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Medaille und Wachsmedaillon des Herzogs Heinrich des Friedfertigen von Meklenburg,

vom
Archivrath Dr. Lisch in Schwerin.

Nachfolgende Zeilen haben den Zweck, einen Blick in die unübertreffliche alte Medaillenarbeit zu eröffnen; nicht ohne Werth ist für diese Darstellung die kleine Geschichte der Entdeckung des Verfahrens in einem einzelnen Falle.

Im Jahre 1828 erschien zu Wien: "Bildnisse der regierenden Fürsten und berühmter Männer in einer Folgereihe von Schaumünzen, zusammengestellt von C. G. Heräus". In diesem Werke ist auf Tafel 46, Nr. 1, auch eine silberne Medaille auf den Herzog Heinrich den Friedfertigen von Meklenburg (geb. 1479, reg. 1503 † 1552) abgebildet. Von dieser nicht sehr ausgeführten, aber doch charakteristischen Abbildung schenkte der verstorbene tüchtige F. W. Kretschmer, Gehülfe am königl. Münz=Cabinet zu Berlin, in einer großen Sammlung von ihm meisterhaft gezeichneter unedirter meklenburgischer Münzen dem Verein für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde im J. 1838 eine Abzeichnung und führte dadurch diese Medaille in die meklenburgische Numismatik ein. Nach allen Anzeichen war diese Medaille die älteste meklenburgische Medaille und wahrscheinlich von guter Arbeit, obgleich sie nur durch wiederholte Copie bekannt geworden war.

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Während des großen Schloßbaues zu Schwerin ward zu der mir Allerhöchst übertragenen Herstellung der fürstlichen Ahnengallerie das Bedürfniß guter Vorbilder des Herzogs Heinrich, welche in Meklenburg ganz fehlten, fühlbar; ich fand ein solches endlich zu Gotha, und später ein anderes zu Gripsholm. Diese Bilder waren zwar ganz gut, schienen aber etwas materiell aufgefaßt zu sein. Ich bemühete mich daher nach dem Originale der von Heräus bekannt gemachten Medaille und fand auch dasselbe, wahrscheinlich das einzige Exemplar, im kaiserlichen Münz=Cabinet zu Wien. Ich erhielt auf meine Bitten bereitwilligst einen guten Gypsabguß und überzeugte mich bei dessen Anblick, daß das Portrait dieser Medaille ein äußerst geistreich und kunstreich ausgeführtes Kunstwerk sei, welches einem Maler zu einem Bilde des Herzogs wohl dienen konnte. Freilich war die Medaille, welche ohne Zweifel modellirt und gegossen war, nicht ganz scharf ausgeprägt und hin und wieder, wie gewöhnlich, etwas gedrückt und abgescheuert. Der Gypsabguß that aber seine guten Dienste und ward dann vorläufig in der Münzsammlung niedergelegt.

Im Julii 1861 zeigte mir zu Nürnberg im Germanischen Museum der Freiherr von Aufseß ein Kästchen mit sieben äußerst zarten und meisterhaft ausgeführten Wachsmedaillons, welche das Museum kurz vorher erworben hatte, und unter denen sich auch das Bildniß des Herzogs Heinrich des Friedfertigen befand. Mit andern Arbeiten vollauf beschäftigt, konnte ich augenblicklich die Sache nicht weiter verfolgen; aber nachdem ich heimgekehrt war, tauchte in mir die Erinnerung an diese kleinen Meisterwerke wieder auf, und ich bat das Germanische Museum um Photographien von dem Wachsmedaillon des Herzogs Heinrich, welche mir auch bereitwilligst gesandt wurden. Zu gleicher Zeit machte das Germanische Museum den Fund der sieben Medaillons in dem "Anzeiger "des German. Museums" 1862, Nr. 8, Angust, S. 276, mit dem Holzschnitt eines der Medaillons, des Kurfürsten und Cardinals Albrecht von Brandenburg, bekannt.

Als ich den Gypsabguß der Wiener Medaille und die Photographie des Nürnberger Medaillons neben einander vor mir liegen hatte, überzeugte ich mich sogleich, daß die Medaille und das Medaillon dieselbe Arbeit seien oder vielmehr, daß die silberne Medaille ein Abguß von dem wächsernen Medaillon sei, welches sich wunderbarer Weise über 300) Jahre unversehrt erhalten hat.

