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II. Nachrichten über Bildwerke verschiedener Zeiten und Alter.

Bericht über einen Fund von Alterthümern aus der Zeit der Kegelgräber zu Rülow, Amtes Stargard, in Meklenburg=Strelitz.

Es war am 29. Julius gegen Abend, als einer von vier Arbeitern auf einem Ackercamp, etwa 200 Ruthen nordwestlich vom Dorfe Rülow hart am sogenannten "Langen Berg", einem Laubholze, dessen nicht uninteressante und zur Sache gehörige Schilderung unten folgen wird, beim Steinbrechen eine reiche Ausbeute an Bronze=Alterthümern machte. Auf jenem Camp waren schon 14 Tage lang von den Arbeitern bedeutende Massen größerer und kleinerer Feldsteine ausgehoben, gesprengt und zerschlagen, viele Fuder derselben zur nahen neubrandenburg=friedländer Kunststraße geschafft worden. Jedes Lager eines größern Steins enthielt umher eine Menge kleinerer Steine, so daß die Arbeiter es der Mühe werth hielten,

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mit einer sogenannten Nadel diese dammähnlichen Steinlager zu verfolgen, und ihren Inhalt zu Tage zu fördern. Wohl erinnere ich mich noch, daß vor etwa 20 Jahren ganz hart an der Fundstelle vier oder fünf größere, unförmliche, nichts Auffallendes darbietende Granitstücke mit Dorn= und wilden Rosengebüsch umwachsen lagen. Mit Ausnahme dieser Stelle ward indeß der Camp beständig geackert. Jetzt ist's mir gewiß, daß diese Steinmasse einem früher zerstörten alten Grabe angehörte.

Das nahe liegende Laubholz, der Lange Berg, hat von jeher die Aufmerksamkeit mehrerer Alterthumsforscher auf sich gezogen, welche ihn mit mir besuchten: so noch in diesem Frühling die des Herrn Prof. Barthold von Greifswald. Der Lange Berg, ein etwa 300 Ruthen breiter, gegen 5 - 600 R. in die Länge von O. nach W. sich erstreckender Eichwald mit Unterholz, hat gegen Süd einen bedeutendern, hie und da noch an 50 - 60 Fuß hohen Wall, der sich nach beiden Seiten schroff zur rülowschen Feldmark und zum gedachten Holze absenkt; doch ist auch der Wall selbst mit Holz bestanden. Auf diesem Wall läuft ein, oft nur 1 R. breiter Fußweg hin zum rülowschen See und der Colonie Georgendorf. Auch an der nördlichen Seite hat dies Holz einen mitunter, besonders an seinem östlichen Endpuncte, bedeutenden Wall, der größtentheils mit dem erstern parallel läuft, und so mit einem am Fuße desselben sich hinziehenden Bach die warliner Feldmark von der Hölzung scheidet. Gegen Westen laufen beide Wälle fast schroff aus; der Zwischenraum ist dort durch bedeutende Brüche und Sümpfe geschlossen. Höchst merkwürdig ist am östlichen Ende dieses von 2 Wällen eingeschlossenen Raumes die sogenannte "Rowkuhle". Ringsum von hohen Wällen geschlossen, mit den schönsten Eichen bewachsen, ist diese ovale, an 40 R. lange und 30 R. breite Schlucht so tief von der Höhe des umgebenden Walles aus, daß die Sonnenstrahlen kaum 4 Monate des Jahres die innere Tiefe erreichen. Ein dort befindlicher Teich hat in der Regel noch Ende Aprils Eis, wenn umliegende Gewässer längst davon befreiet sind. Auf der östlichen Außenseite ist diese Umwallung am meisten abgeflacht; ein minder beschwerlicher Eingang führt da in das Innere dieser meklenburgischen Hertha=Burg und zum heiligen See. Wer nämlich die gleichnamige classische Stelle auf der Halbinsel Jasmund in der Nähe der Stubbenkammer besuchte, wird eine Aehnlichkeit zwischen dieser und unserer sehenswerthen Stelle nicht in Abrede bringen können. Wir haben so gut das castum nemus und den lacus secretus (Tac. de morib. Germ. Cap. 40.) als Rügen.

