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VI.

Die

Schweißsucht in Meklenburg

im Jahre 1529
und

der fürstliche Leibarzt, Professor
Dr. Rhembertus Giltzheim,

von

G. C. F. Lisch.


D urch Hecker's meisterhafte Arbeit über den "englischen Schweiß 1 ) ist eine Seite der Geschichte berührt, welche bisher leider wenig genug beachtet ist, obgleich sie der höchsten Aufmerksamkeit werth ist, — die Seite des Volkslebens und des Volksleidens; durch Untersuchungen über Gegenstände dieser Art wird das Verständniß der Geschichte oft mehr erleichtert, als durch Staatsurkunden und öffentliche Denkmäler. Der englische Schweiß oder die Schweißsucht nimmt in der Geschichte der Volkskrankheiten die Aufmerksamkeit vorzüglich in Anspruch, da diese Krankheit in eine Zeit fällt, welche reich an andern großen Begebenheiten war. — Ueber ihr Auftreten in Meklenburg sind wir bis jetzt ohne Nachricht, selbst Hecker berührt unsere Gegenden kaum; dennoch


1) "Der englische Schweiß, ein amtlicher Beitrag zur Geschichte des fünfzehnten und sechszehnten Jahrhunderts, von Hecker, Berlin 1834," - ein interessantes Buch, welches allen Freunden einer wahren Geschichte der Weltbegebenheiten ohne Hypothesen nicht dringend genug empfohlen werden kann.
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können wir einen beachtungswerthen Beitrag liefern. Zum bessern Verständniß mögen zuvor einige einleitende Worte nach Hecker Platz finden.

Die Krankheit der Schweißsucht ist in der Geschichte der Medicin eine der bedeutendsten; denn, obgleich ihr Verlauf in den einzelnen Fällen von kurzer Dauer war, war sie doch sehr hartnäckig und erschien umgeben von einer ganzen Gruppe von Volkskrankheiten und andern Volksleiden. Sie war ursprünglich eine englische Krankheit und wüthete auf der Insel in den Jahren 1485, 1506, 1517, 1528 und 1551. Auf den Continent kam sie im J. 1529. Nachdem durch eine wüthende Seuche das französische Heer im J. 1528 vernichtet, Bourbons Heer im J. 1527 auf ein Drittheil zusammengeschmolzen war und nach andern vernichtenden Krankheiten, brach in den letzten Tagen des Mai 1528 in London, zum vierten Male in England, die mörderische Schweißsucht aus. Merkwürdig ist, daß sich auch außerhalb England Vorboten der Krankheit, begleitet von seltenen Naturereignissen, zeigten. Im J. 1528 zeigten sich bei großer Trockenheit Heuschreckenschwärme in der Mark Brandenburg; Feuermeteore wurden häufig bemerkt, unter denen besonders ein langer feuriger Strahl am 2. Januar 1529 in ganz Meklenburg und Pommern gesehen ward; auch mehrere Kometen erschreckten die Menschen. Der Winter war auffallend warm und gelinde 1 ); im Frühjahr und im Sommer war die Nässe vorherrschend; auch der Herbst blieb grau und naßkalt. Die Aussicht auf Fruchtgewinn ward vereitelt; krankhafte Verstimmungen, welche man dem Genuß der kranken Fische zuschrieb, wurden häufiger; selbst die Vögel erkrankten. Im südlichen Deutschland zehrte Hungersnoth am Volksglück, im nördlichen Deutschland herrschte Theurung; der Selbstmord ward in seltenem Maaße häufig; in Pommern überfiel die Menschen in der Mitte des Jahres 1529 ein plötzliches ohmnächtiges Ermatten.

Da brach auf dem Continent am 25. Julius 1529 zuerst in Hamburg die Krankheit aus 2 ), welche innerhalb 22 Tagen


1) "Item in dem 29 jare waß nen winter; men wuste vann nenen froste noch Winter tho seggenn; sommer vnnd Winter was schir auerein, alleine dat idt kolt waß vnd luchtig." - Johann Bergmanns Stralsundische Chronik, herausgegeben von Zober, Stralsund, 1833, S. 40.
2) Zu den von Hecker gesammelten Nachrichten füge ich noch eine Aussage einer auf der Großherzogl. Regierungs=Bibliothek befindlichen gleichzeitigen, kurzen, handschriftlichen Chronik von Hamburg bei, welche bis zum Jahre 1532 geht:

"In dem suluen jare vmme sunte Jacobs dach tho mytszamer vorhoff sick eyne nye kranckheit, de sweytszuke genometh, vnd de dar inne

(  ...  )
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über 1000 Menschen hinwegraffte; die Dauer des großen Sterbens währte jedoch nur 9 Tage. Nach Lübeck kam sie von Hamburg am 29. Julius; in Stettin erschien sie am 31. August, in Danzig am 1. September.

So weit gehen die Resultate Heckers. Nach gleichzeitigen Chroniken ging jedoch die Krankheit von Hamburg zunächst nach Lübeck, von hier durch die großen Städte an der Ostseeküste entlang, und zwar von Lübeck zuerst durch Meklenburg. Reimar Kock sagt in seiner lübischen Chronik:

"Düße Plage gingk mit der hast in dat landt Meckelnborgh, Pomern, Preußen, Pahlen, Lyfflandt, Rußlandt und in Süden und Westen ower gantz düdesk Landt;"

und Kantzow 1 ) in seiner pommerschen Chronik:

"1529. Umb de tit also disse handelinge so geschach, nhomeliken vmb Assumptionis Marie (15. August) vnd Bartholomei (24. August), quam eine erschrecklike tidinge, wo dat eine Nige kranckheit sick hedde tho hamborch erhafen, de Schwietsucht edder Engelische schwiet geheten, denne vth Engelland was se gekhamen. Desulffe floge jlich dorch alle Stede vnd land, vnd sturuen vele lude daran, vnd war men daruan begunde tho seggen, dar was se so balde also de tidinge. Desulffe wanckede van hamborch nha Lubeck, van Lubeck nha der Wismer, van der Wismer nha Rostock, van Rostock nham Sunde, vam Sunde nham Gripswolde, vam Gripswolde nha Stettin vnd alle lande darvm her; vnd streiffede in einem huy ganz dudische land dorch, also dat se in vertein dagen van hamborch nha Stettin qwam. Vnd tho Stettin qwam se vmb Decollationis Johannis (29. August)."

Aehnlich redet der ebenfalls gleichzeitige Joh. Bergmann in seiner "Stralsundischen Chronik" (von Zober, Stralsund, 1833), S. 39:

"Item im jare 1529 waß hir eine nie schware kranckheit, de hete dat schweth. Dar legen de lude 24 stundenn inne, musten sick nicht vprogenn, vpkulenn;


(  ...  )
beuellen, most sick befruchten, in XXIIII stunden doeth edder leuendich to syn; vnd dar storuen binnen hamborch in IIII efften vyff weken meer den dusent mynschen vnde de yuke toch vorth auer alle dudesche landt alsze eyn blixem, szo dar dat folck szer erschrockenn wardth."
1) Th. Kantzow's Chronik von Pommern, herausgegeben von Böhmer, 1835, S. 175, flgd.
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wen idt en anquam, wor se gingenn vnnd stundenn, so lede man je henn, vnnd starff mennig degelick minsche in, ock de abbet Valentinn. Do quemen dar gefellen van Lubeg, vann Rostog, dar de krankheit gewest waß, vnnd brachten schriffte vnnd remidien, wie man sick darinn holdenn scholde. Do horde idt mitt der tidt vp vnnd warth beter."

