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Jahrbücher

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Altertumskunde,

 

gegründet von Friedrich Lisch,

fortgesetzt von Friedrich Wigger und Hermann Grotefend.

 


 

Siebenundachtzigster Jahrgang.

herausgegeben von

Archivdirektor Dr. F. Stuhr,

als 1. Sekretär des Vereins.

 

Mit angehängtem Jahresbericht.
Auf Kosten des Vereins.

 

 


Schwerin, 1923.

Druck und Vertrieb der Bärensprungschen Hofbuchdruckerei.
Vertreter: K. F. Koehler, Leipzig.

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Inhalt des Jahrbuchs.


Seite
I. Auch ein Schillerverleger, Hofbuchhändler Salomon Michaelis in Neustrelitz und seine höfischen Beziehungen. Von Archivdirektor Dr. Hans Witte, Neustrelitz 1
II. Mecklenburg und die Reichsgründung. Die Politik der mecklenburgischen Regierungen 1866-1870/71. Von Dr. Karl Pagel, Berlin-Wilmersdorf 27
III. Geschichte des Schweriner Hoftheaters 1836-1855. Von Dr. Helene Tank, Mirow 71
IV. Die Burgstraße (heutige Schloßstraße) und der Burggraben in Schwerin gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Von Archivdirektor Dr. Friedrich Stuhr 107
V. Die geschichtliche und landeskundliche Literatur Mecklenburgs 1922/1923. Von demselben 115
Jahresbericht (mit Anlage) 128

 

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I.

Auch ein Schillerverleger,

Hofbuchhändler Salomon Michaelis in
Neustrelitz und seine höfischen Beziehungen,

nach Papieren des Neustrelitzer Hauptarchivs

von

Archivrat Dr. Hans Witte-Neustrelitz.

 

Vignette
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I n seiner Artikelreihe "Schillers Verleger" ist I. H. Eckardt (Börsenblatt für den deutschen Buchhandel Nr. 83 vom 10. April 1905 S. 3466) unter anderen näher auf den Neustrelitzer Verlagsbuchhändler Michaelis eingegangen, bei dem Schiller seinen Musenalmanach für 1796 erscheinen ließ. Im Gegensatz zu Goedeke schildert er ihn als einen Mann von recht fragwürdigem Charakter, ohne jedoch in dieser Hinsicht eine völlige Klärung herbeizuführen.

Höchst merkwürdig bleibt es immerhin, wie dieser Salomon Michaelis aus Hameln, der ohne Mittel zu Anfang der Regierungszeit des Herzogs Carl Ludwig Friedric 1 ), des Vaters der Königin Luise, in Neustrelitz auftauchte, es zu so glänzenden literarischen Beziehungen gebracht hatte, wie sie mit Namen eines Wilh. v. Humboldt und Schiller schon in Eckardts Aufsatz hervortreten. Merkwürdiger noch, wie er in fürstlichen Kreisen Verbindungen hat gewinnen können, wie Fürsten und fürstliche Frauen an ihn glaubten und ihm eine Teilnahme entgegenbrachten, die Sterblichen von solcher Art nur höchst selten zuteil wird und sogar vor Geldopfern nicht zurückschreckte.

Kaum begründet, befand sich seine "Neu-privilegierte Hofbuchhandlung" schon in Schwierigkeiten. Der Neustrelitzer Kammeragent Nathan Meyer und mehrere seiner Berliner Freunde hatten - so klagte Michaelis - die zugesicherten Hülfsleistungen nicht erfüllt. Da half der Herzog mit einer auf drei Jahre erteilten Bürgschaftsverschreibung über 3000 Taler aus (23. Dezember 1794). Ihm hatte die in seiner Residenz errichtete Hofbuchhandlung, wie er in der genannten Bürgschaftsurkunde und später nachfolgenden zum Ausdruck bringen ließ, "zum besonderen Wohlgefallen gereichet", so daß er "zum desto besseren Fortkommen dieses Etablissements entschlossen" war, die erbetene Bürgschaft zu gewähren.

Dieser ersten herzoglichen Bürgschaft folgte schon nach einem starken halben Jahre (28. August 1795) eine zweite über 2000


1) Regierungsantritt am 2. Juni 1794.
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Taler, gültig bis Ende Juni 1796. Und anfangs 1796 trat Michaelis schon wieder an seinen herzoglichen Förderer heran. Er wollte seiner Buchhandlung eine Buchdruckerei angliedern, wofür in der raschen Ausbreitung des Michaelisschen Verlagsunternehmens eine zwingende Veranlassung vorliegen mochte, und erbat dafür einen Kreditbrief auf 5000 Taler.

