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:
auf dem
vom
Pastor Mussäus zu Hansdorf.
D as flache Land in Meklenburg ist theils landesherrliches Eigenthum, theils auch ein Besitz der Ritterschaft (Adel, Klöster, Städte). Auf den Besitzungen beider finden sich große Höfe und Dörfer. Die landesherrlichen Höfe werden meistbietend auf 14 bis 21 Jahre verpachtet (Pächter, Pensionär), die ritterschaftlichen gewöhnlich von den Besitzern bewirthschaftet. Bauern heißen im Allgemeinen die Tagelöhner auf den Höfen und die mit Ackerbau beschäftigten Bewohner der Dörfer. Diese Dorfbewohner sind entweder Hauswirthe (Vollhüfner, Halbhüfner, Viertelhüfner, welche letztern man Kossaten oder Käther heißt), die ein gewisses Ackerwerk für eine Pacht benutzen, und vorzugsweise Bauern genannt werden, oder Büdner, welche ein Haus und etwas Acker als Eigenthum für ein Kaufpretium und einen jährlich zu zahlenden Grundzins erworben haben, oder auch Tagelöhner jener Hauswirthe. Die Wohnungen der Tagelöhner auf Höfen und in Dörfern heißen Kathen, und sie selbst Kathenleute.
Die Kleidung der vornehmern Stände Meklenburgs ist ausländisch; selbst bei den Tagelöhnern und Dienstboten in den großen und kleinen Städten haben fremde Formen den Vorzug gewonnen, und nur bei den Landbewohnern (Bauern) hat sich von jeher viel Eigenthümliches erhalten sowohl in Hinsicht der
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Formen als der Zeuge. Letztere werden theils in
den Städten gekauft, z. B. grobe Tücher, Wand
genannt, Gaschen, Fries, Boi, Kamink
.
., theils auch aus eignem
Gespinnste vom nächsten Weber verfertigt. Solche
Zeuge, die eigengemachte heißen, sind außer
hedener, feinhedener (kleinhedener) und
flächsener Leinwand:
1) Fünfkamm, auch bômsied, Halvsett genannt, mit garnenem Aufzuge und wollenem Einschlage, nach Weise des Atlasses gewebt, d. h. die Fäden des fünften Kammes decken oder fallen über die andern. Zwei Fäden sind in einem Rohre; der Einschlag giebt die rechte Seite. Es ist gemeinhin buntgestreift, zuweilen auch ganz schwarz oder grau, von vorzüglicher Dauerhaftigkeit. Wegen der fünf Kämme wird der Weberbaum niedriger (sied-er) gelegt; daher die Namen.
2) Vierkamm, wovon mehrere Arten, als:
a) Rasch: Aufzug garnen, Einschlag wollen oder garnen; 2 Fäden sind in einem Rohre; die Fäden des vierten Kammes decken, daher ähnlich dem Bomsied, nur wohlfeiler. Man gebraucht den Rasch wie 1 zur Kleidung, besonders zu Beinkleidern;
b) Zôrdauk 1 ) (vielleicht Zarttuch?): garnener Aufzug, 3 Fäden im Rohre, Einschlag von Garn oder Wolle; die Fäden des vierten Kammes decken, und der Einschlag giebt die rechte Seite. Es hat das Ansehen von Barchent nach folgender Façon, und wird zu Oberbetten verwendet.
c) Keperbühre oder Doppelbühre: alle Fäden garnen, 4 in einem Rohre; der Aufzug decket und giebt die rechte Seite; Façon wie in b. Es wird meistentheils zu Oberbetten verarbeitet.
d) Gänseaugen: alle Fäden garnen, 2 in einem Rohre; der vierte Kamm bleibt nach einer gewissen Ordnung stehen und schlägt dann wieder ein; Façon; zu Tisch= und Handtüchern gebraucht 2 ).
3) Flanell, und zwar hedener Flanell, wenn der Aufzug hedenes Garn, flächsener Flanell, wenn der Aufzug flächsenes Garn ist; ein Faden im Rohre; der Einschlag ist
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allemal von Wolle, herrscht vor und macht die rechte Seite. Ziemlich geschmeidig, gemeinhin buntgestreift. Zu Frauenröcken verwendet.
4) In Futtertuch, Fauderdauk, herrscht der
garnene Aufzug mit 2 Fäden im Rohre vor, während
das Uebrige wie beim Flanell ist. Man färbt es
gewöhnlich nach dem Weben schwarz, und es ist
sehr hart und fest. Bei den schwarzen Bauern
(siehe unten) sehr gebräuchlich zu Männerröcken
.
5) Kleiderzeug, 2 Fäden Garn und 1 Faden gedoppelter Wolle im Aufzuge, im Einschlage lauter Wolle; daher feingestreift und meistentheils in zwei Farben. Zur Frauenkleidung gebräuchlich.
In Hinsicht der Wahl der Farben und einzelner
Eigenheiten scheinen die nördlichen Bewohner von
den südlichen sich ziemlich allgemein zu
trennen. Bei Rhena, Zarrentin, Hagenow, am
Schweriner See, bei Krivitz, auch bei
Neukloster, auf der südlichen Seite der Warnow,
bei Lage, Tessin und in allen, von diesen
Ortschaften südlich gelegenen Gegenden ziehen
die Männer ungefärbte Leinwand zu Beinkleidern
und Arbeitsröcken (Kitteln) vor; in den Aemtern
Güstrow, Dargun, Stavenhagen
. wird dieselbe zu diesem
Gebrauche sogar sorgfältig gebleicht. Ein scharf
angezogener, etwa 6 Zoll breiter,
schwarzlederner Gürtel hindert in letzterer
Gegend bei der Arbeit das Aufflattern des
übrigens zugeknöpften, weißen Kittels. So
erscheint der Bauer selbst in den Städten, wohl
gar in der Kirche, aber dann ohne Gürtel. Bei
Stavenhagen ist dieser Kittel vorne ein wenig
nach Weise eines Leibrocks ausgeschnitten. Bei
wichtigen Gelegenheiten bleibt, besonders in den
Aemtern Güstrow und Dargun, selbst im Winter ein
leinenes Beinkleid; aber mehrere Westen
(Brusttücher - Bostdäuker) von gestreifter
Bomsiede
. werden dann angezogen, deren
Klappen am Halse so zurückfallen, daß man das,
mit bleierner Zierrath zugeheftete Hemde und
selbst oft die Brust sehen kann. Darüber kommt
dann ein kurzer, blautuchener Rock (Futterrock -
Fauderrock) ohne Kragen und hinten ohne Knöpfe,
an der Seite mit Taschenlöchern, jedoch ohne
Taschen, und über diesen ein langer,
dunkelblauer, tuchener Rock. Bei Gastmählern
wird der letztere ausgezogen und bei Seite
gelegt. Ein dünnes, gemeinhin schwarzseidenes
Halstuch bedeckt den Hals. - Geht man in
Hemdärmeln (hemdsmaugen, hemdmâgen), so ist
wegen Kürze der Westen und des Beinkleides der
Unterleib oft handbreit bis auf das Hemde
entblößt. Der Hut ist
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zuweilen modern, öfter aber ein kleiner, runder Kopf mit sehr breitem Rande. Dieser Rand pflegt bei den Bauern um Rhena rauh und kastorartig zu sein. Eine gewöhnliche Hausmütze ist, besonders bei Gnoien, Dargun, die Klott oder Puthüll, rund, anschließend, von grünem Zeuge, mit Fell ringsum verbrämt, oben ein kleiner Quast.
Die Hemden der Frauen heißen ziemlich allgemein im ganzen Lande Hemdschürzen. An denselben ist das Leibchen feinere Leinwand und der untere Theil Sacklein. Wollen sie in Hemdsärmeln und doch geschmückt und reinlich erscheinen, so ziehen sie (z. B. bei Kröpelin) ein halbes Hemd (Aewerhemd = Oberhemd) über und heften die Aermel an den Händen mit rothem Bande zusammen. - In der südlichen Hälfte, besonders in der Gegend von Gnoien, tragen sie einen Unterrock (Pie) von gewöhnlich grünem Friese, mehrere Röcke von Flanell (siehe oben Zeuge), ein Mieder (Bindleib) von demselben Zeuge oder von Bomsiede, oder auch an Sonntagen von rothem oder grünem Damast oder Kamink, und eine Jacke (Kamsol oder Jope) von Bomsiede oder Rasch, die vorne Zugehäkelt ist; doch sind sie nicht sehr schüchtern in der Bedeckung ihrer Reize. Zuweilen ist die Jope und der oberste von den Röcken, deren Zahl bei Festlichreiten zu 6 steigt, von Tuch oder Kattun, und der Bindleib von grauer Leinwand oder wohl gar Nanking. Das Halstuch ist zuweilen unter, zuweilen über der Jope, die Schürze von gebleichter oder gedruckter Leinwand, an Feiertagen von Kattun, auch wohl von Seide, und unter dem oberen Rocke eine tüchtige Tasche, zu der eine Schlitze (Schneiderloch - Sniederlock) führt. Blau sind die gezwichelten Strümpfe, mit halbhohen Absätzen die Schuhe, jetzt seltener mit Schnallen. Bei Festlichkeiten lieben sie Pantoffeln, es wäre denn ein Tanz bestimmt, zuweilen aber auch dann. Die Haare sind vorne bald gescheitelt, bald hintenüber geschlagen, die hintern aber stets in einen Knollen (Dutt) aufgelegt, und die Mützen hinten rund, mit einem, wenigstens 3 Zoll breiten Striche. Ungeschwächte und Unverheirathete tragen bei feierlichen Gelegenheiten blanke Mützen, beim Abendmahle und am Charfreitage weiße, krausgelegte (Köppels), die Ränder mit blauem Bande benäht, an Werkeltagen jedoch, wie die Frauen, schwarze oder kattunene.
Nördlich, von Ribnitz an längs der Ostsee, kleiden sich die Männer zur Arbeit und am Sonntage in schwarzgefärbte Leinwand, zuweilen jetzt auch schon in graue. Die bomsiedenen Brusttücher knöpfen sie höher zu und die Beinkleider werden weiter. Das obere Brusttuch ist
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gemeinhin am Sonntage von Tuch, mit Aermeln,
darüber dann ein tuchener Rock von dunkelgrauer
oder blauer Farbe. Bei Klüz findet man schon
andere Zeuge, Manchester
. Die meisten Männer tragen das
Haar hinten rund (über dem Kessel)
abgeschnitten, und das vordere mit einem
bleiernen oder messingenen Kamme hintenüber
gekämmt. Die Frauen gehen fast ganz wie ihre
Nachbarinnen, bedecken aber mehr ihre Reize,
obgleich sie alltäglich die Jope, besonders um
Doberan, geöffnet tragen. Sie tadeln wie die
andern einen schlanken weiblichen Wuchs; daher
ein allgemein bekannter Vers:
lang un schmall
hätt keen Gefall;
kort und dick
giwt keenen Schick;
äwer so van miener Maat,
ach, dat ziert dei ganze Straat.
d. h. lang und schmal hat kein Gefallen; kurz und dick giebt keinen Schick; aber so von meinem Maaße, ach, das ziert die ganze Straße. - Man hat deshalb Beispiele, daß sie 7 Röcke, die vorzüglich hier sehr kurz sind, über einander tragen, deren jeder gewöhnlich unten und oben 6 Ellen weit und aus dem Grunde oben in viele Falten gelegt ist. Das Bindleib ist meistentheils mit einem fingerdicken Wulste an den Hüften versehen, um die Röcke zu tragen. Mit vielem Bande ist Jope und Rock besetzt. Das Haar legen sie hinten aufwärts und scheiteln es gewöhnlich vorne, lassen dann aber gerne auf der Stirne eine kleine Locke frei schweben. Die Mütze ist hinten rund und der Strich hat die verschiedensten Formen, zuweilen in die Höhe gerichtet, nordöstlich (Rövershagen) an der Stirne eingezogen und an den Backen weit herausstehend. Nordöstlich sind auch die Strohhüte häufig hinten offen, und die, überall an der Ostsee kurzen Jacken hinten sehr faltenreich. - Fast überall werden in Nordmeklenburg Schuhe mit hohen, spitzen Absätzen gewählt und blaue, zuweilen auch rothe Strümpfe mit bunten Zwicheln. - Die Schäfer ziehen im ganzen Lande hellblaue Röcke vor.
