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A.

Jahrbücher

für

Geschichte.

 


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I.

Ueber

das spätere Kloster Zarrentin

südlich bei Schwerin,

von

G. C. F. Lisch.


A m 1. November 1246 schenkte die oft besprochene Gräfin Audacia 1 ) von Schwerin mit ihrem Sohne, dem berühmten, damals noch sehr jungen Grafen Gunzelin III., der wohl kaum der Vormundschaft 2 ) seiner Mutter entwachsen war, der "neuen Stiftung eines Nonnenklosters" ("noue plantacioni sanctimonialium") einen Grundbesitz von 60 Hufen, deren Lage nur im Allgemeinen angegeben wird, ohne daß in der Urkunde 3 ) sowohl der Name des Klosters, als die Namen der Dörfer, in deren Feldmarken diese Hufen lagen, genannt werden; dazu schenkten sie dem Kloster noch das Eigenthum eines Dorfes, welches Marswittisdorf hieß. Dieses Kloster kann kein anderes sein, als das Cistercienser=Nonnenkloster, welches einige Jahre später als zu Zarrentin bestehend erscheint, da es in der alten Grafschaft Schwerin kein anderes Nonnenkloster gegeben hat, als dieses.

In der Urkunde wird im Allgemeinen gesagt, daß diese 60 Hufen zwischen dem Michelsberger Wege und dem Zarnestrom lagen oder liegen sollten ("inter viam


1) Vgl. Jahrb. XXVII, S. 131 flgd. und Urkunden=Beilage Nr. 1.
2) Der junge Graf führte sein erstes Siegel mit den Worten: "filius comitis Heinrici" in der Umschrift bis zum J. 1246. Vgl. Mekl. Urk.=Buch Nr. 426.
3) Vgl. Mekl. Urk.=Buch I, Nr. 586, und Urkunden=Beilage Nr. 1.
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Montis sancti Michaelis et inter aquam, que Tzarnestrom appellatur"). Es ist nach diesen Oertlichkeiten in der Gegend von Zarrentin viel und lange geforscht ohne daß sich eine irgendwie befriedigende Lösung hätte finden lassen. Man mußte daher, nach jüngern Andeutungen, darauf kommen, daß das erste Stiftungsgebiet des Klosters in einer ganz andern Gegend gesucht werden müsse.

Es ist nur ein Dorf Michaelisberg in Meklenburg bekannt. Dieses ist das früher sogenannte Dorf Zesemow, welches der Fürst Borwin im J. 1219 dem S. Michaeliskloster bei Lüneburg dafür schenkte, daß die Leiche seines Vaters Pribislav bis dahin in diesem Kloster geruhet hatte 1 ). Das Dorf hieß von dieser Zeit an S. Michaelsberg, später abgekürzt Cheelsberg, und ist bei Vietlübbe und Karbow, zwischen Lübz und Plau, untergegangen. Da nun um jene Zeit diese Gegend noch wenig bebauet war, so wird die Kolonie Michaelsberg eine so hervorragende Stelle eingenommen haben, daß man darnach die Lage eines selbst etwas entfernten Ortes bestimmen durfte, zumal da Michaelsberg eine Klosterkolonie war, wie eine ähnliche in jenen Gegenden nicht bestand, und auch eine Kirche hatte.

Von der andern Seite findet sich ein Zarnestrom 2 ) noch im J. 1450 an der Grenze der Feldmaß der Stadt Grabow und des Hornwaldes.

Es läßt sich also wohl nicht bezweifeln, daß in der ersten Bewidmung des Klosters nur im Allgemeinen die ungefähren Ost= und Westgrenzen des südlichen Theils der Grafschaft Schwerin angegeben sind, innerhalb deren die 60 geschenkten Hufen liegen sollten. Und da die Schenkungsurkunde zu Parchim ausgestellt ist, so läßt sich leicht begreifen, daß man Bezeichnungspuncte, wie Michelsberger Weg, als damals allgemein bekannte Anhaltspuncte wählen konnte.

Auch war in der Gegend südlich von der Stadt Schwerin noch Land zu milden Stiftungen frei. In der Stadt Schwerin war der Sitz des ehrwürdigen Bisthums, welches nördlich von der Stadt die nächsten Besitzungen hatte. Dazu hatte die Gräfin Audacia in der Stadt ein Franziskaner=Mönchskloster gestiftet, welches schon 1236 stand. Nicht weit nördlich von der Stadt und den Bischofsgütern hatten die Grafen von Schwerin schon im J. 1200 die Johan=


1) Vgl. Mekl. Urk.=Buch I, Nr. 260 und Jahrb. XIII, S. 406.
2) Vgl. Mekl. Urk.=Buch Nr. 586, Note, S. 559.
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niter=Priorei Eixen gegründet. Südlich von der Stadt und Burg Schwerin hatten die Grafen zunächst ihre Lust= und Waldreviere mit dem seit alter Zeit (wenigstens seit dem J. 1407) sogenannten Haselholz und Buchholz und südlich davon mehrere Wirthschaftshöfe und Dörfer, von denen einige in alter Zeit auch zu Lehn ausgegeben waren. Weiter gegen Süden hatten die Grafen seit dem J. 1217 die Johanniter=Comthurei Kraak gestiftet, zu welcher nach ihrer vollendeten Ausbildung die Dörfer Kraak, Sülstorf, Moraas und Hoort gehörten. Daneben hatten die Grafen seit dem J. 1218 die Dörfer Uelitz und Lübesse an das Kloster Reinfeld bei Lübeck verkauft, welches später auch die Mühlen in und bei Schwerin erwarb. Dies war der alte Hauptstock der Klostergeistlichkeit in der Grafschaft Schwerin, welcher sich in einem schmalen, fast zusammenhangenden Streifen von Norden her von Eixen nach Süden hin bis gegen das jetzige Ludwigslust (frühere Lehngut Klenow) und Neustadt erstreckte. Die Stadt Neustadt, früher Glewe genannt, ward grade um dieselbe Zeit gegründet, da sie am 27. Sept. 1248 zuerst genannt wird; die Stadt Grabow ward aber erst am 1. Januar 1252 gestiftet.

Am Südende dieses Hauptstocks scheint nun noch Land frei und zur Stiftung des Nonnenklosters bestimmt gewesen zu sein.

Ehe dies aber zur Untersuchung kommt, muß eine Familie in die Geschichte geführt werden, welche für alle in Frage stehenden Oertlichkeiten und Stiftungen von großer Wichtigkeit ist: die Familie von Bodenstedt, welche ohne Zweifel aus dem Lüneburgischen stammte und den Grafen von Schwerin nahe stand. Der erste Bodenstedt in Meklenburg scheint der Ritter Burchard v. Bodenstedt gewesen zu sein. - Das St. Michaela=Kloster bei Lüneburg ließ zuerst ihre Schenkung Zesemow seit 1219, darnach Michaelsberg genannt, wohl durch Klostergeistliche verwalten, um die deutsche Cultur in dem noch wilden Lande befestigen zu helfen. Aber am 2. April 1256 gab das Kloster den Brüdern Jordan und Heinrich v. Bodenstedt und den Brüdern Hartwig und Heinrich v. Wittenlog das Dorf Michelsberg zu Lehn. Aber die Bodenstedt dauerten nicht lange aus; die Brüder Jordan und Heinrich waren ohne Erben gestorben, als das Kloster am 15. Juni 1265 ihre Hälfte des Dorfes zur eigenen Verwaltung wieder einzog, die andere Hälfte aber den v. Wittenlog bestätigte; jedoch

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ließ das Kloster der Wittwe Jordans v. Bodenstedt, Christine, zur Benutzung auf Lebenszeit diese eine Hälfte, welche sie noch am 23. März 1271 besaß 1 ).

Hier wird also der Anknüpfungspunct liegen, um es leicht begreiflich zu finden, warum in der Stiftungsurkunde von 1246 der Michelsberger Weg genannt wird.

Die Stiftung des Klosters Zarrentin wird aber durch die Familie v. Bodenstedt noch mehr oder vielmehr allein und ganz erhellt werden. Der Ritter Burchard v. Bodenstedt 2 ) und seine Söhne besaßen nämlich 6 Hufen und andere Güter, wahrscheinlich einen Ritterhof und Katen, in Zarrentin, 3 Hufen in Kölzin und 2 Hufen in Wokendorf, dessen Lage noch unbekannt ist. Diese Güter vertauschte 3 ) der Ritter Burchard 4 ) v. Bodenstedt mit seinem Sohne Dietrich und seinen übrigen Kindern im J. 1251 an das Kloster, welches jetzt schon in Zarrentin bestand und hier wahrscheinlich auch von dem Grafen etwas geschenkt erhalten hatte, gegen die dem Kloster gehörenden Güter, nämlich das Dorf Lübbelow, Besitzungen in Kalvestert und die Hälfte der Mühle in Alt=Wabel, womit Bodenstedt sogleich belehnt ward.

Diese letztgenannten Güter bildeten ohne Zweifel die 60 Hufen 5 ), mit denen das Kloster bei der Stiftung ausgestattet ward, und wir werden dieselben südlich von der Comthurei Kraak und dem Reinfeldenschen Klosterhofe Uelitz suchen müssen, oder, um vorweg klar zu reden, auf dem Raume ungefähr zwischen Neustadt, Ludwigslust und Dorf Wöbbelin.

Es kommt darauf an, die Lage dieser Güter nachzuweisen.


1) Vgl. Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 766, 1049, 1218, 1219, 1220.
2) . Im Ratzeburger Zehnten=Register, um 1230, wird zu Jesow im Kirchspiel Vellahn und zu Putselin in der Pfarre Wittenburg ein Burchard aufgeführt.
3) Vgl. Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 667, und Urkunden=Beilage Nr. 3.
4) In der Familie v. Lützow, welche zuerst im Lande Wittenburg und in der Gegend von Zarrentin vorkommt, kommt im Anfange des 14. Jahrh. der Vorname Burchard vor; vielleicht war ein Knappe Burchard v. Lützow 1326 ein Enkel des Ritters Burchard v. Bodenstedt von dessen Tochter. Im Ratzeburger Zehnten=Register 1230 wird zu Stenvelde im Kirchspiel Neuenkirchen ein Wipert aufgeführt, vielleicht der erste Lützow, da Wipert der eigenthümliche Vorname dieser Familie war.
5) Im Allgemeinen sind diese Entdeckungen schon zum Meklenburgischen Urkunden=Buche I, Nr. 586, Note, S. 558-559, und IV, S. 241, Zusätze zu Nr. 613, benutzt.
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Lübbelow, oder auch Alt=Lübbelow, jetzt mit Neu=Lübbelow, ist noch heute ein sehr großes, stark bevölkertes Bauerdorf zwischen Uelitz und Ludwigslust.

Kalvestert (Kälberschwanz) war ein Gut bei der jetzigen Stadt Neustadt 1 ), Waldung, auch noch auf der großen Schmettau'schen Karte verzeichnet und noch heute so genannt. In dem Amtsbuch des Amts Neustadt vom J. 1568 heißt es:

"Auch ligenn zu dißem Hause drei Meyerhoffe: Newenhoff, Kolbow vnd Jaßnitz.
                     Newenhoff.
Bei disem Hofe ligt einn Eichenn= vnnd Buchen=Mastholz, darinnen steitt auch viell Ellernn Weichholz, der Kelbersterth genant, ist aber nicht groß".
"Der Kelbersterth beim Newen Hoffe ist Eichen= und Buchenholz mehrentheils".

Der Acker von Kalvestert wird also in den Hof Neuhof übergegangen sein; die Waldung behielt den alten Namen.

Eben so berichtet der herzogliche Mathematiker Tilemann Stella in einer eigenhändigen Uebersicht des ganzen Amtes Neustadt vom J. 1576:

"Walde vnd Holtzungen.
Der Kalbersterth.

Darin ist begriffen:
Der Eichberg,
Der Lütke Schramp,
Der Große Schramp,
5 ruten brinck.

Dörfer.
Newehoff.

5 gemeine gutte wischen, nemlich:
Die Wickstersche wische,
Schnakenwinkelsche wische,
Der große Schrump,
Der Lütke Schrump,
Der viff roden brinck,
ohne was in der Großen wische geteilet wird".
"Ein eichen= und Buchenmastholtz (darinnen stehet auch ville Ellern weichholtz) der Kelber=Sterth genant."

Nicht weit von Neuhof ist auf ältern Karten auch noch eine "alte Dorfstelle" verzeichnet.


1) Nach einer Entdeckung des Hrn. Archivars Dr. Wigger; vgl. auch Mekl. Urk.=Buch I, S. 558, und II, S. 2.
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Alt=Wabel. Es liegt sehr nahe, hierüber den jetzigen Forsthof Wabel, südlich bei Neustadt, zu verstehen. Der Name muß früher eine Bezeichnung für eine große Raumausdehnung gewesen sein. Denn Tilemann Stella führt im J. 1576 im Amte Neustadt eine große Holzung, wie es scheint bei Blivenstorf, unter diesein Namen auf:

"Walde und Holzungen.
Blisensdorf - - -
Im dustern Furt 1 ) - - -
Die Woabel.
Das Duster ellern Holtz hinter der Woabel".

Es ist nun leicht möglich, daß das Dorf Wöbbelin, welches zwischen Lübbelow und Kalvestert liegte eine Abzweigung von dieser ehemaligen größeren Ortschaft ist.

Wir haben also die ersten Güter des Klosters Zarrentin in dem Dorfe Lübbelow 2 ) und in der Gegend zwischen Lübbelow und der Stadt Neustadt zu suchen.

Hiermit läßt sich vielleicht vereinigen, daß das neu gestiftete Kloster im J. 1246 auch das Eigenthum des Dorfes Marswittisdorf geschenkt erhielt, welches vielleicht der erste Sitz der Klosterverwaltung war. Es ist nun äußerst schwierig, die Lage dieses Dorfes ausfindig zu machen; dazu kommt, daß die Abschrift der Stiftungsurkunde verhältnißmäßig jung und schlecht ist und daher sich die Form des Namens nicht sicher verbürgen läßt. Wahrscheinlich ist daß der Name mit der Zeit um die erste Sylbe Mars - verkürzt ist, wie aus Michaelisberg = Cheelsberg ward. Ich habe bei Marswittisdorf wohl an Meierstorf bei Marnitz gedacht; aber dieses liegt zu weit entfernt. Es wird gerathener sein, auch diesen Ort in der Gegend von Lübbelow zu suchen. Bei Lübbelow und Wöbbelin nach Ludwigslust hin liegt ein Dorf, welches Niendorf heißt. Früher lag hier eine wüste Feldmark. Tilemann Stella sagt 1576:

"Lübbelow. Zu diesem Dorffe ligt ein wuste Feldt genandt die Sandforth".

Er führt auch auf:

"Walde und Holtzungen:
Weselheide,


1) Vielleicht Zarnestrom?
2) Lübbelow liegt mitten in einer sehr weit ausgedehnten, sandigen Ebene und scheint in ältester Zeit der Hauptort dieser Gegend gewesen zu sein. Das Dorf hat auch eine Kirche, jetzt von Holzfachwerk, im J. 1738 erbauet, welche aber sicher seit dreihundert Jahren ein Filial der Kirche der Stadt Neustadt gewesen ist.
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Sandfurt,
Weselkule".

Diese "Weselheide und Weselkule" halte ich für Ueberbleibsel eines Dorfes Weselsdorf, oder des alten (Mars)wittisdorf, welcher auch vielleicht (Mars)wissesdorf ausgesprochen werden konnte und vielleicht geschrieben ward.

Tilemann Stella sagt weiter 1576:

"Amt Neustadt. Dörfer.
Woppelin

ist gering und Santacker. Haben kein mast= oder weichholtz. Die Schweine laufen in der burgerholtz.

Die Wesselheide genannt".

Ich war nun nicht wenig überrascht, auf den neuesten Karten dicht bei Ludwigslust ein Dorf Weselsdorf zu finden, welche auf den ältern Karten fehlt. "Die Büdnerkolonie Weselsdorf ist aber auf der Feldmark Niendorf bei der Regulirung im Jahre 1831 gegründet und hat ihren Namen von einem ausgedehnten Waldcomplex, der Weselhaide", erhalten. Jetzt ist die ganze Fläche zur "Ackercultur gezogen, aber auf der Schmettau'schen Karte noch als Wald bezeichnet, zu zwei Malen, südlich von Wöbbelin zwischen dem Amtsdorfe "Neuendorf" und der Stadt "Neustadt", als "Wehsel=Heyde 1 )." Es wäre nun leicht möglich, daß nach 600 Jahren das Dorf den alten oder einen ähnlich klingenden Namen aus Ueberbleibseln erhalten hätte, die nicht mehr klar zu erkennen waren.

Wenn auch manche der vorstehenden Vermuthungen etwas gewagt erscheinen, so wird es doch kaum zu bezweifeln sein, daß das neue Nonnenkloster, ohne Namen, den ersten Besitz von 60 Bauerhufen in dem Dorfe Lübbelow und den südlich daran grenzenden Flächen zwischen Neustadt und Ludwigslust angewiesen erhielt.

Daß das Kloster zuerst kurze Zeit hier bestanden habe, wird auch durch die nächst folgende Schenkung bestärkt werden können, welche jedoch ebenfalls schwer zu erklären ist.

Am 1. Nov. 1246 hatten die Gräfin Audacia und ihr Sohn Gunzelin III. der "neuen Pflanzung" die vorerwähnte Schenkung von 60 Hufen gemacht. Nachdem der Graf mit seiner Mutter den Nonnenconvent in sein Land gerufen hatte, hatte er demselben, da eigene Mittel fehlten, zur Ergänzung des Mangel 60 Mark Pfennige an Geld versprochen. Um nun diese Schuld abzutragen und die neue Stiftung nach


1) Mittheilung des Herrn Drosten Spangenberg zu Neustadt.
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Kräften zu befördern, schenkte er zu Neustadt am 27. Sept. 1248, also fast 2 Jahre nach der Stiftung, dem Convent das Dorf Schonenlo (Sconenlo) und 4 Hufen in Holthusen, welche er durch eignes Geld erworben 1 ).

Das Dorf Schonenlo war bisher unbekannt und nicht aufzufinden.

Bei dem Dorfe Holthusen dachte man wohl an das jetzt untergegangene Dorf Holthusen, welches im Ratzeburger Zehnten=Register (1230) im Kirchspiel Camin bei Wittenburg aufgeführt ist und dem Kloster Zarrentin nahe liegt; am 9. April 1280 verkauften die Grafen von Schwerin das Eigenthum dieses Dorfes dem Kloster Zarrentin, welches viele Berührungen mit der Stadt Wittenburg und deren Umgegend hatte.

Aber das Holthusen, von dem hier die Rede ist, wird bei Schonenlo gelegen haben. Schonenlo ist aber jetzt entdeckt, wie weiter unten nachgewiesen werden wird, und lag südlich bei Schwerin am Buchholze und bei Holthusen. Es wurden also die Besitzungen des neuen Klosters bis nahe vor die Thore von Schwerin gerückt. Daher erklärt es sich auch, weshalb am 31. Oct. 1315 die Grafen Nicolaus und Gunzelin von Schwerin, Vater und Sohn, den Klöstern Zarrentin und Rehna das Eigenthum der Mühle in dem nahe bei Schwerin und Schonenlo liegenden Dorfe Pinnow verliehen.

Dicht südlich an der noch bestehenden Försterei Buchholz bei Schwerin lagen 3 Gehöfte, welche gewiß zu den ältesten sächsischen Colonien im Lande gehören, Schonenlo, Boldela und Holthusen, neben einander. Dies beweisen die Namen; das Gut Schonenlo ist mit dem Worte - lô oder - lôh, d. h. Holz, Hain, zusammengesetzt, welches seit alter Zeit und sehr häufig in den braunschweig=lüneburgischen Landen in Ortsnamen vorkommt, in Meklenburg, so viel wir uns erinnern können, sonst nicht. Gleichen Ursprungs wird der Name Boldela (oder Boldelo) sein, welcher oft in den Formen Boldela, Boldelag, Boldelage, auch Boldelow und Bollow vorkommt. Boldela war immer ein Hof, zuerst der Grafen von Schwerin, dann der Herzoge von Meklenburg. Noch zur katholischen Zeit mußte die Johanniter=Comthurei Kraak Burgdienste nach dem "Vorwerk Boldelag" leisten; so heißt es: "Den Borchdenst hebben myne g. h. im Durp Crack, und


1) Vgl. Mekl. Urk.=Buch I, Nr. 612, und Urkunden=Beilage Nr. 2
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dat se tor borch nicht vhoren deruen, hebben se den dinst to Boldelage, den luden tom Besten" (vgl. Jahrb. I, S. 70).

Die Lage am schönen Walde war sicher der Grund der Bevorzugung dieser Ortschaften. Die Gegend ist auch wohl seit jeher bis heute Wald gewesen. Nach der herzoglichen Haustheilung vom J. 1407 lag in der Hälfte des Herzogs Johann: "de helffte des Hasselholtes, des Bokholtes unde des Vyres in der syden to Holthusen wart".

Das Gut Schonenlo wird seit alter Zeit, wenigstens zum Theil, an Vasallen der Grafen zu Lehn ausgegeben sein, so daß wohl eine Familie den Namen davon trug. Johannes von Schonenlo hatte schon im J. 1240 2 Hufen in Lübesse an das Kloster Reinfelden verkauft und war im J. 1242 Zeuge bei dem Grafen von Schwerin bei Verhandlungen über Lübesse 1 ).

Das Gut Schonenlo wird aber früh an die Grafen von Schwerin zurückgefallen sein, da es der Graf Gunzelin III. am 27. Sept. 1248 dem neu gestifteten Kloster schenkte. Das Kloster Zarrentin ist auch immer im Besitze dieses Gutes geblieben. Als die Grafen Helmold und Nicolaus von Schwerin am 9. Juni 1279 dem Kloster die Schenkungen und Verleihungen ihrer Vorfahren bestätigten, wird unter diesen auch Sconenlo aufgeführt 2 ). Später wird das Dorf wenig genannt. Am 21. Sept. 1330 verpfändete der Graf Heinrich dem Kloster wegen der in das Kloster gegebenen Tochter des Wipert v. Blücher 6 Mark schwerinscher Pf. Hebungen aus der Bede des Dorfes Schonenlo ("Schonelo") zum Besten des Klosters 3 ), und am 3. Sept. 1355 ermächtigte der Graf Otto von Schwerin das Kloster Zarrentin, 60 Mark lüb. Pf., welche er demselben zur Präbende seiner Schwestertochter Richardis schuldig war, bis zum Abtrag aus der Bede des Dorfes Schonenlo ("Schonelo") zu erheben 4 ).

Nach dieser Zeit wird der Name lange nicht genannt. Das Dorf wird sehr früh untergegangen sein, denn schon bei der Durchführung der Reformation stand es nicht mehr und die Dorffeldmark war zerstückelt und unter die angrenzenden Dörfer vertheilt, obgleich sie noch immer nach Zarrentin gehörte.


1) Vgl. Mekl. Urk.=Buch I, Nr. 507 und 536.
2) Vgl. Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1492.
3) Vgl. Urkunden=Beilage Nr. 4.
4) Vgl. Urkunden=Beilage Nr. 5.
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In dem Amtsbuche des Amtes Schwerin vom J. 1550 (oder richtiger 1560-1563) lag nahe südlich bei Schwerin eine wüste Feldmark, welche das Schallouuer oder Schollower Feld 1 ) genannt ward. So heißt es beim Dorfe Krebsförden:

"Creuesfordt. Haben ire Veltscheidung vnd grenitz mit den Gorgesser vnd Wustenmarker vnd Schallouuerfeldt".

Diese "Schollower" Feldmark bei Hotthusen ist ohne Zweifel die "Schonloer Feldmark".

Schonenlo lag also südlich von Schwerin am Buchholz, zwischen Pampow und Boldela und Holthusen, ungefähr da, wo jetzt die Försterei Buchholz liegt, an der Nordgrenze der Johanniter=Comthurei Kraak. An dem bekannten "Rundel" im Buchholz, an der Chaussee von Schwerin nach Ludwigslust, nicht weit von der Försterei liegt noch jetzt eine "Dorfstätte" 2 ), welche sicher die Stelle des ehemaligen Dorfes Schonenlo bezeichnet. Die Feldmark war in der Mitte des 16. Jahrhunderts nach Südosten hin an die Bauern zu Banzkow und Mirow vertheilt, so daß sich wohl annehmen läßt, daß damals nach Süden hin wohl nicht so viel Holz am Buchholze stand, wie jetzt.

Zum sichern Beweise, daß die Schollower Feldmark das ehemalige Dorf Schonenlo war, dient die Nachricht, daß die Pächte von der Feldmark nicht an das Amt Schwerin, sondern nach Zarrentin entrichtet wurden. In dem alten Schweriner Amtsbuche heißt es:

" Bantzkow ".

"Das Closter Zarrentin hat eine wuste Veltmarcke, dauon geben die Paurn Geltpacht XI fl. XXXI ß. VIII pf."

Bei den einzelnen Bauern wird dann die Pacht für ihren Theil aufgeführt, z. B.

"Achim Cuhr der schultz vnnd tzolner, hat eine hufe landes, zinset zum hause Schwerin Pacht II fl. XV ß.
Gibt vom schallower velde gen Sarrentin Pacht I fl.
Carsten Brun hat anderhalbe hufe landes, zinset dauon aufs hauß Schwerin Pacht IIII fl.


1) Die Resultate dieser Entdeckungen sind schon im Mekl. Urkunden=Buch, IV, p. 241 b., zu Nr. 613 benutzt.
2) Entdeckung des Herrn Archivraths Dr. Beyer, in Verbindung mit den urkundlichen Nachrichten.
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"Gibt gen Sarrentin vom schallower velde pacht XXIII ß." u. s. w.

" Mirow.

Das Closter Zarrentin hat ein wuste veltmarcke, dauon gebenn die Paurn dem Closter Geltpacht III fl. III ß., Pachthabern VI ß."

Bei den einzelnen Bauern wird dann die Pacht für ihren Theil aufgeführt, z. B.

"Pawel Grabow. Gibt vom Sallower felde gen Sarrentin Pacht XI ß.
Lorentz Grabow. Gibt gen Sarrentin vom Sallower velde Pacht XVI ß." u. s. w.

Im Amtsbuche vom J. 1655 wird die "Zarrenthinsche Pacht" vom "Schlorfelde" oder "Schahlstower" Felde noch ein Mal aufgeführt.

Das im J. 1246 neu gestiftete Kloster ward also mit 60 Hufen, d. h. mit dem Dorfe Lübbelow und mit Gütern in Kalvestert undAlt=Wabel (bei Neustadt) ausgesteuert und besaß das Eigenthum des Dorfes Weselsdorf (Marwittisdorf) (bei Ludwigslust). Im J. 1248 erhielt es dazu das Dorf Schonenlo und 4 Hufen in Holthusen bei Schwerin geschenkt. Es war also nahe daran, daß in der Nähe von Schwerin ein großes Nonnen=Feldkloster aufgeführt worden wäre, und es möchte wohl dahin gekommen sein, wenn der Convent zu Schonenlo noch das Dorf Krebsförden und damit das Ufer des Ostorfer Sees hätte gewinnen können; denn es fehlte der jungen Stiftung noch durchaus an einer Lebensquelle, an Wasser. Ob sich schon ein kleiner Convent in Lübesse oder Schonenlo niedergelassen hatte, ist schwer zu sagen; bei der Schenkung von Schonenlo 1248 ist allerdings von einem Convent die Rede ("cum conventum sanctimonialium ad nostrum districtum vocaremus"). Es werden also durch die Sorge der Gräfinmutter Audacia 1248 wohl schon einige Nonnen im Lande gewesen sein, da ihnen eine Geldunterstützung versprochen war, statt deren aber ein angenehmer Landsitz in Schonenlo überwiesen ward. Es gestaltete sich aber die Lage sehr bald außerordentlich günstig, indem schon 1251 der Ritter Burchard v. Bodenstedt seine Besitzungen in Zarrentin, Kölzin und Wokenstedt gegen die alten Klostergüter Lübbelow, Kalvestert und Wabel vertauschte und das Kloster dadurch zu einem viel angemessenern Grundbesitz gelangte. Die Verlegung des Klosters nach dem in schöner Gegend am See gelegenen Dorfe Zarrentin, wo schon eine Kirche

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stand, wird sogleich geschehen sein, da schon in derselben Urkunde von 1251 der Nonnen=Convent von Zarrentin ("conventus sanctimonialium in Tsernetyn") genannt wird. Am 19. Mai 1252 bestätigte auch der Bischof von Ratzeburg das Kloster in Zarrentin ("in loco qui vocatur Tsernetin"), was nicht hätte geschehen können, wenn das Kloster wesentlich bei Schwerin bestanden hätte, da in diesem Falle die Bestätigung von dem Bischofe von Schwerin hätte ausgehen müssen.

Das Dorf Schonenlo und die Hufen in Holthusen blieben aber für immer bei dem Kloster.


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Urkunden=Beilagen.


Nr. 1.

Audacia, Gräfin von Schwerin, und ihr Sohn Guncelin überweisen der neuen Stiftung eines Nonnenklosters (in der Folge zu Zarrentin) 60 Hufen und das Eigenthum des Dorfes Marswittistorp.

D. d. Parchim. 1246. Nov. 1.

In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Amen. Vniuersis Christi fidelibus, ad quos presens scriptum peruenerit, A. comitissa filiusque eiusdem G. comes in Zweryn salutem in domino Jhesu Christo. Donaciones, quibus deuoto subsidio dotantur ecclesie, vt perpetuam obtineant firmitatem, huiusmodi scriptis auctenticis et fidelium testimonio conseruantur. Super quo propter eum, qui dat omnibus affluenter, nos quoque de nostris prouentibus sibi gracias referentes, assignauimus pro remedio animarum nostrarum noue plantacioni sanctimonialium LX a mansos inter viam Montis sancti Michaelis et inter aquam, [que] Tsarnestrom appellatur, proprietatemque cuiusdam ville, cui vocabulum est Marswittistorp, et vniuersa quesita vel acquirenda, cum omni iure et integra libertate predicto cenobio cum voluntate liberalissima conferentes et supplicantes diuino intuitu, quatinus huic collacioni nemo temptet in futuro aliquo grauamine obuiare, sed adieccionibus elemosin[a]rum amplius exaltare. Et vt huius donacionis certa permaneat prerogratiua, hanc presentem paginam sigillorum nostrorum munimine fecimus corroborari. Huius vero donacionis festes sunt: Wilhelmus, prepositus in Zwerin; fratres minores: Marsilius, Wernerus, Rychardus; Johannes de Molendino, Fridericus Hasencop, Fridericus de Euerigge, Nicolaus de Stralendorpe, Theodoricus Clawe et hii omnes milites. Datum in Parchem, anno dominice incarnacionis M° CC° XLVI, kal. Nouembris.

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Auscultata et diligenter collationata est hec presens copia per me Jacobum Woltsmidtt, sacra apostolica auctoritate notarium, et concordat cum suo vero originali de verbo ad verbum, quod manu propria protestor.

Nach einer beglaubigten Abschrift aus dem Anfange des 16. Jahrh. im Geh u. Haupt=Archive zu Schwerin. Gedruckt im Mekl. Urk.=Buch I, Nr. 586; vgl. die Anmerkungen daselbst.


Nr. 2.

Gunzelin, Graf von Schwerin, schenkt dem neu gestifteten Nonnenkloster (in der Folge zu Zarrentin) das Dorf Schonenlo und vier Hufen in dem Dorfe Holthusen.

D. d. Neustadt. 1248. Sept. 27.

In nomine sancte trinitatis et indiuidue unitat is. Guncelinus dei gratia comes Zwerinensis omnibus presentem paginam intuentibus salutem in Christo Jhesu. In plerisque gestis oritur oblivio nociua, que non recolit litteralis descriptio intentiua. Vnde ad memoriam omnium duximus reuocandum, quod cum nos simul cum matre nostra conuentum sanctimonialium ordinis Cisterciensis ad nostrum districtum uocaremus, eidem eo, quod proprie facultates deessent, LX a marcas denariorum in deffectus sui promisimus supplementum. Nos uero iam prefato conuentui pro modulo nostre possibilitatis prodesse uolentes, quandam uillam Sconenlo appellatam, necnon IIII or mansos in uilla Holthusen, nostris denariis comparatos, cum omni iure et obsequio, quo habere dinoscebamur, tum in recompensationem summe, quam supra taxauimus pollicite, tum pro ampliori gratia, pro nostre salutis merito inpendenda assignauimus, resignantes perpetuo sine offensione qualibet possidere. Vt autem successorum uersucia temere non destruat, quod modernorum discretio prouide ordinat, in donationis testimonium rei memorate nostrum sigillum cum nominibus testium infra dicendis duximus appendendum: Euerhardus, Johannes de Molendino, fratres, Theodericus Scacmannus, Fredericus Hasencob, Eggelbertus de Tribowe, milites, aliique quam plures. Datum

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apud Nouam Ciuitatem, anno gratie M ° CC° XLVIII°, quinto kalendas Octobris, indictione sexta, concurrente tertio.

Nach dem Original im Geh. u. Haupt=Archive zu Schwerin. An weißen linnenen Fäden hängt des Grafen Gunzelin III. zweites Siegel. Ge= druckt im Mekl. Urk.=Buch I, Nr. 612; Vgl. Anmerkung daselbst.


Nr. 3.

Gunzelin, Graf von Schwerin, bestätigt einen Vergleich, nach welchem das neu gestiftete Nonnenkloster, jetzt zu Zarrentin, seine Güter in Lüblow, Kalvestert und Alt=Wabel an den Ritter Burchard v. Bodenstedt gegen Güter in Zarrentin, Kölzin und Wokendorf vertauscht.

D. d. 1251.

Guncelinus dei gratia comes Zverinensis vniuersis Christi fidelibus hanc paginam inspecturis salutem in sa-lutis auctore. Quoniam que geruntur in tempere, ne la-bantur cum tempere, scripture debent testimonio perhen-nari. Notum esse uolumus vniuersis, quod prepositus, abbatissa et conuentus sanctimonialium in Tsernetyn commutationem quorundam mansorum cum Bur-chardo milite dicto de Bodenstede fecerunt sub hac forma coram nobis: Prepositus ex parte abbatisse et conuentus villam in Lubelov et bona in Calue-stert et medietatem molendini ad Antiquam Wobele in manus nostras cum omnibus attinentiis resignauit et nos eadem iam dicto militi Burchardo porreximus iure feodali. Idem uero Burchardus cum filio suo Thiderico et aliis filiis suis ad recompensationem eorundem bonorum sex mansos in Tsernetyn, quorum duo decimales sunt domino Raceburgensi episcopo, et cetera bona, que habebat in eadem uilla, et tres mansos in Colcyn, quorum medietas decimalis est do-mino Raceburgensi preposito, et duos mansos in Wo-kendorpe cum omni iure suo in manus nostras resig-nauit, quorum omnium p rop rietatem nos ad honorem dei et beate uirginis iam prefatis abbatisse et conuentui in Tsernetyn libere contulimus et absolute. Ne autem

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hec nostra donatio similiter et predictorum bonorum rationabilis commutatio possit ab aliquo malignantium deprauari, presentem paginam conscribi fecimus sygilli nostri munimine roboratam. Acta sunt hec anno domini M ° CC° L° I°. Testes huius rei sunt: clerici : Albertus scriptor, Bernardus plebanus Nove ciuitatis; milites: Tidericus Scacmannus, Conradus de Meynen, Johannes de Balgen, Herwardus et alii quam plures.

Nach dem Original im Geh. u. Haupt=Archive zu Schwerin. An einem Pergamentstreifen hängt des Grafen Gunzelin zweites Siegel. Gedruckt im Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 667. Vgl. die Anmerkungen daselbst.


Nr. 4.

Heinrich, Graf von Schwerin, verpfändet dem Kloster Zarrentin wegen der in das Kloster gegebenen Tochter des Wipert von Blücher 6 Mark Schwerinscher Pfenninge Hebungen aus der Bede des Dorfes Schonenlo, einlösbar für 40 Mark Lüb. Pf. zum Besten des Klosters.

D. d. Neustadt. 1330. Sept. 21.

Nos Hinricus dei gracia comes Zwerinensis lucide recognoscimus per hec scripta, quod ex parte filie Wiperti de Bluchere, quam religiosa domina domina abbatissa totusque conuentus monasterii in Cernetyn propter deum ac nostras peticiones ad eorum sumpserunt collegium, redditus sex marcharum denariorum Zwerinensium obligauimus et presentibus obligamus eisdem domine abbatisse et conuentui de nostra precaria ville Schonelo absque omni obstaculo annis singulis subleuandos, hoc prouiso quod huiusmodi redditus redimere poterimus pro quadraginta marcis denariorum Lubicensium, quarum decem marche dabuntur pro vestitu, residue vero triginta pro clenodiis iuxta consuetudinem in tali monasterio antiquitus obseruatam. In cuius rei testimonium sigillum nostrum presentibus est appensum. Datum Nienstadt, anno domini M ° c ° c ° c ° XXX°, in die beati Mathei apostoli et ewangeliste.

Nach dem Original im Geh. u. Haupt=Archive zu Schwerin. An einem Pergmentstreifen hängt ein kleines, rundes Siegel mit einem rechts

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gelehnten Schilde, queer getheilt, unter einem Helme mit zwei Flügeln; Umschrift:

Umschrift

Im Mekl. Urk=Buch I, S. 582, Note, ist die vorstehende Urkunde durch einen Druckfehler als aus dem Jahre 1350 stammend bezeichnet.


Nr. 5.

Otto, Graf von Schwerin, ermächtigt das Kloster Zarrentin, 60 Mark Lüb. Pf., welche er denselben zur Präbende seiner Schwestertochter Richardis schuldig ist, bis zum Abtrag dieser Summe aus der Bede des Dorfes Schonenlo zu erheben.

D. d. 1355. Sept. 3.

Nos Otto, dei gracia comes Zwerinensis, ad omnium noticiam presentem paginam volumus peruenire, quod reuerendo viro domino Alberto preposito et dilecte nostre matertere Audacie abbatisse totique conuentui in Cernetyn in sexaginta marcis denariorum Lubicensium de prebenda dilecte matertere Richardis, filie sororis nostre, racionabiliter sumus obligati, quos quidem denarios ipsis assignauimus presentibus et assignamus nunc in festo beati Mychaelis proxime venientis vltra ad annum continue subsequentem in precariis ville Schonelo, quantum dictis ex precariis, absque quatuor marcis denariorum Lubicensium prius dicte matertere nostre preexpositis, poterit euenire, expedite et pacifice capiendos, et sic deinde deinceps dictam precariam singulis annis retinendam et capiendam, quousque dictam summam integraliter sustulerint et habuerint, precariis ex eisdem, nostro ipsis tamen cooperante iuuamine, extorquendos. In quorum omnium testimonium sigillum nostrum presentibus est appensum. Datum anno domini M° CCC° L° quinto, feria quinta post festum decollacionis beati Johannis baptiste.

Nach dem Original im Geh. u. Haupt=Archive zu Schwerin. An einem Pergamentstreifen hängt ein kleines rundes Siegel mit dem rechts gelehnten, queer getheilten, unten schraffirten, mit einem Kleeblattkreuz belegten Schilde unter einem vorwärts gekehrten Helme mit zwei Flügeln, welche an den Seiten des Helmes mit zwei länglichen, schraffirten Brettern belegt sind; Umshrift:

Umschrift

 

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II.

Doberan und Neu=Doberan (Pelplin),

von

Dr. Ernst Strehlke ,

Geh. Archivsecretair am königl. Preußischen Geh. Staatsarchive zu Berlin.


U nter der Herrschaft des deutschen Ordens in Preußen ist das Klosterwesen nie zu einer besonderen Blüthe gelangt. Selbst ein mönchisches Institut, hatte er kaum Veranlassung die Stiftung von Gemeinschaften zu befördern, mit denen in Hinsicht der größeren oder geringeren Heiligkeit des Lebenswandels verglichen zu werden ihm einmal unbequem werden konnte, oder sonst, da die Bischöfe des Landes schon ein Drittel des ganzen Landes als eigene Fürstenthümer besaßen, auch in den anderen Theilen vielen Grundbesitz an die todte Hand übergehen zu lassen und denselben dadurch dem kräftigeren Eingreifen seiner eigenen unmittelbaren Wirksamkeit zu entziehen.

Als die deutschen Ritter die Eroberung und Bekehrung Preußens begannen, war für den Prämonstratenser=Orden die klassische Zeit der Ausbreitung vorbei; die Cistercienser drangen zwar auch damals noch immer weiter in den slavischen Landen nach Osten vor; aber die Männer des Tages, die beliebten Mode=Orden so zu sagen, waren die eben entstandenen der Bettelmönche. Da deren Gelübde die Besorgniß zu mächtigen Grunderwerbes auszuschließen schienen, und die Deutschherren, deren Ritual sogar dem der Dominikaner entlehnt war, namentlich an den letzteren kräftige Bundesgenossen bei der Christianisirung des Landes fanden, so nahmen sie denselben gegenüber von vornherein eine andere Stellung ein, als es hinsichtlich der Klöster älterer

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Orden geboten gewesen wäre, welche eigene Mittelpunkte bildend nicht wie die neuen Stiftungen sich in das Geräusch, aber auch in den Schutz der Städte und unter die Aufsicht der dieselben beherrschenden Burgen begaben. Doch wurde selbst für die Bettelorden die Befugniß, liegende Gründe zu erwerben, von jedesmaliger Genehmigung abhängig gemacht.

Als der deutsche Orden zu Anfang des 14. Jahrhunderts seine Herrschaft auch über den größten Theil des heutigen Westpreußens ausdehnte und in das Erbe der ostpommerischen Herzoge trat, fand er in diesem Lande einige Stiftungen von jenen älteren Orden vor, und zwar durch fürstliche Gnade zum Theile zu erheblicher Blüthe geförderte. Zwar das Benedictinerkloster S. Adalberti ad Quercum, oder Mogilno, St. Albrecht bei Danzig, das einzige Mannskloster dieses Ordens, welches es überhaupt je in Preußen gegeben hat, ist dann bald erloschen; zuletzt wird es 1333 erwähnt, nachdem es nicht viel länger als ein Jahrhundert (zuerst wurde es 1222 genannt) ein unbedeutendes Dasein gefristet hatte. Aber die beiden Cistercienserklöster Oliva und Pelplin 1 ) hatten, das erstere eine mehr als hundertjährige, das andere doch eine halbhundertjährige Epoche hoher fürstlicher Gunst durchlebt; sie sollten die Herrschaft des deutschen Ordens um mehre Jahrhunderte überdauern. So gnädig auch die Hochmeister beide mehrfach ihres Schutzes versicherten und ihnen denselben auch bethätigten, dem alten Hange der Cistereienser zu weiterer Propagation konnten diese Klöster nicht nachleben. Von beiden aus ist zwar die Gründung je eines neuen Mönchsklosters versucht worden; aber Swornigatz sowohl als Garnsee sind so zu sagen schon in der Wiege erstickt worden, und die noch weiter vorgeschobenen Klöster des Ordens, die nordöstlichsten, welche es überhaupt gab, Dünamünde, Falkena und Padis, knüpfen mit ihrem Ursprünge nicht an diese ihnen näher gelegenen preußischen, sondern an ältere, westlichere Gründungen an. Von zwei unmittelbaren Tochterstiftungen des Mutterklosters Citeaux, von Clairveaux und von Morimund, sind bekanntlich die Cistercienserconvente des gesammten Deutschlands und Polens ausgegangen. Oliva gehörte zur ersteren, Pelplin zur zweiten Familie. Und zwar ist Oliva (gest. 1178, 1186) eine Gründung von Colbatz (gest. 1173), welches seinerseits wiederum von dem seelän=


1) Ich bemerke hier, daß man heutzutage nicht Pölplin sagt, sondern nur die Form Ppelplin üblich ist, welche sogar jetzt im polnischen der Form Polplin vorgezogen wird.
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dischen Esrom (gest. 1151), einer Tochter von Clairvaux, (gest. 1115) ausgegangen ist. Es spiegelt sich auch in dieser Abzweigung der Einfluß der dänischen Machtentfaltung auf die südbaltischen Lande, während bei der weit späteren Stiftung von Pelplin, lange nachdem jene gebrochen, ganz andere politische Combinationen von Einfluß waren.

Indem nach den Gewohnheiten des Cistercienser=Ordens jedes Kloster zu den von ihm ausgehenden neuen Stiftungen gleicher Art in einem gewissermaßen elterlichen Verhältnisse blieb und nicht nur über die innere Disciplin derselben ein Visitationsrecht beibehielt, sondern auch eine gewisse Obervormundschaft über die Verwaltung des Vermögens, namentlich in Beziehung auf Veräußerung von Grundbesitz, ausübte, so ergeben sich aus den Ueberlieferungen der jüngeren, oft weit entlegenen Klöster mitunter nicht unerhebliche Beiträge zur Geschichte der Mutterklöster, und wie z. B. sich in den Urkunden von Doberan mancherlei Aufschlüsse über Amelungsborn finden, so in denen des Klosters Pelplin wiederum über Doberan. Ohne bei der Unvollständigkeit dieser Quellen und bei der Zufälligkeit ihrer Erhaltung eine abgerundete Darstellung und Geschichtserzählung versuchen zu wollen, habe ich hier nur der chronologischen Folge nach zusammengestellt, was in den mir zugänglichen Ueberlieferungen des Klosters Pelplin für die Geschichte von Doberan von Interesse sein konnte.

In dem I. Bande der Scriptores rerum Prussicarum p. 809 flgd. veröffentlichte Professor Hirsch ein "Monumentorum fundationis monasterii Polplinensis fragmentum", welches sich nebst einigen Urkundenabschriften auf den im Staatsarchive zu Königsberg beruhenden Pergamentblättern 17 bis 21 einer offenbar im Kloster angelegten amtlichen Sammlung befand. Als mir vor einigen Jahren der damalige bischöflich culmische General=Vicar, jetzige Dompropst, Herr Dr. Hasse in liberalster Weise die Durchmusterung der an Manuscripten westpreußischer Klöster sehr reichhaltigen Seminar=Bibliothek zu Pelplin verstattete, fiel mir das etwa 1420 geschriebene Copiarium von Pelplin in die Hand, aus welchem jene Blätter offenbar durch einen sachkundigen Mann, der aus dem ganzen Bande die Chronik herauszufinden gewußt hat, herausgeschnitten worden waren. Die königlichen Behörden haben seitdem den Frevel gesühnt und dem Bischofe die Blätter zurück erstattet, welche jetzt wieder an ihrer alten Stelle eingeheftet sind. Leider fehlen immer noch die Blätter 43, 44, 77 und 78. Im Meklenburgischen Urkundenbuche ist die gedachte Ausgabe II, 126 flgd. wiederholt worden.

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Die Handschrift V, H. d. 16 der genannten Bibliothek, 8°, in Pergament, enthält nunmehr wieder auf, abgesehen von jenen Lücken, 76 (also ursprünglich 80) paginirten Blättern meist nach dem Range der Aussteller geordnete Privilegien. Eine Hand des 16. Jahrhunderts betitelte sie: "Liber secundus privilegiorum monasterii". Vorauf geht ein Register. Die Erzählung von der Gründung ist zwischen die bischöflichen und die herzoglichen Urkunden eingeschaltet. Die Ueberschrift, offenbar um den Rest der Seite 16 v. zu füllen, so lang ausgesponnen, lautet: "Modus prime fundacionis ecclesie Samburiensis, que tunc Mons sancte Marie nominabatur, et cimiterii eiusdem consecracione ac de dotacione et oblacione sexcentorum mansorum ad eandem. Samburius, dux Pomeranorum, et Mechildis eius uxor primi fuerunt fundatores Polplyn. - Quando monasterium Polplin inicium habuit." Im Register, dessen Nummer 19 diese Schrift bildet, lautet ihre Anführung: "Quando monasterium Polplin inicium habuit. Anno dominice incarnacionis millesimo ducentesimo sexagesimo septimo de monasterio Doberanensi Swerinensis dyocesis assumptus est primus conventus monasterii Polplin in Pogockow, id est in Samboriam ecclesiam, ex nomine primi fundatoris, domini ducis Samburii, sie dictam; qui ibidem est ad novem annos demoratus. Anno vero domini millesimo CC septuagesimo sexto kalendas novembris propter loci incommoditatem transtulit se idem conventus in Polplin alias Novum Doberan dictum, ubi pronunc monasterium est constructum. Privilegia ducis Samborii, primi fundatoris. Modus prime fundacionis scilicet Samburiensis ecclesie, que tunc temporis alias Mons sancte Marie dicebatur, ut probat privilegium primum, quod apud Doberan habetur, fiebat per dominum ducem Samburium, uxorem suam et filias eorum de tempere domini Cunradi, tunc temporis Doberanensis abbatis, et eiusmodi confirmacio, decimarum oblacio et iam dicte ecclesie cimiterii consecracio fiebat per dominum Wislaum episcopum Wladislaviensem, qui conventum in ecclesiam Samburiensem mitti a capitulo Cisterciensi petiit per literas suas cum sui capituli Wladislaviensis consensu, ut supra 14. Sed de absolucione decimarum sexcentorum mansorum in Pogockow per dominum Alberum episcopum et capitulum Wladislaviense, qui supradictarum decimarum absolucionis, videlicet domini Wislai sui predecessoris, facit in suis literis specialem mencionem et ibidem confirmat eandem, vide numero 15." Wir kommen unten auf diese Urkunden zurück.

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Eine zweite, und zwar ältere Abschrift der Fundatio findet sich in dem gleichfalls auf der Bibliothek zu Pelplin vorhandenen, im Jahre 1402 nach älteren Quellen zu schreiben begonnenen Necrologium des Klosters, einem stattlichen Pergamentbande in groß Octav, dessen Seiten je zwei Tage umfassen. Aus dem Umstande, daß diese Handschrift den Namen Wolimirus giebt, die andere Wislaus, welche auch Cunradus statt des C. jener liest, darf man schließen, daß sie auf einer gemeinsamen Quelle beruhen, welche nur W. bot, nicht aber der Text im Copiarium von demjenigen beim Necrologium abgeschrieben ist. Bestätigt wird dies dadurch, daß in dem sonst viel flüchtiger geschriebenen späteren Texte, dem es auch an Auslassungen nicht fehlt, an einer Stelle ein in dem älteren nicht vorfindliches, unzweifelhaft richtiges "et" steht. Die Auflösung jenes W. als Wolimirus stimmt zu der Angabe 1263; Wislaus, den der jüngere Schreiber durch Verwechselung in den Text sowie in das Register brachte, war Bischof erst von 1284 bis 1300. Denselben Fehler machte derselbe auch bei der Zehntbestätigungsurkunde von 1282, April 13, wo er den Bischof Alberus auf seines Vorgängers "Wislaus" Schreiben an den Abt von Citeaux Bezug nehmen läßt, während dies selbst den Bischof nur als W. (d. i. Wolimir) bezeichnet 1 ).

Da in der Fundatio selbst der Verlegung des Conventes nach Pelplin (1276) noch nicht gedacht ist, vielmehr darin von "hoc loco Samburgensi" gesprochen wird, so ist ihre Abfassung wohl innerhalb der Jahre 1263 und 1276 anzusetzen, vielleicht erst nach Bischof Wolimirs Tode († 1271: cui nullus in probitate secundus eo tempore [sc. 1258] in Polonia surrexit). Einige Male findet wörtlicher Anschluß an die Urkunden Herzogs Sambor von 1258, Juli 10, statt. Daß ein Mönch des Klosters der Verfasser gewesen, ergiebt schon die Bezeichnung "fundator noster" für diesen Fürsten.

Aus der im Mekl. Urk.=Buch II, 129 nach dem im Staatsarchive zu Königsberg befindlichen Originale abgedruckten Urkunde Herzog Sambors von Liebschau ergiebt sich, daß bereits dessen gleichnamiger Oheim, Herzog Sambor I., Herzog Mestwins I. Bruder und wie dieser auch Gönner von Oliva (lebte 1178, † 1207?), dem Kloster Doberan (gest. 1170) Besitzungen in Pommerellen geschenkt hatte. Dieselben hingen


1) Wir lassen zum Schlusse eine neue Ausgabe der Fundatio ecclesie Samburiensis folgen.
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mit den Gütern der eigenen Stiftung Sambors II. zusammen. Ueber die Zeit dieser Schenkung läßt sich nichts Näheres angeben, eben so wenig wie über die Veranlassung, welche den Herzog gerade mit dem Kloster Doberan in Beziehung brachte. Daß seine Verleihungsurkunde 1258 dem jüngeren Herzoge vorgewiesen worden sei 1 ), sagt dieser nicht gerade; indeß ist es immerhin möglich. Auch darüber, ob Doberan je den fernen Besitz wirklich angetreten und in welcher Weise, ist nichts überliefert. Es liegt allerdings nahe nach Analogieen zu vermuthen, daß von vorne herein mit jener Schenkung die Absicht einer neuen, von Doberan aus zu vollführenden Klosterstiftung verknüpft gewesen sei. Des jungem Sambor Gemahlin Mathilde soll nach Quandts Annahme, welcher Klempin, Pommersches Urk.=Buch I, Stettin 1868, 4°, 364 flgd., mit sehr scheinbaren Gründen beitritt, eine meklenburgische Prinzessin und die 1248, Septbr. 12, als ihre Brüder bezeichneten Herren von Kassubien, Johannes und Nicolaus, niemand anders als die gleichnamigen Fürsten von Meklenburg und von Werle gewesen sein. Es existirte damals in Pommern keine Dynastie, der man sie zurechnen könnte, und Cassubia wurde noch gleichbedeutend mit Slavia gebraucht. Klempin combinirt dann weiter, daß die Vermählung nicht lange zuvor gefeiert gewesen sein möge, als 1229 sich Sambor in Pommern befand, und seine Gemahlin nebst ihrem Hofstaate nach einer mit großer Wahrscheinlichkeit in dasselbe Jahr zu setzenden Urkunde gleichfalls, diese bei der Herzogin Miroslawa jedenfalls zu Usedom, jener, wie sich annehmen läßt, zu Stargard. Vermuthlich hatte Sambor seine Gattin über beide Orte in die neue Heimath geleitet.

Eine bedeutende Schwierigkeit gegen die Annahme 2 ) erhebt sich indeß wohl aus dem Umstande, daß Herzog Swantopolk 1248, Septbr. 12, beide Herren, Nicolaus und Johannes, als Stiefbrüder bezeichnet, während man anderweit durchaus keinen Grund hat, ein solches Verhältniß unter ihnen vorauszusetzen.

Schon früh war von dem meklenburgischen Doberan eine Gründung ausgegangen, Dargun, welches selbst bereits wieder, zum Zeugnisse seines kräftigen Gedeihens, 1248 durch Herzog Swantopolks Freigebigkeit ein eigenes Tochterstift, Bukow, gewinnen konnte. Einst hatte das dänische Esrom 1172 eine Anlage in Dargun begonnen; doch zog sich der erste Convent, durch Kriegsunruhen von hier vertrieben,


1) Scr. rer. Pruss , I, 671, Anm. 8.
2) Dagegen auch M. U. B. IV, 202.
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1188 nach Eldena, und das leere Kloster wurde 1209 von Doberan aus neu besetzt, dem das Generalcapitel die Paternität 1258 unter Zurückweisung der von Esrom darauf erhobenen Ansprüche bestätigte.

1237, März 6, finden wir den Herzog Sambor im Meklenburgischen, und zwar, was zu beachten ist, zusammen mit dem Abte Gottfried von Doberan 1 ) (r. 1186-1210 und von neuem 1229-1242). Es liegt nahe zu vermuthen, daß zwischen beiden auch über den pommerellischen Besitz dieses Klosters Rath gepflogen sein wird.

1248 vermählte Sambor seine Tochter Margaretha an den König Christoph von Dänemark, für den er 1253 mitsammt den wendischen, d. i. meklenburgischen Fürsten sich wegen rechtzeitiger Belehnung der Söhne König Abels mit Schleswig verbürgte. Dieselbe ging dann auch 1254 wirklich vor sich 2 ).

1254, April 11, starb Herzog Sambors einziger Sohn 3 ), Subislaw; derselbe wurde, wie die Fundatio berichtet, im Dominikanerkloster zu Stralsund bestattet. Er wird in der Nähe gestorben sein, und weist dieser Umstand wiederum auf Beziehungen der herzoglichen Familie zu den Fürstengeschlechtem jener Gegenden hin. Vielleicht belebte der Tod seines Erben aufs Neue die Absicht Sambors, ein Kloster zu stiften 4 ). Bei dem Cistercienserorden selbst geführte Verzeichnisse geben als das Jahr, in welchem dieselbe ins Leben trat, 1257 an 5 ). Die wirkliche Gründung geschah indeß


1) Urkunde für das Domstift zu Güstrow v. O. Mekl. U. B. I, 462; in schlechtem Texte bei G. Thiele : Der hochfürstlichen Domkirche zu S. Cöcilien in Güstrow 500jähriges Alter, Rostock 1726. 4°. Doc. p. XIII. E. Cod. Pomeran. 245.
2) Barthold Gesch. von Pommern II, 518.
3) S. Necrol. Polpl. in der Beilage.
4) Nach 1256, März 25 (zwischen 1256, Mai 13, zu Dirschau, und 1257, Juni 11, auch daheim) befand sich Sambor bei seinem Schwiegersohne, dem Könige Christof von Dänemark, unter andern zu Lund; Scr. rer. Pruss. I, 737. - Vgl. u. S. 30 filio.
5) In Citeaux selbst und dann auch in den vier großen die weitere Propagation des Ordens vermittelnden Tochterklöstern La Ferté, Pontigny, Clairvaux und Morimund wurden Verzeichnisse der von ihnen ausgegangenen Klosterstiftungen geführt, in welche sich jedoch mancherlei Abweichungen einschlichen, vgl. Annales Cistercienses bei Winter: Die Cistercienser des nördlichen Deutschlands, Gotha, 1868, wo S. 313 ff., S. 319 u. s. w. der Ausgabe eine Ebracher Handschrift des 15. Jahrh. zu Grunde gelegt ist. Der Orden sah den Tag, an welchem der Convent in das neue Kloster zog, als den Stiftungstag an, dem die Ueberweisung der Güter seitens eines weltlichen Herrn, der Entschluß zur Uebernahme der Klosterstiftung seitens eines schon bestehenden Klosters, die Erteilung der Genehmigung seitet des Generalcapitels, (  ...  )
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erst im Jahre 1258. Herzog Sambor führte dieselbe aus, wie er selbst sagt, zu seiner Vorfahren, namentlich seiner Eltern Mestwin und Swinislawa, seines Sohnes Subislaw, seiner Gemahlin Mechthild und seiner Töchter Seelenheile; als eigentlichen Geburtstag, an welchem die "Kirche zu Samburia, Samburg", wie man sie nach dem Gründer benannte, "begonnen" wurde, bezeichnet die Fundatio den 20. Juni. Der Herzog hatte aus Doberan Mönche kommen lassen (ein Abt und zwölf Mönche waren gewöhnlich zu solcher Colonie erforderlich nach Christi und seiner Jünger Vorbilde 1 ), und versprach zunächst die neue Stiftung mit 300 Hufen auszustatten. Am 29. Juni schon, dem S. Peter und Paulstage, konnte die Weihe der provisorisch erbauten hölzernen Kirche mit großer Feierlichkeit vor sich gehen. Fünf Messen waren bereits gelesen worden; bei der sechsten, der eigentlichen Weihemesse, welche auf Bitte des Herzogs der gleichfalls anwesende Abt von Doberan celebrirte, trat jener mit seiner Gemahlin und allen seinen Töchtern während des Offertoriums an den Altar und schenkte auf feierlich symbolische Weise das Doppelte der ursprünglich beabsichtigten Gabe, 600 Hufen, der neuen Stiftung und bestätigte ihr die gleichzeitig von mehren Großen seines Hofes gemachten Schenkungen. Der Abt von Doberan aber bestätigte kraft Autorität seines Ordens gleichfalls in feierlich symbolischer Weise mit seinem Hirtenstabe alle diese Verleihungen.

Die Erzählung dieses ganzen Vorganges, wie er von dem Samburger Mönche berichtet wird, giebt zu einigen Bemerkungen Anlaß. Zunächst nennt er als Sambors vier Töchter Swinislawa, Euphemia, Salome und Gertrud.


(  ...  ) der Beginn der nothdürftigsten Einrichtung des Klosterbaues fast regelmäßig ein oder einige Jahre vorauf gegangen waren. Beide mit der Gründung von Neu=Doberan sich beschäftigende Angaben weichen von der localen Überlieferung ab; die zweite, sie auf 1257 fixirende erklärt sich vielleicht aus der von Winter angemerkten Eigenthümlichkeit des Verzeichnisses, auch bei gewissen anderen Klöstern das Stiftungsjahr um eine Einheit hinaufzurücken, 1) Lautet S. 357 Nr. 764 zu 1251: Eodem anno abbatia de Popelein, Morimundi abneptis, proneptis Campi, neptis Amelsburn, filia Doberan; in der Langheimer Bearbeitung: 1251 abbatia de Populein filia Doberan. Die Bedeutung der Jahrzahl 1251 für Samboria ist uns unbekannt; der Name Pelplin konnte jedenfalls erst nach 1276 in das Verzeichniß gekommen sein. 2) S. 359 Nr. 792: Anno domini 1267 abbatia de Samburia. (L): 1267 fundata est abbatia de Samburia. Das von Jongelin Notitia abbatiarum etc. gegebene Jahr 1190 bedarf weiter keiner Widerlegung; es für Sambors I. Schenkung in Anspruch zu nehmen, wäre denn doch zu gewagt. Uebrigens war genau nach dem Alter der Klosterstiftung dem Abte des betreffenden Klosters der Platz auf dem Generalcapitel bestimmt."
1) Vgl. Winter a. a. O. S. 8.
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Margaretha, seit 1248 1 ) Gemahlin Christophs, der 1253 König von Dänemark wurde, nennt er nicht. Da die Schicksale der drei letzten zur Genüge bekannt sind, so schien nichts übrig zu bleiben, als Swinislawa mit Margaretha zu identificiren, wie Hirsch in den Scr. rer. Pruss. I, 810, Anm. 3, thut 2 ). Sie müßte denn damals (1258) einen Besuch in der Heimath gemacht und der Berichterstatter, was doch eigentlich unwahrscheinlich ist, ihre Eigenschaft als Königin zu erwähnen nicht der Mühe werth gehalten haben.

