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III.

Die Aufführungen
des Schweriner Hoftheaters
in Doberan, Ludwigslust und
Wismar

von

Dr. Helene Tank=Mirow.

Vignette
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D ie Geschichte des Schweriner Hoftheaters von 1836 bis 1882 1 ) wäre nicht vollständig, wollte man nicht einen Blick werfen auf seine Wirksamkeit außerhalb Schwerins. Diese verteilte sich in den ersten Jahren auf die Städte Doberan, Ludwigslust und Wismar. Der Aufenthalt in Doberan und Ludwigslust entsprach dem Sommer- und Herbstaufenthalt des Hofes an diesen Orten, der Wismarer Aufenthalt dagegen war ein Rest der unter Krampe und den andern Direktoren üblichen Sitte, in allen größeren Städten Mecklenburgs Vorstellungen zu geben. So führte das Theater in den ersten Jahren, als noch alle drei Städte besucht wurden, ein Wanderleben, das für die Schauspieler selbst vielerlei Unbequemlichkeiten mit sich brachte und auch in finanzieller Hinsicht eher nachteilig als vorteilhaft wurde. In künstlerischer Beziehung kann man diese auswärtigen Spielzeiten als eine Vorübung für die Schweriner Zeit ansehen, die jedenfalls immer den Schwerpunkt in der Tätigkeit des Theaters bildete, und aus diesem Grunde haben sie sicherlich ihr Gutes gehabt. Andererseits war es für die Künstler schwierig, sich immer wieder an neue Verhältnisse zu gewöhnen, und das Publikum in diesen Städten war auch viel zu klein, um einen wirksamen Einfluß ausüben zu können. Großherzog Paul Friedrich ließ zugunsten der Schweriner Spielzeit den Aufenthalt in Wismar und Ludwigslust eingehen, und nur Doberan blieb als dauernder Sommeraufenthalt des Theaters. Nach 1842 wurden in Wismar jedoch die Aufführungen wieder aufgenommen.

Doberan.

In Doberan fanden die Vorstellungen des Hoftheaters von 1836-73 jährlich in den Monaten Juli und Auguft statt, in der Zeit, wo reges Badeleben in dem kleinen Ort herrschte. Das Hoftheater trug hier durchaus das Gepräge eines Sommertheaters, die Kunstleistungen wurden nur nach dem Grade der gebotenen Unterhaltung beurteilt. Daher konnte es geschehen, daß sogar bei einem Gastspiel des berühmten Carl Seydelmann die Teilnahme nur sehr mäßig war, während die Tänzerin Marie Taglioni aus Petersburg bei aufgehobenem Abonnement verschiedene Abende in einer Saison vor dicht besetztem Hause tanzen konnte 2 ). - Das Repertoire war im wesentlichen das gleiche wie in Schwerin, doch überwog hier noch mehr die leichtere Kunst. Für große klassische


1) Jahrbuch 87, S. 71 .und 88, S. 59.
2) 1838 an vier Tanzabenden 2462 TIr. 21 Sch. Einnahmen,
1839 an fünf Tanzabenden 3533 TIr. 40 Sch. Einnahmen,
1840 an vier Tanzabenden 2399 TIr. - Sch. Einnahmen.
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Aufführungen und große Opern reichte schon die Bühne und die Maschinerie nicht aus. Trotzdem wagte man sich hier an "Tannhäuser" und "Lohengrin" heran, die dann auch wohl den bescheidenen Verhältnissen entsprechend ausgefallen sein mögen. Bis 1855 leitete der Intendant Zöllner selbst das Theater in Doberan; seit Anstellung des technischen Direktors Steiner 1856 überließ man diesem die Leitung, und die Intendanten kamen nur vorübergehend selbst dorthin, um etwaigen Gastspielen neuer Kräfte beizuwohnen. Das Personal mußte sich verpflichten, das Theater auf seinen Wanderungen überall hin zu begleiten; dieser Umstand beeinträchtigte häufig das Engagement bedeutender Künstler. Die Musik für die Oper stellte auch hier die Theaterkapelle, die außer dem Theaterdienst Promenadenkonzerte auszuführen hatte. Zur Verstärkung wurden Mitglieder der ebenfalls zu diesem Zweck anwesenden Militärkapelle herangezogen, auch gelegentlich Mitglieder des Rostocker Hornistenkorps, wie z. B. im August 1840.

