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VI.

Ueber

Christian Heinrich Paulßen,

Hauptmann und Kammerrath des Herzogs
Carl Leopold,

von

G. C. F. Lisch.


D er Hauptmann und nachmalige Kammerrath Christian Paulßen spielt in der Geschichte des Herzogs Carl Leopold eine zu merkwürdige Rolle, als daß sein Leben nicht genauer bekannt zu werden verdiente, um so mehr, da es bisher fast ganz im Dunkeln lag und eine Verbindung zwischen dem "Hauptmann", dem "Abgesandten" und dem "Kammerrath" Paulßen früher nicht klar zu erkennen 1 ) war, obgleich alle drei dieselbe Person sind.

Er stammte wahrscheinlich aus Holstein, da er von dort nach Meklenburg gekommmen war, seine erste Frau dort starb, seine Schwester sich dahin zurückzog und sein Sohn später in Jütland in dänischen Diensten stand. Christian Heinrich Paulßen diente zuerst in der kaiserlichen Armee. Im J. 1717 kam er, wie später sein Sohn sagte, aus Holstein mit 60,000 Thlrn. nach Meklenburg, um hier das Domainengut Redevin pfandweise auf gewisse Jahre in Pacht zu nehmen, kam aber nicht dazu, obgleich der Contract schon abgeschlossen war, indem er sich auf "dringen=


1) Noch in meiner Schrift: "Graf Heinrich 24. Reuß etc. ." habe ich S. 18 diese Person nicht in bestimmten Zügen vorführen können.
Er unterschreibt sich gewöhnlich nur Christian Paulßen, jedoch auch mitunter C. H. Paulßen nicht C. W. Paulßen, wie in meiner erwähnten Schrift S. 49 irrthümlich gelesen ist. - In frühern Zeiten schreibt er sich auch Pauelßen.
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den Antrag" veranlaßt fand, bei dem Herzoge Dienste zu nehmen. Jedoch bevollmächtigte im J. 1718 der Herzog "seinen Hauptmann und künftigen Administrator der gesammten redevinschen Pertinentien," einen verpfändeten Theil von Redevin wieder einzulösen.

Es trat während der Pachtverhandlungen mit Paulßen grade der Zeitpunkt ein, wo der Herzog gegen die zu Ratzeburg sich aufhaltenden Mitglieder des Engern Ausschusses und gegen alle ihre Anhänger, die einen eidlichen Revers nicht unterzeichnen wollten, daß sie dem zu Ratzeburg sich aufhaltenden sogenannten Engern Ausschusse nicht anhangen wollten, mit der größten Strenge verfuhr, indem er ihnen ihre Güter nahm und diese unter Administration stellte. Nun fehlte es ihm an tauglichen, ihm anhangenden Leuten, welche das gefährliche Werk anfassen konnten, die eingezogenen Güter zu administriren. Zu einem Hauptwerkzeuge hiezu ersah er den Christian Paulßen.

Am 29. April 1718 ward Paulßen von dem Herzoge Carl Leopold als "Hauptmann" zur Administration des dem Obristlieutenant von Bassewitz gehörenden, von den herzoglichen Commissarien unter dem Vorsitze des Canzleiraths Dr. Amsel zwei Tage vorher in Besitz genommenen Gutes Kl. Walmstorf, so wie mehrerer anderer im Amte Grevismühlen belegenen Güter, welche die Commissarien schon in Besitz genommen hätten oder noch in Besitz nehmen würden, angestellt. Amsel schreibt: "Wir wollen dem Herrn Oberstallmeister (v. Bülow zu Rolofshagen) den rechten Ernst methodice empfinden laßen; nur fehlen administratores."

Paulßen trat am Tage seiner Anstellung sein Amt als Ober=Administrator der sequestrirten ritterschaftlichen Güter des Amtes Grevismühlen an. Er hatte in diesem Amte jede Woche 45 Güter zu bereiten und zu beaufsichtigen, monatlich 4 bis 5000 Thaler einzunehmen und zu verwalten, überall Justiz zu administriren, dem Waldowschen Regimente Fourage zu liefern und demselben Quartiere anzuweisen u.s.w. Er selbst nahm seinen Sitz zu Walmstorf, über das er auch selbst die Specialaufsicht führte; auf den übrigen Gütern hatte er Unter=Administratoren, Schreiber u.s.w. Er war jedenfalls, wie auch seine fernere Laufbahn zeigt, ein sehr befähigter und in seinem Amte zuverlässiger Mensch; auch ist es nie erwiesen, daß er seine Stellung zu seinem Vortheile gemißbraucht habe: er handelte strenge nach den Befehlen seines Herrn, und daß man später Geld und Gut in seinem Besitze fand, konnte nicht als Beweis gegen ihn geltend gemacht werden, da er ein sehr vermögender Mann war. Paulßen war auch die Hauptperson unter den

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Administratoren; jedoch war er nicht formell "Hauptmann aller Ober=Administratoren", wie Franck 1 ) meint, sondern nur Hauptmann der Güter im Amte Grevismühlen. Jedoch nennt er sich selbst auch ein Mal "Landeshauptmann" und hatte ohne Zweifel bedeutenden Einfluß auf die Administration aller eingezogenen Güter überhaupt.

Die Schwester seiner Frau war Margarethe Francken, eines Amtsverwalters Wittwe, welche auf dem nahe bei Walmstorf liegenden Gute Güldenhorn 2 ), jetzt Christinenfelde, bei Klütz, wahrscheinlich als Pächterin, wohnte.

