10.
Peter Vischers Gußwerk im Dom zu Schwerin.
V
on des gefeierten "Rothgießers"
Peter Vischer zu Nürnberg Arbeiten scheint
bisher in Meklenburg noch nichts bekannt
geworden zu sein. Mehrere Kunstkenner und
Historiker des Auslandes, z. B. der Herr von
Ledebur zu Berlin und der Herr Professor
Barthold zu Greifswald, äußerten jedoch auf den
ersten Blick und wiederholt, daß sie im Dome zu
Schwerin ein Gußwerk aus der Werkstätte P.
Vischers zu erkennen glaubten; Künstler
bezweifelten jedoch die Richtigkeit dieser
Behauptung, weil dem einzigen Gußwerke, welches
gemeint sein könnte, die strenge Reinheit im
Styl des großen Künstlers in manchen Dingen zu
fehlen scheine. Das zur Frage stehende Gußwerk
ist ein Epitaphium auf die Herzogin Helene von
der Pfalz, zweite Gemahlin des Herzogs Heinrich
des Friedfertigen von Meklenburg. Diese Fürstin
starb am 4.August 1524 und ward im Dom zu
Schwerin in der Heil. Blutskapelle hinter dem
Hochaltare beigesetzt. Auf der Rückwand dieses
Altars ist nun dieses Epitaphium angebracht. Es
ist eine große Tafel von Bronze, welche das
combinirte Wappen der Herzogin und eine
Grabinschrift auf dieselbe enthält, umgeben von
allerlei architectonischen Verzierungen und
Arabesken. Freilich ist manches auf diesem
Bildwerke nicht so
edel modellirt, wie andere bekannte Bildwerke des
großen Künstlers; aber der Guß ist in hohem
Grade vollendet und dürfte allein für die
Verfertigung in P. Vischers Werkstätte sprechen;
auch scheinen einige in den Arabesken
angebrachte Seeungethüme, mit Rücksicht auf P.
Vischers Namen und Wappen, dafür zu reden. Die
Verfertigung dieses Werkes durch Peter Vischer
scheint aber durch einen eigenhändigen Brief
) desselben außer Zweifel gesetzt
werden zu können. Nach diesem Briefe hatte der
Herzog Heinrich ein Gußwerk bei dem Künstler
bestellt. P. Vischer bat am 25. Jan. 1529 den
Herzog, die Arbeit, welche schon ein Jahr lang
zur Abholung bereit gelegen habe, abfordern zu
lassen und die Zahlung zu leisten, da große
Kosten auf das Werk gegangen seien. Da die
Herzogin Helene am 4. August 1524 starb und das
Werk P. Vischers am Ende des Jahres 1527 fertig
war, so scheint es durch den Brief urkundlich
documentirt zu sein, daß das Gußwerk P. Vischer
kein anderes sein könne, als das Epitaphium auf
die Herzogin Helene im Dom zu Schwerin, da in
dem kurzen Zeiträume von 1525 bis 1527 in
Meklenburg wohl keine andere Veranlassung war,
ein großes Gußwerk bei P. Vischer zu bestellen,
als der viel betrauerte Tod der Herzogin Helene.
G. C. F. Lisch.