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Bronzen von Retzin
in der Priegnitz,
und
Eidring und Bronzeguß.
Vor etwa drei Jahren wurden beim Bau der Chaussee zwischen Perleberg und Pritzwalck zu Retzin "in einem Loche unter Steinen" mehrere bronzene Alterthümer gefunden, welche zuerst in den Besitz des Eigenthümers, des Freiherrn Gans zu Putlitz auf Pankow, kamen und von diesem durch Geschenk an den Herrn Pastor Ragotzky zu Triglitz bei Putlitz, correspondirendes Mitglied unsers Vereins, der sie der Sammlung des Vereins schenkte. Diese Bronzen, welche ein edler Rost bedeckt, sind wegen ihrer Seltenheit von großem wissenschaftlichen Werthe:
1) Ein sogenannter
Eidring aus Bronze.
Die bisher bekannten sogenannten Eidringe sind von Gold (vgl. den vorhergehenden Artikel über den goldenen Eidring von Woosten); es sind starke, massive, ovale Goldringe, welche an einer Seite geöffnet sind und in den beiden Enden in zwei Halbkugeln zusammenstoßen. So sind die dänischen Eidringe (vgl. Sorterup Kurze Uebersicht der Alterth. im Kopenhagener Museum, S. 47, und Leitfaden zur Nord. Alterthumsk. S. 43); so war der in Meklenburg bei Bresegard gefundene große Goldring, welcher in Jahrb. IX, S. 383, abgebildet ist. Der bei Retzin gefundene Bronzering gleicht ganz dem bei Bresegard gefundenen Goldringe an Gestalt und Größe: er ist ebenfalls nicht rund, sondern oval, im Innern ebenfalls so weit, nämlich 4" in der Länge und 2" in der Breite. Der Ring von Retzin ist jedoch von Bronze, hohl gegossen und nach innen der Länge nach offen; ferner treffen die beiden Enden in einer großen, hohlen, ganz geschlossenen Kugel zusammen, und die sonst herkömmlichen zwei Halbkugeln sind durch Relieflinien angedeutet: der Ring ist also ein zusammenhangendes Ganzes. Es ist also
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hiedurch dargestellt, wie eine Kugel von zwei Halbkugeln gehalten wird. Diese Darstellung würde einen treffenden Beweis dafür geben, daß die beiden Halbkugeln an den geöffneten goldenen Eidringen dazu bestimmt gewesen sind, etwas zu halten (vgl. den voraufgehenden Abschnitt). - Der Ring von Retzin ist nach oben und unten hin sehr künstlich und reich durch Reliefs und Gravirungen verziert. Nach jeder Seite hin läuft zunächst um die äußerste Ausbauchung ein erhabener, glatter Reif, an welchem zu jeder Seite eingravirte, kurze Queerstriche stehen. In einiger Entfernung steht ein erhabener Reif, der durch eingravirte Queerlinien das Ansehen eines gedreheten Seiles hat; zwischen diesem Ringe und dem innern Rande steht ein, wie das letztere verziertes und mit demselben zusammenhangendes Band, welches in diese antike Form gelegt ist:
Eben so ist der Knopf oder die Kugel zu beiden Seiten verziert. Die Enden des Ringes vor der Kugel sind mit eingravirten Zickzacklinien verziert, welche zwischen Queerbändern von mehrern parallelen Linien stehen.
2) Ein Fragment eines bronzenen Kopfringes von der ausgezeichneten Beschaffenheit, wie der in Jahrb. XIV, S. 318, oben, abgebildete seltene Kopfring von Kreien. Das Fragment ergiebt, daß diese Ringe durch 4 rechtwinklig an einen dicken Drath gesetzte, 1/2" lange Flügel gebildet und dann gewunden sind, woraus die regelmäßigen, stark hervorragenden Windungen entstehen.
3) Ein kleiner, hohler, nach innen geöffneter bronzener Ring, 1" im Innern und 2" im äußern Durchmesser, ganz glatt, ganz so groß und so gebildet, wie der in Jahrb. XIV, S. 318, in 1/3 Größe dargestellte colossale Armring
von Kreien; es fehlt 1/3 des Ganzen, welches ausgebrochen ist. Wozu dieser Ring bestimmt gewesen sei, läßt sich nicht
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nicht ermitteln. Er ist hohl, von sehr dünnem Metall und in der Oeffnung und Politur meisterhaft gearbeitet. Das Innere ist ganz mit festem, wie es scheint, durch Hitze erhärteten Thon gefüllt; diese feste Füllung ist ohne Zweifel der Kern, über den der Ring gegossen ist, und wir haben hier einmal ein höchst wichtiges Stück für die Einsicht in die Technik und Kunstfertigkeit der Alten, und zugleich den Beweis, daß die vortrefflichsten Kunstsachen hier im Lande verfertigt wurden. Es leidet keinen Zweifel, daß die in dem Ringe sitzende Füllung der ursprüngliche Kern ist, denn eine meisterhaft eingeschnittene Thonerhöhung mit begleitenden Rinnen (Nuth), durch welche die innere Oeffnung des Ringes hervorgebracht ward, ist in ihrer Technik und glatten Vollendung fast noch ganz erhalten. Wir haben hier also ein Stück, wie es aus der Gußform gekommen ist und den Gußkern von Thon im Innern noch birgt; das Ganze ist aber so glatt, glänzend und vollendet, als wenn es eine vollendete Politur erhalten hätte, die jedoch nur durch den reinen Guß in Thon hervorgebracht ist. Das Metall ist sehr dünne, so dünne, wie starkes Papier; eben so dünne ist das Metall des mit feinen, gegossenen Reliefs bedeckten Eidringes. Alle Metallarbeiter erklären, daß es unmöglich sei, so etwas zu gießen; doch den neuern Metallarbeitern ist vieles unbegreiflich, was die Alten, trotz der Beschränktheit an Hülfsmitteln, mit Leichtigkeit übten. Zugleich geht aus diesem Stücke hervor, was auch schon längst aus vielen andern Beobachtungen und Zeichen feststeht, daß die dünnen Bronzegeräthe der Alten nicht aus Blech gebogen, sondern gegossen sind.
Dieser Fund von Retzin hat viel Aehnlichkeit in Form und Bedeutung mit dem oben erwähnten Funde von Kreien, welches nicht weit von Retzin entfernt ist.
G. C. F. Lisch.