Paulßen hatte durch die Annahme seines Amtes viel zu leiden und der Hauptgrund seiner Leiden war, daß er grade das Gut Walmstorf zu administriren hatte. Der Besitzer desselben, der Obristlieutenant Joachim von Bassewitz, war nämlich einer der Hauptführer der meklenburgischen Ritterschaft. Als im Juli 1716 die Russen ins Land rückten, sollte auch der Obristlieutenant Joachim von Bassewitz, welcher Klosterhauptmann zu Dobbertin war, auf seinem Gute gefänglich eingezogen werden; sein gerade anwesender Sohn, der Obristlieutenant Dethlof Hans von Bassewitz, stellte sich aber für seinen Vater und ward irrthümlich für diesen gefangen genommen 3 ) und so entkam der Vater. Es wurden dieser von Bassewitz, der Kammer=Junker von Pederstorff auf Barnekow, der Obristlieutenant von Oertzen auf Roggow und von Plessen auf Barnekow gefangen. Nach vielen Verhandlungen wurden sie am 20. Sept. 1716 von den Russen zu Güstrow ihrer Haft entlassen, aber sogleich wieder von dem Herzoge Carl Leopold gefangen genommen und zu Rostock im weißen Collegium eingesperrt, bis sie am 20. Oct. entlassen wurden. Auf das Gerücht von der Verhaftung dieser Mitglieder der Ritterschaft, flohen alle adeligen Gutsbesitzer mit Frauen und Kindern aus dem Lande und nahmen mit sich, was fortzubringen war. Mehrere Mitglieder des Engern Ausschusses setzten sich zu Ratzeburg als Engerer Ausschuß fest, nämlich der Landrath von Lehsten auf Dölitz, der Landmarschall Levin Hahn auf Remplin und der Obristlieutenant Klosterhauptmann von Bassewitz 4 ) auf Walmstorf. Auf diesen Schritt griff der Herzog zu den strengsten Maßregeln und nahm zuerst die Güter dieser drei Edelleute und nach und nach die Güter der übrigen in Besitz, sobald sie den Revers nicht unterschreiben wollten. Da=


1) Vgl. Franck A. u. N. Meckl. XVII, S. 150.
2) Vgl. Lisch "Graf Heinrich 24. Reuß" S. 49.
3) Vgl. Franck A. u. N. Meckl. XVII, S. 78 flgd.
4) Vgl. das. S. 88 flgd.
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her hatte auch Paulßen von den von Bassewitz unendlich viel zu dulden.

Seit der ersten Flucht des Adels war von dessen Gütern weggeschafft, was nur möglich war. Bei der Inventirung zu Walmstorf fand man nur Tapeten an den Wänden, einige alte Tische und Stühle und einige verschlossene Schränke, in denen sich einige alte Kleider, zerbrochene Gläser und "Knocken Flachs" und andere Kleinigkeiten fanden. Paulßen sagte, er gebe für die ganze Bettelei nichts.

Sogleich beim Einrücken der hannoverschen Executions=Truppen nahmen die Edelleute die Administratoren scharf aufs Korn. Am 5. März 1719, also am Tage vor dem Gefechte bei Walsmühlen, ward Paulßen durch ein hannoversches Commando des Obersten Lucius gefangen, ihm auch seine ganze Habe an Mobilien, Briefschaften etc. . zum Werthe von 1500 Thlrn. abgenommen, und nach Wismar gebracht, wo er in sehr harter Gefangenschaft mit schweren Banden an 11 Wochen "macerirt" ward. Zu gleicher Zeit wurden acht andere Administratoren 1 ) und Aufseher: Mathias Joachim Dabelow von Barnekow und Flimstorf, Jacob Piper von Harkensee, Hinrich Schröder von Köchelstorf, Gabinus Hofmeister von Zierow, Christian Böcke von Blengow, Joachim Christian Millies von Gnemern Hans Hinrich Lassow von Besendorf und Lüder Hinrich Schmidt gefänglich eingezogen.

Hierauf wurden alle gefangenen Administratoren unter militairischer Bedeckung nach Rostock abgeführt, wo sie zuerst in ein "dunkles, sordides carcer geworfen" und dann von einem Logis in das andere gebracht wurden, in welchem die mit Seuchen behafteten Russen gelegen hatten und man es vor Gestank nicht aushalten konnte. In Rostock wurden die Gefangenen von der hannoverschen Commission in Behandlung genommen.

Die Edelleute machten bei der Commission Privatklagen gegen die Administratoren über deren Amtsverfahren anhängig, und die Commission nahm diese Klagen an. Hier kann uns nur das Verfahren gegen Paulßen interessiren.

Der Obristlieutenant von Bassewitz stellte gegen Paulßen eine Privatklage wegen Detereorirung (puncto praetensae deteriorationis) des Gutes Walmstorf an. Es ward Paulßen vorgeworfen, er habe das Inventarium "dolose" nicht ordentlich durch einen Notarius machen lassen, wogegen Paulßen einwandte, er habe sechs Zeugen zugezogen, weil kein Notarius zu haben gewesen sei, und die Inventarien auf fürstlichen Befehl vor den


1) Ueber die Ober=Administratoren vgl. Franck A. u. N. Meckl. XVII, S. 150.
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Commissarien aufnehmen lassen und die Inventarien und Rechnungen denselben befehlsmäßig übergeben. Ferner behauptete v. Bassewitz, Paulßen habe von seinen Unterthanen Geld erpreßt und sich aus seinen Gütern "bespickt". Franck 1 ) berichtet, Paulßen habe den Unter=Administratoren vor dem Einrücken der Executions=Truppen befohlen: "Alles für Gewalt zu verkaufen", natürlich für die herzogliche Casse. Vorzüglichen Anlaß zu dem Argwohn gegen Paulßen gab ein besonderer Vorfall. Paulßen hatte vor seiner Gefangennehmung seiner Schwägerin Francken zu Güldenhorn einen Koffer mit werthvollen Sachen übergeben, welchen diese nach Lübek gebracht hatte. Der Obristlieutenant v. Bassewitz verlangte die Auslieferung des Koffers, erreichte jedoch auf Veranlassung des Engern Ausschusses nur so viel, daß der Koffer in seiner Gegenwart geöffnet ward; es fanden sich darin an 1800 Thlr. baar Geld, für einige 1000 Thaler an Silber und sonst noch an Obligationen ein Ansehnliches. Jetzt setzte v. Bassewitz 2 ) alle Segel bei, um die Auslieferung des Koffers zu erreichen, vermochte sogar die hannoversche Commission, die Auslieferung am 17. April 1720 zu erbitten, aber der Rath der Stadt Lübeck weigerte sich standhaft und v. Bassewitz erreichte seine Absicht nicht. Paulßen rettete dadurch sein Vermögen.

