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B. Aus der Zeit der Kegelgräber 1 ).

a. Gesammelter Inhalt einzelner Gräber.

Kegelgrab von Gr. Kelle (bei Röbel).

Auf dem Felde des Gutes Gr. Kelle, welches viel schwere Lehm= und Mergelerde hat, stand ein großer, weiter


1) In dem Ersten Jahresbericht des altmärkischen Vereins etc. . wird diese Klasse von Gräbern mit dem Namen "Grabhügel in Backofenform" bezeichnet, und dabei (S. 86) bemerkt, daß die in der Altmark vorhandenen alle die Form eines Backofens oder eines Kugelsegments (  ...  )
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Hügel 1 ) von wenigstens 8 Fuß Achsenhöhe vom Gipfel bis auf die Basis; schon früher war Mergelerde von demselben abgefahren und dabei war man auf Steine gestoßen. Als nun im Verlaufe der Zeit wieder Steine zum Bau gebraucht werden sollten, ward dieser Hügel im letzten Herbste abgeräumt. Es wurden wohl über sechs vierspännige Fuder Feldsteine von der Größe gewöhnlicher Pflastersteine weggeführt; diese waren unter der bedeutenden Erddecke des Hügels zu einem kegelförmigen Gewölbe regelmäßig zusammengefügt, jedoch ohne Bindemittel und so gut es mit unbehauenen Geschieben geht, wie man es in der Klasse der (germanischen) Steinkegelgräber gewöhnlich findet. Unter diesem Gewölbe, in der Mitte desselben, auf dem Urboden, stand eine Steinkiste von größern Steinen, groß genug für die Anwendung voller Manneskraft zum Heben. In dieser Steinkiste stand eine große Urne von dünnem Erzbleche, nach der Beschreibung: wie ein "Kessel" gestaltet; das Gefäß war mit einer dunklen, "torfartigen Materie", ohne Zweifel den Resten einer verbrannten Leiche, gefüllt; das Ganze war jedoch zu einem großen Klumpen, wie ein Brei, zusammengedrückt, so daß von dem Gefäße nur kleine Stücke gerettet wurden. An jeder Seite dieser Urne stand ein kleines Gefäß mit einem Handgriffe und außerdem fanden sich mehrere kleinere Alterthümer. Der Schatz ward von den Arbeitern, die mit den Hacken zwischen die Steine geschlagen und einen hohlen Raum bemerkt hatten, einige Stunden verheimlicht, bis der Herr Kammerherr von Bülow Kunde davon erhielt, die Sache selbst untersuchte und das Gefundene von seinen Leuten wieder zur Stelle schaffen ließ, auch von zuverlässigen Männern, die bei der Entdeckung gegenwärtig gewesen waren, gewissenhaften Bericht über die Entdeckung einzog. Der ganze Fund ward von demselben alsbald mit großer


(  ...  ) haben, dagegen zur Kegelform sich dort nirgends erheben. In Meklenburg aber giebt es unter den germanischen Gräbern, namentlich unter den größten, ziemlich viele, welche der Kegelform wenigstens sehr nahe kommen (vgl. die Abbildung auf dem Titelblatte des Friderico-Francisceum); der Mehrzahl nach freilich haben sie die Gestalt eines mehr oder minder regelmäßigen Kugelsegments, bis sie in eine ganz niedrige, kaum von den natürlichen wellenförmigen Erhebungen des Bodens zu unterscheidende Erhöhung sich verlieren. Demnach ist unsere Bezeichnung "Kegelgräber" allerdings keine genau zutreffende; allein das ist jene andere, "Grabhügel in Backofenform", auch nicht, da ja die germanischen Gräber auch von der regelmäßigen Form eines Backofens vielfach abweichen. Jedenfalls ist die von uns angenommene Bezeichnung eine für den Gebrauch viel bequemere und gefügigere, auch schon anderweitig vielfach recipirt.
1) Das Gut Gr. Kelle enthält auf seiner Feldmark viele Gräber der Vorzeit und hat deren in frühern Zeiten noch viel mehr besessen. Ueberhaupt ist die ganze Gegend um Röbel antiquarisch sehr merkwürdig.
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Liberalität dem Vereine zu Händen des Herrn Präsidenten zum Geschenke überreicht.

Die in diesem Grabe gefundenen Alterthümer sind folgende:

1) DieAschenurne aus Bronze, welche in der Mitte des Grabes stand und in unzählige kleine Stücke zerdrückt war. Die Urne bestand aus mehr dunkler oder röthlicher Bronze und war mit weniger Zinn legirt, als gewöhnlich die norddeutschen Bronzen. Nach den Fragmenten und nach den Beschreibungen der Arbeiter war die Urne ein großes, kraterförmiges Gefäß; daher die Arbeiter es mit dem Namen eines "Kessels" 1 ) belegten, als sie es so zerdrückt im Grabe stehen sahen. Es sind von dem Herrn von Bülow nachträglich 2 ) noch zwei zusammengehörende Randstücke eingesandt, welche die Beschaffenheit des Gefäßes ziemlich klar erkennen lassen. Sie machen etwas über ein Viertheil des ganzen Randes aus und sind ungefähr 2" hoch. Nach der höchst regelmäßig verfertigten Arbeit hatte der innere Umfang des Randes den bedeutenden Durchmesser von 16½". Der äußerste Rand ist gegen ½" breit und ¼" hoch, voll gegossen oder geschlagen und im Innern durch zwei eingedrehete Kreise von dem Bauche abgegrenzt. Die Wand des Bauches wird vom Rande abwärts schnell dünner und ist im Allgemeinen im Erze ungefähr nur 1/32" dick. Der Rand steht nach innen ungefähr 3/8" und nach außen, in einer Höhe von 1/8", nur 1/16" über. Außen wölbt sich der Bauch ganz wenig ohne Vorsprünge und Verzierungen und verengt sich sehr allmählig nach unten zu; der untere Theil läßt sich jedoch nicht klar erkennen 3 ). Die Flächen sind höchst sauber und regelmäßig gearbeitet.