Unter dem Abte von Doberan versteht die Fundatio übereinstimmend mit den Gründungsurkunden den Abt Conrad. Eine Hauptquelle für die Chronologie der Doberaner Aebte ist die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts verfaßte Reimchronik Ernst's von Kirchberg. Nach ihr (bei Westphalen Mon. ined. IV, 774) wäre in demselben Jahre wie Herr Johann von Meklenburg, 1260, der Abt Heinrich gestorben und ferner auch dessen Nachfolger Conrad, worauf Werner Abt geworden sei 3 ), vor 1262. Urkundlich erscheint Heinrich als Abt noch 1257, April 11 (M. U. B. II, 102). In der oben erwähnten Urkunde von 1258, wodurch das Generalcapitel des Cistercienser=Ordens dem Abte und Kloster von Doberan die Paternität über Dargun zu= und dem Kloster Esrom abspricht, wird der Name des Abtes (M. U. B. II, 116), welcher sich durch einen Sachwalter in Citeaux vertreten ließ, nicht genannt. Indem wir zunächst von den Pelplin betreffenden Urkunden von 1258, Juli 10, absehen, welche den Abt Conrad von Doberan nennen, erwähnen wir, daß in der 1259, Juni 7, zu Esrom auf Seeland ausgestellten Urkunde letztern Klosters, wodurch dasselbe gegen von Doberan gezahlte 30 Mark Silber auf alle jene Paternitätsrechte über Dargun verzichtet (M. U. B. II, 135), der Abt von Doberan auch C., d. i. Conrad genannt wird, der übrigens persönlich einen bezüglichen Befehl des Diffinitors, Abtes Johann von Clairvaux, vorgewiesen habe. Am natürlichsten ist es, jenen Abt grade zur Zeit der Ausstellung der Urkunde 1259, Juni 7, in Esrom anwesend zu denken. 1260, Mai 26, lebte Conrad noch, (M. U. B. II, 153). Kirchbergs Nachricht über seinen Regierungsantritt


1) So nach Cohn Genealog. Tabellen.
2) Daß die Urkunden vom 10. Juli 1258 Christophs Regierungsjahre zählen, erklärt sich anders; s. u.
3) Man muß hinter irwarb ein Punktum setzen. Mit "Darnach, als man zwelfhundirt jar und zwei und seszig schreib virwar" beginnt ein neuer Satz.
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ist jedenfalls unrichtig; zur Controle der übrigen erwähnten fehlt leider genügendes Material.

Wenige Tage nach jener feierlichen Kirchweihe ließ der Herzog 1258 Juli 10 zu Dirchau feierliche Schenkungsurkunden für die neue Stiftung ausfertigen. Es sind mir drei bekannt geworden, deren Wortlaut sich zum Theil von dem Verfasser der Fundatio benutzt findet.

1) In der ersten 1 ): "Datum in Dersowe anno dominice incarnacionis 1258, indiccione I., 6 idus iulii, tempere domini Allexandri pape, Richardo Romanorum regnante rege et Christofero regnum Dacie feliciter gubernante", bekundet Herzog Sambor, daß er Mönche von Doberan zur Gründung eines neuen Klosters berufen und der St. Marienkirche zu Samburia, Cistercienser=Ordens, in Pommern im Districte Garzen (heute Garczyn, Kreises Berent) die Güter Pogotechow 2 ), wo die hölzerne, im Laufe der Zeit durch eine steinerne zu ersetzende Kirche errichtet ist, Cobylow und Cosmenyn geschenkt, so wie ihr mehre aufgezählte Freiheiten verliehen habe. Die folgenden Worte über den Abt von Doberan hat der Verfasser der Fundatio zum Theil wörtlich hinübergenommen: "Testes huius donacionis vel facti sunt: dominus Conradus abbas Doberanensis, qui post offertorium, ita ut erat sacerdotalibus indutus, apprehensa virga pastorali in die apostolorum Petri et Pauli sub banno suo a manu nostra et uxoris ac filiarum nostrarum 3 ) in Samburia recepit, assistentibus monachis et sacerdotibus, Johanne videlicet de Ruia, Segebodone, Bonifacio, Nycholao, Ludolfo, qui primi in hac novella plantacione fuerunt, cum conversis sibi deputatis Conrado, Hermanno, Woltero, Alberto" 4 ). Vielleicht darf man in dem Segebodo den in einer Urkunde des Abtes Heinrich von Doberan von 1257, April 11,


1) Orig. mit den Siegeln Sambors und der Mathilde auf dem Staatsarchive zu Königsberg; gedruckt M. U. B. II, 124 f. Abschriftlich auch im Copiarium zu Pelplin 18 v., Nr. 20, wodurch die im M. U. B. als unsicher eingeklammerten Silben beglaubigt werden. Außerdem heißt es dort (vgl. M. U. B. II, 125, Z. 12): vel eius prata cum videlicet terra ab extraneo - comparuerint - S. 126. curie nostre - Dirssowe - Rateborch - Dyrsowe - Dirssowe - Crystofero.
2) Pogutken liegt nicht, wie M. U. B. II, 127 gesagt ist, bei Straßburg in Preußen, sondern an der Ferse im Bereuter Kreise; Koschmin etwas südlich davon, Kobilau westlich in der Nähe.
3) Man beachte, daß der Herzog selbst nicht von allen seinen Töchtern spricht.
4) Man vermißt die sonst erforderliche Zahl von dreizehn, welche erst 1267 vollzählig zu sein scheint. Auch der Name des ersten Abtes Gerhard ist nicht darunter.
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genannten Mönch und Werkmeister von Doberan, Sigebodo, wieder erkennen (M. U. B. II, 103). Gelegentlich der letztgenannten Urkunde, welche von einem Mönche Conrad niedergeschrieben wurde, ist noch die Datirung zu bemerken: "domini Burewini iunioris temporibus, domno Christofforo rege regnum Datie feliciter gubernante". Der letztere ist nämlich auch in der Schlußformel der beiden, wahrscheinlich von dem Doberaner Abte Conrad selbst redigirten Haupturkunden für Samburia von 1258, Juli 10, aufgeführt: "tempere domini Allexandri pape, Richardo Romanorum regnante rege et Christofero regnum Dacie feliciter gubernante". Das Copiarium enthält auf S. 18 v. Nr. 20 die erstgenannte Urkunde in einer etwas vollständigeren Form, indem namentlich mehrere Freiheiten und dann die Grenzbeschreibung des geschenkten Gebietes eingeschaltet sind. Das betreffende Stück ist abgedruckt im M. U. B. II., 126. Anm. 1 ). Der Schreiber des Copiariums bemerkt zu dieser Urkunde, daß das Original in der Bursa abweiche (das ist also das in Königsberg befindliche), das Doberaner hingegen übereinstimme. Zu bemerken ist, daß in dem Copiarium die Stelle von der demnächst in eine Steinkirche umzuwandelnden Holzkirche nicht vorhanden ist.

2) Die zweite Urkunde d. d. 1258, Juli 10, Dirschau, ist in M. U. B. II, 127, Nr. 829, nach den damals in Königsberg befindlichen Blättern des Pelpliner Copiariums abgedruckt; ihre letzten beiden Zeilen, welche demgemäß in der Ausgabe fehlen, stehen schon auf der Seite 22 2 ). Herzog Sambor bezeugt darin, daß Abt Conrad von Do=


1) Man bessere daselbst: Garzen; stangnis; molis et molendinis; nutrimentis; filio statt filia; abbacie Veczissam; Rutchouenicze totam (die Handschrift hat freilich tatam); inde dimidiam. Leider dürfte das ehemals Doberaner Original=Exemplar der Urkunde kaum mehr erhalten sein, so daß eine Prüfung der äußeren Authencität nicht möglich ist. Es läßt sich nicht leugnen, namentlich im Hinblicke auf die unten zu berührenden Fälschungen zu demselben Tage und zu 1274, daß diese gleichzeitige Ausfertigung eines zweiten Originals mit derartigen Einschaltungen doch sehr verdächtig erscheint.
2) Ueberhaupt bessere man in dem Abdrucke 127: Garczin; 128: fragranti; Incipiunt autem primo a stangno; tremulum ex utraque; auf der folgenden Zeile: singnatam; parvam, die Handschrift hat parvum; in der folgenden Zeile: singnatam; singnatam; singnum, und so meist; quercum prope parvum montem bene singnatum statt prope Perimwente signatam; prope viam regiam; arenosum pro singno congestum; singnatam; ad acerwum lapidum, super quem; singnata, u. s. w.; stangnum; Brunswich; 129: Romanorum regnante rege et Crystofero regnum Dacie feliciter gubernante.
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heran der neuen Pflanzung zu Samburia, die er, der Herzog, mit Mönchen dorther besetzt habe, alle den Besitz überwiesen habe, den sein Oheim Herzog Sambor (I.) ehedeß dem Kloster Doberan geschenkt hatte. Derselbe stoße an die von ihm selbst dem neuen Kloster gegebenen Güter und liege innerhalb bestimmter aufgeführter Grenzen.

3) Das Copiarium von Pelplin enthält auf S. 22 Nr. 22 noch eine dritte Urkunde Sambors von demselben Tage, 1258, Juli 10, Dirschau. Der Herzog (dux Pomeranorum et princeps) verleiht dadurch unter Beistimmung seiner Gemahlin und Kinder "fratribus ordinis Cisterciensis a nobis evocatis de loco Doberanensi in terram hereditatis nostre, que nunc Samboria appellatur, collatis (collocatis) in presencia domini Wernheri tunc abbatis Doberanensis", die Mühle Spangow und das Wasser aufwärts und abwärts bis Dobekowe und Damorozise, unter Vorbehalt für sich und seine Gemahlin ohne die Abgabe der s. g. Metze bis an ihr Lebensende dort mahlen lassen zu können, ferner einen Fischzug in der Weichsel zu Miscina, die Fischerei im Windenczteiche, wo derselbe Golon heißte zwischen LeIeconissa und Zebroda, das Dorf Golube, 12 Hufen im Lande Mewe, nämlich 8 auf der Höhe und 4 auf den Wiesen zwischen Sprudow und Zosink; er bestätigt ferner die vom Ritter Johann von Wittenborch ihm zu dem Behufe aufgelassenen Dörfer Godeschowe und Malelyn. Als Zeugen erscheinen zuerst die Geistlichen: Heinrich von Minden, Sigeboto, Bonifacius, der Hofcaplan Abraham, der Pfarrer Johann von Dirschau; die Ritter Johann von Wittenburch, Herbord, dessen Sohn 1 ), Hermann Teufel, Domeslaus 2 ) und andere Mönche und Laien. Die Datirung ist einfach: "Datum in Dirssow a. d. i. 1258, ind. I, sexto ydus iulii". Ein dominus Henricus de Mynda erscheint als Zeuge unter des Fürsten Nicolaus von Güstrow Urkunde von 1256, Mai 1, Röbel, für Doberan; 1260 als Zeuge Herzog Sambors in der Handfeste von Dirschau zu Dirschau dominus Heinricus de Mynda ordinis Cisterciensis; wegen Sigeboto vergl. oben S. 29 und 30. Auch Bonifacius erscheint unter den ersten Mönchen. Abraham, herzoglicher Hofkaplan, heißt hier tunc curie nostre capellanus. Die Abweichungen in der Redaction von den beiden voraufgehenden Urkunden machten diese dritte Urkunde schon verdächtig; zweifellos unächt aber muß sie


1) Vgl. unten S. 32.
2) Zeuge auch 1260, März 10.
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wegen der Erwähnung des Abtes Werner von Doberan ("in presentia domini Wernheri tunc abbatis Doberanensis contulimus") erscheinen. Denn auch noch Swantopolks Confirmationsurkunde von 1260, Febr. 15, nennt Werners Vorgänger Conrad als anwesend. Hiezu kommt noch, daß der Zeuge Herbord als Johanns von Wittenburg Sohn bezeichnet wird (milites vero Johannes de Wittenburch et Herbordus filius suus). Nun liest man auch in der Urkunde Sambors von 1256, Mai 13 (zu Lucas David ed. Hennig III, 33): "Johannes scultetus d[ictus] de Wittenburg milites; Herbordus filius suus Conradus de Lugendorf"; wohin jedoch das filius suus zu beziehen ist, lehrt die zu Lucas David S. 35 nachfolgende Urkunde, worin als Zeugen aufgeführt werden: "Johannes scoltetus de Dyrsowe dictus de Wittenburk milites; Herbordus et Conradus de Legendorf, filius suus." Den Fälscher täuschte eben jene Urkunde von 1256, Mai 13, wie es scheint.

Bei der Unsicherheit von Sambors Herrschaft und der Abhängigkeit desselben von seinem Bruder Swantopolk 1 ) hielt es der Abt von Doberan für geboten, auch von letzterem eine Bestätigung der neuen Stiftung zu erwirken. Die zu Königsberg im Original erhaltene Zollfreiheitsurkunde 2 ) Herzog Swantopolks für die "mit seiner Bewilligung durch seinen Bruder ins Leben gerufene neue Pflanzung" (quam Doberanensis ecclesia in terra fratris nostri Samburii de consensu nostro iniciavit, videlicet Montem sancte Marie) ist 1260 (Febr. 15), Estomichi, zu Schwetz per manum Conradi abbatis de Doberan ausgefertigt; von demselben Datum ist auch Herzog Swantopolks gleichfalls im Originale zu Königsberg 3 ) erhaltener allgemeiner Schutzbrief (novellam plantacionem videlicet Montem s. Marie, que ecclesia est ordinis Cisterciensis, quam frater noster dominus Samborius dux tam pro patre nostro et matre, quam eciam pro remissione suorum et heredum nostrorum peccaminum per fratres Doberanensis ecclesie iniciavit). Der Umstand, daß in Scr. rer. Pruss. I, 812 f. der beiden Schreiben Kb. LIX. 2. und 3. Inhalt in eins zusammengezogen ist, hat veranlaßt, daß die Bemerkung 4 ): "Abt Conrad von Doberan hat die


1) S. namentlich Scr. rer. Pruss. I, 691, Anm. 47.
2) M. U. B. II, 114, Nr. 856.
3) Auch Cop. Pelpl. 38 Nr. 36.
4) Welche Angabe übrigens eben nur in der Urkunde betreff, die Zollfreiheit sich findet; gedruckt M. U. B. II, 144, Nr. 856. Indeß theilt mir Dr. Meckelburg mit, daß Zeugen und Datum in der gleich datirten Bestätigungsurkunde allerdings von derselben Hand wie jene ganze Urkunde geschrieben sind.
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beiden Schreiben abgefaßt" von den Herausgebern des M. U. B. II, 151 irrtümlich auf jenes vorausgesetzte eine Document von 1260, Febr. 15, und das S. 812 unmittelbar vorher nach den Annalen von Pelplin angeführte dritte von 1258, Juli 10, bezogen worden ist. In Wirklichkeit kommt Conrads Name in dieser Urkunde nicht vor. 1260, März 1, schenkte Herzog Sambor 1 ) dem Abte Conrad von Doberan das Dorf Gollube; dieser wird es dem neuen Kloster überwiesen haben. 1260, März 10, Dirschau, verlieh der Herzog dann seiner Stiftung das Gut Dobkow 2 ), das neben der Mühle von Spangow liege, welche er nuperrime ebenfalls dem genannten Kloster verliehen habe (Or. in Königsberg; M. U. B. II, 150). Wäre die dritte Urkunde von 1258, Juli 10, acht, und nicht etwa, wie es scheint, zum Ersatz einer frühe verlorenen angefertigt, so müßte man sie hier erwähnt glauben. 1257, April 11, war Werner Prior von Doberan; wollte man in jener etwa abbatis statt prioris verschrieben annehmen, so wäre doch nicht verständlich, warum dieser in Gegenwart seines Abtes Conrad sein Stift zu repräsentiren gehabt hätte, was der Abt an demselben Tage nachweislich an dieser Stelle selbst gethan hat.

Ausdrücklich erwähnt die Fundatio, daß Abt Conrad hiebei in Machtvollkommenheit seines Ordens, d. h. also des Generalkapitels gehandelt habe. Letzteres muß also um die ganze Sache gewußt und ihn dazu bevollmächtigt haben, wie auch die oben erwähnte officiöse Aufzeichnung des Gründungsjahres 1257 annehmen läßt. Eine Abweichung von der Regel scheint indeß insofern dabei stattgefunden zu haben, als einen nicht vollzähligen Convent in die neue Klosterstiftung zu setzen, gewissermaßen versuchsweise, verstattet wurde. 1261, Juli 6, zu Parchan ersuchte dann der Diöcesanbischof, Wolimir von Kujawien, zugleich mit seinem Kapitel und dem Herzoge Sambor das Generalkapitel des Cistercienserordens, zu der von Sambor begonnenen und mit 600 Hufen ausgestatteten neuen Cistercienserstiftung Samburch, welcher er die Bischofszehnten dieser 600 Hufen überweise, nach der Ordenssitte einen Abt und Convent von Doberan aus abzusenden, da die Absicht sei, jene mit Gottes Hülfe zu fördern 3 ). Zu einem vollständigen Convente mit einem


1) Scr. rer. Pr. I, 812, Anm. 11.
2) Im Cop. Pelpl. 22 v., Nr. 23. In der Handschrift der Danziger Stadtbibliothek I, E. 4° 166, p. 115.
3) Or. in Königsberg, gedr. M. U. B. II, 187. Cop. Pelpl. Nr. 14 p. 13. Daß sich ein Exemplar, das Königsberger, dieser Urkunde in Pelplin (  ...  )
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Abte an der Spitze wurde durch die von Doberan aus nachgesandten Brüder die bisherige, im Anfange nur von fünf Mönchen und vier Laienbrüdern dorther begründete Gemeinschaft erst im Jahre 1267 erhoben. Der Annalist von Pelplin, welcher sein sehr vortreffliches, bis 1587 hinabgehendes Werk 1 ) um 1630 verfaßte, erwähnt dies ex monumentis variis monasterii. " Memoriam huius rei", sagt er, "patres nostri hoc disticho ad nos transmiserunt:

Aspice MVXLICCI: Zamboria tunc monachorum (1267)

Mestvini precibus coepit habere chorum.
Samborii precibus coepit habere chorum.

Nec amplius quid huius rei annotatum."

An der Thatsache dürfte kaum zu zweifeln sein.

Als Abt von Samburg erscheint in einer Verleihungsurkunde Sambors über Cobilow und Cosmenyn 2 ), d. d. Dirschau, 1269, Febr. 26 (Cop. Pelpl. 23 v., Nr. 24) Gerhard, jedenfalls der erste; sein Nachfolger Ludolf (urkundlich 1276, März 29, bei Sambor zu Elbing, Lucas David III, Urk. 37, Nr. 19; Acta Borussica III, 287) wird jener aus Doberan unter den ersten herbeigekommene Mönch des Namens gewesen sein. Das officielle Pelpliner Verzeichniß führt beide Pogutker Aebte nicht mit auf.

Nur neun Jahre blieb das Kloster an seiner ersten Stätte, und wurde dann 1276 nach Pelplin verlegt. "Cuius rei memoriam", sagt der Annalist S. 26, "patres nostri ad nos transmittere voluerunt hoc disticho:

Simonis et Jude CLVXVICVM consule nude.

Poelplin fundatur, dum tibi scire datur", (1276, Oct. 28).

1276, März 24, zu Elbing hatte Sambor in feierlicher Urkunde, wohl in Gegenwart des Abtes Ludolf, den Ort Pelplin dazu geschenkt, sowie noch einige andere Ortschaften. "Notum esse volumus", sagt er (Copiar. Pelpl. 25. v., Nr. 25. 3 )), quod cenobio in Samboria, quod constructum est in honore dei est eins gloriose matris et perpetue virginis Marie Cisterciensis ordinis Wladislaviensis diocesis de patrimonio nostro fratribus de Doberan viris religiosis contulimus locum ad abbacie situacionem in terminis terre nostre, Garszino


(  ...  ) befand, erklärt sich daraus, daß die Urkunde zugleich ein Document über jene Zehntverleihung war. Ein auf Bitte des Klosters Neu=Doberan von dem Bischofe Werner von Kulm (1275-1291) ausgestelltes Transsumt unter den Doberaner Urkunden zu Schwerin: M. U.=B. II, 186. Anm.
1) Handschrift in 4° des K. Staatsarchives zu Königsberg, S. 23.
2) Das Original fehlt ebenda.
3) Das Original ist in Königsberg nicht vorhanden.
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que nuncupatur. Cumque prefati fratres in eodem loco multo tempere sedissent, ibi propter aëris intemperiem et agrorum sterilitatem ibidem diucius nianere minime possent, sed commutacionem dicti monasterii multis precibus ac inportunis postulacionibus longo tempere a nobis humiliter ac devote quererent, tandem eorum precibus inclinati ad abbaciam fundandam in dominio terre nostre alium eis locum satis ydoneum, qui vulgariter Polplin nominatur, contradimus perpetuo possidendum", und fügt außer dem bereits früher überwiesenen Malelyn hinzu: Golubi, Goseszevo, Rassevo, Raycow und Radistowo und mancherlei Freiheiten, ferner die Mühle Spangow, so daß selbst die Herzoge für das Mahlen darin die Metze zahlen müssen. Er bestätigt ferner des Herzogs Mestwin Geschenk über Landgebiet zwischen Verse und Wengermutz.

Ueber die letztere Schenkung liegen nun einige Urkunden vor, deren Chronologie z. T. der obigen, doch recht gut beglaubigten Angabe des Jahres 1276 für die Verlegung zu widersprechen scheint 1 ), und welche den Annalisten bewogen anzunehmen, daß schon 1274 einige Brüder wegen des Baues u. s. w. nach Pelplin vorauf geschickt gewesen seien, denen dann der ganze Convent 1276 gefolgt sei.

Die Urkunde, actum M°CC°LXX°IIII° quarto nonas ianuarii, besiegelt und gegeben am selben Tage zu Schwetz (Staats=Archiv zu Königsberg, Schieblade LIX Nr. 7), ist nach des Staats=Archivars Dr. Meckelburg gütiger Mittheilung ein unzweifelhaft ächtes Original mit wohlerhaltenem Siegel an grün=gelben Seidenschnüren mit der Legende: Inschriftskreuz S. dni. Mistvigii. ducis. Pomoranie. Mestwin, Herzog der Pommern, schenkt dem Cistercienserorden im Gebiete Thymau (in terra Thymao) ein Stück Land (terre particulam) zur Gründung einer Abtei (ad fundandam eiusdem ordinis abbatiam) zu der Ehre Gottes und der h. Jungfrau, auch der hh. Benedict und Bernhard, ingleichen des h. Stanislaus. Er bestimmt die Grenzen, innerhalb deren auch Pelplin liegt, und die Rechte des Abts wie der Ansiedler. Namentlich genannte Zeugen sind: Wasylo, Woywode von Schwetz; Arnold, Castellan daselbst; Bosey, Schenk; Myscibor, Truchseß; Peter, Bannerführer; Zadica, Unterkämmerer; Gualimir, Untertruchseß zu Danzig. Von Samboria ist in der ganzen Urkunde nicht die Rede, vielmehr ist als Empfänger des Geschenkes ganz


1) Scr. rer. Pr. I, S. 13, sind die Inhaltsangaben zweier derselben (Königsberger Archiv, Schieblade LIX, 6 und 7) zusammengeworfen.
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allgemein der Cistercienserorden genannt. Fast könnte es den Anschein haben, als wenn von Mestwin eine ganz neue Stiftung in Pelplin beabsichtigt worden sei; fühlte er sich doch 1278, Januar 2, nachdem inzwischen Sambor seine machtlose Vergebung dieses Ortes an Neu=Doberan beurkundet hatte, veranlaßt, die seinerseits erfolgende gleiche Schenkung unter ausdrücklicher Bezeichnung Neu=Doberans als Empfängers zu beglaubigen. Die Urkunde (7) befindet sich nicht in dem erwähnten Copiarium Pelplinense, ebensowenig wie die mit LIX. 6 bezeichnete des Königsberger Staats=Archives. Von letzterer berichtet mir Dr. Meckelburg, daß sie durch die, mindestens um dreißig Jahre jüngere Schrift, wie überhaupt durch die viel schlechtere Ausführung, sich von dem ächten Originale durchaus unterscheide. Aber auch der innerlichen Widersprüche seien mancherlei zu bemerken, trotz der wörtlichen Uebereinstimmung gewisser Stellen, der allgemeinen Fassung, des Datums und der Zeugen. Spricht das ächte Original (7) von einer zu gründenden Cistercienserabtei noch ohne Namen, so setzt der Fälscher dafür "das Kloster Neu=Doberan, das a loci nomine vulgariter Polplin vocatur" und nur "Gott und der h. Jungfrau" gewidmet ist, nicht nebenbei noch anderen Patronen. Das Unterscheidende an der Nr. 6 ist, daß eine Bestätigung und Grenzbeschreibung von Pogutken eingefügt ist: "quibus bonis conventus praefati monasterii primitus se recepit, tandem propter loci eiusdem inhabilitatem ad hunc, in quo usque hodie residet, locum de nostro consilio se transvexit". Das Siegel kommt für die Frage nach der Aechtheit nicht in Betracht, "da an den roth=gelben Seidenschnüren nur noch die leere Muschel hängt, jenes aber vollständig abgesprungen ist".

Zugleich mit dieser Urkunde fällt aber auch eine andere, die dritte von denselben Datum und mit denselben Zeugen (ausgenommen den Unterkämmerer Zadica). An beiden Stellen freilich, an denen sie überliefert ist, im Copiarium Pelplinense pag. 28, Nr. 27, und recht fehlerhaft, auch mit einer größeren Auslassung, in dem von v. Westphalen Mon. ined. III nach den Doberaner Originalien zusammengestellten Diplomat. Doberan. 1517 f., fehlt im Datum das zweite quarto. Herzog Mestwin schenkt in territorio Thimaviensi eiusdem terre particulam ordini Cisterciensi ad fundandam ibidem eiusdem ordinis monasterium Novum Doberan dictum, vulgariter a loci nomine Polplin nominatum. Die Interpolation scheint an dieser Stelle klar genug am Tage zu liegen; das "zu gründen"

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und die dann doch gegebene Namenbezeichnung schließen sich schlechterdings aus. Während Nr. 6 die Begrenzung von Pogutken noch ziemlich unbestimmt angiebt, ist nunmehr hier in den sonstigen Wortlaut von 6 eine ganz ausführliche Grenzbeschreibung nicht nur von Pogutken, sondern daneben auch von Cobillow und Cosmenyn eingeschaltet, ferner gewisse Rechtsbestimmungen. Eine Grenzbeschreibung von Cobelow und Cosmenyn befindet sich freilich bereits in der Verleihungsurkunde Sambors, 1269, Febr. 26, zu Dirschau (nicht in Königsberg unter den Pelpliner Originalien, sondern nur im Copiarium Pelplinense 23 v., Nr. 24 in Abschrift erhalten), auf welche sich folgende Worte der angeblich Mestwinischen Urkunde beziehen (pag. 1518): Insuper ratificamus in presentibus, confirmamus pariter et approbamus donationem factam dicto monasterio per illustrem principem Samborium, patruum nostrum, videlicet bona Pogockow dicta Cobillow et Cosmenyn, in quibus bonis conventus prefati monasterii primitus se recepit et tandem propter loci inhabilitatem eiusdem ad hunc, in quo usque hodie residet locum, de nostro consilio et assensu se transvexit".

Es kann hier nicht die Aufgabe sein, die Untersuchung über die Aechtheit oder Unächtheit der älteren Pelpliner Urkunden weiter zu führen; wir behalten ie einem andern Orte vor. Derselben müßte zudem eine umfängliche, auf Autopsie beruhende Prüfung der Originale, soweit sich dieselben eben in Königsberg erhalten haben, voraufgehen. Daß übrigens das von Westphalen als im Doberaner Archive vorhanden angeführte und abgedruckte Document kein Original gewesen sei, lehrt die Ueberschrift: "LIII. Transsumtum literarum ducis Mistowin super privilegia et bona Novi Doberan ordinis nostri in Pomerania". Von der einen Samborischen Urkunde von 1258, Juli 10, besaß Doberan, wie oben gedacht, ein Original. Für uns genüge hier erwiesen zu haben, daß die Verlegung des Klosters Neu=Doberan nach Pelplin nicht zu 1274, sondern zu 1276 angesetzt werden müsse.

Warum übrigens bei der Neugründung des Klosters die Wahl gerade auf Pelplin fiel, ergiebt sich aus der Notiz des Necrologiums zum 16. Februar: Wayzel 1 ) palatinus, qui dedit Polpelin et abbaciam a duce impetravit. Waysel war nacheinander Woywod von Schwetz, von Dirschow und von Danzig. Der Annalist bemerkt S. 24 zu jenen Worten: "Ex quo non obscure colligimus, palatinum hunc oblata haere-


1) Siehe über ihn und seine Familie Hirsch Scr. rer. Pr. I, 702.
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ditate sua duci translationis faciendae praecipuum fuisse authorem". Dafür, daß der Ort Pelplin den Gebrüdern Waisil, Glabuna und Radik angehörte, führt er ferner das Registrum metricellae antiquae II. an. In dem von mir eingesehenen Copiarium besinne ich mich nichts Bezügliches gefunden zu haben, ebensowenig wie in der zu Danzig vorhandenen Klostermatrikel. Auch Herzog Mestwins Urkunde von 1276, Oct. 12, Schwetz (Or. Königsberg LIx, 8, Cop. 31 v., Nr. 28) ist schon für Abt und Convent von Pelplin ausgestellt. Er schenkt darin denselben das Janafließ innerhalb des Klosters Grenzen mit dem Rechte, Mühlen zu erbauen. Zeugen sind: der Schwetzer Woywode, Waysil; der Castellan von Schwetz, Arnold; der Fähnrich Peter und der Schenk Boysei von Danzig.

Nicht gar lange nach der Verlegung, und zwar 1 ) am Dec. 30, starb der Gründer des Klosters, Herzog Sambor, des Cistercienserordens großer Gönner. Oliva, Lond und Lekno hatten sich außer Neu=Doberan seiner Güte zu erfreuen. 1275 hat er auch wegen Gründung eines neuen Klosters in Dirschau Schritte gethan 2 ).

1278, Januar 2, Schwetz, ist die Urkunde datirt (Or. zu Königsberg; Cop. Pelpl. 27 v., Nr. 26), durch welche Herzog Mestwin dem nach Pelplin verlegten Kloster diesen Ort schenkt und umschreibt. Er sagt darin: "intuentes, quam magnum haberet defectum dilectuni nobis monasterium Novum Doberan ex loci ineptitudine, in quo ex primaria fundacione fuerat constructum, eidem donavimus bona nostra Polplin, in cuius (!) terminis ipsum monasterium procuravimus transferri." Die Zeugen sind identisch mit denjenigen der oben erwähnten dritten Urkunde von 1274, Jan. 2, Schwetz; aus diesem Grunde läßt sich jedoch, da dieselben Zeugen auch in der Zwischenzeit erscheinen, noch nicht annehmen, daß in beiden Originalen ein Schreibfehler mit untergelaufen sei, 1274 statt 1278. Vielmehr scheinen die politischen Verhältnisse, in welchen sich Herzog Sambor und sein Neffe Mestwin zu einander befanden, sowie die leicht verständliche Vorsicht des Klosters, sich seinen Bestand von verschiedenen, einander widerstrebenden Seiten sichern zu lassen, genugsame Erklärung für die Reihenfolge jener Urkunden zu bieten. Wahrscheinlich schon 1274 3 ) befand sich Mestwin


1) Necr. Polpl.
2) Original=Urkunde im bischoflichen Archiv zu Pelplin, nach Mittheilung vom Pfarrer Dr. Wölky zu Frauenburg.
3) Wenn Scr. rer. Pruss. I, 691, Anm., gemeint ist, daß die wahrscheinlich aus guter Quelle geschöpfte Notiz der Chronik von Pelplin die Ver= (  ...  )
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im Besitze des seinem Oheim Sambor abgenommenen Landes; er bezeichnet 1275, Febr 23, dessen Herrschaft als eine nicht mehr bestehende. Zu Mestwins Hofstaate gehörte der oben genannte frühere Besitzer von Pelplin, der Woywode Waysil, also dürfte wohl in der auf letzteren bezüglichen Notiz des Pelpliner Necrologiums unter dem Herzoge Mestwin zu verstehen sein. Wiederum suchte das Kloster sicher zu gehen und die Pietät vor dem Gründer zu bewähren: also erwirkte der Abt Ludolf in persönlicher Anwesenheit zu Elbing auch von dem vertriebenen Sambor 1276, März 24, jene Urkunde über die bereits geschehene Verlegung. Der Herzog bestätigte gleichfalls dem Kloster Mestwins Schenkung im Thymauer Lande, ohne daß er in die Urkunde eine Andeutung über dessen Occupation seiner Besitzungen einstießen ließ. Dem Kloster verblieb auch an seinem neuen Orte der Name Neu=Doberan, welcher erst sehr allmälig durch den alten slavischen Ortsnamen wieder verdrängt worden ist. Der um 1630 schreibende Annalist sagt, daß jener fast bis auf seine Zeit herab üblich gewesen sei; jedoch zeigen die Urkunden, daß die Form Pelplin bereits mit dem Ende des 14. Jahrhunderts zu überwiegen begann. Der Name Samburia ist mit der ursprünglichen Stiftung vollständig untergegangen, auch der andere Name derselben; Mons S. Mariae, kommt, soviel ich sehe, gelegentlich des Pelpliner Klosters nicht mehr vor.

Aber einige sichtbare Monumente, welche an die ursprüngliche Heimath der ersten Mönche von Pelplin erinnern, sieht man noch jetzt an diesem Orte. Nach den Statuten des Cistercienserordens mußte das ältere Kloster dem zur Gründung eines neuen ausziehenden Convente die zur Erfüllung der gottesdienstlichen Verpflichtungen nothwendige Ausstattung an Büchern mitgeben 1 ): den Psalter, ein Hymnarium, Collectaneum, Antiphonarium, Graduale, Missale und die Regel, später auch noch das Ordensbuch. Was Samburg aus Doberan hievon mitbekommen, mag im Laufe


(  ...  ) treibung Sambors durch seinen Neffen Mestwin unmittelbar an den Tod der Herzogin Mathilde (23. Nov. 1270) anknüpfe, so besagt die Stelle des Annalisten doch wohl nicht so viel. S. 23 v. lautet dieselbe mit den Randbemerkungen: [Ex libro mortuorum: Moritur ducissa fundatrix. Ex actis Olivensibus et chronographis: Samborius pulsus ducatu] Anno 1270 die 23. novemb. mortua est domina Mechtildis, coniunx ducis Samborii fundatoris nostri. Ubi sepulta sit, non invenio. Post haec orta est simultas et discordia inter Samborium et Mestvinum, quae eousque processit, ut Samborius potentiae Mestvini impar cedere ducatu suo et exulare iuter alienos cogeretur.
1) S. Winter a. a. O. 8.
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der Zeit aufgebraucht worden sein. Unter den derartigen Manuskripten zu Pelplin habe ich kein auf solchen Ursprung hinweisendes gesehen, dafür aber gefunden, daß Doberan bei der Ausstattung von Neu=Doberan sich keineswegs auf jene durch das Gesetz gebotene Mitgabe beschränkte, sondern aus seinem Bücherschatze auch noch weiter greifenden Bedürfnissen des Tochterstifts zu begegnen sich angelegen sein ließ. Noch heutigen Tages befinden sich in der bischöflich culmischen Seminar=Bibliothek zu Pelplin mehre Pergament=Handschriften, die als solcher Mitgift gehörig durch Inscriptionen kenntlich sind. So ist in V. K. f. 12 auf dem hintern Vorstoßblatte die Bemerkung zu lesen (s. XIII): "Venerabili M. (d. i. Matthaeo, 1219 - 25) in Doberan patri fatur A. dictus Abbani (?) in Sora (d. i. Soeroe, Cistercienserkloster auf Seeland,) oracionem". Der Codex V. K. c. 3 "Interpretatio proverbiorum Salomonis" (s. XII ex. oder s. XIII in.), trägt die Bezeichnung: "Liber sancte Marie perpetue virginis in Doberan", dieselbe auch V. J. a. 1. 8°. s. XIII. "Petri Comestoris sermones de festis".

Zu 1323, Febr. 14, berichtet der Annalist S. 42 von einer Beschädigung der Kirche durch ein Gewitter. Der Blitz habe in den Thurm geschlagen, dessen Dach zerstört, eine der größten Säulen in kleine Stücke zermalmt und durch die ganze Kirche zerstreut; fast alle Fenster seien zerbrochen gewesen. Ob sich die Nachricht wirklich auf Pelplin beziehe, dessen Kirche nach seiner eigenen Annahme damals noch nicht vollendet war, ist ihm zweifelhaft; freilich sei kein Grund zu denken, von einem andern Kloster ohne Nennung des Namens etwas Derartiges anzuführen. "Res annotata est", sagt er, in antiquissimo codice Gradualis; quod in nostro monasterio contigerit, videtur verisimile ex eo, quod liber est antiquissimus et propter sui vetustatem putatur de Doberano allatus in primo fratrum adventu; nec videtur causa, cur alieni monasterii, non expresso eius nomine, infortunium taliter in libro 1 ) nostro annotaretur". Sollte die Nachricht gar sich auf Doberan beziehen, und die Handschrift erst später nach Pelplin gekommen sein? In den Doberaner Ueberlieferungen freilich selbst ist von solch einem Unglücksfalle


1) (Ex libro quodam vetusto.) Anno 1323 in die beati Valentini martyris res in his partibus contigit prodigiosa et nostro vel alteri monasterio damnosa. Per ictum enim tonitrui campanile concussum tectumque eius direptum est; una ex maximis columnarum in minutas partes contrita et per totam ecclesiam dispersa est; fenestrae vitreae fere omnes motae et comminutae sunt.
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nichts zu finden, und eine solche Annahme demgemäß unwahrscheinlich.

Eine geraume Zeit nunmehr schweigen die Geschichtsquellen des Klosters Pelplin über die Beziehungen desselben zu dem meklenburgischen Mutterkloster. Auch der Hauschronist, welcher noch den vollen Bestand jener vor Augen und zur Verfügung hatte, weiß nichts darüber beizubringen. Klagt er doch sogar gelegentlich der Angabe über Mestwins, des zweiten Stifters, Tod, S. 29 b , die Fahrlässigkeit der früheren Mönche und die Unbill der Zeiten an, daß der Ueberlieferung so wenig sei. "Incusamus", sagt er, "merito maiorum nostrorum incuriam, auf, si extra culpam sunt illi, dolemus temporum iniuriam, quod literarum monimentis nihil de eo consignatum reperimus". Die in den Scriptores rerum Prussicarum I, 270 flgd. unter den Titel Annales Pelplinenses herausgegebenen Aufzeichnungen 1190-1293 sind nicht in diesem Kloster selbst entstanden, sondern nur einer Handschrift entlehnt, welche demselben einst gehörte. Beiläufig, als für Meklenburg von Interesse, können wir hier aus einer Pelpliner Quelle nur erwähnen, daß in der Schenkungsurkunde Herzog Mestwins von Pommern für Neu=Doberan, d. d. 1292, Juni 29, Schwetz, ("Datum in Swecza anno gracie millesimo CC° nonagesimo secundo, in die apostolorum Petri et Pauli, indictione quinta"), als Zeuge des Herzogs erscheint: "Prywico domicellus de Belgart" (Copiarium Pelplinense perg. c. 1420 in der bischöflich culmischen Seminar=Bibliothek, V. H. d. 16, p. 36 v., Nr. 34), d. i. der jüngere Pribislav III. von Belgard und Daber, schon 1269 Mestwins Schwiegersohn 1 ), † 1315.

Zu Anfang des 14. Jahrhunderts stand dem Kloster Doberan ein Abt vor, der aus dem heutigen Westpreußen heimisch war, Johann II. von Elbing 1301; er resignirte vor 1306 und lebte noch 1336 2 ). Ob er etwa Profeß von Pelplin gewesen, ist nicht überliefert; dies Kloster und Oliva waren eben die nächsten des Ordens bei jener Stadt. Seinen Namen nannte eine 1301 gegossene Glocke: Anno domini MCCCI fusa est hec campana cal. febr. sub domino Johanne abbate Melvingio 3 ).


1) Vgl. Jahrbücher XI, 83 flgd.; Quandt Ostpommern 6 und 37. Scr. rer. Pruss. I, 693. Riedel. Cod. Brand. B. I, 185, 199.
2) Lisch in Jahrbüchern IX, S. 415 und 434.
3) Daselbst XIII, S. 424. Die von Schröder Papistisches Mecklenburg mitgetheilte Abschrift hat Menoligio, wofür Melvingio zu lesen ist. Die Form Melving für Elbing ist sehr häufig.
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Erst wieder im dritten Jahrzehnt des vierzehnten Jahrhunderts begegnet uns der Name des Klosters Doberan in den Pelpliner Ueberlieferungen. Im Jahre 1366 ersuchte der Abt Matthäus von Pelplin das Generalkapitel, ihm die Veräußerung der wegen ihrer Entlegenheit seinem Kloster wenig oder gar nichts nützenden Güter Bobanczin zu gestatten.

Im Jahre 1321, April 30, zu Polnow hatte Peter Swente von Neuenburg 1 ) mit Beistimmung seiner Gemahlin Elisabeth, sowie seines Bruders Jasco dem Kloster Pelplin den See Bobanczin sammt allen Inseln, auch wenn sie in einer Sprache einen besonderen Namen haben sollten, ferner 4 Seile (funiculi) im Umkreis, sodann 200 Hufen zwischen dem genannten See und einem anderen, auch dem Aussteller gehörigen, Namens Camyn, belegen, endlich den See Sydowe mit seinen Inseln und 64 Hufen daneben geschenkt 2 ). Das Generalkapitel beauftragte die Aebte von Colbatz und Oliva unter Zuziehung des Vaterabtes (d. i. also des von Doberan) oder eines Commissarius desselben in Pelplin die Sache zu untersuchen und nach Ermessen sowie nach den päpstlichen Statuten zu verfahren. Sollten die Besitzungen veräußert werden, so dürfte der Erlös zu nichts anderem als zur Anschaffung neuer Renten verwandt werden. Uebrigens sollten die Commissarien an das nächste Generalkapitel berichten. Am 16. Mai 1367 nahmen die Aebte der genannten Klöster, Johann und Wessel, persönlich in Pelplin anwesend, die aufgetragene Untersuchung 3 ) vor, und befragten, nachdem sie den gleichfalls anwesenden Abt von Doberan Gotschalk und den Abt Mathias von Pelplin in Gegenwart des Convents durch Eidschwur ihre Ueberzeugung von der Nützlichkeit des Verkaufes hatten beglaubigen lassen, die Brüder selbst gleichfalls um ihre Ansicht. Auch diese erklärten von dem Verkaufe größeren Vortheil zu erwarten; und so entschieden sich denn die Commissarien für Genehmigung desselben und zeigten ihren Beschluß dem Generalkapitel unter ihren eigenen, des Abtes von Doberan, des Abtes und des Conventes von Pelplin Siegeln an 4 ). Nachdem dann


1) S. über ihn Hirsch in der Scriptores rerum Prussicarum I, 704, Anm.
2) Copiarium des Klosters Pelplin in der Seminarbibliothek daselbst, S. 66 v. Nr. 62.
3) Diese Commission ist im Register des erwähnten Copiariums angeführt; der Annalist S. 51 giebt einen Auszug. Das Original liegt zu Königsberg.
4) Dasselbe Register führt an den Consens der Erben der Donatoren, des Abtes von Bukow Quittung über alle bezüglichen Urkunden (1373, (  ...  )
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auch die Erben der Donatoren ihre Zustimmung gegeben hatten, wurde das Kaufgeschäft mit dem Abte von Bukow vollzogen. Ueber den Preis jedoch sowie über die Verwendung desselben hat der Pelpliner Annalist nichts ausfindig machen können.

Als der Abt Johann von Colbatz im J. 1376 am 15. Juni, d. d. Pelplin, dem Abte Peter von Pelplin für 570 Mark Stettinisch einen silbernen vergoldeten Altarschmuck verkaufte 1 ), erklärte er, daß er baldmöglichst auf den Consens des Visitators, nämlich des Abtes von Doberan, hoffe ("insuper venerabilis patris et domini abbatis de Doberan, ipsomm visitatoris, super dicto contractu ratihabicionis et confirmacionis consensum, dum primum comode poterimus, sperantes obtinere"). Es ist gegenüber dieser Aeußerung doch auffällig, - wenn man nicht annehmen muß, daß auch in Visitationsangelegenheiten der Abt an seines Conventes Zustimmung gebunden war, - daß dieselbe Urkunde von den Aebten von Doberan, Bukow und Colbatz besiegelt war: "In quorum evidenciam", lauten die den eben angeführten sich anschließenden Worte, "dicti . . . abbatis de Doberan nostrique necnon domini Hynrici tunc abbatis de Bukovia conventus nostri scientia sigillorum appensionibus ex certis omnium nostrorum scienciis presens scriptum fecimus communiri". 1417, März 7, verschaffte sich das Kloster Pelplin die förmliche Aufhebung des bei dem Erwerbe dem Kloster Colbatz noch zugestandenen Rück= und Vorkaufsrechtes, um so mehr, als seine eigenen Verhältnisse in jener Zeit gemahnen mußten, was es einmal besaß, sich so fest als möglich zu sichern.

Die kriegerischen Ereignisse zwischen dem Deutschen Orden und Polen vor dem Jahre und im Jahre 1410 waren auch auf Pelplin nicht ohne Rückwirkung geblieben. 1410, Sept. 13, aus dem Generalkapitel von Citeaux, theilt der Abt Johann von Citeaux dem Abte von Pelplin in Preußen mehrere auf dies Kloster bezügliche Kapitelsbeschlüsse mit. "Propter gwerrarum variginosos impetus viarumque discrimina ac eciam loci et patrie distanciam" werde dem Abte gestattet, fünfzehn


(  ...  ) Juni 14) und Quedam recogniciones patris abbatis Doberanensis super resignacione bonorum nostrorum, et de pecunia in Jana pro Berwerio. Die Dörfer Kirchen=, Alt= und Lesni= (d. i. Wald) Jania liegen im Marienwerderschen Kreise an der Grenze des Pr. Stargardischen. Uebcr die bezügliche, vom Doberaner Abte genehmigte Veräußerung ist mir nichts bekannt geworden.
1) Im Copiar. der Danziger Stadtbibl., I, E. 4° 166: Registrum bonorum et redituum monasterii Polplinensis perg. med. s. XV, p. 102 v.
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Jahre lang nicht zum Generalkapitel zu kommen (die sonstige Verpflichtung war, einmal alle vier Jahre dort zu erscheinen); für jedes dieser Jahre solle er 3 Florin als ganze Contribution zahlen. Auf dieselben 15 Jahre werde das Kloster von Absendung eines Schülers befreit, so wie die Aufnahme von Novizen vor erfülltem Probejahre gestattet. Der Abt erhalte für die Zeit das Recht der Absolution in Reservatfällen des Kapitels. Den Freunden, namentlich den Unterthanen, dürfe an der Pforte, nicht aber an regulären Orten im Kloster Fleisch verabreicht werden. Der Abt dürfe mit Vorwissen und unter gemeinsamem Verschlusse des Bursarius und eines Seniors eine besondere Kasse halten 1 ). Wenige Jahre darauf erwirkte der auch sonst in Angelegenheiten des Klosters überaus thätige und geschickte Cellerarius Johann Scoter als Abgesandter desselben auf dem Konstanzer Koncil eine Verlängerung dieser Gnaden. 1415, Oct. 17, zu Konstanz, dehnte Abt Johann von Citeaux namentlich jene Ablösung des Kapitelbesuches auf noch weitere 15 Jahre, also bis 1440, aus, quittirte über die bezüglichen 45 Florin und bestätigte auch die übrigen Verleihungen von 1410 (a. a. O. S. 68[73]) 1416, Mai 17, zu Konstanz, schreibt derselbe Abt an den Abt von Doberan: "et aliis quibuscunque per nos, nostros commissarios aut ipsum capitulum deputatis et deputandis ad recepcionem decime vel subsidii pro nostris et collegarum nostrorum in generali concilio Constantiensi nomine pretacti ordinis existencium sumptibus imposite vel impositi", weil der Abt von Pelplin lange Zeit auf eigene Kosten den Cellerarius Johann Scoter auf dem Koncile unterhalten habe und noch unterhalten werde, befreie er dies Kloster von jenen Zehnten und Hülfgelde (S. 69[74]). Durch jene an den Generalabt unmittelbar geleisteten Zahlungen war eine durch das sonstige Paternitätsverhältniß von Doberan bedingte Beziehung bei Seite geschoben, daß nämlich letzteres die Geldleistungen von Pelplin nach Citeaux zu übermitteln hatte. Das Generalkapitel von 1424, Septbr., stellte das alte Verhältniß wieder her. Abt Johann von Citeaux notificirte dem Kloster den Kapitelsbeschluß, wonach dem Abte von Clara tumba (Mogila bei Krakau) verboten wurde, fortan vom Pelpliner Abte Absendung von Schülern zur Krakauer Universität zu verlangen; das Kapitel wolle den Abt und den Convent in ihren Gnaden in Deutschland erhalten, und letztere mögen einen Studenten hinschicken,


1) Registrum bonorum 67(72).
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wohin es ihnen am besten scheine 1 ). Nach Ablauf der Zeit, für welche die Contribution bereits gezahlt sei, d. i. bis 1440 exclusive, solle der Abt von Doberan wie früher Receptor der Contributionen von Pelplin sein. (70[75]).

Jedenfalls waren die übrigen Rechte des Doberaner Abtes über Pelplin durch dieses Verhältniß auch während jener Zwischenzeit nicht alterirt worden. Einige Jahre nach Ablauf derselben finden wir wiederum wie einst seine Vorgänger Conrad 1258, Gotschalk 1367, den Abt von Doberan auf der beschwerlichen Reise zu dem entlegenen Tochterkloster. Nach der ursprünglichen Verpflichtung hätte jedem Vaterabte obgelegen, seine Tochterklöster jedes Jahr zu visitiren 2 ); gewiß werden die Aebte von Doberan in Bezug auf Pelplin auch öfter dieser ihrer Pflicht Genüge geleistet haben, als gerade zufällig unsere lückenhaften Ueberlieferungen erkennen lassen.

Im Jahre 1447 visitirte der Abt von Doberan (sein Name ist nicht genannt) 3 ) nach Pfingsten (fiel auf Mai 28) das Kloster Pelplin. Bei dieser Gelegenheit verzichtete der damalige Abt desselben Nicolaus Engelko aus eigenem Antriebe auf seine Würde, worauf in canonischer Wahl nach alter Sitte des Ordens ihm am 6. Juni (Dienstag vor Frohnleichnam) der frühere Cellerarius Nicolaus Andreae von Rosenau zum Nachfolger bestellt wurde. Der Abt von Doberan führte den Erwählten ein, bestätigte ihn in hergebrachter Weise (als Vaterabt) und übertrug ihm die Verwaltung des Klosters in geistlicher und weltlicher Beziehung 4 ). Als in demselben Jahre, vom Generalkapitel des Cistercienserordens beauftragt, der Abt Johann von Morimund Pelplin visitirte, bestätigte er die Resignation Nicolaus I., obwohl sie wider die Definitionen des Ordens und wider päpstliche Constitutionen geschehen sei, wonach Aebte nur mit Erlaubniß des Generalkapitels resigniren dürften, in Anbetracht der nachgewiesenen gänzlichen Unkunde in Betreff dieser Bestimmungen, und bestätigte gleichfalls den neuen Abt (Novbr. 28) 5 ).


1) Die Handschrift zählt bei dieser Gelegenheit die Reisekosten für einen Studenten von Pelplin nach Paris und Citeaux auf.
2) hinter a. a. O. 9.
3) Lisch Jahrbücher IX, 433 flgd. nennt als Aebte von Doberan Johann V. 1441; Johann VI. Vrame, 1467.
4) Annales 78 v.
5) A. a. O. 79.
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Die mittlere Chronik von Oliva (vgl. über dieselbe Hirsch in den Scriptores rerum Prussicarum I, 653), welche in der Mitte des 16. Jahrhunderts zusammengestellt ist, berichtet, daß 1454, Juli 20 (Freitag vor Marien Magdalenen), der Abt Nicolaus von Oliva sein Amt zu Gunsten seines Nachfolgers Heinrich Koning aufgegeben habe, nach Ausweis einer Urkunde des Abtes Mathias von Neuencamp, der zugleich mit Johann Wilken im Auftrage des Abtes Johann von Doberan dabei zugegen war. Letzterer wird wohl dermalen vom Generalkapitel bestellter Ordenscommissar für die "Seelande" (partes stagnales) gewesen sein.

1483, April 8 (Dienstag nach Quasimod.), bittet der Abt Johann (VII. Wilken) von Doberan den Rath von Danzig, das Kloster Pelplin in seinen Schutz zu nehmen (Originalbrief im Danziger Stadtarchive).

1522 (16. Mai), am Freitage nach Jubilate, visitirten, vom Abte Nicolaus von Doberan damit beauftragt, die Aebte Valentin von Colbatz und Lorenz von Oliva, sowie der Prior Martin von Doberan das Kloster Pelplin, nahmen bei dieser Gelegenheit die Resignation des dortigen altersschwachen Abtes Bartholomäus entgegen und ließen an demselben Tage eine Neuwahl vollziehen, welche auf den bisherigen Cellerarius Andreas Stenort fiel 1 ). Der neue Abt regierte bis 1542, 22. Juni, an welchem Tage er starb. Die Wahl seines Nachfolgers, Jobst Cron von Marienburg, erfolgte darauf am 1. Juli unter Vorsitz des Abtes Bartholomäus und des Priors Adrian von Oliva, gemäß einer Satzung des Generalkapitels von 1508, wonach die Aebte einander benachbarter, im Uebrigen entlegener Klöster einander die ihren visitiren sollten. Der Abt Valentin von Lehnin hatte in seiner Eigenschaft als Commissarius der Seelande 2 ) (partes stagnales) dieselbe auf Oliva und Pelplin ausgedehnt.

Um Jobsts Weihe wurde der damals gerade in Danzig erwartete Bischof Johann von Ermland, als solcher Conservator des Klosters, ersucht und zugleich der Diöcesan, Lucas von Leslau, um seine Zustimmung hiezu gebeten.

Im October 1542 endlich wurde dem Abte von Lehnin des Abtes Andreas Tod und Jobsts, auf Grund jener von Valentin selbst 1518 nach Oliva geschickten Definition des Generalkapitels, geschehene Wahl angezeigt und daran die


1) Ann. 97 v. 98 nach dem "Liber epistolarum".
2) D. i. Niederdeutschland. Ann. 104.
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Bitte geknüpft, er möge in Anbetracht, daß der Abt von Doberan, dem übrigens auch Nachricht davon gegeben sei, 80 Meilen von Pelplin wohne, dem Erwählten die Bestätigung und für das Klosterarchiv eine authentische Abschrift jener Constitution schicken 1 ). Von dem Erfolge dieses Schreibens ist nichts Näheres bekannt.

1549 wurde bereits polnischer Seits, durch den Abt Andreas Spoth von Clara Tumba (d. i. Mogila bei Krakau), Ordenskommissar für Klein=Polen, eine Visitation versucht, jedoch noch mit Erfolg zurückgewiesen. Mehrfach folgten sich polnische Ansprüche und andererseits Proteste. Eine förmliche Union der preußischen Cistercienserklöster mit den polnischen erfolgte erst 1581.

Inzwischen war nämlich längst der Rückhalt, den jene an den übrigen norddeutschen Klöstern ihres Ordens gehabt hatten, durch die Reformation gebrochen worden. Waren seit der Gründung bisher die Klöster Oliva und Pelplin durchweg deutsch gewesen, so hatte freilich schon die Unterwerfung des westlichen Preußens unter polnische Herrschaft (1466) manchen Anlaß zu Anforderungen seitens der polnischen Nationalität gegeben, der die deutsche Ausschließlichkeit allerdings höchst unbequem sein und sehr ungerecht erscheinen mußte.

1511 schon wurde auf dem Petrikauer Reichstage verordnet, daß in den Klöstern nicht bloß Deutsche aufgenommen werden sollten, zur Verachtung für die Polen. Die Bischöfe sollten sich die Privilegien vorlegen lassen, und wenn in denselben nicht ausdrücklich die alleinige Besetzung mit Deutschen vorgeschrieben sei, für eine solche aus beiden Nationen sorgen.

Seit dem Beginne der Reformation dann verknüpfte sich in den maßgebenden Kreisen mit der nationalen die religiöse Seite und gab jener bedeutenden Vorschub. Die Sprache wäre, hieß es, ein Haupteinführungsmittel für die gefährlichen Neuerungen. 1538 bestimmte dann ein Reichsstatut, daß nur Polen von Adel zu Aebten erwählt werden sollten.

Die Rückwirkung auf das freilich erst 1569 auch formell mit Polen vereinigte westliche Preußen blieb nicht aus. Jobsts Nachfolger, Simon von Posen, seit 1555, 20. März, war der letzte nach der Ordensregel erwählte Abt, dem schon 1557 ein Coadjutor, Stanislaus Zelislawski, gegeben wurde.


1) Ann. 104 v. f. aus dem "Liber epistolarum". Nach den Ann. auch das Folgende.
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Während der Verwaltung des Abtes Jobst (von 1542-1555) kam der letzte Abt des Klosters Doberan, Nicolaus Peperkorn, nach Pelplin, um hier in dem Tochterkloster eine Zufluchtsstätte für seine letzten Lebenstage zu suchen, wo er die ihm vom Herzoge von Meklenburg bewilligte Pension in Ruhe verzehren könne. Als Beweis hiefür giebt der Annalist von Pelplin an, daß sich Nicolaus Unterschrift unter einem Privilegium finde, das "vor einigen Jahren" bei einem Bürger zu Schöneck aufgetaucht sei, ferner daß es auch durch mündliche Ueberlieferung im Kloster verbürgt sei. Herzog Johann Albrecht von Meklenburg hatte das Stift Doberan im Jahre 1552 aufgehoben. Am Montage nach Invocavit, d. i. März 7, dieses Jahres verglich er sich, d. d. Schwerin, mit dem Abte Nicolaus wegen Abtretung des Klosters und wies ihm eine jährliche Leibrente von hundert Gulden an, zahlbar durch Simon Loizen, Bürger zu Danzig, in den Osterfeiertagen 1 ). Hieraus ersieht man, daß gleich damals in Nicolaus der Entschluß feststand, sich in die Nähe von Danzig, eben nach Pelplin, zu begeben.

Nach der Angabe des Annalisten von Pelplin (114 v.) soll - so erzählte man sich wenigstens im Kloster - mit dem Abte Nicolaus ein anderer Mönch aus Doberan, und zwar, wie man in dem Kloster später glaubte, ein dann öfters genannter Bruder Namens Simon Loisewicz, mitgekommen sein, welcher nach dem Todtenbuche von Pelplin 1564, Septb. 5, als Custos starb. Da sich dieser aber mehrfach als Profeß von Pelplin bezeichne, müsse man annehmen, daß er, als sein Abt gestorben, nach der Sitte des Ordens, dem Pelpliner Abte Obedienz geleistet habe. Des Abtes Nicolaus Todesjahr und Todestag sind nicht angegeben.

An Simons Namen knüpften sich mehrfache Ueberlieferungen. Er und der gleichfalls 1564 (Febr. 22) gestorbene Prior Jacob Agrippa wurden noch später als die Verfechter der guten alten Disciplin gegenüber der einreißenden Verschlechterung gerühmt. Wie der Annalist berichtet, schmückte Simon die Wände des Presbyteriums mit kirchlichen Versen aus, welche erst im Anfang des 17. Jahrhunderts, als die ganze Kirche ausgetüncht wurde, verschwanden. Als einst die Pest in Preußen wüthete - die Combination des


1) Vgl. v. Lützow, Versuch einer pragmatischen Geschichte von Meklenburg. Berlin 1835, III, 31. - Herr Geh. Archivrath Lisch fand, wie er mir mittheilte, in einem herzoglichen Schuldregister: "Dem Abt von Doberan von anno 53, 54, 55 und 56, yst von 4 Jahren 400 Fl. - 309 Fl. 21 ßl. bezahlt".
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Annalisten auf 1550 widerlegt sich selbst - sollen alle Brüder des Conventes bis auf den einen Simon daran gestorben sein. Freilich könnte die hiefür angeführte mündliche Ueberlieferung auch bis auf ein gleiches, für das Jahr 1474 sicher beglaubigtes Ereigniß zurückzugehen scheinen, in welchem der einzig überlebende Greis, Magister Johann Freyenstat, den an der Pest erfolgten Tod aller seiner Mitbrüder betrübten Herzens aufzeichnete.

Als Simon sein Ende herannahen sah, - das Todtenbuch 1 ) berichtet übrigens, wie es scheint, daß er selbst an der Pest gestorben sei: "1564, Sept. 5. Item obiit frater Symon Loizewicz, custos huius monasterii, monachus et sacerdos, tempore pestis", - soll er eine Summe Geldes mit Vorwissen nur eines einzigen Laienbruders versteckt haben, der dieselbe für etwaige künftige Noth des Klosters bewahren sollte. Der Laienbruder jedoch, welcher als der einzige Deutsche in demselben übrig geblieben sei, soll sich heimlich mit dem Schatze 2 ) auf und davon gemacht haben. "Cuius rei fides", sagt der Annalist S. 115, "sit penes narratores; quod audivi, refero, non pro certo affirmo".