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Der höchste Punct der Umwallung im SW. hat mehrere aus der Erde hervorragende Steinblöcke - vielleicht der Opferaltar =, so wie dergleichen auf der südöstl. Seite des Walles in Menge im Holze sichtbar sind. Daß jene Wälle nicht allein von der Hand der Natur geschaffen sind, zeigt schon ihre Regelmäßigkeit zur Genüge. Hatte indeß Meklenburg zur Zeit der Germanen keinen Hertha=Hain, so war die näher bezeichnete Stelle wohl wenigstens ein fester Lagerplatz der Germanen, später der von den Sachsen gedrängten Wenden 1 ). Denn am östlichen Abhange des Rundwalls wurden ebenfalls in jüngerer Zeit beim Steinbrechen nicht nur dammähnliche Steinerhöhungen aufgefunden, sondern hart daran liegende Brandstätten mit Kohlen=Erde, noch nicht weiter aufgegraben, sind unverkennbare Zeichen von Wendenbegräbnisse, deren vom Unterzeichneten bei Rülow neben dem Dorfe, südöstlich vom Langen=Berge, in der tiefern Ebene bis jetzt 9 aufgefunden sind. Einzelne Urnen, wendischer Schmuck und wendische Waffen, durchaus von Eisen, mit Ausnahme einer langen bronzenen Haarnadel, sind nebst unzähligen Urnenstücken, Spindelsteinen und messerförmigen Feuersteinsplittern, auch eine Streitaxt von Grünstein zu verschiedenen Zeiten von mir aufgefunden, theilweise dem Museo in Neustrelitz, theilweise der Sammlung des Vereins für meklenb. Geschichte und Alterth. zu Schwerin einverleibt worden 2 ).

Die nun auf dem oben angedeuteten Acker=Camp gefundenen (germanischen) Bronze=Alterthümer lagen kaum 1 Fuß tief unter der jetzigen Oberfläche auf kleinem Raume, kaum 3 □Fß. groß, bei und über einander. Während die obere Erdschicht ein schwarzer Sand ist, lagen die Alterthümer selbst in aschfarbiger, fettig anzufühlender Erde, die sich theilweise so fest an das Metall gehängt hatte, daß sie in der Sonne getrocknet dennoch nur scharfen Bürsten und vorsichtig angewendeten scharfen Werkzeugen wich. Unverkennbar war diese Erde der Ueberrest verweseter Körper. Ein Knochenfragment von einem Hüftwirbelbein lag mitten unter den Metallstücken. Es war so mürbe, daß es wie Kreide färbte. Der Fund selbst lag auf einer Unterlage von mäßigen Steinen, fest neben einander gepackt nach der Richtung gegen das zerstörte Hünenbette im Osten desselben. Keine Spur einer Brandstätte fand sich auf der ganzen Fläche. Dicht an


1) Vgl. über die nahe gelegene, nicht minder merkwürdige Ravensburg Jahresber. V, S. 110 flgd. und VI, S. 78, 79.
2) Vgl. Jahresber. V, S. 71 flgd.
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der Fundstelle hatte ein bedeutender, schon gesprengter und fortgeschaffter Stein gelegen. Vom Lattenbache, einem im Sommer ausgetrockneten Abzugsgewässer, ist die Stelle nur 10 Schritte entfernt. Der Arbeiter stieß mit seiner Suchnadel auf die Gegenstände, daher sie, soweit die Zeit sie nicht ergriffen hat, ziemlich unversehrt zu Tage kamen. Sie sind sämmtlich von schöner Bronze, mit dem schönsten edlen Roste überzogen, der wie polirt, ja fast wie ein Ueberzug der glänzendsten Politurmasse erscheint. Wo der Rost die schwächeren Stellen durchfressen hat, gewahrt man noch einen kupferartigen Kern, den der Rost mehrere Linien dick umgiebt. Die Gegenstände, von dem Arbeiter und mir, der ich sogleich herbeigerufen ward, sorgfältig gesammelt, sind folgende:

1) Eine Armschiene, spiralförmig gewunden, zur Bedeckung des Oberarmes. Die Windungen sind 1 Zoll breit, bandförmig, in der Mitte der äußern Fläche mit einem scharf erhabenen Rand verziert, auf der innern Fläche glatt. An dem einen Ende läuft die breite Schiene unmitelbar in eine dicht spiralförmig gewundene Scheibe aus, die Windungen dieser sind aber nur von der Dicke eines starken Drahtes mit 4 scharfen Kanten. Das entgegengesetzte Ende bildet zuerst noch eine Windung von rundem, starkem Draht und dann verläuft diese in eine gleiche Scheibe von dicht spiralförmig gewundenem Drahte, wie jenes; doch ist letztere beim Herausnehmen abgebrochen. Der runde Draht verjüngt sich sichtbar nach dem Centrum der Scheiben zu. Die Oeffnung der elastischen Armschiene ist groß genug, um einen kräftigen Mannesarm aufzunehmen. Eine zweite Armschiene, dieser an Form gleich, war leider in Bruchstücke zerfallen. - Im Friderico=Francisceo von Schröter und Lisch finde ich keine Abbildung, welche dieser Armschiene sich nähert; die dort als Arm= und Handbergen bezeichneten Gegenstände weichen in der Form durchaus ab, haben aber mit der unsrigen die spiralförmigen Endscheiben gemein. Unsere Armschiene hat der Windungen von breitem, bandförmigem Metalle sechs 1 ).

2) Acht frameae, sämmtlich mit beilförmiger, regel=


1)

Die von Schröter sogenannten Handbergen sind, wie in den Erläut. Frid. Franc. bemerkt ist, nichts weiter, als Armbänder mit auslaufenden Spiralplatten. Die vorzugsweise sogenannten Handbergen, weil sie um das Handgelenk getragen, die Hand trefflich bedecken und sie auch schützen, haben einen einfachen Armring zwischen den Spiralplatten. Die zu Rülow gefundenen Armschienen sind cylindrisch gewundene Armringe, wie Frid. Franc. Tab. XXI, Fig. 5, welche auch auslaufende Spiralplatten haben. Es finden sich dergleichen öfter und, wenn ich nicht irre, auch in der großherzogl. Sammlung zu Neu=Strelitz.

Anmerkung des Herrn Archivar Lisch.

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mäßig geschliffener Schneide, die bei einer so gut erhalten ist, daß man die Waffe sofort mit Erfolg gebrauchen könnte. Sämmtliche Stücke haben breite, vertiefte Rinnen zur Aufnahme des Schaftes; zwei davon gegen die Schneide hin einen vorspringenden Absatz in der Rinne zur bessern Festigkeit des Schaftes; drei derselben sind von gleicher Größe und Form; eine etwas kleiner; eine andre von auffallend schlechterer Masse, anscheinend viel Zinn enthaltend (eine Seite hat ein bleifarbenes Ansehen), doch ist diese Waffe ausgezeichnet größer und schwerer, als die übrigen. Einer dieser Frameen fehlt das äußerste Schaftende, sie ist aber zierlicher gearbeitet und wie polirt; an einer andern ist die Schneide abgebrochen. Das Frid. Franc. Tab. XIII, Nr. 5. 6. 7. stellt unsern völlig gleiche Frameen dar.

3) Eine Lanzenspitze mit Schaft=Dille und Löchern zur Aufnahme eines durchgehenden Nietes. Sie ist 5 Zoll lang von Pfeilform, hat in größter Breite 1 1/2 Zoll. Die im Frider. Francisceo Tab. VIII, Fig. 5 dargestellte entspricht der unsrigen.

4) Ein vorzüglich rein erhaltenes Paar verbundener Scheiben von spiralförmig gewundenem Drahte, das Ganze 5 1/4 Zoll in der Breite messend, jede Scheibe von stark 2 Zoll Durchmesser. Die Verbindung beider durch den ununterbrochen fortlaufenden Draht gebildet, ist ösenförmig; das Ganze in seiner Gestalt erinnert jeden Schauenden an eine Brille. Solcher Scheiben=Paare, leider in ihren Verbindungen schon vom Roste durchfressen, wurden noch an 6 von größerm und kleinerm Durchmesser gefunden 1 ). Sie haben wohl zum Kopfputz, vielleicht zur Ausschmückung der Rüstung, namentlich der galea oder cassis gedient; denn in einer dieser Scheiben fand ich beim Reinigen zwei Fragmente zierlich geflochtener Haarschnüre der rutilae comae des Tacitus durch das schwache Centrum der Scheibe gezogen. Daß jene Schnüre von Hanf seien, will mir die mikroskopische Untersuchung nicht glaublich machen.