2) Ein Bronzegefäß, welches ebenfalls ganz zerdrückt ist; einige mit Rost überzogene Bruchstücke reichen jedoch hin, eine ungefähre Beschreibung des ganzen Gefäßes zu geben. Es bestand ebenfalls aus röthlicher Bronze und war sehr dünne geschlagen bis zu einer halben Linie im Bleche, wie dergleichen Arbeiten öfter in Kegelgräbern vorkommen 4 ). Nach einigen


1) Auch bei den Griechen diente der Kessel (λεβης) zum Aschenkruge; vgl. K. O. Müller Handbuch der Archäologie S. 299, 10.
2) Bei der Aufgrabung waren zufällig fremde Arbeiter in Tagelohn, welche manches von dem Funde unterschlagen haben sollen, daher einige Bronzefragmente nachträglich eingesandt sind, so wie genauere Nachforschungen sie ans Licht brachten.
3) Nach den vorhandenen Fragmenten hatte das Gefäß dieselbe Gestalt, wie das zu Gnevikow bei Ruppin gefundene Bronzegefäß, welches in A. v. Minutoli Baudenkmälern des Mittelalters in den brandenb. Marken, Heft 1, abgebildet ist.
4) Vgl. Friderico-Francisceum, Erläuterung S. 122.
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Bruchstücken des Randes zu urtheilen, hatte das wenig ausgebauchte Gefäß eine Oeffnung von ungefähr 8" und eine entsprechende Höhe; es hatte einen fingerbreiten, senkrechten Rand; der äußerste Rand, so wie der Rand des Bodens, war um einen stärkern Draht gelegt, wie auch dies bei den Rändern und Henkeln der dünne geschlagenen Bronzegefäße aus Kegelgräbern öfter vorkommt 1 ). Die Arbeit ist sehr regelmäßig und sauber getrieben.

3) Ein Stöpsel, von derselben Bronze, der, mit Ausnahme einer Höhlung in dem einpassenden Theile, voll gegossen ist. Er ist 2¼" hoch und hat ganz die Gestalt eines Stöpsels einer modernen gläsernen Karafine. Um den einpassenden Theil liegt ein angerosteter Erzring, der offenbar nicht zu dem Stöpsel gehört, sondern zu dem Gefäße, in welches er paßte. Vielleicht war dieser Stöpsel, nach der Meinung des Hrn. von Bülow, der Griff oder Knopf von einem Deckel des großen Kessels, vielleicht ein Stöpsel einer ehernen Flasche.

4) Ob ein 2¾ langes und ¾" breites, an einem Ende sich bis 1½ ausdehnendes, dickes, plattes Bronzeblech zu dem Griffe einer Schöpfkelle, wie Nr. 5, gehört, läßt sich nicht entscheiden.

5) Eine Schöpfkelle mit Handgriff aus dünne geschlagener Bronze, welche dem reinen Kupfer sehr nahe kommt. Die Schale ist ohne Bodenrand, nach unten hin ganz abgerundet, 3" hoch und 5" im Durchmesser in der Oeffnung. Der Rand ist dicker (1/8 dick), als die Schale (höchstens ½" dick), und ¼" breit ausgebogen. Der Griff, von der Dicke des Randes, ist 4" lang und durchschnittlich ¾" breit und am Ende dreizackartig und breit ausgeschnitten. Das Ganze ist mit grünem Oxyd bedeckt. Das Erz ist fast reines, rothes Kupfer. Die Schale ist sehr dünne und sehr vollkommen ausgearbeitet. Verzierungen sind weiter nicht vorhanden, als auf der Außenseite des Bodens drei concentrische Wulste um einen Knopf, welche Figuren durch sechs auf der Drehbank eingedrehete Kreise hervorgebracht sind, und im Innern und Aeußern der Schale dicht unter dem umgebogenen Rande eine eingedrehete Linie. Das Gefäß ist, wenn es leer auf den Boden gestellt wird, nicht zum Stehen eingerichtet. sondern lehnt sich beim Hinstellen gleich auf den Handgriff zurück. Es ist dem großen zerdrückten Aschenkruge an Arbeit und Metallcomposition sehr ähnlich; jedoch ist das Metall dieser Schöpfkelle um ein Geringes dunkler, als das Metall des Aschenkruges, und hat mehr Schönheit und Gluth in der Farbe.


1) Vgl. Friderico-Francisceum, Erläuterung S. 122.
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Auch in Skandinavien sind Gefäße von gleicher Bildung 1 ) gefunden, welche ebenfalls auf der äußern Seite des Bodens "mit cirkelförmig gedrechselten Zierrathen" versehen sind 2 ). Ein ähnliches Bronzegefäß mit "einem Handgriffe", gleich einer "Casserole", 8" weit und 3" tief, ward auch im Großherzogthume Oldenburg beim Dorfe Lüerte in einem Kegelgrabe gefunden 3 ); es war mit Knochenresten gefüllt und mit einem Steine zugedeckt. An der Stelle, wo der Handgriff an der Schale befestigt war, fanden sich auf dem Griffe zwei "Delphine" ausgearbeitet 4 ).

6) Das Merkwürdigste bei diesem Funde ist eine silberne Schale mit einem Handgriffe, welcher mit Darstellungen aus der alten Mythologie in erhabener Arbeit geziert und ohne allen Zweifel ein Werk der alten Kunst Griechenlands oder Italiens ist.

