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XI.

Handschriften

mittelhochdeutscher Gedichte,

mitgetheilt

von

G. C. F. Lisch.


I.
Wigalois und Parcival.

I m J. 1834 entdeckte ich im Großherzogl. Geheimen=und Haupt=Archive zu Schwerin eine Handschrift, welche den Wigalois und den Parzival enthält. Die Handschrift ist auf Ochsenkopfpapier in Fol. im 15. Jahrhundert geschrieben, jedes der beiden Gedichte von anderer Hand, in zwei Columnen auf der Seite. Die Zeilenzahlen der Columnen sind verschieden; im Durchschnitt enthält die Columne im Wigalois etwas über 30, im Parzival etwas über 40 Zeilen. Darin stimmen beide Gedichte überein, daß die Initialen der einzelnen Abschnitte roth gemalt und die Anfangsbuchstaben jeder Zeile roth durchstrichen sind; der Wigalois enthält außerdem noch Ueberschriften in roth zu den einzelnen Abschnitten. Im Anfange und am Ende fehlt an der Handschrift etwas; ich fand sie ohne Einband vor. Was den Werth der Handschrift betrifft, so ist der Text nicht schlecht, wenn auch die Orthographie den niederdeutschen Charakter des 15. Jahrhunderts trägt und an schwierigern Stellen oft eine mehr gewöhnliche Auffassung nicht zu verkennen ist. Ich theile hier Anfang und Schluß eines jeden Gedichts mit; es wird aus diesen Bruchstücken der Werth der Handschrift und der Umfang dessen, was von ihr verloren gegangen ist, zu erkennen sein.

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1.
Wigalois.

(Her Gawein der kune man)
1861    wapente en selbir mit siner hant.
Einen helm er em uffbant
dar uff eyn rat von golde gie.
Daz wafen mynet der ritter ye,
1865  wan is ging uff vnd zcu tal
mit listen in synes herren sal.
Da durch trug er daz rat,
als en des sin herze bat, 
zců eyne cimire.
1870 Eyn riche baniere
wart em gebunden an sin sper.
Vff sin ros saz do er,
dacz wacz starck vnd gut; 
des wart der ritter wol gemut.
1875 Schilt vnd sper reycht man im dar;
da was er gewapent gar.
Hern Gawin bef[a]lch er got.
Vil grosz jammer [an]e spot
wart do czwys[chen] en beydin,
1880 do sii sich mus[zen s]cheydin.
Sus reyt er W[igeloi]s von [dan].
Em bat do heiles man[e]g man,
do von muste er gelucke han.
    Do wolde die mait nicht beiten Wigolus.
Der mayt ylte er vaste nach. etc.

Hie sulle wir Er Wigolus leben
vnde der ebenture ende geben.

11686    Ich wel dicz mere volenden hie,
als mich ez eyn knappe liz,
der mir sin zcu tichte gunde.
Nie wan eyns von synem munde
11690 enphing ich die ebentivre.
Do, von was mir tivre
daz mere an manchen enden.
Minen syn wel ich wenden
an eyn anders: vnd wysszet daz 
11695 die wirt von mir berichtet baz.
Daz si uch allen ane has.
          Her Wygolus vnd sin wyp
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  richeit vnd eren phlag ir lip
ane alle missewende
schone bis an ir ende.
11700    Ir reynes lebin vordynte hie,
dacz sii gotis gnade dort enphing 
da tusent jar sin eyn tag.
Niemant si gemesszin mag
der frouden ich geliche
11705 die ist in himmelriche,
dar vns got hen gesende
usz deszem enelende.
Hie hat das buch eyn ende.
            Explicit explicuit etc.
     Hie hat das buch eyn ende 
     ane alle missewende
     Her Wigolus was er genant
     der die ebenture er rant.