Der Obristlieutenant v. Bassewitz verfolgte nun die Gefangenen mit der größten Heftigkeit und die hannoversche Commission unterstützte ihn darin nach Kräften. Paulßen schrieb an den Geheimen Rath v. Wolfrath in verschiedenen Briefen, "daß sein boßhafftiger, gewissenloser Gegner, der alte bekannte Bassewitz wider alle Rechte, wider beßer Wissen und Gewissen gegen ihn agitire, dem er doch lebenslang für seine Person nicht mit einer Miene incommodiret; er habe sein Gut in allen Stücken nach hochfürstlicher Ordre repariret und nicht ruiniret; das Iventarium habe continuirlich in verschlossenen und versiegelten Kammern gestanden. Als Bassewitzens Gevollmächtigter das Gut wieder angenommen habe und demselben Alles Stück für Stück überliefert sei, habe dieser gesagt: "er müsse es rühmen, daß alles im prompten Stande sei, so er nicht "vermuthet gehabt." " Er wandte auch ein, "er sei nicht Special=Administrator von Kl. Walmstorf gewesen, sondern v. Bassewitzens Leibeigener Claus Moll sei vor seiner Ankunft schon von den Commissarien dazu bestellt worden."


1) Vgl. Franck A. u. N. Meckl. XVII, S. 157.
2) Am 3. April 1727 schreibt des Herzogs Gesandter in Wien, Dr. Schröder, an denselben:
"Es ist verteuffelt, wie es in der Welt zugehet. Rusland, gnädigster Herr, kann es nicht verantworten vor Gott und der böse Bassewitz, welcher in eben solchen ansehen wie Mentzikoff, wovon ich gewisse particularia weiß."
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Auch Claus Moll hatte von Bassewitzens Rache viel zu leiden gehabt; dieser hatte ihn über 12 Monate in Ketten und Banden in Wismar gefangen gehalten und ihm endlich all das Seinige abgenommen, auch dessen Frau 3 Tage lang im Garten eingeschlossen gehalten, so daß sie bald darauf davon crepiret."

Der Grund dieser harten Behandlung lag wohl darin, daß v. Bassewitz seinen Schaden von Paulßen ersetzt haben wollte, obgleich er sich nur an den Herzog hätte halten müssen; er hatte gesagt: "Paulßen solle nicht eher los, bis er ihm den Schaden bezahle, den er von Serenissimo glitten; was er von ihm bekommen könne, dürfe er nicht vom Herzoge suchen." Bassewitz rechnete seinen Schaden auf 8000 Thaler, und Paulßen behauptete, das ganze Gut mit Vieh und Fahrniß sei nicht 12000 Thaler werth.

Paulßen beschwert sich bitter: "Die adelige Commission thue nichts weiter, als was ihnen von den Edelleuten vorgeschrieben werde", und: "Alles was die vom Adel gegen uns ausbitten, darauf wird gleich decretirt, Alles nach einer Leyer." Die Commission hielt die Gefangenen sehr strenge; diese erhielten nichts, nicht einmal das versprochene Brot und Wasser und keine ärztliche Hülfe, selbst bei gefährlichen Krankheiten. Dazu mußten die Gefangenen ihre Familien erhalten; Paulßen gab an, er habe Frau und Kinder, 6 Domestiquen und 11 Pferde an verschiedenen Plätzen in Lübek uud Meklenburg während der Gefangenschaft erhalten müssen, und dabei habe die lüneburgische Commission all das Seinige mit Beschlag belegt und gebe ihm zu seiner Unterhaltung nichts. Gegen die hannoversche Commission werden stets die bittersten Klagen erhoben; es ward in Wien gegen die Commissarien vorgebracht, daß sie alle mit den meklenburgischen Edelleuten "verschwägert" seien und nur in deren Interesse handelten.

Paulßen bot 600 Thaler Caution (durch den Capitain Güldenhorn) für seine Freilassung; Bassewitz verwarf die Caution als unzureichend und verlangte Auslieferung der Inventarien und Rechnungen. Paulßen bestritt die Rechtmäßigkeit der Klage, aber die Commission schützte den Kläger; eine von Paulßen erbetene Untersuchung an Ort und Stelle unter militairischer Bedeckung ward auch abgelehnt. Der hannoversche Commissarius v. Alvensleven wollte die Gefangenen zu einem Eide zwingen, daß "sie sich auf Klage zu jeder Zeit vor die Commission stellen und thun wollten, was diese ihnen auflegen würde, auch sich an Niemand zu rächen." Da sie die Ablegung dieses Eides verweigerten, so sagte v. Alvensleven, wenn sie nicht wollten, "so hätte er schöne Mittel dazu."

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Paulßen klagte endlich beim Reichshofrath. Schon am 5. März 1720 befahl dieser, ihn auf freien Fuß zu setzen; aber er erhielt keine Resolution. Am 20. Aug. 1720 ("in carcere") bat er den Geheimen Rath v. Wolfrath um Geld, da er sonst "crepiren" müsse.

Durch des Reichshofraths=Agenten v. Klerff Vermittelung befahl der Reichshofrath am 31. Oct. 1720 wiederholt, "den Paulßen ohne Entgeld des persönlichen Arrestes zu entlassen." Aber v. Bassewitz gab dies nicht zu und wußte seine Entlassung bei der Commission zu hintertreiben.