Die Schale selbst ist 2¾" hoch und in der Oeffnung 7" im Durchmesser; sie verengt sich nach unten nur wenig, so daß ein starker Rand um den äußersten Boden, auf welchem das Gefäß steht, nach starker Abrundung im untersten Viertheil des Gefäßes, noch 4" im Durchmesser hat. Der Griff ist 5" lang, an beiden Enden 2½" breit und nach der Mitte hin bis 1¼" Breite eingezogen. Das Ganze besteht aus dickem Silberblech und wiegt 1 Pfund 14 Loth köln. Gewichts. Stempelzeichen sind nicht vorhanden, und überhaupt zeigt die Schale selbst nichts weiter als eine einfache glatte Arbeit, welche zuerst mit dem Hammer getrieben, darauf aber wahrscheinlich auf der Drehbank nachgedrechselt ist; hiefür zeugt auch in der Mitte der Außenseite des Bodens ein vertiefter Kreis mit einem schmalen Rande von 1" Durchmesser, der um einen eingestochenen Mittelpunct eingedrehet ist. Das Silber ist fast ganz rein 5 ), nach angestellten Proben 15löthig, und hat in keinem Theile durch Rost oder sonst gelitten.


1) In Skandinavien werden Gefäße mit Handhaben, die einer Casserole ähnlich sehen", gefunden; vgl. Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde, Kopenhagen, 1837, S. 41. Nach des Hrn. Canzlei=Raths Thomsen zu Kopenhagen brieflichen Mittheilungen sind "Casserolen, die eine künstliche Drehbank voraussetzen", mehrmals in Dänemark mit andern Sachen aua der jüngern heidnischen Zeit zusammen gefunden.
2) Vgl. Historisch=antiquarische Mittheilungen, herausgegeben von der königl. Gesellschaft für nordische Alterthumskunde, Kopenhagen, 1885 S. 87.
3) Vgl. Wildeshausen in alterthümlicher Hinsicht. Oldenburg, 1837, S. 3l u. Tab. II.
4) Vgl. unten die silberne Schöpfkelle.
5) Daher die Möglichkeit des leichten Treibens des Silbers; vgl. Hirt in Böttigers Amalthea, I. S. 248.
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Ehe wir zu Betrachtungen über dieses Gefäß schreiten, wird eine einfache, ungetrübte Beschreibung des Griffes den besten Commentar geben. Der ganze Griff ist nämlich mit einer reichen und künstlerisch ausgeführten mythologischen Darstellung in erhabener Arbeit geziert. Auf dem mittlern, schmalern Theil desselben steht auf einem unregelmäßig modellirten Vorsprunge, der Erde, eine erhabene weibliche Göttergestalt (2" groß) mit gelocktem Haar und der Mauerkrone auf dem Haupte; das Antlitz ist erhaben, milde und mütterlich, kurz matronenähnlich, die Brust ziemlich gewölbt. Das griechische Gewand ist unter der Brust in überhängenden Falten gegürtet und fällt in wenigen, weiten Falten in schöner Drappirung über die Füße hinab: die ganze Körpergestalt der Figur schimmert vom Halse bis zum Kniee sehr klar durch das Gewand hindurch, so daß selbst die Nabelgegend leise angedeutet ist. Von den Armen wird nur der gesenkte rechte Arm durch das Gewand bis zum Ellenbogen bekleidet, der erhobene linke ist nackt. Von den Schultern, welche mit stark hervorragenden Hefteln geziert sind, hängt bis zur Sohle über den Rücken ein schleierartiges Obergewand hinab, welches zu beiden Seiten der Figur in äußerst zarter Arbeit hervorsteht, Ihr zur Rechten steht auf der Erde ein Rinderpaar, welches ihr mit den Hörnern nur bis ans Kniee reicht; ihr zur Linken steht auf der Erde ein Todtenkopf mit Beinknochen. In der zum Geben abwärts ausgestreckten rechten Hand halt sie aufwärts gerichtet den Caduceus (den sogenannten Merkursstab), mit zwei Flügeln an der Seite und an den zwei, zu einer Symbol gekrümmten Schlangen; in derselben rechten Hand hält sie abwärts gerichtet, allem Anscheine nach, einen Phallus: gegen die Annahme eines Griffels in dieser Darstellung redet die Größe, gegen die Annahme einer nach unten spitz auslaufenden Amphora reden andere Nebenumstände. Den nach oben hin ausgestreckten, gekrümmten Arm stützt sie auf ein Ruder mit sehr langer, an den Enden zierlich und schräge abgeschnittener Schaufel, welche auf dem Todtenkopfe steht; mit derselben Hand, welche an der Ruderstange ruht, faßt sie zwei kreuzweise gelegte, nach oben geöffnete Füllhörner; an der Spitze der Stange über den Füllhörnern hängt eine viereckige Tafel (des Gesetzes?). — Zwischen dem Standorte der Figur und der Schale steht auf einem durch Bunzen modellirten Boden ein gekrümmter Baum 1 ) mit drei, stark hervorragenden runden


