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IV.

Die Burgstraße
(heutige Schloßstraße) und der
Burggraben in Schwerin gegen
Ende des 18. Jahrhunderts

von

Archivdirektor Dr. Stuhr.

 

Vignette
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Unter den 1920 an das Archiv abgegebenen Akten des früheren Hofmarschallamts hat sich eine sehr beachtenswerte Zeichnung mit der Überschrift "Grundriß und Profil der Burgstraße in der herzogl. Residenz-Stadt Suerin" gefunden. Sie wurde im Jahre 1778, als man das Pflaster dieser Straße senken und ausgleichen wollte, von dem Ingenieur C. Bentschneider angefertigt. Oben sind die Häuser der nordöstlichen Straßenseite von dem heute Lentheschen Haus bis zum Alten Garten zierlich und sauber im Aufriß gezeichnet; unten ist ein genauer Situationsplan für beide Straßenseiten mit einer Liste der Hausbesitzer beigefügt. Von den Bauten auf der südwestlichen Straßenseite sind uns manche aus alten Abbildungen 1 ) wohlbekannt, so die alte Kanzlei (22), die herzogliche Wagenremise (21), die drei ganz massiv gebauten sogen. FF-Häuser, das Kommandantenhaus (20), das Haus des Kammerherrn v. Both (19) und das Hofgericht (18), andere, so die Häuser des Hofrats Mithoff (17), des Apothekers Klockmann (15) und des Hofrats Evers (14), sind noch heute vorhanden. Dagegen konnte man sich bisher keine Vorstellung davon machen, wie die Häuser auf der Seite des Nordischen Hofs gegen Ende des 18. Jahrhunderts aussahen. Deshalb gewinnt die kleine Bentschneidersche Zeichnung für die Lokalforscher eine Bedeutung, die ihr ursprünglich sicher nicht zukam.

Wie schlicht und kleinbürgerlich mutete doch die Burgstraße, die heutige Schloßstraße, noch 1778 an. Einfache, zweistöckige Häuser, teils mit der Langseite, teils mit der Giebelseite der Straße zugekehrt, die drei größeren von recht gefälligen Formen. Ganz links das Haus des Dr. Gronow (1) ist in dem Hause des Hofgraveurs Lenthe unschwer wiederzuerkennen, wenn die Zeichnung auch irrtümlich 4 Fenster statt der 3, die das Haus nach den Balkenstellungen von je her nur gehabt haben kann,


1) Jesse, Gesch. d. Stadt Schwerin I, S. 152, 155, 264.
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angibt. Das ist aber auch der einzige Bau, der unverändert aus jener Zeit erhalten ist. Es folgt das Haus des Bäckers Gronow (2), später in das Cohnsche Haus mit dem Eingang von der Königstraße aufgegangen. Die Königstraße mündete 1778 noch schmal und rechtwinkelig in die Burgstraße; erst beim Neubau des Krefftschen Hauses ist die rechte Häuserfront zurückgezogen, so daß ein dreieckiger Platz entstanden ist. An der Ecke der Königstraße lag das Haus der Konditorwitwe Hering (3) mit dazugehörigem eingefriedigtem Hofplatz. Es ging 1780 auf den Regierungsrat v. Rantzau, 1786 auf den Hofmedikus Dr. Gronow über und wurde 1793 von dem Hofkonditor Krefft angekauft und so seiner alten lieblichen Bestimmung wieder zugeführt. An Stelle des Heringschen Hauses und des später mit einem geschmacklosen dreistöckigen Hause von 4 Fenster Breite bebauten Hofplatzes ist 1908-09 der prächtige Krefftsche Neubau entstanden. Das Haus des Hofkommissärs Wittkop (4), worin eine Gastwirtschaft betrieben wurde, steht ebenfalls nicht mehr; dort ist später das jetzige Wolffsche Haus erbaut. Es schließen sich an die Häuser des Hofsattlers Heintz (5), des Hofrats Kossel mit Ein- und Ausfahrt (6) und der Witwe Bringmann (7), welche die Vorgänger des heutigen Nordischen Hofs sind. Das Gebäude der alten Mecklenburgischen Post (8) nahm die Ecke des Haushaltsgebäudes an der Ritterstraße ein. Mit dem Hause des Registrators Müller (9) an der andern Ecke der Ritterstraße schloß 1778 die Burgstraße auf jener Straßenseite ab. Die Häuser des Mundkochs Pobertz (10) und der Witwe Müller (11) hatten ihre Front zur Armensünderstraße hin, die sich hinter dem Ballhaus hinzog. Der Durchgang unter dem Alten Palais ist noch heute ein Rest davon.