Außerdem sind noch einzelne Gegenden in Meklenburg, wo die Kleidung mehr und minder abweicht - Poel, die westliche Gegend um Rostock, Warnemünde und Fischland, die Gegend um Bützow und einige Dörfer bei Rhena.
Der Bauer auf Poel wählt einen dunkelgrauen, tuchenen Rock für den Sonntag. Derselbe ist ohne Kragen, bis oben zugeknöpft; er giebt dem Besitzer einen langen Hals und gefälligen Wuchs. Die Beinkleider sind zuweilen man=
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chesterne. - Die Frauen, deren Tracht sich bis Redentin verbreitet, haben an Feiertagen gewöhnlich gaschene, sehr kurze, faltige und dicke, unten mit Band besetzte Röcke, eben solche Jopen, mit krausem Besatze oben geschmückt, das Halstuch im Nacken tief niedergesteckt, daher einen von der Sonne sehr gebräunten Hals, Mützen wie gewöhnlich, den Strich stark geblauet und vorne ganz in die Höhe stehend, einen Hut von gleicher Stellung, damit das Gesicht frei sei, das Haar über der Stirne gekräuselt, blaue Strümpfe mit Zwicheln, Schuhe ohne hohen Absatz, vorne weit ausgeschnitten. Sie gehen gerne auf Pantoffeln.
In den Gemeinden Biestow, Buchholz, und in den Dörfern Sievershagen, Bargeshagen, Wilsen, Stöbelow, Gr. u. Kl. Grenz bei Rostock ist die sogenannte schwarze Tracht gebräuchlich, die sich, aber nicht in ihrer ganzen Eigenthümlichkeit, auch den zunächst liegenden Dorfschaften mittheilt, bis sie sich in die andere, sogenannte bunte Tracht verliert. Die Männer tragen sehr weite, kurze Beinkleider von schwarzer, oft feiner Leinwand (5 Ellen werden zu einem Beinkleide genommen; der große Schulze zu Biestow soll 9 Ellen gebraucht haben), wobei nur 2 große Knöpfe, zuweilen auch nur ein einziger, den Gürtel (Quadder) und die handbreite, an einer Seite angenähte Klappe zugleich befestigen, und an den Seiten sehr große Schlitztaschen (Ficken) sich finden; lederne Senkel und Riemen schnüren das Beinkleid unter den Knieen zu. Die Weste (Krupin) von Bomsied ist gleichfalls schwarz, vorne bis zur Herzgrube mit einer Reihe daumendicker Knöpfe von Prinzmetall geschmückt, und von da an bis zum Beinkleide mit schwarzen Knöpfen besetzt, die nicht knöpfbar sind. Diese untere Hälfte hat ganz das Ansehen eines breiten Gürtels. Die Krupin (d. h. Kriech hinein) wird an der linken Seite zugeheftet. Ein dickes, buntkattunenes Tuch wird um den Hals geschürzt. Ueber die Krupin kommt eine schwarze Jacke (Schwubbjacke und Butrund im Scherze genannt), sehr weit, mit langem, etwas faltigem Schooße, stets vorne geöffnet, und über diese bei Reisen, früher mehr, jetzt seltener, ein langer, schwarzer Talar (Wams) 1 ). Beim höhern Putze wählt man statt der Krupin eine bomsiedene, schwarz-weißgestreifte Jacke, und im Hägerorte 2 ) eine rothgestreifte, oft mit 3 Arten roth, und statt der Schwubbjacke
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einen sehr langen, schwarztuchnen Rock, hinten vom Schooße an mit zahllosen, eingelegten Falten. - Das Haar ist stets gescheitelt und hinten rund abgeschnitten, der Hut mit rundem Kopfe und ziemlich breitem Rande, bei verheiratheten mit einer schwarzen, bei unverheiratheten mit einer kreideweißen Schnur umschürzt.
Aus Furcht vor schlankem, schlotterndem Wuchse
nähen die Frauen um den schwarzen Bindleib über
den Hüften einen armdicken Wulst, auf dem die 5
oder 7, bis zur Wade reichenden, Röcke hangen.
Der enge Bindleib kann nur unten zugeheftet
werden; den leeren Raum füllt ein oft sehr
buntes oder blankes Brüstchen (Böschen, von Bost
= Brust) d. i. Latz, von steifer, überzogener
Pappe bis zum Kinne aus, wo es zuweilen absteht
(Gr. Grenz), zuweilen nicht (Biestow). Die
schwarze Jope, hinten mit langem, sehr breitem
Schooße, steht immer offen Alltäglich ist der
oberste Rock ein rother, in den bei Weibern um
den Nabel der Sparsamkeit wegen ein tellergroßes
Stück Leder (dei Deitsacht - das: Thut wohl)
eingesetzt ist, und die Schürze weißleinen oder
blaugefärbt, sonntäglich aber der oberste ein
schwarzer mit unendlich vielen eingereihten
Falten, und jeder untere etwas länger, damit von
allen die gut besetzten Säume etwas sichtbar
sind; die Schürze dann gemeinhin klar weiß.
Strümpfe stets roth; die hohen Schuhe bei
Feiertagen mit Riemen zugebunden, ohne
Schnallen, an deren Stelle dann ein handgroßes,
buntausgeschlagenes Stück Leder (Pleußen)
schwebt. Die schwarze Mütze mit kleinem
anliegenden Striche, hinten spitz und hoch; dort
hängt eine fußlange, schwarze Schleife (Start -
Schweif) nieder, anstatt daß anderswo die kurze
Schleife aufrecht steht. Um den Hals werden
bunte, seidene Tücher in großer Menge
geschlagen, deren Enden zum Theil vorne
untergesteckt sind, oder unter die Arme
hinlaufend, hinten geknüpft, unter der Jope
herabhangen. - Beim Abendmahl
. tragen die Mädchen weiße,
dichtanliegende Mützen (Köppels); sie und die
Frauen haben dann über die seidenen Tücher noch
ein schmales, eingefaltetes, weißes Tuch lose
gebunden, das sich auf der Brust kreuzet und
sich dann unter die Arme hin verliert. Geputzt
hat jede, auch im heißesten Sommer, einen
kleinen, runden, schwarzen Muff, zu Gr. Grenz
aber größere und schlaffe, die Handschuhe
zuweilen ohne Fingerlinge, über der Hand mit
bunter Klappe. Der von ihnen selber verfertigte
Strohhut ist von seltsamer Form, oben platt, an
den Seiten schmal, mit schwarzem Bande. Bei
Beerdigungen wird in einigen Dörfern um den Hut
ein weißes, zur Hüfte
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hinten herabflatterndes, Tuch (Truerdauk - Trauertuch) gebunden, und in der Gemeinde Biestow gehen sie gewöhnlich mit einem Stücke gebleichter Leinwand (Regendauk - Regentuch) unter dem Arme zur Kirche.
Sie lieben diese Tracht sehr, obgleich sie den Frauen schlecht steht; die der Männer giebt aber wahrlich ein ehrenfestes, mannhaftes Ansehen. - Unter diesen Leuten findet man öfters Haar und Auge dunkel, und meistentheils, wie im Amte Dargun und an der ganzen Seeküste, einen ausgezeichnet starken, hohen Gliederbau.
In Warnemünde, einer Ortschaft, die von Lootsen
und Seeleuten bewohnt wird, tragen die Männer
bei der Arbeit 3 Beinkleider über einander, eine
leinene Unterhose (Unnerbrauk), eine andere von
grünem Manchester (Spitzbüchs), und eine sehr
weite, leinene Oberhose (Brauk). Ein Verlobter
erhält von seiner Braut 2 überaus große,
silberne, mit einer silbernen Kette verbundene
Hosenknöpfe, die an der Klappe der Spitzbüchse
befestigt werden; auf dem einen derselben ist
Adam und Eva, auf dem andern der verbotene Baum
abgebildet. Am Sonntage
. wird die Oberhose weggelassen,
und dann wird die, zur andern Zeit zuknöpfte
Spitzbüchse an den Knien nicht geschlossen. Die
wollenen Strümpfe sind grau oder schwarz,
gesprenkelt, und sehr eng anschließend. Hohe
Stiefeln gewöhnlich, aber auch Schuhe. Die
meistens grauen Westen sind sonn= und alltäglich
von eigengemachtem Zeuge oder Laken. Bei der
Arbeit wollene Jacken, sonst auch kurze Röcke.
Wollene Zeuge halten sie für vornehm;
"fi", sagen sie, "Linnen dregt de
Buer" (pfui, Leinwand trägt der Bauer). Das
Hemde ist am Halse mit daumendicken Knöpfen von
Silber oder Bernstein geschlossen, und die Enden
des Halstuchs (Slippen) hangen im Nacken nieder
wie bei Frauen. Ein dreieckiger Hut, von dem ein
schwarzer Flor fast bis zu den Knien
niederschwebt, schmückt den Begleiter des
Todten; dann ist die Oberjacke (Wams) schwarz,
hinten sehr faltenreich, eben nicht lang, mit
weiten Aermeln. Zur andern Zeit sind andere Hüte gebräuchlich.
Die Frauen tragen alltäglich rothe oder blaue,
wollene Röcke, bunte oder einfache, gaschene
Jopen (Kamisöler) mit langem Schooße, hinten
spitz ausgehende Mützen (Hillen - Hüllen) mit
langen Schleifen, häufig Spanhüte, rothe oder
graue Strümpfe mit bunten Zwicheln, und gehen
auf den Socken (Säcken); nur an Sonntagen
. zeigen sie sich auf schwarzen
oder bemalten Pantoffeln. Dann wird auch anstatt
der Mütze eine glatte, weiße Haube gewählt, die
an den Ohren
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vorsteht, an der Stirne zurücktritt; dann werden 7 Röcke von denen die unteren länger sind, angezogen, der oberste braun oder gestreift, hinten kraus, mit buntem Bande besetzt; dann ist das Kamisol grau, das Halstuch weiß, auf der Brust sich sich kreuzend, hinten zusammenlaufend, die Schürze von Taffet, der kleine, sammetmanchesterne Muff mit etwa 4 Zoll langen, herabhangenden Fransen besetzt, die Handschuhe mit blumichten Klappen. - Die Braut nimmt am Sonntage vor der Trauung, an dem sie zum Abendmahle geht, und am Hochzeittage das Heuken (vielleicht von aufhocken abzuleiten?) um, ein Stück Pappe, mit schwarzem Sammetmanchester oder Laken bezogen, oben mit schwarzen Spitzen besetzt, etwa 1 1/2 Fuß lang und breit, und sehr hart und steif. Es wird auf den Rücken gelegt, umfaßt einen Theil der Arme, und wird vorne zugesteckt. Jede Bewegung der Arme, z. B. beim Essen, wird durch das Heuken behindert. Unter demselben wird um den Hals ein weißer, eingefalteter Kragen (Barthel oder Barthelkragen) gebunden, und das schwarze Kopfzeug ist mit Spitzen besetzt. - Die Fischländer sind den Warnemündern in Hinsicht der Kleidung ziemlich ähnlich.
In den, bei Bützow liegenden Ortschaften, Parkow, Neuendorf, Passin, Zeppelin, Selow, Jürgeshagen, Penzin, Gr. und Kl. Belitz, auch zum Theil zu Bernitt und Wokrent herrscht eine andere Tracht, welche der Tracht der Mönchguther auf Rügen ähnlich ist. Die Mützen der Frauen bedecken alles Haar und gehen über die Ohren an den Backen nieder bis gegen den Hals, hinten etwas gespitzt, mit einer Schnere im Nacken und einer fußlangen, schwarzen Schleife (Sleuje). Eine solche, stets strichlose Mütze besteht aus 2 Stücken, deren Naht quer über den Kopf geht. Bei Verheiratheten ist sie schwarz, das Band rundum festgenäht, und eine kleine Spitze, Haube genannt, guckt strohhalmsbreit an der Schläfe und an der Stirne heraus.