Nach Rückgabe der beiden ersten Bürgschaftsverschreibungen wurde auch diese mit Gültigkeit für ein Jahr auf Befehl des Herzogs ausgefertigt (20. April 1796).

Ein starkes Jahr lang hatte der Herzog Ruhe. Doch im Sommer des nächsten Jahres brachte Michaelis sogar Unruhe in den Pyrmonter Kuraufenthalt des Herzogs. Zwar handelte es sich diesmal nicht unmittelbar um Geld oder Bürgschaft, sondern nur um ein Zeugnis, das der Herzog am 27. Juli seinem Hofbuchhändler auszustellen veranlaßt wurde: "Wir haben es Uns von jeher zum angenehmsten Geschäfte gemacht, den mit Unrecht leidenden den Beistand zu leisten, den sie unserer Überzeugung nach verdienen. In dem vollen Vertrauen, welches Wir in die Thätigkeit und Rechtschaffenheit des Salomon Michaelis aus Hameln zu setzen hinreichenden Grund hatten, trugen Wir kein Bedenken, das Uns vor einigen Jahren bekannt gewordene Vorhaben desselben, in Unserer Residenzstadt Neustrelitz eine Buchhandlung einzurichten, zu genehmigen und möglichst zu unterstützen."

Folgt Ausdruck des Vergnügens am Wachstum des Unternehmens und der Freude, "einen Mann, der ohne Vermögen ein wichtiges Werk begann, in kurzer Zeit in dem Besitze einiges Eigenthums und in der Lage zu sehen, ohne Unterstützung durch unermüdliche Thätigkeit dasselbe weiter fortsetzen zu können, und auf diese Art zur Gründung seines bürgerlichen Glückes, dessen er sich durch ein untadelhaftes sittliches Betragen werth gemacht hat, beigetragen zu haben."

Darum kann es dem Herzog nicht gleichgültig sein, "wenn nachtheilige Gerüchte, sie mögen von Berlin aus oder aus dem Mecklenburgischen selbst verbreitet worden seyn, die beabsichtigte nothwendige Veränderung der häuslichen Verfassung des gedachten Michaelis verzögern oder gänzlich vereiteln sollten. Wir nehmen deswegen keinen Anstand, die Nichtigkeit und Grundlosigkeit der gegen erwähnten Unsern Hofbuchhändler Michaelis vorgebrachten Beschuldigungen zu versichern und dadurch sowohl, als durch das Zeugniß eines unsträflichen Lebenswandels . . . alle Bedenklichkeiten zu heben, welche durch lieblose und falsche Nachreden zu seinem Nachteile entstanden sind."

Dem Herzog würde es "angenehm seyn", wenn er durch sein

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Zeugnis "die offenbare Ungerechtigkeit des Verfahrens" gegen Michaelis "einleuchtend gemacht, das unverdiente Mißtrauen . . . entfernt, dadurch zur gütlichen Beilegung einer verdrießlichen Sache mitgewirkt und durch die Zusicherung Unserer fernern Gnade und der Fortdauer Unsers Schutzes die fehlende Beruhigung denen gegeben hätten, welchen diese noch abgeht."

Es handelte sich offenbar um die von Michaelis erstrebte reiche Heirat, von der auch im Börsenblatt (a. a. O. S. 3469) kurz andeutend die Rede ist. Humboldt schrieb von ihr schon am 8. September 1795, als sei sie unmittelbar bevorstehend. Die Sache hatte sich also recht lange hingezögert. Offenbar hatte allerlei üble Nachrede störend eingewirkt, und zwar in solchem Maße, daß nunmehr - im Juli 1797 - die Gefahr völligen Scheiterns bestand.

Da hatte sich der Herzog also bereit gefunden, in sehr ungewöhnlicher Weise einzugreifen, um die schwer gefährdete Heirat, auf der die Zukunft der Hofbuchhandlung beruhte, doch noch zu retten. Genützt hat es allerdings nichts. Die Heirat ist nicht zustande gekommen. Alle Hoffnungen auf sie hatte Michaelis offenbar begraben, als er am 8. Oktober 1797 in seiner phrasenhaften Art, um "die endliche Ruhe nach einem Kampfe mit den widrigsten Schicksalen und zerstörendsten Ereignissen meines Lebens zu erlangen", von der "väterlichen Teilnahme" des Fürsten zwei neue Bürgschaften über je 3000 Taler erbat. Die Formulare hatte er vorsorglich schon beigefügt ganz nach dem Wortlaut jener ersten, "mit denen ich den Weg betrat, der mich zu meiner nützlichen Thätigkeit führte und mein bürgerliches Glück begründete, das eine arglistige Bosheit und seltene Mißgunst so hämisch zu untergraben bemüht ist".