Nach dem Tode des Abtes Nicolaus Peperkorn von Doberan und des Mönches Simon Loisewitz ist nichts mehr von Beziehungen Pelplins zu Meklenburg zu berichten. Das ehemalige Neu=Doberan vergaß fast ganz diesen seinen Namen. Aber noch viele Jahre hat es in ansehnlicher Blüthe das Mutterstift überlebt. Erst im Jahre 1823 erfolgte die Aufhebung des Klosters, dessen Gebäude nicht wie die so mancher anderen Klöster Westpreußens, gleichviel ob sie künstlerischen Werth hatten oder nicht, dem Verfalle und dem Abbruche entgegen gingen, sondern durch eine günstige Fügung einem würdigeren, glänzenderen Schicksale vorbehalten blieben.

Schon in der vom 16. Juli 1821 datirenden Bulle Papst Pius VII De salute animarum, welche bekanntlich die äußeren Verhältnisse der katholischen Kirche in Preußen regelt, ist die Absicht ausgesprochen, die Residenz des Kulmischen


1) Auf der bischöflichen Seminar=Bibliothek zu Pelplin.
2) Der Schatz, welcher zu Anfang 1868 im Knaben=Seminargebäude zu Pelplin aufgefunden wurde, bestand aus ungefähr 1500 Silbermünzen, welche meist gegen das Ende des siebenjährigen Krieges in Rußland geprägt worden sind. Altpreußische Monatsschrift 1868, S. 370. Die ebendort gegebene Nachricht, daß in Pelplin außerdem um jene Zeit in einem der Eckthürme der Kathedrale Maurer 2600 Silbermünzen in einer Wandnische vermauert gefunden hätten, beruht, gemäß gefälliger, mir von Pelplin her durch Herrn Prof. Dr. Martens gewordener Auskunft, auf einem Irrthum.
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Bischofs und Domkapitels nach Pelplin zu verlegen. Bis dahin hatte das letztere an der Kathedrale zu Kulmsee seinen Sitz gehabt, während die Bischöfe meist auf ihrem Schlosse zu Löbau gewohnt hatten. Nun war durch dieselbe Bulle das 1818, Novbr. 20, von der Diöcese Kujawien abgezweigte Archidiakonat Pommerellen zum Bisthume Kulm geschlagen und dieses überhaupt, das früher seine westliche Grenze an der Weichsel gehabt hatte, jetzt links derselben fast um das Dreifache seiner ursprünglichen Größe vermehrt worden. Pelplin liegt allerdings ziemlich in der Mitte zwischen der südlichen und der nördlichen Grenze der neuen Diöcese, wenn auch sehr nahe am Ostrande. Daß die Mißstimmung, welche anfangs in den betreffenden Kreisen über die Verlegung an den damals ziemlich vom großen Verkehr abgeschnittenen Ort bestanden haben soll, ohne Einfluß auf die Entscheidung geblieben, dürfte heutzutage gepriesen werden, nun Pelplin, der blühende Marktflecken, zu gleicher Zeit Stationsort an der großen Pulsader des Landes, der Ostbahn, geworden ist. 1824, August 3, 1 ) fand die Translocation des Domkapitels von Kulmsee nach Pelplin statt und wurde die Klosterkirche zur Kathedrale erhoben. Dem mächtigen, im Mittelschiffe an 80 Fuß hohen Bau, der nach langer Arbeit erst 1472 2 ), März 8, geweiht worden war, ist so ein sicherer Bestand in Aussicht gestellt. Einen Bezug der Architektur der Pelpliner Kathedrale zu der Doberaner Kirche kann man im Einzelnen nicht nachweisen. Aber die jetzigen Inhaber haben des Begründers der Pelpliner Kirche nicht vergessen, der vor 600 Jahren in die benachbarten Wälder von dorther die fremden Mönche berief. In dem Bogenfelde des Hauptportales hat der letztverstorbene Bischof Anastasius Sedlag des Herzogs Sambor Standbild aufrichten lassen.


1) S. Schematismus des Bisthums Culm, Pelplin, 1867, S. 5.
2) Nicht 1372, wie Otte angiebt: Handbuch der kirchlichen Kunstarchäologie, 1854. S. 159.
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Beilage.

Fundatio ecclesie Samburiensis.

Dem unten stehenden Abdrucke ist die Handschrift des Necrologiums von Pelplin auf Pergament, aus dem Jahre 1402 (N.) zu Grunde gelegt; C. bedeutet das gleichfalls auf der bischöflichen Seminarbibliothek zu Pelplin befindliche und o. S. 22, 41 und sonst erwähnte Copiarium.

1258,     
Juni 20.    

Anno ab incarnatione verbi MCCLVIII, XII kalendas iulii in nomine sancte et individue trinitatis iniciata est Samburgensis a ) ecclesia per devotum et nobilem principem, dominum Samburium b ), Pomeranie ducem. Hic de c ) venerabili ecclesia Doberanensi Cisterciensis ordinis fratres religiosos assumens ipsos in locum hunc Samburg d ) nuncupatum pro salute animarum progenitorum suorum et maxime patris sui, domini Mestwini e ), ac matris sue, domine Szwinizlave f ) et filii sui proprii, Subizlavi g ), qui apud h ) fratres predicatores in Stralessunth est sepultusi 1 ), necnon pro remedio anime sue et uxoris sue, domine Mechthildis, et filiarum suarum IIII or , videlicet Szwinizlave i ), Eufemie, Salome k ), Gerdrudis, cum non modica devocione et sancti spiritus l ) fervore ad servicium divinum secundum Cisterciensis ordinis observanciam perpetuo promovendum cum diligencia feliciter posuit m ), et cum trecentis mansis ipsos fratres et novellam plantacionem primo stabilire promisit. Et, ut predicti ducis et fundatoris nostri ad plenum sue

Juni 29.     

devocionis n ) consummaretur affectus, postea III kalendas iulii, hoc est in die beatorum Petri et Pauli apostolorum, cum devota domina Mechthilde o ) uxore


a ) Samboriensis C. b ) Samboriū C. c ) In C. nachträglich von einer Hand des 17. Jahrh. d ) Samborch C. e ) Mestne C. im 17. Jahrh. corrigirt in Mestwini. f ) Szwinislawe C. g ) Subiszlawi C. h ) aput C. i ) Swinislaue C. k ) C. schiebt et ein. l ) spiritus sancti C. m ) poūit C; eine spätere Hand malte ein s hinein n ) Et bis devocionis in C. nachträglich von einer Hand des 17. Jahrh. am Rande. o ) Mechthild C.

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sua et filiabus suis omnibus ac tota curia prefatus dux et fundator noster, dominus Samburius p ), in hoc loco Samburgensi q ) affuit et quinque missas a fratribus monachis et sacerdotibus devote sicut devotus de feste apostolorum sibi decantari fecit. Nam sextam missam ad supplicacionem ducis cum officio dedicacionis ecclesie r ) humilis abbas Doberanensis ecclesie dixit, quia in ipsa missa dux cum uxore et filiabus omnibus dedicare et dotare Samburgensem s ) ecclesiam proposuit, sicut et t ) ad effectum perduxit. Nam, cum perventum esset ad offertorium, dux, qui promiserat ad honorem et laudem nominis domini nostri Jhesu Christi et sancte eius genitricis semperque virginis Marie ecclesiam Cisterciensis ordinis fundare et ipsam cum trecentis mansis dedicare et dotare u ), corde sancti spiritus illustracione repletus et secundum indigenciam ecclesiarum Cisterciensis ordinis mirabiliter edoctus et commutatus, cum uxore et filiabus omnibus in offertorio 2 ) misse accedens ad altare et calicem ad missam preparatum reverenter cum devocione in manus per v ) pallam altaris simul cum uxore et filiabus accipiens obtulit ad manus domini C(unradi) w ) Doberanensis abbatis deo et beate semperque virgini Marie sexcentos mansos in terra dominacionis sue liberaliter in perpetuum secundum Cisterciensis ordinis libertatem cum pleno iure et omni utilitate, que polest nunc vel in posterum modo aliquo de predictis mansis provenire. Item obtulit dux et fundator noster novelle nostre plantacioni quinquaginta mansos in Malelyn 3 ), quos Johannes x ) de Witenburg y ) 4 ) miles devotus ipsi resignavit, quatinus ecclesie contraderet medietatem cum pleno iure ob remissionem suorum peccatorum. Item Godeschalcus iunior de Stargard z ) pro remissione suorum peccaminum et uxoris et suorum progenitorum resignavit duci in aperto punt siliginis de bonis suis, quatinus a ) ecclesie Samburgensi b ) conferret in perpetuum possidendum. Dux vero, cum voluntatem Godeschalci hilari animo compleret et predictam annonam, videlicet punt siliginis de bonis Rukketin, in perpetuum b ) assignasset ecclesie Samburgensi b ), ita quod d ), quicunque bona in Rukketin 5 ) possideret sive per emp-


p ) Samborius C. q ) Samboi'e n mit Querstrich . C. r ) Von späterer Hand irrthümlich ausgestrichen in C. s ) Samborgiensez C. t ) C. fehlt N. u ) et dotare in C. im 17. Jahrh. nachgetragen. v ) Desgleichen. w ) C. in N.; Cunradi C. x ) q. J. in C. erst von einer Hand des 17. Jahrh. nachgetragen. y ) Witthenb'g C. z ) Stargart C. a ) Q te9 C. b ) Samborie n mit Querstrich C. c ) imperpetuum C. d ) ut C.

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cionem sive per aliam conquisicionem, semper ecclesia, quod suum est e ), de predictis bonis habere deberet sive de Sciavis sive de Theutonicis f ), qui prefata bona excolerent. Cum autem hec omnia cum timore divino racionabiliter essent terminata coram viris religiosis et honestis de Doberan monachis et sacerdotibus, qui aderant presentes huic facto racionabili et discreto, simul eciam coram laycis secularibus tam Slavis quam Theutonicis f ) factum ducis collaudantibus, abbas Doberanensis, ut erat sacerdotalibus indutus apprehensa virga pastorali g ) ratificavit et confirmavit Cisterciensis ordinis auctoritate banno suo factum predictum in nomine patris et filii et spiritus sancti sicut decet. Que postea dominus Wolimirus h ), dei gracia sancte Vladislaviensis i ) ecclesie episcopus, ut verus fundator et deum timens, cui nullus in probitate secundus eo tempore in Polonia surrexit, pontificali qua fungebatur auctoritate literis suis et capituli Vladislaviensis i ) omnia prescripta liberaliter et devote, ut erat amator iusticie et ecclesiarum, confirmavit in melius, decimas conferendo, et in consecracione cimiterii ecciesiam Samburgensem k ) sub excommunicacionis innodacione contra omnes invasores et oppressores ecclesie in suam et ecclesie Vladislaviensis i ) tuicionem recipiendo. Fuit autem consecracio cimiterii

1263,     
Nov. 25.  

predicti anno gracie M°CC°LXIII°VII kalendas decembris, hoc ewst in die beate l ) Katherine virginis.

1258,     
Juli 10.    

Contulit insuper Samburgensi m ) ecclesie prefatus dux et fundator XII mansos sitos in provincia Wancich 6 ) in loco, qui Soszna 7 ) n ) vocatur, cum libera piscatura in Wiszla o ) et pleno iure; item Golube 8 ) absque numero mansorum cum terminis attinentibus et iure pleno contulit in p ) perpetuum possidendum.


e ) Fehlt C. f ) Theutūicis C. g ) pasthorali C. h ) Wislaus C. i ) Wladislauie n mit Querstrich C. k ) Sambo'iensez C. l ) In C. erst von einer Hand des 17. Jahrh. m ) Sambo'ie n mit Querstrich C. n ) Zoszna C. o ) Wysla C. p ) im C.

Anmerkungen.

1) Das Necrologium von Pelplin hat zum 11. April die Nachricht: "Anno domini M°CC°LIIII° obiit Subizlaus filius et heres ducis Pomeranie domini Samburii, nostri fundatoris". Vgl. das Excerpt aus dem Liber mortuorum des Klosters Pelplin in den Monumenta Warmiae III, 294.

2) So heißt ein Abschnitt der Messe.

3) Jetzt Mahlin, westlich bei Dirschau.

4) Wegen Johann von Wittenborg vgl. die Anmerkung Scr. rer. Pruss. I, 810, Nr. 7 und o. S. 31, 32. Eine Familie des Namens blühte um jene Zeit

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im Holsteinischen. 1246 bestätigte Fürst Johann von Meklenburg dem Kloster Rehna die von seinem Vasallen Johann von Wittenborch geschenkten Güter zu Tarnewitz (Mekl. Urk. B. I, 552, Nr. 578). Die Identität mit jenem ist nicht unmöglich.

1256, Mai 13, zu Dirschau, belehnte Herzog Sambor den Heinrich Schilder und den Johann von Beyzenberg mit den Dörfern Zeinscowe (j. Liebenhof) und Unesino (bei Mühlbanz). Unter den Zeugen erscheint Ritter Johannes scultetus d(ictus) de Wittenburg. (Hennig, Urkunden=Anhang zu Lucas Davids Preußischer Chronik III, 32, Nr. 17). Ebenso erscheint er als Ritter und Schulz von Dirschau: "Johannes scoltetus de Dyrsowe dictus de Wittenburk" zu Dirschau als Zeuge desselben Herzoges (a. a. O. 35, Nr. 18). Der Ritter Johann Witten(borch) ist ebenso wie nachher bei Bruns(wich) zu ergänzen) ist Zeuge Herzog Sambors 1260 zu Dirschau bei Voigt Codex diplomaticus Prussicus I, 135. Preuß, Dirschaus historische Denkwürdigkeiten, Danzig, 1860, S. 62. Nach Hirsch ist er 1260, März 1, Zeuge in der von demselben Scr. rer. Pr. I, 812, Anm. 11, angeführten Urkunde Sambors für Abt Conrad von Doberan, betreffend die Schenkung von Golub, endlich 1260, März 10, in desselben Herzogs Schenkungsurkunde über Dobkau. Das Necrologium von Pelplin sagt von ihm zum 8. September: Johannes dictus de Wittenburg, condam miles devotus et nostre ecclesie conversus, qui contulit nobis duas villas Malalin scilicet et God(eszow) et in multis aliis profuit nobis, von einer Hand des 17. Jahrhunderts über einer Rasur; von dem Ursprünglichen liest man noch: . . . . . . us . . . . . . . lenberg. Es geht hieraus hervor, daß Johann von Wittenborg gegen sein Lebensende als Laienbruder in das Kloster getreten ist.

5) Wohl Rukoczin, Kreis Stargard.

6) Das Land Wanceke oder Mewe, um letzteren Ort belegen.

7) Zosnik bei Sprauden? Vgl. Scr. rer. Pr. I, 811, Anm. 10.

8) Gollubien am See gleichen Namens im Kreise Karthaus. Vgl. o. S. 35.

 

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III.

Ueber

die Stammtafel der alten Grafen

von Schwerin.

Von

Dr. F. Wigger, Archivar.


D ie erste urkundliche Forschung über die Genealogie und Geschichte des alten Grafenhauses, welches von der Mitte des 12. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts das südwestliche Meklenburg beherrschte, gab der gelehrte und um die meklenburgische Landesgeschichte so hoch verdiente meklenburgische Archivar Chemnitz, in einem Anhange zu seiner viel citirten und excerpirten, aber ungedruckt gebliebenen Genealoge des meklenburgischen Fürstenhauses. Doch ist nicht zu übersehen, daß er nicht mehr ganz unbefangen verfuhr, vielmehr hie und da Vorgängern, wie Koch, Latomus und Hederich, Einfluß auf den Gang seiner Forschungen verstattete. Der Stoff, welchen Chemnitz unter steter Berufung auf seine Quellen, Chroniken und "briefliche Urkunden", in genealogisch=annalistischer Form gesammelt hatte, ist dann späterhin, nach Kräften erweitert, von Rudloff in seiner trefflichen meklenburgischen Geschichte zu einer pragmatischen Darstellung verarbeitet. Aber Rudloff schrieb als Staatsmann, die Genealogie war nicht sein vornehmster Gesichtspunkt; wir dürfen uns daher nicht wundern, wenn wir zwischen seiner Stammtafel der Grafen von Schwerin, welche er im 2. Theile seiner Geschichte, zu S. 338, gegeben hat, und Chemnitzens Stammtafel, wie wir sie aus dessen Manuscript auf Taf. A. (S. 56 und 57) zusammengestellt haben, noch eine merkwürdige Uebereinstimmung wahrnehmen.

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Stammtafel der Grafen von Schwerin (S. 56)
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Stammtafel der Grafen von Schwerin (S. 57)
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Als nun aber der Landschafts=Director Frhr. v. Hodenberg zu seiner (erst theilweisse gedruckten) Sammlung der hannoverschen Klosterurkunden 1851 die Archive der Klöster im Herzogthum Lüneburg bei sich versammelt hatte, durchs forschte der Geh. Archivrath Lisch dieselben zur Geschichte der Grafen von Schwerin und gewann dadurch ein sehr erhebliches Quellenmaterial; und der Minister Freiherr v. Hammerstein verwandte dasselbe bald hernach zu seiner schönen Abhandlung über "die Besitzungen der Grafen von Schwerin am linken Elbufer und den Ursprung dieser Grafen". Der Geh. Archivrath Lisch, der Kieler Professor Usinger und der Staats=Archivar Klempin zu Stettin haben dann gleichfalls den älteren Generationen dieses Dynastengeschlechtes eingehende Forschungen angedeihen lassen und manche Angaben Chemnitzens berichtigt; andere Punkte habe ich selbst gelegentlich im Meklenburgischen Urkundenbuche erörtert, soweit die Anmerkungen zu einzelnen Urkunden dazu Veranlassung und Raum boten. Erschien schon hiernach eine neue, allgemeine Revision der Genealogie der Schweriner Grafen gerechtfertigt, so legten mancherlei Bedenken, welche mir bei der Redaction des Meklenburgischen Urkundenbuches, namentlich der zweiten Abtheilung (1301-1350), in Betreff der Stammtafel Chemnitzens aufstießen, mir die Pflicht auf, seine ganze Darstellung einer Prüfung zu unterziehen, um nicht die Leser in Ueberschriften und Anmerkungen irre führen zu müssen. Die Resultate, welche ich bei dieser Forschung erlangt habe, lassen sich vielleicht am kürzesten darstellen, wenn ich an Chemnitzens Tafel meine abweichenden Bemerkungen anknüpfe und zum Schlusse meine Ergebnisse auf einer neuen Stammtafel veranschauliche. Auf eine Geschichte der Grafen von Schwerin gehe ich hier nicht aus; meine Absicht ist nur auf die Revision der Stammtafel gerichtet.

Chemnitz verfolgt die Genealogie nach Generationen; schließen wir uns ihm hierin an!

I.

§ 1. Die Annahme Chemnitzens und Anderer, daß Gunzelin, Edler von Hagen, der erste Graf von Schwerin, der Familie von Bartensleben entsprossen sei, hat der Freiherr von Hammerstein in seiner schönen Abhandlung 1 ) über "die


1) Zuschrift des historischen Vereins für Niedersachsen, Jahrgang 1857, S. 1 flgd., und in einem Separatabdruck, Hannover 1859. Einen Auszug siehe Jahrb. XXV, S. 129-189.
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Besitzungen der Grafen von Schwerin am linken Elbufer und den Ursprung dieser Grafen" zurückgewiesen, dagegen aber so wahrscheinlich gemacht, als es die bisher bekannt gewordenen Urkunden erlauben, daß Gunzelin derjenigen edlen Familie von Hagen angehörte, welche sich nach der jetzt längst in Trümmern liegenden Burg Hagen (Indago) im braunschweigischen Amte Salder benannte und zahlreiche Güter im Wolfenbüttelschen und Hildesheimschen besaß.

Einzelne Zweifel bleiben auch jetzt noch übrig; doch werden diese jenes Resultat kaum zu erschüttern vermögen. Von den zahlreichen Familien, die sich "von Hagen" nannten, könnte nämlich, weil Gunzelin zu den Edlen zählte, allerdings noch eine, weil auch sie eine "edle" war, in Betracht kommen, nämlich die, welche ihren Namen nach der Burg Hagen bei Bremen führte; aber während nach dem Braunschweigischen manche Spuren leiten, weist uns keine in die Gegend von Bremen. Die zahlreichen Besitzungen der Grafen von Schwerin im Lüneburgischen, welche zum Theil dem Bremischen nicht fern liegen, sind nach von Hammersteins Ermittelungen keine ursprünglichen Familiengüter, sondern ein Bestandtheil, ein Rückhalt der Grafschaft. Vielleicht verdient es auch Beachtung, daß der über manche meklenburgische Verhältnisse wohlunterrichtete Bischof Boguphal von Posen († 1253) den ersten Grafen von Schwerin als "nobilis vir de Dalewo (l. Dalemo), alias de Dalemburg" kennt 1 ); es steht zur Frage, ob Gunzelin vor seiner Erhebung zum Grafen von Schwerin nicht etwa Burgvogt zu Dalenburg war und in dortiger Gegend schon mancherlei Lehne erwarb.

Ein zweites Bedenken könnte daraus erwachsen, daß die Siegel der Edlen von Hagen aus dem 13. Jahrhunderte ein geschachtes Feld zeigen, wie die der Edlen von Meinersen, dagegen keine Aehnlichkeit haben mit den Siegeln der Grafen von Schwerin. Indessen ist uns vom Grafen Gunzelin I. kein Siegel erhalten, und das Wappenbild in den Siegeln seiner Söhne wird sich vielleicht als später angenommen erklären lassen. Wir kommen weiter unten hierauf zurück 2 ).

Endlich muß der Freiherr von Hammerstein eingestehen, daß er in der Familie von Hagen die bei den Grafen von Schwerin so häufigen Vornamen Gunzelin und Helmold


1) Mekl. Jahrb. XXVII, S. 128. 130.
2) S. §. 23.
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nicht nachzuweisen vermag. Indessen können beide von weiblicher Seite her in die Familie der Grafen eingedrungen sein. Derselbe Forscher hebt hervor, daß sie bei den Edlen von Biwende mehrfach in Gebrauch waren, und stellt die ansprechende Hypothese auf, Gunzelin I. möge ein Enkel des Gunzelinus de Biwende gewesen sein, und seine Mutter die Besitzungen in Bischofsdorf und Schwalendorf als Mitgift an die Hagen=Schwerinsche Familie gebracht haben.

Die Namen der Eltern Gunzelins sind noch nicht entdeckt; ein Bruder seines Vaters, Namens Dodelinus, war 1150 Domherr zu St. Marien in Hildesheim 1 ). Ob man aber die Frau R. de Homboken, welche Gunzelins I. Sohn Hermann seine verstorbene Cousine (matertera) nennt 2 ) als eine Schwester Gunzelins I. ansehen dürfte 3 ), dünkt uns sehr zweifelhaft. Denn einmal hätte man in jener Zeit für dieses Verwandtschaftsverhältniß wohl eher eine andere Bezeichnung als matertera erwartet, und zweitens ist das von ihr hinterlassene Gut Wietzen (A. Winsen an der Aller) seiner Lage nach wohl eben so wenig als die Erbgüter Friedrichs, des jüngeren oder jüngsten Sohnes Gunzelins I., zu Lehmcke (A. Bodenteich) 4 ) für Hagensches Stammgut anzusehen. Wir glauben vielmehr, daß die Frau R. von Hohenbüchen eine Verwandte Hermanns von mütterlicher Seite war.

Gunzelin von Hagen war 1150 noch unvermählt 5 ) wird aber nicht lange hernach Hochzeit gemacht haben, da von seinen jüngeren Söhnen einer schon 1174 als Zeuge vorkommt, ein anderer 1181 als Domherr zu Hildesheim, 1186 einer der älteren als Propst zu Hamburg erscheint. Die Herkunft der ersten Gräfin von Schwerin ist uns freilich nicht überliefert, aber höchst wahrscheinlich ihr Name. Denn wenn ihr Enkel Gunzelin III. 1260 beurkundet 6 ), daß seine Vorfahren der Domkirche zu Schwerin Hebungen zu Naulitz (bei Lüchow) "von ihren Erbgütern um Frau Odae, Gräfin von Schwerin, Seligkeit willen williglich gegeben" haben, und wenn wir ferner finden, daß das Schwerinsche Domcapitel schon am 24. October 1191 über "Naulitz iuxta Lugowe" eine päpstliche Bestätigung empfing 7 ), so wird der Schluß erlaubt sein, daß jene Gräfin Oda die Gemahlin Gunzelins I. gewesen und vor 1191 verstorben ist.

War Naulitz bei Lüchow etwa ein Erbgut der Gräfin


1) M. U.=B. I, Nr. 50.
2) Daselbst Nr. 274.
3) Jahrb. XXV, S. 189.
4) M. U.=B. I, Nr. 339.
5) Daselbst Nr. 50.
6) Daselbst II, Nr. 875.
7) Daselbst I, Nr. 150, S. 418.
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Oda? Es ist allerdings nicht unwahrscheinlich, daß man die Stiftung zu ihrem Gedächtniß auch aus ihrem Gute machte. Auch Lehmke im Amte Bodenteich mag von ihr auf ihren Sohn Friedrich vererbt sein. Wenn man ferner etwa die Frau R. von Hohenbüchen bis auf etwanige weitere Entdeckungen für ihre Schwester oder Schwestertochter ansieht und beobachtet, daß deren Gut Wietzen im Amte Winsen an der Aller lag, und der Propst Hermann für nöthig hielt, seinen Verwandten (amicus), den Grafen Gevehard von Wernigerode, der anscheinend Miterbe war, darauf aufmerksam zu machen, daß ihr Verwandter (cognatus), der Graf von Wölpe, kein ursprüngliches Vogteirecht darüber besaß: so darf man vielleicht hoffen, daß es Historikern, welche mit der Genealogie der Grafen von Wölpe und von Wernigerode auf Grund urkundlicher Forschungen vertraut sind, gelingen wird, den Ursprung der Gräfin Oda von Schwerin noch zu ermitteln.

Nach dem Tode des Wendenfürsten Niclot (1160) erhob der Herzog Heinrich der Löwe von Baiern und Sachsen, wie bekannt, den Edlen Gunzelin von Hagen zum Grafen von Schwerin; den Titel comes führt Gunzelin in unsern Urkunden zum ersten Male im Jahre 1161 1 ).

Das Todesjahr Gunzelins I. ist nicht überliefert. Die letzte Urkunde, welche ihn uns als lebend nennt, betrifft eine Verhandlung vom Jahre 1175, kann aber frühestens 1177 ausgestellt sein 2 ). Doch trat er keineswegs schon damals vom Schauplatze ab, vielmehr leistete er 1180 dem seiner Würde entsetzten Herzoge Heinrich noch treue Hülfe, und führte später mit dem neuen Herzoge Bernhard von Sachsen noch scharfe Fehden, deren Schlichtung Arnold von Lübek erst im Anschlusse an Ereignisse des Sommers 1184 erzählt 3 ). Das Jahr 1185 aber wird Gunzelin I. nicht überlebt haben 4 ); sein Todestag ist vielleicht der 18. Juni 5 ).

Gunzelin I. fand seine Grabstätte im Dome zu Schwerin, in der Capelle hinter dem großen Altar, welche später, seitdem


1) M. U=B. I, Nr. 72.
2) Daselbst Nr. 119, Anm.
3) Arn Lub. II, 13. III, 4. 7.
4) Jahrb. XXVIII, S. 271. - Im Jahre 1190 sah Gottschalk in seinen Visionen den Grafen Gunzelin im Fegefeuer. Langebek, Scr. rer. Dan. Vol. V, p. 366.
5) wenn anders auf ihn die Inscription des Necrol. des Michaelisklosters zu Lüneburg zu diesem Tage geht: "O. - - Guncelinus comes, frater noster, IIII sol. de prebenda". Doch war der Graf von Schwerin nicht der erste "Graf Gunzelin" im Sächsischen. Vgl. Thiet= (  ...  )
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das vom Grafen Heinrich I. geschenkte heil. Blut dort verwahrt und verehrt ward, die Heil.=Bluts=Capelle hieß und die Haupt=Begräbnißstätte der Grafen von Schwerin ward 1 ). Seine Gemahlin scheint aber dort nicht bestattet zu sein, da es in zwei Urkunden heißt, der Vater (nicht: die Eltern) und die Brüder des Grafen Gunzelin II. und Heinrich I. seien im Dome begraben.

II.

§ 2. Mit Recht hält Chemnitz den Grafen Helmold I. für den ältesten Sohn Gunzelins I., da er 1189 selbstständig und allein als Graf von Schwerin dem Herzoge Heinrich zu Hülfe eilte 2 ). Sein Bruder Hermann, der ihm im Alter wohl am nächsten gestanden haben mag, würde, wäre er der älteste Sohn gewesen, schwerlich in den geistlichen Stand getreten sein. Helmold wird übrigens in Urkunden nie genannt. Bei Arnold von Lübek begegnet er uns zum letzten Male im 16. Capitel des vierten Buches, bei dem Kampfe um Lauenburg, der frühestens im Jahre 1192, aber, wie es scheint, erst 1194 Statt fand. Im Jahre 1200 verfügten seine jüngeren Brüder schon, ohne auch nur seiner Zustimmung zu gedenken, über Güter der Grafschaft 3 ); er war damals also ohne Zweifel bereits verstorben. Wahrscheinlich aber fällt sein Tod schon vor das Jahr 1195, da bei dem Streit um die Bischofswahl zu Schwerin nicht er, sondern Gunzelin als das Haupt des Grafenhauses erscheint 4 ).

Ueber Helmolds I. muthmaßliche Gemahlin Adelheid aus dem Geschlechte der Grafen von Woldenberg oder Werder verweise ich auf meine Note zum Mekl. Urkunden=Buche, Bd. IV A, Nr. 2658.

§ 3. Daß außer Helmold I. wenigstens noch ein Bruder im Jahre 1200 schon verstorben war, läßt sich aus den Worten der Grafen Gunzelin II. und Heinrich: "pro remedio et salute anime nostre et animarum patris, matris et fratrum " in der Urkunde 5 ) über Goddin und Eixen we=


(  ...  ) mar IV, 32 (zum J. 1002): ad Frasam (Frose im Magdeburgischen), curtem regiam, quam tunc Guncelinus comnes ex parte inperatois in benefitium tenuit. VI, 2 (1004) u. ö. betitelt ihn Thietmar "marchio". - Vgl. auch Guncelinus comes bei Thietmar VII, 5 und 12.
1) M. U.=B. I, Nr. 241. 280. Vgl. auch Lisch in Jahrb. XIII, S. 151 flgd.
2) Arn. Lub. IV, 2.
3) M. U.=B. I, Nr. 165.
4) Daselbst I, Nr. 158, Note. Irrig versteht Hederich hier Gunzelin I.
5) Daselbst I, Nr. 165.
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nigstens vermuthen; ganz unzweideutig geht dann aus einer Stelle in der Urkunde Bischof Brunwards über Medewege vom 3. Mai 1218 1 ), wo es heißt:

"in capella (des Schweriner Doms), in qua patris et fratrum ipsorum (der genannten beiden Grafen Gunzelin und Heinrich Brüder) corpora sunt tumulata",

hervor, daß außer Helmold wenigstens noch ein Sohn Gunzelins früh verstorben ist, ohne daß eine Urkunde oder ein Annalist uns den Namen aufbewahrt hat.

§ 4. Die Reihenfolge der vier übrigen gräflichen Brüder ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Nur so viel kann man behaupten, daß Gunzelin II. älter war als sein Bruder Heinrich; denn er geht diesem in den von ihnen gemeinschaftlich ausgestellten Urkunden immer voran. Heisnrich begegnet uns freilich schon 1174 als Zeuge in einer Urkunde 2 ) - wenn nicht etwa die Ueberlieferung ungenau und vielleicht der bloße Anfangsbuchstabe H. vom Schreiber des Neumünsterschen Copiars irrig in Hinricus statt in Helmoldus aufgelöst ist -; aber jedenfalls wird er damals noch sehr jung gewesen sein. Beiden Grafen stellen wir ihren Bruder Hermann voran, da er bereits 1186 Dompropst zu Hamburg war, und lassen den ohne Zweifel jüngeren, wahrscheinlich jüngsten Bruder Friedrich zuletzt folgen.

Den Hamburgischen Dompropst Hermann kannte Chemnitz noch nicht als einen Grafen von Schwerin. Ich kann wegen desselben jetzt lediglich auf den Excurs zu Nr. 236 im 1. Bande des Mekl. Urkunden=Buches, auf die Berichtigung in Band IV A, S. 240, und auf das Register, Band IVB, S. 211 verweisen, wo alle Forschungen über diesen Prälaten zusammengefaßt sind. Hiernach war Hermann mindestens schon 1186 Propst zu Hamburg. Er ward nach dem Tode des Bischofs Berno († 1190 oder 1191) von den Domherren zum Bischof von Schwerin erwählt, während die Wendenfürsten, das Uebergewicht der Grafen von Schwerin im Bisthum fürchtend, ihm den Domherrn Brunward gegenüber stellten. Im Boizenburger Vertrage vom 18. Juni 1195 siegte der Letztere, Hermann dagegen leistete Verzicht auf die bischöfliche Würde und führte sein Amt als Dom=


1) M. U.=B. Nr. 241. Vgl. in Nr. 280: ecclesiam, eo quod corpora tam patris ipsius quam fratrum in ea sepulta fuerint - .
2) Daselbst I, Nr. 117.
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propst zu Hamburg weiter. Gestorben ist er 1228 oder 1229. Seine Gebeine ruhen im Altkloster zu Buxtehude.

§ 5. Gunzelin II. tritt, wie bemerkt, 1195 zum ersten Male als Graf auf, seit 1200 finden wir ihn bei den deutsch=dänischen Händeln betheiligt 1 ), und er erscheint oft in Urkunden, gemeinschaftlich mit seinem Bruder Heinrich, bisweilen aber auch allein über Angelegenheiten der Grafschaft verfügend. Seine letzte bekannte Urkunde, die über Bandenitz vom 14. Decbr. 1220, hat er, ihrem Inhalte nach zu schließen, in Erwartung seines Todes ausgestellt 2 ); am 28. Febr. 1221 schaltete über seinen Antheil der Grafschaft schon der König Waldemar von Dänemark 3 ).

Gunzelins Gemahlin nimmt einmal, jedoch ohne sich zu nennen, 1217 an der Ausstellung einer Schenkungsurkunde Theil 4 ); Gunzelin nennt uns ihren Namen Oda am 25. Mai 1220 5 ). Ihre Herkunft bleibt uns unbekannt.

§ 6. Daß Heinrich I. am 1. Jul. 1174 6 ) neben seinem Vater Gunzelin zu Bremen als Zeuge in einer Urkunde zuerst auftritt, haben wir schon erwähnt. Dann begegnen wir ihm in zahlreichen Urkunden von 1200 bis 1220 neben Gunzelin, späterhin allein. Seine thatenreiche Geschichte zu verfolgen, ist hier nicht unsere Absicht; dagegen merken wir an, daß er am 17. Febr. 1228 zu Schwerin verstorben ist 7 ).

Von einer Gemahlin Heinrichs ist erst 1217 die Rede; doch fällt seine Vermählung ohne Zweifel früher, wie man aus dem Alter der Kinder schließen muß. Der Annahme Chemnitzens, daß der Graf Heinrich zweimal vermählt gewesen sei, 1) mit Audacia, deren Tod Chemnitz - willkürlich - in's Jahr 1219 setzt, 2) 1220 mit Margarete, "gebohrnen von Schlawin", ist in neuerer Zeit vom Geh. Archivrath Lisch 8 ) und vom Professor Usinger 9 ) die Behauptung gegenübergestellt, daß Heinrich nur eine Gemahlin gehabt habe, Audacia (die Tochter der Frau von Schlawe in Hinterpommern 10 ), welche bei Lebzeiten ihres Gemahls nur einmal, nämlich in einer Urkunde vom 6. Mai 1218, deren Echtheit freilich sehr bedenklich erscheint 11 ), nach dessen


1) Arn. Lub. VI.
2) M. U.=B. I, Nr. 270.
3) Daselbst I, Nr. 275.
4) Daselbst Nr. 230.
5) Daselbst Nr. 266.
6) Daselbst Nr. 117.
7) Daselbst Nr. 350, Note.
8) Jahrb. XXVII, S. 131 flgd.
9) Usinger: Deutsch=dänische Gesch., S. 418. 419.
10) M. U.=B. I, Nr. 290. - Vgl. § 12.
11) M. U.=B. Nr. 242, Note.
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Tode aber als seine Wittwe und als Mutter seines Sohnes Gunzelin III. sehr oft genannt wird. Aber so einig beide Forscher in diesem Resultate sind, so weit gehen ihre Ansichten aus einander in Bezug auf die Gräfin Margarete von Schwerin, welche in drei Urkunden des Grafen Heinrich aus den Jahren 1227 und 1228 1 ) erscheint und zweimal ausdrücklich seine Gemahlin genannt wird. Lisch trägt 2 ) "kein Bedenken, anzunehmen, daß die Gräfin Margarethe gar nicht des Grafen Heinrich Gemahlin war"; Usinger dagegen verwirft die oben erwähnte Urkunde von 1218 und findet nur den "unlöslichen Widerspruch: bis zum Tage vor des Grafen Tode heißt dessen Gemahlin Margarethe, später seine Wittwe stets Audacia. Beide werden als Mutter des Grafen Gunzel bezeichnet, müssen deshalb eine Person gewesen sein".

Wir unsererseits können Usinger unsere Zustimmung nicht versagen, wenn er die Margarete und Audacia identificirt. Irrig ist freilich seine Behauptung, daß Margarete auch als Gunzelins III. Mutter bezeichnet sei; denn auch in der Abschrift der hier in Frage kommenden Urkunde vom 1. Nov. 1246 ist 3 ) nur A[udacia], nicht M[argareta] zu lesen. In der Urkunde vom 23. Juni 1227, wo zuerst Margarete genannt ist 4 ), lauten des Grafen Worte nur:

"de consensu vxoris mee Margarete et heredum meorum Guncelini et Helmoldi, -"

in der zweiten, dem undatirten Zollprivilegium für Lübek 5 ):

"testes sunt hii: domina Margareta comitissa de Zwerin, Gunzelinus filius noster -"

in der dritten, vom 16. Febr. 1228 6 ):

"Testes sunt hii: Margareta comitissa, uxor nostra, Guncelinus filius noster -"

In diesen letzten drei Stellen könnte man, wenn nicht andere Gründe dagegen sprächen, die Margarete immerhin für eine zweite Gemahlin Heinrichs und für die Stiefmutter Gunzelins nehmen. Wir würden durch diese Annahme aber zu der weiteren Conjectur gedrängt, daß Heinrich von der ersten Gemahlin, Gunzelins Mutter Audacia, geschieden sei; und diese wäre ganz unstatthaft. Denn wie sollte er - wenn wir auch zugeben wollten, die darüber redenden Urkunden seien bis auf jede Registratur verloren gegangen,


1) M. U.=B. I, Nr. 340, 345 und 348.
2) Jahrb. XXVII, S. 149.
3) M. U.=B. I, S. 558.
4) Daselbst I, Nr. 340.
5) Das. - Nr. 345.
6) Daselbst Nr. 348.
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- dazu die päpstliche Genehmigung erlangt haben? wie sollte unter dieser Voraussetzung Gunzelin unter die Vormundschaft und Regentschaft seiner Mutter gestellt sein? Doch es bedarf dies keiner weiteren Ausführung.

Es bleibt also nur übrig, entweder die Margarete mit Lisch für eine Gräfin von Schwerin, die nicht Heinrichs Gemahlin war, anzusehen, oder sie mit Usinger für die Audacia der späteren Urkunden zu erklären. Lisch macht für seine Ansicht geltend, daß gerade in der zweiten Urkunde, welche allein von jenen drei Zeugnissen über die Margarete im Original erhalten ist, die Worte "vxor nostra" fehlen. In Bezug auf die erste Urkunde, welche uns in einer Beglaubigung des Fürsten Heinrich von Meklenburg aus dem Jahre 1311 vorliegt, meint er, es wäre möglich, daß, wie es häufig vorkommt, der Name der Gemahlin ursprünglich im Original gefehlt hätte und von jüngerer Hand willkürlich eingetragen wäre; und rücksichtlich der dritten hebt er hervor, daß wir sie nur in einer Abschrift des 16. Jahrhunderts besitzen.

Man muß nun allerdings zugeben, daß das Fehlen der Worte "vxor nostra" in dem Lübeker Original etwas Auffälliges hat; indessen hat ihr Ersatz durch die Worte: "comitissa de Zwerin" wohl ihren guten Grund. Denn die Gräfin war eben mit der Grafschaft mitbelehnt, führte den Titel also in einem prägnanteren Sinne als andere fürstliche Gemahlinnen. "Comiti memorato (Heinrich), uxori sue ac heredibus eorumdem" allein hatte der Herzog Albrecht von Sachsen am 16. Febr. 1227 die Grafschaft verliehen 1 ); nur Heinrichs Gemahlin, keine andere Gräfin von Schwerin, konnte alfo ihren Consens zu Veräußerungen von Gütern und Rechten der Grafschaft geben. Und wenn Heinrich etwa ehrenhalber noch die Zustimmung einer Seitenverwandten - und welche hätte dies sein können? - in die Urkunde eingefügt hätte, so dürfte er die Erwähnung der zur Genehmigung berechtigten Gemahlin daneben nicht unterlassen haben. Auch die spätere Einfügung des Namens in eine offen gelassene Lücke können wir in diesem Falle nicht für glaublich halten; der Hofcaplan und Domherr Giselbert zu Schwerin, welcher die Urkunde vom 23. Juni 1227 zu Schwerin ausgestellt hat, wird sicher für den Namen der Gräfin keinen Raum frei gelassen haben. Und hätte etwa ein Späterer, vielleicht gegen Ende des 13. Jahrhunderts,


1) M. U.=B. I, Nr. 338.
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zum Vergnügen den Namen der Gräfin zwischen den Zeilen nachtragen wollen, so wäre er gewiß eher auf den Namen der Audacia verfallen, die durch ihre Thätigkeit und Frömmigkeit bekannt war und ein so hohes Alter erreichte, als auf den Namen Margarete, der nur noch in einer Urkunde der Lübeker Trese verborgen lag. -

Der Doppelname bleibt auch uns unerklärlich. Für die Ursprünglichkeit des Namens Margarete spricht der Umstand, daß dieser schon früher im Hause Schlawe vorkommt; aber Audacia nennt sich die Gräfin als Wittwe, wo sie Urkunden ausstellt oder sich ausstellen läßt, also bei Rechtsgeschäften, und dieser Name ist auch auf ihre Urenkelin übergegangen.

Das Todesjahr der Gräfin Audacia steht nicht ganz fest. Detmar berichtet ihren Tod und ihr Begräbniß im Chor der Franciscanerkirche zu Schwerin zum Jahre 1287 1 ); ursprünglich stand aber diese Nachricht am Schlusse seines Berichtes vom Jahre 1270. Korner erzählt ihren Tod zum Jahre 1284 2 ). In Urkunden können wir sie mit voller Sicherheit nur bis zum 18. August 1267 3 ) verfolgen; doch fällt eine Urkunde, in welcher das Heil.=Kreuz=Kloster zu Braunschweig ihr und ihrem verstorbenen Gemahl die Brüderschaft verleiht, allem Anscheine nach etwa um 1270 4 ). War sie die Gevatterin ihrer Urenkelin Audacia, so kann sie allerdings noch nicht 1270 gestorben sein.

§ 7. Der Domherr Friedrich zu Hildesheim wird 1227 als Bruder des Grafen Heinrich von Schwerin bezeichnet. Dieser Domherr "Fridericus de Suerin" erscheint schon 1194 m Urkunden und ist in dem Fridericus subdiaconus, der 1181, und dem Fridericus canonicus, der 1182-1191 im Hildesheimer Dom=Capitel vorkommt, wiedergefunden worden. Am 17. Novbr. 1225 wird er schon Präpositus betitelt; indessen war er noch nicht Dompropst zu Hildesheim 5 ). Vielmehr wird er auch 1228 noch als Domherr aufgeführt; jedoch am 6. Septbr. 1231 schon als major praepositus. Glücklicher als sein Bruder Hermann,


1) Grautoff I, S. 162, 148.
2) Eccard, Corp. hist. II, p. 935.
3) M. U.=B. II, Nr. 1128.
4) Daselbst Nr. 1294.
5) Wie Chemnitz annimmt, war er Propst zu Schwerin; indessen finden wir hier nach Bruno (1218-22) freilich zunächst eine Lücke, von 1228-33 aber Apollonius. Daß Friedrich nach seiner Wahl zum Propst in Hildesheim seine Würde zu Schwerin niedergelegt hätte, ist wenig glaublich.
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erlangte er, nachdem dessen einst siegreicher Nebenbuhler, Brunward, am 14. Januar 1238 gestorben war, die bischöfliche Würde zu Schwerin, und zwar vor dem 26. Mai 1238; er starb aber schon im Sommer oder im Herbste des nächsten Jahres, zwischen dem 21. Mai und dem 3. Novbr. 1 )

III.

§ 8. Chemnitz nennt als letztes Mitglied der zweiten Generation die Gräfin " Idda ", die Gemahlin des Grafen Nicolaus von Halland. Auch noch Römer führt diese Gräfin als eine Tochter Gunzelins I. auf 2 ); doch ist uns nicht zweifelhaft, daß Usinger 3 ) sie mit Recht für eine Tochter Gunzelins II. erklärt hat. Denn die dänischen Annalisten, welche uns zum J. 1217 die Vermählung jenes Bastards König Waldemars II. von Dänemark mit der "Tochter des Grafen Gunzelin" berichten 4 ), verstehen nur Gunzelin II., von dem sie kurz vorher erzählt haben, daß er mit seinem Bruder Heinrich I. 1214 die Grafschaft von Waldemar zu Lehn genommen habe; hätten sie, die Zeitgenossen, jene Gräfin für Gunzelins II. Schwester (Gunzelins I. Tochter) gehalten, so hätten sie nicht "filia", sondern "soror comitis Guncellini" geschrieben. Zweitens nennen der Bischof Hermann und die Grafen Helmold und Nicolaus von Schwerin in ihrer Zuschrift an die dänischen Reichsstände vom Jahre 1283 5 ) die "Oda", Gemahlin des wail. Grafen Nicolaus von Halland, ausdrücklich eine Tochter desjenigen "Gunzelinus, qui una cum domino Henrico comitatum Sverinensem habuit", also eine Tochter Gunzelins II. Drittens giebt es überhaupt, so viel wir wissen, kein altes Zeugniß für jene Annahme, daß "Ida" die Tochter Gunzelins I. gewesen sei. Chemnitz nennt sie als solche nur in seiner Erzählung 6 ) von dem Reverse, den Graf Albrecht von Orlamünde wegen des ihm übergebenen "halben Amtes Schwerin" am 28. Febr. 1221 dem Könige Waldemar II. ausstellen mußte. Aber daraus geht nicht einmal hervor, daß die Gräfin in jenem Reverse überhaupt genannt, noch viel weniger, daß ihr Vater darin erwähnt war, zumal die Inhaltsangabe jenes Reverses von Fabricius (um 1580) nichts davon enthält. Chemnitz giebt seine Bezeichnung ja auch nur in seiner erläuternden Vorbemerkung, wie er auch bei der Aneinanderreihung an=


1) S. M. U.=B. IV B, S. 170, Friedrich Nr. 6.
2) Das. - S. 222.
3) a. a. O. S. 267.
4) M. U.=B. I, Nr. 229.
5) Daselbst III, Nr. 1696.
6) Daselbst I, Nr. 275.
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derer Urkunden zu einer Geschichtserzählung oft solche Erläuterungen - richtige und unrichtige, je nach dem Erfolg seiner Combination - einzuschalten pflegt. In dem vorliegenden Falle ist nun seine Quelle glücklicher Weise nicht zweifelhaft; er folgt hier dem von ihm so oft citirten Hvitfeldt, welcher in seinem Berichte von der Vermählung des Grafen Nicolaus von Halland (S. 183) "Idde" als Schwester der Grafen Gunzelin und Heinrich angegeben hat. Also Hvitfeldt trägt die Schuld der Verwirrung, in der Genealogie wie im Namen. Denn den Namen Ida kennen wir im Schweriner Grafenhause gar nicht; desto üblicher war Oda, diesen führten Gunzelins II. Mutter und Gemahlin; auch hier verdient also der erwähnte Brief vom Jahre 1283 den Vorzug.

Eine Bestätigung, wenn solche noch nöthig erscheinen sollte, gewinnt unsere Auffassung endlich auch noch durch eine Betrachtung der Altersverhältnisse. Wenn nämlich Gunzelin I. 1185 starb, und ihm noch in seinem letzten Jahre eine Tochter (Oda) geboren wäre, so würde diese im Jahre 1217 schon 32 Jahre gezählt haben. Erwägt man aber, daß von den jüngeren Söhnen Gunzelins I. der eine 1186, wenn nicht schon früher, Dompropst zu Hamburg, ein anderer 1174 schon Zeuge in einer Urkunde, ein dritter 1181 schon Mitglied des Domcapitels zu Hildesheim war, so möchte eine Tochter bei Gunzelins Tode doch auch etwa 20 Jahre alt gewesen sein, und müßte mithin im Jahre 1217 schon das Alter von 50 Jahren überschritten haben.

1217, wohl kurz nach der Hochzeit, finden wir den Grafen Nicolaus mit seiner Gemahlin zu Schwerin. Er selbst starb schon im nächsten Jahre 1 ); und wir dürfen annehmen, daß Oda ihn nicht lange überlebt hat, da am 28. Febr. 1221 der König Waldemar schon über ihr Erbgut verfügte und ihrer in den zahlreichen Urkunden der nächsten Jahre über die Grafschaft nie mehr Erwähnung geschieht. 2 )


1) M. U.=B. I, Nr. 229, N.
2) Wie sehr Hvitfeldts Angaben, selbst über spätere, und zum Theil sogar über dänische Angelegenheiten, noch mehr freilich über norddeutsche Verhältnisse, stete Prüfung erfordern, haben wir an mehreren Stellen des Meklenburgischen Urkundenbuches nachgewiesen. Hier merken wir nur ein Beispiel an, welches unsern Gegenstand zunächst berührt. Er berichtet nämlich (S. 179) zum Jahre 1210, daß Gunzelin II. und Heinrich I. vom Könige Waldemar ihre Söhne zurück empfingen, nachdem dieselben (seit 1203) als Geisel für den Grafen Adolf von Holstein in Dänemark verweilt hätten. Damit aber begeht er eine Verwechselung. Wir sehen davon ab, ob Gunzelin überhaupt je mit (  ...  )
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§ 9. Irriger Weise berichtet unser Vorgänger, daß eine Tochter Gunzelins II. mit dem Fürsten Nicolaus von Werle vermählt gewesen sei. In Urkunden und Chroniken lesen wir von derselben nichts. Entweder hat Chemnitz einmal Nicolaus von Werle mit Nicolaus von Halland verwechselt, oder er hat die Verschwägerung zwischen Nicolaus von Werle und dem Grafen Gunzelin III., oder aber die Verwandtschaft zwischen Gunzelin III. und seiner Gemahlin (s. § 12) unrichtig gedeutet. Nicolaus von Werle nennt schon 1233 seine Gemahlin Jutta (von Anhalt); er war damals noch sehr jung, also gewiß noch nicht Wittwer gewesen; und Jutta hat ihn überlebt 1 ). Alle Vorgänge zwischen dem Könige Waldemar II. und dem Grafen Heinrich I. erklären sich auch nur, wenn der Sohn der verstorbenen Gräfin Oda von Halland seines Großvaters, Gunzelins II., einziger Erbe war.

§ 10. Alle späteren Generationen der Grafen von Schwerin stammen ab von Heinrich I. Daß er Söhne hatte, erfahren wir zuerst am 24. Septbr. 1223 2 ); am 23. Juni 1227 gedenkt er dann selbst seiner beiden Söhne Gunzelin und Helmold (heredum meorum Guncelini et Helmoldi). Dies ist aber auch die einzige Stelle, wo von dem jüngeren Sohne, Helmold II., die Rede ist. In dem schon erwähnten Privilegium für Lübek aus den Jahren 1227 oder 1228 und in einer Urkunde vom 16. Febr. 1228 3 ) nennt Graf Heinrich nur noch seinen Sohn Gunzelin. Hätte Helmold damals noch gelebt, so würde auch seiner Zustimmung gedacht sein; oder hätte er den Vater überlebt, so würde auch er ohne Zweifel, wie seine Schwester, vom Herzoge von Lüneburg die Mitbelehnung wegen der lüneburgischen Lehne 4 ) empfangen haben. Sein Tod fällt also in die zweite Hälfte des Jahres 1227 oder in den Anfang des Jahres 1228.


(  ...  ) Söhnen gesegnet gewesen ist, und ob Heinrich damals schon vermählt war (was kaum anzunehmen ist) und schon Söhne hatte (Gunzelin III. war ja 1230 noch unmündig). Aber Arnold von Lübek (VI, 17) berichtet ausdrücklich, daß der Graf Adolf außer seinen eigenen Söhnen den Sohn Ludolfs von Dassel und einen Sohn des Grafen Heinrich von Danneberg (nicht von Schwerin) als Geißel stellte. Mit Recht hat sich Chemnitz in diesem Falle Hvitfeldt nicht angeschlossen, er schreibt Gunzelin keine Söhne zu.
1) M. U.=B. I, Nr. 392. 415. II, 1437.
2) Daselbst Nr. 290 (S. 276).
3) Daselbst Nr. 345. 348.
4) Daselbst Nr. 364.
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§ 11. Wenn Chemnitz recht berichtete, so wäre der Graf Gunzelin III. zweimal vermählt gewesen, zuerst (1230) mit Margarete , der Tochter Heinrich Burwins II. († 1226), und später mit einer Gemahlin, deren Name und Herkunft unbekannt geblieben. Was ihn zur Annahme zweier Ehen Gunzelins bewogen haben mag, theilt er uns leider nicht mit; vermuthen kann man freilich, daß die späte Theilnahme des Grafen Nicolaus I. an der Regierung zu der Meinung verleitet hat, er müsse viel jünger als Helmold III., und darum vielleicht sein Stiefbruder gewesen sein. Wir wissen aber nur von einer Gemahlin Gunzelins III., Margarete, der Tochter Heinrich Burwins II. von Rostock (Meklenburg), mit welcher er am 30. Oct. 1230 verlobt ward, die er aber, weil er damals noch der Vormundschaft seiner Schwäger bedürftig schien, wohl erst einige Jahre später heimgeführt hat. Und allem Anscheine nach hat Margarete ihren Gemahl überlebt. Gunzelin stellte am 23. Oct. 1274 die letzte seiner uns erhaltenen Urkunden aus 1 ); am 5. November 1274 verfügten seine Söhne schon, ohne seinen Consens zu erwähnen, ohne Zweifel, weil Gunzelin gestorben war. Der Inhalt seiner letzten Urkunde eignete sich auch wohl für einen Mann, der eben seinen Tod erwartete; Gunzelin stiftet darin eine Vicarei in der Heil.=Bluts=Capelle, der Begräbnißstätte seines Hauses, und zwar ausdrücklich zum Seelenheil seiner selbst, seines (verstorbenen) Sohnes Heinrich und seiner Vorfahren. Schwerlich würde er hier seine Gemahlin übergangen haben, wenn auch sie schon in jener Capelle geruhet hätte.

Ein bestimmteres Zeugniß, daß Gunzelins Gemahlin wenigstens am 18. August 1267 noch lebte, giebt uns die Urkunde, welche er an diesem Tage zugleich mit seinem Sohne Helmold für die Geistlichkeit des Landes Wittenburg ausstellte 2 ). Die Geistlichen erhalten darin das Recht zu testiren und das Gnadenjahr, unter der Bedingung, daß sie für seinen verstorbenen Sohn, Heinrich II., Seelenmessen lesen. Dann aber werden sie verpflichtet, auch für die noch lebenden Mitglieder der gräflichen Familie, wenn sie dereinst abgeschieden Sein werden, Seelenmessen zu veranstalten. "Similiter", heißt es, "post decessum ma[tr]is nostre adhuc viventis (Aud acia) et nostrum nostrarum que uxorum ac omnium heredum nostrorum predicta obseruari volumus successiue". Also sowohl Gunzelin, als auch sein Sohn


1) M. U.=B. II, Nr. 1344.
2) Daselbst Nr. 1128.
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Helmold, was wir für die späteren Paragraphen anmerken, waren am 18. August 1267 vermählt, und auch hier erwähnt Gunzelin neben Vater und Sohn keine Gemahlin als verstorben 1 ).

§ 12. Auf die Stammtafel der Grafen von Schwerin ist es ohne Einfluß und gehört strenge genommen darum nicht in den Kreis unterer Aufgabe, daß in der schon erwähnten Urkunde über die Verlobung Gunzelins III. mit Margarete von Meklenburg am 30. October 1230 festgesetzt wird, der Bräutigam habe, falls Blutsverwandtschaft ein Ehehinderniß werden könne, seinerseits die Dispensation nachzusuchen 2 ). Aber da sich hieran doch ein nicht unerhebliches genealogisches Interesse knüpft, welches auch zugleich das meklenburgische Fürstenhaus berührt, so wollen wir wenigstens kurz auf dieses genealogische Problem hinweisen, dessen Lösung bisher noch nicht völlig gelungen ist. Bekannt ist uns keinerlei Blutsverwandtschaft der Schweriner Grafen mit den meklenburgischen Fürsten jener Zeit; aber wir wären allerdings auch nicht im Stande, die Ahnentafeln jenes Brautpaares bis zum vierten Grade einigermaßen vollständig darzustellen. Wir wissen kaum, wo wir mit unserer Vermuthung einsetzen sollen. Stand z. B. Gunzelins Großmutter, Oda, die Gemahlin Gunzelins I. von Schwerin, etwa in naher Verwandtschaft mit Herzog Heinrich dem Löwen, der zugleich der Ahnherr Margaretens war? Indessen sind die genealogischen Verhältnisse Heinrichs des Löwen im ganzen doch so bekannt, daß hier eine solche Lücke kaum geblieben sein möchte; vielmehr vermuthen wir mit einem scharfsinnigen Forscher, Archivar Dr. Klempin 3 ), daß die Mutter der Fürstin Margarete, Christine, die Wittwe des Fürsten Heinrich Borwin II., welche, wie es scheint, als reclusa bei den Cisterciensermönchen zu Satow ihr Leben beschlossen hat 4 ), eine Cousine der Gräfin Audacia war.


1) Vgl. auch in Nr. 2350 (vom 10. August 1295) die Worte: Guncelini et uxoris sue (nicht uxorum suarum).
2) M. U.=B. I, Nr. 381. Si vero matrimonium hoc consanguinitas inter ipsos iuncta potuerit impedire, comes Gunzelinus dispensationem, si necesse fuerit, tenebitur optinere.
3) Die folgende Ausführung Klempins entnehme ich einem an den Geh. Archivrath Lisch gerichteten Briefe. Ich gebe ihr den Vorzug, da sie viel weiter ausgebildet ist, als meine Vermuthung. Die Herkunft der Audacia und der Christine aus Dänemark und die auf diesem Wege vermittelte Verwandtschaft der beiden Fürstenhäuser war auch mir gewiß. Vgl. jetzt Klempin, Pomm. Urk=Buch I, Note zu Nr. 218.
4) M. U.=B. I, Nr. 396.
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Freilich ist noch nicht einmal lange der Name der Gemahlin Heinrich Borwins II. entdeckt, und auf ihre Heimath weist uns keine directe urkundliche Angabe hin. Dagegen wissen wir von der Audacia doch wenigstens das Haus anzugeben, dem sie entstammte; denn ihre Mutter wird 1223 Herrin zu Schlawe (domina de Zlawin) genannt. In dem Nordhäuser Vertrage vom 24. Septbr. 1223, welcher die Bedingungen enthält, unter denen der Graf Heinrich von Schwerin den gefangenen König Waldemar von Dänemark an den römischen Kaiser Friedrich II. und dessen Sohn Heinrich ausliefern will, lautet ein Paragraph:

"Item matri uxoris comitis H. de Swerin, domine de Zlawin, dominus imperator et dominus rex bona et hereditatem suam ad ipsam de iure spectantia, que rex Datie hactenus per violentiam occupata detinuit, restitui facient, aut pro ipsa hereditate in restaurum ei duo milia marcarum persoluent."

Dieselbe Angelegenheit wird auch in dem ersten Vertrage über die Freilassung des Königs Waldemar und seines Sohnes aus dem Gefängnisse des Grafen wieder berührt 2 ):

Item rex (Waldemar) matri uxoris comitis Heinrici terram eiu restituet, uel duo milia marcarum dabit.

Wer war nun diese domina de Zlawin? und wo lagen ihre Erbgüter (hereditas), welche Waldemar herausgeben oder mit 2000 Mark vergüten sollte?

Lisch äußert sich dahin 3 ): "Das Land, welches der König Waldemar der Schwiegermutter des Grafen entrissen hatte, wird ohne Zweifel in den südlichen Ostseeländern zu suchen sein, und es stimmt zu unserer Annahme, daß der König um das Jahr 1210 auch die Burg Danzig mit deren und andern ostpommerschen Ländern in Besitz genommen hatte." Es ist ihm "mehr als wahrscheinlich, daß die Frau von Zlawin eine ostpommersche Fürstin war". Er identificirt sie richtig mit der domina de Zlauene, welche in einer Urkunde der pommerschen Herzogin Ingardis (1220) unter den Zeugen genannt wird 4 ); und es ist, meint er, nicht unmöglich, daß sie die Dobroslava de Slauna war, welche 1200 als eine Schwester des Boguslav von Schlawe 5 ) genannt wird. In der Stammtafel S. 152 endlich nimmt er als ihren muthmaßlichen Gemahl einen ungenannten Sohn Mestwins I. von Ost=Pommern und Bruder Swantepolks an.