1) "Wie schwer verschiedene Pflanzenarten auf alten Kunstwerken zu unterscheiden sind"; darüber vgl. K. O. Müller, §. 435, 2.
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(Granaten=? oder Lotus=?) Blüthen; mehrere andere Blüthen sind leicht eingegraben. Unter dem Baume ruht ein trefflich modellirter Löwe auf dem Boden; vor ihm liegt abwärts gewandt ein Widderkopf 1 ). — Das Ende des Griffes hat drei Ausbiegungen: in der Mitte und nach jeder Seite hin. Auf der Ausbiegung in der Mitte, auf der Spitze des Griffes, steht, mehr erhaben als alle übrige Arbeit, eine ernste, volle Gesichtsmaske mit vollem, seitwärts gelocktem Haar, vielleicht ein Proserpinenkopf oder eine baccchische Maske, wie ähnliche Masken öfter auf Münzen vorkommen; das Haar ist durch wenig Gravirungen, die Pupillen der Augen durch eingegrabene Puncte bezeichnet Auf jeder Seitenausbiegung des Griffendes steht ein Pantherkopf.— Der Griff faßt beinahe um ein Drittheil des Schalenrandes. Die Verzierung der Verbindung zwischen Schale und Griff, vom Schalenrande zum Griffrande hinauf, bildet an jeder Seite eine mehr arabeskenartige Verzierung, bestehend aus einer gewundenen Schlange, deren langer, schnabelartiger Rachen allmälig mit dem Schalenrande verschmitzt 2 ); auf der Schlange sitzt ein papageienartiger Vogel mit langen Schwingen und Schwanzfedern, so daß die ganze Verzierung auf den ersten Blick ein geflügelter Drache zu sein scheint. Möglich ist es auch, daß der Vogel zu der Schlange oder dem Fische in keiner nähern Beziehung steht: denn die Füße des Vogels sind außerhalb der Schlange eingravirt, so wie ein Haufen Fruchtkörner vor dem Schnabel des Vogels mit Bunzen eingetrieben ist.

Wozu dieses Gefäß gedient habe, läßt sich leicht dahin beantworte, daß es eine Schöpfkelle (αρντηρ, simpulum) sei, eines jener "Gefäße zum Schöpfen aus dem Krater in den Becher, aus Schälchen mit langen Griffen bestehend" 3 ). Für den gottesdienstlichen Gebrauch desselben redet wohl die Verzierung des Griffes, wie das Ganze an die "cerealische Schwinge" (λιχνον, vannus) erinnert 4 ), wenn auch nicht mit derselben verwechselt werden soll. Daß es griechisch=römischen Ursprunges sei, dürfte wohl kaum bezweifelt werden.


1) "Der Löwe mit einem Widderkopfe kommt oft vor, z. B. auf Münzen von Belia." Thomsen.
2) An dem oben erwähnten, im Oldenburgischen gefundenen casserolenförmigen Gefäße ist die Aufügung des Griffes an die Schale ebenfalls durch "zwei Delphine" vermittelt; vgl. Wildeshausen in alterth. Hinsicht, S. 31.
3) Vgl. K. O. Müller Handbuch der Archäologie der Kunst, §. 298, 2.
4) Vgl. K. O. Müller, §. 300, 2.
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Für den antiken Ursprung des Gefäßes redet auch die Arbeit, welche im Gantzen und im Einzelnen höchst edel und vollendet und in einer Art gearbeitet ist, welche von den heutigen Manieren abweicht, kurz — antik ist. Es ist eines jener Werke der Toreutik (der Kunst des Treibens aus Erz), welche schon bei den Alten in großem Ansehen standen. Das Ganze ist wohl sicher aus freier Hand ge trieben, oder vielmehr nach Art der Schnitzerei gearbeitet; vom Guß ist keine Spur 1 ), wie namentlich alle Vertiefungen sichtlich mit gewandter Hand frei eingetrieben sind; von Auflöthen gegossener Arbeit kann nicht die Rede sein, da z. B. der Schleier der weiblichen Göttergestalt höchst zart ist und nicht höher aufliegt, als die Löthung allein die Fläche gedeckt haben würde; die sehr erhabene weibliche Maske am Griffende möchte allein aufgelöthet sein. Dennoch könnte man an der Ciselirung des Kunstwerks zweifeln: so vollendet und sauber ist es, und schwerlich möchte es jetzt einen Nachbildner finden; es möchte die Manier dieser Art von Arbeit fast unglaublich erscheinen, wenn nicht die Alten selbst zu bestimmt davon redeten.

Die Toreutik (τοεντιχη) der Alten ist die Kunst der "Bearbeitung des Metalls mit scharfen Instrumenten, die Sculptur in Metall, und entspricht ganz der römischen caelatura; doch vereinigt sich damit nach Erforderniß der Aufgabe bald ein theilweises Gießen in Formen, bald das Herausschlagen oder Treiben mit Bunzen" 2 ); sie ist die neuere Kunst des Ciselirens 3 ). Diese Kunst blühte schon zur Zeit des Phidias in Griechenland 4 ) und war bis zum dritten punischen Kriege in Etrurien so geschätzt, daß etrurische Werke der Toreutik selbst in Athen zur Zeit der höchsten Kunstbildung gesucht wurden 5 ).

Nach den großen Eroberungen der Römer ward aber Rom, ungefähr im Jahrhunderte vor Christi Geburt und in den zunächst folgenden Zeiten, der Sammelplatz ausgezeichneter Toreuten 6 ), Erzgießer und Bildhauer, und die Römer gewannen besonders Geschmack an den Werken der Toreutik 7 ). Vorzüglich waren Gefäße aus Silber, dem Lieblings=


1) Vgl. Hirt in Böttigers Amalthea I, S. 249 und 250, und 259.
2) Vgl. K. O. Müller a. a. O. §. 311.
3) Vgl. K. O. Müller a. a. O. §. 173, 1, und Hirt in Böttigers Amalthea I, S. 249.
4) Vgl. K. O. Müller a. a. O. §. 112, 1.
5) Vgl. K. O. Müller a. a. O. §. 173.
6) Vgl. K. O. Müller a. a. O. §. 196 und §. 257, 4.
7) Vgl. K. O. Müller a. a. O. § 311.
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material der Toreutik, gesucht 1 ), und schon vor dieser römischen Periode waren griechische Provinzen voll argentum caclatum 2 ). Die Römer beherrschte förmlich "eine wüthende Begier" 3 ) nach Kunstwerken dieser Art und die "Meister, welche kleine Reliefwerke in Silber" arbeiteten, waren noch zu Plinius Zeiten vor andern berühmt 4 ).

