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Fortsetzung des Aufgrabungsberichtes über die Ravensburg bei Neubrandenburg.

(Vergleiche Jahresbr. V, S. 112.)

Die Aufgrabungen in der Ravensburg sind, nachdem der Wasserstand im anstoßenden Bruche es erlaubte, am 16. Mai, 29. Julius und 22. August 1840 von mir fortgesetzt worden. Gewöhnlich begleitete mich der Dr. med. Brückner, der Cand. philolog. Wulf und der Holzwärter Müller. Das Ergebniß unserer Bemühungen läßt sich in Folgendes zusammenfassen.

Zunächst wurden die Aufgrabungen an derselben Stelle, wo sie 1839 am innersten Walle begonnen hatten, bis über die Mitte des Walles hinein fortgeführt. Die Spuren von Leichenverbrennung, die ich im Rande des Walles deutlich wahrgenommen (nämlich Kohlen=, Aschen=, Knochen= und Steinlager, so wie noch unversehrt in der Erde stehende Urnen) hörten desto mehr auf, je tiefer wir in den Wall eindrangen. Doch fanden sich fortwährend einzelne (auch bearbeitete) Steine, Knochen und Urnenscherben in Menge; selbst in der Mitte des Walles, sowohl nahe an seiner Basis, als auch an seinem Gipfel, staken in dem aufgeschütteten Sande zum Theil sehr große Bruchstücke von Urnen.

Offenbar konnten dieselben nicht von Urnen herrühren, die unversehrt im Walle beigesetzt und später durch Zufall zertrümmert waren, sondern mußten schon als Scherben mit dem Sande zugleich aufgeschüttet sein. Es scheint mir demnach angenommen werden zu müssen, daß an der Stelle, wo jetzt sich der Wallgraben befindet, der das Erdreich zum Walle geliefert hat, Urnen beigesetzt waren, die beim Aufwerfen des Walles zertrümmert wurden, und deren Scherben so mit in den Wall kamen.

Nachdem mir an dieser Stelle kein weiteres Ergebniß zu erzielen schien, habe ich noch an vielen Stellen auf und an den Wällen, und in dem Raume sowohl des innersten als des mittleren Walles nachgraben lassen. Fast überall fanden sich in geringer Tiefe Urnenscherben, seltener jedoch im Raume des mittleren Walles. Unversehrte Urnen waren aber nirgends zu entdecken. Dieses kann übrigens nicht befremden, da der ganze Raum mit Eichen und Gesträuch bedeckt und der Burgplatz, seitdem er zur Begräbnißstätte diente, wenigstens schon einmal abgeholzt ist; denn die jetzt vorhandenen Bäume haben höchstens ein Alter von 200 bis 300 Jahren. Theils durch die Wurzeln selbst, theils durch das Ausroden derselben müssen also

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die Urnen längst zertrümmert sein. - Endlich muß ich noch erwähnen, daß zu derselben Zeit, als ich diese Nachgrabungen innerhalb der Burg vornahm, in dem durch das Bruch von dem Burgplatze getrennten Eichengehölz (siehe Jahresber. von 1840, S. 113) Bäume gefällt wurden, und beim Ausroden ihrer Stämme ebenfalls an vielen Stellen Urnenscherben in Menge gefunden wurden.

Nach alle diesem scheint so viel außer Zweifel gesetzt, daß in der Wendenzeit der Burgplatz, der nahe gelegene sogenannte Rosenplan (Jahresber. von 1840, S. 110) und das anstoßende Eichengehölz ein großer Begräbnißplatz war, so wie daß die Burgwälle noch von den wendischen Einwohnern selbst sind aufgeworfen worden. Denn die Aufgrabung am innersten Walle hat unzweifelhaft dargethan, daß, nachdem der Wall schon aufgeschüttet war, am Rande desselben noch Leichenverbrennung statt fand und Urnen beigesetzt wurden. Was konnte aber die Wenden bewegen, durch Aufwerfen dieser Wälle ihren eigenen Begräbnißplatz zum Theil zu zerstören? Ich glaube, nur die Noth. So möchte denn die sogenannte Ravensburg eine jener Zufluchtsstätten sein, welche die Wenden in Kriegszeiten für ihre Weiber und Kinder benutzten, und von denen Helmold in der Slaven=Chronik lib. II, cap. 13 schreibt: Quoties autem bellicus tumultus insonuerit, omnem annonam paleis excussam, aurum atque argentum et preciosa quaeque fossis abdunt, uxores et parvulos munitionibus vel certe silvis contutant. Die Oertlichkeit kann zu einer solchen Zufluchtsstätte nicht passender gefunden werden. - Schon zu Latomus Zeiten führte diese Umwallung den Namen Ravensburg (Jahresber. von 1840, S. 116), und wurde für die Burg des Erbauers von Neubrandenburg, den Latomus Alberus Rave nennt, gehalten. Woher diese Ueberlieferung entstanden, läßt sich eben so wenig nachweisen, als unsere Aufgrabungen auch nur die geringste Spur von einer Burg hier haben entdecken können.

Neubrandenburg, den 22. März 1841.

F. Boll.