1) M. U.=B. I, Nr. 290.


2) Daselbst Nr. 305, S. 291.
3) Jahrb. XXVII, S. 151. 150.
4) Kosegarten Nr. 129.
5) Daselbst Nr. 80.
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Bei dem großen Mangel an aufklärenden Urkunden ist es allerdings sehr schwer, auf diesem Gebiete zu einer sichern Ueberzeugung zu kommen. Nicht mit Unrecht macht indessen Klempin den Einwand, daß die Dobroslave, die Schwester Bogislavs von Schlawe, wenn sie vermählt wäre, damit auch den Titel "von Schlawe" mit dem ihres Gemahls vertauscht haben würde. Nach seinen Forschungen 1 ) gründete der Herzog Ratibor, der Vaterbruder des Herzogs Bogislav (also Bruder Wartislavs I.), eine Nebenlinie des (west)pommerschen Hauses; und seines mutmaßlichen Sohnes "Wartitlaus Sclavinie" Kinder waren die am 24. April 1200 genannten "Boguslaus" und seine Schwester "Dobroslaua de Slauna". Die 1220-1224 genannte domina de Zlawin hält er für die Wittwe Bogislavs von Schlawe, die Gräfin Audacia von Schwerin demnach für die Tochter aus dieser Ehe. Die ganze Ausführung, an und für sich wahrscheinlich, bringt uns den Gewinn, daß sie erklärt, warum der Herzog Barnim I. von Pommern in einer Urkunde vom 10. Juni 1257 den Grafen Gunzelin III. seinen "consanguineus" nennt 2 ). Gunzelin stammte hiernach von Ratibor, wie Barnim von dessen Bruder Wartislav I. ab.

Ueber die Herkunft der Mutter Audaciens sind wir damit freilich noch nicht aufgeklärt. Aber es nöthigt uns auch nichts, ihre Erbgüter noch in Ostpommern zu suchen; denn Schlawe gehörte, so viel wir wissen, nicht zu den Gebieten, welche Waldemar auf der Fahrt von 1210 seinem Scepter unterwarf, sondern zu Westpommern; es gehorchte nach Klempins Combination dem Dänenkönig auch 1223 nicht 3 ). Und es konnte auch nicht als Erbgut (hereditas) der Mutter Audaciens angesehen werden. Sehr richtig bemerkt Klempin ferner, "daß Schlawe ja zu den Ländern des Reichs gehörte, die der Dänenkönig nach allen drei Verträgen abtreten sollte", und daß daher keine besondere Stipulation darüber nöthig war 4 ). Er kommt zu dem Schlusse, daß das Erbgut der Herrin von Schlawe nur in den von jenen Stipulationen nicht berührten Gebieten des Königs Waldemar, d. h. in Dänemark selbst, gelegen haben müsse. "Wahrscheinlich", fährt er fort 5 , "gehörte die Herrin von Schlawe zu der Nachkommenschaft des Königs Kanut V., dessen Sohn, der Bischof Waldemar von Schleswig, ja ein


1) S. Klempin, Pomm. Urk.=Buch I, Nr. 218, Note.
2) M. U.=B. II, Nr. 797.
3) Pomm. Urk.=Buch I, Nr. 215.
4) Pomm. Urk.=Buch I. zu Nr. 218.
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reiches Patrimonium besessen haben soll, das König Waldemar II. einzog". Klempin hebt zu weiterer Begründung hervor, daß die domina de Zlauene 1220, wie oben bemerkt, in einer Urkunde der Herzogin Ingardis als Zeuge erscheint, Ingardis aber, da ihr Sohn sich auf seinem Siegel "consanguineus regis Danorum" nennt, gleichfalls Dänemark, "vermuthlich derselben Kanutischen Nebenlinie entstammte". Er erinnert ferner daran, daß Hildegarde, die Gemahlin Jarimars I. von Rügen, bestimmter als eine Tochter Kanuts V. bezeichnet ist, und meint, es habe nicht zufällig, sondern "durch verwandtschaftliche Motive geleitet", Audacia gerade bei dem von Jarimar und Hildegarde gestifteten Kloster Eldena, sowie bei dem von Wizlav I., Hildegardens Sohn, gestifteten und zu seiner Grabstätte bestimmten Kloster Neuenkamp die Fraternität nachgesucht.

Wir verstellen die letzten Combinationen unsers gelehrten Freundes zur Prüfung der Leser; die Herkunft der Mutter Audaciens aus Dänemark aber scheint uns unzweifelhaft zu sein. Demselben Lande hat nun Lisch schon früher auch den Ursprung der Fürstin Christine, der Schwiegermutter Gunzelins, zugeschrieben, wiewohl ohne seine Gründe für diese Annahme mitzutheilen. - Mancherlei Forschungen hat eine Stelle in den Acten über den Streit des Dänenkönigs Christoph I. mit dem Erzbischof zu Lund, Jacob Erlandsön († 1274), veranlaßt, wo nämlich die Herren vom Wendenlande, Borwin und Nicolaus (Christinens Söhne), und zugleich der Fürst Jarimar II. von Rügen als Blutsverwandte (consanguinei) des Erzbischofs bezeichnet werden 1 ); jedoch haben sie zu keinem ganz scharfen Beweise geführt. Was sich indessen zweifellos ergiebt, ist zunächst, daß die auch anderweitig bezeugte 2 ) Blutsverwandtschaft zwischen den meklenburgischen Herren (also auch ihrer Schwester, der Gräfin Margarete von Schwerin), einerseits, und dem Fürsten von Rügen, andererseits, durch eine dänische Verwandtschaft vermittelt war. Längst hat man nun in der Mutter des Fürsten Jarimar II., Margarete, die ihr Gemahl Wizlav I. 1225 und 1232 als lebend, am 16. Sept. 1237 aber als verstorben


1) S. M. U.=B. IV A, Nr. 2670.
2) Wizlav II. von Rügen empfängt nicht nur von Pribislav von Belgard (1289, April 30, M. U.=B. III, Nr. 2019) den Titel cognatus noster, er ist auch des Fürsten Nicolaus II. von Werle karissimus consanguineus (1295, 8. Mai, M. U.=B. III, Nr. 2335) und nenni seinerseits wiederum (in seinem Testamente, M. U =B. V, Nr. 2835) den Fürsten Heinrich II. von Meklenburg dilectus consanguineus meus.
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erwähnt 1 ), eine Dänin erkannt; und wenn diese Annahme Grund hat, so liegt es am nächsten, ihre Eltern in der Verwandtschaft des berühmten Erzbischofs Absalon, des Bezwingers der Wenden, zu suchen. Denn von einem Vaterbruder desselben, Ebbo Skialmsön, soll jener Erzbischof Jacob Erlandsön abstammen, und von einem andern Vaterbruder, Toko, der 1277 verstorbene Röskilder Bischof Peter Bang, welcher mit Jarimar II. von Rügen dem Erzbischof treue Hülfe leistete und den Fürsten Jarimar II. seinen Neffen (nepos) genannt und von diesem wiederum den Titel eines mütterlichen Verwandten (avunculus), wenn Hvitfeldt 2 ) anders genau berichtet, empfangen haben soll.

In demselben Kreise hätten wir demnach auch die Ahnen der Fürstin Christine von Meklenburg zu suchen; ja Klempin wagt sogar, wie früher schon Beyer, die Vermutung, Christine möge eine Schwester der rügischen Fürstin Margarete gewesen sein, und zwar aus folgendem Grunde.

Der Sohn Gunzelins III., Graf Helmold III. von Schwerin, der also ein Enkel der Fürstin Christine war, vermählte sich, worauf wir späterhin noch einzugehen haben, mit Margarete, der Tochter des Herzogs Erich von Schleswig († 1272); es ward aber späterhin eine Dispensation nöthig befunden, da die beiden Gatten im vierten Grade mit einander verwandt waren 3 ). Lisch 4 ) hat sich nun diese Verwandtschaft dadurch erklärt, daß er die Mutter der Gräfin Audacia als Gemahlin eines Bruders Swantepolks von Ostpommern ansah, wodurch er folgende Tafel erhielt:

Stammtafel

1) Kosegarten, Codex Nr. 155, 193, 250.
2) p. 255. Nach Hvitfeldt wäre der Bischof Peter ein Schwestersohn des Erzbischofs Jacob Erlandsön gewesen. Die Vorfahren des Peter Bang sind auf der Taf. II. bei Langebek, Scr. rer. Danic. IV, 545, nach der Genealog. Absal., offenbar nicht vollständig gegeben. Vgl. daselbst Taf. IV. und V. die Vorfahren des Jacob Erlandsön und des Bischofs Absalon.
3) M. U.=B. III, Nr. 1988.
4) Jahrb. XXVII, S. 152.
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Nach Ablehnung dieser Combination bietet nun allerdings die Hypothese Klempins und Beyers, daß die Fürstin Christine von Meklenburg eine Schwester der Fürstin Margarete von Rügen gewesen sei, den erwünschten Ersatz. Wir gewinnen damit folgende Verwandtschaftstabelle:

Stammtafel

Bis auf etwanige weitere genealogische Entdeckungen tragen wir kein Bedenken, uns dieser Hypothese anzuschließen; denn wenn man die Ahnentafel Helmolds III. und seiner Gemahlin, soweit ihre beiderseitigen Ahnen erforscht sind, zusammenstellt, will sich anderweitig keine Verwandtschaft vierten Grades ergeben.

Fassen wir jetzt das Resultat der ganzen Erörterung kurz zusammen, so haben wir die Ueberzeugung gewonnen, 1) daß die Fürstinnen Margarete, Gemahlin Wizlavs I. von Rügen, und Christine, die Gemahlin H. Borwins II. von Meklenburg, wahrscheinlich Schwestern waren, jedenfalls aber beide aus der Verwandtschaft des berühmten Erzbischofs Absalon stammten, 2) daß auch die Frau von Schlawe, die Schwiegermutter des Grafen Gunzelin III. von Schwerin, dänischer Herkunft war, 3) daß die als möglich vorausgesetzte zu nahe Verwandtschaft, welche zur Ehe des Grafen Gunzelin III. mit Margarete, der Tochter der Fürstin Christine, eine Dispensation erforderlich machen könnte, durch die Mutter der Gräfin Audacia und die Fürstin Christine vermittelt sei. Aber dunkel bleibt uns nun noch die Verwandtschaft der beiden letztgenannten Frauen. Wollte man mit Klempin die Fürstin Christine dem Verwandtschaftskreise des Königs Knud V. († 1157) und seines Sohnes, des Erzbischofs Waldemar von Bremen, zuweisen, so würde eine so weitläufige Verwandtschaft mit dem Hause Absalons wohl schwerlich ein Ehehinderniß abgegeben haben; denn der letzte ge=

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meinschaftliche Stammvater beider Geschlechter war der König Svend Estridsen, † 1076.

Doch vielleicht gelingt es dänischen Genealogen, jene dunklen Verwandtschaftsverhältnisse noch näher aufzuklären, eine Verschwägerung zwischen den beiden dänischen Häusern nachzuweisen; es lag uns hier nur daran, durch die Darstellung des gegenwärtigen Standes der Forschung zu weiteren Untersuchungen anzuregen.

§ 13. Töchter des Grafen Heinrich I. kennt Chemnitz noch nicht, und selbst bei Rudloff suchen wir solche vergebens. Gleichwohl enthalten die Urkunden des Schweriner Archivs mehrfache Nachrichten von ihnen.

Der Herzog Otto von Lüneburg belehnte nach oder bei der Freilassung aus der Haft, in welcher er seit der Schlacht bei Bornhöved gehalten war, 1229 nicht allein den Grafen Gunzelin III. mit den Lehen, welche dessen Vorfahren im Lüneburgischen gehabt hatten, sondern auch Gunzelins III. Mutter und Schwester (soror) 1 ). Hiernach liegt nun allerdings die Vermuthung nahe, daß der Graf Heinrich I. nur eine Tochter hinterlassen habe; und man wird in diesem Schlusse noch bestärkt, wenn man liest, daß das 1235 gestiftete Kloster Uetersen bald nach seiner Gründung von der Gräfin Audacia einen Kelch empfing und zum schuldigen Danke dafür ihr, "der älteren Gräfin A. zu Schwerin, ihrem Sohne und ihrer Tochter, Frau Mechthild Gräfin von Gleichen", die geistliche Brüderschaft verlieh 2 ). Dennoch ist diese Annahme unrichtig. Denn etwa um dieselbe Zeit, am 24. April 1236, zu Erfurt, gewährte Johann, der Minister des Franciscaner=Ordens in Deutschland, der Gräfin Audacia von Schwerin nebst "ihren vier Fräulein" (cum IIII or eius domicellis, nachher dominabus), mit welchen sie persönlich zu ihm gekommen war, um ihre dahin zielende Bitte vorzutragen, die Erlaubniß, bei den Franciscanern zu Schwerin zu beichten, das Abendmahl zu nehmen und dereinst die letzte Oelung zu empfangen, auf deren Kirchhof auch ihr Begräbniß zu finden 3 ).

Unter diesen vier unverheiratheten Töchtern der Gräfin Audacia war gewiß Mechthild nicht mehr, diese vielmehr schon vermählt; nur der Wunsch sie zu sehen, wird die Mutter und die Schwestern zu der weiten und damals so gefahrvollen Reise von Schwerin nach Thüringen bewogen haben.


1) M. U.=B. I, 364.
2) Daselbst Nr. 451.
3) Daselbst Nr. 450.
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Mit der Geistlichkeit zu Erfurt standen die Grafen von Gleichen in mannigfachen Beziehungen; Mechthild war daher wohl im Stande, solche auch zwischen ihrer Mutter und den Franciscanern einzuleiten.

Zu unserm Bedauern wird nun aber der Taufname jenes Grafen von Gleichen, welcher die Gräfin Mechthild heimführte, in unsern Urkunden nicht genannt, und mit Sicherheit ist er darum nicht zu ermitteln. Die erste Beziehung zwischen den Grafen von Gleichen und von Schwerin entspann sich vielleicht, indem unter den Bürgen, welche König Waldemar von Dänemark 1230 dem Grafen Gunzelin III. für die treue Erfüllung des Schlußvertrages stellte, neben dänischen Magnaten und dem Grafen von Orlamünde sich auch Graf Ernst von Gleichen befand 1 ). Dieser Graf Ernst erscheint dann noch öfters in Meklenburg, und zwar neben dem Grafen Gunzelin III. Beide sind z. B. Zeugen in einer am 17. Decbr. 1262 zu Warnemünde ausgestellten Urkunde der Herzoge Albrecht und Johann von Sachsen, und mit denselben Herzogen waren dieselben Grafen am 6. Juli 1263 zu Lübek. Man hat daher vermuthet, der Graf Ernst möge der Gemahl der Gräfin Mechthild von Schwerin gewesen sein; indessen können wir uns dieser Hypothese bei genauerer Erwägung der Verhältnisse doch nicht anschließen. Denn einmal war der Graf Ernst damals, als Audacia die weite Fahrt nach Erfurt unternahm, längst nach Dänemark übersiedelt, und zweitens kennen wir aus dänischen Quellen seine Frauen, sie waren Däninnen 2 ). Wenn wir dagegen in den Stammtafeln der Grafen von Gleichen einen Gunzelin finden, der 1291 dem Barfüßer=Orden angehörte, so dünkt uns nichts wahrscheinlicher, als daß dieser seinen Namen nach seiner Mutter Bruder, Gunzelin III. von Schwerin, führte. Sein Vater aber, den wir hiernach bis


1) M. U.=B. I, 374.
2) Genuit adhuc prefata Ingeburgh (sc. Ingeburgh filia Esberni Snare) filiam Ingeburgh, uxorem domini Hernesti comitis: Langeb. IV, p. 550. Olaus pincerna, a quo . . Margareta, uxor Tuchonis, qve defuncto domino Tuchone nupsit domino Harnesto comiti, daselbst p. 547. Diese "domina Margareta comitissa, filia domini Olavi pincernae, uxor domini Ernesti comitis de Gliken", war am 15. Juli 1266 noch nicht lange verstorben. Lib. donat. monast. Sorensis, bei Langebek IV, p. 497. Langebek nennt außer jenen beiden auch Ingerdis, die Wittwe des Magnus Wuet und Tochter des Nicolaus Wagunson, als eine Gemahlin des Grafen Ernst von Gleichen. Im Text p. 546 aber steht: "Nicolaus Wognsun, a quo Ingerd, uxor Magni Wuet et postea comitis Euersten".
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auf Weiteres für den Gemahl der Gräfin Mechthild von Schwerin halten, war der 1257 verstorbene Graf Heinrich, Herr zu Gleichenstein 1 ).

§ 14. Ob die 4 Schwestern der Gräfin Mechthild von Gleichen, welche 1236 noch als Jungfrauen erscheinen, sich späterhin noch vermählt, oder ob sie in einem oder dem andern der Klöster, mit denen die Mutter Verbindungen eingegangen ist, ihr Leben Gott geweiht haben, meldet uns keine Urkunde.

Doch finden sich Spuren einer Verwandtschaft zwischen den Grafen von Schwerin und denen von Danneberg, welche zu der Frage veranlassen, ob nicht eine Schwester Gunzelins III. sich in das Dannebergische Grafenhaus vermählte.

Die Genealogie der Grafen von Danneberg, um welche sich Rudloff vornehmlich verdient gemacht hat, erwartet jetzt, nachdem das urkundliche Material in neuester Zeit erheblich gewachsen ist, auch wohl eine Revision; doch heben wir hier nur einige Hauptdata für unsern Zweck hervor. Der erste Graf, welcher durch Herzog Heinrich den Löwen in den Besitz des südlichsten Theils von Meklenburg gelangte, war Vollrath I. (1158-1174). Nach ihm wird sein Sohn Heinrich bis in den Anfang des 13. Jahrhunderts genannt. Die 3. Generation vertreten Vollrath II. (- 1227) und Heinrich II. (- 1237 2 ).


1) Heinrichs Todesjahr giebt das Chron. Sampetrinum. "Den Namen seiner Gemahlin", bemerkt J. Wolf (Gesch. des Eichsfeldes I, S. 157), welche 1256 noch lebte, habe ich nicht entdecken können". - Nachtäglich habe Herr Appellations=Gerichts=Rath von Arnstedt zu Naumburg die Güte, mich auf eine Urkunde v. J. 1263 (bei Mencken I, 537) aufmerksam zu machen, wo es heißt: " Albertus d. g. comes de Glichen suique fratres coheredes Gynzchelinus, Hermannus, Ernestus universis - - - a bonae memoriae patre nostro Henrico comite" - -. Ebenso verdanke ich demselben gelehrten Genealogen die Nachweisung, daß der Graf Heinrich von Gleichen (= Gleichenstein) eine Tochter Namens Mechthild hatte, die an Hartmann von Luchtenberg vermählt ward. (Walkenried. Urk.=Buch I, 260.) Diese Tochter hatte also ihren Taufnamen wohl von ihrer Mutter empfangen.
2) M. U.=B. I, Nr. 466, vom 21. Juni 1237. - Ob Vollrath II. Söhne hinterlassen hat, ist nicht gewiß. Wenn aber die ältesten Stadtbriefe Grabows, wiewohl sie in unechten Ausfertigungen vorliegen, gewiß auf echten Diplomen beruhen, aus denen, wenn nicht der ganze Text, so doch wenigstens Daten und Zeugen entnommen wurden, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß der Graf Vollrath (III.), welcher nach jenen Urkunden am 1. Januar 1252 die Sadt Grabow gründete und ihr am 25. Januar 1259 Karstädt verkaufte (M. U.=B II, Nr. 683 (  ...  )
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Graf Heinrich II. von Danneberg hatte nun, wie eine Urkunde 1 ) meldet, zwei Söhne, und diese sind allem Anscheine nach die beiden ausdrücklich als Brüder bezeichneten 2 ) Grafen Bernhard I. und Adolf I. Bernhard mag viel älter gewesen sein als Adolf; denn jener tritt schon 1227 selbstständig in Urkunden auf uno regiert seit 1230 mit dem Vater, während wir Adolf erst viel später (in unsern meklenburgischen Urkunden erst seit 1248) antreffen; 1266, am 9. Juni, sehen wir noch beide Brüder bei einander, Adolf ist nachweislich vor dem 9. Juni 1269 verstorben 3 ).

Jeder dieser beiden Brüder war, so viel wir wissen, mit 4 Söhnen gesegnet. Von Bernhards Söhnen werden die beiden ältesten, Heinrich (III.) und Adolf, schon am 23. Sept. 1265 erwähnt, die beiden andern, Bernhard (II.) und Nicolaus, erst am 28. August 1270. Alle 4 Söhne Adolfs I., Heinrich (IV.), Vollrath (IV.) Friedrich und Bernhard (III.), nennen sich in einer Urkunde vom 16. Oct. 1273 4 ).

Außer diesen 4 Söhnen hatte aber der Graf Adolf I. auch noch mindestens 3 Töchter; er schloß am 9. Juni 1266 5 ) mit dem Grafen Gunzelin III. den Vertrag ab, daß Gunzelins Sohn Helmold (III.) die älteste von diesen zur Gemahlin nehmen sollte; stürbe aber diese oder Helmold, so sollte die zweite und nötigenfalls die dritte Tochter, und andererseits ebenso der Bruder Helmolds in diesen Vertrag eintreten.

Wenn wir nun freilich auch glauben, daß Graf Helmold III. mit einer Tochter Adolfs I. eine Ehe einge=


(  ...  ) und 834), ein Sohn Vollraths II. war. Freilich könnte man geneigter sein, dieSe Urkunde Vollrath IV., dem Sohn des oben erwähnten Adolf I., um deswillen beizulegen, weil sie beide dasselbe Siegel tragen wie die Urkunde, in welcher Vollrath IV. am 1. Mai 1285 der Kirche zu Grabow das Dorf Fresenbrügge schenkte; doch, da der Graf Adolf I. bis 1266 regierte, ist es undenkbar, daß sein Sohn 1252 eine Stadt gründete, auf eigene Hand, ohne seines Vaters oder seiner Brüder dabei auch nur zu gedenken. Vielleicht hingen die Fälscher (in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts) an jene ersten Diplome nur darum Vollraths IV. Siegel, weil sie kein anderes hatten, oder Vollrath IV. hatte der Stadt bereits Abschriften von seines gleichnamigen Oheims Diplomen gegeben, die er einfach durch Anhängung seiner Siegels beglaubigte, gerade wie an einer Urkunde des Grafen Adolf, dem Kloster Eldena am 10. August 1259 verliehen, das Siegel seines Sohnes Friedrich hängt. (M. U.=B. II, Nr. 845.) Vollrath III. hinterließ aber wohl keine Söhne; seine Vettern traten in sein Erbe (Grabow) ein.
1) M. U.=B. I, Nr. 305.
2) Daselbst II, Nr. 845. 1089.
3) Daselbst Nr. 1089. 1166.
4) Daselbst Nr. 1054. 1195. 1298.
5) Daselbst Nr. 1089.
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gangen ist, so können wir doch nicht annehmen, daß aus diesem Grunde der Graf Nicolaus von Danneberg, Bernhards I. Sohn, den erwähnten Grafen Helmold (III.) von Schwerin, den Gemahl seiner Cousine, als avunculus gegrüßt und von diesem denselben Titel empfangen hat 1 ). Vielmehr bedeutet avunculus in der Urkundensprache jener Zeit bald den Bruder der Mutter, bald einen entfernteren (älteren) Verwandten von mütterlicher Seite her; und da uns eine frühere Verwandtschaft zwischen den beiden Grafenhäusern nicht bekannt ist, wird die Vermuthung wohl gestattet sein, daß die Gemahlin des Grafen Bernhard I. von Danneberg eine Gräfin von Schwerin war. Die Richtigkeit dieser Annahme vorausgesetzt, muß diese Gräfin aber, nach dem Alter der Generationen - nicht, wie Chemnitz angenommen zu haben scheint, eine Tochter, - sondern eine Schwester Gunzelins III. gewesen sein.

IV.

§ 15. Die Kinder Gunzelins III. vertreten allein die vierte Generation. Die Namen der 5 Söhne hat Chemnitz richtig aufgeführt, doch rücksichtlich der Reihenfolge können wir ihm nicht beipflichten.

Am 24. März 1251 gedenkt Gunzelin III. zuerst der Zustimmung seiner Söhne, und zwar Heinrichs II. und Helmolds III.; dieselben übernehmen dann am 28. Nov. 1256 eine Bürgschaft mit dem Vater, und am 20. April 1262 treten sie in einem Vertrage ihm zur Seite 2 ): sie sind ohne Zweifel die ältesten Söhne. Heinrich II. starb aber jung, vordem 18. August 1267 gewiß 3 ), höchst wahrscheinlich aber schon vor dem 23. Nov. 1264 4 ), vielleicht schon 1262. Kinder hat er, unsers Wissens, nicht hinterlassen; auch daß er vermählt gewesen sei, wird nie erwähnt.

Während fortan Helmold III. an seines Vaters Regierung Theil nimmt, wird ein anderer Bruder, der Schweriner Domherr Gunzelin (IV.), erst am 7. August 1273 genannt; und nach des Vaters Tode, am 5. Nov. 1274, erwähnt Helmold den Consens seiner Brüder Gunzelin, Johann und Nicolaus. Die richtige Reihenfolge ist hiernach: Heinrich H., Helmold III., Gunzelin IV., Johann und Nicolaus I.


1) M. U.=B. III, Nr. 2128, IV, Nr. 2464.
2) Daselbst II, Nr. 672. 782. 946.
3) Daselbst Nr. 1128.
4) S. meine Note zum M. U.=B. II, Nr. 1043.
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§ 16. Die letzte Urkunde, in welcher Helmold III. erscheint, ist der Vertrag vom 25. August 1295 1 ). Gewiß starb er vor dem 13. Mai 1296; denn sonst hätte er, und nicht (sein Sohn) Gunzelin V., an diesem Tage zu dem Verkaufe der Wittenburger Mühle von Seiten seines Bruders Nicolaus I. seine Einwilligung geben müssen 2 ). -

Chemnitzens Angaben über die 3 Gemahlinnen Helmolds III. beruhen auf urkundlichen Nachrichten; doch ist es nicht ganz sicher, ob dieser Graf

a. eine Tochter des Herzogs Albrecht von Sachsen wirklich heimgeführt hat. Nach dem Ehevertrage vom 23. Nov. 1264 3 ) sollte die Hochzeit am 11. Nov. 1265 statt finden, und am 9. Juni 1266 4 ) ward schon der erwähnte Vertrag über die Vermählung des Grafen Helmold mit einer Tochter des Grafen Adolf I. von Danneberg abgeschlossen. Hiernach muß also, falls wirklich die 1. Ehe am festgesetzten Tage vollzogen ist, die geborne Herzogin von Sachsen jedenfalls sehr bald nachher, und zwar ohne Kinder zu hinterlassen, verstorben sein. Am 23. Nov. 1264 war ferner festgesetzt, daß die Braut dem Grafen Helmold 6000 Mark fein mitbringen, dafür aber Parchim, welches damals im Besitze der Grafen von Schwerin war, an die Brüder der Braut, die Herzoge Johann und Albrecht von Sachsen, die unter der Vormundschaft ihrer Mutter, der Herzogin Helena (von Braunschweig=Lüneburg) standen, übergehen sollte. Fast möchte man glauben, daß sehr bald hernach die Braut verstorben sei; denn am 1. Februar 1265 stellten die beiden Herzoge von Sachsen eine neue Urkunde 5 ) aus, worin von jener Verlobung nicht die Rede ist, dagegen die 6000 Mark als Kaufpreis für Parchim erscheinen. Aber diese zweite Urkunde läßt sich doch auch auf andere Weise rechtfertigen, sie enthält noch Stipulationen über die Neustadt Parchim, über andere Zahlungstermine u. s. w. Wenn der Herzog Albrecht von Sachsen Helmold III. Später seinen Schwager (sororius) 6 ) nennt, so möchte diese Benennung allerdings auch nach der bloßen Verlobung, wenn der Tod der Braut die Vollziehung der Ehe verhindert hatte, nicht auffallen; aber freilich nennen Helmolds Söhne Gunzelin und Heinrich die Herzoge Johann und Albrecht von Sachsen=Lauenburg am 21. December 1298 7 ) "ihre lieben Verwandten" (dilecti


1) M. U.=B. III, Nr. 2352.
2) Daselbst Nr. 2395.
3) Daselbst II, Nr. 1025.
4) Daselbst Nr. 1089.
5) Daselbst Nr. 1036.
6) Daselbst III, Nr. 1874.
7) Daselbst IV, Nr. 2525.
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cognati nostri), eine Bezeichnung, welche doch die Vermählung Helmolds III. mit der Herzogin von Sachsen zunächst wahrscheinlich macht. Zugleich aber würde hieraus dann weiter folgen, daß der Graf Gunzelin (V.) als Sprößling dieser ersten Ehe anzusehen wäre, die natürlich vor dem ursprünglich festgesetzten Termine vollzogen sein müßte. Gewißheit ist hier indessen nicht zu erreichen. Eine Blutsverwandtschaft bestand auch ohnehin zwischen den beiden Herzogen von Sachsen und den Grafen Helmold III. und Heinrich III. von Schwerin, ihre Mütter waren Urenkelinnen Herzog Heinrichs des Löwen. Diese Verwandtschaft war nach unsern heutigen Begriffen allerdings eine ziemlich ferne; doch reden wir gerade über eine Zeit, in welcher die Fürsten es liebten sich als Verwandte zu begrüßen, und wo man der Verwandtschaften um so lebhafter inne blieb, da schon der vierte Grad ein Ehehinderniß abgab. Gemeinschaftlicher Abstammung von einem so berühmten Ahnherrn, wie Heinrich der Löwe war, erinnerte man sich überdies wohl gern.

Genannt wird die sächsische Prinzessin, welche uns hier beschäftigt, nicht mit ihrem Taufnamen. Da wir indessen die übrigen Töchter des Herzogs Albrecht I. von Sachsen anderweitig vermählt wissen, so muß sich der Graf Helmold III. von Schwerin (1264) mit Mechthild 1 ) verlobt oder vermählt haben.

b. Der Name der Tochter des Grafen Adolf I. von Danneberg, mit welcher sich Helmold III. am 9. Juni 1266 aufs neue verlobte und jedenfalls vor dem 18. August 1267 vermählte 2 ), ist nicht auf uns gekommen. Als das Kloster Höckelheim in einer wahrscheinlich am 18. Oct. 1273 gegebenen Urkunde den Grafen Helmold III. nebst seiner Gemahlin und seinem Sohne Gunzelin in die geistliche Brüderschaft aufnahm, wußte der Concipient dieser Urkunde 3 ) leider den Namen der Gräfin auch nicht, und die Lücke, welche er hier für denselben ließ, hat man in Schwerin nicht nöthig befunden auszufüllen.

Das Todesjahr dieser zweiten Gemahlin Helmolds ist ebenfalls nicht bekannt und läßt sich auch aus den Daten über Helmolds dritte Ehe kaum annähernd feststellen.

c. Die dritte Gemahlin war Margarete, die Tochter Herzog Erichs I. von Schleswig († 1272). Ihr Bruder, Herzog Waldemar IV., leistete für ihre Mitgift dem Grafen


1) Genannt wird sie im M. U.=B. II, Nr. 916.
2) Daselbst Nr. 1128.
3) Daselbst Nr. 1299.
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Helmold Sicherheit am 27. Novbr. 1287 1 ); doch ist nicht damals erst Hochzeit gemacht. In der schon oben (§ 12) besprochenen päpstlichen Dispensation wegen zu naher Verwandtschaft, datirt vom 4. Dec. 1288 2 ), wird gesagt, daß die Ehe seit einigen Jahren (per plures annos) bestand; und gewiß ist sie schon vor dem 9. März 1282 vollzogen. Denn an diesem Tage war die Cousine Margaretens, Herzog Abels Tochter Margarete, bereits im Kloster Zarrentin 3 ); und was könnte sie in dies ihr so fern gelegene Kloster geführt haben, wenn es nicht die Vermittelung Helmolds und die Rücksicht auf die Nähe der Cousine veranlaßt hätte? Ueberdies betitelt Helmolds Bruder Nicolaus I. am 18. Sept. 1282 4 ) jene Nonne "neptis", wahrscheinlich wegen der Verschwägerung mit dem Hause Erichs.

Margarete hat lange im Wittwenstande gelebt; jedenfalls ist sie erst nach dem 14. August 1313 gestorben 5 ).

§ 17. Gunzelin IV. war gewiß schon lange Domherr zu Schwerin, als sein Vater Gunzelin und sein Bruder Helmold im Jahre 1273 seinen Namen in eine Urkunde 6 ) aufnahmen. Aber seine Präbendeneinkünfte waren, wie es scheint 7 ), zum Theil wenigstens zwischen dem gräflichen Hause und dem Domcapitel streitig; und dies mag der Grund gewesen sein, weshalb sich Gunzelin von seinem Vater eine anderweitige Sustentation versprechen ließ. Helmold III. wollte inzwischen des Bruders Ansprüche lange nicht anerkennen; erst am 2. August 1276 brachten die Markgrafen Otto und Konrad von Brandenburg den Freiensteiner Vertrag 8 ) zu Stande, durch welchen Gunzelin freilich keinen Theil der alten Grafschaft, wohl aber ein von dem Vater neu erworbenes Gebiet, das Land Daber mit Neu=Schwerin, empfing.

Aus diesem Vergleiche hat Rudloff 9 ) den Schluß gezogen, Gunzelin habe bald nach des Vaters Tode "den Chorrock verlassen". Und doch beweist er gerade das Gegentheil. Denn die Worte: "et si etiam predictum Guncelinum de medio tolli contigerit, dicta bona ad ipsius fratres libere reuertentur", bedeuten nicht, wie Rudloff


1) M. U.=B. III, Nr. 1933.
2) Daselbst Nr. 1988.
3) Daselbst Nr. 1619.
4) Das. Nr. 1642.
5) Urk. im Schweriner Archiv.
6) M. U.=B. II, Nr. 1293: filius et frater noster Gunzelinus, canonicus ecclesie Zwerinensis.
7) Daselbst III, Nr. 1766, S. 157.
8) Daselbst II, Nr. 1408.
9) Mekl. Gesch. II, 1, S. 66. - Viel übler hat Chemnitz diesen Vertrag gedeutet, s. unten § 22.
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will:, "und auf den Fall seines erblosen Abganges ward seinem Bruder der Rückfall versichert"; sondern darauf, daß Gunzelin Erben haben könnte, ist eben in dem ganzen Vertrage gar keine Rücksicht genommen; ein sicherer Beweis, daß er noch Geistlicher war. In der That wird er in den Jahren 1279, 1283 und 1284 auch noch als Domherr ausdrücklich bezeichnet 1 ). Gestorben ist er, und zwar erblindet, zwischen dem 3. März 1283 und dem 6. Decbr. 1284.

§ 18. Der Graf Johann von Schwerin war am 6. März 1267 schon Domherr zu Magdeburg oder zu Camin 2 ), und dem Schweriner Domcapitel war er soeben auf Befehl des päpstlichen Legaten Guido aufgedrungen, hatte aber noch keine Präbende. In seiner Heimath finden wir ihn als Domherrn bis zum 3. März 1283 urkundlich genannt; bekanntlich ward er 1294 zum Erzbischof von Riga erhoben und starb nach einer sehr unglücklichen Regierung im Jahre 1300 zu Rom 3 ).

§ 19. Nach Gunzelins III. Tode führte Helmold lange allein die Regierung fort, Nicolaus I. begnügte sich damit, zu seines älteren Bruders Verfügungen seine Zustimmung zu erklären. Die erste Urkunde, welche er hernach mit Helmold III. gemeinschaftlich aufgestellt hat, ist unter den uns überlieferten eine vom 10. April 1278 4 ), und hier wird auch zuerst sein Siegel erwähnt. Erst am 6. Oct. 1281 finden wir endlich ein Diplom 5 ), welches er allein (in Gegenwart seines Bruders Helmold) gegeben hat; es ist ein Zollprivilegium für die Lübeker, wie früher (am 24. Mai 1275) ihnen Helmold auch ein solches ertheilt hatte. Nicht viel später (1282) wird dann aber eine Landestheilung zwischen den beiden Brüdern vorgenommen sein, bei welcher Schwerin der Sitz Helmolds verblieb, und Neustadt und Marnitz dazu gelegt wurden 6 ), während die Lande Wittenburg und Boizenburg und die Stadt Crivitz mit dem Lande Sellesen Nicolaus I. zufielen, die überelbischen Besitzungen


1) M. U.=B. II, 1492, III, 1672. 1766.
2) Daselbst Nr. 1114. Die beiden Ausfertigungen des päpstlichen Schreibens haben, da sie sich nur in dem Titel: "canonicus eccl. Caminensis" und "can. eccl. Magdeburgensis" unterscheiden, wohl darin ihren Grund, daß der Bote, welcher es auswirkte, nicht genau wußte, welchem der beiden Domcapitel Johann angehörte.
3) S. Voigt, Gesch. Preußens, Bd. 4, S. 124 flgd. und S. 151.
4) M. U=B. II, Nr. 1461.
5) Daselbst III, Nr. 1585.
6) Daselbst IV, Nr. 2639 und 2494.
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aber zur gemeinsamen Verfügung beider Brüder blieben. Die Urkunden des Grafen Nicolaus geben dazu reichliche Belege. Am 17. Juli 1282 verschenkte Nicolaus allein das Eigenthum des Dorfes Rüttelkow (im Wittenburgischen), er verfügte am 18. Sept. 1282 allein über Vietow, am 14. August 1284 über Kl.=Welzin, am 25. Febr. 1289 über Zühr, am 13. Mai 1296 über die Wittenburger Mühle, am 28. April 1297 über wittenburgische Dörfer 1 ) etc. ., am 9. Juni 1297 über boizenburgische Dörfer, wobei er Boizenburg seine Stadt nennt 2 ), am 29. Sept. 1301 verleiht er der Stadt Boizenburg eine Ackerfläche 3 ) u. s. w.; und sein Hoheitsrecht über das Land Sellesen ergiebt sich aus seiner Verfügung über das Patronat zu Zittow (1286) und über die Mühle zu Pinnow im Lande Sellesen (31. Oct. 1315) 4 ), sowie aus späteren Regierungsacten seines Sohnes Nicolaus. Während Nicolaus I. selbst den Titel eines Grafen von Schwerin fortführt, nennen seine Zeitgenossen ihn schlechtweg einen Grafen von Wittenburg 5 ), bisweilen auch von Boizenburg.

In Urkunden läßt sich Nicolaus I. bis zum 3. Februar 1323 verfolgen. Nach den Annal. Lubic. und Detmar starb er in diesem Jahre. Sein Tod wird vor dem 30. März 1323 eingetreten sein; denn an diesem Tage regierte zu Wittenburg bereits sein Sohn Gunzelin. -

Nach Chemnitz war Nicolaus I. zweimal vermählt:

a. mit Elisabeth "Gräfinn von Ceße oder Heßen". Der Graf gründete am 14. August 1284 6 ) im Kloster Zarrentin, wo seine Gemahlin Elisabeth bestattet war, eine Vicarei, "cum uxoris nostre dilecte sancte recordationis Elizabet, comitisse decesse, specialis nos inducat dilectio", wie er sagt. Unglücklicher Weise verstand Chemnitz "comitisse de Cesse", daher sein unverständlicher Ausdruck "von Ceße oder Heßen". Daß auch Rudloff noch Elisabeth für eine Gräfin von Cesse ausgiebt, ist bereits von Lisch gerügt worden. - Versuchen wir jetzt ihre wahre Heimath zu ermitteln!

Der älteste Sohn des Grafen Nicolaus I., Gunzelin, den man, wie den Vater, einen Grafen von Wittenburg


1) M. U.=B. III, Nr. 1637. 1642. 1750. 2013. 2395. IV, Nr. 2448.
2) Daselbst IV, Nr. 2452.
3) Daselbst V, Nr. 2756. In Nr. 3197 (1307) nennt er Boizenburg seine Stadt und bezeichnet sich zugleich als Gunzelins (III.) Sohn.
4) An dieser Urk. hängt sein in Bd. II. des M. U.=B. zu Nr. 1492 abgebildetes Siegel.
5) Z. B. daselbst IV, Nr. 2525, vgl. Detmar.
6) Daselbst III, Nr. 1750.
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nannte, verband sich, wie die Annales Lubicenses 1 ) melden, im Jahre 1317 mit dem Grafen Adolf von Schauenburg, um die Ermordung seines Oheims (avunculi), des Grafen Adolf, zu rächen. Adolf war 1315 auf seiner Burg zu Segeberg von seinen Vasallen ermordet, und gleichzeitig war sein Vater, Graf Johann II. (von Kiel), auf seinem Hofe zu Bramhorst gefangen genommen und nach Kiel geführt, von dort nach Lübek entkommen und späterhin von den getreuen Bürgern Kiels zurückgerufen worden. In Johanns II. Herrschaft aber theilten sich die Grafen Gerhard und Johann III. 2 )

Auch Detmar berichtet zum Jahre 1317 von der Unternehmung Gunzelins von Wittenburg, aber in dem Wortlaute etwas abweichend:

"By der tyd hadde greve Guncele van Wittenborch sic vorbunden mit greven Alve van Schowenborch uppe greven Gherde van Holsten umme greven Alves dot, unde umme dat sin oldervader was vordreven van sineme gude."

Detmar bezeichnet also Adolf nicht weiter als Gunzelins Verwandten, nennt aber Johann II. seinen "oldervader". Lappenberg nimmt (in seiner Note zu den Annales Lubicenses) den Ausdruck "oldervader" für gleichbedeutend mit "grotvader" ("avus"), was in sprachlicher Hinsicht unbedenklich sein dürfte 3 ), und kommt damit zu dem Schlusse, Nicolaus I. von Wittenburg sei mit einer Tochter des Grafen Johann II. von Holstein vermählt gewesen. Cohn führt demgemäß in seiner neuen Bearbeitung der Voigtelschen Tabellen, auf Taf. 105, unter den Kindern des Grafen Johann II. von Holstein neben dem Grafen Adolf eine Tochter auf: "N. Gem.: Niclot I., Graf von Schwerin=Wittenburg † 1323". Wir unsererseits könnten, wenn wir der Hypothese Lappenbergs Vertrauen schenken möchten, das N. bei Cohn in Elisabeth verwandeln. Denn da Gunzelin 1305 schon Dom=Cantor zu Schwerin war - später trat er in den weltlichen Stand zurück -, so muß er als Sohn der Gräfin Elisabeth angesehen werden, welche bereits vor dem 14. August 1284 starb.


1) Pertz, Scr. XVI, p. 426: 1317. In aestate huius anni Guncelinus comes de Wittenborch, vindicare cupiens miserabilem caedem sui avunculi Adolphi comitis Holtzatiae, conspiratus cum Adolfo comite de Scowenborch etc.
2) Ebendaselbst zum Jahre 1315.
3) Auch der Graf Nicolaus von Tecklenburg nennt seinen Großvater, Nicolaus I. von Wittenburg, in einer Urk. vom 11. März 1349: "vse olderuader".
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Aber wie konnte der Graf Johann II. von Holstein=Kiel, Gunzelins angeblicher Großvater, im Jahre 1284, wenn nicht gar einige Jahre früher, schon einen Enkel haben, da er selbst erst 1253 1 ) geboren war!

Es folgt hieraus mit Bestimmtheit, daß das Wort avunculus nicht strict durch Mutterbruder zu übersetzen ist, wie schon Detmar gethan zu haben scheint, sondern, wie so oft in jener Zeit, nur einen Verwandten von mütterlicher Seite bedeutet. Gehört die erste Gemahlin des Grafen Nicolaus I., Elisabeth, in das holsteinische Grafenhaus, wie man nach dem glaubwürdigen Berichte der Annales Lubicenses, einer zeitgenössischen Quellenschrift, annehmen muß, so darf man sie ohne Bedenken für eine Schwester Johanns II. ansehen, und der so unglücklich ermordete Graf Adolf war nicht Gunzelins Mutterbruder, sondern sein Vetter mütterlicher Seite, sein Mutterbrudersohn.

Stammtafel

Johanns I. Tochter, die Gräfin Elisabeth von Schwerin, führte also den Namen ihrer Mutter. -

Zur festeren Begründung unserer Behauptung führen wir ein analoges Verhältniß aus dem meklenburgischen Fürstenhause an. Fürst Heinrich II. von Meklenburg nennt in einer Urkunde vom 26. August 1306 2 ) den Grafen Adolf VI. von Holstein feinen avunculus (Auunculorum suorum karissimo, domino Adolfo comiti Holtzacie et de Scowenborch, Henricus dei gracia dominus Mychelburgensis - -), und ebenso dessen Bruder, den Grafen Gerhard II. (von Plön) 3 ), weil sie Geschwisterkinder waren, wie Graf Gunzelin und der 1315 erschlagene Graf Adolf.


1) S. Biernatzki in den Nordalb. Stud., Bd. III, S. 38. 40.
2) M.U=B. V, Nr. 3107.
3) Daselbst Nr. 3131. Die Wismarschen Rathmänner nennen die beiden Grafen sogar die avunculi beider Fürsten, Heinrichs von Meklenburg und Nicolaus II. von Werle, daselbst Nr. 3132.
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Stammtafel

Gehen wir noch etwas weiter auf die Verwandtschaftsbenennungen in jener Zeit ein, da mancherlei Mißverständnisse derselben die Genealogie der Grafen von Schwerin arg verwirrt und die Stammtafeln verwandter Fürstenhäuser mit Personen gefüllt haben, die niemals existirten!

Die Unsicherheit trifft weniger die Bezeichnungen für Blutsfreunde (Nachkommen eines gemeinschaftlichen Stammvaters, consanguinei, agnati, cognati), als die für angeheirathete Verwandte. Neben avunculus als Ausdruck für einen Verwandten von mütterlicher Seite oder einen Vetter, der von einer Schwester des Vaters oder Großvaters abstammt, steht patruus für den Vaterbruder (om) und auch (wie vedder) als gegenseitige Bezeichnung der Abkömmlinge zweier Brüder. Z. B. empfängt der Fürst Heinrich II. von Meklenburg denselben Titel "noster patruus dilectus" von dem Fürsten Nicolaus II. von Werle 2 ), weil ihre Großväter Brüder gewesen waren.

Aehnlich aber dehnte man das Wort swagher aus, um damit alle Männer, mit denen man durch eigene oder seiner nächsten Angehörigen Verheirathung in Verwandtschaft gekommen war, anzureden. Kann daher schon dieser deutsche Ausdruck den Genealogen leicht irre führen, so vermögen es die lateinischen Uebersetzungen noch viel mehr. Am klarsten unter diesen ist noch swagerus; daneben aber finden wir auch in gleicher Bedeutung socer, sororius und am häufigsten gener. Z. B. Fürst Heinrich von Werle titulirt in einem dem Jahre 1284 angehörenden Briefe den König Magnus von Schweden socer 3 ); dieser war der Bruder der Gemahlin Heinrichs. Herzog Otto I. von Stettin nennt den Grafen Nicolaus I., den Gemahl seiner Schwester Merislava, noster gener 4 ). Denselben Grafen Nicolaus I. bezeichnet der Fürst Wizlav IV. von Rügen einmal als


1) Nicht Luitgard, wie noch Cohn sie nennt. S. M. U.=B. II, S. 436, zu Nr. 1256.


2) Daselbst V, 3091.
3) Daselbst III, Nr. 1736.
4) Daselbst V, Nr. 2907.
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gener, ein ander Mal als swagerus 1 ). Die beiden Ausdrücke sind mißverstanden; wir kommen auf diesen Fall zurück. Die Markgrafen Otto, Hermann und Waldemar von Brandenburg reden (26. Oct. 1306) gleichfalls von "vnsem zwager greuen Claus (I.) von Zwerin" 2 ); am 9. Januar 1314 nennen Graf Gerhard von Holstein und Wizlav von Rügen denselben Grafen Nicolaus I. ihren swaghere. Sollen wir in allen diesen Fällen Schwestermänner oder Frauenbrüder verstehen? Dann haben wir noch viele N. N. in die Stammtafeln der norddeutschen Fürstenhäuser einzutragen.

Ich führe Beispiele über einen andern Fürsten, Heinrich II. von Meklenburg, an, in welchen niemand die weitere Bedeutung des Wortes Schwager verkennen wird. Ihn nannten der Markgraf Hermann von Brandenburg (am 23. Februar 1306) swager, Fürst Wizav IV. von Rügen (am 8. April 1313) und König Erich Menved von Dänemark (am 22. August 1313) gener. Wizlav braucht diesen Titel deshalb, weil seine Schwester Helena mit Heinrichs II. Bruder, Johann III. von Meklenburg, vermählt gewesen war; der Markgraf Hermann war ein Cousin der Beatrix, Gemahlin Heinrichs II.; König Erichs Mutter war eine Cousine von Heinrichs II. Schwiegervater!

Am weitesten aber geht in der freien Anwendung der Verwandtschaftsbezeichnungen vielleicht der Graf Gerhard IV. von Holstein. In der Urunde (vom 21. October 1313), in welcher er seiner Frau Anastasia, der Tochter des Grafen Nicolaus I. von Schwerin, ihr Leibgedinge verschreibt 3 ), nennt er zuerst seinen Schwiegervater gener (Nicolaus comes Zwerinensis, gener noster illustris), dann auch dessen Söhne (nisi de licencia processerit domini comitis Nicolai aut suorum heredum, nostrorum generorum


1) Fabricius, Rüg. Urk. Nr. 565. 701. - In den Nordalb. Stud. V, S. 175 citirt v. Aspern: E. dei gatia Danorum Sclauorumque rex - - ad instantiam - domini Johannis comitis Holzacie, generi nostri dilecti, et vxoris sue, comitisse, sorois nostre karissime - (Urk. vom 20. Juli 1283 im Hamb. U.=B. I, S. 659.) - "Dux Bracizlaus . . advocat Wigbertum, suum per sororem generum", heißt es in Cosm. Chron. Boem. III. (Pertz. Scr. IX, p. 104), und danach beim Annal Saxo, Script. VI, p. 731. 733. - Der Schwiegersohn heißt in lateinischen Urkunden jener Zeit bald gener, bald filius. Z. B. Fürst Heinrich I. von Meklenburg empfängt von seinem Schwiegervater, dem Markgrafen Albrecht, den Titel: "gener noster dilectus" im M. U.=B. IV, Nr. 2499, dagegen in Nr. 2582: "filius noster charissimus".
2) M.U.=B. V, Nr. 3118.
3) Schlesw.=Holst.=Lauenb.U.=S. II, S. 220.
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dilectorum); endlich aber steht unter den Zeugen Gerhards auch Gunzelin, Anastasiens Bruder, als Guncelinus comes Zwerinensis, patruus noster. In einer andern Urkunde vom 16. Juli 1321 1 ) verbündet er sich mit seinem "leuen swagere greuen Nycolaus van Zwerin (seinem Schwiegervater!) vnde mit sineme sone Nycolaus".

Aber sororius? Und doch interessirt uns eben dieses Wort zunächst am meisten! Der Herzog Erich I. von Sachsen=Lauenburg giebt am 24. September 1318 dem Grafen Nicolaus I. von Schwerin den Titel: "sororius noster dilectus". Wer die stricte Auslegung liebt, wird daraus sofort den Schluß ziehen, Nicolaus I. sei mit einer Schwester Erichs I. vermählt gewesen; und wäre die Urkunde früher bekannt geworden, so fänden wir ohne Zweifel in den Stammtafeln der Herzoge von Sachsen=Lauenburg schon "N., Gemahlin Nicolaus I. von Wittenburg." Denn daß derselbe Herzog Erich I. auch den Grafen Heinrich III. von Schwerin, einen Neffen des Grafen Nicolaus I., "sororius noster dilectus" (am 22. Nov. 1319), "vnsen leuen swaghere" (3. Aug. 1333) und "swagerus noster dilectus" (22. Febr. 1334) nennt, hat wirklich bereits den Erfolg gehabt, daß Heinrich als Erichs Schwestermann angesehen worden ist.

Wäre Nicolaus I. in der That mit einer Herzogin von Sachsen=Lauenburg vermählt gewesen, so müßten wir diese für seine zweite Gemahlin halten. Die letzte, Merislava, welche ihn überlebt hat, muß aber spätestens 1290 von ihm heimgeführt sein, da zwei ihrer Töchter schon 1304 Nonnen zu Stettin waren 2 ). Die Ehe mit der Herzogin von Sachsen fiele also in die Jahre 1284-90. Nirgends aber finden wir eine ausdrückliche Erwähnung derselben, in den Urkunden keine Andeutung, keine Spur; und der Ausdruck sororius hat, wie wir behaupten, keineswegs eine so enge Bedeutung, daß er zur Annahme jener Eheverbindung nöthigte.

Es wäre doch in der That auffallend, wenn Heinrich von Schwerin, der 1298 noch Knabe (puer) genannt wird, also etwa um die Zeit, wo sich eine sächsische Prinzessin mit seinem Oheim Nicolaus vermählte, erst geboren ward, sich späterhin noch mit einer Schwester jener Prinzessin verheirathet hätte. Aber glücklicher Weise ergiebt sich aus den Urkunden, daß Elisabeth, die Gemahlin Heinrichs, gar nicht eine Schwester des Herzogs Erich von Sachsen gewesen ist. Denn er nennt sie (24. Februar 1323) nicht soror, sondern


1) Schlesw.=Holst.=Lauenb. U=S. II, S. 156.
2) S. unten § 28.
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matertera, was freilich Chemnitz, seiner einmal gefaßten Meinung getreu, für gleichbedeutend mit Schwester nimmt! Elisabeth ihrerseits giebt dem Herzoge Erich I. (3. Nov. 1332) wieder den Titel Oheim (om). Dagegen nennt Graf Adolf (VII.) von Holstein die Gemahlin des Grafen Heinrich von Schwerin (1316, 22 Jan.) Seine suster Elsebe, und nach einer Urkunde vom 21. Januar 1320 war die Gemahlin Heinrichs, Elisabeth, die Tochter des weil. Grafen Adolf VI. von Schauenburg (Elisabeth, nata quondam Adolphi comitis de Schouuenborch) 1 ).

Hier haben wir also ein sicheres Beispiel, daß auch das Wort sororius als lateinische Uebersetzung von swager iu weiterem Sinne (nicht bloß als Schwestermann) gebraucht ist. Und, um es kurz zu sagen, auch der Graf Nicolaus I. von Schwerin ist ein sororius des Herzogs Erich I. von Sachsen=Lauenburg nur in weiterem Sinne, eben wegen seiner ersten Gemahlin Elisabeth, der Schwester Johanns II. von Holstein.

Herzog Erichs Verwandtschaft mit den Gemahlinnen der Grafen von Schwerin, welche beide Elisabeth hießen, ergiebt sich aus folgender Stammtafel:

Stammtafel

b. Erst 1299 hören wir von einer zweiten Ehe des Grafen Nicolaus; er selbst spricht vom Consense seiner Gemahlin und seiner Söhne; aber, da schon 1304 zwei Töchter dieser Ehe im Kloster zu Stettin Nonnen waren, so wird die Ehe sicher schon vor 1290 geschlossen sein. Diese zweite Gemahlin war Merislave, die Tochter des Herzogs Barnim I. von Pommern († 1278) und seiner dritten, etwa


1) Lisch, Maltzan. Urk. I, Nr. CXLVII.
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1266 oder 1267 heimgeführten Gemahlin Mechthild von Brandenburg 1 ). Gäben uns nicht Urkunden hierüber Aufschluß, so ließe sich die Abstammung der Merislave aus dem pommerschen Hause doch schon aus ihren beiden Siegeln erkennen.

1) Das große, runde Siegel 2 ) der Gräfin zeigt uns diese thronend, wie sie mit der rechten Hand den schwerinschen mit (13) Federn besteckten Helm über den quergetheilten (im oberen Felde glatten, im unteren doppelt schraffirten) schwerinschen Schild, und mit der linken den pommerschen Helm mit einem doppelten Kamme von (13) Pfauenfedern über den pommerschen Schild mit dem rechts aufsteigenden Greifen hält. Die Umschrift lautet:

Umschrift

2) Viel kleiner ist das gleichfalls runde Secretsiegel der Gräfin. An einem Baume, dessen beide Aeste vor einander übergebogen sind, hängt an dem rechten Aste, zur Linken des Baumes, der schwerinsche Schild, am linken Aste, zur Rechten des Baumes, der pommersche, wie wir sie soeben beschrieben haben. Die Umschrift lautet auf dem einzigen erhaltenen, am Rande etwas verletzten Exemplar 3 ):

Umschrift

Wir werden auf dieses Siegel in § 22 noch zurückkommen.

Merislave überlebte ihren Gemahl. Am 23. August 1327 stellte sie noch selbst eine Urkunde aus 4 ); dagegen wird sie am 11. Novbr. 1328 von ihrem Sohne Nicolaus unzweideutig als bereits verstorben bezeichnet 5 ).

§ 20. Wie vieler Töchter sich der Graf Gunzelin III. erfreuete, läßt sich mit Gewißheit nicht ermitteln. Außer allem Zweifel steht nach zwei Urkunden vom 20. October und vom 20. Decbr. 1286 6 ), daß die Grafen Helmold und Nicolaus eine Schwester hatten, deren Tochter Sophie sich


1) M. U.=B. V, Nr. 3105, auch 2907.
2) Exemplare haben sich erhalten an Urkunden vom 1. Juni 1317, vom 5. April 1319 und vom 11. November 1322.
3) An einer Urkunde vom 19. April 1326 im Großh. Geh.= und Haupt=Archiv zu Schwerin.
4) Schlesw.=Holst.=Lauenb. U.=S. II, S. 225.
5) Ob salutem et remedium animarum patris ac matris nostre dilecte. Urkunde im Schweriner Archiv.
6) M. U.=B. III, Nr. 1871 und 1875.
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damals mit dem Grafen Burkhard von Mansfeld vermählte. Leider erfahren wir die Namen der Eltern dieser Gräfin von Mansfeld bei dieser Gelegenheit beide nicht. Der Vater war damals wohl kaum noch am Leben; die Oheime Helmold und Nicolaus nahmen nämlich die vom Grafen Burkhard und seinen Freunden für das Leibgedinge Sophiens geleistete Bürgschaft entgegen. Die Herkunft der Gräfin Sophie anderweitig zu ermitteln, müssen wir Forschern überlassen, denen das dazu nöthige urkundliche Material zugänglich ist 1 ).

§ 21. Für eine zweite Tochter des Grafen Gunzelin III. halten wir Mechthild , welche uns 1275 bei Riedel, Cod. dipl. Brand. I, Bd. l, 246 als die Gemahlin des Edlen Johann Gans von Wittenberge genannt wird. Unsere Vermuthung beruht darauf, daß die Grafen Helmold III. und sein Bruder Nicolaus I. diesen Edlen in einer Urkunde welche sie am 21. Mai 1281 zu Schwerin ausstellten, ihren Schwager (gener) nennen 2 ). Für mehr als eine Vermuthung dürfen wir freilich diese Annahme nicht ausgeben, da, wie wir in § 19 schon ausführten, den Bezeichnungen "gener" und "Schwager" oft ein viel weiteres Verwandtschaftsverhältniß zum Grunde liegt. Den Namen Mechthild


1) Da der Graf Burkhard von Mansfeld, Sophiens Gemahl, den Grafen Otto von Valkenstein seinen Schwager nennt (1320), des letzteren Gemahlin aber aus anhaltinischem Geschlecht war, durch sie also die Schwägerschaft nicht vermittelt sein kann, so hat Wohlbrück die Gemahlin Burkhards (Sophie) für eine Schwester des Grafen Otto von Valkenstein ausgegeben. Und v. Ledebur (Grafen von Valkenstein, S. 22) unterstützt jene Vermuthung durch oie Bemerkung, daß der Erzbischof Burkhard von Magdeburg, ein geborner Edler von Schraplau und Vaterbrudersohn des Grafen Burkhard, den Grafen Otto (1321) seinen sororius nennt. Danach muß v. Ledebur also Sophie, die Gemahlin Burkhards, Grafen von Mansfeld, als Tochter des Grafen Friedrich von Valkenstein und seiner Gemahlin Clementa von Hessenem ansehen (s. seine Stammtafel, vgl. S. 40); dies steht aber in directem Widerspruch zu unserer urkundlichen Nachricht, daß die Schwiegermutter Burkhards eine Tochter des Grafen Gunzelin III. von Schwerin (nicht eine von Hessenem) war. Die Schwägerschaft zwischen dem Grafen Burkhard von Mansfeld und Otto von Valkenstein wird demnach ein entfernteres Verwandtschaftsverhältnis sein. Schaumann vermuthete, Ottos Bruder Vollrath habe eine Schwester des Erzbischofs Burkhard zur Gemahlin gehabt; nach v. Arnstedts (brieflich mitgetheiter) Ermittelung war Vollrath mit einer Edlen von Schraplau vermählte und deren Tochter Luitgardis mit dem Grafen Gebhard v. Mansfeld, aber eine Schwester Ottos und Vollraths Namens Sophie ist überhaupt unerwiesen.
2) M. U.=B. III, Nr. 1579: "presentibus testibus ydoneis : genero nostro domino Johanni dicto Gans de Wittenberge" etc.
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kennen wir in der Familie der Grafen von Schwerin schon früher; ihn trug ja wie wir sahen, auch Gunzelins III. Schwester, die Gräfin von Gleichen 1 ).