Daß unser Gefäß eines der seltenen 5 ) Ueberreste jener Arbeiten aus der römischen Periode sei, dürfte wohl keinem Zweifel unterworfen sein. Zwar sind, nach Mittheilungen des Herrn Canzleiraths Thomsen zu Kopenhagen, in Dänemark ähnliche Alterthümer, wie sie sonst noch (vgl. unten) in dem Gr. Keller Grabe gefunden wurden, mit eisernen Geräthschäften, und gedrehte Casserolen aus Bronze mit andern Sachen aus jüngerer Zeit zusammengefunden, und man könnte hieraus schließen, daß der ganze Fund jungem Ursprungs sei, wie Thomsen Neigung hat, ihn aus der Zeit der Antonine herzuleiten. Aber in dieser Zeit war die bildende Kunst im römischen Reiche schon zu sehr in Verfall 6 ), als daß man annehmen könnte, es seien noch Kunstwerke, wie diese silberne Schöpfkelle, durch sie in die Welt geschickt worden. Zwar kann das Kunstwerk immerhin ein Jahrhundert älter sein, als die übrigen dabei gefundenen Sachen; aber diese reden grade nicht gegen einen ältern römischen Ursprung, wenn auch ähnliche Dinge noch aus der Zeit des Verfalls des römischen Reiches als Originalwerke des Nordens in Meklenburg vorkommen.

Schwieriger bleibt die Deutung des Reliefs: zwar ist es auf den ersten Blick klar, daß es sich auf den Cultus jener hohen weiblichen Gottheit bezieht, welche den Mittelpunkt des mystischen Dienstes der Geweiheten bildete; aber es ist uns keine so reiche Zusammendrängung von Attributen bekannt, als sie sich auf unserm Gefäße findet, wenn sich dagegen auch nicht leugnen läßt, daß sich in den letzten Zeiten der römischen Republik die Culte der Demeter, der Rhea und der Cybele, des Bachus und der Isis, der Fortuna, der Abundantia und der Hestia u. s. w. 7 ) so


1) Vgl. K. O. Müller a. a. O. §. 160 und §. 311, 4. - Die Toreutik in Silber fing erst ungefähr in der Mitte des 4ten Jahrh. vor Chr. an. Vgl. Hirt in Böttigers Amalthea I, S. 239, S. 249 u. S. 261 flgd.
2) Vgl. K. O. Müller a. a. O. §. 160.
3) Vgl. K. O. Müller a. a. O. §. 311.
4) Vgl. Hirt in Böttigers Amalthea I, S. 249.
5) "In Silber sind nur wenige Bildwerke auf uns gekommen." Vgl. Hirt in Böttigers Amalthea I, S. 250.
6) Vgl. K. O. Müller a. a. O. §. 204.
7) Vgl. K. O. Müller a. a. O. §. 357, 382, 395, 398, 408; Creuzers Symbolik II, S. 54 flgd., IV, S. 301, u. a. a. O.
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sehr durchkreuzten, daß selbst die Alten, in der Entwickelung einer religiös=philosophischen Mystik begriffen, keine bestimmte, scharf abgrenzte Vorstellung von der Personification dieser hohen Göttin hatten 1 ). Durch diese Vermischung der Ideen ist jene Fülle von Symbolen auf unserm Gefäße entstanden.

Die Grundidee ist freilich die der Rhea oder der Eybele: dafür reden die Mauerkrone, der Löwe und, in Vergleichung mit dem bacchischen Dienste, die Pantherköpfe 2 ) und der Widderkopf 3 ). Aber diese Cybele ist nicht mehr die alte in der strenge abgegrenzten Gestalt und mit dem wilden Dienste der Handpauke. Es ist die Demeter (Ceres) als Allmutter, die "nährende Natur als Mutter" aufgefaßt: die magna mater, die allen Segen giebt, die Göttin der Mysterien. Daher diese edle Würde und milde Ruhe in der ganzen mütterlichen Gestalt, welche auf der Erde steht; daher das Rinderpaar zu ihrer Rechten; zu ihren Füßen die Schöpfung: der fruchtreiche Baum, der Löwe aus dem Thierreiche, die Schlange oder der Fisch aus dem Wasserreiche, der Vogel aus dem Luftreiche.

Steuerruder und Gesetzestafel symbolisiren Ordnung und Gesetz, welche die große Mutter brachte, und beide, auf die seltene, jedoch schon antike Darstellung der Todtengebeine 4 ) gestützt, den Sieg der göttlichen Ordnung in der Welt über Tod und Vergänglichkeit, ein Sieg, der durch die beiden Füllhörner über dem Steuerruder in allen seinen großen Folgen vorgestellt wird. Von dieser Seite aufgefaßt erscheint auch der caduceus (der sogenannte Merkurstab) in der Hand der Demeter nicht ohne Bedeutung: als Zeichen des Segens und des Heils von den Göttern; und in dieser Bedeutung wird er auch, wiewohl höchst selten, in der Hand weiblicher Gottheiten gesehen 5 ). Merkwürdiger Weise führt die Göttin neben dem caduceus in der=


1) "Il est aisé de penser combien ces mystères (dionysiaques, de Rhéa, de Cérès etc.) ont dû ètre modifiés et altérés par ces mélanges sur lesquels les anciens auteurs ne nous ont laissé que des détails tronqués." Millin Galerie mythologique I, p. 174.
2) Vgl. K. O. Müller a. a. O. §. 434, 3; Millin 1. c. I. p. 173 et 175. Auf Monumenten erscheint auch bald Ceres, bald Cybele bei der Geburt des Bacchus.
3) Vgl. Millin II, Pl. LXII, Nr. 268, et Pl. LXX, Nr. 267, vgl. I, p. 61-63.
4) Vgl. K. O. Müller a. a. O. §. 432.
5) Vgl. Böttigers griech. Vasengemälde, I, 2, S. 92 flgd. Auf dem Vasengemälde bei Millin II, Pl. LII, Nr. 219, erscheint in einer cerealischen Darstellung, in welcher unter andern Ceres und Rhea sich dem Triptolemus nahen, auch Merkur in der Göttergruppe.
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selben Hand auch noch den Phallus, der, außer als ein Symbol der Fruchtbarkeit, auch noch im Hermesdienste (Hermes=Phallos) seine Bedeutung hat 1 ).