Vor dem Kosselschen Hause und dem Posthause befanden sich noch Galerien, d. h. erhöhte eingefriedigte Vorplätze, die später als verkehrstörend empfunden wurden und allmählich weggeräumt sind. Heute finden sich Galerien nur noch auf dem Schelfmarkt; sie sind dort in kleine Vorgärten umgewandelt. Die runden und rechteckigen Flecke vor den Häusern 3 und 6-8, im Original grün angelegt, stellen keine Blumenbalkons, sondern Linden dar, bei denen der Zeichner nur vergessen hat, die Baumstämme einzutragen. Kossel schrieb 1779 einmal, daß er die Linden vor seinem Hause zum Schutze gegen die Mittagssonne fächerförmig gezogen habe.

Durch geschmackvolle Formen zeichnete sich vor allem das 1775 erbaute, bisher ganz unbekannte Haus (8) der Mecklenburgischen Post aus, in dem damals der Postdirektor Hennemann

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d. ä. 2 ) seines Amtes waltete. Dieser hatte schon 1769 auf die schlechte Beschaffenheit des bisherigen Posthauses hingewiesen und dann 1774 eine Untersuchung durch Sachverständige erreicht. Man stellte nun starke Versackung des Hauses fest, die darauf zurückzuführen war, daß die Sohlen der Scherwände und die Unterlagen der Fußböden vermodert waren. So entschloß sich der Herzog zum Neubau. Den Riß fertigte der Hofbaumeister Busch an, nachdem sich Bauhandwerker zuvor daran erfolglos versucht hatten. Als man im April 1775 schon beim Bau war, kam das Hofmarschallamt mit dem Antrag, das neue Haus zur Unterbringung von Gesandten, apanagierten Prinzen und deren Kavalieren zu verwenden. Ein solches Haus in der Stadt sei sehr nötig, da die Wirtshäuser sehr schlecht seien. Durch die bevorstehende Vermählung des Prinzen Friedrich Franz 3 ) werde das Schloß noch, mehr beengt, so daß eigentlich zur Logierung fremder Herrschaften nur die sogen. französischen Zimmer übrig blieben. Die Post könne sehr gut im Kommandantenhause unterkommen, worin sich eine geräumige Diele zur Aufbewahrung der Postsachen befinde, und der Kommandant würde sich nicht verschlechtern, wenn er in dem vormaligen Prinzenhause eine Wohnung bekäme. Die Regierung unterstützte den Vorschlag, aber der Herzog lehnte ab, weil er die Kosten für eine anständige innere Einrichtung des Hauses zu einem Kavalierhause scheute. So konnte denn die Postverwaltung, die ihren Betrieb während der Bauzeit von Michaelis 1774 an auf ein Jahr in das von ihr gemietete Hinterhaus des Sekretärs Mithoff verlegt hatte, zu Michaelis 1775 ihr neues Heim beziehen. Sie blieb dort bis 1849 und bezog dann ein neues größeres Gebäude an der heutigen Kaiser-Wilhelm-Straße, das der Vorgänger der gegenwärtigen Post ist.

Der Alte Garten hatte zur Zeit des Herzogs Friedrich einen wenig erfreulichen Abschluß. Hofmarschallamtsgebiet und Stadtgebiet waren voneinander durch den Burgkanal geschieden, einen ursprünglich 17-18 Fuß breiten, mit Quadersteinen ausgesetzten Graben, der früher schiffbar gewesen und den Verkehr von Holzschiffen zwischen Burg- und Großem See ermöglicht hatte, aber sich nun in völligem Verfall befand. 1763 bestellte der Herzog