So mit Miene und Haltung der verfolgten Unschuld erscheint Michaelis vor seinem herzoglichen Beschützer. In seiner "peinlichsten Situation" bedarf er "schleuniger Hülfe". "Die Messe nimmt in dieser Woche ihren Anfang; und durchaus in dieser muß ich jene boshafte Verläumdungen zerstören und das Zutrauen in der kaufmännischen Welt durch das ehrende Vertrauen meines Fürsten, unter dessen Augen ich in meinem Werke arbeite, aufs neue begründen."

Von den Bürgschaftsurkunden wollte Michaelis "eine nach Hamburg an den Bürgermeister Martin Dorner sende[n], um mir dadurch das Zutrauen dieses berühmten Handlungshaus zu verschaffen. Die andere aber würde ich nach Leipzig senden, um dort die Grundlosigkeit aller über mich daselbst ausgesprengten Verläumdungen belegen zu können".

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Dem Regierungsrat v. Normann, der diese Angelegenheit bisher im Auftrage des Herzogs bearbeitet hatte, wurde sie allmählich zu bunt. Als der Herzog ihm erklärte, er sei gesonnen, das Gesuch zu gewähren, zog er sich von der Sache zurück, indem er bat, sie künftig durch den ersten Beamten des Landes, den Geheimratspräsidenten v. Dewitz, betreiben zu lassen.

Dewitz erhob sogleich Einwendungen, und der Herzog erklärte auch, durch seine Gründe "vollkommen überzeugt" zu sein. Aber er fühlte sich "Persohnlich compromittirt u. in Verlegenheit", weil er dem Michaelis "bey Erhaltung des Gesuches" freilich ohne "die Folgen genug zu prüfen . . . im Beysein Seines Bruders" geantwortet hatte: "Ich gebe Ihm mein Wort, daß ich Ihm willfahren will - Er kennt mich. Ein Ehrlicher Mann hält sein Wort". Dies sind die eigenen Worte des Herzogs in seinem an Dewitz gerichteten Brief vom 15. Oktober 1797. Er habe noch nie sein Wort gebrochen, fuhr er fort, und es zu brechen würde ihm doppelt schmerzhaft sein, weil Michaelis dann "mit Sein ganzen sonst gewiß guten Institut verlohren" wäre und "andern Theils deßen Bruder, der in Hann[over] etablirt ist - nicht anders als Nachtheilig von mich denken müßte".

Des Herzogs wiederholt ausgesprochener Wunsch, "daß für diesmal dem Supplicanten zu deßen Aufrechthaltung geholfen werde", behielt doch die Oberhand. Am 17. Oktober sandte er dem Präsidenten die beiden Bürgschaften unterzeichnet zurück. Mit den wärmsten, ja überschwänglichen Worten dankte er ihm für die Offenheit seiner Meinungsäußerung und versprach ihm "bey meinem Worte - das eines Ehrlichen Biedern Mecklenburgers, Nie wieder in ähnlichen mislichen Sachen mich einzulaßen".

*              *
*

Die tätige Anteilnahme Herzogs Karl für seinen Hofbuchhändler und dessen Geschäft, das er fast täglich besucht haben soll, beruhte vielleicht doch nicht nur, wie Humboldt meinte (Börsenblatt a. a. O. S. 3469), auf einer leeren Fürstenlaune. Des Herzogs ältester Sohn, Erbprinz Georg, hat sich in einem Briefe vom 4. Mai 1798 an die Freiin v. Bose, Ehrendame bei der Landgräfin-Witwe von Hessen zu Neustrelitz, darüber ausgesprochen: "Mein Vater hatte bey seinem Regierungs Antritte die Absicht, einen fleißigen talentvollen Mann in einem Gewerbe zu unterstützen, welches mit einigem Glücke manchem Nahrungszweige in Neu Strelitz hätte nützlich werden können. Wenn diese Absicht in jedem Fürsten verdienstlich ist, so war sie es bey meinem Vater

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doppelt; denn die ganz eigenthümliche Zusammensetzung seiner Residenz machte dieß zu einem desto wichtigern Gegenstande, da fast die ganze Stadt nur vom Hofe lebt und folglich manche nöthige Ersparniß am Hofe entweder unmöglich oder für sehr viele Bewohner höchst nachtheilig macht! - Wie wichtig wird hier daher jeder neue Erwerbszweig?"