V.

§ 22. Haben wir in Bezug auf die vier ersten Generationen manche Veranlassung gefunden, einzelne Behauptungen Chemnitzens zu berichtigen und hie und da seinem Stammbaume neue Zweiglein aufzupfropfen, so sehen wir uns fortan gezwungen, die reiche Entfaltung, welche er dem schwerinschen Grafenhause zugeschrieben hat, auf ein knapperes Maß zurückzuführen, ja den einen Ast seines Stammbaumes ganz abzuhauen.

Ein Hauptversehen unsers so fleißigen Vorgängers ist die Annahme, daß Gunzelin IV. sich vermählt und mehrere Kinder hinterlassen habe. Es ist in der That bei Chemnitzens sonstiger Sorgfalt und Aufmerksamkeit auffallend, daß ihm Gunzelins geistlicher Stand 2 ) ganz entgangen ist. Die


1) Schon vor uns hat Lisch (Die verwandtschaftlichen Verbindungen des älteren Hauses Gans von Putlitz mit altfürstlichen Geschlechtern, Schwerin, 1841, S. 9 flgd.) den Edlen Johann Gans für einen Verwandten der Grafen von Schwerin, aber nicht für einen Schwiegersohn Gunzelins III., sondern für den Schwiegersohn Helmolds III. angesehen. Er übersetzt nämlich in der angezogenen Urkunde gener nicht mit Schwager, sondern mit Schwiegersohn, und bemerkt, daß nach der Urkundensprache Johann Gans nur als der Schwiegersohn des ersten der beiden Aussteller Helmold und Nicolaus, des Haupt=Ausstellers Helmold, genommen werden könne, um so mehr, da die Urkunde zu Schwerin vor Schwerinschen Domherren ausgestellt, die Anwesenheit des Grafen Nicolaus aber, der vor allen andern Grafen vorherrschend Graf von Wittenburg genannt werde, nur eine zufällige gewesen sei. Da nun aber Helmold III. 1275, wo Mechthild genannt wird, noch keine heirathsfähige Tochter haben konnte, so schließt Lisch weiter, daß Johann Gans 1280/1 in zweiter Ehe mit einer Tochter Helmolds aus dessen erster Ehe mit der Tochter Herzog Albrechts I. verbunden gewesen sei. - Indessen, abgesehen davon, daß die Landestheilung erst ins Jahr 1282 fiel und erst seit dieser Zeit Wittenburg als die regelmäßige Residenz des Grafen Nicolaus angesehen Werden kann, Nicolaus also auch nicht als Nebenperson erscheint, finden wir bei der Hypothese bedenklich, daß die Vermählung des Grafen Helmold mit der sächsischen Prinzessin Mechthild überall, wie in § 16 gezeigt ward, sehr ungewiß ist, und daß, sollte sie überhaupt und vor dem festgesetzten Tage (11. Novbr. 1265) vollzogen und beerbt gewesen sein, zunächst Gunzelin V. als der Sprößling derselben angesehen werden müßte. Wollte man aber auch annehmen, die Tochter wäre eine Zwillingsschwester Gunzelins V. gewesen, so würde sie, Ende 1265 geboren, im Mai 1281 doch immer erst 15 Jahre gezählt haben und damals kaum schon vermählt gewesen sein. Unsere obige Erklärung erscheint uns einfacher.
2) S. oben § 17.
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erste Urkunde, in welcher Gunzelin (schon 1273) Domherr genannt wird 1 ), kannte er freilich noch nicht; aber er zieht doch z. B. eine andere, vom 9. Juui 1279 2 ), an, worin er auch als Domherr bezeichnet ist. Zweitens deutete Chemnitz den Freiensteiner Vertrag noch unrichtiger als Rudloff (s. § 17); er meint, Gunzelin sei durch denselben für ein väterliches Prälegat abgefunden mit "Landt, Stadt undt Schlos Schwerin neben dem Lande Doberen" (so übersetzt er "Nouum Zwerin cum terra Doberen et earum terminis"!) Hatte er aber einmal Schwerin in Meklenburg verstanden, und nahm er Gunzelin IV. für einen weltlichen Herrn, so war es ganz natürlich, daß er die späteren Regenten des meklenburgischen Landes Schwerin für Gunzelins Söhne ansah.

Dazu kam dann, daß Chemnitz durch allzu stricte Erklärung verwandtschaftlicher Titel verführt ward, in der fünften Generation zwei Grafen Namens Heinrich (III. und IV.) zu unterscheiden, welche beide als Neffen des Grafen Nicolaus I. erschienen und demgemäß nur als Söhne zweier Brüder dieses Grafen betrachtet werden konnten. Bestärkt ward er endlich in seiner Hypothese von drei Aesten noch dadurch, daß er einen Grafen Nicolaus fand, der nicht identisch war mit dem gleichnamigen Sohne Nicolaus I., und der von dem Bruderpaar Gunzelin und Heinrich auch nicht als Bruder bezeichnet ward.

Fassen wir nun die einzelnen Persönlichkeiten, welche seit Chemnitz für Nachkommen Helmolds III. und Gunzelins IV. gelten, etwas schärfer ins Auge, so können wir zunächst Margarete, die angebliche Tochter Gunzelins IV., ohne Weiteres aus der Stammtafel der schwerinschen Grafen tilgen. Die Nonne des Klosters Zarrentin, welche Nicolaus I. am 5. April 1319 "matertera nostra Margareta" nennt, ist nicht, wie Chemnitz meint, Gunzelins IV. Tochter, sondern die Tochter Herzog Abels von Schleswig 3 ), welche derselbe Graf Nicolaus 1282, am 18. Sept., "neptis nostra dilecta Margareta" genannt hatte 4 ).

Nicht besser aber steht es um den Grafen Nicolaus II. bei Chemnitz. Dieser Nicolaus II. und seine Gemahlin Merislava von Rügen haben nie existirt, sie sind vielmehr nur Doppelgänger des Grafen Nicolaus I. und seiner Gemahlin Merislava von Pommern. Ihr Schatten=


1) M. U.=B. II, Nr. 1293.
2) Daselbst Nr. 1492.
3) Zarrentin. Urk. v. 5. Juni 1317.
4) M. U.=B. III, Nr. 1619. 1642.
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dasein verdanken sie, wie Chemnitzens Chronik zeigt, lediglich dem Umstande, daß Fürst Wizlav IV. von Rügen den Grafen Nicolaus I. von Schwerin, als er diesen für sein Bündniß gegen den Fürsten Nicolaus II. von Werle gewann, in der Bündnißurkunde vom 18. Oct. 1306 seinen "gener" nannte. Chemnitz übersetzte diesen Titel mit "Schwiegersohn" und gewann damit zunächst einen neuen Grafen; denn Nicolaus I. konnte ja, als Gemahl der Merislava von Pommern (Barnims I. Tochter), hier nach Chemnitzens Meinung nicht in Frage kommen. Auch der Name der rügischen Prinzessin fand sich leicht - durch ein Mißverständniß. Nämlich die Gräfin Merislava (Mirizslauia dei gracia comitissa Zwerinensis et in Wittenborgh) gab am 1. Juni 1317 zu Wittenburg ihrem Oheim (auunculo), dem Fürsten Heinrich von Meklenburg, dafür, daß er sie und ihre Kinder in seinen Schirm (in suam tuicionem et promocionem) genommen, die Zusicherung für sich und ihre Kinder, ihm nach dem Tode ihres Gemahls und Herrn, des Schwerinschen Grafen Nicolaus, nach Kräften Beistand zu leisten, - wenn sie oder ihre Kinder den Gemahl überleben sollten (post obitum mariti et domini nostri karissimi, domini Nicolai comitis Zwerinensis, si nos aut liberorum nostrorum aliquem superuiuere deo dante contigerit). An diesen Revers hing Merislava ihr in § 19, b beschriebenes großes Siegel mit dem pommerschen Greifen. Aber Chemnitz sah nicht nach dem Siegel, auch nicht nach dem Original, sondern nach seinem Auszuge, in welchem der entscheidende Zusatz: wenn sie ihren Gemahl (Nicolaus) überleben würden, fehlte. Während die Urkunde in Wirklichkeit beweist, daß der Gemahl dieser Merislava noch lebte, nahm Chemnitz sie für eine Wittwe, unterschied sie von der Gemahlin Nicolaus I., der ja noch bis 1323 lebte, und nahm ihren Gemahl für Nicolaus II., dessen Tod er aus diesem Grunde ins Jahr 1316 setzte, und fand in ihr die nach der Urkunde von 1306 vorausgesetzte rügische Prinzessin.

So befestigte sich der Irrthum von den zwei Grafen Namens Nicolaus und ihren gleichnamigen Gemahlinnen. Aber merkwürdig ist es doch, daß Chemnitz von allen Urkunden Nicolaus I. an dessen Doppelgänger nur zwei abgegeben hat, nämlich die schon erwähnte vom 18. October 1306 und die Urkunde über die Mühle zu Pinnow im Lande Sellesen vom 31. October 1315, die wir in § 19 mit voller Sicherheit Nicolaus I. beilegen konnten, weil daran sein schon am 9. Juni 1279 von ihm gebrauchtes Siegel hängt.

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Chemnitz scheint ob solchem Mangel an weiteren Nachrichten über diesen Grafen selbst erstaunt zu sein. Er charakterisirt ihn daher als einen sehr ruhigen und friedliebenden Herrn. "Dieser Herr", bemerkt er, "hat sein leben in guten fried undt ruhe zugebracht, undt sich zu keinen krieg bereden laßen wollen, ohn weßen er sich einmahl deßhalben gegen seinen Schwiegervatter Fürst Witzlaum zu Ruegen verpflichtet." Erst Rudloff 1 ) bildete die Theorie von den drei gräflichen Häusern Boizenburg, Wittenburg und Schwerin aus und erhob Nicolaus II. zum Stammvater der Linie Boizenburg.

Eine neue Stütze für die Existenz der Fürstin Merilava von Rügen glaubt freilich Lisch 2 ) in ihrem Siegel gefunden zu haben; er schreibt ihr (und nicht, wie wir gethan haben, der Merislava von Pommern, Nicolaus I. Gemahlin) das oben in § 19 beschriebene Secretsiegel zu. Indessen ist dies gewiß ein Irrthum. Lisch nennt es schon selbst eine "auffallende Erscheinung", daß auf dem väterlichen Schilde "der Greif", "eigentlich das pommersche Wappenzeichen", "durchaus klar zu erkennen" ist; und gewiß wäre diese Figur in dem Wappen einer rujanischen Fürstin schwer zu erklären. Aber gerade die Urkunde vom 19. April 1326, an welcher das Siegel hängt, beweist ganz bestimmt, daß jene Gräfin, welcher es gehört, die Gemahlin Nicolaus I. ist; denn der Graf Nicolaus, welcher sie im Text seine Mutter nennt, ist nach seinem Siegel der Sohn jenes Grafen. (S. § 27.)

Chemnitz würde vielleicht nicht zu jener irrthümlichen Annahme eines Nicolaus II. gekommen sein, wenn er die andere, schon oben (§ 19) erwähnte Urkunde gekannt hätte, in welcher derselbe Fürst Wizlav IV. denselben Grafen Nicolaus (I.) seinen Schwager betitelt. Man würde aber wiederum fehlgehen, wollte man nun Schwager für Schwestermann nehmen. Denn hätte Wizlav III. eine Tochter Merislava hinterlassen, so würden wir auch sie ohne allen Zweifel in seinem Testamente 3 ) neben den andern Kindern erwähnt finden.

Kurz, der Graf Nicolaus I. von Schwerin wird in jener Urkunde vom 18. Oct. 1306 vom Fürsten Wizlav IV. Schwager titulirt wegen einer weitläufigen Verwandtschaft, gerade so wie wenige Tage später, am 26. Octbr. 1306, die Markgrafen Otto, Hermann und Waldemar von Brandenburg in ihren Bündniß=Urkunden demselben Grafen denselben


1) Mekl. Gesch. II, S. 190 flgd.
2) Jahrb. XV, S. 31.
3) Fabricius, Rüg. Urk. II (III), Nr. 500.
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Ehrentitel geben 1 ). Ein Recht dazu hatte der Fürst Wizlav IV. nach dem in § 19 enwickelten Brauche jener Zeit, insofern seine Schwester Margarete mit Bogislav IV. von Pommern=Wolgast, und des Letzteren Schwester Merislava eben mit Nikolaus I. von Schwerin vermählt war.

In gleicher Weise müssen wir aber auch den einen der beiden Heinriche in der 5. Generation bei Chemnitz eliminiren, oder vielmehr alle Nachrichten, welche unser Vorgänger ganz willkürlich auf zwei gleichnamige Personen vertheilt, auf eine einzige beziehen. Nie kommen zwei Grafen dieses Namens in einer und derselben Urkunde neben einander vor; und während des Zeitraumes der 5. Generation (bis zum J. 1330) ist auch kein Siegel bekannt geworden, welches irgend einen Zweifel über die Identität der Person erregen könnte.

Aber was beweg denn Chemnitz, zwei Grafen Namens Heinrich zu unterscheiden? - Lediglich wieder nur die irrthümliche Auslegung des Wortes Schwager. Da nämlich, wie wir schon (§ 19) berichtet haben, der Graf Heinrich von Schwerin mit der Gräfin Elisabeth von Holstein vermählt war, und dennoch vom Herzoge Erich von Sachsen=Lauenburg den Titel Schwager empfing, so nahm Chemnitz diesen für gleichbedeutend mit Schwestermann, und mußte nun neben dem wahren Heinrich einen zweiten hinstellen, der eine Herzogin von Sachsen geheirathet haben sollte. Daß er sich dadurch dann auch gezwungen sah, die Cousine (matertera) in eine Schwester zu verwandeln, haben wir schon bemerkt, auch gezeigt, warum Herzog Erich die Gräfin Elisabeth als seine Cousne, ihren Gemahl als seinen Schwager nach dem Sprachgebrauche jener Zeit bezeichnen durfte.

§ 23. Nachdem wir somit die Grafen Nicolaus II. und Heinrich III. mit ihren Gemahlinnen als Phantasiegebilde aus der Stammtafel entfernt haben, bleiben außer der Nachkommenschaft des Grafen Nicolaus I. von Wittenburg nur noch zwei Personen übrig, welche wir in die fünfte Generation einzureihen haben, nämlich die Grafen Gunzelin V. (bei Chemnitz: Gunzelin VI.) und Heinrich III. (bei Chemnitz: III. und IV.).

Wessen Kinder sind nun diese? Nur zwei Brüder des Grafen Nicolaus waren dem geistlichen Stande fern geblieben, Heinrich II. und Helmold III.; nur diese beiden können daher


1) M. U.=B. V, Nr. 3118: vnsem zvager greuen Claus van Zverin.
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in Frage kommen. In Wirklichkeit aber von diesen zweien nur Helmold III. Denn, wenn Heinrich II., der so jung, spätestens schon im Jahre 1267, wahrscheinlich aber bereits einige Jahre vorher 1 ), verstorben war, Söhne hinterlassen hätte, so hätten sie ihr Erbtheil empfangen und gelegentlich darüber disponiren müssen, oder wir würden doch mindestens, nachdem sie volljährig geworden waren, in Urkunden ihrer Oheime über Veräußerungen von Gütern ihren Consens angegeben finden. Und doch reden die Letzteren, so lange Helmold lebte, d. h. bis zum Jahre 1295, wo Heinrichs II. Söhne ihre 30 Jahre müßten erlangt haben, nie von Neffen, oder gar ausdrücklich von Söhnen Heinrichs II. Es haben also solche auch nicht existirt.

Wüßten wir nun auch nicht urkundlich, daß Helmold III. schon im Jahre 1273 einen Sohn Namens Gunzelin hatte 2 ), und daß dieser Junker Gunzelin im Jahre 1292 noch lebte 3 ), so müßten wir schon ohnehin zu dem Schlusse kommen, daß der Neffe (fratruelis), der Graf Gunzelin, welcher zuerst am 13. Mai 1296 eine Urkunde des Grafen Nicolaus I. zum Zeichen seiner Einwilligung mitbesiegelte, und der den Letzteren seinen Oheim (patruus) nennt 4 ), ein Sohn Helmolds III. war. Es kommt hinzu, daß dieser Graf Gunzelin V. und sein noch unmündiger Bruder (puer) Heinrich (bei Chemnitz IV., bei uns III.), die "fratrueles" (Brudersöhne) des Grafen Nicolaus I., am 21. December 1298 die Mühlen zu Schwerin verkauften, also Hoheitsrechte gerade in demjenigen Theile der Grafschaft ausübten, welcher dem Grafen Helmold III., als er sich mit seinem Bruder Nicolaus I. in die Lande theilte, zugefallen war, und daß sie auch späterhin als Beherrscher des Landes Schwerin auftreten, Heinrich auch zu Neustadt Hof hielt. Endlich stimmen zu unserer Ansicht auch die Siegel.

Freilich gerathen wir bei der Betrachtung der Siegel in ein sehr schwieriges Problem; aber wir werden uns doch weiterhin noch mit den gräflichen Siegeln zu beschäftigen haben, und wollen denselben darum auch hier nicht aus dem Wege gehen.

Daß sich der Schach der Edlen von Hagen in keinem Siegel der schwerinschen Grafen wiederfindet, bemerkten


1) S. oben § 15.
2) M. U.=B. II, Nr. 1299.
3) 1292, Jul. 25 (M. U.=B. III, Nr. 2170): Guncelinus domicellus Zwermensis, filius dicti comitis Helmoldi. - Dieser "comes Gunzelinus de Zwirin" erschien auch 1290 beim König Rudolf zu Erfurt.
4) Daselbst IV, Nr. 2525.
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wir schon (§ 1); aber es fehlen uns auch die Siegel Gunzelins I. und Helmolds I. Die Siegel Gunzelins II. und Heinrichs I., Gunzelins III. und seines Sohnes Nicolaus I., sowie Gunzelins VI., der ein Sohn Nicolaus I. War, stimmen rücksichtlich des Wappenbildes im Wesentlichen mit einander überein: sie zeigen alle in der Mitte eine Pflanze und zu jeder Seite derselben einen von ihr abgekehrten, aber mit dem umgewendeten Kopfe zu ihr zurückschauenden Lindwurm.

Siegel Gunzelins II.

Doch ist die "Pflanze" auf dem Siegel Gunzelins II., dessen Abbildung wir aus dem Mekl. Urkundenbuche hieneben wiedergeben, und auf dem ersten Siegel Heinrichs I. 1 ) noch so schwach (als Lilie) angedeutet, als sollte sie nur zu einem heraldischen Beiwerk, zur Trennung der beiden Lindwürmer dienen; dann aber entwickelt sie sich zu einem Baume mit herzförmiger oder faseriger Wurzel 2 ).

Zur Erklärung dieses von dem Hagenschen so ganz abweichenden Siegelbildes hat man bemerkt, daß, was wohl öfter geschehen, Gunzelin I. von Schwerin mit seinem Eintritt in neue, ferne Besitzungen das Wappen gewechselt habe; zur Annahme der Lindwürmer hat man in der nordischen Vorliebe für solches Symbol den Anlaß gefunden, und den Baum als ein redendes Bild des bisherigen Namens Hagen gedeutet, wie dieser Name auch sonst öfter heraldisch durch einen Baum oder Ast ausgedrückt sei 3 ).

Dieser ganzen Erklärung könnten wir vielleicht unsern Beifall schenken, wenn sich constatiren ließe, daß Gunzelin I. wirklich den Baum mit 2 Lindwürmern geführt habe. Da


1) M. U.=B. I, Nr. 231, sind beide abgebildet.
2) S. die Zusammenstellung dieser Siegel im M. U.=B. IV B., S. 539 - 541. - Chemnitz berichtet freilich von Heinrich I.: "In seinem Wapen hat er geführet ein loß Pferdt ohn Sattel undt Zaum, wie die vorhandene siegel ausweisen". Diese Angabe muß aber auf einem Gedächtnißfehler beruhen, wie denn Chemnitz den Siegeln leider viel zu wenig Aufmerksamkeit schenkte. Denn die Urkunden und Siegel des Grafen Heinrich I. welche Chemnitz kannte, sind noch vorhanden und beweisen das Gegentheil.
3) S. v. Hammerstein, S. 161. 162.
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aber die Pflanze anfänglich, wie bemerkt, so winzig erscheint, und sich erst hernach zum Baum entwickelt, so halten wir dies nicht einmal für wahrscheinlich. Die Lindwürmer stellen sich auf den ältesten bekannten Siegeln ihrem Umfange nach durchaus als die Hauptfigur dar. Und hätte Gunzelin den Baum wirklich als die Hauptfigur, das redende Bild seines Namens, hinstellen und durch die Lindwürmer vermehren wollen, so möchte es ihm doch näher gelegen haben, ein anderes Wappenthier, etwa zur Erinnerung an den Herzog, dem er seine Erhebung verdankte, den Löwen zu wählen, den, wie man bemerkt hat, zu jener Zeit andere Dynasten ihrem Stammwappen beifügten.

Lindwürmer sind nicht häufig in der Heraldik. Aber allerdings ist der Drache (Wurm) ein Gebilde altnordischer wie deutscher Phantasie, ein charakteristisches Ornament auf Kunstwerken heidnischer Zeit in nordgermanischen Ländern, und der Gegenstand vielfacher Sagen; und er ist auch der slavischen Mythologie 1 ) nicht fremd. In der christlichen Kunst ist er das Bild des Teufels (nach der Bibel) und seines Reiches, des Heidenthums. Es hätte also nichts Befremdendes, wenn ein Sieger und Herrscher über ein vormals heidnisch=wendisches Gebiet seinen Schild mit dem Lindwurm, oder der Symmetrie wegen mit 2 Lindwürmern, schmückte; haben doch die dänischen Könige später für das Wendenland, an dessen Bekehrung und Unterwerfung ihre Vorgänger einst so eifrig gearbeitet hatten, den Drachen in ihr Wappen genommen!

Und doch halten wir es nicht für ausgemacht, daß gerade Gunzelin I. ein Bild seines heidnischen Landes zu seinem Siegelbilde wählte. Denn wenn wir sehen, daß die Stadt Wittenburg schon in ihrem ältesten Stadtsiegel (aus dem 13. Jahrhundert) 2 ) die beiden Lindwürmer auf der Burg führte, und daß, nachdem schon die andern Grafen von Schwerin ein Roß angenommen hatten oder einen getheilten leeren Farbenschild führten, nur der Graf Nicolaus I. von Wittenburg und von seinen Söhnen Gunzelin, eben der, welcher das Land Wittenburg erbte, noch die Lindwürmer beibehielten, während der andere Sohn, Nicolaus II., der Boizenburg und Crivitz (mit Sellesen) erbte, den Farbenschild hatte: so liegt es wohl nahe, in den beiden Lindwürmern eine ursprüngliche Beziehung auf Wittenburg zu erkennen.


1) Grimm, Mythol. II, S. 654.
2) Das älteste erhaltene Exemplar aus dem Jahre 1296 ist abgebildet im M. U.=B. III, zu Nr. 2384.
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Ist diese Vermuthung stichhaltig, so können die Lindwürmer freilich erst zu Anfang des 13. Jahrhunderts, als die Grafen von Schwerin bei der Auflösung der Grafschaft Ratzeburg in den Besitz von Wittenburg kamen, in das schwerinsche Grafensiegel aufgenommen sein.

Man wird uns einwenden, daß die Städte in der Regel, wenn nicht ihren Heiligen (Schutzpatron), das Wappen ihrer Fürsten in ihr Stadtsiegel aufnahmen, und daß daher auch in diesem Falle die Vermuthung für den Uebergang der Lindwürmer aus dem gräflichen in das Stadtsiegel, und nicht für die entgegengesetzte Annahme spreche. Indessen wissen wir gar nicht, ob Wittenburg, welches urkundlich schon 1230 als Stadt erscheint 1 ), gerade erst den Grafen von Schwerin die Stadtgerechtigkeit verdankte, oder ob es nicht schon von den Grafen von Ratzeburg zur Stadt erhoben war, oder ob es das Lübische Recht nicht etwa ebenso wie Mölln 2 ) unter der kurzen Herrschaft des Dänenkönigs Waldemar II. 3 ) empfangen hat. Und es möchte Mancher wohl geneigt sein, die Lindwürmer aus den oben angegebenen Bemerkungen über dieses Wappenzeichen gerade auf die dänische Herrschaft zurückzuführen. Man sollte ferner vermuthen, die Grafen von Schwerin hätten dem Orte unter der Burg Wittenburg wohl eher das Schwerinsche, als das Lübische Recht verliehen, zumal das erstere damals so berühmt war, daß es auch auf werlesche Städte, Güstrow u. a., übertragen ward. Eher als die Grafen von Schwerin darf man sich gewiß die Grafen von Ratzeburg als die Gründer der Stadt Wittenburg denken; und dann ist es wahrscheinlich, daß diese schon ein Siegel führte, ehe sie unter die Landeshoheit der Grafen von Schwerin kam. Aber wer auch Wittenburg mit dem Lübischen Stadtrecht beschenkt hat - eine Verleihungsurkunde wird in späteren Bestätigungen nicht erwähnt -, immer steht doch zu vermuthen, daß schon der Vogt und die Burgmannen der Grafen von Ratzeburg, welche zugleich, entsprechend der von den Grafen geschonten wendischen Heerverfassung, an der Spitze des Aufgebotes, der Ritterschaft und deren Hintersassen, aus dem ganzen Lande Wittenburg standen, ein Feldzeichen geführt haben; und es fragt sich, ob solches nicht die Lindwürmer gewesen sind. Daß die Burg zu Wittenburg eine wendische Landesburg gewesen ist,


1) M. U.=B. I, Nr. 375, S. 367: In agris ciuitatis Wittenborg - -.
2) Daselbst Nr. 315.
3) Daselbst Nr. 182, Note.
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darf man nicht bezweifeln; ob aber auch die Wenden des Landes Wittenburg schon sich unter dem Feldzeichen der Drachen versammelten, das lassen wir dahingestellt.

Man wirft, um sich durch eine Analogie aus der Ungewißheit zu helfen, zunächst einen Blick nach Gadebusch hinüber. Denn, sowie von den Grafen zu Ratzeburg Wittenburg an die Grafen von Schwerin gelangte, so kam Gadebusch gleichzeitig in den Besitz des Fürsten Borwin I. von Meklenburg. Da ist es nun allerdings auffallend, daß Gadebusch 1225 in einer Art von Stadtbrief 1 ) das Lübische Recht durch den Fürsten Borwin I. bestätigt erhielt, und doch nicht dessen Wappenbild, den Greifen, in das Stadtsiegel aufgenommen hat, sondern den Stierkopf. Dieses Siegel 2 ) kann seinem Charakter nach kaum jünger sein als jene Urkunde, es ist sehr alterthümlich; doch läßt sich die Zeit seiner Entstehung ja freilich nicht auf ein Jahrzehnt feststellen. Man könnte darum immer noch sagen, es sei erst geschnitten, nachdem schon das Fürstenhaus den Stierkopf zum Wappen angenommen hatte. Aber beachtenswerth bleibt es doch, daß im ganzen meklenburgischen Fürstenhause Nicolaus II., eben der Fürst, welcher zu Gadebusch residirte und dort - noch vor seinem Vater - 1225 seinen Tod fand 3 ), zuerst statt des Greifen den Stierkopf im Siegel geführt hat. Die Vormundschaft seiner Neffen behielt (1228) noch den Greifen bei 4 ); und Johann I., der älteste jener vier Neffen, dem zunächst Gadebusch und die westlichen, ehemals obotritischen Gebiete Meklenburgs zu Theil wurden, war dann der Erste nach Nicolaus II., welcher den Stierkopf in sein Siegel 5 ) graviren ließ. Er fand darauf Nachahmung bei seinem Bruder Nicolaus, der die östlichen Lande mit Rostock erhielt 6 ); und als sie hernach den beiden jüngsten Brüdern, Borwin (III.) und Pribislav II., auch Landestheile abtraten, führte Pribislav als Herr von Parchim (dem alten Lande Warnow) gleichfalls den Stierkopf 7 ), Borwin aber, dem Nicolaus (nun Herr von Werle) Rostock überließ, blieb bei dem Greifen 8 ). Die Stadt Rostock folgte ihren Landesherren; das alte Stadtsiegel 9 ) zeigt den Stierkopf, das etwas jüngere Rathssiegel 10 ) den Greifen, welchen die Fürsten von Rostock bis zu ihrem Erlöschen (1314) fortgeführt haben.


1) M. U.=B. I, Nr. 315.
2) S. die Abbildung ebendaselbst, S. 304.
3) Daselbst Nr. 316.
4) Daselbst Nr. 381.
5) Daselbst Bd. II, Nr. 786.
6) S. das 1. Siegel daselbst Bd. I, Nr. 435, und vgl. das zweite daselbst Nr. 514.
7) Daselbst Bd. I, Nr. 476. 522. 633.
8) Das. Nr. 463.
9) Das. Bd. II, Nr. 786.
10) Bd. V, Nr. 3184.
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Was bewog nun den Fürsten Nicolaus II. das Stammwappen, den Greifen, mit dem Stierkopfe zu vertauschen? - Wir wissen nicht, ob die Feldzeichen der heidnischen Wenden außer den bezeugten 1 ) Götzenbildern auch bisweilen Thiergestalten zeigten, auch nicht, ob der Stier etwa von den Wenden in eine besondere Beziehung zu dem Götzen Radegast, nach dem sie den bei Gadebusch vorüberfließenden Fluß benannten, gebracht war 2 ); aber der Wechsel in den Siegelbildern des meklenburgischen Fürstenhauses läßt kaum eine andere Deutung zu, als daß entweder, wie Beyer 3 ) vermuthet hat, der Stierkopf "das alte obotritische Feldzeichen, wie der Greif das der östlicheren Wenden", gewesen ist, oder daß derselbe, wie wir lieber glauben, zunächst als das Feldzeichen des neu gewonnenen Landes Gadebusch 4 ), das Wappen der Burg und Stadt anzusehen ist. Immerhin möchte sich daraus die Vermuthung ergeben, daß Fürsten den Feldzeichen ihrer Burgen oder dem Wappen neu erworbener Städte zu Liebe ihr angestammtes Siegelbild damals vertauschten, wie man späterhin das Stammwappen bei neuen Erwerbungen durch die Wappen der angeerbten oder eroberten Länder vermehrte.

Weist man solche Vermuthung nicht ohne Weiteres als unwahrscheinlich zurück, so kann man sich leicht erklären, daß die Brüder Gunzelin II. und Heinrich I., nachdem sie ihre Grafschaft durch die Erwerbung des Landes Wittenburg so


1) Quomodo conveniunt Zuarasi vel diabolus et dux sanctorum vester et noster Mauritius? Qua fronte coeunt sacra lancea et, quae pascuntur humano sanguine, diabolica vexilla? Erzb. Brun an König Heinrich II. (Wigger, Mekl. Annalen I, S. 56). Im Tempel zu Rethra wurden die vexilla aufbewahrt (Thietm.VI, 17 ). Im Jahre 1017 erfuhren die Liutizen den Schimpf, daß ihre "dea" "in vexillis formata a quodam Herimanni marchionis socio lapide nno trajecta est", und "deam cum egreio L militum comitatu alteram" verloren sie beim Uebergang über die Milde (Thietm.VI, 47).
2) Die Abbildung des Radegast, wie er sich den Stierkopf vor die Brust hält, ist neu und ohne jede Auctorität.
3) Jahrb. XIII, S. 28. Beyer stützt sich darauf, daß der Stierkopf auch als Wappenbild für Wagrien, den westlichsten Theil des alten Obotritenlandes, gebraucht ist. Doch dürften dafür die Belege auf alten Siegeln fehlen.
4) Da das Land Gadebusch, als Theil der in Polabien gegründeten Grafschaft Ratzeburg, zu Polabien gehört hatte, so war es kein Gebiet des Obotritenfürsten Niclot, des Stammvaters des meklenburgischen Fürstenhauses, gewesen, sondern hatte unter der Herrschaft Pribislavs, des Fürsten der Wagrier und Polaben, gestanden ( Helmold I, 62); es ward von dem meklenburgischen Fürsten Borwin I. also erst nach dem Untergange der Grafschaft Ratzeburg für sein Haus erworben.
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glänzend erweitert hatten, die Erinnerung an diesen Erfolg in ihren Siegeln verewigen wollten. Daß sie dann aber, als die dänische Gewalt ihnen den jungen Besitz einstweilen wieder entzog, in Hoffnung auf bessere Zeiten ihr Siegel mit dem Emblem Wittenburgs beibehielten, bedarf keiner Rechtfertigung.

Doch wir geben unsere Vermutung nur als eine Anregung zur Lösung eines noch wenig besprochenen heraldischen Problems 1 ); vielleicht gelingt es, sie durch Analogien zu stützen oder zu berichtigen.

Bestimmter könnten wir uns entscheiden, wenn sich auch die Feldzeichen der Länder Schwerin und Boizenburg ermitteln ließen. Wir wissen nun freilich wohl, daß die Ritterschaft des Landes Boizenburg nicht, wie die wittenburgische, nach ratzeburgischem Rechte ihre Lehne empfangen hatte, sondern nach einem besonderen Rechte lebte und ursprünglich, ja noch 1279, ein von jener gesondertes Corps ausmachte 2 ); aber unter welchem gemeinsamen Zeichen sie, wenn die Mannschaft des ganzen Landes zur Landwehr aufgeboten war, bevor das Land schwerinisch wurde, etwa gefochten haben mag, ob sie dem lüneburgischen Banner folgte oder ein besonderes besaß, erfahren wir nicht. Die Stadt Boizenburg führte von je her nur eine Burg im Siegel; und die Stadt Schwerin ehrte ihren Stifter Herzog Heinrich den Löwen, indem sie ihr Siegel mit seinem Reiterbilde schmückte.

Dagegen hat man die Hypothese aufgestellt, daß, wie die Lindwürmer wittenburgisch, das Roß ohne Sattel und Zaum auf den Siegeln einiger Grafen schwerinisch sei. Man ist dabei von der Wahrnehmung ausgegangen, daß, während die Grafen zu Wittenburg (Nicolaus I. und sein Sohn Gunzelin) den Baum und die beiden Lindwürmer in ihren Siegeln fortführten, die Inhaber des Landes Schwerin (mit Neustadt und Marnitz), und zwar zuerst Helmold III. 3 ), das schreitende Roß ohne Zaum und Sattel zum Siegelbilde wählten. Man hat damit ferner in Verbindung gebracht, daß die von Schwerin im Lüneburgischen, welche ohne Zweifel von Schwerin in Meklenburg als Burgmannen daselbst ihren


1) Die Herren Geh. Archivrath Lisch und Archivrath Beyer, welche die gegenwärtige Abhandlung im Manuscript gelesen haben, wollen noch im 34. Jahrbuche ihre abweichenden Ansichten darlegen.
2) M. U.=B. II, Nr. 1504, A. B.
3) S. dessen Siegel im M. U.=B. II, Nr. 1201.
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Namen angenommen haben, gleichfalls ein Roß im Schilde führten 1 ).

Aber wenn wir auch annehmen, daß die adelige Familie von Schwerin ihr Wappenbild von Schwerin her mitgebracht hat, so ist es dann doch vielleicht immer nur eine Nachbildung des gräflichen Wappens und Siegels; und das Siegelbild Helmolds läßt sich daraus also nicht erklären. Wir würden aber das Roß auf Helmolds Siegel ohne Bedenken auf das Land Schwerin beziehen, wenn der Graf dieses Siegel erst seit der Landestheilung (seit 1282) geführt hätte; es hängt jedoch schon an einer Urkunde vom 28. Sept. 1270, die Helmold, als Mitregent, mit seinem Vater ausstellte 2 ). Und wollte man geltend machen, daß Helmold vielleicht erst viel später dieses Siegel angehängt habe, weil an drei andern Urkunden vom Jahre 1270 3 ), die aber nur in unechten Ausfertigungen vorliegen, ein dem Siegel Gunzelins III. nachgebildetes, an sich unverdächtig erscheinendes schildförmiges Siegel Helmolds mit Baum und Lindwürmern gehängt ist, so finden sich Abdrücke von dem Siegel mit dem Rosse doch auch noch aus den Jahren 1271, 1274, 1275 4 ) u. s. w.


1) Eine neue Stütze für diese Ansicht würden wir in Beyers Vermuthung finden, daß der wendische Ortsname Zuarin (Schwerin) einen Ort bedeute, wo die Wenden heilige Rosse hegten und aufzogen, wenn wir uns von der Richtigkeit dieser mit viel Gelehrsamkeit und Fleiß in Jahrb. XXXII, S. 58 flgd. dargestellten Hypothese überzeugen könnten. In der That aber kennen wir nur einen Ort in Meklenburg, wo man solche heilige Rosse aufzog, nämlich das von Beyer endlich richtig bestimmte Rethra auf der Insel Wustrow im Tollense=See; und dort fehlt nun gerade der Name Schwerin. Eine zweite für solchen Zweck geeignete Oertlichkeit findet Beyer S. 75 bei der Stadt Schwerin auf der Feldmark Ostorf; und da dieser Ort in einer Urkunde vom Jahre 1282 (M. U.=B. III, Nr. 1650), welche jedoch nur abschriftlich erhalten ist, Osestorp, und in einem Original Vom Jahre 1357 Orstorpe genannt ist, so vermuthet er, in dem Original von 1282 möge Orsestorpe (d. i. Roß=dorf) gestanden haben. Dies wäre aber doch nur von Bedeutung, wenn sich erweisen ließe, daß Orsestorp eine Uebersetzung von Zwerin sei und der wendische Name an der Feldmark Ostorf gehaftet habe. Dagegen haben wir aber ein urkundliches Zeugniß dafür, daß dies nicht der Fall gewesen, sondern die "insula Zwerin" vielmehr der Werder ist, auf dem die Altstadt Schwerin liegt, und der schon in der heidnischen Zeit bewohnt war, - in der Urkunde des Papstes Alexander III. vom Jahre 1178 (M. U.=B. I, Nr. 124). Vgl. Jahrb. XXVIII, S. 200 flgd.
2) Daselbst II, Nr. 1201.
3) Daselbst Nr. 1185-1187.
4) Daselbst Nr. 1224. 1336. 1345. 1362.
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Doch, wenn wir auch nicht strenge erweisen können, daß das Roß in des Grafen Helmold Siegel bestimmt auf Schwerin hindeutet, vielmehr eine Beziehung auf die Besitzungen im Lüneburgischen vielleicht mit gleichem Rechte darin vermuthet werden darf, so ist es doch immerhin der Beachtung werth, daß nur vier Grafen von Schwerin das Roß im Siegel geführt haben, nämlich außer Helmold III. die beiden Brüder Gunzelin V. und Heinrich III., welche wir als seine Nachfolger im Lande Schwerin kennen und für seine Söhne ansehen 1 ), und später Otto I., dem nach Heinrichs III. Tode das Land Schwerin zufiel. -

Gunzelin V. und Heinrich III. bilden also das Haus Schwerin, wie Nicolaus I. mit seinen Kindern das Haus Wittenburg. Eine dritte Linie, Boizenburg, gab es nicht.

Von jenen beiden Brüdern kommt Gunzelin V. ein Jahrzehnt hindurch oft in Urkunden vor; bei dem noch sehr jugendlichen Alter seines (Stief=) Bruders Heinrich III. (aus des Vaters letzter Ehe) führte er die Regierung; die Vasallen in den überelbischen Gütern verkehren immer mit den Grafen Nicolaus I. von Wittenburg und Gunzelin V. von Schwerin 2 ). Die letzten Urkunden aber, welche uns Gunzelin V. hinterlassen hat, gehören dem Jahre 1307 an; er lebte noch am 31. Oct. 1307 3 ). Irriger Weise setzt Chemnitz seinen Tod ins Jahr 1313; denn schon 1312 gedenkt sein Vetter Gunzelin VI. (von Wittenburg) seiner als eines "patruus pie memorie" 4 ). Chemnitz weiß von ihm aus den Jahren 1308-1311 auch nichts zu berichten; er ist nur dadurch irre geleitet, daß er in Bezug auf eine Verhandlung des Jahres 1312 die beiden gleichnamigen Vettern verwechselte. Statt Gunzelins V. finden wir neben seinem Oheim Nicolaus I. seinen Bruder Heinrich III. in den Urkunden wegen überelbischer Güter schon seit dem 5. Septbr. 1310 genannt 5 ). Wir dürfen daraus abnehmen, daß Gunzelin V. zwischen dem 31. Oct. 1307 und dem 5. Sept. 1310 gestorben ist. - Wenn Chemnitz nach Latomus berichtet, Gunzelins V. Gemahlin habe Mechthild geheißen und sei im Jahre 1318 gestorben, so können wir dieser Angabe nur beitreten. Sie beruht auf der im Kirchenbuche des Grauen


1) Gunzelins V. Siegel mit dem Rosse ist abgebildet im M. U.=B. III, zu Nr. 2395, Heinrichs III. Siegel daselbst, Bd. IV, zu Nr. 2525.
2) S. v. Hammerstein, S. 50 flgd.
3) M. U.=B. V, Nr. 3193.
4) Jahrb. VI, S. 206.
5) S. v. Hammerstein, S. 58.
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Klosters zu Wismar erhaltenen "Affschrift vth eyner Tafeln im kor hangende", welche mit den Worten schließt:

"Anno 1318 frow Metke vth Holsten, greffynne to Swerin. Froychen Lutgart filia ducis Johannis submersi Im kor begrauen.

Finis."     

Den Gemahl der Gräfin Mechthild finden wir an dieser Stelle leider nicht mitgenannt; wir können aber nur an Gunzelin V. denken, da die Gemahlinnen der andern damals verheiratheten Grafen von Schwerin andere Namen führten und uns hinlänglich bekannt sind.

Aber die Eltern der Gräfin Mechthild sind noch nicht mit urkundlicher Gewißheit zu bestimmen. Daß die Gräfin ihre Grabstätte jedoch bei den Franciscanern zu Wismar fand, erinnert uns unwillkürlich daran, daß die Tochter des Fürsten Johann I. von Meklenburg, Elisabeth, die Gemahlin des Grafen Gerhard I. von Holstein († 1290) gewesen war, und macht es wahrscheinlich, daß Mechthild dem Hause derselben angehörte und noch die Beziehungen ihres Hauses zu den Wismarschen Franciscanern fortsetzte. Nun hatte Gerhard I. von Holstein in der That eine Tochter Namens Mechthild, die etwa von gleichem Alter mit Gunzelin V. von Schwerin gewesen sein muß; sie wird im Jahre 1272 als Gerhards jüngste Tochter genannt 1 ). Diese sehen wir also bis auf Weiteres um so unbedenklicher als Gunzelins V. Gemahlin an, da uns aus jener Zeit keine andere Mechthild in der Familie der Grafen von Holstein bekannt ist 2 ).

§ 24. In der Dispensation vom verbotenen Verwandtschaftsgrade, welche der Papst Nicolaus IV. dem Grafen Helmold III. und seiner letzten Gemahlin, Margarete von Schleswig, am 4. Decbr. 1288 ertheilte 3 ), heißt es, daß


1) M. U.=B. II, Nr. 1256.
2) Weil der Graf Adolf VI., Mechthildens Bruder, den Grafen Johann von Wunstorf (1296), indem er ihn "socerum nostrum" nennt, ohne Zweifel als seinen Schwager bezeichnen will, hat Cohn mit v. Aspern den Grafen Johann zum Gemahl Mechthildens ausersehen. Doch dünkt uns das Wort Schwager hier in seiner laxeren, oben (§ 19) entwickelten Bedeutung gebraucht zu sein. Vielleicht war diese Verschwägerung anderweitig (etwa durch Adolfs Schwester Elisabeth, Gräfin von Wölpe?) vermittelt. Irrthümlich vermuthet v. Aspern (Nordalb Stud. V, S. 190), daß Metke eine Abkürzung von Margarete sei. An derselben Stelle verwechselt er, wie es scheint, Gunzelin V. und Gunzelin VI., da er "Niclot den Vater Günzels" nennt, und spricht die Vermuthung aus, daß Metke die Tochter Gr. Johanns II. von Holstein gewesen sei, hebt aber gleich selbst die damit verknüpften Schwierigkeiten hervor.
3) M. U.=B. III, Nr. 1988. - Vgl. oben § 12.
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dieselben schon mehrere Jahre (per plures annos) verehelicht seien und Söhne (filios) erzeugt hätten. Wir schlossen oben (§ 16) hieraus und aus einem andern Grunde, daß die Hochzeit spätestens ins Jahr 1282 falle, glaubten aber nicht bis auf das Jahr 1272 zurückgehen zu dürfen, und haben daher den schon erwähnten Sohn Gunzelin V. als einen Sohn erster Ehe angesehen. Nun kennen wir aber aus der letzten Ehe nur einen Sohn, Heinrich III., der am 14. August 1313 die Gräfin Margarete seine Mutter nennt und als ihr künftiger Erbe erscheint. Es müssen also, wenn der Ausdruck filios in der päpstlichen Dispensation genau zu nehmen ist, ein oder mehrere Söhne Helmolds III. jung verstorben sein.

Graf Heinrich III. war ohne Zweifel viel jünger als sein Bruder Gunzelin V. Denn während der Letztere schon 1296 als selbstständiger Regent ein Siegel führte, wird Heinrich III. am 21. Decbr. 1298 noch ein Knabe (puer) genannt 1 ); sein Siegel, welches an einer aqndern Urkunde von demselben Tage hängt, kann also erst nachträglich von ihm hinzugefügt sein. So lange sein Bruder lebte, verfügte Heinrich mit ihm, erst später tritt er auch selbständig in die Angelegenheiten der überelbischen Besitzungen ein. Sein oft vorkommendes Siegel mit dem Roß läßt seine Lebensgeschichte ganz klar und sicher verfolgen. Wir finden dieses zum letzten Mal am 1. November 1343, und weiterhin wird auch der Graf Heinrich III. nicht mehr lange unter den Lebenden genannt. Seine letzte uns bekannte Urkunde ist vom 7. Juni 1344 datirt. Am 16. Decbr. 1344 lebte er nicht mehr.

Wir haben bisher nur über das eine, große Siegel Heinrichs III. gesprochen; die Beschreibung seiner andern Siegel versparen wir uns auf eine spätere Gelegenheit 2 ).

Ueber Heinrichs III. Gemahlin, Elisabeth, die Tochter des weil. Grafen Adolf VI. von Schauenburg († am 13. Mai 1315) 3 ), haben wir schon oben (§ 19) gesprochen. Am 22. Januar 1316 sicherte ihr Bruder, Graf Adolf (VII.), ihrem Gemahl ein Pfand für die Mitgift seiner Schwester, Frau Elsebe, zu.

Späterhin wurden die Gatten inne, daß sie im 4. Grade mit einander verwandt waren, und holten deshalb 1321 eine päpstliche Dispensation ein 4 ). Elisabeth stammte nämlich


1) M. U.=B. IV, Nr. 2526.
2) S. unten § 29.
3) "Elisabeth", "quondam comits de Schouuenborch filia", 1321, 26. Octbr., als Gemahlin des Grafen Heinrich genannt.
4) Lisch, Maltzan. Urk. I, S. 359.
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im 3., Heinrich aber im 4. Grade vom Grafen Adolf IV. von Holstein ab, wie folgende Tabelle zeigt:

Stammtafel

Noch am 7. Juni 1332 wird die Gräfin Elisabeth genannt, und ohne Zweifel ist sie dieselbe Gemahlin, welche Heinrich III. im Jahre 1340 erwähnt, ohne ihren Namen hinzuzufügen, 1 ).

§ 25. Chemnitz kannte noch nicht alle Kinder des Grafen Nicolaus I.; und unsers Erachtens irrt er, wenn er meint, auch der älteste Sohn, Gunzelin VI. (bei Chemnitz V.), sei der zweiten Ehe, mit Merislava von Pommern, entsprossen. Schon an ich erklären wir uns manches Ereigniß seiner Lebensgeschichte, und namentlich seinen geistlichen Stand und später sein Zerwürfniß mit dem Vater, besser, wenn wir die bei ihrem Gemahl so einflußreiche Gräfin Merislava als seine Stiefmutter ansehen. Aber auch andere Verhältnisse sprechen dafür, daß er ein Sohn erster Ehe war, einmal nämlich der Umstand, daß er, wie schon oben (§ 19 a) erwähnt ist, als Rächer des ermordeten Grafen Adolf von Kiel=Segeberg, des Brudersohns der ersten Gemahlin des


1) Och en scole wi noch en willen (Nicolaus III.) vse modderen vor Elyzabet an den verteyn mark gheldes, de vse veddere vorghenomet (Nicolaus II., Sohn Nicolaus I.,) er ghegheuen heft an deme schote tu Wittenborch ere daghe, dar se dat ia de gnade mede hebben scal, nicht beweren, 11. März 1349. Dies wird sich auf Elisabeth v. Berge, die Gemahlin Nicolaus II., beziehen.
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Grafen Nicolaus I. von Wittenburg, auftrat, und zum andern sein Alter. Denn wir finden Gunzelin VI. am 31. October 1305 schon mit der Würde eines Cantors im Schweriner Domcapitel betrauet, er mußte damals also doch gewiß längst über 20 Jahre alt sein.

Am 1. Mai 1312 1 ) war er bereits in den weltlichen Stand zurückgetreten, wahrscheinlich aber schon viel früher. Bereits am 17. Februar 1307 nimmt er an einem Vertrage seines Vaters Nicolaus I. mit den Vettern Gunzelin V. und Heinrich III. in einer Weise Theil, die ihn als einen Weltlichen Herrn, vielleicht als einen Mitregenten seines Vaters erscheinen läßt 2 ).

Auch sein Siegel erinnert nicht mehr an seine vormalige geistliche Würde.

Siegel

Es ist, wie die Abbildung hieneben zeigt, ein kleines rundes Helmsiegel; den Helm umfaßt eine quadratisch ausgespannte, gegitterte Decke. Die Umschrift lautet:

Umschrift

Dieses Siegel ist bisher an Urkunden aus den Jahren 1312 -1316 beobachtet worden; aus der nächsten Zeit fehlen uns dann Gunzelins Siegel. Aber aus der Zeit vom 11. Novbr. 1322 bis zum 23. Novbr. 1326 besitzen wir mehrere Abdrücke von einem großen Schildsiegel, auf dem - zum letzten Mal - das alte Schildzeichen der Grafen von Schwerin: der Baum mit einem Lindwurm an jeder Seite, dargestellt ist. Die Umschrift lautet:

Umschrift

Nach dem Tode seines Vaters, schon am 30. März 1323, regierte er zu Wittenburg; doch können wir ihn dann nur noch bis zum Jahre 1327 in Urkunden verfolgen, und zwar bis zum 3. Mai.

Chemnitz hat Gunzelins VI. Tod erst ins Jahr 1338 gesetzt. Er findet ihn seiner Angabe nach noch in einer Urkunde vom J. 1328 (richtiger 1336) über Lenzen, aber das ist ein Irrthum 3 ); und eben so unrichtig giebt Chemnitz


1) Lisch, Maltzan. Urk I, S. 185, nobis, adhuc in clericali habitu constitutis - -
2) M. U.=B. V, Nr. 3145.
3) S. Riedel, Cod. dipl. Brand., Abth. I, Bd. 2, S. 63.
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an, daß Gunzelin VI. noch an den Lübeker Landfriedensverhandlungen im Januar 1338 Theil genommen habe, denn die Urkunde vom 11. Januar 1338 1 ) nennt uns seinen Namen nicht. Endlich hat Chemnitz Gunzelin VI. irrig eine Urkunde vom 3. April 1338 (über Porep) zugeschrieben; sie ist vielmehr am 23. April 1298 von Gunzelin V. gegeben 2 ).

Es bleibt nun nur noch übrig, daß Huitfeldt den Grafen Gunzelin VI. im Jahre 1329 an den dänischen Händeln in König Christophs Heer Theil nehmen läßt. Aber vergebens sucht man seinen Namen in gleichzeitigen Quellen. Die Auctorität A. Crantzens 3 ), der überdies etwas unbestimmt erzählt, wird dafür nicht ausreichen.

Die überelbischen Urkunden 4 ) sprechen jedenfalls dafür, daß Gunzelin 1329 nicht mehr lebte. In den Jahren 1323 -1326 sind diese zum Theil von ihm allein ausgestellt oder an ihn allein gerichtet, zum Theil aber finden wir auch entsprechende Urkunden der Grafen Heinrich III. und Nicolaus II., oder sie sind an alle drei gerichtet. Ohne Zweifel wurden die überelbischen Besitzungen, mindestens zum größten Theil, als gemeinsames Hausgut beider Häuser, Schwerin und Wittenburg, auch gemeinsam verwaltet. Noch am 3. Mai 1327 resignirten die Groten den drei Grafen Heinrich (III.), Gunzelin (VI.) und Nicolaus (II.) den Zehnten aus Boltersen. Vom Jahre 1329 an aber sehen wir in den überelbischen Urkunden Gunzelins VI. Namen nicht mehr, sondern nur noch die der Grafen Heinrich (III.) und Nicolaus II.; und, was noch merkwürdiger ist, der Ritter Otto von Schwerin wendet sich mit einem Schreiben vom 1. Juli 1328 wegen des Zehnten zu Bilne, welcher ein gräflich schwerinsches Lehen war, an die Grafen Heinrich III., Nicolaus II. und den Sohn des weil. Grafen Gunzelin (Heynrico, Nycolao et filio Guncelini pie memorie).

Dieser letztgenannte Sohn des Grafen Gunzelin ist aber kein anderer als der Graf Otto I., der damals schon (unter Vormundschaft Heinrichs III.) zu Wittenburg regierte, - weil sein Vater verstorben war. Nur der Tod Gunzelins VI. konnte Veranlassung geben, daß der Graf Heinrich III. am 1. Sept. 1328 der Stadt Wittenburg die Versicherung gab, ihre Privilegien zu achten, und ihr das Lübische Recht bestätigte, und daß am 4. Septbr. 1328 der Graf Heinrich III. und die Junker Nicolaus II. und Otto I. von Schwerin


1) Jahrb. VII, S. 281.
2) S. M. U.=B. IV, Nr. 2494 mit der Note.
3) Dania VII, 28.
4) v. Hammerstein a. a. O., S. 66 flgd.
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ihren Mannen im Lande Wittenburg ihre Privilegien, und namentlich Gunzelins Handfeste zu halten gelobten. Ferner, an dem Landfrieden, welchen die norddeutschen Fürsten 1328, kurz vor dem 20. Febr., zu Lübek abschlossen 1 ), nahmen auch die Grafen von Schwerin Antheil, aber nicht mehr Gunzelin VI., sondern "greve Hinrich van Swerin", "Clawes unde Otto greven van Wittenborch", "wi greve Hinrich van Swerin mit unsen veddern junchern Clawes un[de] Otten".

Wir dürfen hiernach behaupten, daß beim Abschlusse dieses Landfriedens Gunzelin VI. nicht mehr am Leben war. Wir vermuthen ferner, daß er schon im Jahre 1327, und zwar nach dem 3. Mai und vor dem 7. August, d. h. vor der Verlobung seiner Schwester Merislava mit dem Grafen Johann III. von Holstein, gestorben ist. Denn in den Urkunden vom 7. und 9. August 2 ) geschieht seiner keine Erwähnung, wiewohl er, wenn er noch am Leben gewesen wäre, als ältester Bruder selbst die Schwester hätte vermählen müssen; sein Vetter Heinrich III. und Gunzelins jüngerer Bruder Nicolaus verhandeln mit Johann III., und dieser gelobt "deme edelen manne greuen Hinrike van Zsverin", dat wie schollen nemen greue Nicholaus dochter, sine vedderken, juncurowen Meritzlawen".

Da Gunzelins VI. ältester Sohn, Nicolaus (III.), sich "Graf von Teckeneborg" nannte, so war es schon Rudloff 3 ) "wahrscheinlich, daß dessen unbekannte Mutter ihrem Gemahl (Gunzelin VI.) diese Grafschaft zugebracht und auf ihren Sohn vererbt haben müsse". Späterhin hat sich diese Vermuthung glänzend bestätigt. Denn einerseits hat Mooyer ermittelt, daß der Graf Otto (VII.) von Tecklenburg eine Tochter Namens Richardis hatte, welche 1310 genannt wird 4 ); und andererseits hat Lisch 5 ) in der "Rictze" (d. i. Richardis), "greuinne tů Zwerin", welche " v ring ppe deme hůse tů Wittenborch" am 30. Mai 1326 dem Herzoge Erich von Sachsen=Lauenburg, dem Lehnsherrn der Grafen von Schwerin, ihr Leibgedinge, das Dorf Hagenow, welches zum Lande Wittenburg gehörte, "tů greuen Hinrich (III.) hant, vnses leyuen vedderen", aufließ, die Gemahlin des Grafen Gunzelin VI. von Wittenburg richtig erkannt.

Leider ist die urkundliche Bestätigung dieser Ermittelung uns durch ein neidisches Geschick entzogen. Denn freilich


1) Schlesw.=Holst. Urk.=Samml. II, S. 168.
2) Daselbst S. 223.
3) M. Gesch. II, S. 283.
4) Jahrbuch XV, S. 37.
5) Daselbst S. 33. 204.
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hängt an dieser Urkunde der Gräfin Richardis noch ihr Geheimsiegel, aber nur noch in einem Bruchstücke, das wohl noch den quergetheilten (oben schraffirten, unten glatten) Schild der Grafen von Schwerin in der rechten Hand der Gräfin, aber nicht mehr den väterlichen (tecklenburgischen) Schild in ihrer linken Hand zeigt. Die Umschrift ist verloren gegangen bis auf die wenigen Buchstaben:

Umschrift

Eine Unterstützung gewinnt, wie schon von Lisch bemerkt ist, die auch ohnehin nicht zweifelhafte Annahme, daß Rixa die Gemahlin Gunzelins VI. gewesen sei, noch dadurch, daß eine Tochter und eine Enkelin dieses Grafen gleichfalls den Namen Rixa führten. Wir werden von diesen Frauen weiterhin zu reden haben.

§ 26. Graf Nicolaus I. von Wittenburg nennt, wenn unsere Beobachtung richtig ist, nur einmal seine drei Söhne: Gunzelin (VI.), Nicolaus (II.) und Barnim neben einander, am 11. Novbr. 1322.

Von diesen dreien wird der jüngste, Barnim der unstreitig nach Merislavens Vater, Herzog Barnim I. von Pommern († 1278), oder nach dem am 28. Mai 1295 verstorbenen Bruder der Merislava, Barnim II., benannt, also ohne Zweifel ein Sohn der Merislava war, nur dies eine Mal erwähnt. Chemnitz schließt daraus, er sei bald nach dem Vater gestorben. Aber wenn Detmar genau berichtet, so muß Barnim seinem Vater Nicolaus noch vorangegangen sein, also zu Ende des Jahres 1322, oder im Anfang des Jahres 1323 sein Leben beschlossen haben. Er giebt nämlich zum Jahre 1323 an:

"Do starf greve Nicolaus van Wittenborch. Twe sone he leth, Gunceline unde Nicolawese gheheten Pyst".

§ 27. Nicolaus II. (bei Chemnitz: der dritte), mit dem unerklärten Beinamen Pyst, erscheint in den Urkunden viel später als sein Bruder Gunzelin VI.; und er tritt auch nach des Vaters Tode so sehr hinter den älteren Bruder zurück, daß wir ihn schon aus diesem Grunde nicht für einen Vollbruder Gunzelins, also nicht für einen Sohn der Elisabeth von Holstein, sondern für einen Sprößling aus der zweiten Ehe des Grafen Nicolaus I. mit der Herzogin Merislava halten müssen. Nicolaus II. nennt am 19. April 1326

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die Merislava seine Mutter, und in einem etwa gleichzeitigen Register finden wir verzeichnet, was der "domicellus Nycolaus" auf seiner Reise zu den Oheimen in Stettin (ad auunculos suos Stetynenses) verausgabt hatte. Auch konnte nur die rechte Mutter so über Nicolaus II. verfügen, wie es Merislava that; und nur, wenn wir uns Gunzelin VI. als einen Stiefbruder des Junkers Nicolaus denken, läßt sich die Geschichte des Letzteren erklären.

Wie alt Nicolaus II. bei seines Vaters Tode war, ob er die Mündigkeit schon erlangt hatte, ist nicht urkundlich zu erweisen. Wenn Nicolaus I. im Jahre 1299 vom Consens seiner Gemahlin, seiner Söhne (filiorum nostrorum) und seines Neffen (patruus) Gunzelin (V.) spricht, so denkt man sich als jene Söhne zunächst Gunzelin VI., wenn dieser als Geistlicher damals in Betracht kam, und Nicolaus II., vielleicht auch schon Barnim. Aber fast möchte man glauben, hier ei ein oder vielleicht gar mehrere Söhne der Merislava zu verstehen, die dann jung verstorben ein müßten; so unmündig erscheint Nicolaus II. noch im Jahre 1326, daß man ihm damals kaum ein Alter von 27 und mehr Jahren zutrauen mag. Verfolgt man aber eine spätere Handlungsweise, so kommt man vielmehr auf den Gedanken, daß er nie recht mündig und elbständig geworden ist, sich jedenfalls sehr langsam entwickelt hat.