2) Christoph Michael Hennemann, Postschreiber 1745, Postsekretär 1749, mit Exspektanz auf die Postmeisterstelle in Schwerin 1762, Postmeister 1764, Postdirektor mit dem Range eines wirkl. Hofrats 1770, † 1780. Ihm folgte als Postdirektor sein Sohn Advokat Christian Ulrich Ludwig Hennemann, † 1806, nach dem Urteil der Kammer einer der fähigsten damaligen herzoglichen Bedienten.
3) Vermählt 31. Mai 1775 mit Luise von Sachsen-Gotha-Roda.
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eine Kommission, diesen sogen. Faulen Graben zu besichtigen und über seinen Zustand zu berichten. Sie ließ zweckmäßig zunächst einen Plan 4 ) von dem Landmesser Schumacher entwerfen, der 1764 fertig ward. Vom Burgsee bis zur Justizkanzlei war nur noch eine schmale Rinne vom Kanal vorhanden, das übrige war ausgefüllt und diente seit vielen Jahren als Garten und Schießstand. Vor der Burgstraße war der Kanal noch 9 Fuß breit; dort führte eine Brücke hinüber, die in der Bentschneiderschen Zeichnung schon nicht mehr angegeben ist. Am schlimmsten sah die Strecke hinter der Armensünderstraße aus, wo der Kanal nur 1 1/2-2 Fuß breit und an einer Stelle schon ganz verschwunden war. Dort hatten die Anwohner ihn größtenteils zu ihren Hof- und Gartenplätzen gezogen, mit Ställen und anderen Nebengebäuden bebaut und viel Unrat hineingeworfen. Der Quergraben zum Großen See war wieder etwa 9 Fuß breit. Daß hier Abhülfe geschaffen werden mußte, lag auf der Hand; aber erst 1771 kam es zu Verhandlungen des Hofmarschallamts und Magistrats mit den Hausbesitzern der Armensünderstraße. Diese versuchten, die Rechte, die sie sich angemaßt hatten, zu behaupten. Aber die noch in der Erde steckenden Quadersteine zeigten nur zu deutlich an, wo der Kanal verlaufen war und also der Alte Garten seine Grenze hatte. So mußten sich denn die Anwohner dazu bequemen, die Plätze hinter ihren Häusern aufzuräumen, während die Ausfüllung und Planierung des Kanals von dem Hofmarschallamt und dem Magistrat übernommen wurde. Die wertvollen Quadersteine wurden 1773-78 ausgebrochen und zum Teil in Ludwigslust verwandt. Seitdem geht das Stadtgebiet unmerklich in das Gebiet der Burgfreiheit über.

Im Zusammenhang mit diesen Arbeiten stand nun ein Antrag des Kammerherrn v. Both von 1778 auf Senkung und Regulierung der Burgstraße. Er schilderte seine Not mit eindringlichen Worten. Sein Haus sei durch eine vor etwa 20 Jahren vorgenommene Erhöhung der Gasse so vergraben, daß man auf Stufen zur Diele herabsteigen müsse, und daß die Fenster in Höhe der Straße lägen. Die Gelegenheit zu einer Abhülfe sei günstig, da mit der abgetragenen Erde der Burggraben zugeworfen werden könne. Der Herzog entsprach dem Gesuch und übertrug Bentschneider die Ausführung der Arbeiten. Am 9. September 1778 standen die Regulierungsarbeiten kurz vor dem Abschluß, und es hieß damals, daß das Gefälle gut getroffen und die Gasse auch bei stärkstem Regen viel reinlicher sei als vorher. Trotzdem fand die Straßenregu-


4) Jesse I, 155
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Grundriß und Profil der Burgstrasse in der Herzogl. Residenz-Stadt Suerin (1778)
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lierung, die den heutigen Zustand begründet haben wird, nicht den ungeteilten Beifall der Anwohner. Besonders heftig widersetzte sich der Hofrat Kossel. Er sah in allem nur eine Begünstigung des Kammerherrn v. Both. Das Straßenpflaster sei nach seinem Hause hin abschüssig angelegt. Der Rinnstein sei ganz nahe an seine Galerie gerückt. Zwei seiner schönen Linden seien schon ausgegangen und andere würden folgen. In eine Senkung der Stufen vor seiner Tür wollte er nicht willigen und nur der Gewalt weichen. Die Gasse, früher eine der schönsten, sei jetzt die unflätigste in ganz Schwerin. Aber er hatte wohl Unrecht. Die gute Absicht des Herzogs, die bisher nur schmale Hauptstraße möglichst breit und ansehnlich zu machen, wird allmählich anerkannt sein. Die Kosselschen Türstufen wurden erst Ende 1779 auf Kosten der Regierung ergänzt, nachdem er über ein Jahr den ziemlich lebensgefährlichen Zustand seines Eingangs ertragen hatte.