Hiemit ist die Verbreitung der Krankheit klar und sicher bestimmt. Anders verhält es sich mit dem Charakter derselben. Nach Hecker sind die Angaben der Zeitgenossen über die Erscheinung und den Verlauf der Krankheit im Einzelnen ungenügend und mangelhaft. Ist es ihm auch gelungen, aus der Gesammtheit der noch erkennbaren Züge ein lebendiges, vollständiges Bild ihres Angriffes auf den menschlichen Körper zu entwerfen 1 ), besonders aus deutschen Beobachtern, die ihre eignen und die allgemeinen Erfahrungen ihrer Zeit treu und redlich wiedergeben, so bringen wir gewiß, wenn auch etwas spät, eine erfreuliche Gabe, wenn wir über die Schweißsucht den Bericht eines Arztes, des Dr. Rhembertus Giltzheim, an den Herzog Heinrich den Friedfertigen von Meklenburg aus dem Großherzogl. Archive mittheilen. Dieser Bericht erhält dadurch einen großen Werth, daß er von einem Arzte verfaßt ist, und zwar von einem Arzte, der nicht nur in seiner Beobachtung eigner Vorurtheile sich zu entledigen wußte, sondern auch während der Abfassung des Berichts in Lübeck 2 ) von der Krankheit mit aller Gewalt selbst befallen ward und der mit dem Vertrauen eines einsichtsvollen Fürsten beehrt war.


1) Hecker's Darstellung ist für jeden Gebildeten durchaus lesenswerth, aber nicht gut zu excerpiren; wir müssen auf das Buch selbst verweisen.
2) Der Dr. Antonius Barus, welcher wegen seines Glaubens England hatte verlassen müssen, heilte in Lübeck mit Erfolg die Schweißsucht. Ueber ihn berichtet Reimar Cock in seiner Chronik von Lübeck in höchst interessanten Zügen Folgendes:

"Düße Mann wuste der Sücke gelegenheit unde halp mennigen binnen Lübeck. — — Düße gude Mann sagh und hörede, wo de Geistlicken und ere Verwandten wereden, dat dat leve Evangelium tho Lübeck nicht möchte geprediget werden, und nam ein düdesk Testamentenbock und ging darmit tho einen Rahdesheren in dat huß und fragede, offt he nicht van Gade dat lohn wollde nehmen und wollde helven, dat eines frommen Mannes Testamente möchte gedacht und confirmeret werden. De here antwordede und sprack: Wat iß idt vor einer ? iß idt ock recht gemacket, so werth idt ein Erbar Raht wohl fort confirmeren. Do hoff de Doctor an unde sprack: Idt iß ein guth, fram Mann und heth Jesus; de hefft syn Testamente gemacket unde mit synem Dode und Upstandinge datsülvige confirmeret, unde so ein Erbar Raht datsulvige ock wollde confirmeren, würden se Gade einen grothen deenst daran dohn. De Rahtshere wendede sick umme unde leth den Doctor stahn; averst des anderen Dages wordt ehme de stadt verbahden."

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Zur rechten Würdigung des Berichts wird es nöthig sein, einige biographische Nachrichten über den bisher fast ganz unbekannten Berichterstatter, welcher eine ansehnliche Rolle in Meklenburg spielte, mitzutheilen.

Rhembertus Giltzheim, artium magister et medicinae doctor, aus Braunschweig (Brunopolitanus), ist ein Mann, der eine bemerkenswerthe Stelle nicht allein in der Geschichte der Gelehrsamkeit, sondern auch der Reformation in Meklenburg einnimmt 1 ). Nach den bisher eröffneten Quellen 2 ) war er schon vor dem Jahre 1515 Professor der Medicin und in diesem Jahre Rector der Universität zu Rostock. Er muß ungefähr im J. 1512, vielleicht mit dem Anfang d. J., als Leibarzt in herzogliche Dienste getreten sein; das Concept seiner, ersten Bestallung, auf 3 Jahre und auf ein Jahrgehalt von 30 Gulden lautend, ist, wie es mit den Concepten des Canzlers C. v. Schöneich öfter der Fall ist, nicht datirt; jedoch schreibt der Dr. Rhembertus im Jahre 1522 selbst an den Herzog Heinrich, daß er ihm schon 10 Jahre gedient habe. Diese Verhältnisse werden auch durch die Rechnungen der herzoglichen Rentkammer bestätigt. In diesen kommt er am 20. Januar 1513 zum ersten Male mit seiner Besoldung vor, mit den Worten:

   1513.
"XXX gulden meister rempertus dem leibartzt vff sin Solt zw rostock am dage fabiani und sebatiani."

Mit ähnlichen Ausdrücken wird seine Besoldung ferner in den Rechnungen der nächsten Jahre aufgeführt. Er lebte seit seiner Bestellung als Leibarzt zu Rostock und wirkte dort als Universitätslehrer und als praktische Arzt. So kommt er z.B. vor:

   1513.
"I gulden meister rempertus dem artzt sulthe myner g. frowen recept vor machen laßen (am montage nach martini).


1) Er war bisher kaum dem Namen nach aus der Rostocker Universitäts=Matrikel und dem alten Lections=Cataloge von 1520 im "Etwas", 1738, S. 801, und 1740, S. 758, bekannt.
2) Die bisher gedruckten Quellen über diesen Mann fließen sehr spärlich. Selbst Bacmeister sagt in Megap. liter. in Westph. Mon. III, p. 1426, als er von den Medicinern der Universität Rostock redet:

"M. Rembertus Hilsheim, qui rectoratum in academia gessit ao. 1515; quid autem praeterea egerit, ant. vbi manserit, nullibi hactenus invenimus."

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"XVIII ßl. 1 pf. meister rempertus, dem forman zw lone, der em von rostock ghein gustrow forthe vnde von gustrow wedder ghein rostock (eod. die)."

Bis zum Anfange des J. 1514 war er nur Magister; daher wird er nur Meister Rempertus genannt. Noch am 27. Januar 1514 heißt es in den Renterei=Rechnungen:

   1514.
"XX gulden meister rempertus dem artzt vff sin solt, XV gulden vff michelis anno XIII betaget geweset, V gulden werden vff wolpergis erst betaget anno XIIII (am Fritage nach Fabiani und Sebastiani)."

Am 29. Januar 1514 ladete er den Canzler C. v. Schöneich ein, zur Freude der Universität seine Doctor=Promotion durch seine Gegenwart zu verherrlichen, gute Freunde mitzubringen und ihn mit etwas Wild zu erfreuen. Die nächste Zahlung an ihn lautet in den Rechnungen am 26. Jul. 1514 auch schon:

   1514.
"XXV gulden doctor Remberto gegeben (vff sant annen tag)."

Seit dieser Zeit kommt er immer als Doctor vor. Am 4. März 1515 ward er wieder auf ein Jahr zum Leibarzt der Herzoge Heinrich und Albrecht bestellt; er behielt seinen Wohnsitz in Rostock und sollte vor den Fürsten auf Kosten derselben erscheinen, so oft sie es verlangen würden; als Besoldung erhielt er 100 lüb. Mark, Hofkleidung, einen Ochsen und zwei Schweine jährlich. Seit dieser Zeit erscheint er, als Doctor Rhembertus, in den Registern der Hofkleider, neben dem Dr. jur. und DomdechantenKnutze, öfter unter dem höhern "Hofgesinde" nach dem Canzler C. v. Schöneich, dem Marschall, dem Dr. Nicolaus Marschalcus Thurius und einigen Andern. — Nach Ablauf dieses Jahres der zweiten Bestallung bedachten ihn dieselben Fürsten reichlicher, indem sie ihn zu der Pfarre an der Petrikirche in Rostock 1 ), welche zum Canonicate der Cantorei des rostocker Dom=Capitels gehörte, präsentirten. Er besaß diese Pfarre vom 4. November 1515 bis zum 26. März 1521; in diesem Jahre entsagte er der Pfarre, weil er heirathen wollte, und verzichtete hiemit auf eine theologische Laufbahn. 2 )


1) Die Schicksale dieser Pfarre und Giltzheims Verhältnisse zu derselben sind in einem eigenen Aufsatze Nr. VII. behandelt, welcher als Episode zu dieser Darstellung zu betrachten ist.
2) Der Dr. Giltzheim wandte seinen Fleiß seiner Hauptwissenschaft zu: in pästlichen Dispensationen von der Priesterweihe werden seine leibärztlichen Bemü= (  ...  )
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Ueber die Pfarre, um welche sich die heftige Einführung der Reformation in Rostock drehete, entstanden langwierige, weitläuftige Händel.

