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Alterthümer im Luche bei Fehrbellin.
Das Luch bei Fehrbellin, oder Linum, wie es auch heißt, - das bekannte große Torfmoor, dessen größte Breite von Tarnow bis Brunnen etwa 3/4 Meilen beträgt und dessen Länge von Flatow bis Fehrbellin zu 2 1/2 geographischen Meilen anzunehmen ist, - liefert sehr interessante Sachen aus der Vorzeit, welche der Herr Oberinspector Steinkopf daselbst aufbewahrt. Der Herr Graf von Zieten, welcher im v. J. dieses Cabinet besucht hatte, machte mich, in der Voraussetzung, daß eine nähere Kenntniß des Inhaltes dem Vereine für meklenburgische Geschichte angenehm sein möchte, darauf aufmerksam und theilte mir ein kleines Verzeichniß derjenigen Gegenstände mit, welche er zu den merkwürdigsten rechnete. Dies ist die Veranlassung zu diesem Berichte.
Der Herr Oberinspector, welcher mit der freundlichsten Bereitwilligkeit mir und meinem Begleiter, Herrn Könitzer, Oberlehrer der Mathematik und Physik am hiesigen Gymnasium, die Ansicht der Sammlung gestattete, hat die ersten Funde an das Oberbergamt in Berlin gesandt, bald aber einen andern Entschluß gefaßt und alle spätern Funde in dem Locale der Inspection aufgestellt. Ist dieser ganz allein aus dem Luche hervorgegangenen Sammlung dadurch auch manches interessante Stück entzogen, so ist sie doch noch nicht wenig reich, wichtig und unterrichtend, wie die häufigen Besuche von Naturforschern und andern Gelehrten, z. B. Alexander von Humboldt u. A., beweisen, und Männer, wie Chamisso, Hoffmann und Poggendorf, haben sie bei ihren Forschungen, welche bedeutende Resultate über das Entstehen des Torfes im genannten Moore geliefert, die Bildung der Torfmoore überhaupt wohl festgestellt haben, sehr benutzt.
Ueberreste aus der Thier= und Pflanzenwelt, als Geweihe, Knochen und Zähne von Hirschen, Elenthieren, Pferden, wilden Schweinen, ganze Gebisse, und mehrere derselben zu einer Masse mit Torf verwachsen, Schädel, Saamen und
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Hülsen von Menyanthes trifoliata, minder häufig von Scheuchzeria palustris, noch einigen Galeopsis=Arten und andern Asperifolien, und was dergleichen in beide Reiche sonst noch gehört, in allen Tiefen vorkommend, bilden einen bedeutenden Theil der Sammlung.
Unter diesen fiel uns besonders ein Schädel von scheinbar sehr abnormer Form auf, den wir keinem hier oder uns bekannten Thiere anzupassen wußten. Nach vorläufigen Untersuchungen gehört er keiner unserer bekannten Hausthiergattungen an.
Mineralien, wie sie die Umgegend besitzt, werden selten in dem Moore gefunden, und die Sammlung hat nur etwas Bernstein, einige kreideartig überzogene Feuersteine, ein Stück Kreide, überhaupt nur unbedeutendes davon aufzuweisen.
Reich aber ist sie dagegen an Sachen im Torf verwachsen und davon umwachsen, als kleinen Süßwassermuscheln aus den Gattungen der Cyclostoma, Valvata, Planorbis u. a., und besonders interessant erschienen uns Kohlen vom frischesten Ansehen, ganz vom Torfe umschlossen, die bei einem Bohrversuche aus einer Tiefe von 24' zu Tage gefördert waren. Es ist auch dabei ein noch unverkohltes Stück Holz weicher Art gefunden worden.
Seltener sind die Sachen, die zu den urzeitlichen Geräthen, den eigentlichen Alterthümern gehören; ihnen fehlt aber, wie der Herr Graf auch bemerkt hatte, das Interessante und Merkwürdige nicht. Ich folge ganz seiner mir gütigst mitgetheilten Notiz und habe nur das Verdienst einer etwas größeren Ausführlichkeit. Er führt auf:
1) ein Steinstück, welches vielleicht zum Zerquetschen oder Zerreiben von Körnern etc. gebraucht worden ist, ein Quetschinstrument, ähnlich einer Mörserkeule. Der Herr Graf besitzt ein ganz ähnliches, etwas größeres Exemplar von Grauwacke, gefunden in einem Hünenberge bei Frankfurt a. d. O. Die Güte der Herren Besitzer gestattet mir von beiden eine Zeichnung dem Vereine zu überreichen.
Ersteres, von Granit, ist im Luch auf der sogenannten Sundhorst 2' tief gefunden worden. Der sich spitzende muthmaßliche Obertheil (Griff) ist rund, der Klump (Untertheil) rund gedrückt, an einer Seite sehr ausgebrochen, die Arbeit für die Zeit sehr gut. Größe 5''.
Diese Horste bemerkte der Herr Oberinspector sind kleine, bis zu 10' über das Niveau des Torfes sich erhebende Erhöhungen, vielleicht ehemalige Inseln, und Geräthe finden sich in der Regel nur an ihnen und in ihrer Nähe, weil nur auf ihnen Menschen leben konnten.