Die Mädchen in den ersten vier Dörfern tragen grüne Mützen mit rothem Bande oder rothe Mützen mit grünem Bande, das 9 Ellen lang um dieselbe gebunden ist; eben Verheirathete (Jungfruhens - junge Frauen) dunkelrothe, damastene Mützen, mit schwarzem Flor überzogen. Frauen haben schwarze Jopen, Mädchen grüne, hinten mit kurzen Schlippen oder Schooßenden, stets vorne zusammengeheftet, oben mit Band besetzt, die Bindleiber von buntgestreiftem Kamink, die eigengemachten Röcke sehr kurz, Strümpfe schwarz, Schuhe mit Spangen und sehr hohen Absätzen. Pantoffeln sind sehr beliebt, doch nicht in der Kirche. Alte
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Frauen tragen Sonntags braune, langzarsete Röcke und Jopen. Die Trauertücher bei Leichenzügen sind zweimal um den Strohhut gebunden und hangen bis zur Erde; dann sind die Schürzen klarweiß, sonst gemeinhin gedruckt. Jede Jahreszeit sieht bei Feierlichkeiten alle mit runden, prallen Muffen, innen von weißem, außen von schwarzem Felle, worin die großgeblümten Schnupftücher stecken, die sie aber nicht benutzen, da sie, wie alle im Lande, sich mit der Hand schnäuzen. - Die schwarzleinenen Beinkleider der Männer sind ziemlich weit, die Jacke dunkelblau, die Hüte rund, alltäglich über der Jacke ein Hemd (Boje), vielleicht weil, z. B. die Zeppeliner seit Menschendenken viel Fracht fahren; sonntäglich vertritt ein schwarzer Rock die Stelle der Boje. Aeltere Männer tragen auch in der Kirche ein grünes Futterhemd, das dann aber nicht Boje heißt, so wie Knaben bis zur Confirmation, zu welcher Zeit sie schwarze Röcke erhalten.
In den übrigen obengenannten Dörfern haben
verheirathete Frauen, außer zu Bernitt, auf der
Mütze noch eine Reihe schwarzes Band,
unverheirathete rings um die Mütze eine Reihe
Band, und die Naht über dem Kopfe mit blanken
Tressen besetzt. Die Mützen der letzteren sind
violett mit rothem Bande, auch roth mit grünem
Bande. Die Jacken (Jopen), von Bomsiede oder
Gaschen in allen Farben, sind hinten mit kurzem
Schooße, ringsum faltig, stets geöffnet, und wie
die Röcke mit buntem
1
) Bande
umgefaßt; die Mieder (Bindleiber), gewöhnlich
von Bomsiede, sehr steif, mit kleinem Wulste an
den Hüften zum Tragen der vielen kurzen Röcke;
hin und wieder Sonntags einen bunten oder
blanken Latz (Böschen); Strümpfe dunkelblau. Die
Männer kleiden sich wie die Zeppeliner, aber
ohne Boje. - Zu Oettelin sind Sonntags für
Frauen blanke Brustlatzen (Bostdauk - Brusttuch,
dasselbe, was Böschen, siehe oben) gebräuchlich.
Die Jope heißt dort Bostliew - Brustleib.
Breitgestreift sind die bomsiedenen Bindleiber.
- Zu Warnow, Zernin und Tarnow trägt das
Frauenzimmer mehrfarbiges Band auf dem Hute, das
zu Baumgarten 3 Reihen grünes Band, das zu
Wendorf 3 Reihen dunkelblaues um den doppelten
Spanhut. In Hinsicht dieser Verzierungen hat
fast jedes Dorf im Lande seine Eigenheit, so wie
in der Form des Mützenstrichs und der Strohhüte,
z. B. Kiepe, Pierkopp - Pferdekopf
. Die Männer zu Tarnow alltäglich
in schwarzen Kitteln, unverheirathete in weißen,
Sonntags alle in dunkelblauen Röcken.
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In den beiden Dörfern Warnekow und Menzendorf bei Rehna zeigt sich ebenfalls eine abweichende Tracht. An beiden Orten sind die Mützen der Frauen von gleicher Form, rund, sehr klein, bei den Ohren etwas herabgehend, von façonnirtem, dunrelroth=seidenem Zeuge, das Hinterstück ein gewirkter oder gestickter Blumenstrauß, die Nähte und der Rand mit hochrothem Bande besetzt, hinten eine hochrothe Schleife. Der Strich, aus feinen, weißen Spitzen, ist am Saume undurchsichtig und ganz anschließend, das Haar straff aufwärts gekämmt, und unter der Mütze zusammengebunden.
Die Röcke der Bäuerinnen zu Warnekow (?) sind von dunkelgrünem Tuche, 7/4 Ellen lang und 5 weit, ringsum eingefaltet außer einem Viertel der Vorbahn. Die etwas kürzere, dunkelblaue oder schwarzbatistene Schürze ist 2 1/2 Elle breit und nicht minder gefaltet. Der kleine Schooß der Jacke ist nicht gekraust. Die, besonders vom Ellbogen an recht anschließenden, Aermel reichen bis zum Handknöchel, wo drei silberne Knöpfe sie schließen. Die stets offene Jacke ist unter der Brust tief ausgeschnitten, oben mit blankem Bande besetzt, ganz so auch das Leibchen von schwarzem Sammet=Manchester, über welches die Schürze mit einer vier Ellen langen Schärpe von hellblauem Gros de Tours (Graditur=) Bande vorne zugebunden wird, die Enden nur wenig länger als die Schleife. Das französische Kattuntuch unter dem Leibchen ist vorne offen, um die silberne Schnalle zu zeigen, welche das feine Quadderhemd am Halse zusammenfaßt. Uebrigens weiße wollene Strümpfe und niedrige Schuhe mit großen, silbernen Schnallen.
Die Röcke der Bäuerinnen zu Menzendorf sind von schwarzer, dunkelgrüner oder dunkelblauer Farbe, sehr kurz und eingefaltet, unten mit breitem Bande besetzt. Das gewöhnlich scharlachrothe Leibchen mit kleinem Schooße, oben mit mehrfarbigem Bande besetzt, ist halbhoch und mit einem Latz (siehe Böschen oben) verbunden, der mit Silberband eingefaßt und durch schmale silberne Tressen eingeschnürt ist; ferner ein Unterhemdchen mit langen, weiten Aermeln (dasselbe, was oben Aewerhemd), an der Hand und am Halse mit buntgenähtem Quadder, statt des Unterhemdchens aber auch häufig nur eine wollene Jacke. Das seidene Tuch, hinten mit eingewirkter Blume, ist vorne lose mit einer Nadel zusammengefaßt, um den Latz nicht zu verbergen. Die sehr weite Schürze ist von klarem, weißem Zeuge und ganz gekräuset, Strümpfe weiß, Schuhe mit Schnallen und hohen, spitzen Absätzen.
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In beiden Dörfern tragen die Männer Beinkleider und Jacken von braunem oder dunkelblauem Tuche, letztere mit kurzem Schooße, sehr kurze Westen von schwarzem Sammet=Manchester mit zwei Reihen silberner Knöpfe, ein französisches Kattuntuch um den Hals, über welches der Hemdekragen etwas überlappt. Die Beinkleider sind oben sehr weit, am Knie vier silberne Knöpfe und eine silberne Schnalle, die Stiefeln kurz, um wenigstens eine Handbreit die weißen Strümpfe zu Zeigen, die Hüte gewöhnlich modern, oder auch mit rundem Kopfe, einem vier Finger breiten Rande, schwarzem Bande und Schnalle.
Die Bauerhäuser in Meklenburg sind meistentheils
ohne Schornsteine, und dann durch das Gatter in
zwei Theile getheilt; der Rauch muß durch Thüren
und Dach ziehen. Im vorderen Hausraume ist eine
lange Hausdiele zum Dröschen und Aufbewahren des
Stadtwagens; die Hühner nisten in aufgehängten
Strohwischen; rechts und links sind Kammern für
Knechte, und Ställe für Pferde, Ochsen
., welche Ställe nach der Diele zu
offen stehen, gemeinhin auch einige Tröge. Im
hinteren Hausraume ist die kleine Diele (buten
in'n Hus - außen im Hause genannt) mit der Küche
und der Hinterthüre (lütt Dhör, Achterdhör -
kleine Thüre, Hinterthüre), die Küchendecke, mit
Schinken, Speck, Würsten des Räucherns wegen
behangen, zu einer Seite die Wohnstube (Dönsk)
mit Kammern, zur andern mehrere Kammern. Der,
mit Schleeten bedeckte Boden über und neben der
langen Hausdiele heißt Hill und wird zum
Aufbewahren des besten Futters benutzt; Hill
heißt auch öfters ein bequemer Sitz hinter dem
Ofen. - Die Wände sind von Lehm aufgeführt, die
Fußböden mit Lehm, auch wohl Steinen und
Brettern gedielet, die Böden über dem hinteren
Hausraume Windelböden, das Dach von Stroh, und
an jedem Giebel (Kühlende) zwei Maulaffen
(Mulapen), aus Holz geschnitzte Pferderöpfe,
kreuzweise angenagelt - eine Erinnerung an die
heiligen Rosse der Alten. Hinter dem Hause
pflegt der Garten zu sein, und vorne der, mit
Scheure und Ställen besetzte, Hof als ein großer
Dungplatz benutzt zu werden. Das Ganze ist von
einem einfachen Zaune oder Doppelzaune
(Hakelwerk) oder einer Steinmauer umschlossen. -
Im Strelitzschen lebt der Bauer vom Vieh
getrennt und sein Hof gleicht einem kleinen Pachthofe.
Die Tagelöhnerwohnungen (Kathen) sind den
Bauerhäusern ziemlich ähnlich, nur ohne den
vorderen Hausraum und in kleinerem Maaßstabe,
oft zwei, drei
. an einander gebauet, daher
zweihischige, dreihischige
. Kathen. Die Kathen=
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leute geben keine baare Miethe, sondern auf den Höfen leistet die Frau für die Benutzung der Wohnung 90 bis 100 Frohntage jährlich, und in den Dörfern muß der Kathenmann mit seiner Frau in der Ernte seinem Bauern helfen.
In den Bauerstuben fehlen nie ein langer, starker Tisch, eine Wanduhr, einige Bänke, auch Stühle, auf welchen letzteren zuweilen Polster liegen, und ein hochaufgethürmtes Ehebette, bei Festlichkeiten mit farbigen Schleifen besteckt, häufig in Alkoven, öfters, besonders südlich, mit Gardinen. Hin und und wieder ist an der Wand ein roth und blau bemaltes Gesimse angebracht für Kalender, Bibel und Gesangbuch, schöne Aepfel und hübsche, auf Jahrmärkten gewonnene, Schüsseln. Jeder Hausgenosse hat an der Wand oder am Tische in ledernen Hefteln seinen hölzernen Löffel, der gemeinhin nie gewaschen, sondern nur abgewischt wird. - In den Kathenstuben finden sich gewöhnlich nur ein kleiner Hängeschrank, einige Brettstühle, statt des Tisches oft nur eine platte Lade. Ein Unter= und ein Oberbette mit Pfühl und blauen Kopfkissen, 2 Paar Betttücher, einige Hemden und Hemdschürzen sind oft alle Wäsche, und doch ist Ungeziefer selten, außer auf dem Kopfe, wo es für ein Zeichen von Gesundheit gilt. Hühner und Gänse mit ihren Jungen pflegen Winters und Frühjahrs hinter dem Ofen zu hausen. Allgemein beliebt sind stark geheizte Zimmer und dennoch warme Kopfbedeckung.
Im Sommer wird fünfmal des Tages gegessen,
Morgenbrod, Kleinmittag (Hochimt), Mittag,
Abendbrod, Nachkost; im Winter nur dreimal.
Schwarzes Roggenbrod, Kartoffeln, Milch= und
Mehlspeisen, Backobst, Kohl, Erbsen, Bohnen,
Saubohnen (grot' Bohnen), Schwein= und
Gänsefleisch, eingepökelt oder geräuchert, sind
gewöhnliche Speisen; daher schlachtet in den
besseren Gegenden auch der Aermste sein Schwein
und einige Gänse. Zweimal in der Woche, Sonntags
und Mittwochs, wird gekocht und Fleisch
gegessen; an den übrigen Tagen wird das Essen
aufgewärmt, und entfernte Arbeiten nöthigen den
Tagelöhner oft wochenlang aus der kalten Kiepe
von Brot und Speck zu leben. Zu Hause wird schon
zum Morgenbrot brauner Kohl, Erbsen in Bier,
Kartoffelsuppe (Suppkartoffel), Graupen
. in Buttermilch, aufgewärmt
verspeiset. Das Gänsefleisch wird von den
Wohlhabenden mit dem Blute sauer eingekocht und
vom Herbste zur kommenden Ernte aufbewahrt.