Das Schauspielhaus, in dem die Vorstellungen stattfanden, war 1805/06 von dem Baumeister Severin, dem Schöpfer aller größeren Bauten Doberans aus jener Zeit, erbaut worden. Als Vorbilder dienten ihm das Theater in Charlottenburg und das Goethetheater in Lauchstädt. Es war in Doberan am sogenannten Kamp gelegen, an der Stelle, wo jetzt das Gebäude des Gymnasiums steht, und machte von außen den Eindruck eines vornehmen Bürgerhauses. Ein langgestreckter, rechteckiger Grundriß nahm die Bühne mit den dahinterliegenden Garderoben und den ovalförmigen Zuschauerraum auf. Das Haus war zweigeschossig mit Mansarddach und regelmäßig gegliederter Fassade 3 ). Es maß in der Länge 139 Fuß, in der Breite 62 1/2 Fuß, in der Höhe 34 Fuß. Die Öffnung der verhältnismäßig großen Bühne war 30 Fuß breit, 22 Fuß hoch bei einer Tiefe von 45 Fuß. An den Seiten befanden sich je sechs feste Kulissenleitern, auch waren vier Versenkungen angebracht. Die Garderobenverhältnisse waren recht primitiv; für die Verwaltung war gar kein Platz vorhanden. Die Eingänge von der Straße führten unmittelbar in die Korridore ohne Vorflur. An den Raum für das Orchester schloß sich der Sperrsitz, dahinter befand sich, um einige Stufen erhöht, die fürstliche Loge und daran anschließend Parkett und Parterre. Die ovalen Wände des Parketts waren durch hohe Arkaden durchbrochen, hinter denen in halber Höhe die Galerie angebracht war. Der Zuschauerraum faßte 311 Plätze; die Preise betrugen seit 1848 für: Parkett 36 Sch., I. Rang für Doberaner 20 Sch., Rangloge 14 Sch., Galerie 8 Sch.


3) Abbildungen in dem Buch von Dr. Hans Thielcke: Die Bauten des Seebades Doberan - Heiligendamm um 1800 und ihr Baumeister Carl Theodor Severin.
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Im Abonnement hatten die Doberaner Vorzugspreise vor den Fremden, 1860 wurde dieser Unterschied jedoch aufgehoben. - Während in Ludwigslust bereits 1847 und in Wismar 1859 die letzte Saison stattfand, hielten sich die Doberaner Spielzeiten auf Wunsch des Großherzogs noch bis 1873. Auf mehrfaches Drängen seitens der Intendantur wurden sie dann, besonders aus finanziellen Gründen, aufgegeben. 1859 hatte man versuchsweise schon keine Opern gegeben, dadurch waren die Einnahmen aber nur noch kläglicher ausgefallen. Seit dem Sommer 1874 wurde das Schauspielhaus dem Rostocker Theaterdirektor Deutschinger mit einer Beihilfe von 500 Tlr. überlassen. 1889 wurde das Gebäude abgebrochen, um dem Gymnasium Platz zu machen.

Ludwigslust.

Eigentliche Herbstspielzeiten fanden in Ludwigslust nur in den Jahren 1836/37, 1843, 1845 und 1847 im Oktober und November statt. In den andern Jahren wurden nur vereinzelte Vorstellungen gegeben, die durch besondere Ereignisse an dem zeitweise dort anwesenden Hof veranlaßt wurden. Gespielt wurde in dem 1833 von Demmler zu diesem Zwecke hergerichteten Saal des Sozietäts - Gebäudes, das am 20. Oktober 1832 von Krampes Gesellschaft eingeweiht wurde. Die "Sozietät" bekam dafür täglich 2 Tlr. Miete. Die Zuschauerplätze stiegen von der Ballustrade des Orchesters amphitheatralisch auf bis zur Galerie, Bogengänge fehlten. An die Plätze für die Fürstlichkeiten in der vorderen Reihe schlossen sich unmittelbar die des Parketts an. Die Ausstattung war sehr einfach. Einige Polstersessel für die fürstliche Familie, Rohrstühle für den Hof, im übrigen Holzbänke. Die Bühne war sehr klein und bot wenig Möglichkeit für künstlerische Szenerie. Die Musik stellte die Hofkapelle, deren Mitglieder bis 1837 in Ludwigslust ansässig waren. Paul Friedrich hatte sich als Erbgroßherzog um das Ludwigsluster Theater besonders bemüht; auf seinen Wunsch war der Saal umgebaut worden. Während seiner Regierung ging zwar die regelmäßige Spielzeit ein, aber es fanden doch jedes Jahr einige Aufführungen statt. Die Preise der Plätze betrugen für: Parkett 28 Sch., Stehplatz 24 Sch., Parterre 16 Sch., Galerie 8 Sch.