Ich lasse zunächst die Betreibung nach den Mitheilungen des Germanischen Museums im Anzeiger folgen. "Mit

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einer eigenthümlichen, aber sehr wirkungsvollen Technik ist ein schwarzes, rundes Schieferplättchen als Unterlage für das eigentliche Bildwerk gebraucht, das ganz aus weißem Wachs in schwachem Relief an den Umrissen der Figuren ausgeschnitten ist. Die Umschriften, ganz wie auf Münzen und Medaillen angebracht, bestehen ebenfalls aus ausgeschnittenen Buchstaben aus weißem Wachs. Die Ausführung dieser Arbeiten zeugt von großer Wissenschaft. Das Relief ist sehr schwach, die Masse so dünn aufgetragen, daß an manchen Stellen der dunkle Grund durchscheint, und indem diese mit Absicht meistens auf den Hintergrund, oder die mehr zurückweichenden Flächen der Figuren vertheilt sind, ist mit der Plastik eine sehr wirkungsreiche Malerei verbunden".

Es sind sieben Medaillons, welche kürzlich in den Besitz des Germanischen Museums gekommen sind". Nach brieflichen Mittheilungen hat das Germanische Museum diese Medaillons aus dem Nachlasse des "kürzlich zu Erlangen verstorbenen Hofraths Böttiger erworben, welcher sie lange besessen hat; es läßt sich aber nicht mehr nachweisen, woher dieser sie erhalten hat". In dem "Anzeiger" berichtet das Germanische Museum weiter: "Sechs dieser Medaillons, deren Durchmesser sich von 1" 2'" bis 1" 9'" erstreckt, enthalten Bildnisse bekannter und unbekannter Personen, eins eine allegorische Darstellung. Die dargestellten bekannten Personen sind: Herzog Heinrich der Friedfertige von Meklenburg (1479 - 1552), Cardinal Albrecht von Brandenburg. Kurfürst von Mainz (1490-1545)". dessen Medaillon im Anzeiger abgebildet ist, "und Kurfürst August von Sachsen (1526-1586)". Die übrigen Medaillons sind bis jetzt noch nicht erkannt.

Ich will hier nur die Medaille auf den Herzog Heinrich den Friedfertigen von Meklenburg behandeln, weil diese bis jetzt allein eine klare Einsicht gewährt. Ich theile hier auf der folgenden Seite einen auf Kosten Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs Friedrich Franz II. von Meklenburg=Schwerin ausgeführten Holzschnitt von der Vorderseite und von der Rückseite der silbernen Medaille mit, die Vorderseite nach dem Original=Wachsmedaillon in Nürnberg, die Rückseite nach dem Gypsabguß den der silbernen Medaille in Wien 1 ).


1) Der Holzschnitt ist, soweit die Arbeit Gesichtsähnlichkeit und Haltung behandelt, leider nicht ganz nach Wunsch gelungen, da der nürnberger Künstler, welcher auch das Medaillon des Cardinals Albrecht geschnitten hat, während der Arbeit starb und diese von einem andern Künstler vollendet werden mußte.
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Abbildung der Medaille.

Ich bemerke hier vor allen Dingen, daß das Wachsmedaillon und die Vorderseite der silbernen Medaille durchaus in jeder Hinsicht identisch sind, mit Ausnahme daß die silberne Medaille ein wenig stumpfer ist, daß es daher einer Abbildung der Vorderseite der silbernen Medaille nicht bedarf; dagegen fehlt in Nürnberg ein Medaillon für die Rückseite der Medaille. Das Wachsportrait des Herzogs Heinrich ist äußerst charakteristisch und sehr klar und scharf ausgeführt; es ist ein Portrait im höhern Sinne des Wortes, unzweifelhaft eine Gesammtauffassung des Mannes. Das Wachsrelief ist nicht höher, als ein flaches Medaillonrelief und als das Relief auf der silbernen Medaille.

Es ist die Frage, zu welchem Zwecke das Medaillon angefertigt ist. Ich glaube, daß es ein Original=Portrait ist, um davon Formen zu nehmen, aus welchen beliebig viele Medaillen in Metall abgegossen werden konnten. Die Fürsten haben ohne Zweifel Auftrag zu Medaillen, welche auch zu "Gnadenpfennigen" benutzt wurden, gegeben und dem Künstler, welcher ohne gezeichnete Hülfsmittel die Portraits gleich in Wachs modellirte, persönlich dazu gesessen. Man sieht es der silbernen Medaille an, daß sie ein etwas stumpferer Abguß von dem Medaillon ist. Das germanische Museum wirft die Ansicht auf, daß es "bei der Feinheit und "Schärfe der Arbeit kaum glaublich scheinen könne, daß diese aus freier Hand auf den Grund aufgetragen sei, und daß man versucht sei zu glauben, daß das Bild zuerst vertieft in Metall ausgeführt" und hieraus in Wachs ausgedrückt worden sei. Jedoch fügt das germanische Museum hinzu, "bemerkt man in den Schieferplatten an einigen Stellen, wo das Wachs weggesprungen, leicht eingerissene Vorzeichnungen, so daß es. doch wahrscheinlich wird, daß die Bilder aus freier Hand