Lieblingsspeisen sind Semmel (Stuten), Klöße und
Backbirnen (Klümp und Backbeeren), Pfannkuchen,
dicker Reiß, Grapenbraten, d. h. Rindfleisch
. mit allerlei Backobst
(Backbirnen und Backäpfeln - Backbeeren
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un Appelbackbeeren) in eisernen Grapen gebraten. Wie in Walhalla nach der Edda der gebratene Sährimer der Lohn der Enheriar ist, so wird noch jetzt Schweinsbraten jedem andern vorgezogen. Der Bauer sagt: Gausbrad sall de best sien, un Swiensbrad is't. Wasser hält man für ungesund; ick mag't nich in die Schauh hämmen - ich mag's nicht in den Schuhen haben. sagt der Bauer. Jeder sehnt sich nach Bier, das aber süßlich schmecken muß; daher wird es häufig mit gelben Wurzeln (Daucus Carola) versüßt. Das sauer gewordene wird hin und wieder in eine Tonne neben dem Feuerheerde gegossen, um sofort Essig zu den Speisen zu haben. Kaffee trinken nördlich wenige, und diese werden verlacht; doch trauen sie demselben unbegreifliche Kräfte zu; allein südlich, z. B. bei Grabow, ist Cichorien=Kaffee allgemein. Seit der Branntwein wohlfeil ist, trinkt auch der dürftigste ihn; er ist ihnen, wie Scorpionöl, ein Mittel wider alle Krankheiten.
Die gewöhnliche Beschäftigung ist Ackerbau und
der damit verbundene Betrieb. Die Pachthöfe
halten zu dem Zwecke außer den Kathenleuten
mehrere Pferdeknechte, einen Ochsenknecht, einen
Jungen, Haus= und Außenmädchen (Butendierns);
der Bauer nach der Größe seines Ackerwerks einen
oder zwei Kathenleute, einen Großknecht, einen
Halbknecht, Großjange und Kleinjunge (Lüttjung),
Großmädchen und Kleinmädchen, von denen jeder
seinen Rang und sein Geschäft weiß. Pferdeknecht
oder Großknecht zu werden, ist das höchste Ziel
der Jünglinge. - Der Acker ist meistentheils in
7 Schläge getheilet, die zuweilen wie Koppeln
eingehägt sind; 3 werden besäet, 1 als Brache, 3
als Weide benutzt. Die Wintersaat bekommt in
besseren Gegenden 4 Furchen: Dreesch=, Brach=,
Wende=, Saatfurche (Dreisch=, Brak=, Wenn=,
Saatfohr), die erste Sommersaat 3, die zweite 2
Furchen. Gemergelt wird von den Klügern. -
Ziemlich allgemein wird mit Ochsen gepflügt
(gehakt). Der sehr zweckmäßige Pflug (Haken) ist
außer der Schaar ganz von Holz, ebenso die
hölzernen Eggen. 5 Kühe, 6 Pferde und viel
Jungvieh machen mit den 20 Schafen und 4 - 8
Schweinen den gewöhnlichen Viehstand aus. - Zwei
Blockwagen mit geringem Eisenbeschlage und ein
wohlbeschlagener Stadtwagen sind das
kostspieligste Geräthe. -Die Pferdesielen sind
gemeinhin sehr unvollständig, z. B. bei Levin,
Doberan
. oft ohne Söltel
., so daß das Pferd beim
Zurücktreten sich selbst frei machen kann. Des
Sommers werden die Pferde von Knaben gehütet,
die auf dem ersten besten ohne Zaum die übrigen
durchs Dorf treiben. Dann kann der Bauer seine
Kinder nicht täglich zur Schule senden,
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weil er anders keine Hirten hätte. Zur Vorbereitung auf eine weite Reise werden die Pferde die Nacht vorher durchgefüttert; sind sie im Begriff einzuschlafen, so werden sie durch einen Peitschenschlag wieder munter gemacht. Ist ein Pferd dumm, so heißt es: es studird. Die Ernte ist die schwerste, aber liebste Arbeit. Dann wird besser, oft im freien Felde, gegessen und getrunken, und die meisten Geburten dürften sich von dieser Zeit herschreiben. Dann schenkt der Schnitter (Mäher) seiner Binderin eine Harke, in einigen Gegenden mit farbigem Wachse bunt gemacht, sie ihm dagegen zuweilen einen blanken Erntekranz (Austkranz) auf den Hut. Lustig zieht man aus, singend kommt man heim. Lieder und Melodien liefert der Liederhändler auf Jahrmärkten. Müssige Zuschauer oder neckende Reisende werden gestrichen oder gebunden. Ersteres geschieht von den Männern, welche vor den Fremden, die Hüte auf den Sensen, hintreten, diese mit dem Streichholze schärfen und sich in einem Reimel eine Gabe erbitten; letzteres thut ein Mädchen, das um den Arm des Zuschauers ein Strohseil mit den Worten bindet:
hies bring' ich ihn'n ein Kränzelein,
damit soll'n Sie gebunden sein,
und wollen Sie wieder erlöset sein,
so mäuten Sie mi 'n lütt' Bescherung gäwen,
d. h. so müssen Sie mir eine kleine Bescherung geben.
Das Flachsbrechen (Brachen) ist eine Abendparthie der jungen Leute im Herbste. - Im Winter dröscht der Bauer mit seinen Leuten des Morgens frühe sein Korn aus; in neuern Zeiten aber läßt er dies oft durch seinen Kathenmann, etwa um den 16ten Scheffel, thun, während die Tagelöhner auf den Pachthöfen gewöhnlich um den 17ten dröschen. In dieser Jahreszeit spinnen die Frauen, oder weben auch zum Theil, besonders bei Grabow, Stavenhagen. Eine solche Weberin heißt Knäbsch.
Die vielen Flüsse, Seen und Sölle (kleine
stehende Gewässer, vielleicht vom wend. Worte
Sal, Fischteich, herstammend) geben Gelegenheit
zum Fischfange, wobei man sich der Angel, der
Reusen, der Bungen, der Wade, des Kessers (ein
Stangennetz)
. bedienet. Aale fängt man
vornämlich bei Mühlenteichen in den Aalkisten,
und in der Ostsee entweder mit Aalschnüren, oder
mit langen Stangen, an deren Enden Widerhaken
sind, womit man den Wassergrund durchsucht. - Zu
Wasserfahrten bedient man sich häufig schmaler
Kähne ohne Kiele, deren Seitenbretter fast
senkrecht auf dem horizontalen
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Grundbrette stehen, - oder man hat Boote, die
durch Segel und Ruder getrieben werden, und auf
der Ostsee große Boote, Jöllen genannt, vorne
und hinten spitz. Die Ruder heißen Remen, die
Stifte zur Befestigung derselben Dollen. In
großen, viereckigen Fahrzeugen (Prahmen) werden
auf den Füssen
. Holz, Korn, Steine
. verfahren.
Weil der Bauer von früher Jugend an schwere und einförmige Arbeiten treiben muß, so ist er gemeinhin sehr steif, aber oft unerwartet kräftig, ohne sich dessen immer bewußt zu sein. Wer nicht 6 Scheffel Korn Rostocker Maaß, etwa 360 bis 380 Pfund, zu tragen vermag, wird für schwach, und unfähig, ein Pferdeknecht zu werden, gehalten. Brüche sind häufig. Verkrüppelte werden Schneider. - Sehr oft ringen die stärkeren mit einander, indem zwei sich umarmen (faten - fassen) und sich einander niederzuwerfen suchen, wobei besonders das Emporheben (Bostsmät - Brustschmiß) hilft, oder indem zwei sich, an den Kragen fassend (Bostfaten - Brustfassen), mit den Armen niederzureißen bemüht sind. Zuweilen wird auch in die Wette gelaufen, und ein Pägel oder ein Pott Branntwein macht die Wette.
Hauptgelage (Beir - Bier, Köst - Brotrinde, dann
Gastmahl, Häg - Fröhlichkeit, von hägen - lachen
herstammend) sind: Fastelbeir vor den Fasten,
Pingstbeir nach Pfingsten, Austbeir nach
vollbrachter Ernte, oder Fastelköst, Pingstköst,
Austköst. Dann wird getanzt, gescherzt,
getrunken, auch wohl gegessen. Eine Violine,
wenn's hoch kommt, ein Klarinet, und eine uralte
Baßgeige, die jeder streicht (treckt - zieht),
der will, machen die Musik. Sie kreischen laut
auf; wie unwillkührilch bewegen sich die Füße.
Dies Kreischen überwältigt sie mitten im Tanze,
und der Venus wird dann späterhin meistens sehr
reichlich geopfert. Dann und wann entspinnen
sich Schlägereien, nicht grade aus Eifersucht,
sondern aus Uebermuth der Berauschten. Der
Tänzer läßt gemeinhin die Pfeife nicht ausgehen
und den Hut nicht vom Kopfe, um sich recht
würdig zu zeigen. Jeder, auch noch so
beschränkte, Platz genüget. Ihre Tänze werden
jetzt sehr durch Walzer
. verdrängt; sonst wählt man auch
die große und kleine Acht, den Acht=, Vier=,
Drei= und Zweitourigen, den Küssertanz,
Klappertanz, Katz und Maus, sieben Sprünge,
englisch Geck, Schuster=, Schneider=, Weber=,
Scharfrichter=, Barbier=, Großvater=, Schäfer=,
Pfannkuchen=, Gucker= (Kieker=), Windmühlen=,
Küchentanz, Numero 8, preußisch Nummeré,
Puckelkatrell (Rückenquadrille), lang Englisch,
Hanacksch, Russisch
. Beliebte Touren sind: schän dör
und stolz. Bei der ersteren
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Tour tanzen 4 Personen kreuzweise durch einander
hin; bei der letzteren gehen sie, die Hände in
die Seite gesetzt, im Kreise herum. - An
Festtagen, an denen nicht getanzt wird, spielet
man Pfand, Holtendröller mit Nüssen, Mann und
Frau, ick sitt, ick sitt, up wän sien Glid (ich
sitz, ich sitz, auf wessen Glied), jagt den
Dritten
. In den Karten spielt das
ernstere Alter Solo und Scherwenzel, Brausebart,
Schaafskopf und Hund
. Kinderspiele sind im Frühlinge
Kuhlsäg (Grubensau), wobei ein hölzerner Ball
von einem Knaben mit einem Stecken unter dem
Widerstande anderer in eine Grube gehütet wird,
Kliew (bei Brandenburg Kliesk genannt), wobei
ein Stückchen Holz, das auf einem in der Erde
steckenden Stabe ruht, mit einem Stocke in die
Höhe geschlagen und von einem Knaben im Hute
aufgefangen wird
., zur andern Zeit auch Sonn und
Mond, Kükewieh (Küchlein und Weihe),
Westenbrügge, Buck, Boll, Papöken, Ruthen fief
her
. - In Bauerdörfern, die nicht auf
Hufen liegen, d. h. wo der Bauer nicht eine, von
den übrigen abgesonderte, Hufe besitzt, haben
die Pferdehirten Pfingsten ein Fest, dei Gill
(Gilde). Ein Krähennest oder lebendige Krähen
werden an eine Stange gebunden, mit der, wie mit
einer Fahne, sie im Dorfe von Hause zu Hause
ziehen, und in einem Reimel Brot, Milch, Bier
und Branntwein sich bitten. Im Felde wird darauf
Alles verzehrt, wobei sie hin und wieder nach
einem Kranze reiten - Weddbahn jagen.
Nach vollbrachter Ernte ist das Erntebier besonders auf Höfen ein glänzendes Fest, das die Gutsherren oder Pächter ihren Dienstleuten geben. Dann wird auf dem Hofe gegessen, getrunken, getanzt bis in die späte Nacht, wobei zuweilen Verkleidete erscheinen. Das ganze schwere Jahr hindurch freuet sich der gemeine Mann (lütt Mann) zu dieser Feier.