2.
Parzival.

        Ist czwifel des herczin naghebur,
das můsz der selen werdin sůr.
gesmehet vnde geerit ist,
so wa sich vorirret list
5 vnde vnuorczagites mannes můt,
alse agelestere uarwe tůt.
der mag dannoch wesin geil:
wanne an eme sient beide teil,
des hymmels vnde der helle.
10    der vnstetige geselle
der hat dy swarcze varwe gar,
vnde wirt auch noch der vinster var:
so habin sich an die blankin
der mit den stetin gedankin.
15 Dit vligende bispel
ist tummen luten gar zcu snel,
sine muge ins nicht irdenkin:
wen esz kan in entwenkin
recht also eyn scellic hase
20 czihen andirthalb an deme glase
gelichet, vnde des blinden troym.
dy gebin anders ro ue m,
ouch magk mit state nicht gesien 
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 durre trübe lichte schien:
25    der macht kurcze vroude alle war.
wer rouffet mich da ni keyn har
gewuchs, ynne an myner hant?
der hat vil nahen griff irkant.

(Müller Z. 23979)
Lachmann Z. 23811. das her reit uber alle schown dar:

die namen der templeise war.
dy waren gezcimieret
vnde wol gehurtieret
15     vnde scilde mit tiostiren sere durchriten,
dartzu mit swertin ouch versniten.
ettislichir truc eyn kursît
von phelle adir von samit.
ysirkolczin hatten sy dannoch an:
20 daz andir harnasch was [von in getan].
     da enmac nummer geslafin [sin].
der koning vnde de konigin
standen uf. eyn pr[iester] messe sanc.
vff deme ringe h[uop] sich groz gedranc
25 von deme ellinthaften her,
dy gein Clamide waren zcu wer.
da der segen wart getan
Parzifal enphingen sine man
mit truwe werdecliche,
mannic ritter ellensriche.
30      man nam des gezceltes wende abe.
der knape sprach: widirhiesz ist der knabe
der koninc sal sin vbir uwir lant? 
den fursten tet er da bekant
35 Waleis vnde Nurgals,
Kanvoleis vnde Kingrihals
der selbe sal von rechte han.

II.
Iwein.

Die Universitäts=Bibliothek zu Rostock besitzt eine Papierhandschrift des Iwein aus dem 15. Jahrhundert von untergeordnetem Werthe. Litteratur und Proben finden sich in v.d. Hagen's Literarischem Grundriß zur Geschichte der deutschen Poesie, Berlin, 1812, S. 118-122.

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III.
Ernst von Kirchberg

Meklenburgische Reim=Chronik.

Diese im Großherzogl. Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin aufbewahrte Chronik, das literarische Prachtstück der Ostseeländer des Mittelalters, wird deshalb hier erwähnt, weil es der Form nach der mittelhochdeutschen Poesie angehört; ihr dichterischer Werth ist sehr unbedeutend: desto größer ist im letzten Theile ihre historische Wichtigkeit. Der Codex ist von Pergament im größten Format, prachtvoll geschrieben, mit interessanten Miniaturen und verzierten Initialen, ohne Zweifel Originalhandschrift, im J. 1378 begonnen. Gedruckt ist die Chronik in Westphalen Mon. ined. IV, p. 594-840. Einige Verse aus dem Anfange werden einen Begriff von ihrer dichterischen Form geben:

O et alpha, kyrios,
emanuel et yschiros,
altissimus, almechtig,
dyn gnade sy betrechtig.
5 God vatir, son, heiliger geyst,
gib mir dyn helfe vnd ouch volleyst;
du eynich god vnd drylich genennet,
myn ynnekeit daz wol irkennet,
daz an dyne helfe nicht
volkumen mak in keyner schicht,
10 sint du bist anbegyn vnd ende:
so ruche heylant myn vnd sende
mir kunstelosen hartin
vz dyner kunste gartin
getichte, daz virnemelich
15    sy vnd dir vatir lobelich.
Mit geblumeten worten cziren,
virnunft rethorisiren,
des byn ich leyder gar eyn kynt
vnd an kunstlicher witze blynt
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Daz dyt buch so wart irhabin
dutsch vz latinischin buchstabin
vmb herczogin Albrechtis bede gar,
85 daz waz du man schreib tusint iar 
dryhundert achte vnd sybenczig vor
also lange nach godes gebord
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vf den frytag nach epyphany
du bestunt ich kunsten fry
90    dyt buch zu puren vnd zu fynen
dudisch gar vz den latinen 
vnd hub an also dyt werg:
daz ted ich Ernst von Kirchberg.