So scheinen die drei Ideen von Ordnung, Gesetz und Glück in Attributen, der Gestalt der Rhea beigegeben, vereint mit Hindeutungen auf den Bacchus= und Hermes=Dienst, auf den jüngern Dienst der Demeter in der blühendsten Kunstepoche Roms hinzudeuten.

Wie dieses Gefäß von heiliger Stätte in den fernen Norden gekommen sei, kann die Gewaltherrschaft der Römer leicht erklären: es konnte zunächst durch den unerhörten Raub der römischen Militärherrschaft in den letzten Zeiten der Republik und deren Siege über die reichen Länder geschehen sein, in welchen Zeiten zuerst für die Verschönerung der Weltstadt gebeutet ward, bald aber die Feldherren für sich selbst raubten 2 ); durch eine solche Vermittelung kann es dann auf dem Wege des Handels in die Ostseeländer gegangen sein, wenn man nicht lieber annehmen will, daß der ganze zusammengehörende Fund unmittelbar aus dem Besitze eines germanischen Kriegers, der im römischen Heere gedient hatte, oder eines verschlagenen Römers stammt. Am wahrscheinlichsten ist es jedoch, daß es auf friedlichem Wege durch Verbreitung eines religiösen Cultus an die Ufer der Müritz gewandert sei.

7) Eine Scheere von Bronze, ganz in Gestalt der heutigen Woll= und Schaafscheeren, 7" lang, und im Ganzen verhältnißmäßig gebildet und noch mit völliger Federkraft 3 ). Höchst bemerkenswerth ist die Farbe der Metall=Composition und ein Ueberzug des Geräths. Die Farbe des Metalls ist mehr gelb, gelber als die bekannte Bronze des Alterthums und weniger roth als Kupfer, aber viel reiner und glühender als beide, und nur mit der Farbe des reinsten Goldes zu vergleichen; die Farbe dieses Metalls gehört zu den schönsten Farben, welche irgend ein Metall hat, und führte anfänglich zu der Annahme, daß die Scheere vergoldet 4 ) gewesen sei, welches aber schon aus dem Grunde nicht statt


1) Vgl. K. O. Müller §. 66, 1, u. §. 379, 1; Böttigers Amalthea I, S. 109.
2) Vgl. K. O. Müller a. a. O. §. 165, und Hirt in Böttigers Amalthea I, S. 249.
3) Aehnliche Scheeren aus Bronze werden auch in Skandinavien gefunden; vgl. Leitfaden etc. . S. 53.
4) Vergoldung kam erst spät bei den Römern (vgl. Amalthea I, S. 258 und 257, und K. O. Müller §. 307) und bei den Skandinaviern (vgl. Leitfaden a. a. O. S. 51) auf; gebräuchlich war in ältern Zeiten das Belegen mit Goldblech.
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finden kann, daß sie einen besondern Ueberzug hat. Das Metall ist von einer Farbe, welche bisher gewöhnlich mit der " messingähnlichen Farbe" der Bronze beeichnet ist. Diese Mischung wird sowohl in Rom, als in Skandinavien gefunden und entsteht vorzüglich durch Beimischung des Zinkes zur Bronze (Kupfer und Blei oder Zinn). In Rom wurden viele Farben des Erzes durch verschiedene Mischung mit diesen Metallen hervorgebracht 1 ); aber auch in Skandinavien wurden diese drei Metalle gemischt, um die messing= oder goldähnliche Farbe hervorzubringen 2 ). — Die Scheere ist nun noch mit einem kupferfarbigen oder leberfarbenen Ueberzuge bedeckt, der an einzelnen ausgesprungenen Stellen deutlich sehr dünne aufliegt; daß es ohne Zweifel ein Ueberzug oder eine Art Firniß ist, beweisen einzelne Stellen, auf welche sich wieder Oxyd von dem Aschemkruge gelegt hat: auch unter diesen Grünspanauflagerungen deckt der Ueberzug regelmäßig das Erz. Durch den Ueberzug aber ist das Erz in der Länge der Zeit völlig unverletzt geblieben und durchaus nicht angegriffen. Von den alten Griechen und Römern ist es bekannt, daß sie Bronzewerke mit einem Firniß bedeckten, um sie der Oxydirung zu entziehen 3 ). Woraus der Ueberzug der Scheere besteht, ist noch nicht zu ermitteln gewesen. Auf jeden Fall möchte aber dieser Ueberzug dafür sprechen, daß die Scheere nach dem Ueberzuge nicht zum Gebrauche des gewöhnlichen Lebens bestimmt gewesen sei, um so mehr, da selbst die Schneiden mit dem Ueberzuge bedeckt sind und weder Schärfe, noch vielen Gebrauch verrathen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß auch sie zum gottesdienstlichen Gebrauche, z. B. zum Wegschneiden von Haaren u. s. w. an den Opferthieren, bestimmt oder gar ein Symbol gewesen sei.