Die größte aller Festlichkeiten ist eine Hochzeit, die auf Höfen gewöhnlich zum Erntebiere aufbewahret wird. Hier sei die Rede von einer Bauerhochzeit. - Nicht leicht verspricht sich ein Bauer mit einer Kathentochter; es ist unter seinem Stande. Nach dem Wunsche der Eltern darf er nur eine solche wählen, deren Bruder seine Schwester nimmt (Tauschfrei). Gewöhnlich macht ein Jahrmarkt das Verlöbniß, und er schenket seiner Künftigen dann bedeutungsvoll ein blankes Gesangbuch. Die Hochzeit pflegt im Herbste zu sein. Einige Tage vorher reitet ein unverheiratheter Freund als Hochzeitenbitter aus. Alles ist mit flatternden Bändern an ihm geschmückt und mit schimmernden Sträußen; selbst die Peitsche über den Schultern, ja den Kopf und den Schweif seines Rosses schmücken tiefrothe Bänder. Langsamer draußen reitend, jagt er jauchzend durch
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die Dörfer. Nicht bloß auf die Diele, auch in das enge Stübchen reitet er hinein und schnattert mit entblößtem Haupte seine Formel her; ein Glas Branntwein ist überall sein Lohn.
- Am Donnerstage Abends wird die Mitgift der
Braut zum künftigen Wohnsitze, wenn möglich,
hingeblasen, und dann wird getanzt. Diese Nacht
gehört dem Bräutigam, aus Furcht, es möchten,
durch Arglist böser Leute (Hexen) während der
Trauung, späterhin Kinder fehlen. Am Freitage
ist die Trauung, in einigen Kirchspielen in der
Kirche, in andern gewöhnlich im Pfarrhause, und
bei großen Hochzeiten im Bauerhause. In den
Domainen muß die Frau des Predigers die Braut
aufputzen. Eine oder zwei Schärpen um den Leib,
ein weißes Kragentuch, mit vielem Grün benäht,
mehrere Halsketten
., und auf dem Haupte gleich einem
Vogelneste die blanke Krone - das ist der
Schmuck der jungfräulichen Braut. Alles Haar
wird so viel als möglich durch blanke Blumen
versteckt, auch ein Theil der Aermel, die Brust;
selbst auf dem Rücken fehlt Flittergold nicht.
In Warnemünde wird der Braut ein blankes, an den
Ohren dicht anschließendes, Kopfzeug aufgesetzt,
und vorne mit einer blanken Nadel befestigt;
obenauf ist die Krone, an deren Vorderseite ein
Spiegel sich findet. - Schwarz ist Rock und
Jope, weiß gewöhnlich die Schürze; an jeder
Seite derselben hängt ein seidenes Tuch nieder,
oft auch mehrere. Ihre Führer sind 1 oder 2
Brautfrauen, 2 Ehemänner, 2, 4, ja 8
Brautjungfern, und bei Trauungen in der Kirche
im Amte Dargun
. außerdem noch 2 unconfirmirte
Mädchen (Nibben), die vor der Braut her um den
Altar gehen, - alle Jungfern auch mit Schärpen
und blankem Putze unter dem Mützenstriche und
auf den Aermeln
. versehen. Den Bräutigam führen
ein oder zwei Ehemänner (Trauführer) und eine
ledige Mannsperson. Die Trauung im Hause
geschieht gewöhnlich auf der großen Hausdiele.
In der Mitte derselben ist (z. B. bei Doberan,
anderswo mit geringen Abweichungen) ein Tisch
mit einer großen Schüssel zum Opfern für den
Prediger, hinter dem Tische zwei Stühle die
Lehne gegen denselben. Vor dem Ringewechseln
steht die Braut zur Rechten des Bräutigams neben
den Stühlen, die Führer um sie her, die Jungfern
. hinter ihr; wenn aber die Ringe
gewechselt werden sollen, tritt sie zur Linken
des ihr sich nähernden Bräutigams. Auf der
andern Tischseite stehen Prediger und Küster,
die Gäste, wo sie wollen. Vor und nach der
Handlung wird gesungen. - In einigen Gegenden,
z. B. bei Bützow, Dargun, wo die Trauung
gewöhnlich in der Kirche geschieht, wird bei der
Rückkehr der Braut unter alle der Brautkuchen,
doch nicht
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immer, vertheilet, von dem die Braut zuerst drei
Stücke abzubeißen und aufzubewahren pflegt, um
bei künftiger Schwangerschaft in der Lüsternheit
daran zu nagen, da es dann den Geschmack des
Gewünschten wundersam an sich hat. Alle küssen
sich darauf (Bützow), da zur andern Zeit Küsse
und Umarmungen (sick in dei Keiwen fallen - sich
in die Kiefern fallen, d. h. sich umarmen)
selten sind. - Nach der Trauung geht es sofort
zu Tische. Die Braut muß mit den jungen Leuten
auf der Diele essen, und der Bräutigam mit dem
Hochzeitenbitter aufwarten. Speisen sind: dicker
Reiß, Fische, Schwarzsauer, d. h.
Schweinefleisch in dem Blute mit Essig gekocht,
und Grapenbraten, hin und wieder auch
Hühnersuppe, Hühnerreiß, Gänsebraten. Zuweilen
wird zur Fischleber gereimt. Während des Essens
bitten die Köchinnen auf einem Teller voll Salz
sich eine Gabe, indem sie vorgeben, es sei die
Schürze verbrannt. Die Braut steckt (bei Dargun)
dem Hochzeitenbitter ein seidenes Tuch heimlich
als Geschenk auf die Schulter, und derselbe
danket nach dem Essen vom Stuhle den Gästen
(ebenda). Beim Aufstehen wünscht man sich
gegenseitig mit Handgeben eine gesegnete
Mahlzeit. Dies Handgeben ist so gebräuchlich,
daß auch zur andern Zeit Niemand kommt oder sich
entfernt, Niemand dem Andern ein Glas zutrinkt,
ohne die Hand zu geben. - Nun wird auf der Diele
wacker getanzt, gewöhnlich auch noch des
Sonnabends bis zum Sonntage. Dann ist Kirchgang,
und zuweilen wird dann noch getanzt bis zum
Montage, ja selbst bis in die folgende Nacht.
Bei Dargun dauert die Hochzeit nur einen Tag. -
Die zahlreichen Gäste quartieren sich in die
Häuser ein; jeder hat ein Geschenk mitgebracht,
z. B. Butter, Milch, ein Huhn, eine Schüssel
.; jeder Arme wird gesättigt. Bei
Bützow muß die Braut bis zum Sonnabend Abend die
Krone aufbehalten und darf so lange nicht zu
Bette; anderswo wird sie schon Freitags
abgetanzt im sogenannten Rückelreih. Zwei junge
Kerle nehmen die Braut in die Mitte; um sie
schließen die Jungfern einen Kreis, um diese
Andere andere Kreise. Im letzten und äußersten
Kreise haben zwei Männer sich einander nicht
angefaßt; er ist also auf dieser Stelle
geöffnet. Der eine von diesen beiden Männern
reitet auf einer Gaffel, und der andere treibt
ihn mit knallender Peitsche. Nun drehen sich
alle Kreise tanzend, der äußere stets nach einer
Richtung; der Bräutigam muß sie mit Gewalt
durchbrechen, um seine Liebste zu gewinnen. Dann
ändert sich plötzlich die Scene; der Bräutigam
schützt die Braut; die Kreise bewegen sich
wieder, und mehrere Weiber drängen an, um die
Braut zu erhaschen, die sie darauf
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in die Kammer schleppen und ihr die Krone abpflücken, von der oft schon ein Theil im Gewirre unter die Füße gekommen ist. Nun erhält die junge Frau die schwarze Mütze. Beim Kirchgang geht die Braut wie eine Sechswöchnerin (siehe unten) um den Altar, aber geputzt mit den Resten der Krone. In einigen Gemeinden bleibt die Krone unversehrt.
Merklich anders ist es in Warnemünde. Am Abende
vor der Hochzeit wird von den Verwandten unter
Musik und Scherz das Brautbette errichtet und
nebenbei geschmauset. Sechs Kopfkissen, mit
buntem Taffet und klarem Zeuge überzogen,
schmücken das hohe Bette. Am Hochzeitstage ist
der Bräutigam des Morgens mit seinen Beiständen
in seinem Hause, die Braut mit den ihrigen im
Hause der Eltern, von der Kronenfrau aufgeputzt.
Darauf trinkt sie eine kräftige Eiersuppe,
während der Bräutigam zur Kirche mit seinen
Führern geht, und dort mit Prediger und Küster
vor dem Altare singet: Wie schön leuchtet der
Morgenstern
. Bei den letzten Versen holen
zwei seiner Führer die Braut unter Musik zur
Kirche; 6 Brautjungfern mit grünen Schürzen,
hochrothen Bändern und schwarzen Kopfzeugen
führen den Zug. - Nach der Trauung gehen alle
dreimal unter Musik um die Kirche und dann zum
Brauthause. Nun werden die, von der Ortsköchin,
zum Theil in dem Ortskessel bereiteten, Speisen
aufgetragen, Rindfleisch mit Senf, Reiß und
Kümmelbrot, Fische, Rindfleisch und Pflaumen,
Butter, Käse, Aepfel, Nüsse. Je sechs Mann haben
eine Schüssel vor sich, die, wenn sie geleert
ist, wieder gefüllt wird, und dann unter die
sechs vertheilt wird, von denen jeder seinen
Theil nach Hause sendet, den Reiß in
ausgehöhltem Kümmelbrote (Rießkniese), selbst
Aepfel und Nüsse. Der Bruder der Braut giebt den
Wein und Zucker und ist Brautdiener, die
Serviette am Knopfe; die Schwester deckt den
Tisch und giebt das Tischtuch her. Nach dem
Essen wird, wie auch an andern Orten geschieht,
gesungen und dann getanzt. Punsch ist das
Getränk des Nachts, nie Bier. Die heimlich sich
wegschleichenden Gäste werden mit der Bahre, auf
der ein Stuhl ist, wieder geholt. Des Morgens
wird der Großvatertanz durch das Fenster
. gemacht, und um 6 Uhr ein
Gericht Fische gegessen.
Dreimal des Jahres haben die Warnemünder außerdem feststehende Schmausereien, das Fastelabendbier, bei dem der Bullenvater, d. h. derjenige gewählt wird, der das Jahr über den Ortsbullen halten muß, das Gräsergeldbier, wann die Herren aus Rostock (das Gewett) der Weide wegen
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kommen, und an dem Tage, an dem des Voigts Heu eingebracht wird, ist das dritte Gelag.
Brunshaupten und Ahrensee i. Amte Neubukow feiern ein eigemhümliches Kirchfest. Vor mehreren 100 Jahren soll dort ein Gewitter über acht Tage lang gestanden und großen Schaden angerichtet haben. Am Tage Urban, dem 25. Mai, wenden sich die geängsteten Einwohner an jenen Heiligen, und sogleich zieht das Gewitter seewärts. An diesem Tage ist Kirche; es wird selbst nicht gefischt.
Bei einer Entbindung bedarf man nicht immer eines
Stuhls, obgleich Stühle gesetzlich eingeführt
sind; der Ehemann nimmt häufig die Kreißende auf
den Schooß. Es wird ihr, um das Gefühl für
Schmerz zu betäuben, Franzbranntwein in Menge
gereicht, und nach der Entbindung Brotbrocken in
Butter gebraten, um die Eingeweide geschmeidig
zu machen. An manchen Orten bestreicht man mit
den Secundinen die Brustwarzen (z. B. bei
Rostock); im Amte Dargun pflegt man damit Brust
und Gesicht der Mutter zu salben, ohne nachher
die Feuchtigkeit abzutrocknen. Auch verbrennt
man hin und wieder die Secundinen, und giebt die
Asche Kranken ein. Wollen sie nach der
Entbindung nicht erfolgen, so muß sich der Mann
den Bart abnehmen und denselben nebst der Seife
der Frau eingeben. Eine Hose, auf das Bette
gelegt, schützt gegen Nachwehen. Von einem
ruhigen Verhalten nach der Entbindung ist gar
nicht die Rede; daher häufig kränkliche Frauen.
