Stelle mit:

"Din olde here Marten Smit trachtet mi na mit aller bosheit vnd secht, ick hebbe vormals Jurgen Oertzen einen suluern dolck gemaket, dat is nein guth suluer gewesen, vnd straffet also dat suluer. Ouerst ick ginck darmede to Heinrich Alkopp, de heff it erkant vor gut suluer, vnd si ock darna to deme muntemeister gegan, de heff den dolck ock vor gut suluer erkant vnd mi vor dat loth XV s. gebaden."

In einer Rechnung vom Jahre 1553 werden nun auch Lieferungen von Muscheln neben Krabben und Seefischen aufgeführt:

   "M. g. h. hertzogk Johanß Albrechte.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
   25 ß vor 20 butte, 4 dorske, 2 laße, 28 krebße, 1/2 thun muscheln vnd krabben na Swerin Sonnabents zu ostern vff m. g. h. schreyben.
12 ß noch vor 3 grune laße, 18 butte, 32 heringe vnd krabben na Swerin Dornstags nach Quasimodogeniti 53 bey dem byldehawer."
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
   "20 ß vor 2 grune laß, 14 butte, 1/2 thun muscheln, krabben ich selbst na Schwerin Fritags nach himelfart 53."

"H. Alkopff."     

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 221 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Auch an den Hof des Herzogs Ulrich zu Güstrow kamen Muscheln aus Wismar. So heißt es z. B. in der Güstrowschen Hofrechnung vom Jahre 1598:

"Daniel Sandowen zur Wißmar verlegts geldts fur allerlei, so er vf meines g. h. begern gen hofe geschickt, alß weiß Bier, Musseln , Krabben, frischen Dorsch vnd anders, vermuege seiner Vortzeichnuß betzalt den 9 Febr. Anno etc. . 98 : 87 Fl. 4 ß 6 pf.

Daniel Sandowen zur Wißmar verlegts geldts für Musseln , weiß Bier, Krabben vnd ander Seefische, so er zu vnderschiedlichen malen nach Hofe geschickt, vermuege seiner Vortzeichnuß betzalt den 3 Sept. Anno etc. . 98: 38 Fl. 8 ß -"

Die Muschel=Fischerei muß nicht unbedeutend gewesen sein, da auch viele weit verschickt wurden, namentlich an den Brandenburgischen Hof, wie aus dem folgenden Auszuge aus einer Fischrechnung Alkopffs über eine kurze Zeit hervorgeht.

M. g. h. und frawen an fischwerck geschickt Anno 61.

  M. g. h. 1/2 T. Muscheln, 6 Dorske, 8 Krebse, den letzten Octobr. 61 19 ß 6 pf.
  M. g. f. vor I T. Muscheln aus befelch Volrat Priens den 15 Novembr., wolle I. f. g. verschigken 23 ß -
  Vor I T. Muscheln, vff m. g. h. schreiben Kleinsorgen zugestelt 26 Novembr., solle nach dem Berlin 23 ß -
  M. g. h. noch eod. die vor 1/2 T. Muscheln na Güstrow bei Kleinsorgen 11 ß -
  Vor I 1/2 T. Muscheln vff Peter lackeyen fordern, nham ehr mit na Berlin am Abent Lucie 61 35 ß -
  M. g. h. vor 1/2 T. Muscheln na Swerin bey frantz lam, conuersionis Pauli 11 ß -
  Vor I 1/2 T. Muscheln, als 1/2 T. m. g. h. na Güstrow vnd die I wolt m. g. h. na Cechelin schicken, am tage lichtmeße 34 ß -
  Vor II T. außeleßen Muscheln vff m. g. h. schreyben bei peter kleinsorgen, Sontags Esto mi
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 222 zur ersten Seite zur vorherigen Seite
  62, I T. solde zum Berlin, die andere nach Cechelin 44 ß -
  M. g. h. vor 32 krebses, 6 dorske, 4 butte, 1 ferndel Muscheln vnd krabben na Swerin am abent visita. Marie 62 13 ß 4 pf.

H. Alkopff.     

Noch jetzt kommt hin und wieder ein Gericht guter "Muscheln" nach Wismar auf den Tisch.

Die bekanntern Seemuscheln des salzigen Meeres, die Auster (Ostrea edulis) und die Herzmuschel (Cardium edule) sind längst aus dem Kattegat und den südlichern Buchten und Meerengen durch Verringerung des Salzgehalts verschwunden, obgleich sie dort vor undenklicher Zeit gelebt haben müssen, wie die ungeheuren Massen von Schalen dieser Muscheln in den dänischen "Kjökkenmöddings" und unterseeische todte Austerbänke beweisen. Nur die "Miesmuschel" hat sich noch selbst im brakischen Wasser gehalten, zugleich ein Beweis, daß das Wasser des wismarschen Meerbusens im Laufe der Zeiten nicht sehr viel süßer geworden sein wird.

 

Vignette