8) Ein Messer aus Bronze, mit Heft und Klinge aus einem Stück, an der Spitze abgebrochen, im Ganzen 6¼", in der Klinge 3¾", im Griffe 2½" lang; Klinge und Griff sind fast gleich breit (gegen ½"), der Griff ist etwas schmaler,


1) Vgl. Hirt in Böttigers Amalthea I, S. 240, flgd. — Durch Mischung von Kupfer und Zink entsteht bekanntlich das Messing; die Bronze des Nordens besteht in der Regel nur aus Kupfer und Blei oder Zinn.
2) Nach Analysen von messingähnlicher Bronze, welche zu Kopenhagen vorgenommen sind, besteht diese goldfarbige Bronze des Nordens aus 79,227 Th. Kupfer, 15,859 Th. Zink und 4,917 Th. Zinn. Vgl.Hist. antiq.Mitth. S. 89. Auch wurden im Norden diese messingähnlichen Metallgemische mit Zink überzogen: vgl. daselbst S. 105.
3) Die Griechen und Römer überzogen die Bronze z. B. mit Oel=, Theer= oder Erdpech=Firniß vgl.Hirt in Böttigers Amalthea I, S.257, flgd.
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als die Klinge. Der Griff ist vieleckig gearbeitet, jedoch platt; das Griffende ist zu einem Knopfe ausgearbeitet und hat am Ende eine umherlaufende eingegrabene Doppellinie und eine darauf stehende Spitze aus einer Doppellinie zur Verzierung. Auf der Klinge läuft am Rücken entlang eine eingegrabene Linie und der Rücken der Klinge ist fast unmerklich gereifelt. Von der Metallwischung und dem Ueberzuge gilt Alles, was bei der Beschreibung der Scheere gesagt ist: auch hier ist die Metallmischung goldfarbig, nur noch etwas gelber, als die Metallmischung der Scheere, und etwas härter, und wird ebenfalls durch einen kupferfarbigen Ueberzug oder Firniß bedeckt. Bekanntlich werden im Norden nicht selten Messer von Bronze gefunden, jedoch sind diese in der Regel in Griff und Klinge geschweift.

9) Ein Ring, von viereckigem, dickem Metall, ½" in der Oeffnung und 1" im Rande, welches Messingfarbe hat und mit dem Ueberzuge der Scheere und des Messers bedeckt ist; die Oberfläche ist 1"' tief sehr weich. Die Hälfte des Ringes umgiebt noch ein sehr dicker Rost, der aber das Erz gar nicht angegriffen hat, sondern wohl von dem kupfernen Aschenkruge stammt. Warscheinlich diente dieser Ring zu einem Beschlage.

10) Drei Würfel (tali) aus Elfenbein oder aus Narvalzahn. Diese Würfel sind viereckige Prismen, jeder 2¼" lang und etwas über ½" dick. Die kleinern Grundflächen an beiden Enden sind nicht bezeichnet; von den vier langen Seitenflächen ist eine ebenfalls leer und nur die drei übrigen sind mit Augen versehen. Bemerkenswerth ist, daß die Seiten, welche nicht mit Augen bezeichnet sind, um ein Geringes schmaler sind, als die übrigen, wodurch beim Würfeln die Theile der Würfel nach diesen Seiten hin etwas leichter werden. Dagegen sind die zwei Seiten neben dieser etwas breiter und fallen dadurch öfter, so daß sich am Ende die Sache ausgleicht. Die Grundflächen dieser Prismen werden durch diese Gestaltung, um sich so auszudrücken, obblonge Trapeze. — Drei Seitenflächen dind mit Augen bezeichnet, welche aus zwei kleinen, concentrischen Kreisen um einen Mittelpunkt bestehen. Die der leeren Seite gegenüberstehende Seite hat 4 Augen, an jedem Ende des Parallelogramms 2; die eine der beiden übrigen Seitenflächen hat 3 Augen in der Mitte, die derselben gegenüberstehende Seite 6 Augen und zwar an jedem Ende der Seite 3.

Bekannt sind die beiden Arten der römischen Würfel tali (Knöchel, αδτρ αγαλοι), gewöhnlich mit 4, selten mit 3 Stücken gespielt, und die tesserae (Würfel, χυβοι), mit

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3 Stücken gespielt. Die tesserae waren auf allen Seiten bezeichnet; die tali waren, wie unsere Würfel, an den beiden kleinern, gewöhnlich abgerundeten Endseiten nicht bezeichnet. Die vorliegenden Würfel zeichnen sich nun dadurch aus, daß auch eine der längern Seiten nicht bezeichnet ist; jedoch kann die eine leere Seite, als wäre sie bezeichnet, immer eins gegolten haben. Übrigens hatten auch die nordischen Völker knöcherne Würfel 1 ) von ähnlicher Gestalt 2 ).

11) Fünf Brettsteine aus Elfenbein oder Narvalzahn: fünf Knöpfe von beinahe 1" Durchmesser und ¼" Dicke, unten flach abgeschnitten, oben flach gewölbt. Drei sind hellgrün, einer rosenroth gefärbt, der fünfte ist weiß. Diese gehören offenbar zu einem Spiele, welches die Römer ludus latronum s. latrunculorum s. calculorum oder tabula latruncularia nannten, und welches mit verschieden gefärbten Steinen gespielt ward; es war eine Art Kriegsspiel, ähnlich unserm Schachspiel oder Damenbrettspiel: es ward, wie hier, mit den Steinen (calculis) gezogen und geschlagen 3 ). Die Zahl der Steine, mit denen gespielt ward, wird gewöhnlich aus 32 angegeben; jedoch werden auch 7 und 5 genannt. Es wäre nicht unmöglich, daß die Würfel und die fünf Spielsteine mit dem Dienste der Demeter zusammenhingen; denn diese "spielte so gern mit den Würfeln" und die Fünfzahl (quincunx) war, namentlich in Beziehung zum Würfel, eine mystische Zahl 4 ).