5) Die Stücke eines breiten bronzenen Stirnbandes, Diadems, mit vertieften Linien, Leisten und gravirten Querstrichen verziert 2 ). Die Form entspricht ganz der Abbildung Frider.


1) Die Abbildung im Friderico Francisceo Tab. XXIII, Fig. 25 weicht von dem gefundenen Scheibenpaar bedeutend ab. Jene hat einen weiten zwischen beiden Scheiben liegenden Ring, zur Aufnahme einer Handwurzel groß genug; daher von Schröter und Lisch Handberge genannt. Die unsrige, wie gesagt, ist brillenförmig, mit einer Oese nach oben, nicht weit genug für einen Finger.            Sponholz.
2) Ein gleiches Diadem ist bei Malchin gefunden; vgl. Jahresber. I, S. 13.
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Franc. Tab. X, Fig. 5; doch hat diese Spiralwindungen als Verzierung. An dem unsrigen befindet sich ein Theil eines Scharniers, das Diadem hinten zu schließen.

6) Sieben Stücke enge Spiralen. Sie bestehen aus bronzenen, bandförmigen, schmalen Streifen, flach auf der innern, halbrund auf der äußern Seite, spiralförmig über einander gewunden, wie der Draht in Pfeifenschläuchen. Die längste mißt über 4 Zoll; der Durchmesser beträgt 1/4 Zoll.

7) Acht Stück cylindrisch gewundene Armringe aus springfederartig gewundenem Flachdrath; vgl. Frider. Franc. Tab. XXI, Fig. 8. 9. Einige von geringerm Durchmesser steckten in anderen mit größerm Diameter: Armbergen, für den Unterarm. Außer diesen ziemlich erhaltenen Armbergen fand sich auch eine Masse von Fragmenten dergleichen vom Rost schon durchgenagt.

Die ganze Masse an Bronze wog 16 Pfd.

Noch muß ich bemerken, daß von denselben Arbeitern 14 Tage früher, etwa 800 Schritte von jener Fundstelle neben einem großen Stein auf einer Anhöhe am Lattenbache, eine altmittelalterliche silberne Münze als Einzelnheit mit der Erde ausgegraben wurde 1 ). Selbst zufällig anwesend ließ ich sogleich die Stelle sorgfältig durchsuchen, doch ohne weitern Erfolg. Von der Größe eines preuß. Viergroschenstücks bei der geringen Dicke von Landkarten=Papier führt der Avers einen Tempel, der Revers ein Kreuz mit gleich langen Balken. In zwei Winkeln stehen zwei Kreise; in den beiden untern Winkeln lese ich die Charaktere D und C oder G 2 ). Die Münze ist ebenfalls von mir an das großherzogl. Museum nach Neustrelitz abgeliefert.

Rülow, den 3. August 1840.

Sponholz, Prediger.     


1) Mehrere dieser ganz ähnliche oder gleiche Münzen wurden 1833 etwa 3000 Schritte von dieser Fundstelle entfernt hinter Georgendorf auf der Grenze zwischen Warlin und Pragsdorf ausgehakt. Mit einer bedeutenden Anzahl arab. Silbermünzen gemischt, ist nur zu bedauern, daß der Fund bis auf wenige Stücke in die Hände von Handelsjuden gerathen und verschwunden ist. Ich machte damals das Rähere bekannt im schwer. Abendblatte Nr. 79, von wo die Anzeige in die Haude=Spenersche Zeitung überging. (Vgl. Jahresber. V, S. 126 flgd.)          Sponholz.
2) Dies ist wohl mehr als wahrscheinlich eine ottonische Münze, wie dergleichen häufig, auch in dem warliner Funde (vgl. Jahresber. V, S. 128), vorkommen. Die Charaktere in den Kreuzeswinkeln sind wohl auf jeden Fall Oddo (Oddo).
Anmerkung des Herrn Archivars Lisch.