Wir führen dafür nicht den Umstand an, daß er 1326 noch "domicellus", und am 7. August 1327 noch "iunchere Niclawes van Swerin" genannt wird, und daß er mindestens noch 1338 sich selbst auf einem Siegel als Junker bezeichnet, sondern einen merkwürdigen Vertrag, den er und eine Mutter am 19. April 1326, nicht etwa mit dem Bruder, Gunzelin VI., sondern mit dem Vetter, dem Grafen Heinrich III. von Schwerin, abschlossen. In diesem überließen sie nämlich, und zwar zu einer Erbhuldigung, an Heinrich die Lande und Städte Boizenburg und Crivitz mit Sellesen - die offenbar das Erbtheil Nicolaus II. ausmachten, während Gunzelin VI., wie wir urkundlich wissen, zu Wittenburg regierte. Heinrich räumte dagegen der Gräfin Merilava den Hof Banzkow mit 6 Hufen, Holznutzung u. . w. ein und verhieß ihr dazu ein Jahrgeld von 400 Mark wend. Pfennige. Heinrich versprach ferner, den Vetter Nicolaus II. zu unterhalten und unter eine Vormundschaft zu nehmen. "He (Heinriche scal vns (Nicolaus II.) holden sulf seste in der costh vnde scal vns sceppen, des vns noth is, vnde wi scolen don degher na sineme rade". Ihre

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Schulden sollten gemeinschaftlich ein, die Abminderung derselben jedem von beiden zur Hälfte zu Gute kommen. Der Vertrag ward allerdings zunächst nur auf 10 Jahre geschlossen (und auf den Todesfall Clausen festgesetzt, daß die Mutter dann Banzkow zurückgeben und dafür Boizenburg, ihr ursprüngliches Leibgedinge, wieder haben solle); aber, wie es scheine hat Nicolaus II. sich dieser Vormundschaft nicht entzogen, so lange der Vetter Heinrich III. lebte. Noch in einem letzten Lebensjahre hat Heinrich mit Nicolaus gemeinsam über das Land Sellesen disponirt. Am 7. März 1343, also noch vor Heinrichs Tode, verschrieb aber Nicolaus II., auf den Fall, daß er ohne Söhne verstürbe, ohne auf seine Neffen, die Grafen Nicolaus III. (von Tecklenburg) und Otto I. (zu Wittenburg), Gunzelin VI. Söhne, Rücksicht zu nehmen, den Anfall der Lande und Städte Beizenburg und Crivitz (mit Sellesen) den meklenburgischen Fürsten Albrecht und Johann, und verpflichtete sich, diese Städte und Lande ihnen huldigen zu lassen, - sobald sie in eine Hand kämen, d. h. sobald Heinrich III. mit Tode abginge, oder er selbst dessen Bevormundung etwa durch Befriedigung seiner Ansprüche abschütteln könnte. So kränkte er, vielleicht nur, um sich der ihm lästigen Vormundschaft zu entziehen, das Erbrecht einer Neffen und gab den meklenburgischen Herzogen eine Handhabe, die Grafschaft Schwerin, welche zu einem großen Theile einst ihrem Ahnherrn Niclot gehorcht hatte, wieder mit ihrer Herrschaft zu vereinigen.

Nachdem Heinrich III. ohne Erben gestorben war, regierte Nicolaus II. auch zu Wittenburg; von einen beiden Neffen erhielt Otto I. nun Schwerin, Neustadt, Marnitz, Stavenow und das halbe Land Lenzen, Nicolaus III. begnügte sich mit dem mütterlichen Erbe, der Grafschaft Tecklenburg.

Als Nicolaus II. jenen Vertrag mit den Fürsten von Meklenburg abschloß, war er noch unvermählt; späterhin aber entschloß er sich noch zu einer Ehe mit Elisabeth, der Tochter des Edlen Wedekind vom Berge. Wahrscheinlich ist die Hochzeit im Monat März des Jahres 1349 gefeiert. Damals erschien der Graf Nicolaus von Tecklenburg zu Wittenburg, vielleicht um an der Hochzeitfeier Theil zu nehmen, und am 11. März stellte er eine Urkunde daselbst aus, in welcher er (auf seines Oheims Nicolaus II. Todesfall) u. a. folgende Verpflichtung übernahm: "Och en scole wi noch en willen vse modderen vor Elyzabet an den verteyn mark gheldes, de vse veddere vorghenomet (Nicolaus II.) er ghegheuen heft an deine schote tů Wit-

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tenborch ere daghe, dar se dat iar de gnade mede hebben scal, nicht beeren". Wir haben diese Worte schon in § 24 auf Elisabeth, die Gemahlin Nicolaus II., bezogen; der gleichnamigen Wittwe Heinrichs III. von Schwerin, wenn sie noch am Leben gewesen wäre, würde wohl eine Hebung aus der andern Hälfte der Grafschaft zugewiesen ein. Den Brautschatz der Elisabeth versprachen Wedekind, Edler vom Berge, und ein Sohn am 17. Mai 1349, dem Grafen Nicolaus II. zu Johannis desselben Jahres auszuzahlen. Die Ehe ward aber bald durch den Tod des Grafen Nicolaus II. getrennt. Am 21. Februar 1350 ließ sich die verwittwete Gräfin Elisabeth, ohne Zweifel, weil die Ehe unbeerbt geblieben war, für ihr Leibgedinge abfinden und kehrte in ihre Heimath zurück. Sie scheint 1374, am 30. Aug., als Aebtissin zu Herford gestorben zu ein.

Sehr merkwürdig sind die Siegel des Grafen Nicolaus II. Wir müssen ihrer hier Erwähnung thun, um Mißverständnissen vorzubeugen, zu denen sie Veranlassung geben können.

a. An der erwähnten Urkunde vom 19. April 1326 treffen wir zuerst ein Siegel des Grafen Nicolaus II. an, der sich also hier als Sohn der Gräfin Merislava erweist, und sich am 14. Octbr. 1329, wo das Siegel wiederkehrt, als einen Sohn des weil. Grafen Nicolaus (I.) von Boizenburg bezeichnet. Diese erste Siegel Nicolaus II., welches uns noch an mehreren Urkunden, zuletzt am 22. Januar 1338, begegnet, ist parabolisch. Der Grund ist gegittert, jedes Viereck des Gitters mit einer Rose belegt. Der rechtshin gelehnte Schild, auf welchem der Helm steht, ist quergetheilt, das untere Feld (doppelt) schraffirt, das obere gegittert, und die Gitter sind auch wieder mit Rosen ausgefüllt. Der vorwärtsschauende Helm (mit Bändern) ist ebenso, wie das oben (§ 25) abgebildete erste Siegel eines Bruders Gunzelin VI., umgeben von einer quadratisch ausgespannten, gegitterten (carrirten) Decke. Die Umschrift lautet:

Umschrift

b. Mehrere Jahre hindurch ist uns dann kein Siegel Nicolaus II. vorgekommen; seit dem Jahre 1315 aber entfaltet dieser Graf einen gewissen Luxus in Siegeln. Zunächst finden wir nämlich in den Jahren 1345-1349 wiederholt ein rundes Siegel mit einem Schilde und einem Helm. Der Schild, mit einer Perlenschnur umsäumt, ist quergetheilt, im untern Felde glatt, im oberen gegittert. Er ist sehr stark linksgelehnt. Ueber demselben schwebt ein vorwärts schauender

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Helm, um welchen sich zu beiden Seiten und oben ein Tuch quadratisch ausbreitet, dessen Falten stralenförmig vom Helme auslaufen. Zwischen 2 Perlenrändern steht die Umschrift:

Umschrift

Daß diese ein zweites Siegel des Grafen Nicolaus II. ei, ist nicht zu bezweifeln; denn der Inhaber desselben nennt sich in zwei Urkunden vom 16. Januar 1345, an denen es hängt, einen Bruder der Aebtissin Audacia von Zarrentin, die wir im nächsten Paragraphen als eine Tochter des Grafen Nicolaus I. von Wittenburg kennen lernen.

c. Drei andere Urkunden aber, welche derselbe Bruder der Aebtissin Audacia an demselben Tage für das Kloster Zarrentin gegeben hat, tragen ein drittes Siegel des Grafen Nicolaus II., und diese hat sich auch an Urkunden vom 16. Jan. 1346, vom 5. Juni 1346 und vom 29. Novbr. 1318 erhalten. Es ist gleichfalls rund; aber wir sehen auf demselben zwei Schilde und über jedem Schilde einen Helm. Beide Schilde sind linksgelehnt, der erste ist ganz auf die Seite gelegt. Beide sind quergetheilt, im oberen Felde glatt, im unteren doppelt schraffirt. Den auf dem ersten Schilde stehenden Helm umspannt wieder die gegitterte Decke, der zweite Helm dagegen hat zwei gegitterte Schirmbretter, welche mit Federn besteckt sind und so einen offenen Flug bilden. Die Umschrift diese Siegels, zwischen 2 Perlenschnüren, lautet:

Umschrift

Wir kommen auf diese merkwürdige Siegel noch einmal zurück. (S. § 29.)

§ 28. Die Töchter des Grafen Nicolaus I. sind Chemnitz nicht alle bekannt geworden; nach den Urkunden, welche neuerdings veröffentlicht sind, waren ihrer mindestens 8. Die Reihenfolge derselben ist nicht mit Gewißheit festzustellen, und namentlich schwer zu ermitteln, wie viele von ihnen aus der ersten Ehe des Grafen Nicolaus I. (mit Elisabeth) entsprungen waren. Am wahrscheinlichsten ist Letzteres, wenn man auf die Namen achtet, von der

Elisabeth , der Gemahlin des Herzogs Otto I. von Stettin († 30/31 Decbr. 1344), wenn die Angabe bei Kosegarten, Pomeran. I, S. 280, daß diese Herzogin Elisabeth eine Tochter des Grafen Nicolaus I. von Schwerin gewesen, sich, wie es scheint, auf Urkunden oder Grabdenkmäler u. s. w.

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stützt. Lisch 1 ) hält dies nicht für "wahrscheinlich, da Nicolaus I. eine Schwester des Herzogs zur Frau hatte und Otto I. ein Schwager war". Indeen möchte diese Bedenken schwinden, wenn Elisabeth nicht die Tochter der Merilava, also Schwestertochter ihres Gemahls war, sondern eine Tochter der ersten Gemahlin des Grafen Nicolaus. - Am 4. August 1320 lag sie schon in der Marienstifts=Kirche zu Stettin begraben 2 ).

2) Wir lassen nun Audacia folgen, die, wenn die Urgroßmutter vielleicht noch ihre Gevatterin gewesen ist (s. § 6), für eine der ältesten Töchter des Grafen Nicolaus I. angesehen werden muß. Wir lernen sie am 5. April 1319 als Nonne im Kloster Zarrentin kennen; am 28. Juni 1328 nennt uns Graf Johann III. von Holstein Audacia, die Schwester seiner Gemahlin Merislava, als Cantrix in demselben Kloster, und am 19. April 1333 hatte sie bereits die Würde einer Aebtissin daselbst. Sie hat ein sehr hohes Alter erreicht; die Aebtissin Audacia regierte das Kloster Zarrentin noch am 20. März 1370.

3) Mechthild sehen wir als die älteste oder die zweite Tochter Merislavens an, da sie den Namen der Mutter Merislavens trägt. Daß sie eine Tochter aus der zweiten Ehe des Grafen Nicolaus war, ersehen wir aus zwei Urkunden vom 28. Januar 1304 und vom 15. August 1306 3 ) über die Schenkung von 8 Hufen zu Daber, welche die verwittwete Herzogin Mechthild von Pommern dem Kloster vor Stettin, und zwar zunächst zum Leibgedinge zweier Nonnen daselbst, ihrer Enkelinnen Mechthild und Beatrix, Töchter der Gräfin Merislava von Schwerin, verlieh.

4) Anastasia (deren Gevatterin Merislavens älteste Schwester, die Fürstin Anastasia von Meklenburg, gewesen sein mag) ward, wie die Annales Lubicenses melden 4 ), im Jahre 1306 die zweite Gemahlin des Herzogs Waldemar IV. von Schleswig (der 1288 eine Tochter des Herzogs Johann von Sachsen als erste Gemahlin heimgeführt hatte) 5 ). Den Namen Anastasia nennen diese Annalen nicht, er ergiebt sich aber aus den Urkunden 6 ) über die zweite Vermählung dieser


1) Jahrb. XV, S. 28.
2) An diesem Tage machte (nach Klempins gefälliger Mittheilung) Herzog Otto dieser Marienstiftung eine Schenkung, weil in dessen Collegiat=Kirche seine Eltern, beiden Brüder und seine Frau Elisabeth begraben seien.
3) M. U.=B. V, Nr. 2907 und 3105, auch Jahrb. XV, S. 201. 202.
4) Pertz. Scr. XVI, p. 420.
5) Detmar z. J. 1288.
6) Schlesw.=Holst.=Lauenb. Urk.=Samml. II, S. 219 flgd.
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Fürstin. Nachdem nämlich Waldemar IV. im Jahre 1312 gestorben war, ging dessen Wittwe Anastasia eine zweite Ehe ein mit dem holsteinischen Grafen Gerhard IV., der bis 1311 Dompropst zu Lübek gewesen war, nach dem Tode seines Vaters, Gerhards II. von Plön († 25. Octbr. 1312), mit seinem Bruder Johann III. die Regierung antrat und später Segeberg empfing. Der Ehevertrag wegen der Anastasia ward am 30. Juli 1313 geschlossen, die Ehe vor dem 21. Octbr. desselben Jahres vollzogen 1 ). Ob Anastasia den Grafen Gerhard, der etwa 1323 starb, überlebt hat, ist uns nicht bekannt.

5) Wegen der Gräfin Beatrix , welche wir schon im Januar 1304 als Nonne im Kloster vor Stettin finden, verweisen wir auf die Bemerkung über ihre Schwester Mechthild.

6) 7) Außer Audacia, der späteren Aebtissin, waren noch zwei Töchter des Grafen Nicolaus I., Kunigunde und Agnes , am 5. April 1319 Nonnen zu Zarrentin.

8) Zuletzt von allen Töchtern des Grafen Nicolaus I. wird uns Merislava genannt. Der Schwager der Gräfin Anastasia, Graf Johann III. von Holstein (=Kiel), welcher seiner ersten, 1319 hingeführten Gemahlin, Katharinens (der Tochter Heinrichs IV. von Glogau, Wittwe des Markgrafen Johann III. von Brandenburg), durch den Tod beraubt war, erwählte sich die Gräfin Merislava zur zweiten Gemahlin. Die Eheverträge wurden zu Lübek am 7. und am 9. August 1327 abgeschlossen, die Hochzeit nach dem 23. August gefeiert 2 ).

Auch Merislava hat, wie ihre Schwester Audacia, ein hohes Alter erreicht; sie lebte noch am 15. März 1368 3 ). Ihr Gemahl war schon 1359 gestorben.

VI.

§ 29. Unsern Abschnitt über die sechste Generation müssen wir wiederum mit einer Polemik gegen Chemnitz eröffnen. Diese betrifft nicht das Haus Wittenburg, sondern die Personen, welche unser Vorgänger für Kinder unsers fünften (seines sechsten) Gunzelin und für die Nachkommen des fabelhaften zweiten Nicolaus ausgiebt.

Von den Kindern, welche Nicolaus II. zugeschrieben werden, scheiden wir zunächst Elisabeth aus, da wir sie


1) Schlesw.=Holst.=Lauenb. Urk.=Samml. II, S. 219 flgd.
2) Das. II, S. 223-225.
3) Daselbst S. 491.
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als eine Tochter des Grafen Nicolaus I. kennen 1 ). Zweitens müssen wir aufs bestimmteste aussprechen, daß Chemnitzens Nicolaus IV. eine und dieselbe Persönlichkeit ist mit unserm Nicolaus II., dem Sohn des Grafen Nicolaus I. Vergebens sucht man in den Regesten, die Chemnitz dem einen von beiden zuschreibt, charakteristische Merkmale oder ein besonderes Regierungsgebiet, um ihn dadurch von dem gleichnamigen Vetter zu unterscheiden. Nur darum sinkt die Schale unsers zweiten Nicolaus seit 1345, weil er wiederholt die Audacia, Aebtissin zu Zarrentin, seine Schwester nennt. Endlich aber läßt Chemnitz die beiden identischen Persönlichkeiten gleichzeitig (1349) sterben.

Aber nachdem Chemnitz einmal irrthümlich zwei Grafen Nicolaus, jeden mit einer Gemahlin Merislava, angenommen hatte, mußte er einen vierten Nicolaus hinstellen. Denn einerseits hatte Nicolaus I. Tochter Audacia einen Bruder Namens Nicolaus; andererseits aber redete Merislava (die Chemnitz für die Rujanerin hielt) in der in § 22 schon berührten Urkunde vom Jahre 1317 von ihren Kindern, und späterhin ward in den Urkunden nie ein anderer Sohn einer Gräfin Merislava genannt, als Nicolaus; folglich, so schloß Chemnitz, mußte dieser Nicolaus ein Sohn seines Nicolaus II., also ein von Audaciens Bruder verschiedener sein.

Eine ebenso schwache Existenz hat Chemnitz den angeblichen Brüdern Heinrich V. und Nicolaus VI., Söhnen unsers fünften Gunzelin, verliehen; es sind nur 3 Urkunden, auf welche er sie stützt. Die erste ist das Schreiben vom 1. Juli 1328, worin der Ritter Otto von Schwerin den Grafen Heinrich, Nicolaus und dem Sohne des weil. Grafen Gunzelin (Hinrico, Nycolao et fili o Guncelini pie memorie) Zehnten zu Bilne aufläßt. Chemnitz muß versehentlich "Hinrico et Nycolao, fili is Guncelini pie memorie", verstanden haben; dann mußte er sie allerdings für Söhne unsers Gunzelin V. ansehen, da seiner irrigen Meinung nach Gunzelin VI. noch bis 1338 lebte. In Wirklichkeit aber war das Schreiben an die Grafen Heinrich III., Nicolaus II. und Otto I. gerichtet.

Zweitens behauptet Chemnitz, "Anno Christi 1330 wird ihrer (Heinrichs V. und Nicolaus VI.) gedacht in dem Vertrage, welchen am Sontag vor Pfingsten Albrecht der ander undt Johans der achte, gebrüeder, Herrn zu Meckelnburg, mit Johansen dem eilfften und Henningen dem dritten,


1) S. oben § 28.
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gebrüedern, Herrn von Werle, zu Schwisow aufgerichtet". Aber in dem Schwisower Vertrage ist nur von "greuen Hinrike von Zwerin, greuen Gherde vnde greuen Johanne von Holsten, greuen Gunzels kindere von Zwerin" die Rede. In "Gunzels Kindern" mußte Chemnitz allerdings Kinder unsers 5. Gunzelin erkennen, da er meinte, Gunzelin von Wittenburg sei 1330 noch am Leben gewesen, wir dagegen sehen in ihnen nur die Kinder des Letzteren.

Endlich hat Chemnitz noch eine Urkunde angeführt, in welcher er auch die Namen der beiden Brüder gefunden haben will. Am Tage Johannis und Pauli (26. Juni) 1330 leisteten die Grafen Johann und Henning von Gützkow den Grafen Heinrich und Nicolaus von Schwerin ("nobilibus comitibus de Szeuryn Hynrico et Nicolao") ein Gelöbniß wegen des Leibgedinges für Mechthild, die Tochter des weil. Grafen Günzel Von Schwerin ("nobili femine Meythildi, quondam filie nobilis comitis Ghunzelyni Suerinensis beate memorie"), mit welcher sich der Graf Henning (Johann IV.) von Gützkow soeben vermählt hatte 1 ). Aber auch in dieser Urkunde werden die beiden Grafen Heinrich und Nicolaus weder als ein Bruderpaar, noch als Brüder der Gräfin Mechthild bezeichnet. Und doch hätten die Grafen von Gützkow gewiß nicht unterlassen das nahe Verwandtschaftsverhältniß auszudrücken, wenn Mechthild die Schwester dieser Grafen gewesen wäre. Wir sehen auch hier wieder nur die Grafen Heinrich III. von Schwerin und Nicolaus II. von Wittenburg, die damaligen Chefs der beiden Häuser, und erklären uns die kühle Ausdrucksweise der Urkunde und den Umstand, daß die Häupter der beiden Häuser die Verwandte vermählten, eben daraus, daß Mechthild nur eine Seitenverwandte beider, eine Tochter des Grafen Gunzelin V., war. Schon an sich würden wir durch den Namen Mechthild zu dieser Entscheidung zwischen Gunzelin V. und Gunzelin VI. veranlaßt werden, da des ersteren Gemahlin Mechthild hieß. Wäre die Gräfin von Gützkow eine Tochter Gunzelins VI. gewesen, so fänden wir in jener Urkunde auch wohl den Namen ihres Bruders Otto I.

Bei Chemnitz finden wir also allerdings keinen Beweis, daß Mechthild Brüder gehabt habe; wir wollen indessen nicht verhehlen, daß ein Siegel existirt, welches doch auf die Vermuthung führen möchte, wenigstens der fünfte Heinrich Chemnitzens müsse in der Stammtafel erhalten werden.


1) Lisch, Behr. Urk. II, S. 124.
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Nämlich das große Siegel des Grafen Heinrich III. ist, wie wir schon oben bemerkten 1 ), rund und zeigt in einem bunt gegitterten Felde das rechthin schreitende Roß, welches den linken Hinterfuß und den aufgehobenen rechten Vorderfuß in den Umschriftenrand hinausstreckt. Die Umschrift ist diese:

Umschrift

Dieses Siegel ist kleiner als Gunzelins V. Siegel, aber im Siegelbilde entspricht es demselben. Ebenso führen die beiden Brüder auch sehr ähnliche Helmsiegel. Auf beiden ist der Helm vorwärts gekehrt, seine gegitterten, oblongen Schirmbretter sind mit Federn besteckt, so daß sie einen offenen Flug bilden. Daß Gunzelins Siegel über dem Helm, zwischen dem Fluge, noch 5 und unter dem Helm noch zwei kleine Rosen zeigt, Heinrichs Siegel dagegen über dem Helm einen kleinen Kreis, das ist natürlich ohne alle Bedeutung.

Gunzelins Helmsiegel 2 ) trägt die Umschrift:

Umschrift

Auf Heinrichs III. Helmsiegel lesen wir vollständig:

Umschrift

Dies letztere Siegel ist uns nur in einem Exemplar, an einer Urkunde aus dem Jahre 1300 3 ), bekannt geworden, während das große Siegel mit dem Roß Heinrich bis zu seinem letzten Lebensjahre 4 ) begleitet.

Diese Siegel haben nichts Auffallendes. Aber es existiren noch 2 Abdrücke von einem kleinen runden Ringsiegel mit Schild und Helm, und mit der Umschrift:

Umschrift

Der rechtsgelehnte Schild ist quergetheilt, das obere Feld glatt, das untere doppelt schraffirt. Der auf die linke Schildecke gestellte, vorwärts schauende Helm hat doppelt schraffirte Schirmbretter mit dem offenen Fluge. Das eine Exemplar hängt an einer Urkunde vom 21. September 1330, in welcher der Graf Heinrich dem Kloster Zarrentin die Bede aus Schönenlo überläßt, das andere an einer Urkunde des Lübeker Archivs, vom 2. März 1333, in welcher der Graf Heinrich behufs Wiedereinlösung des Landes Boizenburg eine Zahlungsanweisung giebt 5 ).


1) S. die Abbildung im M. U.=B. IV B, S. 542, Nr. 93.
2) Abgebildet nach einem Abdruck vom 1. Juni 1306 im M. U.=B. V, zu Nr. 3098.
3) Daselbst IV A, Nr. 2599. Dort ist es auch abgebildet.
4) Das letzte mir bekannte Exemplar hängt an einer Urkunde vom 1. November 1343.
5) S. das Urk.=Buch der Stadt Lübeck II, S. 500.
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Unwillkürlich geräth man beim ersten Anblick dieses Siegels in Zweifel, ob man annehmen soll, daß Heinrich III. neben dem großen Siegel mit dem Pferde ein kleines Ringsiegel mit dem getheilten Schilde geführt habe, oder ob man diesen Grafen als einen vierten Grafen Heinrich zu betrachten hat.

Wir wissen nicht, wodurch sich die Grafen von Schwerin bewogen gefunden haben, die alten Figuren aus ihren Siegeln zu entfernen und dafür den quergetheilten (nach der Abbildung der Fahne aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in der Chronik des Ernst von Kirchberg oben rothen, unten goldenen) Farbenschild einzuführen. Wir nehmen diese Neuerung zuerst in dem großen Siegel der Gräfin Merislava, Gemahlin Nicolaus I., wahr, dann auch in dem Siegel der Gräfin Rixa, Gemahlin Gunzelins VI., während dieser selbst sowie sein Vater die Lindwürmer am Baume beibehielten. Nicolaus II. von Wittenburg schloß sich, wie wir sahen, den beiden Gräfinnen an, und seit 1345 fanden wir sogar ein Siegel von ihm, welches zwei Schilde zeigt, und beide quer getheilt.

Fast noch merkwürdiger als die neuen Schilde sind die Helmzierden auf den schweriner Grafensiegeln. Während Gunzelins V. und Heinrichs III. (sowie Ottos I.) Helme Schirmbretter mit dem offenen Fluge tragen, auch auf den Siegeln der Gräfinnen Merislava (Gemahlin Nicolaus I.) und ihre Enkelinnen, der Gräfin Beate, Gemahlin des Herzogs Albrecht IV. von Sachsen=Lauenburg, und Rixa, der Herzogin von Schleswig, die Helme mit Federn geschmückt sind, fanden wir auf dem Helm Gunzelins VI. und seines Bruders Nicolaus II. jene merkwürdige ausgespannte Decke. Die beiden Linien Schwerin und Wittenburg haben also nicht als solche sich durch verschiedene Helmzierden unterschieden; die Federn finden sich auf den Helmen in Siegeln beider Linien, die andere Helmzier nur auf den Siegeln der beiden wittenburgischen Brüder Gunzelin VI. und Nicolaus II.

Wenn wir dann aber wahrnehmen, daß der Graf Nicolaus II. auf seinem dritten, zuerst im Jahre 1345 vorkommenden Siegel zu seinem eigenen früheren Wappen den zweiten Schild und den mit Federn geschmückten Helm hinzufügt, so bleibt kaum eine andere Erklärung übrig, als daß Nicolaus II. das durch den Tod Heinrichs III. eingetretene Erlöschen der Schweriner Linie und die damit herbeigeführte Wiedervereinigung der seit 1282 unter zwei Häuser getheilten Grafschaft heraldisch darzustellen beabsichtigte.

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Denn, um kurz das Resultat unserer Forschungen auszusprechen, die Urkunden berichten weder von Söhnen Gunzelins V., noch von Kindern Heinrichs III. Seit Gunzelins V. Tod war Heinrich III. der einzige Mann in dem gräflichen Hause Schwerin, und dieses erlosch mit ihm im Jahre 1344. Wahrscheinlich hatte Gunzelin V. aber eine Tochter Mechthild hinterlassen, die uns als Tochter eines Gunzelin bezeichnet wird (und wahrscheinlich die Tochter der gleichnamigen Gemahlin Gunzelins V. war); sie ward 1330 an den Grafen Henning IV. von Gützkow vermählt, der nach einer Urkunde seines älteren Bruders vor dem 18. Juni 1334 verstorben ist. Chemnitzens Nicolaus IV. und Nicolaus VI. sind nur Nebensonnen unsers Grafen Nicolaus II. von Wittenburg.

Das Ringsiegel endlich aus den Jahren 1330 und 1333 gehört unserm Heinrich III.; einen andern Grafen Heinrich von Schwerin hat das 14. Jahrhundert nicht gesehen. Glücklicherweise läßt sich diese letzte Behauptung urkundlich erweisen.

Der Graf Heinrich III. hatte, wie wir in § 27 erörtert haben, von der Gräfin Merislava und ihrem Sohne Nicolaus II. sich am 19. April 1326 Boizenburg und Crivitz (gegen Banzkow und eine Rente) übergeben lassen, und am 30. Mai desselben Jahres hatte ihm die Gräfin Rixa, Gunzelins VI. Gemahlin, dazu auch ihr Leibgedinge Hagenow aufgelassen 1 ). Als darauf im August 1327 Heinrich III. und Nicolaus II. des Letzteren Schwester Merislava an den Grafen Johann III. von Holstein vermählten, verpfändeten sie diesem für den Brautschatz Boizenburg und Hagenow. Johann trat diesen Besitz auch wirklich an, und im nächsten Jahre verpfändete er den Zoll zu Gülz an seine Schwägerin Audacia, Cantrix zu Zarrentin, weiter. Um nun aber dieses Pfand Boizenburg einzulösen, gab der Graf Heinrich III. am 2. März 1333 die Anweisung, an welcher das in Rede stehende Ringsiegel hängt.

§ 30. Von den 5 Grafen, welche Chemnitz in der sechsten Generation aufstellte, haben wir also drei als Täuschungen nachgewiesen, nur zwei bleiben als echt übrig, Nicolaus, den Chemnitz als den V., wir als den III. bezeichnen, und Otto I.

Der Graf Nicolaus III. , "Nycolaus van der gnade Ghodes greue tů Tekeneborch vnde tů Zwerin",


1) Jahrb. XV, S. 204.
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stellte am 11. März 1349 eine Urkunde 1 ) aus, in welcher er den Grafen Otto I. seinen Bruder (vse brůder greue Otto tů Zwerin), einen verstorbenen Grafen Gunzelin seinen Vater (greůe Ghůnzel vse vader), und Nicolaus I. (von Schwerin) seinen Großvater (vse olderuader greue Nycolawes) nennt. Nicolaus III. und Otto waren also Söhne Gunzelins VI. und Enkel des Grafen Nicolaus I. Chemnitz betrachtet Otto als den älteren, Nicolaus III. als den jüngeren Bruder; doch finden sich keine von ihnen gemeinschaftlich gegebenen Urkunden, in denen Otto vor seinem Bruder genannt würde; vielmehr beginnt eine Urkunde vom 1. Octbr. 1356: "Wy Nicolaus vnde Otto bruder van Godes gnaden greuen tů Zwerin vnde t้ Thekenborch", und eine andere vom 6. Octbr. 1356: "Wi her Claus vnde iuncher Otto, bruder, van Codes gnaden greven tu Zwerin vnnde tu Tekenborch". Wir halten daher Nicolaus III., der seinen Namen nach dem Großvater väterlicher Seite führte, für den älteren, Otto, der nach dem Vater seiner Mutter genannt ward, für den jüngeren Sohn Gunzelins VI.

Die Gräfin Richardis von Tecklenburg, Gunzelins VI. Gemahlin, lebte, wie in § 25 berichtet ist, noch im Jahre 1326. Ob sie auch noch den Tod ihres Bruders, des Grafen Otto (VIII.) von Tecklenburg und Dale, der nach Mooyers Forschungen 2 ) 1328 starb, erlebt hat, und damit selbst in die Erbschaft der Grafschaft Tecklenburg eingetreten ist, oder ob sie diese sofort ihrem Sohne Nicolaus III. überlassen hat, ist uns unbekannt. Die Urkunden ergeben aber, daß von den beiden Brüdern Nicolaus III. in der Grafschaft Tecklenburg, Otto I. zu Wittenburg regierte. Nicolaus führt demgemäß auch zunächst kein schwerinsches Siegel, sondern (1338, am 15. Febr.) ein "großes rundes Siegel mit den drei Meerblättern" der Grafen von Tecklenburg 3 ); und ein kleineres rundes Siegel an seiner Urkunde für das Kloster Zarrentin vom 11. März 1349 zeigt in einem gegitterten, in den Gittern mit Sternen verzierten Felde den (rechtsgeneigten) Schild mit 3 Seeblättern und den auf den Schild gestellten, rechtshin schauenden Helm, auf dessen Knopf drei Fähnlein je mit 2 Seeblättern, und davor und dahinter je 3 Pfauenfedern zu sehen sind. Auch die Helmdecke ist mit Seeblättern bestickt. Die Umschrift lautet:

Umschrift

1) Or. im Gr. Geh.= und Haupt=Archiv zu Schwerin.
2) Jahrb. XX, S. 37.
3) S. v. Hodenberg, Hoyer Urk.=Buch, Abth. I, Nr. 88.
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Er führt in der Urkunde vom 15. Febr. 1338 1 ) den Titel: "Nycolaus van dher genadhe Godes en graue tho Thekeneborch". Diese Urkunde giebt zugleich über die Gemahlin des Grafen Nicolaus III. Aufschluß. Er verkauft nämlich an die Grafen Gerhard und Johann von Hoya die Burg und Herrschaft Alten=Bruchhausen mit der Bedingung, daß dem Grafen Otto von Alten=Bruchhausen und dessen Gemahlin Oda der lebenslängliche Genuß der ihnen vorbehaltenen Güter bleibe, und leistet den Käufern Gewähr für sich, seine Frau Leneke und ihre Kinder (vor vs vnde vor vse vrowen Leneken vnde vor vse kindere). Später, am 21. April 1351, verzichteten der Graf Otto von Bruchhausen, Nicolaus, Graf von Tecklenburg und Schwerin, sein Sohn Otto und seine Gemahlin Leneke, des Grafen von Bruchhausen Tochter 2 ), zu Gunsten des Grafen Gerhard von Jülich, Berg und Ravensberg und seiner Gemahlin Margarete auf Ansprüche auf das Amt Spenge.

Hier führt Nicolaus III. also den Titel Graf von Tecklenburg und Schwerin, und ebenso nennt er sich in der schon erwähnten Zarrentiner Urkunde vom 11. März 1349 und in andern, die sich auf schwerinsche Angelegenheiten beziehen.

Erst mit dem Jahre 1349 tritt er in unsern Gesichtskreis, wahrscheinlich kam er damals zur Hochzeit seines Oheims Nicolaus II. nach Meklenburg. Nicolaus (II.), "greue to Zwerin", schloß am 12. März mit seinem "vedderen, greuen Clawese van Thekeneborch", eine ewige Einigung zu gegenseitigem Beistande, nachdem Letzterer am Tage vorher dem Oheim und seinen etwanigen Erben (were dat he erfnamen wůnne) eine Versicherung gegeben, sie in keiner Weise im Besitze ihrer Lande zu incommodiren (beweren); auch ließ die Stadt Wittenburg sich am 31. März von Nicolaus III. (comes in Tekeneborch et Zwerin) das Lübische Recht und ihre sonstigen Privilegien bestätigen.

Da nun noch in demselben Jahre Nicolaus II. starb, und keinen Sohn hinterließ, konnte Nicolaus III. bestimmter erwarten, daß die Grafschaft an sein Haus fiele, weil sein Bruder Otto I., der sie nun allein regierte, zwei Töchter,


1) Hodenbergs Hoyer Urk.=Buch I, Nr. 88.
2) Wy juncher Otto, greve to Brochusen, Nycolaus greve to Thekeneborgh un[de] to Zwerin, Otto unse sone, un[de] Lenecke unse echte vrouwe, dochter des greven von Oldenbrochusen vorenomet - -. Ebendaselbst VIII, Nr. 162.
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aber keine Söhne hatte. Als er im October 1356 nach Schwerin kam - vermuthlich, weil man Ottos Ende herannahen sah -, führte er auch schon ein anderes Siegel, als 1349. Es ist rund, von mittlerer Größe. Der Schild ist quadrirt, im ersten und 4. Felde sieht man je drei Meerblätter, das 2. und das 3. Feld sind quergetheilt, oben glatt, unten schraffirt. Den Schild umgeben acht gothische Bogen ("cymboria", wie sie ein Zeitgenosse nennt); leider lassen sich die Figuren in diesen nur noch zum Theil erkennen (in zweien ein Löwe, in einem ein Brustbild). Dem Schilde entspricht die Umschrift:

Umschrift

Noch in demselben Monate, vor dem 27. October 1356 1 ) starb Otto I., und Nicolaus III. und dessen Sohn Otto II. ergriffen Besitz von der Grafschaft Schwerin. Bald jedoch erhob sich der Successionsstreit zwischen ihnen und dem Herzog Albrecht II. von Meklenburg, der damit endete, daß jene ihre Anrechte auf die Grafschaft Schwerin an die Herzoge von Meklenburg zu Plüschow am 7. December 1358 verkauften 2 ). Der Titel der Grafen von Schwerin ging damit auf die Herzoge von Meklenburg über; den Grafen von Tecklenburg dagegen ward die Eventualsuccession zugesichert - und die Fortführung des Wappens gestattet. (Vortmer so moghen de vorbenomeden greuen bruken der wapene der greueschop van Zwerin na alse vore.) Von dieser Erlaubniß hat noch Otto II., aber nicht mehr Nicolaus III. Gebrauch gemacht. An einer Recognition des Kaufbriefes vom 7. Dec. 1358 hängt ein Siegel, welches Graf Nicolaus seinen Abgeordneten anvertrauete; dieses zeigt keine Erinnerung an die Grafschaft Schwerin, sondern nur den rechtsgelehnten Tecklenburger Schild mit 3 Seeblättern, darüber den Stülphelm mit einer Lilienkrone, aus welcher sich 2 hohe Reiherfedern mit einem zwischen ihnen hangenden Seeblatt erheben. Die Umschrift beginnt mit Umschrift .

Im März 1359 wiesen die Grafen von Tecklenburg die Städte und Lande der Grafschaft Schwerin an die Herzoge von Meklenburg, die Zahlungsangelegenheit aber zog sich noch ins Jahr 1360 hinein. Am 4. October 1360 wird Nicolaus III. in unsern Urkunden zuletzt als lebend genannt 3 ); nach Mooyer starb er noch in demselben Jahre.


1) S. § 31.
2) Jahrb. XXIV, S. 199 flgd.
3) S. die Aufzählung der Urkunden im Jahrb. XXIV, S. 205.
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§ 31. Otto I. , dem seine Zeitgenossen (nach Chemnitzens Meinung "wegen seiner sonderbahren Schönheit, damit Gott der Herr ihn begabet hatte") den Beinamen Rose gaben 1 ), regierte zunächst in dem von dem Vater, Gunzelin VI., auf ihn vererbten Lande Wittenburg, nach dem Tode seines Vetters Heinrich III. scheint er aber in dessen Antheil der Grafschaft eingetreten zu sein und Wittenburg seinem Oheim Nicolaus III. überlassen zu haben. Hernach erbte er dessen Antheil an der Grafschaft, soweit nicht Herzog Albrecht von Meklenburg ihm diesen streitig machte. In der ersten Urkunde, welche uns seinen Namen nennt, dem Landfrieden vom Febr. 1328, heißt ihn sein Vetter Heinrich III. junchern Otten (im Eingang steht: Clawes unde Otto greuen van Wittenborch), iu einem Privilegium seines Vetters Heinrich III. für Neustadt von 1333 führt er den Titel domicellus, und noch am 6. October 1356 lesen wir: "Wi her Claus vnde iuncher Otto, bruder, van Codes gnaden greuen tu Zwerin vnde tu Tekenborch"; sonst ist, wo er allein Urkunden ausstellt, sein Titel: "Otto dei gracia comes Zwerinensis", "Otte, van der gnade Godes greue to Zwerin", und diesem entsprechen auch seine Siegel.

Das zuerst vorkommende Siegel ist rund; auf dem rechtsgelehnten Schild, welcher quergetheilt, im oberen Felde glatt, im unteren schraffirt, und mit einem stehenden Kleeblattkreuz belegt ist, steht der Helm, vorwärts schauend, mit den gegitterten Schirmbrettern, welche flugartig mit Federn besteckt sind. Zwischen Perlenschnüren steht die Umschrift:

Umschrift

Dieses Siegel hat sich an Zarrentiner Urkunden vom 22. Febr. 1344, vom 16. Januar 1345 und vom 3. Septbr. 1355, sowie an einer andern Urkunde vom 12. März 1350 erhalten.

An Urkunden vom 30. April und vom 3. Mai 1356, welche Von "Otto dei gracia comes Zwerinensis" gegeben sind, hängt aber ein anderes Siegel. Im runden Felde sieht man den linksgelehnten, getheilten, oben glatten, unten schraffirten Schild (ohne Helm). Die Umschrift lautet:


1) Detmar 1353: In deme sulven iare, also greve Otto was ghevanghen van Swerin, - - hertoghe Albert kofte mit gude unde mit ghelde den guden greven Otten to sik - - 1354: In dem iare Cristi MCCCLIIII. do wart los van der venknisse greve Otto, den se ok heten greve Rose, unde vry ghelaten, unde levede leyder nicht langhe. Darna dat land unvermynnert vil uppe den van Tekeneborch, wente he was greve Rosen broder.
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Umschrift

Endlich treffen wir an der Urkunde vom 6. Oct. 1356 mit dem Eingange: "Wi her Claus vnde iuncher Otto, bruder, van Godes gnaden greuen tu Zwerin vnde tu Tekenborch, vnde wi ver Meckhilt, van der suluen gnaden greuinne tu Zwerin", worin diese drei den Pfarrer Ulrich Labus und Christian Bozel zu Vögten über ihre (ihnen verpfändeten) Lande Schwerin, Neustadt, Marnitz, Stavenow und halb Lenzen bestellen, ein großes rundes Siegel mit einem rechtshin schreitenden Rosse ohne Sattel und Zaum im gegitterten Felde, und mit der Umschrift:

Umschrift

Nächst dieser Urkunde giebt es nur noch eine, welche wir sicher Otto I. zuschreiben dürfen; Nicolaus vnde Otto, bruder, van Godes gnaden greuen tů Zwerin vnde tů Thekenborch, stellten sie am 9. Oct. 1356 für die Gräfin Audacia, Aebtissin zu Zarrentin, aus.

Chemnitz legt freilich Otto I. noch eine Urkunde vom 27. October 1356 1 ) bei, in der "Otto dei gracia comes Zwerinensis et Thekenenburgensis" den kleinen See bei der Döbe verpfändet, und ebenso 2 Urkunden vom 13. Januar 1357, in welchen derselbe "Otto dei gracia comes Zwerinensis et Thekeneburgensis" die Bede aus etlichen Dörfern im Lande Schwerin verpfändet 2 ); und unser Vorgänger kommt dadurch zu dem Schlusse, daß Otto I. erst nach dem 13. Januar 1357 gestorben sei.

Doch ist das gewiß ein Irrthum. Schon der Titel des Grafen hätte Chemnitz bewegen müssen, denselben für Otto II., den Sohn des Grafen Nicolaus III. von Schwerin und Tecklenburg, zu nehmen, noch mehr aber das Siegel, welches an diesen Urkunden hängt. Es ist ziemlich klein, rund. Der rechtsgelehnte Schild (ohne Helm) ist quadrirt, im 1. und 4. Felde stehen 3 Seeblätter, das 2. und das 3. Feld sind quergetheilt, oben glatt, unten schraffirt. Die Umschrift lautet:

Umschrift

Dieses Siegel ist also ganz verschieden von den Siegeln Ottos I., dagegen gleicht der Schild ganz demjenigen auf dem ein wenig kleineren Siegel Ottos II. vom 27. März 1359 mit der Umschrift:


1) Jahrb. V, S. 261.
2) Eine ist gedruckt im Jahrb. XX, S. 268.
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Umschrift

Man sieht, daß Otto II., als er das letzte Siegel anfertigen ließ, von der in dem Kaufbriefe vom 7. Dec. 1358 ihm gebliebenen Befugniß Gebrauch machte und das schwerinsche Wappen beibehielt "na alse vore", dagegen den Titel eines Grafen von Schwerin nicht mehr in die Umschrift aufnahm.

Die Urkunde vom 27. Octbr. 1356 ist also von Otto II. ausgestellt; und daß er damals schon über Güter der Grafschaft Schwerin verfügen konnte, ist ein Beweis, daß sein Oheim Otto I. zwischen dem 9. und dem 27. October verstorben war.

Richtig giebt Chemnitz den Namen der Gemahlin Ottos I. an. Die Stammtafel zur Genealogie des meklenburgischen Fürstenhauses aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts, welche in das Parchimsche Stadtbuch eingeheftet ist 1 ), nennt als Töchter des Fürsten Johann III. von Werle=Goldberg (de Růden): 1. "comitissa Zwerinensis, 2. Rixa priorissa et sanctimonialis in Dobertin". Die erstere von beiden ist die "ver Meckhilt, greuinne to Zwerin", Ottos I. Gemahlin, welche die schon erwähnte Urkunde vom 6. Octbr. 1356 mit ausstellte. Ihre Mutter war Mechthild, die Tochter Herzog Ottos I. von Stettin und der Elisabeth, Tochter des Grafen Nicolaus I. von Schwerin. Darum, weil die Gräfin Mechthild seine Schwestertochter war, nahm sich ihrer Herzog Ottos Sohn, Barnim III. an und klagte beim Kaiser, daß der Herzog Albrecht von Meklenburg sie während des Successionsstreites gefangen genommen hatte (quod Magnopolensis detinuit comitissam Zwerinensem captiuam) 2 ). Auf sie bezieht sich in Herzog Albrechts II. von Meklenburg und seines Sohnes Heinrich Kaufbrief über die Grafschaft Schwerin vom 7. December 1358 der Paragraph: "Vortmer vmme vnsse modderen vor Mechtelt, greuinne van Zweryn, wo se in erem lifghedinghe sitten schal vnd wi weder mid er daran sitten scholen, also dat de greue van den Ridberghe secht, - dar schal id bi bliuen". Albrecht nennt Mechthild seine "moddere", weil seine Großmutter Anastasia und ihr Großvater Otto Stiefgeschwister waren. - Mechthild lebte vielleicht noch 1361 3 ).


1) Jahrb. XI. zu S. 26.
2) Daselbst XVII, S. 114.
3) Albrecht, Hz. v. Meklenburg, gestattete in einer undatirten, aber in einem Register v. J. 1361 (unter damals ausgestellten) verzeichneten Urkunde seinem Capellan Ulrich Labus Güter zu Brenz und Dütschow, welche derselbe (  ...  )
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§ 32. Von zwei Schwestern der Grafen Nicolaus III. und Otto I. hat die eine der weil. Dr. Duve, die andere der Archivrath Masch entdeckt 1 ).

1. " Beata dei gracia ducissa Saxonie, Angarie et Westphalie, uxor illustris principis Alberti ducis Saxonie", hing an eine Urkunde ihres Gemahls, Herzog Albrechts IV. von Sachsen=Lauenburg, d. d. Mölln 14. August 1336 2 ), ihr kleines rundes Siegel mit der Umschrift:

Umschrift

Die Herzogin, welche, das Haupt mit einem Schleier bedeckt, auf einem Sessel thront, hält mit der Rechten über den sächsischen Schild den sächsischen Helm, mit der Linken über einen quergetheilten Schild den Helm mit dem offenen Fluge.

Die Fürstin Beata war also eine Gräfin von Schwerin. Sie starb vor dem 3. Septbr. 1340; denn an diesem Tage gedenkt ihrer ihr Gemahl als "Beate quondam uxoris nostre" 3 ), und macht eine Stiftung zu ihrem Seelenheil.

2) Die Gemahlin des Herzogs Waldemar V. von Südjütland († 1364), " Ricardæ , dei grcia ducissa Sleswicensis", hält in ihrem Siegel an einer Urkunde vom 19. Juni 1358 4 ) mit der Rechten den schleswigschen Helm über den schleswigschen Schild, in der Linken aber den Helm mit 2 Flügeln über den getheilten, im oberen Felde schraffirten Schild. Auf einem andern Siegel, an einer Urkunde vom 1. Januar 1373 5 ), hält die Figur der "vrowe Rixe hertoginne to Sleswich", wie sie im Text heißt, in der rechten Hand den schleswigschen Schild (mit 2 Löwen), in der linken den getheilten, oben schraffirten Schild der Grafen von Schwerin. Diese Herzogin Rixa von Schleswig war sicher eine Schwester des Grafen Nicolaus III. von Schwerin und Tecklenburg; denn dessen Sohn Otto II. (Otte van Godes gnaden greve to Thekenenborgh) nennt am 6. Mai 1386 6 ): "unses vaders zuster vor Rychardis hertoghynne to Sleswyk, den beyden God gnedich sy", und giebt seinem "leven ome deme olderen hertoghen Erike to Sassen", Vollmacht, seine Erbansprüche zu verfolgen.


(  ...  ) "a nobil[i] domina dilecta nobis matertera Mechthilde relicta Ottonis comitis Zwerinensis" gekauft hatte, zu einer Vicarei zu verwenden.
1) Jahrb. I, B, S. 42; XV, S. 38.
2) Schlesw.=Holst.=Lauenb. U.=S. II, S. 95.
3) Jahrb. XV, S. 205.
4) Schlesw.=Holst.=Lauenb. U.=S. II, S. 235; das Siegel beschreibt Masch a. a. O., S. 40.
5) Daselbst S. 288.
6) Daselbst S. 351.
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Der Herzog Erich III. von Sachsen=Lauenburg beurkundet aber seinerseits am 18. Octbr. 1393 1 ), daß er Verzicht leiste auf "alle unze rechticheit, de uns, unzen erven und unzeme oeme greven Otten van Tekkeborch und sinen erven anestorven was -- van unzer medderen wegen, vrowen Rixen hertoginnen thu Sleswyk saleger dechtnisse". Daraus nun, daß Erich III., der Sohn der Beata, die Herzogin Rixa seine meddere, und deren Brudersohn, Grafen Otto von Tecklenburg, seinen Ohm nennt, zieht Masch den Schluß, Beate sei eine Schwester der Herzogin Rixa gewesen. Auch wir halten diesen Schluß darum für sehr wahrscheinlich, weil auch Erich Erbansprüche machte; der Titel "meddere" aber bedeutet, wie wir soeben (§ 31) sahen, nicht bloß "Mutter=Schwester", sondern würde allenfalls auch für eine Tochter Gunzelins V. oder Heinrichs III. noch statthaft gewesen sein.

VII.

§ 33. Graf Nicolaus III. von Schwerin und Tecklenburg erwähnt, wie in § 30 angegeben ist, am 15. Februar 1338 seine Kinder (vse kindere). Von diesen kommt in der Grafschaft Schwerin nur der Junker Otto II. vor. Im Jahre 1351, am 21. April (§ 30), siegelte der Graf Nicolaus mit seinem Schwiegervater und mit seiner eigenen Gemahlin "vor vns un[de] vor juncher Otten van Thekeneborch, unsen sone vorenomet, wente he nyn yngezegel ne hadde". Damals war Otto also wohl noch sehr jung. Nachdem aber sein Oheim Otto I. im October 1356 verstorben war, vollzog er als Graf Otto von Schwerin und Tecklenburg, wie wir oben (§ 31) gesehen haben, Regierungshandlungen in der Grafschaft Schwerin, und in Gemeinschaft mit seinem Vater (de edelen lůde Claws vnd Otte, sin sone, greuen to Tekeneborch) verkaufte er am 7. Decbr. 1358 seine Ansprüche auf die Grafschaft Schwerin. Daß er seitdem vertragsmäßig das Wappen der Grafen von Schwerin mit dem tecklenburgischen, aber nicht mehr den Titel eines Grafen von Schwerin führte, ist schon in § 31 bemerkt.

Wie wir in § 32 sahen, lebte er noch am 6. Mai 1386; nach Mooyer ist er 1388 gestorben. Der Grafschaft Schwerin mochte er wohl längst nicht mehr Acht haben; am 27. April 1386 führte er nur noch "3 Meerblätter im rechtsgelehnten Herzschilde" 2 ).


1) Schlesw.=Holst.=Lauenb. Urk.=Samml. II, S. 372.
2) v. Hodenberg, Hoyer Urk.=Buch VIII, Nr. 186.
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Die Gemahlin Ottos II., Adelheid 1 ) (Burggräfin von Stromberg? oder eine Edle von der Lippe?) kommt ebenso wenig als seine muthmaßliche Schwester Hedwig, Gemahlin Ottos von Bronkhorst, in Bezug auf die Grafschaft Schwerin in Betracht.

§ 34. Graf Otto I. hatte, wie die Doberaner Fürstengenealogie (um 1370) berichtet, keinen Sohn, aber zwei Töchter 2 ); und die ein wenig jüngere Parchimsche Genealogie nennt von diesen beiden die eine Rixa, Gemahlin Albrechts, des neuen Königs von Schweden.

Chemnitz hat die zweite Tochter Ottos I., deren Namen wir bisher nicht ermittelt haben, gar nicht erwähnt; und doch betrifft sie ein Paragraph des Kaufbriefes über die Grafschaft Schwerin vom 7. Decbr. 1358: "Vortmer so schole wi (Herzog Albrecht und sein Sohn Heinrich) de vorbenomeden greuinnen (Mechthild, Wittwe Ottos I.) dochter gheuen ses hundert mark Brandeborghes sůluers vruntliken to willen to ereme berade, wan des tit is" 3 ). Diese junge Gräfin war also damals noch nicht vermählt; ob sie späterhin einen Gemahl gefunden oder den Nonnenschleier genommen hat, ist uns zur Zeit unbekannt.

Die Gräfin Rixa ward am 12. October 1352 an den jungen Herzog Albrecht (III.) von Meklenburg, der damals etwa 13 Jahre zählen mochte, verlobt. An diesem Tage bezeugte ihr Vater zu Wismar: "Wi Otte van der gnade Godes greue to Zwerin - hebben gegheuen vse dochter iunckvrouwen Richkarden sime (Herzog Albrechts II.) sone iuncheren Alberto to eneme wiue", und verpfändete Stadt und Land Boizenburg für ihren Brautschatz. Am 13. Oct. aber verschrieb Herzog Albrecht (II.) das Leibgedinge "iuncwrowen Richarden, greue Otten dochter van Zwerin, vses sones wiue, iunchern Albertes". Wann die Vermählung Statt gefunden hat, ist nicht bekannt.

Richardis hat noch die Erhebung ihres Gemahls auf den schwedischen Thron erlebt und mit ihm die königliche Krone getragen; seinen Sturz hat sie wohl nicht mehr getheilt. Sie lebte jedoch noch am 23. April 1377 4 ).


1) Mooyer im Jahrb. XV, S. 37.
2) Jahrb. XI, S. 20: Ottonis comitis in Zwerin, qui non habuit filium, sed duas filias. Die Parch. Gen. (S. 21): sed tantum duas filias, Rixam uxorem Alberti, noui regis Swecie.
3) Daselbst XXIV, S. 202.
4) Am St. Georgentage 1377 stellte sie zu Stockholm eine Urkunde für eine bewährte Dienerin, Ingierd, Jon's Tochter, aus, s. Dalius Gesch. (  ...  )
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Erst im Jahre 1396 vermählte sich Albrecht III. aufs neue mit Agnes, der Tochter des Herzogs Magnus II. von Braunschweig, die ihn († 1412) lange überlebt hat.

 


Die Resultate unserer ganzen Erörterung fassen wir in Tafel B. kurz zusammen, schließen aber alle Angaben, welche nicht auf directen urkundlichen Nachrichten beruhen, in eckige Klammern ein.

 



(  ...  ) des Reiches Schweden, übersetzt von Dähnert, II, S. 420, Note g. Dalin ist über die Herkunft der Richardis nicht sicher unterrichtet; ihre Vermählung setzt er ins Jahr 1365, ihren Tod nach Messen. 3, p. 28 und Annal. p. 205) in den Ausgang des Aprilmonats 1377 (S. 436), König Albrechts Wiedervermählung (nach Messen. 3, p. 28; 15, p. 65) ins Jahr 1378. Nach Chemnitz soll Richardis 1380 gestorben sein und ihr Grab bei den Dominikanern zu Stockholm gefunden haben. Seine Quelle für diese Angaben nennt er nicht. Doch Nic. Maresch. Thur. (Westphalen, Mon. I, p. 307) berichtet von ihr: "Mox (ohne Jahr!) Ingeburgis in Scandinavia obiit in urbe Stocholmo tumulata in aede divi Dominici".
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Stammtafel der Grafen von Schwerin (S.138)
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Stammtafel der Grafen von Schwerin (S.139)
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Stammtafel

 

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IV.

Ueber

das Wappen und die Siegel der

Grafen vom Schwerin,

von

Dr. W. G. Beyer , Archivrath.


M erkwürdiger Weise war das viel besprochene älteste Siegel der Grafen von Schwerin trotz aller ältern und neuern Zeichnungen desselben bisher noch niemals vollständig und in allen seinen Theilen genau und richtig beschrieben, und noch weniger hat man die allmähligen Veränderungen in der Zeichnung gehörig beachtet. Ein Baum mit zwei Lindwürmern, oder zwei Lindwürmer an einem Baume: das war in der Regel alles! Diese Beschreibung scheint aber in doppelter Beziehung irrig und ungenau zu sein.

Was zunächst den sogenannten Baum betrifft, in welchem man das freilich nirgends nachgewiesene, alte Stammwappen der Edlen v. Hagen zu erkennen glaubt, so fehlt derselbe in den beiden ältesten Siegeln der Grafen Gunzelin II. (1195-1220) und Heinrich I. (1174-1228), an einer Urkunde vom Jahre 1217, ganz. (Vgl. die Abbildungen im M. U.=B. I, Nr. 231, S. 218, und oben S. 102.) Statt dessen zeigt das erstere, runde Siegel ungefähr in der Mitte der beiden Lindwürmer eine deutliche heraldische Lilie und am untern Rande des Siegels zwischen den Schwänzen derselben eine dreieckige Figur mit einer Senkung in der obern Seite, woraus ein kurzer Stiel hervor=

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wächst, das zweite, schildförmige Siegel aber nur eine Lilie zwischen den geöffneten Rachen der beiden Thiere. Jene dreieckige Figur am untern Schildrande halte ich mit Rücksicht auf die spätre Ausbildung der Zeichnung für ein gespaltenes Herz. - Auf einem jüngern, gleichfalls schildförmigen Siegel eben dieses Grafen Heinrich vom Jahre 1224 (vgl. die Abbildung im M. U.=B. I, Nr. 305, S. 293) ist diese Zeichnung schon bedeutend modificirt, ihr Grundcharacter aber unverändert. Der in den Siegeln Gunzelins von 1217 durch den kurzen Stiel nur angedeutete Zusammenhang der herzförmigen Figur am untern Siegelrande mit der Lilie ist hier vollständig entwickelt, indem aus dem jetzt schon deutlicher zu erkennenden Herzen mitten zwischen den beiden Lindwürmern ein hoher, den ganzen Schild spaltender baumartiger Stamm hervorwächst, welcher oben mit drei Lilien gekrönt ist, unter welchem sich auf jeder Seite noch ein Ast mit je zwei Lilien abzweigt, weiter hinunter aber noch 2 Mal je zwei Blüthen hervorbrechen. Daß wir hier keinen Baum, sondern eine Lilienstaude vor uns haben, geht unzweifelhaft theils aus der einfachem Form in den ältern Siegeln, theils aus der Vergleichung mit den durchaus ähnlichen Zeichnungen der Lilie der heiligen Jungfrau hervor. So hält z. B. in dem Siegel des Propstes Arnold zu Dobbertin vom Jahre 1302 das Christkind und in dem Siegel des Bischofs Hermann von Schwerin von 1315 die Jungfrau eine dreifache, aus dem gespaltenen Herzen hervorwachsende Lilie auf hohem Stengel, welche der Krone unsers sogenannten Baumes vollkommen gleich ist. Die ganze Zeichnung aber erinnert zugleich an den " Lilienbusch", welchen die niedersächsische Kaufmannsinnung zu Wisby auf Gothland schon im Anfange des 12. Jahrhunderts in ihrem Siegel führte. - Ganz eben so sind endlich die 3 ältesten schildförmigen Siegel des Grafen Gunzelin III. (1228 bis 1274) an Urkunden aus den Jahren 1227, 1248 und 1252 gezeichnet (vgl. Abbildungen im M. U.=B. I, S. 331, 581, und II, S. 28), nur daß auf den beiden letztern unmittelbar aus dem hier vollkommen deutlich gezeichneten Herzen neben dem Stamme noch zwei Lilien hervorsprossen. - Dagegen führte eben dieser Graf an einer Urkunde aus demselben Jahre 1252 ein neueres Schildsiegel, auf welchem diese Mittelzeichnung abermals sehr wesentlich verändert ist (vgl. Abbildung im M. U.=B. I, Nr. 704, S. 29). Statt des Herzens sieht man hier eine dreigetheilte Wurzel und statt der Lilien auf hohem, glattem Stamme

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eine rankenartig verschlungene Baumkrone mit zahlreichen sternförmigen Blüthen. Ganz ähnlich sind dann die Siegel der Grafen Helmold III. (1251-1296) von 1270 (vgl. Abbildung im M. U.=B. II, Nr. 1185, S. 378, Nr. 2) und seines Bruder Nicolaus I. (1282-1313) von 1279 und 1289 (vgl. Abbildung im M. U.=B. II, Nr. 1492, S. 605). Der Grund dieser Abweichung ist allerdings schwer zu errathen, doch liegt ihr wahrscheinlich nur ein Mißverständniß des Stempelschneiders zum Grunde, dem ein schlechter unklarer Abdruck als Muster vorliegen mochte, oder aus andern Gründen der Sinn und die Bedeutung der Darstellung entging. Dafür scheint namentlich zu sprechen, daß in diesen neuern Siegeln auch die Spitze des Schwanzes der Lindwürmer, welcher in den vorhergehenden in einer Lilie auslief, jetzt gleichfalls als eine dreigetheilte Wurzel erscheint, genau wie die des Baumes.

Eben so unrichtig, als die Auffassung der Zeichnung des Emblems zwischen den beiden Lindwürmern, ist es aber, wenn man diese selbst als an dem sogenannten Baume sitzend darstellt. Sie sind vielmehr mit den Krallen und dem ganzen Körper von der zwischen ihnen stehenden Lilie abgewendet, sichtlich in fliehender Stellung gezeichnet, indem sie nur den Kopf mit dem offenen Rachen zornig rückwärts wenden. Und diese Stellung ist gewiß nicht zufällig, da sie auf allen vorhandenen Siegeln vollkommen übereinstimmt.