Während der Zeit ward er als Leibarzt vielfach in Anspruch genommen. Die Herzogin Helene lag schon im Jahre 1520 gelähmt zu Stargard darnieder; Rhembertus stand ihr dort treulich bei, mußte aber wegen eines Fiebers nach Rostock zurück. Daher bat sie ihren Gemahl, den Herzog Heinrich, dringend, auf irgend eine Weise für sie zu sorgen, da sie nach des Rhembertus Abreise niemand habe, "von dem sie einige Hülfe, Vertröstung und guten Raths zu erwarten wisse". — Nach seiner Verheirathung zog sich unser Professor ganz von den geistlichen Angelegenheiten zurück, so sehr auch manche seiner Collegen, z. B. der Professor P. Boye, gegen die neue Lehre eiferten. Er lebte mehr seiner Häuslichkeit und seinem ärztlichen Berufe und schien sich vom Hofe zurückziehen zu wollen. Im J. 1521 (in dem Jahre, als er auf die Pfarre resignirt hatte) schrieb er an den Herzog Heinrich: er möge es ihm nicht verdenken, daß er, wenn auch vom Hofe aufgefordert, ausbleibe, wenn er Kranke in Rostock habe; das Jahr sei lang, er müsse seine Nahrung suchen, wo er könne: Krümlein machten auch Brot; der Herzog möge sich nicht so sehr auf seinen Dienst verlassen, daß er seine Kranken darüber liegen lasse; er habe dem Fürsten oft mit großem Schaden gedient und habe


(  ...  ) hungen als Entschuldigungsgrund für die Aussetzung seiner theologischen Studien angegeben, und nach seinen Briefen lebte er gerne seinen Vorlesungen und der Praxis. Im J. 1519 gab er auch heraus:

Liber collectionum aphorismorum Hypocratis de unaquaque egritudine, a capite usque ad volam pedis pertractans , in curatiene atque prognosi, hoc est prescientia futurorum, quemedicos non minores quodammodo prophetis recte curando exquisiteque previsa aliquamdiu proclamauit, omnium inter libros medicorum mox usura brevissima, per Rheimpertum Gilsshemium Brunopolitanum, artium et medicinae doctorem, nuper Rostockii revisus simulac publice illic pro virili noviter elimatus.

Ars longa.
Vita brevis.
Experimentum fallax.
Inditium difficile.
Intende igitur lector letaberis
Diffusus in gaudium.
Dedicirt ist die Schrift dem Canzler Casparo de Schonech. Am Ende steht: Impressum Rostochii per Ludovicum Dietz. Anno virginei partus 1519. (Ein Exemplar dieser Schift ist auf der Universitäts=Bibliothek zu Rostock.) Vgl. Krey's Beiträge II, S. 247.
Im J. 1520 war er an der Universität nach dem Lectionscatalog thätig. Vgl. Etwas, 1740, S. 758, wo er unter dem Namen Hilsheim aufgeführt ist und darnach eben so bei Rudloff III, 1, S. 281. Franck A. u. NM. IX, S. 93 nennt ihn richtig: Rheimpertus Gilsheim, eben so Krey Beitr. I, S. 358 nach Etwas, 1738, S. 801.
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sich nach zehn Jahren Dienst in seinen alten Tagen so verbessert, wie einer, der sich einen alten Rock kehren und einen neuen daraus machen lasse. In einer Nachschrift sagt er:

"Vorhope, E. f. g. tzo eurem deil, wert ansein den denst vnde vorsumnisse in dem iare an E. f. g. eygen person willich ghedan tzo Swerin, dar nach tzo Luptz by hertzogh philippen, dar nach in der vasten by hertzogh Magnus vnde nu by E. f. g. ghemael tzo plaghe vnde gustro."

Im J. 1522 lebte er noch in Rostock; denn am 30. Novbr d. J. war er vom Herzog Heinrich aufgefordert, seiner Gemahlin zu Hülfe sogleich nach Güstrow zu kommen. Er entfshuldigte sich zwar damit, daß er Pferde, Wagen und Diener aus Noth habe abschaffen müssen, und beklagt sich bei seinem Fürsten bitter über ausgebliebene Besoldung, Reisevergütung und Antwort auf seine Bitten. Er schreibt, er habe sich, aus Noth, vorgenommen, zu Hause zu bleiben, und seiner Lection und Praxis zu warten, und bittet den Fürsten, sich mit einem andern Doctor zu versehen, indem er für das Glück danken müsse. Jedoch wolle er, in Hoffnung der Belohnung seiner Dienste, dies Mal noch kommen, wenn der Herzog ihm Pferde und Wagen schicke. Er hoffe auch, der Fürst werde seine treuen Dienste nicht unbelohnt lassen; die Noth zwinge ihn zu seinen Bitten, da er sich, sein Weib und, so Gott wolle, die Seinen 1 ) zu ernähren habe und an sein Alter denken müsse 2 ).

Darauf folgte in den nächsten Jahren in Rostock der Kampf der Reformation, durch Slüters trauriges Ende bekannt genug. Nach seinen Briefen scheint der Doctor etwas papistisch gesinnt gewesen zu sein und hat vielleicht das Feld geräumt, wie beim Eindringen der "martinischen Lehre" mehrere Doctoren Rostock verließen. — Am Sonntage nach Lucas 1524 schrieb er aus Lüneburg 3 ) an den Secretair des Herzogs Heinrich, Michael Hillebrandt, und bat um seine Naturalhebungen


1) Von Nachkommen Gilzheims ist mir nichts weiter vorgekommen, als daß in einem Exemplar von Bodaeus de asse et partibus eius, Lugduni 1542, auf dem Titelblatt geschrieben steht:

"Emptus Rostochii anno restitutae salutis 1543 per me Ludouicum Gyltzheimium."

2) Vgl. Briefsammlung Nr. 2. - Leider sind Giltzheims Briefe sehr schlecht geschrieben und in einer dunklen Grammatik abgefaßt, obgleich der humoristische Geist immer durchleuchtet.
3) Von 1525-1527 lehrte zu Rostock Medicin Janus Cornarius, welcher

"ad restaurationis collapsae scholae Rostochiensis auxilia accitus"

alles Mögliche zur Aufhülfe der Universität that. Vgl. Krey Andenken etc. . III, S. 7, und Etwas, 1741, S. 377.
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von seinem gnädigen Herrn. Er äußert nebenbei in diesem Briefe:

"Ock segget sinen f. g., dat ick hebbe erfunden eyn lacqwerie wedder de pestilentz; alle den ick dat gegheuen hebbe tho rechter tydt, sin alle leuendich bleuen iunck vnde alt. De pestilentz hefft hir vor eynem manet vaste regert, breckt nu aff."

Im J. 1529 war er, nach seinem Bericht über die Schweißsucht, in Lübeck. Er lebte dort noch 1531 während der bekannten Reformations=Unruhen bei seinem Schwager, einem Domdechanten Johann Parper 1 ), und bat für denselben bei dem Secretair Hillebrandt um ein frei Geleit des Herzogs Heinrich nach Meklenburg und für sich, daß der Fürst ihn für seinen Diener anerkennen möge: die Noth war groß. Es scheint fast, als wenn der Doctor damals auch in Lübeck in Dienstverhältnissen stand; er sehnte sich wenigstens in seine frühere Lage zurück 2 ). Im Anfange des J. 1535 war er schon gestorben und der Secretair M. Hillebrandt erhielt vom Canzler C. v. Schöneich den Auftrag, mit dem Doctor zu Lüneburg zu unterhandeln, daß dieser ganz in Gilzheims Stelle treten möge; der Ganzler schildert dies Verhältniß als vortheilhaft, da in Restock kein anderer "Physikus" sei. Hierauf ward auch am 29. Junius 1535 der Dr. med. M. Johann Pellimentanus (damals zu Lüneburg) zum Leibarzt und Professor in Rostock bestellt 3 ).


1) Dieser "Johann Parper" hatte noch im J. 1534 eins von den sechs geistlichen Fürstenlehnen am Dom zu Schwerin in Besitz; dasselbe war ihm 30 Jahre früher vom Herzog Magnus verliehen.
2) Vgl. Briefsammlung Nr. 8. Der Brief ist datirt vom middeweken nach Blasii, do me tho Lubeck alle dat suluer - - vth bem dome hefft wech gehalet. Es hörte nach Reimar Kock am 2. Julii, nach Grautoff (Hist. Schriften II, S. 143) vielmehr am 30. Junii 1530 der katholische Gottesdienst im Dom zu Lübeck auf, und, nach Reimar Kock:

nicht lange na desser tydt hebben de 64 an einen erbaren Rahde gelanget unde mit ernste genödiget, dat man dat Süllver uth allen Kercken und Klöstern möste halen unde up dat Rahthuß bringen."