Und weiter über das Verhältnis seines Vaters zu Michaelis: Auch wenn sein Urteil geirrt hätte, "so blieb doch wahrlich die Absicht immer sehr lobenswerth". Die Erneuerung der "Verbindlichkeiten ist durchaus nichts mehr und nichts weniger als eine natürliche Folge der Dinge! Denn unter seinen Augen ward Michaelis in Hannover das Opfer der schändlichsten Cabalen, die sogar den Schutz und das Wohlwollen seines Fürsten zu seinem Nachtheil wirksam machten. - Von eben diesem war mein Vater Zeuge; und welcher Grad der Gefühllosigkeit würde dazu gehört haben, ihn jetzt sinken zu lassen! Nein! das konnte mein Vater nicht - und ich danke Gott, daß er's nicht konnte". Das kann sich nur auf das erfolglose Eingreifen des Herzogs in Michaelis, hannoversche Heiratsangelegenheit beziehen.

Der Erbprinz sah alle diese Dinge, in die doch zum mindesten das Geschäft in sehr nüchterner Weise hineinspielte, durch die alles vergoldende Brille seiner harmlos frischen Jugendlichkeit. Als er dieses schrieb, hatte er sein neunzehntes Lebensjahr noch nicht vollendet. In Rostock, wo er schon seit einiger Zeit mit seinem Erzieher, dem Obersten v. Graefe, Studierens halber weilte, wurden sehr rege Beziehungen mit Michaelis unterhalten. Der Oberst hatte heimliche, aber starke literarische Neigungen, und Michaelis war sein Verleger. Das führte von selber zu einem lebhaften Briefwechsel, der vom 12. April 1796 an erhalten ist. Für die Stellung, die Michaelis sich am Neustrelitzer Hofe zu schaffen gewußt hatte, ist es kennzeichnend, daß in den Briefen des Obersten fast nie ein Gruß des Erbprinzen an Michaelis fehlte.

Briefe des Hofbuchhändlers an den Obersten sind leider nicht erhalten. Sie folgten ihm auch nach Wiesbaden und Darmstadt, wo er vom Juni bis zum August 1797 in Begleitung des Erbprinzen Georg weilte. Nicht allein Briefe, auch Korrektursendungen. Letztere mußten mit besonderer Vorsicht behandelt werden, "weil sonst mancherley Dinge (bey der redlichen und gewißenhaften administration unserer deutschen Posten) möglich sind!" So schrieb der Oberst aus Wiesbaden unterm 20. Juni 1797. Er legte keinen Wert darauf, als Verfasser des Werkes bekannt zu werden, dessen Drucklegung damals durch den Neu-

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strelitzer Verleger besorgt wurde. Dank der Unterstützung des Herzogs Karl hatte Michaelis soeben mit dem Betriebe seiner Druckerei beginnen können.

Am 14. September 1797 konnte Oberst v. Graefe seinem Verleger den Eingang des ersten fertigen Exemplars bestätigen. Er hatte es so früh nicht erwartet. Überhaupt war die Drucklegung glatt vonstatten gegangen. Der Oberst lobte die Genauigkeit der von Michaelis besorgten Korrektur: "Ich habe nur einige höchst geringfügige Abweichungen von meinem eigenen Manuskript darin entdecken können - und diese sind wahrscheinlicher Weise schon in der Abschrift des Prinzen entstanden, so groß auch seine Aufmerksamkeit beim Abschreiben war! Überhaupt hat das ganze Produkt wahrlich nur Ihrem beyderseitigen guten Willen und Fleiß seine Entstehung und vorzüglich seine Erscheinung zu verdanken! Da es sonst (wie so manche seiner früheren Brüder) sicherlich nie das Licht der Welt erblickt haben würde."

Dies Werk, dem so hohe Ehre widerfuhr, daß ein Erbprinz und späterer Großherzog es für die Drucklegung abschrieb, war ein Schauspiel in fünf Akten, betitelt "Die Jakobiner in Deutschland", erschienen "Neustrelitz bey dem Hofbuchhändler Michaelis 1797". Das geht aus späteren Briefen des Obersten an Michaelis zweifelsfrei hervor, so aus einem nachgelegten Zettel in einem "Rostock den 6. Januar 1798" datierten Briefe, wo es heißt: "Ist die Ankündigung der Jacobiner erschienen? und kann man auch in andern Buchhandlungen darnach fragen, z. B. in Hamburg?"