Nach dieser Erläuterung der Zeichnung scheint es mir nun nicht zweifelhaft, daß wir es hier mit einer christlichen Symbolik zu thun haben, wie sie uns in der Kunst des Mittelalters so häufig begegnet. Aber auch die Deutung des ganzen Bildes liegt so nahe, daß man nicht fehlgreifen kann. Wir wissen, daß die Lilie das Symbol der christlichen Reinheit und des aus dem Blute seines Stifters erwachsenen Christenthums selbst ist, der Lindwurm oder der Drache aber ist während des ganzen Mittelalters bei Dichtern, in christlichen Legenden und Bauornamenten vorzugsweise das Symbol des Heidenthums. Unser Siegelbild stellt also den siegenden, mitten in das fliehende Heidenthum gepflanzten christlichen Glauben, oder die nach Besiegung der Heiden in den eroberten wendischen Ländern gegründete christliche Kirche vor. Eine ganz ähnliche Symbolik findet sich häufig, ist aber gewiß nirgends passender, als auf dem Siegel der Grafen von Schwerin, der ersten Gründer des neuen christlichen Staates im Wendenlande. Ich zweifle daher auch nicht, daß die Ge=

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brüder Gunzel II. und Heinrich I. dies Siegel schon von ihrem Vater, Gunzel I., dessen Siegel sich nicht erhalten hat, entlehnt haben werden, jedenfalls aber wird man dasselbe bei den Vorfahren der Grafen in ihrer sächsischen Heimath, den Edlen v. Hagen und deren Sippe, vergebens suchen.

Ist nun das Drachensiegel gleichsam ein Denkmal, welches die Gründer der neuen Ordnung der Dinge in dem Slavenlande, der "nova plantatio", wie es in den Urkunden heißt, sich selber setzten, so erinnert das Roßsiegel lebhaft an die alte sächsische Heimath der Grafen. Das Roß war bekanntlich das Schildzeichen der alten sächsischen Herzoge, welches noch heute in dem Lüneburger Wappen seinen Platz hat, und von der Sage auf Wittekind, dem Stammvater des Geschlechtes, zurückgeführt wird. Da nun außer den Herzogen auch fast alle sächsische Dynastengeschlechter ihre Abstammung von Wittekind abzuleiten suchten, so ist es mindestens nicht unwahrscheinlich, daß unsre Grafen durch Annahme des Roßsiegels im Gegensatze zu ihrer gegenwärtigen Stellung im Slavenlande auf jene edle Herkunft hinzuweisen und die Erinnerung daran zu erneuern wünschten. Es ist dies um so wahrscheinlicher, als auch das im Lüneburgischen angesessene gräflich Schwerinsche Vasallengeschlecht der v. Schwerin und v. Grote ein Roß im Wappen führte, was ungeachtet des Zaumes ohne Zweifel mit dem gräflichen Wappen zusammenhängt, mag man nun diese Uebereinstimmung durch das erwähnte Lehnsverhältniß oder durch eine ursprüngliche Stammverwandtschaft erklären 1 ). Die ritterliche Familie v. Schwerin tritt übrigens schon im Anfange des 13. Jahrh. unter diesem Namen in der Umgebung der Grafen auf, und wenn auch ihr Siegel erst später vorkommt, so ist doch kein Grund zu der Annahme vorhanden, daß sie ihr ursprüngliches Schildzeichen später geändert hätte, woraus dann zugleich folgt, daß das Roß schon in früherer Zeit das Emblem der Grafen oder vielleicht schon ihrer Vorjahren, der Edlen v. Hagen, war, wenngleich Graf Helmold III. (1251-95), so viel wir wissen, der Erste war, der dasselbe um 1270 in sein Siegel aufnahm (vgl. Abbildung im M. U.=B. II, Nr. 1201, S. 393). Die persönliche Stellung Helmolds macht es auch sehr wohl begreiflich, weshalb er sich grade in dieser Zeit, kurz vor dem Tode seines Vaters Gunzel III.,


1) Die v. Grote behaupteten früher, aus hohem Adel zu stammen, wie die v. Hodenberg und andere, welche diesen Stand später vermuthlich durch Mißheirath verloren.
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(† 1274) zu diesem Wechsel seines Siegels entschloß, während sein jüngerer Bruder Nicolaus das Drachensiegel beibehielt. Aus dem Eingange zu der gräflichen Lehnrolle über die Besitzungen jenseit der Elbe geht nämlich hervor, daß Helmold nach dem Tode seines Vaters in diesem Gebiete als alleiniger Nachfolger desselben die Regierung antrat und die sämmtlichen Lehne bestätigte, woraus man schließen darf, daß die erst später vollständig durchgeführte Landestheilung der Brüder schon von dem Vater angeordnet sei, und diese Vermuthung wird denn auch durch den Vergleich Helmolds mit dem zweiten Bruder Gunzel IV. vom 2. August 1276 vollkommen bestätigt, indem Letzterer, welcher inzwischen den geistlichen Stand erwählt hatte, nunmehr wegen seines Antheils an der Erbschaft, den der Vater ihm ausgesetzt hatte (quam sibi quondam pater assignaverat), durch Ueberweisung des Landes Doberen in Pommern abgefunden ward 1 ). Helmold scheint also das neue Siegel als Inhaber der überelbischen Besitzungen der Familie angenommen zu haben.

Aehnliche Verhältnisse dürften dann später auch die Veranlassung zur Annahme des dritten Siegels mit dem getheilten Schilde geworden sein. In den letzten Lebensjahren Helmolds († 1295) scheint nämlich zwischen ihm und seinem Bruder Nicolaus ein neues Abkommen wegen der überelbischen Besitzungen getroffen zu sein. Vom Jahre 1294 an tritt nämlich Nicolaus als Mitregent Helmolds in dieser Gegend auf 2 ), während beide Brüder in der diesseitigen Grafschaft nach wie vor getrennt regierten 3 ), und jene Gemeinschaft dauerte auch nach Helmolds Tod zwischen seinen Söhnen und ihrem Oheim Nicolaus fort. Nicolaus selbst behielt nun zwar gleichwohl das alte Siegel mit den Lindwürmern bei, während das Roßsiegel auf die Söhne


1) Bisher war man der Ansicht, daß Helmold bei der Erbtheilung das Land Boizenburg erhalten habe, weshalb ich seine Stellung über der Elbe aus der Nachbarschaft beider Besitzungen erklärte. Dies war freilich ein Irrthum, wie aus den neuesten gründlichen und vollständig überzeugenden Forschungen Wigger's hervorgeht. Die Wahrheit ist aber meiner Vermuthung auch bei weitem günstiger, als der Irrthum. Durch eine Teilung, in welcher Helmold, als ältester Sohn, das Land Schwerin mit den zerstreuten Besitzungen jenseit der Elde in Neustadt (Brenz) und Marnitz erhielt, Nicolaus aber Boizenburg, Wittenburg mit Hagenow und Vantzkow und Crivitz mit Zellesen, würde jener offenbar so bedeutend verletzt sein, daß er seine Entschädigung nur jenseit der Elbe gefunden haben kann.
2) M. U.=B. Nr. 2276, 2284, 2286 und 2346.
3) M. U.=B. Nr. 2352 (Helmolds letzte Urkunde vom 28. August 1295) und Nr. 2275 und 2380 (Urkunden des Nicolaus von 1294 und 96).
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des Helmold vererbte, aber nach dem Tode des Nicolaus 1323, oder nach Wigger's Mittheilung schon früher, nahm dessen Gemahlin Merislava den getheilten Schild an, den denn auch ihr Sohn Nicolaus III. beibehielt 1 ). Ich glaube daher in diesem neuen Siegel eine Hindeutung auf die beiden Landestheile dies= und jenseit der Elbe zu erkennen, also eine Vereinigung beider älterer Siegel, wobei man die Wappenbilder wegließ, weil namentlich die zusammengesetzte symbolische Darstellung auf dem ältern Siegel für die Hälfte des an sich nicht sehr großen Schildes zu viel Raum erfordert hatte. Hierin bestärkt mich noch der zweifache Umstand, daß wirklich statt des einen getheilten Schildes auch zwei zusammengestellte Schilde vorkommen, und daß Heinrich III. von der altern Schweriner Linie 1330 neben dem großen runden Roßsiegel in seinem Siegelringe auch den getheilten Schild führte.

 

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1) Ich folge hier der genealogischen Ordnung Wigger's.
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V.

Ueber

das Wappen und die Siegel der alten

Grafen von Schwerin,

von

Dr. G. C. F. Lisch , Geheimen Archivrath.


S eit einer langen Reihe von Jahren hatte ich reichen Stoff zu einer verbesserten Darstellung der Genealogie und Heraldik der alten Grafen von Schwerin gesammelt, und beabsichtigt, denselben in günstiger Zeit zu bearbeiten. Da aber in den neuern Zeiten von andern verschiedenen Seiten her derselbe Gegenstand zu wiederholten Malen in größern und kleinern Abhandlungen der Forschung mit Glück unterworfen ist, woran ich häufig lebhaften Antheil genommen habe, so ist meine Ausführung, so weit sie die historische Darlegung betreffen sollte, jetzt überflüssig geworden. Ich kann mich aber nicht enthalten, da einmal die Sache oft in Anregung gebracht ist, meine allgemeinen "Ansichten" über die "Bedeutung" der Siegelbilder und des Wappens der Grafen von Schwerin aus dem Geschlechte der Edlen von Hagen zur Prüfung durch Andere im kurzen jetzt mitzuteilen, um den hauptsächlichsten Stoff zusammen zu halten.

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Siegel der Grafen von Schwerin            Siegel der Grafen von Schwerin

Die Grafen von Schwerin führten auf ihren Siegeln, so weit sie erhalten sind, in den ältesten Zeiten "zwei Lindwürmer am Baume", immer im Schilde, darauf auch daneben ein ungesatteltes schreitendes Roß, immer auf runden Siegeln, wie die beiden hieneben abgebildetenausgebildeten Siegel des Grafen Helmold vom J. 1270 (M. U.=B. II, Nr. 1185) und vom 28. Septbr. 1270, (Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1201) zeigen, - endlich in der ersten Hälfte des 14. Jahrh., solange das Grafenhaus noch bestand, einen quer getheilten Schild, unten golden, oben roth (oder leer und schraffirt).

Bekanntlich ist ein großer Unterschied zwischen Siegeln und Wappen; vgl. des Fürsten Friedrich Karl von Hohenlohe=

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Waldenburg Sphragistik, in den Hohenloheschen Siegeln des Mittelalters, 1857. Ein Siegel kann immer auch ein anderes Bild enthalten, als das zuständige Wappen derselben Person, z. B. das eigene Bild des Besiegelers, seine Hausmarke, ein "redendes" oder irgend sonst beliebig gewähltes Zeichen u. s. w. Das Wappen ist aber dem Besitzer und seinem Geschlechte eigenthümliches und beständiges Wahrzeichen, und braucht nicht immer allein auf dem Siegel zu stehen. Ich halte nun die gräflich schwerinschen Siegel mit den Lindwürmern und dem Roß gar nicht für Wappensiegel sondern nur für symbolische Bildsiegel einzelner gräflicher Personen, welche gewöhnlich älter zu sein pflegen, als die Wappensiegel, oder für früher sogenannte "redende Wappen", und zwar gewissermaßen für Uebersetzungen der Namen der Grafen, nämlich die Lindwürmer für eine sehr nahe liegende Symbolisirung 1 ) des deutschen Namens Hagen (Hain, Gehölz), und das Roß für eine Symbolisirung des wendischen Namens Schwerin (Thiergarten, Lusthain, Wildpark). Wiederum werden die Wörter Hagen und Schwerin ungefähr dasselbe bedeuten, so daß das wendische Wort Schwerin gewissermaßen eine Uebersetzung des deutschen Wortes Hagen ist. Vorzüglich werde ich in dieser Ansicht durch das sichere geschichtliche Ergebniß bestärkt, daß sich kein Siegel findet, auf welchem zugleich ein Helm zum Lindwurm oder Roß dargestellt wäre, was allein schon zu der Ansicht führen könnte, daß beide nur Symbolisirungen, aber keine Wappen sind. Es müßte auch wunderbar zugehen, wenn in einem so langen Zeiträume kein Helm vorkommen sollte, wenn einer da gewesen wäre. Ein Wappen besteht aber immer aus Schild und Helm.

Das Wappen der Grafen von Schwerin scheint mir der quer getheilte Schild zu sein, weil er herrschend geblieben ist, häufig mit einem Helme vorkommt und nach dem Aufhören der Grafenregierung in den Meklenburgischen Landen als damals gewiß noch verständliches Wappen in das Wappen der Fürsten von Meklenburg überging, die Lindwürmer und das Roß aber ganz verschwinden, auch überhaupt nie als Wappen angewandt erscheinen. Für meine ganze Ansicht scheint auch ein urkundlicher Beweis zu reden. In der von mir entdeckten und in den Jahrb. XXIV mitgetheilten Verkaufsurkunde über die Graf=


1) Man denke an die Nibelungensage mit dem Ritter Hagen und dem Lindwurm.
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schaft Schwerin vom 7. Decbr. 1358 wird den Grafen von Tecklenburg das Recht eingeräumt, daß sie "môgen brûken der wapene der greueschop von Zwerin nâ alse vôre". Hier ist also offenbar von dem "Wappen" der Grafen, oder richtiger der Grafschaft, die Rede, d. h. von dem damals allein noch geltenden quer getheilten Schilde, welchen noch die letzten Grafen als Grafen von Schwerin führten und die Herzoge von Meklenburg sogleich aufnahmen. - Auch die Bischöfe von Schwerin führten ungefähr seit derselben Zeit als Bisthumswappen diesen quer getheilten Schild, mit zwei Bischofsstäben belegt (vgl. Jahrb. VIII, S. 17 und 19). Zur Aufklärung der Herkunft und des Geschlechts der Grafen von Schwerin muß also nach meiner Ueberzeugung dieses Wappen, Schild und Helm Gegenstand fernerer Forschungen sein. Für die beiden andern Siegelbilder wird sich wohl kein Anknüpfungspunkt zur Vergleichung mehr finden lassen.

Zur Beleuchtung entgegenstehender Ansichten und zur weitern Ausführung habe ich keine Veranlassung.

 


 

Nachtrag.


Schon hatte ich die vorstehenden Zeilen in die Druckerei gegeben, als mir am 20. Decbr. 1868 die Annales de la Société archéologique de Namur, T. IX, Livr. 4, Namur, 1867, zu Händen kamen und mir durch die französische Uebersetzung einer Abhandlung, betitelt:

De la couronne de la cathédrale de Namur et son écrin, par M. Ernst aus'm Werth,

die deutsche Original=Abhandlung

Krone und Kronbehälter, wahrscheinlich der beiden ersten lateinischen Kaiser flandrischen Hauses, im Dome zu Namur, von Ernst aus'm Werth,

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in den

Jahrbüchern des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande, Heft XXXVII, Bonn, 1864, S. 169 flgd.,

wieder ins Gedächtniß brachte.

Der Domschatz zu Namur besitzt nämlich eine prachtvolle goldene, reich verzierte Krone aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts, welche der Professor Ernst aus'm Werth den beiden ersten lateinischen Kaisern zu Constantinopel aus dem Grafenhause Flandern, Balduin I. (VI.), 1204, und Heinrich, 1204-1218, zuschreibt.

Dieser seltene Schmuck wird in einem Kronenkasten ("Truhe, Casette") aufbewahrt, welcher ohne Zweifel gleichen Alters und gleichen Ursprungs mit der Krone ist. Dieser Kronenkasten, mit der Krone und den Verzierungen abgebildet in den Rheinländischen Jahrbüchern a. a. O. Taf.VI und in den Namurschen Annalen a. a. O. Taf. I, von achteckiger Form, besteht aus Holz und ist mit einer Art von bräunlichem Glanzleder sorgfältig überzogen, welches durch vergoldete Kopfnägel umrandet und befestigt wird. Dieser Ueberzug ist an den 8 Seiten durch je 2, auf dem Deckel durch 9 Medaillons verziert, welche gegen 4 1/2 Centimetres oder 2 Zoll im Durchmesser halten und in natürlicher Größe ebenfalls zu beiden Abhandlungen abgebildet find. "In einem Rund von erhöheter blauer Email ("émail champlevé") zeigen sich in diesen Medaillons vergoldete und gravirte Figuren, die, ohne eine bestimmte Beziehung zum Gegenstande oder einen heraldischen Bezug zum Besitzer augenfällig zu machen, der allgemeinen Ornamentik des 13. Jahrhunderts entsprechend, zumeist Bestiarien darstellen".

Mit Ausnahme eines Schlangenbändigers, eines Löwen und eines Adlers, bestehen diese Bestien aus Drachen oder Lindwürmern, d. h. aus phantastischen Thieren mit Schlangenleibern und immer nur mit zwei Füßen, theils mit Flügeln, theils ohne Flügel. Ein Medaillon Fig. 2c. aber gleicht ganz der Darstellung auf den alten Siegeln der Grafen von Schwerin (vgl. oben S. 102): an einem Baumstamme oder Pfahle stehen zwei Lindwürmer, mit zwei Beinen, jedoch ohne Flügel, mit den Rücken gegen einander gekehrt und mit den Köpfen rückwärts gewendet und sich anschauend. Dies ist ganz die Darstellung auf den alten Siegeln der Grafen von Schwerin.

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Ich bin aber weit entfernt, aus diesen Symbolisirungen auf einen genealogischen oder heraldischen Zusammenhang des ehemaligen Besitzers des Kronenkastens mit den Grafen von Schwerin zu schließen; ich habe nur ein Beispiel geben wollen, daß in einer so fernen Zeit, in welcher das Wappenwesen auf Siegeln noch in den Windeln lag, dergleichen symbolische Darstellungen sehr weit und vielfach verbreitet waren. Eher kann man daraus schließen, daß solche Darstellungen keine Wappen waren. Auch Professor E. aus'm Werth sagt: "Bei der Unsicherheit, die in der mittelalterlichen Thiersymbolik noch herrscht, kann es nicht am Orte sein, zu der etwanigen Bedeutung der einzelnen Bilder überzugehen. Wir lassen es vorläufig ganz dahingestellt, ob diese Drachen als Schatzhüter zu deuten, oder ob Tugenden und Laster in den Unholden symbolisirt sein sollen. - Alle diese Figuren kommen in typischer Wiederholung beziehungslos an den verschiedensten Reliquiarien vor, von denen zwei ebenfalls zu den erwähnten Abhandlungen abgebildet sind, und wird man ihnen deshalb keine heraldische Bedeutung zuerkennen dürfen".

Diese Darstellungen von Bestien aller Art, namentlich von zweien Rücken gegen Rücken ab= und mit den Köpfen zu einander gewendet, waren alte Mode im deutschen Reiche. So z. B. sind sie zahlreich auf der gemusterten Seiden=Tunica des Kaisers Heinrich II. (Anfang des 11. Jahrh.) zu sehen; vgl. Bock's Kleinodien des Heiligen Römischen Reichs, Wien, 1864, S. 189, und Prospectus, S. 6.

 

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VI.

Das Geschlecht

der Hanstert oder Hahnenzagel.

Von

Dr. Crull zu Wismar.


M ancher Mann, der keine Ahnung davon hat, welche Bedeutung die von Axekow oder die von Züle ehemals hatten, erinnert sich doch des Namens Hahnenzagel, den er in Doberan auf der Denktafel gelesen. Die Sage will, daß ein Zweig des Hahnschen Geschlechtes das Gut Sagel oder Zagel, zum Rothenmoor gehörig, besessen habe und darnach Hahnenzagel genannt worden sei, indem die Bezeichnung des Ortes auf das Geschlecht überging. 1 ) Liegt nun auch die Wahrscheinlichkeit dieser Art von Namensveränderung oder Uebertragung des Namens ziemlich ferne, sind die Vornamen der Hahnenzagel andere als die der Hahn, ihre Wappen ebenso verschieden wie die der von Below und der Pritzbur, so konnte eine jene Sage betreffende Untersuchung doch nicht in einem Werke, welches die Geschichte der Hahn zum Gegenstande hat, von der Hand gewiesen werden, und daher kommt es, daß die Hahnenzagel einen eigenen Paragraphen in Lisch's Hahnscher Geschlechtshistorie erhalten haben. Einige Entdeckungen, welche seitdem gemacht sind, gestatten es, die Geschichte der Hahnenzagel, welche in mancher Beziehung nicht ohne Interesse ist, noch klarer hinzustellen.

Vorweg sei bemerkt, daß die Vermuthung, die Hahnenzagel und Hahnenstert, was beides Hahnenschwanz bedeutet, seien ein Geschlecht, ohne Zweifel richtig ist, wie sich weiterhin ergeben wird, aber hier schon zur Erläuterung unserer Ueberschrift gesagt werden muß.

Der erste Hahnenstert nun, von welchem Kunde vorhanden ist, findet sich in Wismar; es ist Konrad (I.) Hah=


1) Jahrb. XI, S. 443.
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nenstert, welcher dort zwischen 1250 und 1258 genannt wird.

Domus Batolomei habetur Conrado Hanenstert in pignore pro XXXVIII marcis, quod ratum est. In ipsa hereditate Bartholomei Hermannus Storm XI marcas VI solidis minus, si tanta est, habebit. (Stadtb. A., p. 8.)

Da in jener Zeit, vielleicht von den ersten Anfängen der Stadt her, auch Ritter Grundbesitz in Wismar hatten, wie zum Beispiel Hermann von Rodenbeke, so könnte man glauben, daß auch Konrad ein rittermäßiger Mann gewesen sei, aber es steht dieser Annahme ein ausdrückliches Zeugniß entgegen, aus dem hervorgeht, daß er Rathmann zu Wismar war, als welcher er bei einem Mühlenkauf zeugte:

Testes huius empcionis sunt milites domini nostri Bernardus de Walie, Otto de Suinga, Alvericus de Barnekov, Benedictus, consules Segebodo, Sceuerstenus, Conradus Hanstert. (Stadtb. A., p. 13.)

In seiner Eigenschaft als Mitglied des Rathes zeugt er auch 1260, September 26 und 1263, Mai 1 1 ); dort wird er nach den consules unter den alii ciues aufgeführt, worunter, wie sich nachweisen lassen dürfte, solche zu verstehen sind, die im Rathsstuhle gesessen hatten, hier aber als letzter der ohne Beisatz aufgeführten Zeugen, zu welchen, wie gleichfalls wohl zu erhärten ist, eben Rathmänner gebraucht wurden. War Konrad aber Bürger und Rathmann, so konnte er nicht als rittermäßiger Mann leben; jene hatten ihren Mittelpunkt im städtischen Gemeinwesen, diese unter dem Banner des Fürsten, und wo jene etwa Lehngut erwarben, pflegten sie die davon zu leistenden Dienste abzulösen. 2 ) Auch ist Nichts überliefert, was auf ein ritter=


1) Schröder's P. M., S. 1027. 707.
2) Lisch, Jahrb. XI, S. 183. Eine anscheinenden Ausnahme findet sich merkwürdig genug in der Metropole der Wendischen Städte, in Lübek. Elias Russe war, vielleicht schon 1220, sicher 1229-1236 Lübscher Rathmann, wird 1237, December 26, als, Ritter aufgeführt (Lisch's Geschl. Hahn I, S. 23), und erscheint wiederum als Rathmann zu Lübek 1243 (Bi. Lüb. U. I., S. 85) und 1245 (Lüb. U. I., S. 104. 105). Wenn man hier nicht zwei verschiedene Personen annehmen will, was bei der Seltenheit des Vornamens sowohl wie des Beinamens kaum thunlich sein möchte, so erklärt sich die Sache nur so, daß Elias Russe sein Bürgerrecht auf einige Jahre quittirte, rittermäßig lebte, und dann wieder nach Lübek ging, wo er von Neuem in den Rathsstuhl gewählt wurde, was allerdings auch auffallend genug sein würde.
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mäßiges Leben Konrads hindeutete, und es geht vielmehr aus allen Stadtbuchschriften, die ihn betreffen, hervor, daß sein Thun und Treiben ganz das der übrigen Bürger war. In der Eigenschaft als Rathmann erscheint er aber nach 1263 nicht mehr, denn die Bezeichnung dominus, welche er öfters führt, charakterisirte damals die Mitglieder des Rathes noch nicht. Er lebte aber noch längere Zeit und sicher noch 1276 um Johannis aus, wo er ein Erbe, welches an ihn gekommen war, einem gewissen Osbern aufließ,

Osbernus emit hereditatem, que fuerat Nicolai de Horne, erga Conradum Hanstert, quam sibi resignauit. (Stadtb. B., p. 109.)

vielleicht noch etwas länger, aber jedenfalls nicht viel, da bald darauf ein Vertrag über die Abtragung des Kaufgeldes von 64 Mark 4 Schillingen für dieses Haus zu Stadtbuch geschrieben wurde (Ebd. p. 47), 1277 aber zuerst die Söhne Konrads genannt werden, er selbst nicht weiter.

Henricus Crulliggus tenetur filiis domini Conradi Hanstert V 1/2 marcam. (Stadtb. B., p. 51.)

Uebrigens deuten die Eintragungen des Stadtbuches überall darauf hin, daß Konrad ein begüterter Mann war.

Nach Konrads (I.) Tode tritt sofort Willekin (I.) Hahnstert mit seinen Brüdern auf, welche, obschon dies nirgends ausdrücklich gesagt ist, ohne Zweifel die Söhne Konrads waren.

Hermannus Vogel resignauit cum consensu uxoris sue stupam suam et aream prope stupam Willekino Hanstert et suis fratribus. (1277. B., p. 49.)

Konrads Erbe war Willekin gewiß, da er 1284 das an Osbern verkaufte Haus mit dessen Erben einem neuen Käufer aufließ, indem das Kaufgeld noch nicht vollständig abgetragen sein mochte. Der Brüder waren aber vier.

Vlricus Albus emit hereditatem a domino Willekino Hanenstert et suis tribus fratribus pro LXXV marcis denariorum, quam ipsi emerant a Willekino Sartore. - Hec contigerunt anno domini M°CC°LXXX. - (B., p. 30.)

Zu diesen wird zunächst Konrad (II.) oder Köneke gehören, der in der zweiten Hälfte des Jahres 1279 zuerst vorkommt.

Henricus de Zwerin et Henricus de Wesere et Radolfus de Kalsoywe et Coneke Hanstert promiserunt pro bonis puerorum Henrici de Roluestorp, in quantum Bruno vitricus eorum suscepit. Hec sunt LXXVIII marce V solidis minus. (B., p. 22.)

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Konrad mag der ziemlich festen Sitte des Mittelalters gemäß, nach welcher der älteste Sohn den Namen des väterlichen Großvaters, der zweite den des Vaters erhielt, älter gewesen sein als Arnold (I.) Hahnenstert, der Ausgangs des Jahres 1281 zuerst namentlich genannt wird.

Arnoldus Hanstert promisit pro XXII1I marcis ex parte Scozen, quas presentabit consulibus Michaelis. (B., p. 42.)

Von dem vierten Bruder ist weder der Name noch sonst eine Nachricht aufbewahrt, so daß er entweder bald nach des Vaters Tode gestorben oder ausgewandert ist, oder überhaupt nur "drei Brüder" gewesen sind. Sicher aber waren noch zwei Schwestern da, welche an die Ritter Ulrich von Mödentin und Friederich Babbe verheirathet waren, die 1293 dem Wilke Hahnenstert ihren Antheil an der Erbschaft von der Mutter wegen aufließen.

Dominus Olricus de Modentin et dominus Fredricus Babbe, milites, cum suis uxoribus, sororibus domini Willekini Hanenstert, resignauerunt ipsi domino Willekino suam hereditatis portionem, que vulgariter anual dicitur, que ipsis ex parte matris sue infra ciuitatem cedere posset. Hoc notum est consulibus. (B., p. 107.)

Die oben schon vermutheten guten Vermögensverhältnisse Konrads I. werden auch dadurch bestätigt, daß in einer undatirten Liste von Beiträgen zu einer Umlage Willekin mit 40 Mark und Konrad II. mit 5 Mark angesetzt sind, während die übrigen Bürger 4 Schillinge, 8, 16 Schillinge, sehr wenige 2 oder 3 Mark geben; nur Heinrich von Schwerin gab 10 Mark und die Juden 50 Mark zusammen (B., p. 58); die Gründe, weshalb Willekin so viel mehr gab, als sein Bruder, sind nicht mehr zu ermitteln. Uebrigens scheinen die Brüder nicht sogleich nach des Vaters Tode vollständig getheilt zu haben, da sie vielfach noch in Gemeinschaft auftreten und namentlich auch 1279 zusammen den Zoll zu Wismar als Pfand übernahmen 1 ). Das letzte Beispiel von Gemeinschaft ist aus dem Ende des Jahres 1282, wo die Gebrüder das Haus Lüdeke's von Borken kauften. (B., p. 66.) Dagegen muß Besitz im Lande noch lange hinaus gemeinschaftlich geblieben sein, wie es die Natur eines solchen mit sich bringt; Ende 1282 hatten sie dergleichen, muthmaßlich Pfandbesitz, zu Niendorf auf Pöl


1) Jahrb. III, S. 48.
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(B., p. 70) und eben solchen von einer der Kirche gehörigen Hufe zu Vorwerk auf Pöl noch 1308 1 ).

Sonst verfolgten die Brüder verschiedene Bahnen. Willekin blieb vor der Hand in Wismar, und in dem Grundbuche dieser Stadt finden sich bis bald nach Ostern 1285 mehrfach ihn betreffende Inscriptionen. Damals aber oder doch nicht lange hernach muß er nach Lübek gezogen sein, da er 1286, October 18, als Lübischer Bürger unter den Zeugen in einer zu Vicheln ausgestellten Urkunde genannt wird, in welcher Fürst Johann von Gadebusch den Verkauf von Brützkow an das Kloster Rehna documentirt 2 ). Man könnte hier etwa einen Irrthum des Schreibers vermuthen, aber es hat die Sache völlige Richtigkeit, denn Willekin findet sich auch in einem undatirten, aber nicht nach 1302 angefertigten Verzeichnisse von Bürgern zu Lübek, welche dieser ihrer Stadt geharnischte Rosse zu stellen hatten, ausdrücklich aufgeführt. Damit stimmt überein, daß von Ostern 1285 bis anscheinend 1289 um dieselbe Zeit, soweit man sehen kann, keine Eintragung ihn betreffend im Wismarschen Stadtbuche gemacht ist. Er wird aber 1288 schon wieder in Wismar gewesen sein, da er in einer Urkunde des Propstes Nicolaus aus jenem Jahre 3 ) unter den nicht näher charakterisirten Zeugen genannt wird, und also, wenn, wie oben behauptet, grade Rathmannen zum Zeugen berufen waren und die Ergänzung und Umsetzung des Rathes schon damals, wie wahrscheinlich, um Himmelfahrt vorgenommen wurde, bereits 1288 in den Rathsstuhl gewählt worden sein. Sicher war er Rathmann zu Wismar am 6. Juni 1290, da er an diesem Tage mitten in einer Reihe von Zeugen erscheint, die nachweislich alle dem Rathe angehörten 4 ). Ob er schon vor seinem Aufenthalte in Lübek Rathmann war, läßt sich nicht sagen, wie auch nicht ermitteln, wie lange er dem Rathe angehörte, da Zeugenreihen aus dem Schlusse des Jahrhunderts mangeln. Auch ist es ungewiß, ob er sein Lebelang in Wismar blieb; sicher ist nur, daß er dort bis 1297, von welchem Jahre ab das Stadtbuch fehlt, in seinem "steinernen Hause" wohnte. Doch dürfte es wahrscheinlich sein, daß er in seiner Vaterstadt blieb. In einer Urkunde von 1302 5 ) nennen die Gebrüder von Schwerin


1) Bi. Lüb. U. I, S. 518.
2) Lisch's Geschlecht Maltzan I, S. 84
3) Schröder's P. M., S. 796.
4) Ebd. S. 802.
5) Lisch's M. U. II, S. 92.
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außer zwei Rittern unsern Wilke, Adam von Lewitzow, Heinrich von Ricquardstorf, Johann Wernekenhagen und dessen Sohn ohne nähere Unterscheidung als ihre Bürgen, während die Gelübdempfänger ausdrücklich als Ritter, Rathmannen und Bürger bezeichnet sind. Die drei letztgenannten Mitgelober sind bekannte Wismarsche Bürger, Adam von Lewitzow, vermuthlich des Ritters Heine Sohn, ein Knappe; dies war Willekin Hahnenstert wahrscheinlich nicht, bürgte aber in seiner Eigenschaft als Grundbesitzer, so daß er deshalb nicht wohl mit dem Knappen als famuli, noch mit den Bürgern als cives zusammen genannt werden konnte und die Charakterisirung ganz weggelassen ist. Der Fürst nennt ihn honorabilis vir, ein anderes Mal dilectus fidelis, ein drittes Mal vasallus. Im Jahre 1303 am 15. Juni verkaufte Fürst Heinrich für 800 Mark Wendischer Pfenninge Willekin Hahnenzagel - hier findet sich diese Namensform zuerst - wiederkäuflich die Bede von zusammen 115 Hufen in Lischow (20 1/2), Zurow (12), Krassow (6), Rohlstorf (12), Cismerstorf (12), Redentin (131 1/2), Wodorf (10), Tesmerstorf (14 1/2), Wendelstorf (11) und Westekendorf (4). Der Rückkaufstermin sollte am nächsten Johannistage sein und die Bede den Rittern Heine von Stralendorf und Heidenrich von der Lühe, sowie den Knappen Heine von Stralendorf und Ulrich von Barnekow übertragen werden für die Schulden, welche sie für Willekin zu bezahlen verpflichtet waren. Im folgenden Jahre aber, 1304, März 16, verkaufte Wilke Hahnenstert 4 Hufen in Westekendorf, worunter Westhof im Kirchspiele Alt=Gaarz zu verstehen sein wird, und 1 Hufe in Wendelstorf an das Lübische Domkapitel 1 ) und 1310 seine seewärts belegene Hälfte des Dorfes Redentin, 7 Hufen groß, an zwei Bürger von Lübek 2 ). Die Urkunde über jenen Act enthält den Namen von Willekins Frau, welche Margareta hieß, und man erfährt aus ihr, daß die Knappen Ulrich von Barnekow und Heine von Stralendorf seine Schwiegersöhne, damals aber wohl schon Wittwer waren, daß jeder von diesen einen Sohn Namens Heinrich hatte, und daß seine Söhne Johann (I.), Konrad (III.) und Willekin (II.) hießen. Auch wird man wohl aus den Urkunden schließen dürfen, daß jene 115 Hufen, von denen er die Bede zu pfände nahm, Willekin (und seinen Brüdern, wie hinzuzusetzen ist) eigenthümlich gehörten, da er theils davon


1) Lisch's G. Hahn I, S. 55.
2) Bi. Lüb. U. I, S. 531.
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verkaufte, wie Westekendorf und die Wendelstorfer Hufe und Redentin, theils seine Söhne und Nachkommen deren besaßen, wie Zurow, Cismerstorf und Krassow. Am 6. Jan. 1305 bezeugt das Lübeker Niederstadtbuch, daß Willekin Hanenstert dem Johann Keiser alles entrichtet habe, was er diesem schuldig gewesen. Am 4. December 1310 wird Willekin (I.) zuletzt genannt.

Der zweite der Brüder, als welcher Konrad II. oben vermuthet ist, kommt in Wismar außer den beiden angegebenen Malen nicht vor; es hat sich weiter keine Nachricht über ihn erhalten, als daß er Ausgangs des Jahres 1308 noch lebte 1 ).

Der dritte Bruder Arnold (I.) oder Arend, den wir zuerst 1281 fanden, bürgend für einen Schötze, scheint bei Lebzeiten des Vaters schon das Waffenhandwerk getrieben zu haben, da er bereits Ende 1284 oder Anfangs 1285 dominus genannt wird, was wir auch in jener Zeit bei bloßen Knappen nicht gefunden haben.

Domus Ludeconis de Borken pertinet integraliter domino Willekino Hanstert et domino Arnoldo fratri suo. (B., p. 117.)

Ausdrücklich als Ritter wird er dann 1286, October 18, in derselben Urkunde aufgeführt, in welcher sein Bruder Willekin als Lübischer Bürger bezeichnet wird. Aus der eben genannten Stadtbuchschrift scheint sich eine innigere Verbindung zwischen ihm und seinem Bruder Wilke zu ergeben, so wie auch daraus, daß ihm die andere Hälfte von Redentin von 6 1/2 Hufen zugehörte, bei deren Verkauf an den Capellan des Bischofs Gottfried von Schwerin im Jahre 1310 Willekin seine Zustimmung ertheilte, wie die Söhne Arnolds beim Verkauf seiner Hälfte Willekin ihren Consens gaben. 1308 im Ausgange des Jahres lebte Arnold noch, 1310 war er aber bereits verstorben. Seine Söhne waren Konrad (IV.) und Arnold (II.).

In den nächsten zehn Jahren findet sich nichts über die Hahnenstert, und namentlich keine weiteren Nachrichten über Willekins ältestem Sohn Johann (I.); derselbe mag nach Lübek gegangen sein 2 ). Erst 1323 verlautet wieder von ihnen, indem der Landesherr am 6. März genannten Jahres den


1) Bi. Lüb. U. I, S. 518.
2) Pauli in seinen "Lübecker Zuständen zu Anfang des 14 Jahrh." führt nämlich einen Johannes Hahnenstert, wahrscheinlich nach dem Oberstadtbuche, auf. S. 61.
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Verkauf bestätigte, durch welche Willekins (I.) Söhne Konrad (III.) und Willekin (II.) zwei stadtwärts belegene Hufen zu Ricquardstorf für 500 Mark Lübisch an vier Wismarsche Bürger zu Stadtrecht überließen 1 ); es sind diese Hufen vielleicht der im Wismarschen kleinen Stadtbuche 1349 genannte campus Hanenstertes (f. 117). Gleich darauf oder auch vorher schon müssen die Brüder aber auch den übrigen Theil des Hofes veräußert haben, denn der Fürst ertheilte am 9. Juni desselben Jahres seine Genehmigung zu dem Verkaufe des gedachten Hofes durch die Gebrüder Hermann, Henning, Ulrich und Konrad von Mödentin an mehrere Wismarsche Bürger zu Stadtrecht und zwar so, wie er den Brüdern Konrad und Willekin Hanstert, die auch Gewähr leisteten, gehört hatte 2 ). Auch in dem benachbarten Cismerstorf besaßen letztere mindestens eine Hufe, auf welche sie den Zehnten von ihrem Gute zu Ricquerstorf gelegt hatten; als die Stadt 1379 Cismerstorf, wie es vordem den Fürsten und darnach dem Ritter Heinrich von Stralendorf gehörte, von den Söhnen des letzteren erkauft hatte, geschah noch dieses Zehnten in der über den Verkauf ausgestellten Urkunde Erwähnung. Konrad und Willekin verkauften auch im Winter darauf dem Nonnenkloster zu Stettin eine Hebung von anderthalb Wispel Roggen, die sie durch erblichen Anfall von demselben zu fordern hatten, und verließen dieselbe am 3. Februar 1324 vor dem Rathe zu Wismar mit Zustimmung ihrer Schwestern, über die sonst nichts bekannt ist, und ihrer übrigen Erben 3 ). In demselben Jahre am 21. September finden wir wahrscheinlich diesen Konrad allein als Zeugen beim Verkaufe eines Theiles von Kl.=Siphusen durch den Ritter Benedict von Barnekow an den H. Geist zu Wismar 4 ). Aus dem Jahre 1328 ist eine Aufzeichnung über eine Finanzoperation mit dem Wismarschen Bürger Heinrich Lasche erhalten und zwar wegen rückständiger Renten und Capitalabtrag, wahrscheinlich aus Mödentin, da Heinrich Lasche 1353 sicher Rente dorther bezog und Hermann, Konrads Sohn, Mödentin besaß.

Conradus et Willikinus Hansterd fratres ex vna et Hinricus Lasche parte ex altera recognouerunt taliter placitatum inter se, quod iidem fratres soluent ipsi Hinrico in proximo Martini XXI


1) Schröder's P. M. S. 1033.
2) Ebd. S. 1030.
3) Jahrb. X, S. 219.
4) Schröder's P. M. S. 1036.
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marcas Lubicenses nomine reddituum et vitra annum eodem termino centum marcas Lubicenses et quinque marcas Lubicenses summe capitalis et ad redditus XXI marcas Lubicenses, deinde eodem termino scilicet anno tricesimo nomine reddituum decem marcas et dimidiam marcam Lubicensium denariorum, deinde anno subsequenti, anno XXX° primo, centum marcas Lubicenses summe capitalis et ad hoc nomine reddituum X marcas Lubicenses et dimidiam marcam Lubicensem. Super huiusmodi persolucione tenentur dicti fratres ipsi Hinrico nonaginta marcas Lubicenses priuilegiatas, que solute erunt et quite dictis fratribus Conrado et Willekino, si placitatum antescriptum fuerit obseruatum. Si vero aliquo terminorum predictorum non tenuerint, vt supra notatur, omnis hec scriptura virtutis nullius debet esse et extunc secundum tenorem priuilegiorum existencium inter Conradum, Willikinum et Hinricum supradictos procedatur. Pro quitacione LXXXX marcarum predictarum obligantur dictus Hinricus et frater eius dominus Andreas. (Lib. parv. civ. Wism. f. 5.)

Die oben erwähnten fortgesetzten Verkäufe, so wie der Wortlaut dieses Vertrags können den Verdacht rege machen, daß der väterliche Wohlstand bei den Söhnen keine Pflege gefunden habe, doch läßt sich auch annehmen, daß eine Besitzveränderung diese Maaßregeln herbeiführte. Wir muthmaßen, daß die Brüder zwischen 1321 und 1323 für Riquardstorf von den Gebrüdern von Mödentin deren Stammgut, welches Hermann von Mödentin eben 1321 noch besaß 1 ), durch Tausch erwarben, der durch Verschwägerung veranlaßt sein kann, da Konrads Sohn den bei den Hahnenstert ungewöhnlichen Mödentinschen Vornamen Hermann führte. Auch können die Verhältnisse der Brüder keinenfalls zerrüttet gewesen sein, da man sonst ihre Bürgschaft wohl kaum angenommen haben würde. In solcher finden wir sie aber häufig genug. So bürgte Konrad im Februar 1330 Heinrich Körneke auf 100 Mark mit Heine Berse und Konrad von Plesse für den Ritter Eghard von Bibow und um Martini demselben zusammen mit Johann Boydenstorf, Hermann von Pöl und Heinrich von Stralendorf für die Gebrüder Nicolaus und Heinrich von Stralendorf auf 120 Mark und die Renten,


1) Schröder's P. M. S. 992.
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welche diese damit in Faren ablösen wollten, so wie er auch um dieselbe Zeit mit Hermann von Pöl gegen Hartmann von Vichel und Johann von Pöl, beide wie Heinrich Körneke Bürger zu Wismar, für Nicolaus von Stralendorf allein auf 50 Mark und die damit einzulösenden Renten als Bürge eintrat. Um Neujahr 1337 ist Ditmar (Böleman) von Vichel zu Wismar die Summe von 11 Mark 12 Sch. von Konrad Hahnenstert, Heinrich von Stralendorf und Capelle zugeschrieben, ohne daß ersichtlich wäre, wer der eigentliche Schuldner war, und Martini desselben Jahres wird den Brüdern, von denen Willekin hier zuletzt sich findet, die Zahlung einer dem Engelbert Stolteer zu Wismar schuldigen Summe von dessen Erben bescheinigt 1 ).

"Konrad Hahnenstert" wird auch noch 1338 genannt, doch wird dies ein anderer als der eben besprochene sein. Es ist dies aber das letzte Mal, daß Familienglieder mit dem alten Sächsischen Namen bezeichnet werden, an dessen Stelle jetzt die höfische Hochdeutsche Form Hahnenzagel tritt. Daß beides aber ein und dasselbe Geschlecht ist, bezeugt außer den oben angeführten Urkunden von 1303 und 1304 die Gleichheit der Vornamen und die Gleichheit der Wappen.

Wappen

Allerdings führt Willekin I. im Siegel drei (2. 1.) Hähne ohne Kopf und Hals 2 ), sein Sohn Konrad aber nur einen solchen Hahn, und ebenso der Knappe Johann Hahnenzagel, aber dieser Unterschied in der Zahl ist ohne Bedeutung, wie es z. B. auch Siegel der von Below mit drei Adlern und mit einem giebt, und rührt wahrscheinlich daher, daß man auf den Siegeln der deutlicheren Darstellung wegen sich mit einem Wappenbilde begnügt hat, während man auf den Schilden alle drei geführt haben wird. Außerdem stehen auch die Hahnenzagel mit denselben Leuten in Verbindung, in welcher wir die Hahnenstert fanden, wie aus Folgendem


1) Diese Angaben sind dem Wismarschen Lib. parv. civ. fol. 17. 21. 22. 57. 61. entnommen.
2) Zu dem hier abebildeten Siegel des Willekin Hanenstert vom 8. Januar 1302, dem ältesten Wismarschen Privatsiegel, hat der Herr Verfasser den Holzschnitt für das Mekl. U.=B. geschenkt, wo derselbe Bd. V, Nr. 2775 abgedruckt ist. Früher ist das Siegel abgebildet in Lisch Geschichte des Geschlechts Hahn, Bd. I, Taf. 1, Nr. 6.          G. C. F. Lisch.
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hervorgeht. Martini 1338 ist Konrad Hahnenzagel mit Capelle als Schuldner Dithmars von Zickhusen auf 33 Mark Lübisch verzeichnet, wofür sich Herr Heinrich von Ricquardstorf, Heinrich von Stralendorf, Herrn Heynes Sohn, Gerd von Losten und Bertram von Klene verbürgen. Weihnacht 1339 bürgt der Rathmann Andreas Lasche demselben Gläubiger für Konrad auf 15 Mark. Nach Invocavit 1341: Konrad bürgt mit Johann Boydenstorf, Heyne Berse und Herbord Rodenbeke für Heinrich von Stralendorf, des Ritters Vicke Bruder, und Heinrich von Stralendorf d. j. auf 60 Mark. Um Elisabeth 1341 bürgt Konrad mit Herrn Andreas Lasche, Johann Boydenstorf, Heinrich Bützow und Johann Kros für Heyne von Stralendorf auf 55 Mark und um dieselbe Zeit mit den Bürgermeistern Ricquerstorf und Lasche, Johann Boydenstorf, Heyne Berse, Hartmann von Vichel und Nicolaus von Stralendorf für dessen Bruder Heinrich zu Zurow auf 200 Mark. Endlich ist um Nicolai eine Schuld Konrads und Johann Capellen an Dithmer von Vichel auf 22 Mark Lübisch verzeichnet, für welche der Bürgermeister Ricquerstorf und Marquard Sedeler bürgen, und dies ist das letzte Datum, an welchem uns Konrad vorgekommen ist 1 ).

Konrads (III.) Söhne hießen Willekin (III.) und Hermann (I.), waren also jener nach dem Großvater väterlicher Seite, dieser vielleicht nach dem Vater seiner Mutter genannt. Sie blieben mit den Freunden ihres Vaters in Verbindung und es bürgen namentlich Martini 1313 die Bürgermeister Ricquerstorf und Lasche und der Rathmann Hermann von Walmerstorf dem Nicolaus Göde auf 74 Mark für Willekin, Nicolaus von Stralendorf und Johann Capelle.

Willekinus Hanesaghel, filius Conradi, domini Hinricus de Ricquardestorpe, Andreas Lasche et Hermannus Walmerstorp et Nicolaus de Stralendorpe tenentur iunctis manibus Nicolao Ghoden LXXIIII or marcas Lubicenses in festo beati Galli proximo persoluendas. Willekinus, Nicolaus et Johannes Cappelle debent alios omnes indempnes tenere. (Lib. parv. civ. Wism. f. 85.)

Für beide Brüder bürgt Anfangs December 1346 der Bürgermeister Lasche.

Wilken et Hermannus Hanensaghel, fratres, do-


1) Die Stellen finden sich Lib. parv. civ. Wism. fol. 67. 70. 71. 73. 74. 74.
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minus Andreas Lasche et Hinricus Plote faber tenentur iunctis manibus Johanni Hoghenkerken et suis heredibus XXIII marcas Lubicenses Martini proximo persoluendas. Wilken et Hermannus Hanensaghel debent dominum Andream et Hinricum Ploten eripere et indempnes tenere. (L. p. c. Wism. f. 103.)

Gleich darnach zur selben Zeit bürgen für Willekin Johann Boydenstorf, der Rathmann Hermann und Marquard Walmerstorf, und 1349 wird die Bürgschaft des Bürgermeisters Lasche und des Schmiedes Heinrich Plote von 1346 für Willekin allein wiederholt, wobei dieser zum letzten Male genannt wird 1 ).

Hermann (I.) besaß sicher Mödentin (vielleicht mit seinem Bruder zusammen), denn er verkaufte 1354, März 23, unter Gewährleistung Konrad Sperlings zu Schlagstorf und Heinrichs von Rambow ein Holz auf seinem Felde zu Mödentin, genannt Ekreeme. 1356 erscheint er als Schuldner von Werner Hösik zusammen mit Nicolaus Hösik, Albert Lüchow, Henneke Boydenstorf und Heyne (Daam) von Büschow, wahrscheinlich in Bürgschaft, in die er auch 1359, Mai 13, für Konrad Sperling bei Marquard Walmerstorf d. ä. zu Wismar tritt 2 ). Weiteres ist von ihm nicht bekannt, falls er nicht derselbe Hermann Hahnenzagel ist, der am 2. Juni 1361 unter den Zeugen aufgeführt wird, als Herzog Albrecht I. Schloß, Stadt und Land Plau zu Rostock an die Ritter Heinrich von Stralendorf und Otto von Dewitz und Danquard von Bülow verafterpfändete 3 ). Hermann war jedenfalls beerbt, doch sind die Namen seiner Kinder nicht aufbewahrt.

Omnis controuersia, que fuerat inter Albertum Capellen et Hermannum Hanensaghel ex parte omnium debitorum in hunc modum finaliter terminata est et finita, ita videlicet, quod dictus Hermannus Hanensaghel dicto Capellen in festo Michahelis proxime affuturo XX marcas persoluere debet et pagare. Quod si non fecerit, extunc vitra ad annum proxime sequentem eodem festo dare debet eidem Capellen XXII marcas. Eciam dictus Albertus dimittit quitos et solutos ex parte predictorum debitorum pueros Willekini Hanensaghel et filios patrui sui dicti Hermanni Hanen-


1) Lib. parv. civ. Wism. fol. 103. 119.
2) Ibid. fol. 138. 152. 161.
3) Jahrb. XVII, S. 311.
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saghel. Pro hus firmiter obseruandis promittunt et staut Hermannus Hanensaghel predictus, Hinricus Rambowe, Johannes Boydewenstorp iuncta manu. Dictus Hermannus Hanensaghel debet suos compromissores eripere et indempnes conseruare. Predicti compromissores promittunt et stant similiter predicto Alberto Capellen et ad manus suas Johanni Renwerdes premissa, ut premittitur, tenere et inuiolabiliter obseruare. Actum anno domini M° CCC° L quarto, feria sexta ante Vocem iocunditatis. (L. p. c. Wism. fol. 134.)

Nach dieser Aufzeichnung hätte auch Willekin II. Kinder hinterlassen, deren Namen aber auch nicht bekannt geworden sind.

Von den beiden Söhnen des Ritters Arnold I., Arnold II. und Konrad IV., hörten wir zuletzt 1310. Da ihrer in den Urkunden Wismars keine Erwähnung geschieht, so wäre es möglich, daß sie weiter von dieser Stadt ihren Wohnsitz genommen hätten. Doch findet sich im Wismarschen Zeugenbuche vom Jahre 1338 Apr. 23/Juli 2 eine Aufzeichnung, in welcher ein Konrad Hahnenstert genannt wird, den wir um deswillen nicht für Konrad III. halten möchten, weil er dort in Verbindung mit Personen erscheint, mit denen dieser sonst nicht zusammen vorkommt, und in welchem wir Konrad IV. sehen, als dessen Sohn vielleicht denn Arnold III. zu betrachten sein würde, der 1361 auch bei der Verafterpfändung von Plau zu Rostock gegenwärtig war. Jene Aufzeichnung ist folgende:

De omni dampno facto per illos de Cernyn in villa Schymme et in curia ibidem omnia in bono per amicabilem composicionem terminata sunt et finita, ita quod Arnoldus Witte cum suis compromissoribus videlicet Essekyno de Lvbberstorf et filio suo Gherkyno, Marquardo Leuekendorp, Bernd Glambeke et Hennekynus Witte eripiet disbrigando hos subscriptos, scilicet dominum Georgium de Hidzakkere militem, Conradum de Loo (!), Reymarum de Wedele, Conradum et Bernardum fratres de Plesse, Conrad Hansterd, Thidericum Mund et Heynonem Stralendorp ab omnibus impetitoribus iuri parere et contentari volentibus racione dampni prenotati. Arnoldus Witte et dicti sui compromissores stant pro Hennekyno Witten et Bernardo de Glambeke, quod cum eis stare debeant pro premissis. (L. p. c. Wism. f. 65.)

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Da nun der ebengenannte Arnold III. 1361 am 5. December zusammen mit dem Ritter Otto von Helpede, den Priestern Heinrich Vrigdal und Hermann Thode und den Knappen Heyne Lewitzow, Heyne Dame von Büschow und Johann Boydenstorf als Schuldner des Wismarschen Rathmanns Johann Zurow genannt wird 1 ), so mag man der Vermuthung, daß Krassow im Besitze von des Ritters Arnold Hahnenstert Söhnen war 2 ), um so eher beipflichten, als wenigstens Heyne Lewitzow und Heyne Dame in der Nähe von Krassow wohnten und Hermann Thode 1382 als Pfarrherr zu Lübow starb, wohin Krassow eingepfarrt ist. Krassow wird aber zwischen 1365 und 1375 als im Besitze der "Gebrüder Hanenstert" aufgeführt 3 ), was nicht mit Nothwendigkeit besagt, daß damals Krassow im Besitze von Brüdern war, indem der Inhalt älterer Documente extrahirt worden sein kann, wie dadurch wahrscheinlich wird, daß die zu jener Zeit nicht mehr übliche Namensform gebraucht ist. Arnolds III. Wittwe Beke wird 1376 genannt 4 ).

Gleichzeitig mit Arnold III., aber ganz isolirt, steht der Knappe Johann II. Hahnenzagel da, welcher sich 1360, November 28, mit mehreren anderen Knappen der Stadt Rostock gegen den dänischen König zu dienen verpflichtete, und muß es dahin gestellt bleiben, ob der Johann Hahnensagel, welcher vor 1398 in seinem Testamente der Tochter des Wismarschen Bürgers Heinrich Sternberg 5 Mark vermacht hatte 5 ), mit diesem Johann II. identisch ist. Es ist dies aber das letzte Datum, wo ein Hahnenzagel genannt wird. Sie werden ausgestorben und ihr Besitz in andere Hände übergegangen sein; von Mödentin wissen wir, daß es 1420 den Preen gehörte.

Ein Zusammenhang der Hahnenstert oder Hahnenzagel mit den Hahn ist auch durch die neuen hier beigebrachten Nachrichten nicht im Entferntesten wahrscheinlich gemacht, unserer Meinung nach vielmehr noch weniger glaubhaft geworden, und hat ebensowenig der Doberaner Vers:

Hanenzagel und Burewin
De geven uns Varpen und Redentin.
Darvor schal got se (!) gnedich sin.


1) L. p. c. Wism. f. 172.
2) Lisch's G. Hahn I, S. 56.
3) Ebd. S. 56. Nach Regist. eccl. Swerin.
4) Ebd. S. 54.
5) L. p. c. Wism. f. 204.
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eine Begründung gefunden; auf den Grund der Urkunden, die nichts dergleichen besagen, dürfen wir wohl den Vers als ziemlich spät entstanden betrachten. Nicht minder ist ohne Zweifel die Erbauung des alten Wismarschen Rathhauses durch "Hanenzagel und Burevin" 1 ) in das Reich der Fabeln zu verweisen.

Ueberblicken wir nun die Geschichte der Hahnenzagel noch einmal im Ganzen, so weit die Nachrichten erlaubten sie darzustellen, so finden wir als Stammvater einen Wismarschen Bürger und Rathmann, mit Wohlstand gesegnet, seinen ältesten Sohn als Bürger zu Wismar und Lübek und dort gleichfalls im Rathsstuhle, mit großem Grundbesitze angesessen, einen andern Sohn in der höchsten weltlichen Würde, seine Töchter vermählt an Ritter aus den ersten Geschlechtern. Söhne des ältesten Sohnes treiben das Waffenhandwerk und die Töchter verbinden sich mit Mitgliedern der ältesten edlen Familien. Aber die Tüchtigkeit und die Kraft, in welchem das Geschlecht aufblüht, nehmen schnell ab und es erlischt allmählig, wenig über hundert Jahre nach seinem ersten Auftreten. Wir sehen also auch hier wiederum bestätigt, daß die Abkunft von einem rittermäßigen Manne nicht nöthig war, um dem Kriegsdienste sich zu widmen und die höchsten Ehren darin zu gewinnen, daß die Heirath mit der Tochter eines solchen nicht rittermäßigen Mannes keinen Makel auf den rittermäßigen Gatten oder dessen Nachkommen warf, und endlich, daß der alte Adel, der Schwertadel, nicht allein aus Eingeborenen Wendischen Stammes und aus eingewanderten ritterlichen Geschlechtern bestand, sondern auch aus Familien, welche ursprünglich bürgerlicher Abkunft durch Besitz Ansehen und durch die Waffen Ehre und Adel gewonnen und sich so den älteren edlen Geschlechtern eingereiht hatten. Beschränken müssen wir aber die Tragweite dieser Folgerungen in der Weise, daß wir hervorheben, wie der Stammvater der Hahnenstert zu den Rathmannen gehörte und daß sie somit nur in Bezug auf solche, auf Patricierfamilien Gültigkeit haben können.

 



1) Schröders K. B., S. 280.
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Nachträge und Berichtigungen.

Da das Vorstehende bereits vor geraumer Zeit und namentlich, ehe das Meklenburgische Urkundenbuch erschienen, ja selbst nicht grade mit dem Gedanken an Veröffentlichung niedergeschrieben wurde und eine Ueberarbeitung vor dem Drucke nicht ausführbar war, so ist hier noch Einiges hinzuzufügen.

S. 156. Konrad II. war nach M. U.=B. V, 3264, der dritte Sohn Konrads I. und Arnold I. war der zweite.

S. 157. Die mehrfach angezogene Urkunde vom 22. December 1308, in welcher der Landesherr eine Vereinbarung zwischen dem Pfarrherrn auf Pöl und den Eingepfarrten in Betreff einer von Willekin I. und dessen Brüdern Arnold I. und Konrad III. eingelösten Hufe zu Vorwerk bestätigt, gestattet weder den Schluß, daß die Gebrüder Hahnenstert in gedachtem Jahre noch Besitz zu Vorwerk hatten, noch daß die beiden jüngeren Brüder noch am Leben waren. Die Einlösung muß vielmehr schon vor dem 28. November 1305 stattgefunden haben. S. u. zu S. 159.

S. 157. Willekin I., den wir bis Ostern 1285 in Wismar lebend, 1286, Oct. 18 als Lübischen Bürger bezeichnet, 1288 muthmaßlich und 1290, Juni 6 ziemlich zweifellos als Rathmann zu Wismar finden, wird 1293, Juli 8, als er für den Dom zu Schwerin in der Sülze zu Lüneburg eine Hebung kaufte, vom Rathe zu Lüneburg als Wismarscher Bürger bezeichnet (M. U.=B. III, 2233), in einer zweiten Urkunde, die derselbe Rath bei gleicher Gelegenheit am 21. September desselben Jahres ausgestellt hat, als Bürger zu Lübek (M. U.=B. III, 2245). Beide Urkunden liegen nicht mehr im Originale vor; von der ersteren existirt nur noch eine Regeste von Daniel Clandrian, von der zweiten nur ebensolche eines Vidimus vom 4. September 1308, welches aber allerdings vom Rathe zu Wismar ausgestellt ist. 1294 wird sein steinernes Haus in Wismar erwähnt (Wism. Stadtb. B., p. 201), er selbst als Testamentarius des Priesters Johann von Lütjenborg (M. U.=B. III, 2254 n )

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und sein Diener als Gläubiger der Wittwe des Heinrich Küle (Wism. Stadtb. B, p. 222). 1295 ist er gewissermaßen gegensätzlich zu Lübischen Bürgern aufgeführt, indem es in einer Inscription heißt: Henricus institor inpignorauit omnem suam hereditatem Villekino dicto Hanstert, secundum quod inpignorata fuit ciuibus de Lubeke, - pro quinquaginta m. Lub. den. (Wism. Stadtb. B, p. 224). 1297 wird ein Grundstück zu Wismar als inter hereditatem domini Willekini Hanenstert et hereditatem aduocati Hildebrandi gelegen bezeichnet (Ebd. p. 244); eine Windmühle bei Wismar wird als ihm gehörig in demselben Jahre erwähnt (M. U.= B. III, 2408). Es bleibt also nichts übrig, wenn nicht Irrthümer in den Urkunden stattgefunden, als anzunehmen, entweder daß Willekin vielfach zwischen Wismar und Lübek hin und her gezogen, oder daß er an beiden Orten gleichzeitig Bürger gewesen ist.

S. 158. Margareta, Willekins I. Hausfrau, war nach Römer's ohne Zweifel treffender Vermuthung, welche sich auf Lüb. U.=B. I, 533 und M. U.=B. V, 2918 stützt, eine Tochter des Lübischen Bürgers Nicolaus Vrowede. Sie lebte noch 1310, December 4.

S. 158. Die Schwiegersöhne Willekins I. waren 1310 nicht Wittwer, vielmehr lebten deren Frauen noch 1324. (Jahrb. X, S. 219.)