Dies geschah, nach dem Datum unsers Briefes, am 8. Februar 1531; man vgl. Grautoff Hist. Schriften II, S. 232 und dagegen I, S. 286. Die Ruhe ward nach dieser Entblößung der Kirchen hergestellt am 18. Febr. 1531; vgl. Grautoff Hist. Schr. II; S. 186.
3) Pellimentanus ward im Sommer 1535 bei der Universität Rostock eingeschrieben:

"Dns. Johannes Pellemontanus, medicinarum Doctor, Werdenas Coloniensis diocesis, gratis intitulatus ad honorem principis Hinrici domini ducis nostri".

Vgl. Etwas, 1740, S. 14 u. 760.
Zu derselben Zeit ward immatrikulirt:

"Rembertus Gilsze, Lubicensis, D. Juris".

War dieser Gilsze (oder Gilzheim?) Vielleicht ein Verwandter unsers Rembertus ?
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Giltzheims Bericht über die Schweißsucht ist wegen der angeführten Umstände von hohem Interesse; außerdem aber ist er höchst charakteristisch durch die humoristische Haltung des Styls und durch die Lebendigkeit und Anschaulichkeit der ganzen Darstellung, wodurch schon allein der Bericht für seine Zeit 1 ) seinen Werth erhält 2 ).

Die Nachrichten über die Schweißsucht sind allenthalben nur mangelhaft; im Großherzogl. Archive bestehen sie nur aus dem Einen Berichte des Dr. Giltzheim. Auf die erscheinenden Druckschriften hielt dieser Arzt nicht viel, obgleich er eine mitschickte. Die Ursache dieser Erscheinung liegt sicher darin, daß die Krankheit, namentlich im Norden des Continents, wo sie zuerst auftrat, unvermuthet die Menschen überfiel und in einem "Hui" oder wie ein "Blitz" die Länder durchfuhr: man hatte keine Zeit, sich zu besinnen und zu schreiben, und nach der Krankheit gab es genug andere Wunden zu heilen, und der Trieb, sich mit der unangenehmen Erscheinung zu beschäftigen, war verschwunden. In Meklenburg scheint man durch die Bemühungen der Fürsten vorbereitet gewesen zu sein; daher lief alles ruhiger ab; an andern Orten, z. B. in Stettin, war man völlig hülflos. — Dennoch haben sich bei genauerer Nach=


1) Merkwürdig ist die hochdeutsche Abfassung des Berichts, welche man, mit Ausnahme einiger Provinzialismen und Auslassung einiger Partikeln, elegant nennen kann. Der Doktor schrieb nach seinen eigenhändigen Briefen an seinen Freund Hillebrandt von 1524 und 1531 und nach seiner urkundlichen Verpflichtung über die Vantorei von 1519 niederdeutsch. In Meklenburg herrschte damals noch die niederdeutsche Sprache; auch die übrigen Aerzte schrieben niederdeutsch. Durch die beiden Canzler von Schoneich hatte aber in der Regierungs=Canzlei und bei Hofe die hochdeutsche Sprache schon im Anfange des 16. Jahrhunderts Eingang gefunden. Schon im J. 1528 und früher wurden einzelne fürstliche Befehle an niedere Beamte auch hochdeutsch ausgefertigt und der Herzog und Bischof Magnus schrieb schon früh hochdeutsch, obgleich nebenbei noch hochdeutsche Concepte des Canzlers C. von Schoneich niederderdeutsch ausgefertigt wurden. Der Dr. Giltzheim war sicher beider Dialekte mächtig; im J. 1522 (vgl. Briefsammlung Nr. 2.) schrieb er an den Herzog hochdeutsch, wenn auch mit Niederdeutsch vermischt, während er an seine Freunde noch später plattdeutsch schrieb. Daher wird sein Bericht von ihm auch hochdeutsch abgefaßt sein, um so mehr, da er in einer so dringenden Angelegenheit für die übrigen Fürsten des Landes und für das allgemeine Beste, und daher auch für den Canzler schrieb, den er kannte und von dem kein niederdeutsches Wort bekannt ist, so viel er auch geschrieben hat. Uebrigens ist der Bericht nur in einer gleichzeitigen Abschrift vorhanden.
2) Ueber die atmosphärischen Ursachen der Krankheit stimmt er mit andern gleichzeitigen Berichten überein, namentlich mit Kantzow, indem dieser a. a. O. sagt:

"Disser sucht orsake quam darher, dat de May des jares sehr droch vnd hiet was, bet vp Johannis Nat.; do verkerde sick dat wedder, dat id de gantze tit bet vp bartholomei men dack, regen, slagge vnd kulde was, alse weret heruest geweset. Darnha entliet de kulde vnd regen, auerst id bleff dakich vnd wurt sehr warm, dat id vnmogelick was, dat einer nicht schwieten scholde, we he ock naket gegan hedde, vnd mit dem wedder quam de sucht."

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forschung gelegentlich noch einige andere Nachrichten gefunden, welche aber bei weitem nicht den Werth haben, wie die des Dr. Giltzheim. Ein kurzer Bericht ohne Unterschrift und Datum enthält auf einer Folioseite folgende bemerkenswerthe Momente:

"De rechte kranckheit der Szwedtszucht is eyn ardth der pestilentie vnd des hilgen Vuors, dat me Szunthe Anthonies voer ghenomet, vnd bynnen Hamborch sinth vaele lude, de krighen grote vpszwellinghe erer hende, vothe vnd der borst effte ander leder, vnd sinth brun alsze eyn Carbunkel, vnd berneth so szere, dath szee dar anne steruen. Szo lesze ick in den Croeneken, dat in der tidt dho Szunthe Bernardus abbas Clareuallensis vnd petrus alfonsus eyn dofftrode (?) regereden in dat westen, de szulffte kranckheit was, dome screff nha Christi ghebort MI c XXVIII Jare, in der Staedt Szeszien, to marien u. s. w. vorbiddent thoflucht ghedaen, vnd sinth alszo dar van wedder vorloset, vnd is in der tiden grot blickszem, donner vnd regen ghewest.
Item wo me sick holde schal dat regemente in der Szwedtszucht, dat schreff jw G. 1 ) alrede; vnd den kranken schal me achter by den schuldern lucht geuen, u. s. w.

Die übrigen kurzen Vorsichtsmaaßregeln sind denen des Dr. Giltzheim fast ganz gleich; der Verfasser scheint diese gekannt zu haben.

Ein dritter Bericht, an den Herzog Heinrich gerichtet, ebenfalls ohne Unterschrift und Datum, enthält auch nicht viel mehr. Er lautet:

"Durchluchtige, hochgebarenn ffurste, G. H. Susshe zwetende cranckcheyt sij noch laten genant orsaket durch verhetten des gebloedes, anfenckelyck van der leuer tho dem herten, ouch mith infloet des hemels, welck die lucht vnd menscen vergiftith, vnd comt jerst an met een grossinge oft tzitteringe, daer nae zweten u. s. w. — — — Nicht geslapen in XXIIII stonden; vnd wanneer XXIIII stonden verby synt, oft XXVII stonden is beter vnd sekerlych, soe schal die crancke die zweet affwisschen op syn lyff ouerall. Dar nae op gestaen, vor een goet ffuer, weynich gegeten, een gerostet botterbroet vnd op gedronken, vnd van stonden an op een ander bedde gelecht, daer die laken gheffuert


1) G. ist wahrscheinlich Dr. Giltzheim.
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synt, dar op gelegen vnd geslapen V oft VI stonden lanck, daer nae weynich gegeten vnd vyt dem huyse nicht gegaen in dreen dage nicht, neen het gedrenke gedronken, oft gecruyde, gewoerst spyse gegeten, noch met vrouwen viel bekummert is neen raet in dusser tyt.
Dusshen perykel der cranckheit vorthocomen, soe hebbe ick juwer ff. g. etwas geordenert, dat ick suluest versocht hebbe an etlicken vnd byn faer wel mede gevaren. In dem Ersten, die geen bouen XVIII jaren svnt vnd beneden LX jaren synt, die scholen die medeiaen der rechteren aerm laten, also veel, als twee loet bloeden, oft also veel als in een eyes dop ghaen mach op enen morgen in goeden teeken vor dem myddage nuchteren.
Hiernae scal juwe ff. g. VII der pillen nemen des anderenn dages nach der ader lathen u. s. w. — — — Dit sulueste Hertoch Magnus ock gebruycket vnd hertoch Phylip, behaluen hertoch philipp en scal neen ader laten.
Item juwe ff. g. vnd besondern juwe G. kynder scoelen nicht veel oft eten als is plumen, persike, appel, beren, vnd sich nicht verhetten in lopen, ryden, u. s. w. — — — Item Juwe ff. g. scal drynken roet bier, lantwyn, weynich Rynwyn vnd nene Malmeseye vnd dergelyken.