Die Commission ward in der harten Behandlung der Gefangenen nicht müde. Millies, Administrator von Gnemern, eines Predigers Sohn von Gr. Tessin, ward zwar früh (vor 16. Oct. 1719), aber nicht eher der Haft entlassen, "als bis fast der letzte Athem aus ihm ging und er bald darauf crepirte", und Lassow ward vom Schlage gelähmt und nur gegen unerhörte Caution von der Haft befreit; als Dabelow einen Schlaganfall hatte, ward ihm sogar ärztliche Hülfe versagt.

Paulßen setzte jedoch seine Klage beim Reichshofrath eifrig fort und führte sie im J. 1721 "zur Ehre des Herzogs aus, so daß keiner ihn eines Hellers Werthes hatte überführen können".

Paulßen hatte 2 1/2 Jahre unverschuldet im Gefängnisse gesessen

Mögen nun auch die herzoglichen Administratoren gewiß nicht frei sein von Schuld; so verlangt doch die Geschichte zur Vollständigkeit auch eine Darstellung des Benehmens ihrer Gegner. Wir haben bisher bei Franck im Alten und Neuen Mecklenburg nur einseitige Schilderungen. - Das ganze damalige Geschlecht war verdorben, an Haupt und an Gliedern.

Ueber die Schriftstellerei in den Streitigkeiten des Herzogs Carl Leopold mit den Landständen berichtet der Geheime Rath J. P. Schmidt Folgendes:

"Eine Anmerkung veranlaßet die Streitfrage, ob der Herzog von Mecklenburg Nicolotus ein Bruder. des Pribislai I., mithin ein Sohn des Butue oder bloß ein wendischer Edelmann gewesen sei. Der Dr. Gerdes rückte zuerst in seinen Sammlungen Meckl. Nachrichten St. 3, p. 214, mit dem sonderbahren Lehrsatz hervor, daß der Mann=Stamm der alten Wendischen Könige in Mecklenburg anno 1142 gäntzlich ausgestorben sey und darauf die Wendische Nation den Nicolotum, der kein Bruder des Pribislai gewesen, aus dem inländischen Adel zum Regenten erhoben habe. Er schrieb dieses im J. 1737, zu einer Zeit, da die Ritterschafft mit dem HerzogeCarl

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Leopold aufs äußerste zerfallen war und zur Erhebung ihrer Gerechtsame alles Erdenckliche hervorsuchte. Er schrieb besonders auch mit einer Feder, die sich nach dem Winck des Mecklenburgischen Landraths von Negendanck richtete, eines Mannes, dem nachhero noch der Praepositus Francke in seinem Alten und Neuen Mecklenburg in ähnlichen Behauptungen eben dergleichen Dienste geleistet hat. Die Absicht dieser und anderer mit dieser neuen Lehre war also leicht zu errathen. Nun waren die durchl. Herzoge nicht mehr aus dem Stamm der alten Wendischen Könige, sondern aus einem Wendischen adlichen Geschlecht entsproßen. Nun war in so ferne nicht weiter ein sonderlicher Unterschied zwischen Haupt und Gliedern. Wer wollte es nun weiter bezweifeln, daß die Wendische Nation dem Nicloto bei seiner Erhebung die Macht trefflich beschnitten und für ihre eigene Gerechtsahme bestens gewachet habe! Und so waren alle Ritterschaftlichen Vorrechte in Sicherheit gestellet und geborgen. Allein die Sache hat sich bald wieder gewendet. Es suchte der Hofrath Jargau die Ehre des herzoglichen Hauses zu retten" etc. .

Am Ende des J. 1721, als Paulßen eben frei gelassen war, ging der Herzog Carl Leopold nach Danzig, wo er bis zum J. 1730 blieb. Paulßen tritt nun einige Jahre ganz in den Hintergrund. Der Herzog suchte auf alle mögliche Weise in Wien seinen Willen gegen die Ritterschaft durchzusetzen; jedoch blieben alle Mittel vergeblich. Seine bisherigen Agenten wurden müde oder er ward auch mißtrauisch gegen sie, weil sein Wille nicht geschah. Der gewandte Feiherr v. Eichholz hatte schon längst das Ende vorausgesehen und seine Entlassung erbeten und am 3. Jan. 1721 erhalten. So verfiel der Herzog darauf, sich des Hauptmanns Paulßen als eines geschickten Werkzeuges zu bedienen; und er mochte in ihm den rechten Mann gefunden haben: Paulßen war in Wien bekannt, gewandt, klug und fest, mit den Mitteln und Wegen vertraut und durch seine bittern Erfahrungen der Ritterschaft feindselig, wie der Herzog. Er empfahl dem Herzoge ganz offen den Weg der Bestechung ("Silber= und Gold=Gasse") als deneinzigen, der in Wien zum Ziele führen könne, und hetzte den Herzog noch mehr gegen die "boshaften Junker" und seine "gewissenslosen und gottlosen Unterthanen. 1 )" auf. In der Zeit von 1724 bis


1) Vgl. Graf Heinrich 24. Reuß, S. 48-49.
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1726 mußte er sich, mit zwei Dienern, für den Herzog in Wien aufhalten und dessen "wichtige Affairen betreiben".