Volle Befriedigung schien Oberst v. Graefe selber nicht über dies Kind seiner Muse zu empfinden. Schon am 14. September 1797 bedauerte er, keine nochmalige Durchsicht der Druckbogen vorgenommen zu haben, nicht wegen der Druckfehler, "wohl aber als Berichtigung meiner eigenen Gedanken Reihe, um wenigstens durch diese Korrektur die sehr große Ei1e einigermaaßen zu ersetzen, mit welcher das ganze Werk zu Stande gebracht ward! Vorzüglich einiger Theater Rücksichten wegen . . .

Doch da es nie die Absicht war, daß dieses Stück auf der Bühne selbst sein Glück machen sollte (denn der Verfaßer deßelben wird gewiß nie bekannt werden), und sein Zweck völlig erreicht wird, wenn unter hundert Lesern auch nur einige wenige auf den schändlichen Mißbrauch der heutigen Democraten Inquisition aufmerksam gemacht werden - so haben die dramatischen Mängel deßelben um so weniger Etwas auf sich!"

Dankend lehnte er am 6. Januar 1798 bei Bestätigung des Empfanges der Druckexemplare das günstige Urteil des Ver-

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legers ab, er habe wohl "den behandelten Gegenstand mit der Behandlung" verwechselt. Auch hegte er Besorgnisse, "daß Sie die Erscheinung des Produktes selbst - zu lange verzögerten! Sie wißen, wie viel bei Schriften, welche auf den gegenwärtigen Augenblick Bezug haben, darauf ankömmt, daß sie auch in diesem Augenblicke erscheinen" usw. "und nun denken Sie, daß das Stück vor einem Jahre geschrieben ward! Wird der gegenwärtige Zeit Punkt eine ähnliche Stimmung des Lesers voraussetzen laßen? Jetzt - wo jeder Gedanke an Jacobiner und Frankreich - nur Mißmuth und Unwillen erregt, und man nur ungern sich an Thorheiten und Greuel erinnern läßt, die solche Folgen für unser unglückliches Vaterland hervorbrachten!"

Doch der Oberst hatte schon ein anderes Geisteskind erzeugt, das besser in die veränderten Zeitumstände paßte: "Das überall in jeder deutschen Brust sich regende Gefühl der Indignation bey dem uns bevorstehenden Frieden ist so laut, daß es gewiß vielen Lesern ein wahrer Herzens-Genuß seyn dürfte, wenn irgend ein Deutscher diese Gefühle öffentlich ausschüttete!"

Könnten diese Worte nicht auch in unseren Tagen geschrieben sein?

Es handelte sich also um eine politische Flugschrift. Sie sollte, wie alle Geistesprodukte Graefes, ohne Verfassernamen erscheinen und auch ohne Druckort. "Nur das begreiffen Sie, lieber Herr Michaelis, es darf auch nicht ein Tag verlohren werden; denn mit jeden 24 Stunden wird die Würkung, die es vielleicht hervorbringen könnte, geringer."

Aber der Zensur wollte er seine Schrift nicht entziehen, denn - so schrieb er am 16. Januar 1798 - "endlich scheue ich mich eben so sehr vor den Folgen einer Censur Inquisition, als ich dieses litterärische Ungeheuer selbst verabscheue!"

Auch dies können wir heute nach der Kriegszensur von vier langen Jahren sehr lebhaft mitempfinden.

Der Oberst ist einverstanden, daß seine Flugschrift im Verlage Michaelis' erscheint, auch daß dieser sie "in Ihr Journal einrückten", doch dürfen die drei oder mindestens 21/2 Druckbogen nicht auf zwei Hefte verteilt werden. "Eine andere Frage ist es, ob dieser Brief an Bounaparte, der (wenn er je ins französische sollte übersetzt werden) gewiß weder dem General, noch dem Directorio besonders gefallen möchte, nicht lieber sich von einem andern Orte herschreiben sollte, als von der Residenz eines mit

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dem Preußischen Hofe so nahe verschwisterten Fürsten, deßen Sohn noch oben drein von den Franzosen mit so vieler Auszeichnung in Wisbaden während seiner Cur behandelt ward?" Deswegen glaubt er: "Wir thun beßer, wenn wir den irgendwo gedruckten Brief in das Journal aufnehmen - um so mehr da im Grunde Brief und Journal zugleich erscheint! und die strenge Nemesis darf um so weniger Bedenken tragen, diesem Briefe ihre sanction zu geben, da er nicht allein ganz von ihrem Geiste beseelt ist, sondern auch ein Beweiß darbiethet, daß sie nicht etwa nur hie oder da - in Deutschland - sondern überall das Unrecht rügt, und nur die reinste Vaterlandsliebe mit dem Unwillen verbindet, der sie auffordert, dem Geiste der Opposition eine zweckmäßige Richtung zu geben!"