Der Verfasser dieses Berichts scheint in der Nähe des Herzogs Magnus gelebt zu haben, da er diesen und dessen Bruder Philipp in der Schweißsucht behandelte. Vielleicht ist es der Dr. Sebastian Swartzwalder, da der Herzog Magnus in einem Briefe d. d. Bützow Dienstag nach H. drei Königen 1530 seinem Vater räth, diesen Arzt holen zu lassen, wenn er die Krankheit noch nicht ganz überwunden habe. Dieser Arzt diente auch dem Fürstenhause und wohnte bei dem Herzoge Magnus. Jedoch schrieb er hochdeutsch und eine andere Hand, als die des Berichterstatters ist. Nach diesem Aktenstücke scheint auch der Herzog Heinrich von der Schweißsucht befallen gewesen zu sein.

Nach dem Verlauf der Krankheit in ihrem Vorrücken von Lübeck gegen Osten hin muß die Krankheit in den Ostseehäfen im Monat August 1529 ausgebrochen sein. Wie lange sie in Meklenburg geherrscht habe, läßt sich einstweilen nicht genau bestimmen, jedoch finden sich beiläufig einige Andeutungen, welche die Seuche doch einigermaßen verfolgen lassen. Wahrscheinlich bezieht sich ein, vom Canzler C. v. Schöneich ent=

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worfener, aber nicht datirter Befehl an einen Jürgen Wolder (der 1527 bis 1536 Vogt zu Grevismühlen war) auf die Schweißsucht, da es in demselben heißt, daß "es in Lübeck, Wismar und anderer Orth so geswinde sterbe"; derselbe Befehl verbietet allen Verkehr, namentlich des Klosters Rhena, mit diesen inficirten Städten. — Die einzige, bis jetzt aufgefundene genauere actenmäßige Nachricht findet sich in einem Briefe eines Schloßbeamten von Boizenburg, Johannes Smeth's, an den Herzog Heinrich, d. d. "In der Szwaneheyde in deme Nigen Hufe vp deme dicke an dem auende assumpcionis Marie virg. (14. August) anno dni. 1529"; es heißt in demselben:

"Ock g. h. sinth tho Hamborch vnnd Luneborch in korten dagen vele Minschen vormiddelsth sneller krancheyth vorstoruen vnnd is noch nicht upgeholden. Ock g. h. sinth sodder an deme dinxtage laurencii (10. August) tho Boysenborch snelles dodes vorstoruen in god den herrn wenthe 1 ) an des vridages dar na (13.August) bauen LX lude, vnnd is tho fruchtende, dath de sulueste krancheyt mochte kamen in Jwer f. g. luden up den dorpen, alszo Rede is 2 ) tho Blücher vnnd Bosytze."

Zugleich meldet er, daß er und der Vogt am Tage Laurencii von Boizenburg nach dem neuen Hause auf dem Deiche in der Schwanheide gegangen seien, und daß sie das fürstliche Haus zu Boizenburg verschlossen und dort den Schließer, den Pförtner, den Koch und eine Magd zurückgelassen hatten. Ferner berichtet er, daß die Leute zu zwei Wagen, welche Salz von Lüneburg hätten holen wollen, dort plötzlich gestorben seien. — Nach diesem Berichte verbreitete sich also die Krankheit gleichzeitig von Hamburg auch nach Süden und nach Westen auf das linke Ufer der Elbe. — Hiezu kommt noch eine bisher unbekannte Stelle aus der gleichzeitigen plattdeutschen Chronik 3 ) des Nonnenklosters Ribnitz, von dem Lesemeister Lambertus Slagghert, welche über das Vorrücken der Kranrheit im äußersten Osten von Meklenburg Kunde giebt:

"In deßeme jar (1529) an deme Samer ys vorkundighet vnd apenbar worden ene vorborgene Kranckheyt vth Engelant, de darsuluest in dem Lande bauen


1) wenthe: bis.
2) alszo rede is: wie sie bereits ist.
3) Ueber die bisher unbekannte deutsche Abfassung dieser Chronik ist in dem gegenwärtigen Bande der Jahrbücher von dem Herrn Dr. Fabricius zu Stralsund ausführliche Nachricht gegeben.
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XXIV Jar heft regeret vnd nicht ys ghekamen in düdeske Nacion ofte Landt bet nu her, welcker ys ghenomet de swetende Sücke, dar ynnen vele hundert Mynsken synt ghestoruen, de nicht wusten, wat yd vor eyne Kranckheyt was, bet so langhe se kregen Scryfte vnd Breue, wo syck eyn islyck holden scholle, de dar mede bevillen. De sulue Kranckheyt vnd Sücke ys ghekamen tho Ribenitz vnd heft besocht de Süsteren deßes Closters des mandaghes [na] Aßumptionis Marie 1 ). Do wurt erst mals kranck Süster ... ene Computiste vnd Oltsüster, also dat bynnen XIV daghen wurden XX füsteren kranck in der Sücke, welcker Got de Here gnedig auer gheseen heft, vnd buten vp deme Haue bevil de Gardian, de Bichtvader, de Scaffer, de Orgeniste vnd III Megede, welken Got de Here gnedighen heft gheholpen vnd ghefrystet, so dat Nemant van en ys ghestoruen 2 ), des sy Got vom Hemmel ghelouet vnd benedyet tho allen tyden. Amen. Item noch V Systeren synt ock myt der swaren Sücke bevallen; de laste van en was Ipolita Buggenhagen, so dat thosamen er XXV in deme Closter sint ghewest krancke Süsteren."

Am 17. September schreibt aus Lago der Heermeister Veyt von Theumen von Sonnenburg an die Herzoge von Meklenburg, daß er nicht nach Meklenburg kommen könne, "da die Schweißsucht in diesem Lande merklich überhand nehme" 3 ). Auf der Universität Rostock ward in diesem Jahre kein Student immatrikulirt 4 ); wenigstens ward kein Name in die Matrikel eingetragen.



1) d. i. am 16. August.
2) Nach allen Anzeichen trat die Krankheit in Meklenburg nur gelinde auf, ein Umstand, der in der Geschichte der ansteckenden Kranheiten in Meklenburg öfter vorzukommen scheint. Auch die Cholera war in Meklenburg nicht viel verbreitet und nicht sehr gefährlich.
3) Vgl. Jahrb. I, S. 55 u. 178.
4) Vgl. Krey Die Rostockschen Humanisten S. 49, und Etwas 1740, S. 10.
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Doctor Rhambertus underricht,

wie man sich vor der schweissenden krancheit waren
und darynne halten soll.