Da aber weder durch Vorstellungen, noch Geld sich in Wien etwas erreichen ließ, so griff er des Herzogs alte Neigung zum Katholicismus auf und trat hier mit dem Abte Gottfried von Göttweih, der schon im J. 1715 eine Mission an den Herzog zu dessen Bekehrung gehabt hatte, dem kaiserlichen Beichtvater Tonnemann, einem Jesuiten, und vielen andern in Verbindung 1 ). Er erreichte auch so viel, daß der Herzog nur zuzulangen brauchte; aber theils war der Herzog zu hartnäckig, theils mochte er die Winke nicht verstehen, die man ihm gab: er sollte nur erst seine Unterwerfung unter den Kaiser und das katholische Glaubensbekenntniß aussprechen, dann wolle man nach seinem Sinne handeln; aber grade zu dieser Unterwerfung konnte sich der Herzog bei seiner übertriebenen Vorstellung von "seinen Regalien" nicht entschließen. Der Plan zur Erreichung des Zieles war folgender. Der Herzog solle wieder an den Abt von Göttweih, den der Herzog bei seiner Mission in Meklenburg "mit einem kostbaren Diamantringe" beschenkt und mit andern Wohlthaten und Ehren ausgezeichnet habe, schreiben, daß dieser, "das größeste Licht," "den Reichs=Vice=Canzler Reichsgrafen von Schönborn, welcher des Prälaten bester Freund und herzensgetreuer Bruder und Landsmann sei, auf des Herzogs Seite zu sein persuadire, was der Prälat herzlich gerne thun wolle, da er dem Herzoge so zugethan sei, daß es fast gar nicht zu sagen; der Herzog solle ferner dem Prälaten Ordre geben, daß er dem Reichs=Vice=Canzler eine fürstliche Verehrung für seine Mühwaltung verspreche, so werde der Prälat es so anbringen, daß der Reichs=Vice=Canzler solches acceptire und sich für den Herzog bei dem Kaiser auf das allerhöchste interessire". Zu gleicher Zeit solle der Herzog sich bei dem Kaiser zur Annahme des katholischen Glaubens in einem Schreiben bereit erklären. Auch sollten "zugleich dem Prälaten alle gravamina gegen die Junkers und die partheiische Commission übergeben werden, welcher der Hauptmann Paulßen über hundert aufgesetzet und schon eines Theils hie und da bey großen Herren berichtet, welche alle mehrentheils auf der Junker Seite und der Commission gewesen und gemeinet, denselben wäre das größte Unrecht geschehen, da sie aber eines andern berichtet und man sie überwiesen, daß Ihro Durchl. ihnen nichts zu nahe gethan, sondern gottloser Weise wider Ihro Durchl. sich setzten und alle gott=


1) Vgl. Graf Heinrich 24. Reuß, S. 16-17 und S. 48 flgd.
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lose Streiche von den Junkern erzählet, haben solche Herren die Ohren gespitzet und ganz anders geurtheilet und stimmen jetzo auf Ihro Durchl. Seite, inmaaßen der Herzog das größte Recht habe", u.s.w.

Des Herzogs Geheimer Secretair Casimir hat über diese Geschichte eine bestätigende Nachricht hinterlassen: "Gleichergestalt hat der Geheime Kammerrath Walter ("ein gewesener Laquai, ein schändlicher Fuchsschwänzer und Hofteufel") vorgeschlagen, man müste dem Herrn Prälaten von Göttweih, der im vergangenen Jahr in Meklenburg gewesen, um den Herzog catholisch zu machen, ein Present von 1200 fl. und darnach eine jährliche Pension von 600 fl., Item dem Herrn Reichs=Vice=Canzler ein Present von 10,000 fl. und darnach eine Pension von 1000 fl. offeriren, so würden die Sachen schon besser gehen. Der Herzog hat auch hierin consentiret und der Walter an beiden Orten die Proposition gethan, aber eine schlechte Antwort bekommen, wobei das Lächerlichste dieses ist, daß dieser Walter zu gleicher Zeit bei dem Herrn Reichs=Vice=Canzler soll angefragt haben, wo doch in Wien baares Geld aufzutreiben sei."

Die Sache ließ sich zuerst ganz gut an. Der Herzog hatte in Wien damals nur seinen Reichshofraths=Agenten, Peter Friedrich Edlen von Klerff, welcher aber nur die juristische Procuratur beim Reichshofrath besorgte, die Eingaben besorgte und die Antworten zurücksandte, übrigens aber fern von allen Umtrieben stand und gar nicht eingeweihet war. Paulßen verhehlte auch häufig seine Schritte sorgfältig vor v. Klerff. Als nun Paulßen sich überall Bahn gebrochen hatte, schickte der Herzog ihm einen förmlichen Gesandten in der Person des Canzlei=Raths Dr Christian David Schröder nach, da zu den Verhandlungen mit dem Wiener Hofe staatsrechtliche Kenntnisse gehörten, welche Paulßen nicht besaß.

Der Dr. Christian David Schröder war nicht, wie ich früher vermuthet 1 ) habe, aus Danzig und dem Herzoge nach Meklenburg gefolgt, sondern ein geborner Meklenburger. Er war zuerst Advocat in Güstrow und führte seit dem Ende des J. 1715 als Hofrath mancherlei Aufträge im Dienste des Herzogs Carl Leopold aus, blieb jedoch noch in Güstrow wohnen. Auch war er nicht katholisch, sondern vielmehr so eifrig lutherisch, daß er noch im J. 1727 seine katholische Hofmeisterin in Wien bekehren wollte. Er war dem Herzoge nach Danzig. ge=


1) Vgl. Graf Heinrich 24. Reuß, S. 20-21.
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folgt. Am 29. Mai 1722 ward zu Danzig von ihm und dem rostocker Professor und Consistorial=Rath Dr. Jacob Carmon, "zwei berühmten Doctoribus juris", das Todesurtheil über den braven Minister v. Wolfrath gesprochen und unterschrieben. Am 1. Mai 1723 bestellte ihn der Herzog zu seinem wirklichen Canzlei=Rath in der Regierung oder auch "Minister", wie ihn sein Bruder Mathias Johann auf Selpin nannte, "zur Vindicir= und aufrechthaltung Seiner fürstlichen Hoheit und unschätzbaren Regalien". Im August 1723 ging er nach Dömitz, um das Todesurtheil an Wolfrath vollstrecken zu lassen. Seit seiner Bestellung zum Canzlei=Rath führte er die auswärtige, namentlich die Wiener Correspondenz des Herzogs. In der Zeit vom März 1726 bis Juli 1727 war er des Herzogs Gesandter in Wien, wo er einige Zeit mit Paulßen zusammen wirkte (vgl. weiter unten). Im J. 1730 kehrte er mit dem Herzoge von Danzig nach Meklenburg zurück und rüstete in demselben Jahre die Expedition des Duc von Falari 1 ) an den Papst wegen des Uebertrittes des Herzogs zur katholischen Kirche aus und ward am 8. März 1731 päpstlicher Graf und Ritter vom goldenen Sporn. Aber die Nemesis ereilte ihn schon in demselben Jahre 1731.