Die politische Flugschrift, die Oberst v. Graefe jetzt anonym in die Welt zu schicken im Begriffe stand, war demnach das "Schreiben an Buonaparte", und das "Journal", in dem sie abgedruckt werden sollte, die "Nemesis". Beide sind verzeichnet in dem "Gegenwärtigen Verlagsvorrath 1798", den Michaelis beim Zusammenbruch seines Unternehmens im August des genannten Jahres dem Herzog vorlegte. Vom "Schreiben an Buonaparte" waren darin noch 69, von der "Nemesis", von der nur das erste "Stück" das Licht der Welt erblickt hat, noch 651 Exemplare verzeichnet.

Eine nennenswerte Wirkung hat offenbar diese ganze anonyme Schriftstellerei des Obersten-Prinzenerziehers nicht hervorgebracht. Von dem Schauspiel (Jakobiner) waren im genannten "Verlagsvorrat" noch 1045 Exemplare außer 22 auf feinerem Papier verzeichnet. Dies Schauspiel und das "Schreiben eines Deutschen an den General Buonaparte. Deutschland 1798", wie es mit seinem vollen Titel lautet - also auch der Verlag war verschwiegen! -, sind wenigstens noch in der Landesbücherei zu Neustrelitz vorhanden. Von der "Nemesis" fehlt auch dort jede Spur.

Das Schreiben an Buonaparte war im Februar 1798 fertig geworden. Am 18. meldete der Oberst seinem Verleger, er habe es "gestern an den König geschickt". "Der Himmel gebe seinen Seegen dazu, daß der Brief einige Würkung thut - wonicht, so wird er doch vieleicht manchem meiner Landsleute einige Beruhigung und Trost bey der allgemeinen National Schande gewähren."

Wann das erste und einzige Heft der "Nemesis" herauskam, ließ sich nicht genauer feststellen. In einem ganz ungenau "Montags Morgen" datierten Brief schreibt der Oberst: "Herr Hof Buchhändler Michaelis - ist ein gescheuter Mann - ein

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thätiger Mann - ein charmanter Mann! - nur kein prompter Mann! Sagen Sie mir, lieber Freund, warum ich das erste Heft Ihrer Nemesis noch nicht erhalten habe? schon seit zwey Post Tagen erwarte ich es! Wißen Sie denn nicht, wie viel auf den Augenblick ankömmt in dieser Welt? Hätten Sie mir es früher geschickt, so hätte die schöne Königinn Ihr Journal dem Könige (welcher der Maaßern wegen im Bette liegen mußte) vorgelesen! Und für diese Ohren war es doch ganz gemacht -! Dieser Augenblick ist nun vorüber! und kömmt nicht wieder!"

*              *
*

War schon Herzog Karl dem Hofbuchhändler Michaelis eine Stütze von unschätzbarem Wert, sein freundschaftlich-geschäftliches Verhältnis zum Obersten v. Graefe und nicht minder das jugendliche Vertrauen des Erbprinzen bedeuteten für ihn kaum weniger. Und beides hielt noch vor, als der Herzog unter der Einwirkung seines welt- und geschäftskundigen Präsidenten v. Dewitz sein Wort gegeben hatte, sich auf so mißliche Sachen wie diese Geldbürgschaften nicht wieder einzulassen.

Michaelis' Schwierigkeiten, über die die letzten Bürgschaften des Herzogs nur vorübergehend hinweghelfen konnten, kehrten bald wieder. Schon am 6. Januar 1798 beteuerte Graefe dem Buchhändler den "aufrichtigen Antheil", den er wie der Erbprinz "an Ihrer leider immer noch fortdauernden Lage nehme". Beide wünschen zu helfen. "Allein Sie kennen ja die Verhältniße, die ihn [den Prinzen] verhindern, sich unmittelbar für Ihre Angelegenheit bey seinem Herrn Vater zu verwenden . . . Indeßen werden wir beyde - Er und ich - heute noch an die Prinzeß Louis nach Berlin schreiben, um diese zu bewegen, das zu thun, was der Prinz leider nicht thun kann."