12) Ein Griffel von Elfenbein, 6" lang, sehr schön grün gefärbt, von der Dicke eines Schiefergriffels und ganz spitzig auslaufend; die Spitze ist durch frühern Gebrauch etwas abgeschliffen. Wahrscheinlich diente dieser Griffel, welcher in zwei Stücke zerbrochen ist, zum Schreiben auf Wachstafeln. — Die Färbung kann durch das Oxyd der Bronzegefäße entstanden sein, da sie etwas wellig sich darstellt. Der oben beschriebene Metallring kann ein Beschlag um einen höl=


1) Vgl. Leitfaden etc. . S. 6.
2) Nach des Hrn. Canzleiraths Thomsen zu Kopenhagen brieflichen Mittheilungen sind längliche Würfel mit Augenbezeichnung an dem Ende mit eisernen Sachen zusammen in Dänemark gefunden.
3) Bei der Aufgrabung der römischen Mansio zu Kloten bei Zürch durch die Gesellschaft für vaterländ. Alterth. zu Zürch wurden ebenfalls "mehrere knopfartige Formen aus Knochen, 1" im Durchmesser, auf der einen Seite platt, auf der andern convex abgedreht, wahrscheinlich zu einem Spiele gehörig, gefunden": vgl. Miltheilungen der zürcherischen Gesellschaft, Heft II, 1838, S. 25.
4) Vgl. Grotefand in Böttigers Amalthea II, S. 92.
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zernen Griff zu diesem Stylus gewesen sein; knöcherne Gabeln aus einer Spitze kommen im Norden vor 1 ).

Wem dieses Grab angehöre, ist schließlich die bedeutsamste Frage, schwer zu beantworten. Ein heimlich geborgener, vergrabener Schatz kann der Fund nicht gewesen sein: dagegen redet die ganze großartige Bestattungsweise; was gefunden ist, ward einem Todten mit ins Grab gegeben dem man öffentlich die Ehre eines großen Grabhügels nicht versagen konnte. War es aber ein Germane oder ein Römer, der unter dem großen Hügel beigesetzt ward? Zwar ist es nach den gefundenen Alterthümern aus Bronze wohl schwer zu entscheiden, ob sie aus germanischer oder griechisch=römischer Cultur stammen, denn in einer gewissen Periode (der Bronze=Zeit) stehen die südlichen und nördlich ein Völker auf demselben Gipfel der Cultur, auf welchen keines das andere geholfen hatte, sondern auf den beide von einem gemeinsamen Ausgange hinangestiegen waren; man findet aus dieser Zeit dieselben Sachen in gleicher Ausbildung eben so häufig im Süden, wie im Norden. — Aber die silberne Schale und die Schnitzwerke aus Elfenbein (oder Narvalzahn?) zeugen in ihrer Gestaltung für den südlichen Ursprung des ganzen Fundes. Zwar finden sich im Norden dieselben oder ähnliche Sachen aus Bein, wenn auch anders gestaltet, aber Silber ist der deutschen Bronzezeit durchaus fremd, und Elfenbein ist eben so wenig gefunden, wenn auch Narvalzahn nicht selten ist. Alles aber, was gefunden ist, scheint einen innern Zusammenhang in Beziehung auf gottesdienstlichen Gebrauch gehabt zu haben. Daß der ganze Fund eine Kriegsbeute gewesen sein sollte, die einem germanischen Krieger mit ins Grab gegeben worden sei, ist wenig glaublich, da sich in diesem Falle wohl rein germanische Urnen und Waffen im Grabe gefunden haben würden, oder irgend etwas, was, mit Ausnahme des Grabbaues, ohne Zweifel eine Analogie mit den übrigen alten Gräbern Meklenburgs gehabt hätte. Es bleibt wohl nur übrig anzunehmen, daß ein römisch=griechischer Priester aus dem Süden hierher verschlagen oder gewandert und nach seinem Tode mit seinem Geräthe hier bestattet sei; römische Gräber sind gerade nichts Unerhörtes in Meklenburg: ward doch vor kurzem ein zweites, unzweifelhaft römisches Grab von gleicher Bauart hier entdeckt 2 ). Ueberdies war der Dienst


1) Vgl. Leitfaden, S. 55.
2) Vgl. Jahresbericht II, S. 50 flgd.
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der großen Muttter 1 ) und der Isis 2 ) den Völkern in der Nähe der Ostsee nicht fremd, und wohl mochte ein Priester, der den befreundeten Cultus übte, freundlich unter den — gebildeten Barbaren aufgenommen werden, sei es daß er von der Seeseite, oder von den gothischen Ufern des schwarzen Meers her einwanderte, welche mit griechisch=römischer Cultur bedeckt waren. Die Verfertigung der einzelnen Geräthe scheint übrigens in der letzten Zeit der römischen Republik geschehen zu sein.

G. C. F. Lisch.


1) Ergo jam dextro Suevici maris litore Aestyorum gentes alluuntor. — — Matrem deum venerantur. — Rarus ferri — usus. Tac. Germ. Cap. 45. Diese Stelle schildert überhaupt treffend die Eigenthümlichkeit der Ostseeanwohner (der Bernsteinsammler), wie sie sich noch heute deutlich zeigt. Auch der Dienst der Terra mater, Nerthus genannt, (bekannt unter dem falschen Namen: Hertha) bei den westlichen Ostseevölkern, unter denen die Suardonen in Meklenburg wohnten, nach Tac. Germ. Cap. 40, weiset auf die weite Verbreitung desselben Cultus hin.
2) Pars Suevorum et Isidi sacrificat. Tac. Germ. Cap. 9. Vgl. Klemm's german. Alterthumskunde S. 305.