Ueber das Ende des Canzleiraths Schröder hat der Geheime Rath J. P. Schmidt Nachrichten von Wichtigkeit hinterlassen: "Auch ist der Canzlei=Rath Schröder von Herzog Carl Leopolden mahl dergestalt mit Schlägen hieselbsten auf dem Schloße zu Suerin zugerichtet worden, daß er die Treppe nicht hat hinunter kommen können. Wie er endlich kümmerlich hinuntergebracht war, so ward er desselbigen Nachmittags befehliget, mit dem Herzoge nach dem Werder auf die Jagd zu reiten. Es verbreitete sich nachhin sogleich das Gerücht in der Stadt, daß er vom Pferde gestürzt und den Hals zerbrochen habe. Er ward todt hereingeliefert, und andere wollen wißen, daß er einen Schuß bekommen hätte. Der Leichnam ward ins Archiv gesetzet, die Glocken wurden geläutet und es hieß, daß ihm ein standesmäßiges Leichbegängniß sollte zubereitet werden; aber als man immittelst unter seinen Schrifften verfängliche Papiere wollte gefunden haben, so ist er nachhin still eingesencket".


1) gl. Graf Heinrich 24. Reuß S. 19 flgd. Der Jeremias Wilhelm Waldschmidt, welcher den Duc von Falari auf seiner Gesandtschaftsreise nach Rom beobachtend begleitete (vgl. Graf Heinrich 24. Reuß, S. 21), war am 8. Mai 1730 zu Danzig von dem Herzoge zum Secretair bestellt, ging Dec. 1730 bis Juni 1731 mit Falari nach Rom, kehrte nach Meklenburg zurück und correspondirte 1731-1732 mit dem Herzoge, dem Hofprediger Menkel und andern Geistlichen über die religiöse Wiedergeburt im Sinne der Spener=Frankeschen Schule. Nach dieser Zeit kommt er nicht weiter vor.
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Als der Herzog den Canzlei=Rath Schröder zu Danzig "zur Vindicir und Aufrechthaltung seiner hochfürstlichen Gerechtsame und unschätzbaren Regalien" als (Regierungs=) Canzlei=Rath in Dienst nahm, übertrug er ihm auch die ganze auswärtige, namentlich die Wiener=Correspondenz, welche er bis zu seinem Tode führte. Schröder war darauf vom Jan. 1726 bis Julii 1727 in Wien. Schröder war aber nicht der gewandte Mann, der die Sache des Herzogs hätte weiter fördern können. Er war ein langsamer, träger, sinnlicher Mensch, dessen Seele nur in stillen Eßfreuden schwelgen konnte und der fast nichts weiter that, als essen, Bitterbrunnen trinken und lieben; er hatte sich gleich eine Frau Hofmeisterin ("solatium in tenebris") zur Führung seines Haushalts engagirt, die Alles mit ihm theilte, und hatte außer seinen mitgebrachten Bedienten in Wien noch drei Laquaien in Dienst genommen, die immer Essen herbeischleppen mußten, und zwei Aerzte. Der Herzog hatte ihm einen Diener, Hertrich, mitgegeben, welcher unter Paulßens Aufsicht ein tägliches Protocoll über seine Lebensweise führen mußte, das auch nach Hertrichs Abreise von einem andern fortgesetzt ward, ein dickes Heft, das oft ergötzlich genug ist und den Canzleirath bei dem Herzoge nicht sehr empfehlen konnte. Und doch schrieb der Herzog an Schröder am 27. April 1726: "dem Capitain Paulßen traue er nicht zu viel," - während er Schröder durch Paulßen beaufsichtigen ließ. Schröder war sehr träge; er kam in anderthalb Jahren nur mit Mühe zu einigen Besuchen und erreichte nichts, obgleich er in seinem Dünkel viel für den Herzog hoffte, seitdem "Bernstorff todt" war. Die Acten beweisen auch, daß er gar nicht tief in die Sache einging. Der Herzog ward auch bald sehr ungeduldig, um so mehr da die Lüneburger in Meklenburg immer dreister zugriffen; vom April 1726 an wirft der Herzog ihm beständig sein "erbärmliches negotium" vor, und fordert Resultate oder Rückkehr; und doch konnte Schröder ihn 1 1/2 Jahre hinhalten. - Der Haupthebel in Wien sollte für ihn der kaiserliche Beichtvater, der Jesuit Pater Vitus Georgius Tonnemann sein, der sich auch zu Verhandlungen und zum Briefwechsel mit Schröder hergab; aber die ganze Correspondenz dreht sich von Seiten Schröders um die "Regalien", von Seiten Tonnemanns um die "Submission" des Herzogs: alle Briefe zwischen beiden sind förmlich und kurz und fördern nichts zu Tage. Uebrigens scheint Schröder von der Absicht des Herzogs, zur katholichen Kirche überzugehen dieser Lockspeise für den Wiener Hof, damals noch nichts gewußt zu haben, da er gar nicht davon redet;

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diese Angelegenheit ruhete damals ganz in Paulßens Hände. Der Herzog gab aber jetzt nichts mehr auf die "Pfaffen" und schrieb am 8. Jan. 1727 an Schröder, der "Prälat sei völlig eine Creatur von Schönborn" und er solle sich an den Grafen v. Zinzendorf halten. Aber Schröder kam zu nichts. Auch mochte er wohl nicht ganz zuverlässig sein, da er seit dem Anfange des J. 1727 täglich mit dem nach Wien gekommenen Obristlieutenant von Lehsten verkehrte, und mit diesem mehr, als mit irgend einem andern Menschen. Der damalige "Premierminister" des Herzogs Carl Leopold, der Baron von Clingen schreibt über v. Lehsten am 29. März 1721 von Wien: "Serenissimi Intention ist annoch beständig diese, die rebellische Ritterschaft, wie er sie nennet, insonderheit deren Autores oder Rädelsführer, als den Herrn v. Bernstorf, v. Lehsten, v. Holstein, die übrigen Namen sind mir entfallen, auszurotten und zu vertilgen".