Doch die erhoffte Wirkung blieb aus. Am 7. Februar schrieb Graefe, "daß dem Prinzen sowohl als mir Ihre dermahlige Lage um desto mehr Kummer macht, da außer den zwey Mitteln, die ich unaufgefordert ergriff (und von denen ich leider bis jetzt keinen Erfolg gesehen) mir auch gar keine Möglichkeit einleuchtet, Ihnen helfen zu könimen! Wann Sie hier her kommen, so sollen Sie selbst den Brief lesen, den ich für den Prinzen an seine Schwestern in Berlin aufgesetzt - damit diese ihn an den Herzog schicken und darauf ihre Gründe zur Fürsprache bauen - oder selbst bewegt werden sollten, sich Ihrer anzunehmen. - Mein eigener Brief war noch weniger schonend und schilderte Ihre Lage und was Sie in dieselbe gestürzt, mit so leb-

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haften Farben, daß ich ein unthätiges Zusehen von Seiten der Prinzeßin für unmöglich hielt. - Doch Ihr ungünstiges Gestirn scheint auch in Berlin zu würken. - Einem Hamburger Kaufmann, Herrn Flügge, hatte ich Ihre Lage geschildert - und er gab mir würklich viel Hoffnung, Ihnen einen Vorschuß auf billigen Zinsen zu thun - aber leider ist Er, wie ich sehe, nicht nach Strelitz gekommen - und also auch dieß hat mir fehlgeschlagen. Jetzt weiß ich durchaus nichts mehr" usw.

Etwas höher stand Graefes Hoffnungsbarometer am 15. Februar. Der Erbprinz hatte zu Michaelis' Gunsten an Fräulein v. Bose, er selber an Prinzeß Friederike geschrieben. "Hoffentlich ist jetzt alles zu ihrer Zufriedenheit besorgt - worüber der Prinz sowohl als ich eine herzliche Freude haben."

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*

Während hier freundschaftliche Gesinnung und jugendlicher Gefühlsüberschwall sich bemühte, einen durch Geldnöte Bedrohten zu retten, arbeitete in Neustrelitz der Präsident v. Dewitz mit nüchtern klarem Geschäftsgeist daran, eine Geldangelegenheit zu regeln, in die sein Landesherr in gutmütiger Leichtfertigkeit sich hatte verwickeln lassen. Er drängte auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunden. Da führte im Januar 1798 ein auf der Post beschlagnahmtes, auf 4000 Taler Gold deklariertes, in Wirklichkeit aber wertloses Kästchen eine Untersuchung gegen Michaelis und seinen jüngeren Bruder puncto falsi herbei.

Der Erbprinz wankte gleichwohl nicht in seinem Glauben, und in Berlin flossen Tränen aus den Augen einer schönen Fürstin um dieses Mannes willen! Prinzessin Friederike hatte sich endlich entschlossen, für Michaelis das erforderliche Geld zu beschaffen. Eine langwierige Krankheit und der Tod ihres Kindes hatten ihr, wie der Erbprinz später (17. Mai 1798) dem Präsidenten mitteilte, bis dahin ein Eingreifen unmöglich gemacht. Nun aber trat der König hindernd in den Weg. Er verweigerte seine Unterschrift unter den schon fertigen Kreditbrief und "hat . . . mich zugleich sehr deutlich und dringend gebeten, mich ganz und gar nicht darin einzulassen". So schreibt die Prinzessin in fliegender Eile am 1. Mai aus Potsdam ihrem erbprinzlichen Bruder. Sie war untröstlich "wegen dem armen Michaelis", dem sie eigenhändig ein äußerst mitfühlendes Briefchen sandte, und ihre "Pflicht meines Vaters Ehre und eines Ehrlichen Mannes Ehre zu retten" nicht erfüllt zu haben. "Ich habe schon heute geheult, daß ich nicht retten kann." Der Erbprinz möge nun versuchen, auf einen anderen Namen Geld anzuschaffen.

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Der schüttete sein Herz in einem langen Briefe an die Freiin v. Bose aus, da er sich grundsätzlich in Regierungsangelegenheiten nicht einmischen wollte. Schon am 8. März hatte er in einem Briefe an dieselbe Ehrendame seiner Auffassung dahin Ausdruck gegeben, daß sein Vater, der Herzog, das Geld für Michaelis hergegeben haben würde, "wenn andre Leute sich nicht hinein mellirt hätten". Das zielte deutlich auf den Präsidenten v. Dewitz. Jetzt auch - am 4. Mai - konnte und wollte er dem Präsidenten nicht dankbar sein, wenn dieser auch noch so sehr "das Intereße unseres Hauses und folglich auch das meinige wahrnähme. . . . Ich würde über mein Gefühl erröthen, wenn die Ehre meines Vaters - sein Ruhm als Fürst und Mensch mir weniger am Herzen läge als der Zustand seiner Finanzen; ich würde über mein Gefühl erröthen, wenn ich mich über eine Ersparniß freuen könnte, die das Unglück eines Menschen machte! - Ich kann es freylich wohl begreiffen, daß die mancherley Versprechen und Verbindlichkeiten, welche durch Zudringlichkeiten aller Art oft der Güte meines Vaters entlockt wurden, seinen Minister in Verlegenheit zu setzen im Stande sind - und ich schätze den Mann, der Selbstständigkeit genug besitzt, um laut dagegen zu protestiren und die übelen Würkungen davon, so viel an ihm liegt, zu verhüten -! Aber auch dieses verdienstliche Benehmen hat, wie jedes in der Welt, seine Grenzen! - Weder die Ehre des Fürsten, noch das Glück eines Menschen - dürfen das Opfer seyn! Denn sonst wird ein anderer Grundsatz verletzt, der unendlich wichtiger ist und heiliger seyn soll - die Pflicht der Treue und Gerechtigkeit."