In der Gegend, wo jetzt das Alte Palais steht, sprangen in den 60er und 70er Jahren des 18. Jahrhunderts die Häuser des Postverwalters Prosch, des Kaufmanns Ferdinand Berber und ein Anbau der Wegnerschen Schule in die Burgstraße vor. Sie hinderten den freien Blick von der Schloßbrücke bis in die Gegend des sogen. katholischen Hofes und wurden daher 1776-1778 vom Hofmarschallamt teils durch Kauf, teils durch Umtausch erworben und abgerissen. Als Bentschneider 1778 seinen Plan anfertigte, waren sie schon fortgeräumt, so daß nur die Häuser des Mundkochs Pobertz (10) und der Witwe Müller (11) an der Armensünderstraße auf diesem Plan sichtbar sind. Aber auch diese Häuser gewährten noch keinen erfreulichen Anblick für die Schloßbewohner. So beförderte man denn gern den Plan des Oberamtmanns Dr. Hertzberg, zwischen Armensünderstraße und Altem Garten ein ansehnliches neues Gebäude aufzuführen. Im Herbst 1790 kaufte Hertzberg die kleinen Häuser des Gastwirts Heuckendorff (Häuserregister Nr. 402 a), des Hofmarschallamts (Nr. 404) und des Chirurgen Roth zu Reval (Nr. 402 b) an und erbaute dort, jedenfalls 1791, ein großes Wohngebäude in Fachwerk 5 ), das, abgesehen von den beiden Fenstern über dem Durchgang zur Armensünderstraße, gleichmäßig je neun Fenster Front und je ein Frontispiz von drei Fenster Breite nach der Burgstraße und nach dem Alten Garten hatte. Hertzberg behielt das Haus nur bis 1798 und verkaufte es dann an den Advokaten, späteren Hofrat Kühm.

Die für die damaligen Verhältnisse augenscheinlich besonders bequeme Einrichtung des Hauses und seine günstige Lage erweckten


5) Treffliche Abbildung bei Jesse II, S. 395.
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nun in dem Erbprinzen Friedrich Ludwig den Wunsch, das Haus für sich zu erwerben. Nachdem der Oberschenk Frhr. v. Förstner zunächst die Bereitwilligkeit des Kühm zum Verkauf erkundet und sich über den Preis und die sonstigen Bedingungen unterrichtet hatte, wurde am 10. November 1801 der Kaufvertrag zwischen dem Hofmarschall v. Mecklenburg als Bevollmächtigten des Erbprinzen und Kühm abgeschlossen. Mitverkauft wurden eine Anzahl Möbel und ein kleines Nebenhaus (Nr. 401 b) an der Armensünderstraße, das Kühm 1801 von der Frau Leutnant Romanus gekauft hatte, und das vorher dem Hofzeichner Krüger gehörte. Der Kaufpreis betrug insgesamt 21200 Tlr.

Die Ausstattung des Palais wurde in größter Eile von der Hamburger Firma Masson und Ramée ausgeführt und, nachdem man die letzten Nächte durchgearbeitet hatte, am 11. Januar 1802 vollendet. Der Erbprinz brachte den Fortschritten der Arbeit das größte Interesse entgegen, wie 16 bei den Akten befindliche Briefe bezeugen. Schon am Sonntag, 10. Januar, kam er aus Ludwigslust herüber und wohnte die erste Nacht noch im Schloß. Am nächsten Tag folgte seine Gemahlin nach. Das Haus wurde am 13. Januar mit einer (nachträglichen) Geburtstagsfeier zu Ehren der Erbprinzessin Helene Paulowna (geb. 13. Dezember) eingeweiht. Daran schlossen sich am 14. Januar ein großer Ball und am 15. Januar eine Maskerade.

Ein Jahr vor dem Tode des Erbgroßherzogs Friedrich Ludwig, im Jahre 1818, wurde das Palais an der Alten-Garten-Seite nach einem Anschlage des Hofbauinspektors Barca noch um 29 Fuß verlängert, wodurch es vier weitere Fenster und noch ein Frontispiz, von zwei Fenstern, erhielt. Eine jetzt nicht mehr vorhandene Nebentür führte da hinein, wo jetzt das fünfte Fenster von rechts ist. Man erkennt die Stelle noch daran, daß dort in der Flucht ein Kellerfenster fehlt.

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