Paulßen war viel klüger, gewandter und kräftiger und brachte die Sache weiter, als Schröder, ja er hätte sie zu Ende gebracht, wenn der Herzog hätte zugreifen wollen. Paulßen schrieb jedes Mal zuversichtlicher; aber der Herzog schwankte. Endlich kam Paulßen damit zum Vorschein, man wünsche in Wien, daß der Herzog das Kloster Doberan den Benedictiner=Mönchen wieder einräume 1 ). Aber alle Bemühungen und Hoffnungen Paulßens wurden an der Unschlüssigkeit und Hartnäckigkeit des Herzogs, der ihm immerfort gute Aussichten eröffnete, zu Schanden. Der Herzog unterstützte seine Unternehmungen durch nichts und so konnte Paulßen auch nichts ausrichten. Paulßen blieb noch das Jahr 1726 in Wien. Nachdem Hartrich dem Herzoge häufig über Schröder berichtet hatte, rieth er ihm am 23. Oct. 1726 wiederholt, er möge, wiewohl ganz im Geheimen und ohne Wissen Schröders, den Hauptmann Paulßen zurückberufen, damit er endlich gründlich erfahre, wie es hergehe, da man nicht alles der Feder anvertrauen könne. Schröder habe nichts weiter gethan, als gefressen, medicinirt u.s.w. Dies geschah denn auch; Paulßen reisete ab, ohne daß Schröder es wußte, und mußte im December 1726 "mit der größten Eilfertigkeit" auf des Herzogs Befehl nach Danzig zurückkommen. Paulßen sagt später über diese Mission, er habe 1724-1726 "des Herzogs Affairen in Wien auf Höchstdesselben "Ordre besorgt und mit so vieler Treue und Sorgfalt verrichtet,


1) Vgl. Graf Heinrich 24. Reuß, S. 49.
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daß auch selbst ein vornehmer Geistlicher (d.i. wohl der Pater Tonnemann) gegen den ihm nachgeschickten Canzlei=Rath Schröder gestanden, daß er wie ein "ehrlicher Mann" in der Sache gearbeitet, alles observiret und gut betrieben habe, und er ihm solches alles schriftlich geben wolle, wenn es mündlich nicht genug wäre".

Nach seiner Ankunft in Danzig beredete Paulßen den Herzog, nach Meklenburg zurückzugehen, wo er ihm eine Leibgarde von 25 Mann auf seine Kosten halten wollte, wie der Herzog selbst an Schröder schrieb.

Kaum war Paulßen von seiner großen Reise in Danzig warm geworden, als er im Jan. 1727 in starker Kälte nach Holstein, so wie nach Lübek und Hamburg reisen mußte, um für den Herzog einige Gelder anzuleihen. Er war so glücklich, 6000 Thlr. zu erhalten; dem Herzoge war diese Summe aber wohl nicht groß genug, denn er nahm sie nicht an. Paulßen ging mit dem Gelde nach Schwerin, wo er auf des Herzogs Befehl bleiben und sich einmiethen mußte; aber noch im J. 1727 erhielt er den Befehl, nach Danzig zurückzukommen. Das Geld blieb 1 1/2 Jahre lahm liegen.

In den Jahren 1727-1728 war Paulßen zwölf Monate in Danzig bei dem Herzoge. Im Febr. 1728 ging er wegen des Todes seiner ersten Frau mit des Herzogs Erlaubniß wieder nach Holstein, wo er längere Zeit blieb.

Erst im März 1730 ging er wieder nach Danzig zurück, jedoch um seine Entlassung nachzusuchen. Der Herzog wollte ihn jedoch nicht von sich lassen, "da er ja Drangsal und Verdruß mit ihm ausgehalten", und versprach ihm die Stelle des verstorbenen Kammerraths Töppel 1 ). Und wirklich bestellte ihn der Herzog zu Danzig am 27. April 1730 zum Kammerrath und "ins Commissariat" mit dem Gehalte, welches den Kammerräthen Faber und Töppel verschrieben sei, - "nach hergestellter Landesruhe" zu beziehen. Im J. 1730 ging er mit dem Herzoge nach Schwerin zurück und mußte hier zur Feier der Rückkehr eine "kostbare Illumination und Feuerwerk präsentiren und Officiere tractiren", was ihn 400 Thlr. kostete, die ihm der Herzog wieder zu bezahlen versprach. In Schwerin unterstützte er nun die lebhaften Anstrengungen des Herzogs, zur


1) Töppel, früher Forstmeister zu Güstrow, ward im J. 1719 kurz vor dem Einrücken der hannoverschen Executions=Truppen nach dem Sturze des Kammer=Präsidenten Luben von Wulffen zum Kammerrath bestellt. Vgl. Jahrb. XIII, S. 220.
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unbeschränkten Herrschaft im Lande zu gelangen. Als endlich im J. 1733 des Herzogs Bruder Christian Ludwig zum kaiserlichen Commissarius ernannt war und Carl Leopold das allgemeine Aufgebot zu seiner Vertheidigung vorbereitete, um durch Waffengewalt sein Ansehen aufrecht zu erhalten, war auch Paulßen unter denjenigen, welche der Herzog zu besondern Werkzeugen ausersehen hatte; am 21. Mai 1733 unterzeichnete Paulßen, mit dem Kammerrath Gottfried Faber, dem Rentschreiber Christoph Nobisatzky und ferner Carl Friederich Berner und J. Meeknab, einen fürchterlichen Eid: "in der ihm gnädigst anvertraueten Function, sowohl beim Civil=Etat, als Landes=Defension, sich redlich und ohnverweißlich aufzuführen, den ihm zu ertheilenden Ordren und Befehlen bei allen vorkommenden Begebenheiten, attaquen, Kriegsexpeditionen zu waßer und lande, wo Ihro Hochfürstl. Durchl. selbst zugegen, jederzeit mit hinansetzung leibes und lebens willigst zu geleben und standhafft auszuführen, auch kein quartier zu nehmen, es sey denn daß er durch tödtliche blessuren außer Stande gesetzet, sich zu defendiren, imgleichen denen Landes Eingeseßenen und Unterthanen auf ihr Seel und Gewißen einzuschärfen, wie sie schuldig, für ihren angebohrnen Landes=Fürsten und Herrn Guth und Bluth aufzusetzen, auch unaufhörlich dahin zu trachten, die Landes=Defension zum völligen Stande zu bringen, - - und bis an sein in Gottes Händen stehendes seliges Ende Sr. Hochfürstl. Durchl. getreulichst anzuhangen."