- Zwillinge hält man gewöhnlich für ein großes
Unglück. - Das Kind wird, sobald als thunlich,
getauft, aus Furcht, es möchte sterben und dann
als Irrlicht ewig umherhüpfen (bei Neustadt),
und auch aus Sparsamkeit, weil bis zur Taufe des
Nachts die Lampe brennen muß, damit die
Unterirdischen (besonders bei Rostock) es nicht
stehlen und einen Wechselbalg hinlegen. Drei
Gevattern sind gebräuchlich, die am Tauftage bei
den Eltern des Kindes speisen. Bei unehelichen
Kindern Gevatter zu stehen, ist anderswo
zuweilen glückbringend; zu Warnemünde aber
pflegen sie dann, den Kopf mit einer Schürze
verhüllt, über die Straße zu gehen. Das Kind
darf bei der Taufe nicht geschüttelt werden,
weil ihm die Kleidung sonst nachher nicht hält.
Gewöhnliche Namen sind Johann, Jochen, Hinrich,
Carl, Friederich, Niklas, Christoph, Christian,
Dethlof
., zu Warnemünde Jacob, contrahirt
Jap, -Anna, Maria, Sophia, Catharina, Dorothea,
Friederika, Margaretha, Elisabeth
. Häufige Vaternamen sind Möller,
Schmidt, Schneider, Schuhmacher, Weber,
Zimmermann, Vaigt, Jäger, Awe (Ofen), Bär,
Ebert, Hahn, Hase, Roß, Voß, Wolf,
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Düwel, Engel, Radder, Wiegert, Sachse und Sasse, Wendt, Westphahl, seltener Dütschmann. - Nach 6 Wochen geht die Mutter zur Kirche in Begleitung einer oder 6 Frauen um den Altar und opfert; setzt sie sich ohne Weiteres in den Stuhl, so bezahlt sie mehr.
Die Kinder wachsen auf, indem sie Winters und Sommers draußen spielen. Kränkliche sterben wegen Mangel an Aufsicht; nur gesunde werden groß. Bei gelinder Witterung gehen sie baarfuß, oft in Hemden, und schlafen in der Sonne. Das Mädchen unterscheidet man an einer Mütze aus 3 Stücken, den Knaben an einer aus vielen Stücken, deren Keile alle am Hinterkopfe in einen Stern zusammenlaufen. Der Heidendreck (schorfähnliche Schmutz auf dem Vorkopfe) wird gewöhnlich mit Sorgfalt abgemacht. 5 bis 6 Jahre alt, gehen sie Winters in die Schule, während sie Sommers schon die Gänse zu hüten pflegen. Nach vollendetem 14. Jahre werden sie eingesegnet, wenn sie lesen können, den Katechismus wissen und mit der Bibel bekannt sind. Wenige lernen schreiben, und das meistentheils nur Knaben, rechnen noch wenigere. Die Eltern scheinen zuweilen den Töchtern das Schreiben zu verwehren, aus Furcht, sie möchten sonst Liebesbriefe schreiben.
Von einem schweren Kranken sagt man: seit drei
. Nächten habe ich kein Licht bei
ihm ausgehabt. Eine, unter das Bette gesetzte
Schüssel mit kaltem Wasser schützet gegen das
Wundliegen. Phantasirt der Kranke, so legt man
ihm zuweilen einen todten Pferdekopf unter das
Kopfkissen; der Dunst macht ihn sofort ruhig.
Schon vor dem Tode pflegt man das Maaß zum Sarge
und Todtenhemde zu nehmen. Stirbt er, so wird er
sogleich aus dem Bette genommen, gewaschen und
angekleidet, ehe er erstarrt. Den Tod sucht man
ihm zuweilen durch Wegnahme des Kopfkissens zu
erleichtern, besonders deshalb, weil man
fürchtet, es möchten einzelne Federn darin sein,
die den Tod erschweren. Dann werden die Glocken
geläutet (Scheidelklocken). Bei der Beerdigung
am dritten
. Tage wird das ganze Dorf, bei
armen Verstorbenen um Gottes willen, gebeten,
und jedes Haus ist gehalten, einen Folger zu
senden. Im Sterbehause der Wohlhabenden wird
zuvor Branntwein und Semmel (Stuten) gereicht;
zuweilen wird auch nach der Beerdigung den
Freunden ein tüchtiges, aber stilles Gastmahl
gegeben; das nennen sie scherzweise: dei Hut
vertären - die Haut verzehren. - Am Tage der
Beerdigung gehen des Morgens zwei Männer hin,
das Grab zu bereiten, wobei sie zweimal läuten.
Kommt der Leichenzug um Mittag auf die
Feldscheide des Kirchdorfs, so beginnen wieder
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die Glocken, bis derselbe den Kirchhof erreicht. Hier wird der Sarg auf die Bahre gesetzet, ein stilles V. U. gebetet und ein Gesang gesungen. Dann wird die Leiche von verheiratheten oder unverheiratheten Männern, je nachdem der Todte es war, unter Glocken und Gesang einmal um die Kirche getragen, damit er nicht wieder komme. Prediger und Küster gehen vor der Leiche her, die Männer folgen, und hinterher die Frauen, Verwandte zuerst. Zuweilen wird die Leiche in die Kirche gebracht, und eine Rede vom Altar (Sermon, Abdankung) oder von der Kanzel (Leichenpredigt) gehalten. Nach dem Zuwerfen des Grabes (Kuhle) wird wieder still gebetet, worauf Alle weggehen. - Sorgfältig hütet man sich, dem Todten etwas von fremdem Zeuge mit in den Sarg zu geben, aus Furcht, er möchte den, dem es gehört, nachholen. Auch darf ihm kein Zipfel der Bekleidung in den Mund fallen, weil sonst die Seinigen bald folgen; ein Rasenstück pflegt ihm deshalb zur Befestigung des Gewandes auf der nackten Brust zu liegen. Auf die Bahre darf Niemand aus eben dem Grunde sich setzen. Im Sterbehause (bei Dargun) wird gemeiniglich von dem Standorte der Leiche bis zur Thüre nach der Entfernung derselben Asche gestreuet. Zu Warnemünde wird die Leiche die Nacht vor der Beerdigung auf die wohl erleuchtete Diele gestellt, und die Verwandten sitzen als Wache (Wak) in der Stube, suchen die Gesänge zur Beerdigung auf und schmauchen; die jungen Leute machen dann auf der Straße allerlei Kurzweil. Die Todtenfrau ruft dort, die Straßen durchlaufend, die Folger in der Stunde der Beerdigung mit lauter Stimme zusammen.
Der Meklenburger ist zu mechanischen Arbeiten
sehr aufgelegt, ja es ist fast kein Dorf, in dem
nicht mehrere sich finden, die ohne weiteren
Unterricht Haus= und Ackergeräthe zu machen
verstehen, selbst zuweilen Gefäße mit
länglich=rundem Boden. Der Schulze zu Ziegendorf
bei Grabow verfertigt gute Tischuhren. Der
Statthalter Buller, der erst zu Hof Grabow, dann
zu Brusow und endlich zu Kl. Bölkow wohnte,
hatte ohne alle Anleitung sich eine Drehorgel
gemacht und ein Fortepiano fast vollendet, als
er starb. Ein junger Mensch zu Heiligenhagen
spielt auf einer selbstgemachten Flöte zum
Tanze. Ein Pferdehirte zu Rittermannshagen
schnitzte Hunde, Pferde
., selbst Menschenköpfe ganz
leidlich aus Holz. Daß besonders Musiksinn
reichlich vorhanden sei, sieht man an den
gewöhnlichen Spielleuten, die gemeinhin ohne
Beihülfe die Violine erlernen, selbst zuweilen
das Klarinet, und jede vorgesungene Melodie
ungesäumt nachspielen. Bei den Hirten
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hin und wieder um Dargun findet sich auch eine Art Schalmei, etwa 4 Fuß lang, unten sehr weit, von Tannenholze gemacht, mit Pechdraht umwunden, und stets feucht gehalten. Der Ton gleicht dem eines Serpent. Dort gießt mancher Bauer sich die Rockknöpfe aus Blei mit dem Bilde eines Pferdes.
Das Gedächtniß ist bei den meisten sehr stark; es giebt Beispiele, daß ein Bauer eine ganze Predigt herbeten kann, die er so eben hörte. Das Combinations=Vermögen, und mithin Witz und Laune, die freilich zuweilen ins Schmutzige zu streifen liebt, scheint ungleich stärker als Scharfsinn. - Der Kalender ist ihnen das non plus ultra geistiger Arbeiten; daher Kalender machen = im tiefen Nachdenken brüten, sich schweren, unnöthigen Sorgen ergeben. Derselbe und Katechismus, Bibel, Gesangbuch sind fast die einzigen Bücher. Fürs Erste ist noch an nichts weiter zu denken. - - - -
Alte Volkslieder scheinen zu fehlen; aber
zahlreich ist die Menge von Mährchen, Sagen
(Läuschen), z. B. von verwünschten Prinzessinnen
., von den Hünen, welche gewaltig
große und starke Leute gewesen sind, und immer
das Vieh gehütet haben, bis sie am Ende
ausgestorben, oder durch Verheirathung sich
unter dem kleineren Geschlechte verloren haben.
Sie sollen alle Kirchen im Lande (eine Sage bei
Doberan), außer der zu Stäbelow, erbauet haben;
wie wäre es anders möglich gewesen, meinte ein
Bauer, die großen Feldsteine oben ins Gemäuer zu
bringen? - Manche Fabel, worin aber nur Thiere,
niemals Bäume
., reden, geht rund, und noch
jetzt deutet man im Scherze die Töne mancher
Thiere, vielleicht aus Vorliebe für Onomatopoien.
Religiosität ist so ziemlich allgemein vorhanden.
Gewöhnlicher Trost bei den größten
Unglücksfällen ist: es hätte noch schlimmer
werden können; Gott sei Dank! Nur der Arm ist
zerbrochen
. Gott nennt man nie ohne das
Beiwort "lieb" - leiw, ebenso auch oft
Sonne, Mond, Erde, Brot. Mit großer Andacht wird
der Altar zwei= bis viermal jährlich besucht,
und zu dem Krankenbette beständig der Prediger
gefordert. Unter den größten Schmerzen siehet
man oft Menschen dem Tode mit einer erhebenden
Fassung entgegen gehen, die - man nenne sie
nicht Stumpfsinn - nur das Eigenthum einer
hoffenden Seele sein kann, aber leider! oft den
vornehmeren Standen fehlet, die nicht selten
Religion nur für eine Angelegenheit des
einfältigen Pöbels halten. - Redlichkeit und
Treue ist Gewohnheit; nur Holzfrevel und
Entwendung eßbarer Sachen (Mundraub) rechnen die
Bauern nicht immer unter Diebstähle. Der das
Holz aus harter Erde und das
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Obst aus hartem Holze hat wachsen lassen, sprechen sie, der ist so hart nicht; es ist für einen jeden. - Die Tugend der Versöhnlichkeit wird auch ihnen sehr schwer, und einige Gegenden überschreiten in Hinsicht der Keuschheit alle Gränzen der Zucht, besonders auf manchen Höfen, wenn das Beispiel der Vorgesetzten schlecht ist; daher denn zunehmende Armuth, öfterer Familienzwist und Mangel an Segen bei der Kinderzucht; andere freuen sich einer besseren Sitte, z. B. Warnemünde. - Ueber manche schlechte Neigungen belehren herrliche Sprichwörter, z. B. wär ümmer up sienen Kopp besteiht, dei kümt am Ennen ok up den Kopp tau stahn - wer immer auf seinen Kopf besteht, der kommt am Ende auch auf dem Kopf zu stehen.
