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13.
Die eiserne Jungfrau auf dem
Schlosse zu Schwerin.
Auf den meisten Burgen und Schlössern soll in alten Zeiten eine eiserne Jungfrau, d.h. ein Hinrichtungs= oder Marter=Iustrument gewesen sein. Dies ist bekanntlich eine Sage, welche sehr verbreitet ist; aber bis auf die neuesten Zeiten hat sich weder durch Auffindung einer solchen Jungfrau, noch durch Actenstücke die Existenz derselben nachweisen lassen. Der Engländer Pearsall machte in den neuesten Zeiten die eiserne Jungfrau zum Gegenstande seiner unermüdlichen Forschungen, welche im 27. Bande der Archäologie oder der Verhandlungen der Alterthumsforscher zu London niedergelegt und in den (Haude=Spenerschen) Berlinischen Nachrichten von Staats= und gelehrten Sachen, 1838, Nr. 282, Beilage, im Auszuge mitgetheilt sind. Die einzige bestimmtere Nachricht stammte aus der Stadt Nürnberg; hier sollte im J. 1553 eine 7 Fuß hohe, eiserne Statue gewesen sein, welche die Verbrecher durch Umarmung mit breiten Schwertern in Stücken zerschnitten habe. Pearsall fand die Jungfrau in Nürnberg nicht, aber doch Traditionen, daß sie dort vorhanden gewesen sei. In Salzburg gab man ihm die Versicherung, sie befinde sich zu Wien im Zeughause. Endlich fand er die Statue auf dem Schlosse Feistritz an der Grenze von Steiermark in der Sammlung des Barons Dietrich, der sie während der französischen Revolution mit einem Theile des nürnberger Arsenals durch Kauf an sich gebracht hatte. Diese Statue stellt eine nürnberger Bürgersfrau in der Tracht des 16. Jahrhunderts dar; es ist ein aus Stangen und Reifen bestehendes Gestell, mit bemaltem
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Eisenblech überzogen, 7 Fuß hoch. Das Ganze öffnet sich vorne in der Mitte und bildet so zwei Flügelthüren, welche durch Angeln mit den Rücktheilen verbunden sind. Vorne auf der rechten Brust befinden sich 13 vierschneidige Dolche, auf der linken Brust 8 und im Innern des Kopfes 2. Der Mechanismus der Maschine ist nicht mehr zu erkennen. - Andere Nachrichten geben Kunde von einer ähnlichen Figur im Gefängnisse der Inquisition zu Madrid; diese drückte mit den, mit Stiletten besetzten Armen den Verurtheilten an sich, bis er entseelt durch ein Fallthür fiel.
Auch im alten Residenzschlosse zu Schwerin soll nach der allgemein verbreiteten Sage, welche auch zu Pearsall's Ohren gekommen ist, eine solche Jungfrau gestanden haben. Die Sage ist in Schwerin viel besprochen; die Forschung ward jedoch durch eine andere Sage gehemmt, nach welcher der Hochselige Großherzog Friederich Franz sie habe zerstören lassen: man hielt die Forschung für vergeblich, weil man glaubte, nichts Zuverlässiges mehr herausbringen zu können. Bei einer Revision der Gemächer des Schlosses, in welchen alte Geräthe aufbewahrt wurden, ging man auch in das sogenannte "Burgverließ". Dieß ist ein unterirdisches Gewölbe in dem, an den ältesten Theil des Schlosses angebaueten Gefängnißthurm, welcher ungefähr aus dem J. 1500 stammt und früher der "Zwinger" und im 18. Jahrhundert von seiner Bedeckung die "Bleikammer", wie noch heute, genannt ward. Hier fand sich in der Mauer ein starker, beweglicher, eiserner Ring und nicht weit davon ein eisernes Band in Form eines Halbkreises, mit einem Gelenke und zum Vorlegen eines Vorlegeschlosses eingerichtet. Davor lagen an der Erde fünf gewaltige, zweischneidige, scharfe, eiserne Schwerter, welche zu der zerstörten Jungfrau gehört haben sollen und durch ihre Einrichtung allerdings verrathen, daß sie zu einem Hinrichtungs=Instrumente gebraucht worden seien. Alle Nachforschungen bei alten Leuten, welche über 40 Jahre im Schlosse angestellt gewesen sind, gaben aber nur das Resultat, daß in der Mitte des Burgverließes in der Erde ein viereckiges Loch, Wasserloch genannt, gewesen sei, so groß, daß ein Mensch habe hineinfallen können. Ein alter Feuerwärter versichert, daß vor vielen Jahren beim Besehen des Burgverließes ein junges Mädchen in dies Loch gefallen sei; er habe es selbst wieder herausgeholt, und darauf sei das Loch zugeschüttet. Nach allen diesen Umständen wird die eiserne Jungfrau im Burgverließe zu Schwerin ein Abgrund gewesen sein, der mit einer Fallthür bedeckt war, in welche der Verur=
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theilte hineinstürzte und hier von den Schwertern zerschnitten ward. Ob über der Fallthür ein Jungfrauenbild gestanden habe, läßt sich nicht mehr ermitteln. Ein gleiches Werkzeug sah der Herr Maler Fischer zu Schwerin in seinen Jünglingsjahren in einem alten Schlosse im südlichen Frankreich, vielleicht in der Provence; er erinnert sich der Einrichtung desselben noch genau: es war ein viereckiger Abgrund, in welchem gewaltige Schwerter zum Zerschneiden der Verurtheilten sich kreuzten. Die Maschine war wohl erhalten und ward "oubliette" genannt.
Die fünf Schwerter aus dem Burgverließe zu Schwerin, welche jetzt in der Großherzogl. Alterthümersammlung aufbewahrt werden, gehörten offenbar zu einer Maschine. Es gehören von den fünf Schwertern zwei Paare zusammen, das fünfte steht allein. Die Schwerter des ersten Paares haben ein kurzes, gerades, gespaltenes Heft von 6" Länge, welches über einen Balken faßte und an demselben mit zwei Schrauben befestigt war; die Klingen sind 34" lang, am Hefte 5" und kurz vor der abgerundeten Spitze 2 3/4" breit. Die Schwerter des zweiten Paares haben ein einfaches, nicht gespaltenes, gebogenes Heft von 12" Länge zum Einschrauben in einen Arm oder Balken; die Klingen sind am Hefte 4" und kurz vor der abgerundeten Spitze 21/2" breit. Das fünfte Schwert ist den Schwertern des zweiten Paares gleich, nur mit dem Unterschiede, daß das Heft, welches zum Einlassen in einem Balken eingerichtet ist, ganz grade ist.
Die Existenz der eisernen Jungfrau von Schwerin scheint also außer Zweifel zu sein, wenn auch der Mechanismus der Einrichtung nicht mehr erkennbar ist.
G. C. F. Lisch.