Wismar.

Seit der Begründung des Hoftheaters wurde nur noch 1836 vom 2. September bis 7. Oktober in dem alten, kleinen Theater gespielt, das im linken Flügel des Rathauses untergebracht war. Hier hatten Krampe und die früheren Prinzipale mit ihren Gesellschaften schon gespielt. Das Innere muß nach Albert Ellmen-

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reichs Beschreibung 4 ) sehr primitiv gewesen sein. 1837 ließ Großherzog Paul Friedrich zugunsten Schwerins die Wismarer Saison eingehen. 1842 ward sie jedoch wieder aufgenommen, und bis 1847 spielte das Theater abwechselnd ein Jahr in Wismar und im folgenden Jahr in Ludwigslust. Von 1847 - 59 dann jedes Jahr einige Wochen im Herbst in Wismar. Die Stadt hatte 1840 - 42 ein neues Haus für 40 000 Tlr. erbauen lassen nach Plänen von Baumeister Thormann, die von Demmler etwas modifiziert waren. Das Haus umfaßte ein Parkett, zwei Ränge, Galerie und Proszeniumsloge; es wurde am 2. Oktober 1842 mit Halms "Sohn der Wildnis" eingeweiht. Die Intendantur verpflichtete sich durch einen am 29. Juni 1842 abgeschlossenen Kontrakt 5 ) zu etwa 50 Vorstellungen im Oktober und November. Abgesehen von der eingebauten Maschinerie hatte die Intendantur alles zum Betrieb der Vorstellungen zu liefern und 400 Tlr. Miete zu zahlen. Dagegen verpflichtete sich die Stadt, während der Dauer des Kontraktes keiner andern Theatergesellschaft Konzession zu erteilen. 1859 wurde bei Ablauf des letzten Kontraktes kein neuer abgeschlossen. Das Personal verzichtete bei Wegfall der Wismarer Saison freiwillig auf 2 1/2 % der Gage, ja bat sogar um die Abschaffung. Materieller Gewinn war auch hier in Wismar für das Hoftheater niemals vorhanden, obgleich die Stadt bedeutend größer war als Doberan und Ludwigslust. Die Preise der Plätze 6 ) hielten sich auf ähnlicher Höhe wie dort. Die Oper wurde durch Heranziehung der Schweriner Hilfsmusiker noch besonders teuer, da in Wismar selbst keine Militärkapelle vorhanden war. Die Leitung des Theaters hatte auch hier nach Zöllners Tode Julius Steiner. Von bedeutenden Bühnenwerken kamen in Wismar vor Schwerin zur Erstaufführung: 1844 "Fiesco", 1845 "Die Karlsschüler" von Laube und die Oper "Hans Heiling" von Marschner, 1852 "Das Lügen" von Benedix, 1856 der "Königsleutnant" und 1858 "Der Geizige" von Molière. - Als 1875/76 der innere Umbau des Schweriner Theaters den Beginn der Vorstellungen verzögerte, wurden vom 26. September bis 20. Oktober 1875 und vom 1. Oktober bis 5. November 1876 Vorstellungen in Wismar gegeben. Die Proben dazu fanden im Schweriner Thalia - Theater statt. Auch sonst fanden in Rostock und Wismar gelegentliche Gastspiele statt.

Vignette

4) Mecklb. Zeitung 1921, Sonntagsbeil. Nr. 39.
5) Hoftheaterakten des Ministeriums für Kunst in Schwerin.