Paulßen hielt seinen Eid und war einer der wenigen, welche vom Anfange bis zum Ende zu dem Herzoge standen. Der Krieg im Lande mißglückte; der Herzog mußte weichen und am 9. Febr. 1735 nach Wismar entfliehen, wo er bis zum J. 1741 blieb. Paulßen hatte schon im J. 1734 seine Mobilien nach Wismar schaffen lassen und folgte dahin dem Herzoge, ihm "bis an sein Ende treulich" anhangend. Hier blieb er bei ihm bis in das J. 1738.

Da des Herzogs Lage sich nicht änderte, so trennte sich Paulßen von ihm, jedoch nicht in Unfrieden, und nahm seinen Wohnsitz zu Grevismühlen, wo er wahrscheinlich aus der Zeit seiner Administration her Bekannte und Freunde hatte.

Das herannahende Alter mußte Paulßen über seine Lage besorgt machen. Während seiner zwanzigjährigen Dienstzeit hatte er nach seiner Behauptung keinen einzigen Heller, weder an Gehalt, noch an Reisekosten, bezahlt und ersetzt erhalten. Am 6. April 1739 liquidirte er bei dem Herzoge eine Forderung von 31,380 Thlr. 36 ßl. an Rückständen, deren Rechtmäßigkeit er

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jedoch großen Theils nicht beweisen konnte und nicht bewies, da ihm "seine Papiere beim Einrücken der hannoverschen Truppen durch den Obristlieutenant v. Bassewitz auf Walmstorf abgenommen" seien.

Er mußte jedoch aus dem Schiffbruche etwas gerettet haben, da er doch noch ein Haus machte und sich zum zweiten Male verheirathete. Im J. 1741 hatte er sich mit des Canzleiraths Scheffel Wittwe, Maria Elisabeth geb. Kröpelin, verlobt und bat am 26. Julii 1741 den Herzog Carl Leopold, weil "seine böse Tochter alle Vordrießlichkeit beim wismarschen Magistrat suche," um Erlaubniß, daß der Prediger zu Mulsow ihn kopuliren könne. Am Tage darnach erhielt er eine Dispensation vom öffentlichen Aufgebot und die Erlaubniß, sich an dem Orte im Lande, wo es seinen Umständen am convenabelsten sein möchte, copuliren zu lassen." Paulßen hatte seine Bitte von Dömitz datirt und war wahrscheinlich selbst zum Herzoge gereiset.

Noch am 1. Nov. bat er von Grevismühlen den Herzog Carl Leopold, daß er dem Herrn v. Sala auf Bellin, der ihn zu Grevismühlen besucht habe, die Erlaubniß geben möge, zwei Juden zum Tabackpflanzen zu Bellin ansetzen zu können, mit dem Bedauern, daß er dem Herzoge nicht persönlich aufwarten könne, da er alt und schwächlich geworden sei; er bat ferner, der Herzog möge ihm ein kleines Pferd geben für den Hengst, den er an die Reiterei habe abgeben müssen, da der Arzt ihm eine Motion angerathen habe.

Schon am 14. Febr. 1748 nach des Herzogs Carl Leopold Tode (28. Nov. 1747) bat er den Herzog Christian Ludwig um Berichtigung seiner Forderungen, worauf er ("Kammerrath Paulßen zu Grevismühlen") zum Bescheide erhielt, daß er erst die Verfertigung des Inventarii über des Herzogs Nachlaß zu erwarten habe. Paulßen erhielt aber eben so wenig Geld und Aussicht, als alle übrigen Gläubiger Carl Leopolds.

Paulßen starb am 29. Jan. 1753 einen sanften Tod zu Grevismühlen und ward dort begraben. Er hinterließ seine zweite Frau als Wittwe.

Der "verstorbene Kammerrath Christian Hindrich Paulßen hatte einen Sohn Carl Leopold von Leunbach geborner Paulßen, welcher unter diesem Namen von dem Könige von Dänemark (am 19. Julii 1765) geadelt 1 ) war", im


1) Das Wappen des Carl Leopold von Leunbach ist im silbernen Felde ein Fluß, darüber ein rother, gekrönter Löwe; auf dem gekrönten Helme steht eine silberne Standarte zwischen zwei rothen Schildhalter sind zwei grau gefleckte Pferde mit goldenem Halsbande, von dem eine silberne Kette herabhängt.
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J. 1766 zu Weyle in Jütland als Major bei dem jütischen geworbenen Dragonerregiment stand und späterhin General=Major ward. Dieser bat am 27. Oct. 1766 um Berichtigung der liquidirten Forderungen seines Vaters, die ihm als väterliches Erbtheil statt 60,000 Thlr., die sein verstorbener Vater in meklenburgische Dienste aus Holstein mitgebracht habe, übrig geblieben seien. Diese Bitte blieb, wie viele andere dieser Art, unbeantwortet, da die Schulden des Herzogs Carl Leopold aus seiner nicht anerkannten Regierung auch nicht anerkannt wurden.

 

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