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Die Kirche zu Zurow.
Zurow, früher auch Surow genannt, war in älterer Zeit ein Ort von Bedeutung, als dort oder in Beidendorf die Ritterschaft des Herzogthums Meklenburg tagte. Dem entspricht die Kirche, welche, die Bauten aus der Romanischen und Uebergangs=Periode abgerechnet, zu den vorzüglichsten Landkirchen in der Umgegend von Wismar gehört.
Die Kirche hat einen fünfseitig aus dem Achtort formirten Chorschluß. Chor und Schiff spielen gleich. Die Länge vom Chorschlusse bis zur westlichen Wand im Lichten ist der zwiefachen Chorweite gleich, welche 30 hamb. Fuß betragen wird. Der Chorschluß ist mit einem entsprechenden sechskappigen Gewölbe, das Schiff mit drei Kreuzgewölben, welche glatte Schlußsteine und Rippen und Gurte haben, die einen Stab zwischen zwei Platten zeigen, überdeckt. Gurte und Rippen steigen von fünfseitig aus dem Achtort kapitälartig gebildeten Kragsteinen auf, die auf Diensten von freilich ziemlich schwerer Bildung ruhen, was um so mehr hervortritt, da die Blendung der Mauer bis dicht an die Dienste herangeht, und alles mit dem eintönigen Weiß übergesudelt ist, während früher der weißliche Kragstein, wie der glasurte Träger des Dienstes den Dienst als solchen schärfer hervorhoben. Die Dienste steigen nämlich nicht von der Erde auf, sondern von Auskragungen, die in dem auch im Innern rings umher laufenden Kaffsimse angebracht und zu dem Ziegel vom Schrägsimse angewendet sind, so daß die Wand unterhalb des Kaffsimses nicht unterbrochen ist, außer durch Blenden, welche mit flachen Bogen geschlossen, unterhalb jeden Fensters angebracht sind.
Die den drei Kreuzgewölben und dem fünfseitigen Chorschlusse entsprechenden elf Fenster, welche wie die Thüren mit einem Spitzbogen von edler Form geschlossen sind, sind nicht breit und einpföstig; während sie natürlich im Chorschlusse fast den ganzen Raum zwischen den Diensten ausfüllen, haben sie im Schiffe an jeder Seite eine Wandfläche, die ziemlich eben so breit ist, wie sie selbst. Die Schmiegen sind sehr einfach durch zwei Platten gegliedert. An der westlichen Wand, wo auch eine Fensterblende ist, ein wirkliches Fenster aber wahrscheinlich nie war, sind keine Platten an der Schmiege.
Den Diensten entsprechen außen eben so viele Strebepfeiler, nämlich zwölf. Sie haben mit der Mauer zusammen das Schrägsims und das Kaffsims. Ersteres ist durch Ziegel gebildet, welche eine viertel Hohlkehle und einen viertel Stab durch einen Absatz verbunden zeigen, und zwar durch zwei Lagen solcher Ziegel, die
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durch eine Lage gewöhnlicher Ziegel getrennt sind. Das Kaffsims ist von gewöhnlicher Bildung; zu bemerken ist nur, daß an der Stirn der Pfeiler seine Wasserschräge sich noch eine Schicht höher hinauf zieht. Das Tragesims ist richtig und gut gebildet; das Pfeilersims, wie es scheint, besteht in einer bloßen Vorkragung.
In der Mitte des westlichen Giebels befindet sich die eine Thür, der Haupteingang, und unter dem dritten Fenster nach Süden eine zweite eben so große und mit einer gleichen gut gegliederten Schmiege versehene Pforte, welche von dem Kaffsims umrahmt werden.
Das Dachsims ist am größten Theile bloß durch einfache Verkragung gebildet, nur an den drei mittleren Seiten des Chorschlusses zeigt diese eine Platte.
Das Dach zeigt eine besondere Eigenthümlichkeit. Es ragen nämlich mehrere, nicht alle, die Sparren tragenden Queerbalken über die Mauern hinaus und sind dort dann mit kleinen, nach den Seiten abfallenden Schirmdächern geschützt. Man hat nämlich die im Innern angebrachten Balkenanker noch nicht für stark genug angesehen, und deshalb an die überragenden Queerbalken rechtwinklig nach unten Klötze angebracht, so daß auch diese Queerbalken als Anker zugleich wirken und ein etwaniges Ausweichen der Mauern verhindern.
Der Thurm steht mit der Kirche nicht im Mauerverband; er ist sichtlich jüngeren Datums, auch nicht ursprünglich projectirt.