D urchleuchtiger, hochgeborner furst. G. H. Dweyl e. f. g. vonn mir begernn, zu beschreyben die gelegenheit der Newenn kranckheit, die nun leyder bey uns alhir zu Lubeck vorhanden, unnd mit eyle von Hamborgk darhin gekomen und sich vast umbher in allen erden ereuget und ursprunglich aus Engelandt komen, Unnd sobaldt sich dieße Sweissucht alhir ertzeiget, hab ich mich gefliessen, ursach dieser kranckheit zu erfarn, meyne bucher am donnerstag nach panthaleonis 1 ) zu besichtigen angefangen, und befunden, das dieße kranckheit V c Jar vor der gebort Cristi unsers zeligmachers bey Hypocratis zeiten inn possidonia gewesen ist, auch in deme Sommer, als itzt, durch veranderung der tzeit, alßo das der Sommer hat ein Natur des Meyen, wie dan itzt etzliche Jar here alßo nach einander gewesen ist, Und szo denne die nature des Szommers szol heis und dorre sein, ist seuchte unnd unbestendigk, viel kelte darunder gewesen, ist doch der hymmel in seiner kraft, die mittel wulken nicht achtet, und nun die hunts Sternen. mher mitwerken, arbeytet in der unnaturlichen feuchtigkeit, die da ist eyne mutter aller feulnisse, daraus werkende anhe scher 2 ) keinerley bekentliche ursache; mit krafft des himels, unnd ane tzweiffel noch aus den Coniunctionen des vier unnd tzwentzigesten Jars, wan dieselbige sein noch nicht alle verdawet, Drawen uns noch viel schwerer kranckheit, den diese ist nur ein vorbotte; Szo sein doch auch inn diesen tagen die Corper der menschen swecher, den sunst in dem gantzen Jare, unnd balde zu underwerffenn.


1) am 29. Julius; an diesem Tage brach die Krankheit in Lübeck aus.
2) ohne schier.
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Ich habe auch befunden, das solich switzen sey eyne gantz eylende Bewegknis, die eynem stercker, den dem andern ankumpt. Dar der lichnam ungeschigket unnd unreine und der Himmel und die planeten ungnedigk, szo ist die ungeschiglicheyt des Menschen durch unreinigkeit wie Ezunder: dar nach der bereitet ist, szo uil, dester leichter entphehet er; und der Himmel ist dem einen Czundepuluer, dem kaumet 1 ) swebel; hie kumpts von her, woe das uf eynen termyn werden kranck V. VI. X. XX., deme zum leben und dem andern zu dem tode. Szo ist fürder hirvon geschrieben, das diese sweissucht ankumpt und beweget alleine den leichnam, und nicht magk genugsam reinigen, gar heraus dreybe die bosheit und bitterigkeit und schult des bluts, sterben alle; dar aber bewegnis ist und reiniget genugsam, bleybenn lebendich, alle durch die stillicheit des lichnams und gewalt des himmels; darumb szal man das switzen in keinen wegen vorhindern. Ich habe fürder gefunden, das dis feber ist im bluethe, bluet in gemeyne genuemet, szo das es in sich helt flegma, galla und melancolia, alle vier feuchtigkeiten aus den vier Elementen mit obirflus: darumb szo geweldigk sich mit eyner unsynnigkeit erhebet, wie eynem gaulen die fybel 2 ) ankommen, mit eynem hui; darum kumpt es uf dem pferde, schiffen, furwagen u., wie eine fluss, szo das es fliesset und ebbet, in XXIIII stunden zum leben ader zum tode. Dis weiter vor der handt zu beweren, solte eynem wol gescheen, als deme der do wolt beschreyben die ursache der Ebbe und fluet, wie zu hamborgk; wil die Zceit nicht leyden. Weret dis feber gestalt under ein feber, under andern dieser tzeit halbenn Ephimera genant, nicht nach dem geiste, sunder nach dem fleysche Ephimeris genant: welcher uf den tagh geborn wirdt, nympt mit dem selbien das ende seines lebens. Szo ist dis feber von XXIIII stunden, doch werden sie einem wol eyn jar langk dene sie mit Ernste meynen.

Do ich szo ferne hierin gekommen, und weiter wolde betrachten, wo man diesem feber mochte furkomen, und wer damit befallen, wie deme zu helffen: des Sonnabents nach Jacobi, uf die nacht um XI, klopffet an mich mit grosser gewaldt, als were hercules mit seyner keulen vor der turen gewesen, besuchte mich als seynen ueiendt, und mein furnehmen gantz nidder gelegt, bin darein stecken blieben, sunst solte solich Regiment alle in der druckereyge gewesen ßeinn; sprach zu mir: Artzte


1) heißt unten (Anmerk. Nr. 5, S. 79): kaum. Ist hier vielleicht ein Wort (ankumpt?) ausgelassen? Oder: kaumet=kumet=Mühe macht, angreift?
2) Stange?
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helff dir nu selbist. Mir war leyde, Ich were zu spaete in das Jarmarcket kommen; got habe lob, es ist besser geraten, wan es mit myr geeuget 1 ).

Item so mich diese kranckheit szo vbereylet, bin ich doch vorhin bey niemandt gewesen, der damit were befallen; den aus mir selbist komen vnd von dem einflus des hymmels. Wo hir ubiral, hab ich mich von stunden an lassenn warm bedecken vnd haupt vnd fuesse beschwerdt, genomen Eingehorne 2 ), perlen vnd goldt, gedacht: harnisch were guet, wie der pawer mit dem huebeisen, vnnd mich genowe lassen waren vor lufft vnnd schlaff, doch gestercket mit Corinthien=Juleb 3 ). Szo gelegen XIII stunden, vnd was schier zu puluer gebrandt; Meine kamerfenster vnd das bette vmbher behangen, ein gut fewer vor denn schornstein, gleich als solt men eynen lauffendenn pferdt noch sparen anlegen, szo das ich mich mit gotte vertroste vnd gantz meynte zu sterben. Zu meinem glucke szo kumpt ein engelisch tauffgeselle, gefordert durch gutte freunde vnd fandt mich szo betrublich liegendt, Nimpt mir von dem kopffe, wes ich zu viele darauf hatte, tzwue deken abe, Tapeten ab, das fever aufzgegossen, etc. .

Item durchleuchtiger, hochgeborner furste, g. h. Szo ist dis die meynung, sich vor dieser kranckheit zuuorwaren, Mus eyner halten ein gut Regimendt mit essen vnd trincken, vormeiden vbirflus in alle wege vnd sunderlich in heissen getrencken vnd vieler vntzucht, halte den leichnam reyne mit speyende ader mit gewonlichen purgacion [hirin wirdt e. f. g. doctor wol weiter vnderricht thuen]; darin hoch gepreiset werdt gut Renbarbarn, ein quentin genomen, mit souil spirenardi puluer, szo gros als eine Erbs, vermenget, mit eynem truncke Endiuienwasser, warm außgetruncken des morgens frue V stund vor essens vnd darmit nicht zu switzende. Noch besszer ist zu lassen die medianne 4 ) ader leber ader 5 ); wen bluet vnd galle ist die grossiste vrsache, außweiset das leger vnd vbirfluß des wassers Im bluete mit deme berme 6 ) vnd der gallenn. [Hirbey ist auch zu uormeiden 7 ) bose luft mit trociste 8 ) vnnd wacholderbernn.]


1) den Anschein hatte, sich anließ.
2) Einhorn, ein altes Arzeneimittel.
3) Saft, Decoct.
4) in einem andern Berichte steht: die mediaen der rechteren aerm.
5) nach Frisch T. L. W. B. 592 eine Ader innerhalb des Schenkels. (?)
6) Hefen, Gährung.
7) verjagen.
8) (?)
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Item doch Rath hyr in zugebrauchen eynes gegenwertigen doctors ist nicht zu uerachten; diese krankeheyt saget niemand zu; sich zu vorwarn wol ist auf, aber noch besser, das sich ein Jeder schigke vnd bereyt sey, wen man wais nicht, wen der Herre kumpt vnd klopffet ahnn.