Obgleich höchst gemüthlich und heiter, scheinen die meklenburger Bauern nicht frei von Mißtrauen zu sein, es möchte denn irgend etwas Wundersames oder Abergläubisches erzählt werden. Aus Mißtrauen behalten sie lieber ihre kleine Baarschaft bei sich, als daß sie dieselbe immer zinsbar belegen sollten. Aus Mißtrauen bleiben sie gerne bei der alten Sitte in der Arbeit und im Hause, und sagen lieber ja zu Allem, was ihnen gesagt und gerathen wird, als daß sie ihre rechte Meinung vorbringen sollten. Aus Mißtrauen gebrauchen sie selten Arznei, sondern lieber Hausmittel und Quacksalbereien, oder sterben elendiglich, indem sie sagen:
wer wol kümt in Docters Hännen,
dei kümt ok bal tom Ennen,
d. h. wer da kommt in Doctors Hände, der kommt auch bald zu Ende, und: wotau hewwen fünst dei Awtheikers das Gift in dei Awtheik? d. h. wozu haben sonst die Apotheker das Gift in der Apotheke? - Der Scharfrichter kennt auch den menschlichen Körper, meinen sie. - Die Gerechtigkeit betrachten sie als ein System von Ungerechtigkeiten, das zuweilen darauf ausgeht, einen Unschuldigen anzufallen, um Geld zu kriegen. Daher der häufige Wechsel der Advocaten bei Processen und die Sprichwörter: dörch Schaden wart man klauk; wo dei Tun am siedsten is, is am lichsten äwerstiegen; ick hört tau, wat der dei Klock slaug; dat Gericht will ok läwen, un jeder helpt sick, fo gaud hei kan - d. h. durch Schaden wird man klug; wo der Zaun am niedrigsten ist, ist am leichtsten überzusteigen; ich hörte zu, was da die Glocke schlug; das Gericht will auch leben, und jeder hilft sich, so gut er kann. Noch immer findet wegen des siebenjährigen Krieges der Preuße kein Zutrauen bei dem Bauer; daher hört man von preußischen Kniffen, preußischer Waare = schlechter Waare.
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Ein hoher Grad von Menschenkenntniß wird dem
meklenb. Bauer durch dieses stete, vorsichtige
Aufmerken eigen, und er dürfte im Handel
. den gewöhnlichen Städtern oft
weit überlegen sein. Auch darf man behaupten,
daß der den Bauer nie ganz kennen lernet, den
derselbe zu fürchten hat. - Hat derselbe aber
irgend Jemanden sein Zutrauen geschenkt, so
verliert er es nicht leicht wieder. -
Unerschrocken, wenn es Noth thut, fürchtet man
dennoch überall das Soldatenleben, weil es dabei
Körperzwang und Schläge giebt.
Allgemein ist der Aberglaube; Spuk, Zauberei und
Sympathie sind ganz gewöhnliche Dinge, und
obwohl viele, sorgfältig beobachtete Beispiele
z. E. das Blutstillen als unnöthig darthun, so
wird es doch gemeinhin nicht unterlassen, weil
bei vielen Wunden das Blut rasch sich ergießt
und dann von selbst steht, dies aber die Leute
täuscht. Nicht anders ist es bei Brandwunden,
der Rose
. Diese Sympathien sind alle von
höchst lächerlichem Inhalte. Es ist jedoch nicht
zu läugnen, daß manche Bauern im Verbinden,
Reinigen der Wunde und Streichen bei
Verrenkungen eine ziemliche Fertigkeit besitzen.
- Ist ein Vieh krank, die Milch blau, das Bier
lang, sterben die jungen Gänse
., so haben es böse Leute gethan.
Diese bösen Leute stehen zum Theil mit dem
Teufel in Verbindung, und dann wird scharf mit
Mohrenpulver
. geräuchert, die Hexe gestäupt,
vernagelt, vergraben, gekocht
., wobei manche Scharfrichter
. sich thätig beweisen; oder diese
Leute haben es als eine Anlage mit auf die Welt
gebracht, daß ihr Ansehen, Wünschen
. schadet, oder sich auch nachher
aus Unvorsichtigkeit erworben, wenn sie z. B.
beim Segensprechen in der Kirche sich umgesehen
haben. Auch kann man sich und den Seinen durch
Verrufen schaden und durch hundert andere
Kleinigkeiten. 1669, den 11. Jun., wurde zu
Gorow Anna Wilden, Hans Holstens Ehefrau, und
den 23. Tieß Wilde wegen Zauberei verbrannt.
1
) 1697, den
28. April, ist zu Haßdorf Trine Tiehlmanns,
seligen Hans Schlorfen Wittwe, wegen Zauberei
verbrannt.
2
) - Feuerbesprechen, Festmachen,
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das Gestohlene wieder schaffen durch Vernageln
oder Räuchern des Fußtapfens, durch Kaffeeaufguß
., dem Dieb ein Auge ausschneiden,
Geldbrennen, Schatzgraben
. sind noch immer Gegenstände des
Aberglaubens, so wie Kreuze in der
Walpurgisnacht an den Thüren
. Geister sind entweder
überirdische, z. B. wilde Jäger, Waud (Wodan?),
an der Elbe Fruh Wod genannt, oder unterirdische
(Unnerirschen, Dümlings, d. h. Däumlinge), die
mit jenem immer Krieg führen und zum Aufziehen
eines größern Geschlechts ungetaufte Säuglinge
stehlen (siehe oben Entbindung
.), nach Einigen aber durch Waud
schon fast ausgerottet sind, oder Wassergeister
(Watermäum, d. h. Wassermutter), welche zuweilen
in Gestalt eines Käfers (Dytiscus marginalis
wird als solcher angeklagt) Kinder und Andere
ins Wasser ziehen. Der wilde Jäger ist ein Mann
auf einem Schimmel mit vielen bellenden Hunden
an einer Kette und vielen Kutschen über und
neben einander, zuweilen auch (an der Elbe) in
Gestalt eines Heuschobers, von Einigen für einen
alten Edelmann gehalten. Er thut denen nichts,
die mitten im Wege bleiben; daher sein Zuruf an
den Wanderer: midden in den Wäg! Als Spuk
erscheint auch der Teufel im langen, rothen
Rocke mit einem Pferde= und einem Hühnerfuße,
welche beide er sorgfältig versteckt, oder mit
rauher Haut, Hörnern und Schwanz und einem
Kuhmaule, oder auch als Meteor (Drak - Drache).
Im letzteren Falle trägt er Schätze, die er
herunterwirft, wenn man ihn bittet; steht man
dann aber nicht unter einem Dache, so wirft er
Koth nieder. In den Volksmärchen zeigt er sich
häufig dumm und leicht zu betriegen. - Auch
erscheinen Verstorbene, die etwa noch einen
Wunsch haben. Als Scheidegänger wandern falsche Zeugen
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einer Gränze mit schrecklichem Weherufen. Fast
kein Landweg ist, auf dem es nicht irgendwo
spuken soll, und mit bedeutungsvollem Lächeln
nennt der Bauer gewöhnlich irgend einen Edelmann
oder Amtmann, der gegen die Unterthanen
ungerecht und grausam verfahren sei und jetzt
keine Ruhe finde -ein Beweis, wie sehr diese
Leute vor der Einführung einer bessern Justiz
gedrückt sind. Gespenster werden von den Bannern
in Säcken gewöhnlich in ein Ellernbruch als den
geheimen Aufenthalt der Kröten und anderer
Wunder getragen, worauf auch ein Sprichwort
hindeuten mag: er ist beim lieben Gott im
Ellernbruch (hei is bi'n leiwen Gott in't
Ellernbrauk) d. h. er ist gestorben. Auch glaubt
man an Doppelgänger, Gedanken genannt. Die
Pferde verrathen sogleich die Nähe eines
Geistes, auch die Hunde durch Bellen und Heulen
.
Im Mai stellt man nicht gerne eine Hochzeit an. Perlen im Schmucke der Braut sind dem Bauer gleichgültig; aber manchem im höheren Stande deuten sie auf künftige Thränen. - In den Zwölfen nach Weihnachten darf man nicht waschen, weil sonst Jemand im Haufe stirbt. In Johannisnacht darf kein Zeug draußen liegen, weil der böse Krebs (Gryllus gryllotalpa) stch darauf setzt. Die Zeichen des Thierkreises im Kalender bestimmen vielfältig das Geschäft des Tages. Junge Gänse werden durch ein Beinkleid gesteckt; dann holt die Krähe sie nicht. Eine Doppeleiche ist von geheimer Kraft, nicht minder eine hohle, in die man hauchen muß. Der Storch, die Schwalbe, die Eule werden gemeinhin als heilig verschont. Der Kukuk, der im Winter Sperber ist, kündigt des Lebens Länge an nach scherzender Sage, der Brustknochen der Gänse die Witterung des nahen Winters, Doppeläpfel Zwillinge der sie essenden Personen, das Heimchen, Maulwurfshaufen im Hause, Eulengeschrei den Tod, Krähenzüge nahe Kriege, flatterndes Spinnegewebe an den Stubendecken eine Hochzeit; Kröten und Katzen deuten auf Hexen; Donnerkeile (Belemniten) kommen mit dem Blitze und schützen gegen denselben. Ueberall sieht man Wunder, überall glaubt man die Nähe der unsichtbaren Welt zu gewahren.
Neben dem Hochdeutschen findet sich auch in Meklenburg das Platte. Ersteres wird fast allgemein in den höheren Ständen gesprochen, wiewohl man auch da hin und wieder das Platte wie einen lieben, bequemen Hausrock nach den Geschäften des Tages im stillen, häuslichen Kreise vorzieht. Reine Betonung, reine Aussprache aller Buchstaben sind die bemerkenswerthen Vorzüge des Hochdeutschen in Meklenburg. Nirgends wird b mit p, d mit t, g mit ch oder k verwechselt,
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nirgends ein Vocal unnöthig und ärgerlich
gedehnt; selbst das ei wird, befonders im
östlichen Meklenburg, von dem ai deutlich genug
unterschieden - eine glückliche Folge der
Verbindung mit dem Platten.- Wie aber jede Sache
ihre Schattenseite hat, so dürfte auch hier zu
tadeln sein, daß man ziemlich allgemein pf wie f
spricht, dem z nicht die gehörige Schärfe giebt,
und das i nicht gespitzt genug, sondern mehr in
ie hinüber tönen läßt. Letzteres erkennt man
besonders beim Aussprechen des Französischen z.
B. la fille
.
Als Eigenthümlichkeit einzelner Gegenden verdient es einer Erwähnung, daß man im Strelitzschen und an der Gränze von Neu=Vorpommern beim Hochdeutschreden j und g häufig verwechselt, im Strelitzschen und an der Elbe öfters scht und schp für st, sp, z. B. Schtein für Stein hören läßt, und in der Umgegend Schwerins das e und a vor rz nicht scheidet, z. B. Herz wie Harz, schwarz wie schwärz spricht. Auch möchte man im Schwerinschen das j richtiger gesprochen wünschen, da es gemeinhin wie dj oder vielmehr wie das g der Italiäner vor e und i tönt. Von dem Platten verleitet, zieht endlich der Halbgebildete das a in gedehnten Sylben gerne in ao hinüber z. B. Wåter für Water, und stößt das ch in schw aus z. B. Schwein - Swein.
Die niedere Volksklasse redet immer platt,
obgleich in verschiedenen Mundarten. Die
südwestlichen Bewohner und die in den Städten
von ganz Meklenburg sprechen das Platte ohne
viele starre Doppellaute aus, z. B. de - die,
een - ein, bleew - blieb, Hö - Heu, Beer - Bier,
höden - hüten, möten - müssen
. Die übrigen Landbewohner
verwenden unzählige Doppellaute z. B. dei, ein,
bleiw, Heu, Beier, häuden, mäuten
. Verschieden von beiden Mundarten
ist die in Warnemünde herrschende. Die Bewohner
dieses Ortes, meistentheils Lootsen und
Seeleute, ziehen alle Vocale, wenn es angeht, in
e und i hinüber z. B. Werneminner, und verwenden
beim Aussprechen der Wörter mehr die Lippen,
während die übrigen Meklenburger mehr die Zunge gebrauchen.
Das Platte mit den vielen Doppellauten wird vorzugsweise das breite genannt. Weil fast alle Vocale irgend einen Doppellaut zu berühren scheinen, so widerstehen sie oft aller Schreibung z. B. schälen-sollen, möten - das Weglaufen hindern. Die Sprechwerkzeuge des Platten werden dadurch auf eine Weise geübt, daß ihm das Aussprechen fremder Zungen, besonders des Schwedischen und Englischen, wenig schwierig ist. - Nicht minder als die Vocale, sind auch manche Consonanten mit Mühe abzusprechen, vorzüglich das r am Ende,
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das d zwischen zwei Vocalen und das n. Weil man
im Schreiben die Radical=Consonanten des Wortes
im Hochdeutschen gerne beibehält, damit das Wort
fürs Auge kenntlich bleibe, weil man aber
dennoch der Aussprache nichts zu vergeben
wünscht, so hat man viele Mühe, das d von r zu
unterscheiden, z. B. in: Fädder - Feder, warren
- werden. Am Ende verhallt das r fast in ä,
jedoch mit einem leisen Anschlage des r z. B.