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"modellirt wurden". Ich glaube aber von vorne herein annehmen zu müssen, daß das Wachsmedaillon die erste, ursprüngliche Arbeit sei; denn theils lag es durchaus in der Arbeitsweise jener Zeit, die Medaillen zu modelliren oder in Stein oder Holz zu schneiden, um eine Form zu gewinnen, und dann zu gießen, theils würde sich eine so große Weichheit und künstlerische Vollendung durch Graviren in Metall gar nicht erreichen lassen. Die Schönheit der alten Medaillen beruht wesentlich grade darin, daß sie als Portraits von bedeutenden Künstlern modellirt und dann gegossen wurden. Eine technische Schwierigkeit bestand allein darin, von dem zarten Wachsmedaillon eine Form zum Abgießen zu nehmen; aber diese werden die gewandten Techniker jener Zeit auch wohl zu überwinden gewußt haben. Sonst bliebe noch immer die Annahme übrig, daß das Wachsmedaillon nur als Vorbild für gleiche Medaillons in Holz, Speckstein u. dgl. gedient habe, um von diesen Formen zu nehmen. Das nürnberger Wachsmedaillon ist ohne Zweifel das Original und das einzige Exemplar dieser Art, welches existirt hat. Es wurden bei dem Künstler metallene Medaillen in gewisser Anzahl bestellt und zur Anfertigung dieser behielt er das Originalmodell zurück; dadurch erklärt es sich auch, daß so viele Wachs=Medaillons, welche in der Zeit gewiß weit aus einander liegen, so lange Zeit beisammen blieben. Ich kann daher mit dem German. Museum nicht glauben, daß diese Wachsmedaillons als "Portraits" vervielfältigt und zum "Kaufe" aufgeboten wurden.

Ob die Rückseite der silbernen Medaille mit dem meklenburgischen Wappen von demselben Künstler modellirt sei, läßt sich nicht bestimmen; es ist aber sicher, daß die Rückseite mit Rücksicht auf das Wachsmedaillon ausgeführt ist, da auf derselben die Umschrift in gleicher Weise fortgeführt ist. Wahrscheinlich ist es, daß die Rückseite ein anderer, mehr untergeordneter Künstler modellirte.

Daß aber die Vorderseite der silbernen Medaille von dem Wachsmedaillon abgeformt ist, geht, außer der völligen Portraitgleichheit, aus allen Eigenthümlichkeiten der Umschrift, z. B. DV: ftatt DVX:, aus der Stellung der Buchstaben, der Interpunction und allen andern Umständen unbezweifelt hervor.

Von Wichtigkeit ist die Beantwortung der Frage nach der Zeit der Verfertigung dieser Medaille auf den Herzog Heinrich. Vorausgesetzt, daß alle Wachsmedaillons von einem und demselben Künstler herrühren, so ist das Medaillon des Kurfürsten August von Sachsen das jüngste, da dieser als

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Kurfürst (elector) bezeichnet wird, zu der Würde aber erst 1553 gelangte; doch muß nach Tracht und Gesichtszügen das Bild bald nach dieser Zeit aufgeführt sein. "Die andern "Portraits sind wahrscheinlich älter." Das Portrait des Herzogs Heinrich giebt aber vielleicht einen Anhalt für den frühesten Zeitpunkt der Anfertigung. Der Herzog erscheint auf dem Medaillon in seinen besten Mannesjahren, eher jung, als alt. Ich möchte annehmen, daß er höchstens 50 Jahre alt gewesen sei, als das Bild modellirt ward. Dann würde dieses im J. 1530 ausgeführt sein. In diesem Jahre war aber der Herzog auf dem Reichstage zu Regensburg (vgl. Jahrbücher des Vereins für meklenburg. Geschichte XXVI, S. 17), und es ist sehr wahrscheinlich, daß er sich während dieses Reichstages oder während eines andern in der Zeit nahe liegenden hat portraitiren lassen. Ganz gleich mit diesem an Größe und Technik ist das Medaillon des Cardinals Albrecht, welches jedenfalls mehrere Jahre vor 1545 gemacht sein muß. Man ist also genöthigt, die Ausführung dieser beiden Medaillons in die Zeit um das Jahr 1530 oder spätestens zwischen 1530 und 1540 zu setzen. Daß die Medaillons in Süddeutschland gemacht sind, beweiset sowohl der Styl in jeder Hinsicht, als auch die Gegend der Wiederauffindung; denn wahrscheinlich sind sie immer in dem jetzigen Baiern geblieben. Jedenfalls aber besitzen wir in diesen Medaillons Kunstwerke aus der besten Zeit der nürnberger Kunst.

Die Medaille ist aber dadurch von besonderm Werthe, daß sie ohne Zweifel die älteste und beste Medaille einer meklenburgischen Person ist, und einen seltenen und noch klaren Blick in das Kunstverfahren und die Meisterschaft der besten Zeit der deutschen Kunst eröffnet.