Item Czeichen dieser kranckheit sein: Sie kumpt heimlich; aber vbir II ader III tage, dar is kumpt, flueget sie balde vbiral. Hir sterben keine kinder ahn, sunder die sterckisten, die da manbar vnd frawenspiel vben mugen, von XVI zu LX Jarn, auch wol darvber; doch sterbenn die alten selten, szo ferne szie halbe wartung haben, wan die kelte des alters messiget die hitze der kranckheit. Die armut wir[t] auch hir darmit gantz vbirsehen noch zur Zeit, anhe zweiffel von gotte, sunst wuste ich nicht, wer den andern begraben solte. Angst ist hir viel mit Im spile, szo das viele durch Angist sich legen vnd in dem schimpfte sterben. Warhafftige Czeichen sein:

kreuelent Im fleische bauen den armen vonn außwendigk vnd darnach Innewendigk in denn fyngern; dis kreuelt gleich als weren dar Inne amere 1 ) vonn glühenden kollen, ader wan eher einer queme aus grosszer kelte vnd hilte die hendhe an eynen beissen kacheloben vnd die finger werden als szie duppelt wurden. Als bricht der sweis herfur vnd tridt an das hertze vnd vbir die brust yhe mher vnd mher, gleich ap es geiaget wurde. Etzliche kreigen hitze, etzliche kelte, etzliche brechent ader speient vnd wetage 2 ) des heupts. Vnd dennoch warer Czeichen: mit eynem stumen 3 ) von dem hertzen In das heupt vnd widderumb, wie eine heissze wulken vor eynem dunner herkumpt. Dan ist es tzeit, als man ist in eynem bette; doch magk man ablegen den Rogk vnd paltrock 4 ), vnd jopenn 5 ) an behalten. Wen man nun alszo zu leger komen ist, mag man die jopen vorne mit behendigkeit vf schneiden, auch die senckel 6 ) entzwey schneiden, vnd sich behueten, das ime von oben, von vnden, Zu den seiten vnd fuessen keine lufft ankome. Item, das spanbette sey also geschigkt, das man vf beyden seyten gut gemach haben moge vmb der wartens leuthe vnd des krancken bequemigkeit willen. Man mus auch haben leuthe, die vf eynen warten vnd die decke oben an den heuptpfulen vnd vff beyden seyten vnd zu denn fuessen mit dreyfechtigm Czwerne, vmb des vmbkerns willen,


1) auch emern: glühende Asche, Funken in der Asche.
2) (wehe - tage) Schmerzen.
3) Ungestüm? oder Schreibfehler für: Sturm.
4) Überrock.
5) Jacke, Unterjacke.
6) Knieebänder.
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feste annhen lasse. Man sal auch nicht mher haben vff dem kopffe, den eine kleine dubbelte leynen mutzen. Dar es aber jn der nacht kumpt, sol man bleiben, wie, man leit; man sal nicht mher den II wullen decken vbir haben mit leinwande gefuttert; wolt man dar vbir haben ein leicht buntwercks futher 1 ), so vf die fuesse ader hir ader dar zu legen sachtlich, dar man nicht switzet, ist wol zu leyden; vor allenn dingen, wen man leit ader ligen gahen wolle, das man negist deme lacken keine peltzdecken nicht habe, den die hatte mich schir vmb den hals gebracht. Man sal die arm seher hart an den leyp halten, das vor allen dingen kein lufft vnder die arm komme; dar hat das hertze die meiste drifft vnd seine reinige; wan das vorhindert durch einen widderblick der lufft ader kelthe, die musse alle sterben; haltent die hende nidderwarts vnd bey leybe nicht geleget werdenn vff die brust ader hertze vmb vorhitzung wyllen.

Wan dis szo bereitet vnd die flagen 2 ) kommen, als die bulgen 3 ), vnder das antlitz, Rot, braun, bleich, doch einem mher, als dem andern, vnd der fwes kumpt mit allen krefften: yhe stiller man leit, yhe besser es ist; doch mus man sich vmbkern, wen man nicht lenger halten kan, von einer seiten vf die andern, doch alszo das der krancke alletzeit oben vnd vmbher wol verwaret sey, das keine lufft bei inschlae. Denne sal men denn krancken trosten, das er freymuthig sey: es sey eine kortze Zceit, vnd bestreichen den kranken alletzeit mit wolreichendem Rosenwasser, hinden an zuheben an den oren zwey fingerbreit vnd den lepffelein der oren von beyden seiten pis In den nacken drey fingerbreit von oben nidder mit eynem swamme ader weichen tuchelein vnd vor das heupt vnd an die dunningen 4 ); vnd alszo balde sal haben Rosenweinessigk ader den feuristen weinessigk, so man haben mag, netzen darin ein tuch ader anders, daraus der krankhe den essig mag tziehen in beyde naszelocher, in eins vor vnd das andere nach; der schmagk des essigs komen In den mundt, das der dar van mochte pruesten 5 ), were szouil dester besser.

Item dis Rosenwasser vnd essigk furet die brant von der banen, wen es kumpt zu hulffe dem gehirne ader bregen 6 ), das dar zugeschaffen kolt und feuchte, zu messigen die naturliche hitze des hertzen; anderst muste ein Mensche balde sterben.


1) Pelzwerkfutter.
2) ein fliegendes Wetter, das vom Winde getrieben wird.
3) Wogen.
4) Schläfen.
5) niesen.
6) Gehirn.
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Widderumb die hitze des hertzen messiget die naturliche die kelte des gehirns oder bregens, alsze freunde. So denne In dieser kranckheit solich feur vorhanden, das noch grosser, vnd in meynung das kleine gar zuuordempen, szo kumpt diese kunst dem Bregen hirmit zu hulffe, vf das solich feint mag vbirwunnen werden. Wiewol etzlich artzteyen kelter, den der essig vnd das Rosenwasser, als Campher, Opium, etc. . haben doch nicht die drifft so hastig, als der essigk, vnd auch nicht die lieblichkeit, als das Rosenwasser dem gehirne vnd hertzen beyzustehen. Dis sal alszo gescheen pis vff die helffte XII stunden; darnach mus man das thuen also alle stunden II mal mit dem essig vnd Rosenwasser.

Item den Menschen zu laben in dieser kranckheit, mus man Ime nichts anders, den dunnen kavent 1 ), szommer laue 2 ) aus einem pfeiffkenlein oder Rhor geben; den solicher tranck mag vorware keine grossze freunde machen, den es geschiet alleine darumme, das die krancken starcke gedrencke nicht vertragen mogen, Auch In XXIV stunden nicht szo vort verheiligen 3 ), alleine das das hertze ein wenich feuchtigkeit erlange; dorst thet myr kein angst; sunst werden die krancken sere swach in dem heupte.

Item ich lies mir machen ein Juleb alszo: Ich lies holen eine plancke 4 ) Barrasenwasser, vormengt mit III loth Czugker, manus Cristi mit perlenn, [auch ist dar gut zu ochsentzungen wasser mit dem Czugker]: thet mir grossze entsetzunge, warm getrunken, ein wenich vff einmal kaumet 5 ) ein leffeluol durch ein Rhor.

Item sie geben auch alhir den krancken wol in denn mundt Czugker Candi 6 ) vnd Muscatenblumen [dorret feer]; darfur nam ich ein muscateller beren, ader IIII ader fünff Corinthien gekewet vnd widder außgespeiet, damit die nature wes grobes zuuerdawen nicht wurde vorhindert In der arbeit gegenn die wutendigkeyt der kranckheit.

Item Inn dem ambeginne des switzens mus man den sweis vor deme kopffe lassen abwischenn mit eynem Reinen tuche, szo offte es von nothen, an deme leibe aber nicht, den souil mit deme vmbkeren geschiet.

Item In dem leger sal man kein Wasser verhalten, den was man seichet, darb man nicht ausswitzen; wer das nicht bessern kann, der mag das gehenn lassen: so werden alte leute


1) schwaches Bier.
2) ? Sommerlabe (labung) ?
3) verschmachten.
4) ein Maaß von ungefähr ½ Flasche.
5) kaum.
6) Candieszucker.
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widder zu kindern; als were es mer den wasser. Es geschiet doch selten, das die kranken In dem leger stuelgang begern; doch were do hette einen zinchen pot 1 ) oder eynn feißglas 2 ) warm gemacht, ist viele beqwemer oder ein warm becken mit warmen tuchern vmbkleidet vnd vndergehalten, oder eynen swamp mit aller behendigheit, lufft zu uormeyden.