Füer - Feuer, hür- höre, sprich fast wie füäh,
hüäh. Das n vermischt sich meistentheils so
wunderlich mit j, z. B. Länner - Länder, Hand
. fast wie Länjer, Hajnd, daß man
es keineswegs mouillé nennen möchte und auch das
j zu schreiben, wegen seiner Undeutlichkeit,
nicht für gut finden dürfte. Das h wird in
einigen wenigen Ortschaften (bei Goldberg) nicht
hörbar z. B. dei Und ät bäten - der Hund hat gebissen.
Dies Platte ist mit dem Englischen vielleicht
näher als andere platte Mundarten, die im
Holsteinischen herrschende etwa ausgenommen,
verwandt, wie man aus manchen Formen und Wörtern
z. B. was, black, down, little, girl
.
. im Platten: ick was, Black
(Dinte), duhn (nahebei), lütt, Göhr (Kind, im
westlichen Meklenburg aber wie im Holsteinischen
ein kleines Mädchen) wahrnimmt; es ist zum
Verstehen alter Urkunden und Gedichte so
geeignet, daß man oft nicht bloß einzelne
Wörter, sondern ganze Sätze wieder zu finden
glaubt; es ist von allen platten Mundarten am
wenigsten durch fremden Einfluß geändert -
Gründe, welche zu der Behauptung führen dürften,
als sei diese Mundart dem Urstamme aller
germanischen Sprachen am nächsten, wie auch
Kinderling dasselbe überhaupt schon vom Platten
vermuthet (siehe dessen gekrönte Preisschrift).
Und nur hin und wieder scheint das Slavische
einigem, freilich sehr geringen, Einfluß
zurückgelassen zu haben, eine Vorneigung zu
gewissen Tönen in der Aussprache (man vergleiche
das häufig für g gebrauchte j, das oben erwähnte
unreine n und r, das au, ei
. mit dem böhmischen g, n', r' au,
ey z. B. n'ikdy, r'jpa, gak, saud, meydlo
. Negedlys böhm. Grammatik), und
einige wenige Wörter: Pietsche- peitsche
(bic
c
), Dätz - Kopf, näwrig -
eigennützig (newz
c
ily), Lootse
(Lod'-Schiff), Pracher - Bettler (prach - Staub,
Schmutz), Slaw-großer Mensch, Sood-Brunnen
(sud), Wuhrd - Ackerwerk beim Hause (worati -
ackern) u. s. w.
Zur Uebersicht der Verwandtschaft des Platten mit dem Hochdeutschen in Hinsicht einzelner Wörter mag folgende Tabelle dienen:
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das Hochdeutsche bleibt oder wird im Platten a - - - - ä, o, äu, ö
Beispiele sind: Zahn - Tähn, halten - hollen,
fahren - fäuern, Alter - Oeller, Paar - Poor,
Thräne - Thran, mähen - maihen, Härchen -
Hörken, Gedärme - Gedirm, Baum - Bom, glauben -
glöwen, Haus - Hus, räubern - röwern, Mäuse -
Müs, Flecken - Placken, Leben - Läwen, zehn -
tein, mehr - mihr, Pferd - Pfierd, fremd -
frömd, Heerde - Haud, Heerd - Hierd, geheißen -
häten, Kleid - Kled, dein - dien, heulen -
hulen, Leute - Lüd', geglichen - gläken, Milch -
Melk, glich - gleik, gewinkt - wunken, immer -
ümmer, spielen - spälen, die-dei, Spiel- Spil,
schieben - schuwen, riechen - rüken, soll -
sall, Sohn - Sähn, Wolle - Wull, Loos - Lott,
Moos - Muß, Oefen - Awens, hören - hüren, Nuß -
Nät, gut - gaud, Fuder - Fauder, fluchen -
flöken, Uebel - Aewel, hüten - häuden, betrügen
- bedreigen
.
Was die Consonanten betrifft, so wird b in der
Mitte und am Ende eines Wortes ein w: leben -
läwen, Leib - Liew; ch wird r oder ck: ich-ick,
fällt weg in: Ochs, Wachs, sechs - Oß, Waß, sös
., bleibt vor t: Licht
., und wird zwischen 2 Vocalen
verdoppelt: Leder - Lädder, oder tönt in r über:
Erde - ier, verliert sich nach n und l: Kinder -
Kinner, Felder-Feller; f wird gewöhnlich p:
Flecken - Placken, wird einmal ch: Luft - Lucht;
g bleibt, wird verdoppelt: liegen - liggen; h
und j bleiben; k wird g: Rücken -
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Rüggen, bleibt übrigens; l bleibt, verliert sich
in: sollst -schast oder sast; m, n und p
unveränderlich; pf wird stets p: Pfund-Pund; qu
wird einmal dw: queer-dweer; r bleibt häufig,
wird zuweilen s: verlieren-verleisen, und
verschwindet in: mir-mi
.; s bleibt im Anfange, wird ss:
diese - disse, wird t: das - dat, wird sch:
Wiese-Wisch; ss bleibt zuweilen, wird t: essen -
äten, wird tz: Messer - Metz; sch bleibt
zuweilen, verliert sich vor w: Schwein - Swein,
verändert sich im Munde einiger Menschen in sk:
Fisch - Fisk; st bleibt gewöhnlich, wird s und
ß: ist - is, Mist - Meß; ß wird fast immer t:
reißen - rieten; t bleibt selten, t und dt
werden gewöhnlich d: rathen - radhen, Städte -
Städer, t fällt weg in: nicht- nich
., Alter - Oeller; v und w
unverändert; z bleibt: kratzen, wird d: Zwang -
Dwang, wird ss: hetzen - hissen, wird gewöhnlich
t: zahm - tam
.
Das e kann in den meisten Fällen apostrophirt werden, auch mitunter i, ei, und ie, z. B. wat 's dor? 'n' fruh. -
Genitiv und Dativ fehlen. Ersterer wird
umschrieben, z. B. den Mann sien Fruh, oder dei
Rock van den Mann - beides mit sehr
verschiedener Bedeutung; der Dativ wird durch
den Accusativ oder durch die Präposition: för -
für, ausgedrückt. Die 5 Declinationen
unterschieden sich durch die Bildung der
Mehrzahl. Die erste bildet die Mehrzahl durch
Umlaut: dei Dochter, dei Döchter; die 2te durch
ein angehängtes en oder n: Arft (Erbse), Arften;
die 3te durch ein angehängtes s: Hahn, Hahns,
die 4te durch ein angehängtes er: Dörp (Dorf),
Dörper; die 5te durch Umlaut und ein angehängtes
er: Fat (Faß), Fäter. Als anredendes Pronomen
gebraucht man: du, ji, hei und sei; das
hochdeutsche Sie drängt sich aber immer mehr
ein. Die Verba haben kein Particip. Act., kein
Fut. Conj.; dem Partic. Pass. fehlt die
Vorschlagsylbe ge. Der Conjunctiv wird durch
mögen
. umschrieben, oder auch eigens
gebildet. Es giebt nur 1 Conjugation; aber 155
Verba bilden Imperf. und Partic., zuweilen auch
die 2te und 3te Pers. Sing. Präs. Ind. auf eine
eigene, jedoch nicht immer ganz regellose,
Weise. 105 von diesen irregulairen Verben haben
außer dem gewöhnlichen Imperf. Indic. noch ein
zweites, das gewöhnlich durch Umlaut aus jenem
gebildet wird. Dies Imperf. II. wird gebraucht,
wenn ein relativer Satz mit as, dor, wenn damit
verbunden ist, oder in Gedanken zurückbleibt, z.
B. ick wier in Hamborg (nicht: ick was), as dei
Franzos dor ankeim (nicht ankam), d. h. ich war
in H., als die Franzosen dort ankamen; ick släug
em (nicht: slaug), as hei dor so jäug (nicht:
jaug), d. h. ich schlug ihn, als er dort so
jagte
.
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Sehr erklärlich wird dies Imperf. II. ungleich häufiger gebraucht, als das Imperf. I.
Eine doppelte Verneinung verneint recht kräftig,
z. B. nüms nich - Niemand, narens nich -
nirgends
. Von den Präpositionen sind
achter - hinter (vergl. das engl. after), mang -
unter, jünt und tens - jenseit, bemerkenswerth;
tens bezeichnet, daß der jenseits befindliche
Gegenstand der Länge nach queer vorliege, z. B.
tens dei bäk liggt dat Hus - jenseit des Baches
liegt das Haus der Länge nach queer vor. -
Die Menge der Interjectionen ist zahllos; noch
immer werden neue gebildet. Sie sind zum Theil
Substantiva und Verba geworden, z. B. husch,
haps, dei Husch, dei Haps, huschen, hapsen.
Einen gleichen Ursprung haben ojehen: hei ojehet
so väl (von o Jesus
.), bumsen, dunsen, brummen,
butzen, bullern, ballern, kloppen
. mit ziemlich verschiedener
Bedeutung. Daher die unendlich vielen Onomatopoien.
Was die Stellung der Worte betrifft, so liebt man die Voransetzung des Wortes, welches den stärksten Nachdruck hat. Das veranlaßt häufige und mannigfaltige Inversionen, welche dem Platten eine große Modulation und einen lebhaften Ausdruck geben, aber jedesmal den Sinn der Worte in etwas ändern. Fast kein Gespräch wird unter Bauern geführt, in dem nicht eine Menge Versetzungen vorkommen.
Einzelne Wörter haben im Platten einen andern
Sinn als im Hochdeutschen. So bezeichnet z. B.
Leidenschaft: eine Trübsal, gemein: herablassend
.; Wesen, Natur, Leben haben einen
sehr unanständigen Nebenbegriff; Lebensart
bedeutet hin und wieder Lebensbedürfnisse, und
im östlichen Meklenburg wird nicht selten der
Begriff von hochmüthig und großmüthig vertauscht.
Die unzähligen Apostrophirungen der schon an sich wenigsylbigen Wörter, die weiche Aussprache einzelner Buchstaben, die keine besondere Thätigkeit der Organe erfordert, und die vielen Inversionen machen es begreiflich, daß der Platte das Gedachte mit einer Schnelligkeit hervortreten läßt, wie vielleicht in keiner andern Zunge. Im langsamem Munde eines betagten Bauern scheint es freilich nicht immer diesen Charakter zu haben, wohl aber in dem rascheren Munde besonders der weiblichen Jugend. Der Reichthum an eigenthümlichen, in den übrigen deutschen Dialecten nur zum Theil in der Ableitung gefundenen, oft auch denselben ganz entfremdeten Wörtern, welche eine rechte Vorrathskammer an Terminologien für Kunst und Gewerbe genannt werden können, die tägliche Vermehrung derselben durch Onomatopoien und auf andern Wegen, die
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vielen bildlichen und sprichwörtlichen Reden, welche eine Fülle von Nebenideen hervorrufen, die ganz gewöhnlichen Inversionen der Rede, alle mit ihrer eigenen Deutung, und endlich die Einwirkung des Accents auf Quantität machen das Platte ohne Zweifel zur Poesie ganz passend, und die große Gemüthlichkeit, welche demselben innewohnt, da es im Munde eines gemüthlichen Völkchens angewachsen ist, giebt den platten Versen eine liebenswürdige Naivetät, so daß dieser Dialect, wie unter den griechischen der dorische, sich vorzüglich für Idyllen, für den Komus und für kindlich fromme Lieder eignen dürfte (vergl. Voß und Babst), weniger freilich für den ernstern Kothurn. Vom platten im Allgemeinen hat ein entschiedener Kenner germanischer Mundarten (Adelung, Lehrgebäude der deutschen Sprache, S. 74 und 79) unter andern geurtheilt: es fehlt demselben nichts als eine sorgfältige und verständige Cultur, um sie zu der reichsten, angenehmsten und blühendsten Sprache zu machen.