Er hat nicht die volle Breite der Kirche, sondern ist schmaler. Er hat zwei Stockwerke, keinen Helm, sondern nach Westen und Osten Giebel, und ist mit einem nach Norden und Süden abfallenden Satteldach bedeckt. Ein Schrägsims hat er nur an der Westseite, doch ist es schon sehr verwittert, so daß eine Gliederung sich kaum erkennen läßt. Die Gliederung der Thürschmiege ist dagegen gut erhalten. Sie ist aber sehr manierirt und besteht bloß aus Stabwerk ohne alle Hohlkehlen und Platten, so daß es an der gehörigen Abwechselung von Licht und Schatten mangelt, woraus denn auch eben das spätere Datum des Thurmbaues hervorgeht.
Das erste Stockwerk, welches weder vom Erdgeschoß noch von dem zweiten Stock durch ein Sims oder ein Band geschieden ist, empfängt sein Licht von den drei freien Seiten durch je ein von einem Spitzbogen eingeschlossenes Lukenpaar; beide sind ohne Gliederung. Das zweite Stockwerk hat nach allen vier Seiten je zwei Lukenpaare, deren jedes ebenfalls von einem Spitzbogen eingeschlossen ist. Diese sind aber reich ornamentirt,
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denn außer, daß die Bogen sowohl wie die Luken mit Stäben eingefaßt sind, ist auch in der Spitze des Bogens ein glasurtes sechsstäbiges Rad angebracht, und die Einfassung aus abwechselnd rothen und glasurten Ziegeln gebildet. Auch zwischen den beiden Bogen ist ein Rad angebracht und eben so sind die beiden Giebel mit solchen Rädern und Bändern aus glasurten Ziegeln, welche Vierpässe bilden, reich, wenn auch freilich in etwas roher Weise, geschmückt. Ob das Satteldach ursprünglich projectirt war, ob man vielleicht noch einen Dachreiter darauf setzen wollte, oder ob man einen vollständigen Helm beabsichtigte, das läßt sich jetzt nicht wohl entscheiden; der Umstand, daß der Thurm mit einem Helm zu sehr gegen die Kirche dominirt haben würde, kann gegen die letztere Annahme nicht eingewandt werden, da in späterer Zeit, wo man in der Höhe der Thürme etwas suchte, ein solches Mißverhältniß übersehen wurde. Das zweite Stockwerk sammt den Giebeln stammt aber sicher aus späterer Zeit, wie der Charakter der Architektur hinlänglich zeigt, und zwar wahrscheinlich aus der ersten Hälfte des 15. Jahrh., während der untere Theil des Thurms aus dem Ende, die Kirche aus der ersten Hälfte des 14. Jahrh. sein wird.
Der Altarschrein ist noch aus der katholischen Zeit. Das Staffelbild ist fast gänzlich zerstört und mit einer bemalten Leinewand jetzt überzogen. Der mittlere Theil zeigt in der Mitte links Christus, in der einen Hand die Weltkugel, die andere erhoben, auf einem Thronstuhl sitzend, zu seiner Rechten die h. Jungfrau ebenfalls sitzend, mit zum Gebet erhobenen Händen. Im rechten äußeren Winkel steht die h. Anna, links neben Christus Johannes der Evangelist, beide unter einem Baldachin, der über der Mittelgruppe fehlt. Die Flügel enthalten jeder in zwei Reihen über einander 6 männliche Heilige, wahrscheinlich die zwölf Apostel, doch sind nur Petrus, Johannes, Andreas und Bartholomäus noch zu erkennen, da den übrigen die Attribute fehlen. Diese 4 Figuren stehen unter einem Bogengehänge.
Auf der Rückseite der Flügel finden sich je zwei Darstellungen aus der Passionsgeschichte; auf dem linken Flügel oben Christi Geißelung, unten die Kreuztragung. Auf dem rechten Flügel scheint oben die Theilung des Rockes durch die Kriegsknechte, unten Pilatus, der sich die Hände wäscht, dargestellt zu sein.
Alles ist sehr beschädigt und man hat sich den Altarschrein nicht etwa in der Pracht des Goldes und der Temperafarben zu denken: der Grund ist vielmehr mit blauer Leimfarbe und die Figuren sind mit rother, grüner, brauner u.a. Oelfarbe übergepinselt, so daß dieselben jetzt einen zum Theil recht ab=
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scheulichen Eindruck machen. Ueber dem Ganzen stehen auf einem Brette mit erhabenen Buchstaben die Worte:
Die Arbeit gehört in das Ende des 15. Jahrhunderts.
Der Erwähnung werth ist noch das oberhalb des Chorschlusses oben auf dem Dache angebrachte eiserne Kreuz, als ein treffliches Beispiel künstlerischer Tüchtigkeit der alten Schmiede. Auch die Beschläge der Thüren sind alt und, wenn auch nicht besonders kunstreich, so doch von ansprechender, hübscher Form.
C. D. W.