Item man mus von anbegin die kranken bewaren mit frolichen oder trotzigen worten, mit dem weinessige, Cziehen bey den oren, bey der nasen, schlahen mit eynem stocke vor die styrnen, vnd nicht schlaffen lassen; Den schlaf ist sunst der halbe todt. Das bregen oder gehirne mus Im wachendt sein, sunst mugen der essig vnd Rosenwasser nicht wercken; den wo das bregen den essig nicht annympt, trach vnd vule 3 ) in dem schlaffe des hertzen feint zuueriagen, sterben sunst gemeinglich die do schlaffenn.

Item wan alszo die XXIV stunden mit der gnade gots geendiget sein, nach Rechter Rechenschafft, den niemant Rechne sich selbest zu kortz, wan es gelt das leben, darumb besser eine stunde ader tzwene daruber gelegen: Ich lage XXVII stunde, noch was mir darnach heis: Den fortan sol man haben bereidt ein warm hembde vnd erheben den krancken ein wenig herfur vnd tziehen Ime das Hembde vbir den kopff, alszo das die lufft nicht hastich darunder kome, szo lange das man darbey hat II ader III warme tucher, vnd den sweis mit dem ersten vor deme heupte abwischet, er man Ime das hembde darvbir thuet: vnd darnach etzliche tucher vnder die beyden arme, den sweis abegedrocknet, darnach vbir die brust vnd einen palt= ader andern Rock vbirgeworffen mit eynem lichten fueter, ader was ein itzlicher vormag, Eine newe Reine Mutze vff das haupt, vnd den krancken vor einen schornstein gesetzt, darin ein fewer von eichem holtze, darvor vnder dem hembde gedroget denn Rugke, den bauch vnd die beyne mit regnen warmenn tuchernn.

Item wan dis alszo gescheen ist, Nimpt der Engelische man, der sich hier dieser Sachen understanden, gar ein leye, weis sunst keines Dings eine vrsache, wen das er gesehen hat, wie nu wol meyn knecht, einen schonen Rogken 4 ), schneit dar durch her drey scheyben, wie man den kindern putterbroth, lies er Rosten vnd Schmeret vff beyden seiten frische putter, gibt er den krancken zu essen. Do er mir der eynen voreichte, wolte


1) Topf.
2) Uringlas.
3) träge und faul
4) Roggenbrot.
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ich lieber gespeiget haben, wen gelacht; do fraget ich, was das sulte, daruf er antwurte: Ich solts essen vnd darnach eins drincken. Ich nam ein wenich darvon vmb trinckens willen; des was ich hochbegeren vnd thet einen geringen Drunk kalt; Ich wolt wol ander speise erdencken. Szo leget er mich in ein kalt bette vnd gab mir verleub zu schlaffen vnd hende vnd fuesse zu strecken nach meynem gefallen. Do wart ich des Newen betts szo froe, das ich des schlaffs vorgas.

Item hirben hab ich gemercket, das es besser gewesen were, ich hette schlecht gerostet broth genomen vnd einen trunck sommerlaue ader warm daruf gethaen, vnnd hatte das bette mit einem heissen becken lassenn warmen; den viele, die zu der Colicken gneigt, mochten dardurch zu grossen wetage ader swulst kommen. Szo saget man hir, etzliche vbirkomenn die gele sucht; Alszo den sal man hirumb gleichwol die fusse messia warm halten vnd denn leichnam, darmit die nachstendege Hitze nicht vbir sich steige In das gehirne.

Item darnach mus man sich gutlich thuen, gebrauchen keinen wein oder gewurtze: hauerwelling 1 ), Eyer bey dem feur gesweisset weich, keinen Czugker gesparet; szaur vnd susse ist gut, doch nicht mit Bluete. [Item die beste speise ist haberwellinge, mandelmilch, durchgeschlagen Erbsbruhe vnd dergleichen.] Vnd dar yhemandt verstoffet were vnd widder die hitze, seint gut swetzken vnd hungerische pflaumen mit Czugker, vor der Maltzeit abents vnd morgens, haben myr gros gudt gethaen. Man esse auch nicht spate, vnd stetts mit froligkeit vfstehe vnd zu bette gehe, bis szo lange die macht widder herfurkumpt vnd das wasser wirdt wie ein goldt mit einer wessen wulcken; nicht zu fruhe auszgeflagen. Denne magk widder gebrauchen geringen frischen wein.

Item es sal sich niemandt vorfern 2 ) vor switzen aus arbeit, gehende, bratende, heissen gedrencken vulgedruncken; es macht wol angst, aber die vorigen tzeichen sein recht; Experto crede Rhembarto. Ich sende e. f. g. hirbey ein gedrucket buchlein; hat des keinen verstandt, es wil dar nicht holen.

Item in dem leger wirdt man offte vnsinnigk; dorumb mus man starke menner darbey haben, die den kranken halten mit gewalt, das Er die arm nicht vnder decke herfur an die lufft bringen; den wo das geschege, were der todt vor der thu=


1) Haferbrühe.
2) erschrecken.
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ren, aber nach lenger vergehet dis alles. [Item die des vormugen, gebrauchen mit der tzeit Rat der vorstendigenn.]

Item etzliche blueten In dem leger aus der naszen; das sal man alszo bluten lassen vnd nicht stillen, sunder man lasse das abwischen, szo lange pis es von sich selbest vfhore; den essich vnd Rosenwasser mus darbey gebrauchet werdenn.

Item nach dem leger ist mir wol VI tage lang viel verbrants dinges aus dem kopffe gekommen, Eins teils wie vnslit, weisse seyffe mit bluette vermenget, das ich des tags wol XX oder XXX geschnowen, das ich darvon bekommen, das ich am ersten zu heis lach vnd zu vil vf dem kopffe hatte. Ich lies dem fluessze seinem willen, Reiniget Ine mit vielen bluemen und quenden korner, In reinen wasser gesotten, vnd bygichenpillen darin Reszoluiret, vnd darmit wart ich der Brandtruthen aus dem kopffe loes, wie wol noch schmogt 1 ) dar ist.

Item hirnach mus man den slaff nehmen, es sey tagk ader nacht, stettes mit Reinen hembden vnd lacken, duppelden betten, des nachts vnd des tags nacket darein gelegen; vnd ap alszo ein sweis qweme, sol man sich nicht verfern, den es ist besser, den schege es nicht; den er ist wie sunst Naturlich, den mag man wol abwischen. Eymbeckisch bier vnd gustrowisch sein die besten getrencke. Es ist auch nutze, das man die ersten II tage nach dem leger flach 2 ) warm gedrunken, gerostet brodt dorein, darnach Reybet broet wie ein krumels 3 ), wenich vnd offte gedrunken mit eynem krannichhalsze; darnach vbir acht tage, wens das wasser wirdt als goltfarbe etc. ., mag ein yeder widder halten sein Regiment.

Item E. f. g. neme mit der eyle diese meyne Instruction vorauf, den got weis, das ich noch swach bin; wuste derwegen auch niemandes die arbeit zu willen zu leisten, den e. f. g. Got hat mich hir inne sunderlich gesterckt. Ich hoffe, das hirdurch mannichem sal gehulffen werden. E. f. g.;

teyl es vmbher, E. f. g. bruder vnd andern nachpawern; ich forchte es wil weiter vssein.

Ich zweiffel nicht, den E. f. g. sein myt weinessigk wol besorget, auch mit Rosenwasser. Szo sende ich e. f. g. Barrasienwasser vnd 1/2 liber manus plati 4 ) [wan es die notturfft erfordert, ein Julep daruon gemacht mogen werden, wie oben


1) Dunst, Dampf.
2) weder salzig, noch süß: brakisch = eben, wenig; hier: lauwarm, wie in aändern Berichten aus derselben Zeit.
3) Krumen.
4) perforati?
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beschrieben]. Wes vorhin von nothen, hat e. f. g. wol vorstanden; got der allmechtige gebe seine gnade, den es e. f. g. nicht von nothen seyn. E. f. g. wollen auch meiner langen schrifft nicht vordrossen sein. Ich kan es szo klar nicht schreiben, als es wol von nothen; heute achte tage vff den mittag hette ich hirvon wol I c floren gegeben. Nemen so vorgudt mynen dienst vnd willen. Hirmit gotte Almechtigk befolen.

Datum Lubeck, Anno etc. . XXIX ahm tag Ciriaci.

E. F. G.

williger

Rhembertus giltzheim, Doctor.