S. 159. Es ist oben schon gesagt, daß man aus der Urkunde vom 22. December 1308 nicht schließen kann, daß Arnold I. und Konrad II. damals noch am Leben waren. Arnold war in der That am 28. November 1305 schon todt, denn an diesem Tage bestätigte der Bischof von Ratzeburg eine Vicarie, welche Willekin I. und Arnolds I. Söhne zum Besten ihrer und ihrer Eltern Seelen in St. Marien zu Wismar gestiftet und mit Hebungen aus Gaarz und Russow dotirt hatten. (M. U.=B. V, 3039.) Auch Konrad wird schon gestorben gewesen sein, da derselbe sich sonst wohl an dieser Stiftung wurde betheiligt haben.

S. 160. Z. 11 v. u. l.: Kl.=Siphusen, Z. 3 l.: parte.

Es gestaltet sich also folgendermaßen die Stammtafel der Hahnenstert oder Hahnenzagel.

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Stammtafel der Hahnenstert
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VII.

Tycho Brahe

und

seine Verhältnisse zu Meklenburg.

Von

G. C. F. Lisch .


E ine außerordentlich bedeutende Erscheinung in der wissenschaftlichen Welt ist der berühmte Astronom Tycho Brahe, welcher auch vielfach in Berührung mit Meklenburg stand und dadurch für uns von geschichtlicher Wichtigkeit ist. Es kann hier nicht der Zweck sein, eine Lebensbeschreibung 1 ) dieses Mannes zu bearbeiten; es sollen hier nur seine Beziehungen zu Meklenburg in das rechte Licht gestellt werden, da ich das Glück gehabt habe, im Staats=Archive zu Schwerin einige Papiere, namentlich zwei Briefe von Tycho Brahe, zu entdecken, welche zum Theil bedeutenden Aufschluß über sein inneres Leben geben und deren Mittheilung und Erläuterung Gegenstand dieser Zeilen ist.

Tycho Brahe ward am 14. Dec. 1546 zu Knudstrup in Schonen geboren. Seine Aeltern waren Otto Brahe († 1571), Reichsrath, Herr auf Knudstrup in Schonen, und Beate Bille († 1605), Tochter des Reichsraths Claus Bille auf Lyngsgaard in Schonen († 1558), beide aus altadeligen dänischen Geschlechtern stammend. Seit früher Jugend ward Tycho in den Wissenschaften ausgebildet und


1) Sicherm Vernehmen nach wird in Dänemark eine qullenmäßige Biographie des großen Astronomen vorbereitet.
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zu den Rechte und Staatswissenschaften bestimmt; aber die Erscheinungen am gestirnten Himmel zogen ihn gewaltsam immer mehr zur Sternkunde. Er studirte 1559-1565 zu Kopenhagen, Wittenberg und Leipzig. Nachdem er 1565 durch den Tod seines Wohlthäters und Oheims Jürgen Brahe zur Rückkehr nach Dänemark veranlaßt gewesen war, ging er zur Fortsetzung seiner Studien bald wieder nach Deutschland zurück, zunächst nach Wittenberg, von hier aber, nachdem die Pest ausgebrochen war, im Herbst 1566 nach Rostock 1 ), wo er im October 1566 immatriculirt ward: "Tycho Brahe, natus ex nobili familia in ea parte regni Danici que dicitur Scania", und zwei Jahre blieb. Tycho Brahe verkehrte in Rostock vorzüglich mit den beiden bedeutenden Professoren Levinus Battus und Heinrich Brucäus, beide Mediciner, Mathematiker und Astronomen und vom Herzoge Ulrich von Meklenburg=Güstrow geschätzt und begünstigt, auch mit den Professoren Chyträus und Bacmeister. Nach seiner zweiten Rückkehr nach Dänemark "fand er einen neuen Gönner an seinem mütterlichen Oheim Steen Bille, welcher ihm zu Heeritzwad bei Knudstrup eine Sternwarte einrichten ließ". Von hier erregte er durch Entdeckungen am Sternenhimmel, z.B. im Jahre 1572, Aufsehen, so daß er die Aufmerksamkeit des bedeutenden Königs Friedrich II. († 1588) auf sich zog, welcher sich so eben mit der schönen, hoch verehrten und viel geliebten Sophie, Tochter und einzigen Kinde des Herzogs Ulrich von Meklenburg, vermählt hatte. Jedoch ging Brahe, da in der gewöhnlichen Welt seine Bestrebungen gering geachtet wurden, wieder einige Jahre auf Reisen. Nach seiner dritten Rückkehr in die Heimath machte aber der König große Anstrengungen, ihn an seine Heimath zu fesseln, und ward "in vollem Sinne des Wortes sein und seiner Wissenschaft Gönner". Der König gab ihm ein Jahrgehalt von 2000 Thlrn. und schenkte ihm auf Lebenszeit die schöne Insel Hveen im Sund, und schoß zur Erbauung eines prächtigen Schlosses auf der Insel bedeutende Summen her, da die Insel für die wissenschaftlichen Zwecke Brahe's außerordentlich günstig gelegen war. Das Schloß, mitten auf der Insel, ward mit Rücksicht auf seine Bestimmung Uranien=Burg genannt und enthielt, außer einer Sternwarte und einer großen Destillirwerkstätte,


1) Vgl. Krabbe, Geschichte der Universität Rostock I, S. 705 flgd., welche für das Verständniß der damaligen wissenschaftlichen Bestrebungen in Rostock sehr wichtig und werthvoll ist. - Hier kann nur das Nothwendige aus bekannten Schriften zur Erläuterung aufgeführt werden.
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zahlreiche Anstalten und Annehmlichkeiten; die Insel hatte sogar eine Mühle, welche auch zur Papiermühle benutzt werden konnte, eine Buchdruckerei und viele andere Werkstätten und Merkwürdigkeiten. Ein nicht allein nach der Form, sondern auch nach dem Inhalt wahrhaft königliches Geschenk! In diesem Paradiese lebte Tycho Brahe in einer großen, glücklichen Gesellschaft über 20 Jahre lang ganz und allein der Wissenschaft.

In die glücklichste Zeit seines Lebens fällt nun der hier mitgetheilte Brief 1 ) an seinen Schwager Heinrich v. Below vom 7. Dec. 1587, dessen Bekanntmachung ein Hauptzweck dieser Zeilen ist, da der Brief über sehr wichtige Ansichten Brahe's vollkommenen Aufschluß giebt.

Heinrich v. Below, ein meklenburgischer Edelmann aus alter Familie, war der vorletzte der sechs Söhne des Nicolaus v. Below auf Kargow, Klink und Nossentin, und nach seines Vaters Tode Besitzer des Lehngutes Kargow bei Waren in Meklenburg. Er war in Meklenburg am 6. Dec. 1540 geboren und durch Wissenschaft und Erfahrung hoch ausgebildet. Im J. 1558 diente er (nach Latomus) mit zweien seiner älteren Brüder, Wilhelm und Adam, in Frankreich gegen die Spanier. Am 6. Januar 1568 bestellte ihn der hochgebildete Herzog Johann Albrecht I. von Meklenburg=Schwerin zum "Hofmarschall" wegen seiner Geschicklichkeit und Beredtsamkeit, wie Latomus "vom Adelsstande" sagt; so entfaltete er in Meklenburg zehn Jahre lang eine große Wirksamkeit. Im J. 1579 ward er vom Könige Friedrich II. von Dänemark mit Spöttrup in Jütland belehnt und zum Reichsrath und Befehlshaber des königlichen Schlosses Skivehuus im nördlichsten Theile von Jütland berufen, wo er seine Amtswohnung hatte. Am 18. Novbr. 1582 verlobte und am 10. Febr. 1583 vermählte er sich mit Elisabeth Skram und starb 1606 2 ). - Sein jüngster Bruder Joachim v. Below, auf Hinrichsberg, diente auch eine Zeit lang dem Könige von Dänemark und ward später auch Meklenburgischer Hofmarschall und Hauptmann zu Strelitz.

Die Verwandtschaft Tycho's Brahe mit Heinrich v. Below zeugt klar folgende Tabelle 3 ).


1) Vgl. Anlage Nr. 1.
2) Nach der Leichenpredigt, welche ihm Bischof Niels Arctander in der Domkirche zu Viborg hielt und 1608 in den Druck gab.
3) Diese, so wie viele andere Nachrichten über diesen Gegenstand verdanke ich der Theilnahme des Herrn Kammerraths Strunk zu Kopenhagen.
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Stammtafel des Tycho Brahe

Sie waren also nicht Schwäger im eigentlichen Sinne des Wortes, sondern Heinrich v. Below hatte Tycho's Brahe Mutterschwestertochter zur Frau.

Die Veranlassung, welche den Brief Tycho's Brahe an Heinrich v. Below hervorrief, war eine astrologische, und daher ist der Brief um so wichtiger, als Brahe sich selbst ausführlich über den Werth der Astrologie ausspricht. Es ist in allen encyklopädischen Werken zu lesen, daß Tycho Brahe "nicht ganz frei von dem Glauben an den Einstuß der Gestirne auf die Schicksale der Menschen gewesen sei, obwohl er das Verdienst habe, die gröbsten Vorurtheile und Irrthümer dieser Art glücklich zu bekämpfen und zu verdrängen". Auch Krabbe a. a. O., S. 705, Note, sagte, daß "seine astronomischen und seine astrologischen Deutungen nicht allgemeine Anerkennung fanden". Dies mag sich für die Zeit von 1567 nachweisen lassen: im Jahre 1587 hatte Brahe aber ganz andere Ansichten, als die hier angedeuteten, und man möchte aus dem ganzen sichern Tone seines Briefes wohl schließen, daß er nie andere Ansichten gehabt habe.

Der Herzog Ulrich von Meklenburg=Güstrow, der Schwiegervater des Königs Friedrich II., hatte sich, nach dem Geiste der Zeit, für das Jahr 1588 zwei "Prognostika" (Weissagungen aus den Gestirnen) kommen lassen, eine von Tobias Möller, die andere von Andreas Rosa. Da beide aber eine "widerwärtige Meinung" zeigten und nicht übereinstimmten, so ersuchte der Herzog den Heinrich v. Below, beide seinem Schwager Tycho Brahe vorzulegen und ihn darum zu befragen, welches von beiden "zutreffend", d. h. richtig sei.

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Tycho Brahe antwortete aber am 7. December 1587 1 ) dem Heinrich v. Below ganz klar und nüchtern, daß

"er sich in astrologische Sachen, welche aus dem Gestirn Bedeutung herholen und Weissagung tractiren, nicht gerne einlasse,

sondern

sich etzliche Jahre her bemühet habe, allein die Astronomie, welche den wunderbaren Lauf des Gestirns erforsche, in eine gewisse und rechtmäßige Ordnung zu bringen, weil nur hiedurch vermittelst rechtschaffener Instrumente auf geometrischem und arithmetischem Grund und Gewißheit die eigentliche Wahrheit durch langen Fleiß und Arbeit gefunden werden könne".

Er stellt dann beide Prognostika in ihrer Blöße dar und meint, daß davon nicht viel zu halten sei, und sagt:

"Es sind diese astrologischen Weissagungen wie ein Kothurn, den man auf jedes Bein anziehen kann, groß oder klein, wie man will, weshalb er auch niemals etwas Sonderliches davon gehalten habe".

Wenn er freilich, sagt er weiter, dem Könige, seinem gnädigsten Herrn, alljährlich ein astrologisches Prognostiken zustellen müsse, so geschehe dies nur auf Seiner Majestät Befehl und Willen, wiewohl er selbst nicht viel darauf halte und nicht gerne mit solchen zweifelhaftigen Weissagungen umgehe, in denen man die eigentliche Wahrheit nicht durchaus erforschen könne, wie sonst in der Geometrie und Arithmetik, darauf die Astronomie durch fleißige Beobachtung des Himmels gebauet werde.

Er erklärt dann beide Prognostika für unrichtig und schickt sie seinen Schwager v. Below zurück. Er habe, fügt er hinzu, dem Könige für das Jahr 1588 ein schriftliches Prognostikon überreicht, aber keine Abschrift davon; wenn der Herzog dieses zu haben wünsche, so möge er sich selbst an den König wenden. Uebrigens werde nach seiner Meinung das nächste Jahr so werden, wie alle andern!

Heinrich v. Below übersandte aber Brahe's Schreiben 1 ) im Originale dem Herzoge Ulrich mit der Andeutung, daß "er aus seinem eigenen Schreiben seine Meinung ohne


1) Vgl. Anlage Nr. 1.
1) Vgl. Anlage Nr. 1.
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"Zweifel am besten werde verstehen können", und enthielt sich aller weitern Bemerkungen 1 ).

Beide, Brahe und Below, benutzten außerdem ihre Briefe zur Erreichung anderer Zwecke, wie hier folgt.

Tycho Brahe wollte von seiner Buchdruckerei zu Uranienburg ein ziemlich großes astronomisches Buch ausgeben lassen, konnte aber zu dem Werke nirgends Druckpapier von der passenden Größe erhalten, wußte aber, daß in Meklenburg zu Grabow und Neustadt gute fürstliche Papiermühlen seien. Er richtete daher an Below die Bitte, daß der Herzog Anweisung gebe, daß für ihn 14 oder 15 Ballen nach der eingesandten Probe gemacht und in Rostock bei seinem Freunde Dr. Heinrich Brucäus gegen Bezahlung geliefert werden, damit er das Papier mit dem allerersten Schiff erhalte, weil ihm gar viel daran gelegen sei. Heinrich v. Below empfahl in seinem Schreiben dem Herzoge dringend die Erfüllung dieses Wunsches, in der Ueberzeugung, daß "Seine fürstliche Gnade solches fornämlich der löblichen Kunst der Astronomie zur Beförderung gerne thun werde". Dieses Werk ist ohne Zweifel: "Tychonis Brahe Dani De Mundi Aetherei Recentioribus Phaenomenis Liber Secundus, Qui Est De Illustri Stella Caudata ab elapso fere triente Nouembris anni 1577 vsque in finem Januarii sequentis conspecta. Uraniborgi Cvm Privilegio"; auf dem letzten Blatt: "Anno Domini M. D. LXXXVIII." Dieses Werk, in 4, ist in 3 Exemplaren auf der königlichen Bibliothek zu Kopenhagen. Trotz der sorgfältigsten Durchsicht hat sich aber kein Wasserzeichen im Papier finden lassen 2 ).

Wenn Tycho Brahe am Schlusse seines Briefes seine liebe Mutterschwester Frau Maren, d. i. Maria, grüßt, so ist diese nach dem oben mitgetheilten Stammbaum Below's Schwiegermutter, Maren Bille, vermählte Skram, Brahe's Mutterschwester.

Heinrich v. Below hatte in dem Briefe auch eine kleine Angelegenheit bei dem Herzoge vorzutragen. Am 22. Aug. 1586 berichtete er von Helsingör, daß er zu dem Gute Kargow bei Waren, welches er "nun" von seinem Bruder Jürgen erkauft, von der Kirche zu Waren eine halbe Feldmark Gemekenhagen für eine jährliche Heuer in Gebrauch habe, mit dem ihm zugestandenen Vorkaufsrechte, das er jetzt


1) Der Brief des Heinrich v. Below an den Herzog ist "auf Schiffuehuß den 28. Decembris 1588" datirt. Dies muß aber nach allen Umständen durch 1567 erklärt werden: entweder ist 1588 ein Schreibfehler, oder Below fing das Jahr noch von Weihnacht an.
2) Nach den Mittheilungen des Herrn Kammerraths Strunk zu Kopenhagen.
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auszuüben gedachte. Am 9. Februar 1587 erließ daher der König Friedrich II. ein Vorschreiben für seinen "Reichsrath und Amtmann auf Schieffuehus Heinrich Below" an den Herzog Ulrich, demselben den Ankauf des halben Feldes zu gestatten. Dies kam auch zu Stande, da am Montag nach Invocavit Heinrich Below zu "Kargow erbsessen" (damals zu Stargard anwesend) sich auf 1700 Gulden für die halbe Feldmark Gemekenhagen verschrieb, welche er an seinen Bruder Wilhelm gewiesen, da er selbst nicht anwesend sein könne. Am 3. Juni 1587 war Heinrich v. Below in Güstrow. In seinem Briefe vom 28. December 158(7) bittet er den Herzog, dafür zu sorgen, daß die noch streitige Grenze zwischen Gemekenhagen und Schmachthagen richtig gemacht werde.


Ungefähr zu derselben Zeit spielte auch theilweise in Meklenburg eine andere Geschichte, welche die Familie Brahe scharf berührte. Im Jahre 1581 ward Tycho Brahe auf Tostrup und Hammer in Kopenhagen von Eler Crasse 1 ), seinem "eigenen Befreundeten", erschlagen. Dieser Tycho Brahe war ein Verwandter des Astronomen Tycho Brahe nach folgendem Stammbaum:

Stammtafel des Tycho Brahe

1) Er unterschreibt sich selbst: "Eler Chraß", Heinrich Brahe nennt ihn "Eler Crasse". In Dänemark wird er Eiler "Krasse" oder "Kravese" genannt.
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Eler Crasse zu Egholm, geboren 1524 und vermählt mit Hilleborg Bille, war ein sonst braver Mann und hatte die That "nicht vorsätzlich" begangen. Er mußte aber aus Dänemark flüchtig werden, da ihn Heinrich Brahe, des Erschlagenen Bruder und Vormund seiner unmündigen Kinder, scharf verfolgte. Eler Crasse hielt sich in Rostock auf und lebte hier in einer sehr unglücklichen Stimmung. In den Jahren 1584, 86, 91 und 93 wurden für ihn Geleitsbriefe ausgestellt, so daß er zum Besuche nach Dänemark sicher reisen konnte. Am 6. August 1584 bat er, von Rostock, die Herzogin Elisabeth, Gemahlin des Herzogs Ulrich von Meklenburg, Tochter des Königs Friedrich I. von Dänemark und Mutter der Königin Sophie, um Beförderung eines herzoglichen Vorschreibens um sicheres Geleit "zur Versuchung der vorhabenden christlichen Aussühne mit des seligen Tychen Brahen Brüdern und Freunden". Wenn auch Heinrich Brahe strenge gegen eine Begünstigung des Todtschlägers war, so legte die Herzogin doch bei ihm ein gutes Wort für Eler Crasse ein, "da er die That nicht vorsätzlich begangen habe, sondern was geschehen, aus Anreizung des leiden Teufels und sonderbarem Verhängniß Gottes hergeflossen" sei. Die Aussöhnung wird aber nicht zu Stande gekommen sein, da Eler Crasse am 4. Septbr. 1599 in Rostock starb. Eine Platte von vergoldetem Kupfer, welche auf seinem Sarge angebracht gewesen ist, wird im Museum zu Kopenhagen 1 ) aufbewahrt und trägt die Inschrift: "Hier liegt begraben der ehrliche und wohlgeborne Mann Eyler Kravese zu Egholm, welcher starb zu Rostock den 4. Septbr. im Jahre MDXCIX" u. s. w.

Ueber zwanzig Jahre lang hatte Tycho Brahe auf seiner reizenden und reich ausgestatteten Insel glücklich und wirkungsreich gelebt; noch am 7. Decbr. 1587 schrieb er im vollen Bewußtsein des Werthes der wahren Wissenschaft und im festen, ungetrübten Sinne den hier mitgetheilten Brief an Heinrich v. Below; da starb am 4. April 1588 sein großer Gönner König Friedrich, der härteste Schlag, der ihn treffen konnte. Sein Nachfolger Christian IV. war minderjährig und in seinen Handlungen durch den Reichsrath beschränkt. Daß Tycho Brahe bald Vernachlässigung erfahren mußte, darf nicht auffallen; aber auch Neid und Unverstand ließen ihn bald fühlen, daß man seine Bestrebungen nicht nach Verdienst zu würdigen wußte. Man entzog ihm


1) Nach Mittheilung des Herrn Kammerraths Strunk.
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nach und nach alle die früher, sogar für Lebenszeit gewährten Unterstützungen. Und so sah er sich, nachdem König Christian im Jahre 1596 zur selbstständigen Regierung im Königreiche gekommen war, fast verfolgt, genöthigt, sein geliebtes Uranienburg und sogar Dänemark wie ein Flüchtling mit allem, was er fortbringen konnte, zu verlassen.

Tycho Brahe ging im Jahre 1597 zunächst wieder nach Rostock 1 ), wohin er auch sein vorräthiges baares Geld mit sich nahm.

Die meklenburgischen Herzoge Ulrich und Sigismund August, als Vormünder der jungen Herzoge Adolph Friedrich I. und Johann Albrecht II., Söhne des verstorbenen Herzogs Johann, brauchten grade damals "der vielen Ausgaben halber, so wegen ihrer unmündigen Vettern und Pflegesöhne, der jungen Herzoge zu Meklenburg, fielen", nothwendig eine bedeutende Summe Geldes, welches sie zu dem Zweck aufzuleihen suchten. Sie knüpften daher im Spätsommer 1597 zu Rostock mit Tycho Brahe Verbindungen an, welcher die Summe von 10,000 "harten Reichsthalern" bei sich hatte. Es begannen alsbald, da auch Brahe sein Geld untergebracht sehen wollte, ziemlich weitläuftige Verhandlungen über die Anleihe dieser Summe, welche sich jedoch etwas hinzogen, da Brahe, als gewiegter Mathematiker und Rechenmeister, allerlei Bedingungen machte, die nicht alle leicht zu erfüllen waren. Vor allen Dingen verlangte er eine "bürgliche" Verschreibung der Herzoge. Zuerst forderte er eine Verschreibung der 10 Bürgen auch für deren "Erben", wie dies in Dänemark, Holstein und vielen andern Ländern gebräuchlich sei. Da dies aber in Meklenburg nicht zu erreichen war, so gab er hierin nach. Die bürgliche Verschreibung war jedoch überhaupt so bald nicht zu erreichen, da die Bürgen erst befragt werden und dann die Verschreibung zur Besiegelung umhergeschickt werden mußte. Man brauchte aber bald Geld. Nun verstand sich auch Tycho Brahe dazu, das Capital auszuzahlen, wenn die herzoglichen Vormünder sich vorläufig persönlich verschrieben und ihm das Amt Doberan zu Pfande setzten, bis sie ihm die bürgliche Verschreibung besiegelt zu Michaelis 1597 einhändigen würden. Die Herzoge verstanden sich auch hiezu. Als aber der Hauptmann und der Küchenmeister von Doberan am 6. September 1597 in Rostock erschienen, um


1) Im Nordischen Alterthümer=Museum zu Kopenhagen wird noch eine Uhr aufbewahrt, welche Tycho Brahe's Namen trägt und den Spruch: "Quo fata me trahunt: 1597." Vgl. Engelhardt Guide illustré du Musée à Copenhague, 1868, p. 40.
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gegen die herzogliche Interimsverschreibung das Geld in Empfang zu nehmen, verweigerte Brahe die Auszahlung, da in dieser Verschreibung nicht ausdrücklich der Zinsen gedacht und derselben nicht eine durch die herzogliche Unterschrift beglaubigte Abschrift der zu erwartenden bürglichen Hauptverschreibung beigelegt war. Sobald er eine solche Interimsverschreibung erhalten würde, wolle er auch das Geld selbst nach Doberan bringen, wohin er sich denn auch alsbald begab, wünsche jedoch am liebsten dort mit dem Landrentmeister Andreas Meyer die Sache persönlich bald abzumachen, da er sich bald von Rostock "auf Wismar und von dannen in Holstein zu begeben" denke. Die Zahlung des Geldes in Wismar an Andreas Meyer verweigerte er aber entschieden. Andreas Meyer sorgte nun baldigst für die Erfüllung der Wünsche Brahe's, auch damit dieser, der ziemlich stark "von Gesinde", den Fürsten zu Doberan nicht zu lange auf der Hand sein möge". So ward denn das Geschäft in Ordnung gebracht.

Die Hauptverschreibuug ward, wie bedungen war, vom Tage Bartholomäi (24. August) 1597 für "Tycho Brahe auf Knustorf im Reiche Dänemark erbgesessen" ausgestellt. Die 10 Bürgen waren folgende Angesessene vom Adel: 1) Khöne Wolfrath v. Bassewitz zu Maslow, 2) Clement v. Wangelin zu Vilist, 3) Jaspar v. Oertzen zu Roggow, 4) Hans Hahn zu Basedow, 5) David v. Bassewitz zu Dalwitz, 6) Henning Halberstadt zu Campz, 7) Caspar und 8) Christoph, Brüder, Behr zu Nustrow, 9) Joachim v. Bassewitz, Klosterhauptmann zu Dobbertin, und 10) Joachim v. Bülow zu Karcheetz.

Ein Jahr lang hielt sich Tycho Brahe theils in Rostock, theils in Holstein bei Heinrich v. Rantzau auf. Als sich die Stimmung gegen ihn in Dänemark nicht ändern wollte, nahm er endlich die großartige Einladung des Kaisers Rudolf II. an und folgte derselben nach Prag, wo ihm der Kaiser ein großes "Jahrgehalt aussetzte, ein ansehnliches Lehn versprach und das Schloß Benach" schenkte. Hier wurden auf des Kaisers Kosten wieder Sternwarte und Laboratorien, wie auf Hven, eingerichtet, und Brahe ließ dahin auch seine Instrumente und seine Familie bringen. Als er nach zwei Jahren das Schloß zu seinen Zwecken nicht ganz dienlich fand, siedelte er nach Prag über, wo "alle seine Instrumente eine Zeit lang im kaiserlichen Lustgarten beim Schlosse" aufgestellt wurden. Bald aber, ("neulich" 1600-1601) kaufte ihm "der Kaiser des gewesenen Reichs=Vice=Canzlers

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"Jacobus Curtius ansehnliche und stattliche Behausung, so an einem hohen Ort äußerst an der königlichen Hauptstadt Prag gelegen, für 10,000 Thaler zu seinem und des astronomischen Studiums Nutzen" 1 ) und ließ es so einrichten, daß dort "alle seine Instrumente aufgestellt und Laboratorien gebauet" werden konnten.

Als nun Tycho Brahe in Böhmen unter reichem kaiserlichen Schutze sein Leben gesichert glaubte, gedachte er sich in Böhmen ganz ansässig zu machen und wollte zu diesem Zwecke seine 10,000 Thaler wieder aus Meklenburg ziehen.

In Gemäßheit der Verschreibung hatte Tycho Brahe Michaelis 1600 durch seiner Bevollmächtigten Eske Bille zu Kopenhagen, seinen Vetter 2 ), das Geld zu Ostern 1601 bei dem meklenburgischen Landrentmeister A. Meyer kündigen lassen. Tycho Brahe erinnerte selbst von Prag am 10. April 1601 den Herzog Ulrich daran, da ihm glaubwürdig berichtet sei, daß der Landrentmeister die Zahlung verweigere und andere große Aufgaben vorschütze, er aber das Geld nothwendig gebrauche, da er in Böhmen "Landgüter gekauft" habe. Aber aus der Zahlung zu Ostern ward nichts, da in Meklenburg Einnahmen ausblieben und der Landrentmeister noch in der "letzten Stunde bloß" gesetzt ward. Die Zahlung ward daher zu Johannis 1601 in Aussicht genommen. Auf Eske Bille's Mahnung entschuldigte sich der Herzog am 17. Junii bei diesem, indem er bat, sich noch "eine kleine und geringe Zeit zu gedulden", und gab dem Landrentmeister Befehl, jetzt für die Herbeischaffung des Geldes zu sorgen. Eske Bille schickte nun zu Johannis 1601 einen eigenen Diener zur Empfangnahme des Geldes nach Doberan, wo auch der Herzog Ulrich sich damals aufhielt und am 22. Junii dem Landrentmeister die Herbeischaffung des Geldes zur Pflicht machte, obgleich dieser wieder vorgegeben hatte, daß ihm Gelder ausgeblieben seien 3 ). Bille's Diener ward also vertröstet


1) Nach Tycho Brahe's Brief Anlage Nr. 2.
2) Die Verwandtschaft des Eske (Asserus) Bille welcher wohl sicher Eske Bille zu Svanholm auf Seeland war, ist wohl noch nicht sicher bestimmt. Ohne Zweifel war er ein Verwandter seiner Mutter Beate, geb. Bille, jedoch nicht deren Brudersohn.
3) Bei dieser Gelegenheit schickte der Landrentmeister Andreas Meyer zu Wismar dem Herzoge Ulrich am 21. Junii eine halbe Tonne, darin Auerhähne ("Vhrhanen") und Birkhühner sein sollten, die er aus Schweden bekommen hatte. Weil sie aber nicht mit genugsamer Butter" eingemacht waren, so waren davon nicht mehr als zwei zu gebrauchen. Der Herzog empfahl daher zu bestellen, daß künftig die Fässer ganz voll Butter gegossen würden, die man nachher zu anderer Notdurft in der Küche wohl gebrauchen könne".
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und die Zahlung geschah wirklich wieder nicht zum Termine. Daher mahnte Tycho Brahe selbst von Prag am 18. Julii 1601 noch ein Mal. Der Herzog erwiederte, daß das Geld seit Johannis vorhanden sei, Bille's Diener sich aber nicht wieder gemeldet habe. Darauf war Eske Bille vor dem 9. August 1601 selbst "aus Dänemark um des Geldes willen" in Rostock angekommen und der Herzog befahl die Auszahlung vor seinem "Aufzuge von hinnen, welcher am Dienstag Morgen geschehen" sollte.

Die Abtragung der Schuld ward jetzt auch ins Werk gerichtet, da die eingelöste Schuldverschreibung noch vorhanden ist.

Die Mittheilung des Briefes 1 ) von Tycho Brahe vom 10. April 1601, in welchem er seine Lage in Böhmen schildert, ist der weitere Zweck dieser Zeilen, da er eben so willkommenen Aufschluß giebt, als der frühere Brief vom 7. Decbr. 1587.

Jedoch kaum war Tycho Brahe wieder auf dem Gipfel seines alten Glückes und Ruhmes angelangt, als der Tod ihn nach kurzer Krankheit schon am 24. October 1601 hinwegraffte.

Der Kaiser ließ ihn mit Pracht zur ewigen Ruhe bringen, sorgte kaiserlich nicht allein für seine zahlreiche Familie, sondern auch dafür, daß durch Johann Kepler 2 ) seine Bestrebungen fortgesetzt wurden. Auf der Insel Hven verschwand aber bald die letzte Spur von seinem Wirken.


1) Vgl. Anlage Nr. 2.
2) Fast zu gleicher Zeit mit Tycho Brahe mußte auch Johann Kepler, um seines lutherischen Glaubens willen, vorläufig im Herbst 1598, aber ganz im Herbst 1600 aus Gratz auswandern, um einer Einladung Tycho Brahe's nach Prag zu folgen. Kepler's Entlassungszeugniß vom 4. September 1600 ist in den neuesten Zeiten mitgetheilt in den Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark, Heft 16, Gratz, 1868, S. 187 flgd.
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Anlagen.


Nr. 1.

Tycho Brahe an Heinrich v. Below.

D. d. Uranienburg. 1587. Dec. 7.

Meinen freuntlichen grues mitt wunschung alles guettes alzeitt beforr. Edler, Ehrnvester, freundlicher lieber Schwager vnd besonder vortraweter freundt. Neben Danksagung für vielfeltige erzeigete wolthaten kan ich dir freundtlicher wolmeinung nicht verhalten, das ich dein schreiben habe entpfangen vnd darinne ein Copie des Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd Herren Hertzog Virichs zu Mechelburg an Dir geschriebene brieffs, worauß ich erfahre, das ihr furstliche Gnade begehrett von mir gnedichlich zu wissen, welcher meines erachtens von den beiden Prognosticatoribus Tobia Moller vnd Andrea Rosa dem Zcill neher zutrifft, ihndem daß der eine ihn diesem zukunfftigen 88 Jhar den Regenten des Jhars Jovem vnd Venerem, der ander Saturnum vnd Martem setzet, darahn sie nicht alleine keinstheils einig sein, sondern wie ihr Furstliche Gnade schreibet, gahr widerwertiger meinung haben; dan der eine macht beide beneficos Planetas, der ander beide maleficos (wie sie die Astrologi nennen) zum Regenten im selbigen Jhar, welchs gar contrarie bedeuttung bringett. Hierauff kan ich dir freundlicher meinung nicht bergen, das wiewoll ich in die Astrologische Sachen, welche bedeuttung auß dem gestirn herholen vnd weissagunge tractiren, mich nicht gerne einlaße, dieweill darauff nicht vhill zu bawen ist, Sondern allein die Astronomiam, welche den wunderlichen lauff des gestirns erforschett, in einen gewißen vnd rechtmessigen ordung zu bringen mich etzliche Jhar her bemuhet, dan darahn kan durch rechtgeschaffene In=

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strumenten nach Geometrisch vnd Arithmetisch grundt vnd gewisheit die eigentliche warheitt durch langwirigen fleiß vnd arbeitt gefunden werden, So habe ich doch nach ihrer Furstlicher gnaden begerung beide Prognostica, die du mihr zuschickest, (die ich doch nicht, wie du gemeinett hast, zuvor gehatt habe, dan ich niemals pflege solche practicen wider zu kauffen, noch zu lesen, ne bonas horas male collocem,) durchgesehen, den mangel, worahn es hafftett, das sie so widerwertige Judicia stellen, daraus zu suchen, vnd befinde, das sie in ihre Rechnung gar vnterscheidliche fundament gebraucht haben; dan der eine, nemlich Mollerus, bawett sein Calculation auf des hocherfarnen Copernici rechnung, der ander, Rosa, auff die alte durch des Königs Alphonsi in Hispanien liberalitet gemachte Tabeln, die man darumb die Alphonsinische nennett. Hirauß kömpt es, das der eine den anfang des Jhars in aequinoctio verno setzet ahm 10 tag Martii bey Neun vhr nach mittage, der ander ahm selbigen tag, aber vmb 2 Stunden nach der vorgehende Mitternacht, daß also zwischen beide ihre rechnung schier 19 gantze Stunden verlauffen, in welchen der himmel sich gar vil vorendern thutt, vnd kan gar ein ander Astrologisch Judicium darauß fallen, ebensowol als wen dar ein gantzes Jhar oder noch mehr zwischen wehre: Das darumb nicht zu vorwundern ist, das diese beide Astrologi in domino Anni nicht vberein stimmen, weil sie den auß der Figura Caeli introitus Solis in Arietem, wan daß vorbemelte aeqvinoctium vernum geschicht, pflegen herholen. Wiewol es auch lichtlich geschehn kan, das wan sie schon gleichmessige Tabeln vnd rechnungen volgeten, das sie gleichwoll in Dominis Anni vnd ihren gantzen Weissagungen gar widerwertige meinungen können fürgeben, das darauß leichtlich zu probiren ist, daß wan man hundertt der Prognosticken lisset, so befindett sich doch gahr selten, das einer mitt dem andern concordirett, dan sie bawen nicht alle auff gleichformige grundt ihn ihren Judiciis vnd haben vntherscheidliche process vnd ahnleitungen. Es sein auch diese astrologische weissagungen wie ein cothurnus, den man kan auff ein jeder Bein ziehen, gros vnd klein, wie man will, darumb ich auch niemals darvon ettwas Sonderlichs gehalten habe. Das ich aber Kong. Maj. meinen Gnedigsten Herren jhärlich ein solches Astrologisch Prognosticon untherteniglich zustelle, mus ich in dem nach ihre May. befell vnd willen

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thun, wiewoll ich selbst nicht vill darauf halte vnd nicht gerne mitt solchen zweiffelhafftigen praedictionibus vmbgehe, darin man die eigenttliche warheitt nicht durchauß erforschen mag, wie sonst in Geometria vnd Arithmetica, darauff die Astronomia durch hulff der vleißigen observation ihm lauff des Himels gebawet wirtt. Dennoch dieweill ihr Furstliche Gnade gnedichlich begertt von mir zu wissen, welchen von den beiden ich beifellig sey, was den dominis Anni also widerwertiger weiß von ihnen gestellet thutt ahnlangen, So kan ich hierauff nicht anders sagen, dan das ihrer beiden rechnung vnd iudicium gehtt auß ein vormeinten vnrichtigen grundt; dan weder die Alphonsinischen, noch die Copernianischen Tabeln, welchen sie folgen, geben den justen lauff der Sonnen, wie er ahn sich selbst am Himmel geschichtt, vnd ist hierinne kein geringe vnterscheidt, wie auß meiner eigenen Restitution vnd vornewrung in Rechnung des lauffs der Sonnen zu sehen ist, welche ich auf etzliche vorgehende Jharen durch große vnd rechtmeßige Instrumenten augenscheinlich vom Himel selbst her ab durch fleißige observation vnd warnemungen genomen habe, auß welchen sich befindet, das des Jhars Anfang in aequinoctio verno, darauß die Astrologi ihre vrtheil nehmen, geschicht ahm 10 tag Martii 8 2/3 stunde nach der vorigen Mitternacht, welchs bey 7 stunden speder ist, als Andreas Rosa gesetzt hat, und 12 stunden fruer, als Tobias Mollerus meinett, darauß den vhil ein andere Constitution des himels zur Zeitt des aequinoctii einfeltt, als ein jetzlicher von ihnen gefunden hat, worauff auch ein ander vrtheill folgett vnd auch wol andere domini Anni, wie sie es nennen, (darauß doch nicht vhil zu holen ist), mögen gesetz werden. Was aber meine meinung sey ahnlangende Astrologische gitzung vber dis kunfftige 88 Jhar, habe ich Königl. May. meinen gnedigsten Herren ihn einen geschriebenen Prognostick vnterteniglich auffgezeignett, welchs ich auch ihre Furstliche Gnade gerne wolte vnterteniglich mitteilen, aber ich hab keine vberige Exemplar darvon, wan ihr Furstliche Gnade lasset bey ihr May. darumb ahnlangen, wird ihr Furst. Gna. wol ein ab schrifft dar von bekomen. Ich bin darinne gentzlich nicht der meinung, daß solche gahr große vorenderunge in diesen negstkunftigen Jhar vorhanden sein, als die Astrologi auß etzlichen altten reimen, die sie den

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Regiomontano zumessen, furgeben, dan ich befinde im Constitution des Himels keine Sonderliche vrsachen darzu, sondern achte, das dis kunfftige Jhar wird den vorgehenden gleich meßig sein vnd in zimlichen guten wesen in allen Sachen sich erzeigen, aleine wo zuuor krieg vnd vneinigkeitt aufferweckt ist, dar möchte es wol ettwas weitter einreißen. Vnd kan ihr Furstliche gnade meine meinung vom Astrologischen judicio vber das gantze Jhar auß vorbemelten Prognostico, welchs ich Köng. May. meinen gnedigsten herren vnterteniglich habe zugestellt, weitter erfahren. Dis habe ich auff dein guttwilliges schreiben vnd beger nicht wollen vntherlaßen zu antworten. Bitte gar deutlich, du wollest vnbeschwert sein vnd mitt erster gelegenheitt ihr Furstliche Gnade hierauff meine antwortt vnd meinunge vnterteniglichen von meinettwegen zu vorstehn geben. Worin ich sonst ihre Furstliche gnaden zu willen vnd gefallen sein kan, bin ich alzeitt mitt aller deinstlichkeitt vnterteniglich erböttig.

Lieber Schwager, nach dem ich so gutte gelegenheitt habe, kan ich nicht vnterlaßen, dich in einer Sachen, dar ahn mihr vhil gelegen ist vnd darinne du mihr itzunder konnest behulffiich sein, zu besuchen, vnd gebe dir darumb gantz freundtlich zu wissen, das nach dem ich itzunder in meiner eigenen alhie angerichten Druckerey ein Astronomisk Buch lasse außgehn, waches zimlich groß wird fallen, vnd mihr baldt Druckpapir darzu von nötten mangeln wirt, vmb wes wegen ich meine botschafft auff vhil örten außgehabt vnd gleichwol keines der größe, wie zu dem wercke von nöten, bekommen können, habe ich darumb ergistern widerumb im Land zu Mechelburg dem laßen nachstellen, dieweill ich vormercke, das alda zu Graubow vnd Neustat zwey gutte papir=Mölen vorhanden sein, vnd habe die beide Ambtleuthe ahn den selbigen örtern, nemlich Johan Holdorp vnd Stellan Wakenitz, zugeschrieben, das sie wollen mihr so vhil zu gefallen sein vnd den papirmachern alda befehl geben, daß sie mihr mitt dem Allerersten etzliche Ballen Druckpapir nach der größe des vbergeschichten Forms wolten forfertigen, welchs ich dan zu danck ihnen will lassen bezahlen, so baldt ich es holen laße. Aber die weil ich diesen beiden Amptleutten villicht mach unbekantt sein, ist mein gantz fleißige bitte ahn Dir, Du wollest so woll thun vnd ihnen von meinet wegen hierumbe auch zuschreiben, das sie mihr darinne wolten zu gefallen sein, vnd du wollest auch so woll thun vnd einen

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von deinen gutten bekanten ahm Furstlichen hoffe zuschreiben, das er bey meinen Gnedigsten Hern Hertzog Vlrich wolle von meinet wegen vnthertenigen ahnlangung thun, das auß ihrer Furstlich Gnaden authoritet vnd befehl alles möchte mitt dem befurderlichsten zugehn, das ich mitt erster Müglichkeit 14 oder 15 Ballen papir alda auff ihr Furstliche Gnaden papirmöllen beckomen, nach solcher grösse und gestalt, wie ich dir hier neben ein proba schicke. Ich will gerne bezalen, was die papirmeister darfur haben sollen. Vnd du wollest darneben auch laßen vnterteniglich befördern, das ihr Furst. Gn. wolle mihr gnedichlich furgunnen, wan das papir fertig vnd bezalt ist, das es möchte von einen Amptman zum andern biß gen Rostock gefurett werden vnd alda den Hern Doctori Henrico Brucaeo vberlübert, das ichs von dannen mit dem allerersten schiff möchte hierein beckommen. Wan du mihr hierinne in der gestaltt zu gefallen sein wollest, wie ich auch ahn deinem gutten willen keinen zweifel trage, vnd mihr dis zuwege bringen, beide bey ihr Furstlichen Gnaden selbst vnd auch bey den Amptleutten, thetest du mir einen sonderlichen deinst vnd wolgefallen dar mitt, dan mihr gahr viell daran gelegen ist, das ich mitt dem ersten solch papir in einer gutten menge beckomen möchte. Vnd so ich in einiger sachen von meinen vormuegen dier jemals widerumb zu deinst und danckbarckeitt sein kan, wil ich alzeitt mehr dan guttwillig gefunden werden, vnd thue dich hier mitt sambt deiner lieben haußfrawen dem Almechtigen Gott befehlen. Du wollest auch meiner lieben Mutterschwester Fraw Maren und Deiner lieben Hausfrawe, ihrer tochter, von meinet wegen vhil gutter nacht sagen. Datum Vraniborg den 7 Decemb. Anno etc. . 87.

Tui amantissimus                               
Tycho Brahe                    
Manu ppr.                      

Erlig och Welbyrdig Mandt Henerich
Beloff thill spöttrop Kong.
Myt. Befalnings=Mandtt paa Skiffhuß
Min kere Swoger och synderlig
gode Wen ganske wenlig thilskreffnen.

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(Uebersetzt: Dem ehrbaren und wohlgebornen Mann Heinrich Below zu Spöttrup, Sr. Königl. Majestät Befehlshaber auf Skivehuus meinem lieben Schwager und besonder guten Freunde, ganz freundlich zugeschrieben.)

Nach den Original im Geh. und Hanpt=Archiv zu Schwerin.


Nr. 2.

Tycho Brahe an Herzog Ulrich von Meklenburg.

D. d. Prag. 1601. April 10.

Durchlauchtigster, Hochgeborner Furst, gnedigster Herr etc. . Ewer Furstl. Gnaden sein meine unterthenigste, gantzwillige Dienste ieder Zeit hochstes fleißes beuor. Vnd seitenmahl ich itzo einen eigenen Potten in Dennemarck abgehen laße, hab E. Furstl. gnaden ich mit dießem meinem geringen schreiben in Vnterthenigkeit zu ersuchen vnd deroselben vor die vielfaltige mir bezaigte gut vnd wohlthatten zu dancken mitt vmbgehen können etc. .

Waß dan meinem itzigen Zustandt betrifft, werden E. Furstl. gnaden denselben vnlangst auß meinem vorigen schreiben vmbstendiglichen vemomen haben, Darumb hie ferner zu wiederholen vnuonnötten etc. . Dan Ihre Rom. Keys. Mayt., mein allergnedigster Herr, nochmahlß (wie vor, ie lenger, ie mer) mir mit Allen keyßerlichen gnaden (Gott lob) gewogen, vndt haben erst neulich deß gewessen Reichs=Vice=Cancellarii Jacobi Curtii L. M. ansehenliche vndt statliche behausung, so ahn ainen hohen ortt eußerst an der königlichen Hauptstadt Prag gelegen vnd zehentausendt thaller zu meinem vnd des Studii Astronomici nutz mildtlichen kauffen laßen, wo alle meine Instrumenta, so ain Zeit lang in Ihr. Kays. Maytt. Lustgarten nahe beim Schloß gestanden, itzo conuenienti modo disponirt, auch ain Laboratorium pro spagyricis (!) exercitiis angerichtet wirt etc. .

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Ferner kan E. Furstl. Gnaden ich vnterthenigst nit verhalten, wie dieselben auch noch gnedigst werden wißen zu entsinen, daß vor ainem halben Jhar die summa von zehentausendt Reichsthallern, so der Jungen herschafft zu Mechlenburgk von mir gutwillig vorgestrecht, deroselben Rentmeistern Andreß Meiern durch meinen Vettern vndt Volmechtigen Derer Oerter Ecke (!) Bilden auffkundigen laßen, dan ich dießer Oerter Landtgütter eingekaufft, zu welcher entrichtung ich darzue vervrsacht worden, Worin dan E. Furstl. gnaden damahlß (inmaßen söllichs der pilligkeit gemeß) sich gantz gnedigst vnd willfharlich erzaigt, Ich auch alhie die Leutte darauff vertröstet habe. Anietzo aber werde ich von Herrn Doctore Gödellman, welchem ich die zehentausendt thaller hauptsumma sampt dem Interesse meinentwegen einzuenehmen volnkomblich commission gegeben, glaubwürdig berichtet, daß obgedachter Rentmeister nitt allein in der Summen, sondern auch deß schon verschienen interesse erstattung weigerlich befunden werde vndt andere große außgaben furwende.

Dieweiln dan E. Furstl. gn. alß hochstgedachter Jungen herschafft vormund darin gnedichst gewilfharet, sollichs auch ann ihme selbs pillich vndt ich andern Leutten darauff zuegesagt, Alß gelangtt an E. Furstl. Gnaden mein vnterthenigste gantz fleißige pitt, sie wollen nit geschehen laßen, daß meine wort zue nichte gemacht vndt ich dadurch an meinem biß dato wohllhergebrachten Nahmen vnd glimpff abbruch erleiden, Sondern mehrgedachte summa vndt interesse furderlichst, wofern sölliches vber hoffnung noch nitt geschehen, anhero vber kommen muege. Sölliches vmb E. Furstl. gn. (wozue dan Dero gnedigsten rhats ich mich vnterthenig getroste) eußerste mueglicheit gehorsambst zu verdienen, erkenne ich mich stetz schuldig vnd geflißen.

Thue hiemit E. Furstl. gn. sampt Dero vielgeliebten gemahlen zu glucklicher langwehrender regierung vndt zue deren ferneren fürstlichen gnaden mich vnterthenigst vndt getreulich entpfelen etc. . Datum P rag, den 10. Ap. A n mit Querstrich o 1601,

Ewer Furstlichen gnaden                                
vnterthenigster gantz williger     
Tycho Brahe Eigenhn.        

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Dem durchleuchtigsten Hochgebornen Fursten vnd Herrn Herrn Vldarich, Hertzogen zu Mechellenburgk, Fursten zu wenden, Graffen zu Schwerin, der Lande Rostoch vnd stargartten Herrn, Meinem gnedigsten Fursten vndt Herrn.

(L. S.)

Nach dem Original im Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin. - Das Siegel enthält einen Schild mit einem Pfahl (oder senkrechten Balken) und einen Helm mit einem wachsenden Adler mit ausgebreiteten Flügeln, wie es scheint; Umschrift: TYCHO - BRAHE. - Die Unterschrift zu der Namensunterschrift, welche allein von Tycho Brahe's Hand ist ist sehr undeutlich geschrieben und erscheint fast wie "Figechw" oder "Eigenchn", was ohne Zweifel durch "Eigenhn", d. h. mit "Eigenhand", zu erklären ist. Auch eine andere Schrift vom Jahre 1597 ist deutlicher unterzeichnet: "Tycho Brahe Egenhd". Sonst unterschreibt sich Tycho Brahe gewöhnlich mit lateinischen Buchstaben und Worten: "Tycho Brahe Manu ppr.", Was gewöhnlich in Deutsch durch "Mein Hand" oder "Eigen Hand" übersetzt zu werden pflegt.

 

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VIII.

Ueber

die wendischen Schwerine.

Nachträge zu den Jahrbüchern XXXII, S. 58 flgd.

Vom

Justiz=Canzlei=Director a. D. v. Bülow

zu Schwerin.


Bemerkungen

zu dem im XXXII. Jahrgange der Jahrbücher für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde S. 58-139 abgedruckten Aufsatze des Herrn Archivraths Dr. Beyer in Schwerin, über die wendischen Schwerine, im Besondern "6) Der Schwerin bei Röbel".

1) Die Vermuthung des Verfassers (S. 129), daß die auf der Wiebeking'schen Karte (eben so wie auf der großen Schmettau'schen Karte) am Fuße des Steinhorns unter dem Namen: "Bleder=Borg (= Berg)" verzeichnete Erhöhung richtiger, "Fleder=Borg (= Berg)" heißen werde, bestätigt sich als durchaus zutreffend. - Nicht nur im Munde aller Bewohner von Ludorf und Gneve heißt diese, jetzt in Ackerland verwandelte Erhöhung, im besondern am westlichen Abhange des Müritz=Ufers, der "Flederberg", sondern dieselbe ist auch unter diesem Namen auf der Directorial=Karte von Ludorf 1 ) verzeichnet; und sie trägt mit Recht diesen Namen, da an allen Abhängen derselben der sonst im Felde und Walde seltnere Fliederbaum in großer Menge üppig wuchert.


1) Die betreffenden Feldmarken von Ludorf, Gneve und Zielow sind auf Verordnung Herzoglicher Directorial=Commission 1765/66 von J. Fr. Werner vermessen, regulirt und kartirt.
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2) Wurde nun vielleicht der untergeordnete Götze "Pustecat" auf diesem Flederberge verehrt, so befand sich wahrscheinlich die erhabenere Tempelburg des gewaltigen Sieges=, Donner= und Todes=Gottes in unmittelbarer Nähe. Wir suchen sie auf der noch bestehenden Umwallung an der Nordspitze des von Beyer S. 128 näher beschriebenen sog. Steinhorns (auf den Karten auch "Steinholm" und "Steinhorst" genannt), welche den Namen des "Borgwalls" führt und unter dieser Benennung auch auf der Directorial=Karte von Ludorf verzeichnet ist. - Ein noch sichtbarer Wallgraben trennt die äußerste, mit Buchen und Eichen bedeckte Nordspitze dieses Vorgebirges von dem übrigen Hochwalde. - Am Fuße dieser Spitze führte früher eine (noch auf der Directorial=Karte verzeichnete) Reihe großer Steine einige Ruthen weit durch das Wasser der Müritz bis zu einer Stein=Pyramide (der "Pfahlort" genannt). Von dem "Borgwalle" und dem "Pfahlorte" aus sind die Linien nach den jenseitigen Ufern von Böck, Sitow etc. . gezogen, welche die Gerechtsame des Gutes Ludorf auf der Müritz nördlich begrenzen.

Nach einer mir berichteten, noch in Ludorf und der Umgegend herrschenden Sage ist auf dem Borgwalle ein "goldenes Götzenbild" von großem Werthe vergraben, und sind früher auf der Insel Schwerin weiße Pferde gehalten worden. Bei der dortigen Weihnachtsfeier erscheint noch immer der sonst bei den Meklenburgischen Ernte=Festen übliche Schimmel 1 ), auf welchem reitend Frau Holle (in Meklenburg "de Kinjes' ", d. i. "das Kind Jesus") und auch "der rauhe Klas" ("Ruklas") die Gaben oder Straf=Instrumente für die artigen oder unartigen Kinder bringen.

3) Die Reste der mittelalterlichen Burg des Geschlechtes von Morin finden sich noch einige hundert Schritte nordwestlich von Ludorf entfernt am Saume des sog. Altenhöfer Bruchs. Ein umwallter, waldbedeckter Hügel, von etwa 50 □Ruthen Grundfläche, wird ringsum von einem ziemlich tiefen Graben und auch von Teichen und Wiesen umschlossen und noch der "Schloßberg" genannt. Das Material des alten Schlosses soll nach dem dreißigjährigen


1) Der Schimmel wird dadurch hergestellt, daß sich zwei Männer um den Leib fest zusammen binden und sich vorüber bücken, indem sie sich mit den Händen auf Stäben stützen. Ueber dieses lebendige Gestell wird sodann ein weißes Laken gebreitet und das Kopfende (einem Pferdekopfe möglichst ähnlich) erhöht. Diesen nachgebildeten Schimmel besteigt dann der Reiter.
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Kriege zum Bau des jetzigen Herrenhauses in Ludorf verwandt sein. Doch steht man noch im Innern der Umwallung mehrere große Steine, Bauschutt u. dgl. Auf der Directorial=Karte ist auf der diese Umwallung zunächst begrenzenden Ackerfläche der "alte Hof" verzeichnet.

4) Nördlich von Ludorf am sog. "Kasbeer (Kirschen=) Bruche" liegt, etwa 20- 30 Ruthen vom Ufer entfernt, eine kleine Insel, die "Meyen=Burg" genannt. Diese Insel, auf welche vom Ufer aus ein aufgeschütteter, aber meistentheils von Wasser bedeckter Weg führt, ist am nördlichen Ende von einem Halbkreise großer, aus dem Wasser hervorragender Steine umgeben, deren größter auf der äußersten Nordspitze liegt und der "platte Stein" heißt. Auch auf dem kleinen, mit Bruchweiden bedeckten Eilande steht man noch mehrere ziemlich große Felsblöcke.

5) Interessant für den Alterthumsforscher möchten noch folgende Benennungen sein. Auf dem Theile der Feldmark Zielow, welcher jetzt zu Ludorf gehört, ist unweit des von Zielow nach Röbel führenden Weges eine Fläche mit dem Namen "im Thiergarten" (auf der Directorial=Karte und auf der großen Schmettau'schen Karte) bezeichnet. - Die Seebucht der Müritz zwischen dem Steinhorn und der Insel Schwerin heißt die "Zähner Lanke". - An dem westlichen Müritzufer des Gutes Gneven liegen, der Altstädter Marienkirche gegenüber, zwei ziemlich steile, mit Rusch und Busch bewachsene Abhänge, der "Kisken=Ort" und der "Perthum".

Ludorf, den 8. Juli 1868.

C. Ch. v. Bülow.     

 


Nachtrag

zu den Bemerkungen vom 8. Juli 1868, betreffend den im XXXII. Jahrgange der Jahrbücher für Mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde S. 58-134 abgedruckten Aufsatz des Herrn Archivraths Dr. Beyer in Schwerin "über die wendischen Schwerine", im Besondern: "6) der Schwerin bei Röbel".

Die gedachte Nordspitze des Ludorfer Vorgebirges "Steinhorn" bildet ein etwa 15 Fuß über dem jetzigen Wasserspiegel der Müritz erhabenes gleichschenkliges Dreieck,

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dessen oberer, stumpfer Winkel gegen Norden liegt und dessen Schenkel sich in einer Länge von etwa 70 Fuß nach Südost und Südwest erstrecken, während die untere Basis durch einen etwas nach außen bogenförmig gekrümmten Wallgraben von ungefähr 120 Fuß Länge gebildet wird. - Der Erdwall ist nach Innen aufgeworfen.

Bei dem sichtlich weit höhern Wasserstande der Müritz in der Urzeit bildete unstreitig das ganze Vorgebirge, mit Einschluß des Flederberges, eine Insel oder mindestens eine nur durch einen schmalen Landstrich mit dem Festlande verbundene, mithin leicht zu vertheidigende Halbinsel, indem damals ohne Zweifel das ganze große jetzige Steinborn=Bruch mit Wasser bedeckt war.

Noch viele Leute in Ludorf erinnern sich, daß in ihrer Jugendzeit sich auf dem sog. Borgwalle viele große bemooste Steine vorfanden, theilweise mit großen Absätzen zum Sitzen oder Aufsteigen, wie bei den sog. beiden Steinkanzeln am Steintanze bei Boitin.

Leider sind alle diese Steine (eben so wie die des unmittelbar unter dem Steinhorne belegenen sog. Pfahl=Orts), in neuerer Zeit zu Bauten in Ludorf etc. . abgefahren.

Die Frau von Schulse geborne von Knuth, auf Ludorf hat nun in diesen Tagen unter meiner Leitung gründliche Nachgrabungen auf dem bezeichneten sog. Burgwalle vornehmen lassen, indem zuerst der ganze Wallgraben bis zum Urboden (mithin in einer Tiefe von 3-4 Fuß) aufgeräumt, sodann im innern Raume des umwallten Platzes ein Kreuzgraben von etwa 2 Fuß Tiefe gezogen und endlich auch ein Theil des Walles der Länge nach bis zum Urgrunde durchstochen ward.

Es ist aber durchaus nichts Bemerkenswerthes gefunden worden, als auf dem Urboden des Wallgrabens:

1) mehrere sichtbare alte Feuerstellen von Holzkohlen und Schlacken, worunter meistens eine Schicht kleiner Feldsteine lag,
2) einige alte Pferde=Knochen.

Insbesondere sind keine Scherben von Töpfen oder Urnen entdeckt, so sorgfältig man auch darnach suchte.

Ein im Wallgraben, einige Fuß unter der jetzigen Oberfläche, gefundener Hirschfänger nebst Messer (beides von verrostetem Eisen mit hörnernen Heften) gehört offensichtlich neuerer Zeit an.

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Dieses positive und negative Resultat der Nachgrabung bestätigt aber die Vermuthung, daß diese Stelle kein wendischer Burgwall, sondern ein altheidnischer befestigter Opferplatz gewesen sei. - Die geschlachteten Opferthiere mögen im Wallgraben vom Volke gebraten und verzehrt sein.

Ludorf, den 14. November 1868.

C. Ch. v. Bülow.     

 

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IX.

Nachträgliches zu dem Aufsatze:

Doberan und Neu-Doberan.


Z u S. 25 bemerkt Herr Staatsarchivar Dr. Klempin, daß der Ausdruck "fratres uterini" in der Urkunde Swantopolks von 1248 nicht gegen seine Auffassung in Betreff der Identität der Herren von Kassubien Johann und Nicolaus mit den meklenburgischen Fürsten angeführt werden dürfe. Vielmehr entspreche er derselben vollständig unter der Voraussetzung der auch anderweit von Ducange nachgewiesenen Anwendung für Vollbrüder im Gegensätze zu ihren Stiefgeschwistern, die von einer anderen Mutter geboren wurden. Daß die beiden Brüder von derselben Mutter geboren wurden, besage das Wort uterini; daß sie von demselben Vater abstammen, lasse ihr Titel domini Cassubie erkennen: die Urkunde selbst gebe also an die Hand, daß die Fürsten Vollbrüder waren. "Sie müssen Söhne sein des dominus Cassubie, d. h. des Fürsten Heinrich Borwin II. von Meklenburg, der allein den Titel dominus Slavie führte. Von den beiden Brüdern an sich gebraucht, wäre der Ausdruck uterini überflüssig; Swantopolk will augenscheinlich einen Unterschied in dem Verwandtschaftsgrade der drei Geschwister untereinander hervorheben: beide Herren, Vollbrüder unter sich von demselben Vater und derselben Mutter (Christine), aber nur Halbbrüder der Mechthilde, welche von des Fürsten Heinrich Borwin II. ersten Gemahlin (Sophia? nach dem Register des Meklenburgischen Urkundenbuches) geboren sein wird".

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S. 26. Anm. 1, statt v. O. lies v. o.

S. 26. Ferner ist in der letzten Zeile des Textes 1251 statt 1257 zu setzen, wie auch in dem Citate auf S. 27 Anm. richtig angeführt ist.

S. 27 ist in der Anmerkung, wie auch der Zusammenhang lehrt, statt 1257 vielmehr 1267 zu lesen, welche Zahl ohne weiteres zu der auf S. 34 andersher gegebenen Nachricht stimmt. Herr Pastor Winter vermuthet, daß das Jahr 1251 für die Ueberweisung der Güter (an das Kloster Doberan zur Gründung des neuen Klosters) in Anspruch zu nehmen sein dürfte.

Dr. E. Strehlke.     

 

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X.

Nachträge und Berichtigungen

zu der Abhandlung

über die Stammtafel der alten Grafen
von Schwerin,

von

Dr. F. Wigger , Archivar.


Z u S. 61, Note 5. Auch das Hildesheimsche Necrol. giebt den 18. Juni als den Todestag eines Guncelinus comes. Mooyer versteht mit Wedekind einen Bruder Ekkehards von Meißen. Für den Grafen von Schwerin sprechen 1) seine Beziehungen zu Lüneburg und Hildesheim, 2) daß im Necr. Hild. auch benachbarte Grafen, Bernhard (von Ratzeburg) zum 18. October, Hermann von Lüchow zum 1. April, angemerkt sind. Guncelinus de Welferbotle steht beim 2. Februar verzeichnet.

Zu S. 64 oben. Der Hamburgische Propst Hermann, Graf v. Schwerin, starb am 7. Februar ("VII. id. Febr.", Necrol. Hamb. bei Langebek V, p. 390), frühestens 1228, spätestens 1230. (Lappenberg, Hamb. U.=B. I, Nr. 492 und 494.)

S. 67, §. 7. Z. 9, l.: "auch 1227 noch" (statt 1228).

S. 139, Stammtafel, unter Friedrich l.: 1231, statt 1228.

 

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