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Ein Werkzeug von gleicher Beschaffenheit ist in Skandinaviska Nordens Urinvånare af S. Nilsson (Professor in Lund) abgebildet. Der Verfasser erklärt es für ein Quetschinstrument, beharrt aber nicht auf dieser Erklärung, da es in der Erde und nicht in einem Halbkreuzgrabe (Urgrabe) gefunden worden ist, deshalb die Zeit nicht bestimmt werden kann, welcher es angehört, und meint, daß es auch zu einer Art Ambos gedient haben könne.
Da es bei den Erklärungen solcher Geräthe sehr auf die Zeit ankommt, der sie angehören, so wäre diese vielleicht durch den angeführten Fund bei Frankfurt a. d. O. ermittelt.
2) mehrere Stücke von Feuerstein und eines von Diorit, gewöhnlich Keile genannt. Nilsson, so wie die Kopenhagener "Tidskrift for Oldkyndighed" nennen sie Meißel, Geradbeile.
3) eine kleine Framea von Bronze, ungefähr 4'' lüb. lang, aus einer Tiefe von 2 1/2'.
4) ein Hammer von Knochen, der Textur nach Geweih, nach Größe und Stärke von einem Elen, 5' tief im Torfe gefunden. Das Schaftloch, viereckig, unten wenig weiter, als oben, ist sehr regelmäßig und glatt durchgearbeitet; von der Schärfe ist ein Stück abgebrochen; zwei der bekannten kleinen Kreise oder Augen, auf jeder Seite einer, sind, obgleich sehr abgeschliffen, doch deutlich zu erkennen. Man sieht dem Instrumente einen langen Gebrauch an, der auffallender Weise keine Stöße oder Beulen hinterlassen hat, sondern nur durch ein starkes Abschleißen sich zu erkennen giebt. Dadurch mögen denn auch wohl mehrere Kreise, womit es vielleicht verziert gewesen ist, vergangen sein. (Der Verein für meklenburgische Geschichte besitzt ein gleiches Exemplar mit rundem Schaftloche.)
5) ein runder Schnallenring von Bernstein, fast ganz, wie der in Jahresber. VII, S. 43, Nr. 6 abgebildete, nur mit einem stärkern Halter für die Zunge. Die Rinne der Zunge ist an einem hellen, breiten Streife auf der jetzt dunklen Masse deutlich zu erkennen; Größe 7/8'' und 2 1/2'' lüb, Form rundgedrückt, Loch 5/8'' lüb., Dicke im Loche stark 1/4'', nach dem Rande hin nimmt sie bis auf eine Linie ab.
6) eine kleine Pfeilspitze von Feuerstein 5/8'' und 1 1/4'' lüb., 5' tief unter dem Torfe gefunden, wie die, welche nach Nilsson a. a. O. im höchsten Norden in der Erde gefunden werden.
7) ein sehr gut erhaltener Schädel, wie er den Celten oder Germanen zugeschrieben wird. Er ist ganz mit Torf durchwachsen gewesen, welchen zum Bedauern des Herrn
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Steinkopf der Finder sehr sorgfältig abgeputzt hat. Farbe schmutzig knochengelb.
8) eine Hirnschale, mit dem Torfe, der darin gewachsen ist, welcher, verglichen mit dem Schädel Nr. 7, als einer ganz andern Race angehörend sich darstellt. Die Stirn ist auffallend flach und nach der Nase hin vorgeschoben und Herr Leopold von Buch hat sie als von einem Lappen herstammend erklärt. Dies stimmt auch völlig mit den Schädelvergleichungen in dem Werke des Professors Nilsson überein.
Diese Hirnschale lag bei Langen, einem Dorfe am Luch, 6' tief, horizontal, mit der Höhlung nach oben gekehrt; sie ist gerade und glatt wie mit einem Messer mitten durch die Augen abgeschnitten, und vergebens hat man mühsam und sorgfältig nach dem Unterkiefer gesucht, wovon man eben so wenig, als sonst irgend eine Spur von Knochen daneben gefunden hat. Die Farbe ist dunkeltorfbraun, die Masse bruchig, weshalb denn auch der erwähnte vollkommen glatte und gerade Schnitt nicht vollkommen mehr sichtbar ist. Ob aus diesem Funde anzunehmen sei, daß Lappen hier in der Urzeit gehauset haben, lasse ich dahin gestellt sein. Die erwähnten Umstände verleiten mich aber zu der Annahme, daß diese Hirnschale ein Trinkschädel gewesen sein dürfte.
Was nun diesen Uralterthümern und Urgeräthen nicht angehört, Geräthe, Waffen, Münzen neuerer Zeit, die diese Sammlung aufzuweisen hat, wird nie im Torfe, sondern in der Bankschicht, der Erddecke über dem Torfe, die regelmäßig 18'' stark ist, gefunden, selten tiefer als 6'' - 8'', Münzen nur 2''. Diese, so wie die andern Gegenstände, bieten des Erwähnenswerthen nichts.
In Meklenburg, wo es doch gewiß auch bedeutende Torfmoore giebt, hört man von dergleichen Funden wenig oder gar nicht; entweder findet man nichts oder es wird nicht darauf geachtet. Es soll mir zur Ehre gereichen, wenn dieser Bericht die Aufmerksamkeit anregt und bessere Beobachtung, bessere Resultate liefert. 1 )
Allenthalben jedoch mag der Torf wohl nicht gleich ergiebig seyn, denn bei 2300 Tagewerken, die in diesem Jahre im Luche abgeräumt sind und bearbeitet werden, hat sich nichts gefunden.
Neu=Ruppin, den 1. Juli 1843.
A. G. Masch.