Schöne Worte und edle Empfindungen des Bruders Luisens, die schon um deswillen wert sind, der Vergessenheit entrissen zu werden! Die Bürgschaft seines Vaters sei kein "übereiltes noch ein abgedrungenes - sondern ein völlig überdachtes, durch Umstände nothwendig gemachtes Versprechen" gewesen. Jetzt sah er seinen Vater in der Gefahr, "auf die schrecklichste Art compromittirt zu werden - denn ich halte unbedingt die Wiederzurücknahme der Bürgschaft für die offenbarste Verletzung seines Fürstlichen Worts: so wie ihn selbst verantwortlich für jede Folge dieser Nicht-Erfüllung seines Versprechens!" Er müsse "entweder sein Versprechen ableugnen - das verbiethet seine Ehre -! oder er muß jeden Schaden ersetzen, der dem Buchhändler Michaelis durch diese Nicht-Erfüllung zuwächst".

Vom Präsidenten hat er angenommen, er habe nur beabsichtigt, "meinen Vater für die Zukunft aufmerksamer zu

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machen. Auf die Länge sei aber Michaelis Notlage dadurch so dringend geworden, daß der Prinz ihn auf seine Art zu retten versuchte. "Hätte ich selber Geld aufzutreiben vermogt, so wäre Michaelis augenblicklich aus aller Verlegenheit gewesen, aber da der Oberst nicht von dem abweichen will, was er für seine Pflicht hält, so blieb mir nichts übrig als an meine jüngste Schwester zu schreiben. - Beyde Schwestern, das betheure ich Ihnen vor Gott, . . . haben nur ein Gefühl mit mir in dieser Sache". Aber der "König hat seine Sanction zur Bürgschaft versagt.

. . . Sie sehen, daß meine arme Schwester untröstlich darüber ist!"

Jetzt, wo alle Wege zur Rettung versperrt sind, bittet er dem Präsidenten zu sagen, "daß wenn Er die geringste Achtung für mich hat, wenn Er den geringsten Werth auf meine Achtung sezt, so eilt Er diesen Menschen zu retten!"

Nun hatte Präsident v. Dewitz Gelegenheit, sich dem Erbprinzen gegenüber zu rechtfertigen. Er tat es in einem Schreiben vom 6. Mai 1798. Er habe im Oktober, der er "Cautions-Notuln" unter der Würde seines Herrn fand, dem Buchhändler "jede Summe, die der Herzog bestimmen würde, sogleich baar als Darlehn angeboten". Michaelis aber habe dies abgelehnt, da "er nicht baares Geld, sondern Credit gebrauche". So wurden "seinem Verlangen gemäß" die zwei Cautionsnotuln auf je 3000 Taler Gold mit Gültigkeit bis zum 1. Januar 1798 ausgefertigt und dem Michaelis am 17. Oktober 1797 ausgehändigt. Die eine habe Michaelis im Februar zurückgegeben, die andere aber, "die noch in Berlin oder Leipzig circuliren soll, schuldiget er immer noch".

Der Präsident hätte deswegen "gleich nach Neujahr gegen Michalis klagbar werden sollen", habe aber "vielmehr gnädige Nachsicht von meinem Herren bewirkt. - Und zum Dank hiefür schreiet Hr. Michaelis mich allenthalben als den Mann aus, der ihn drückt; der, um die Finanzen zu verbessern, den unseeligen und schädlichen Rath, daß Fürsten ihr Wort nicht zu halten brauchen, zu geben sich erniedriget, ich, der in meinem privat Leben es als Axiom annehme, daß es beßer ist, seinen Hals, als sein Wort zu brechen".

Wenn er "pflichtmäßig den Schaden aufdeckte, den der Herzog Sich durch übereiltes Versprechen zugezogen, so begleitete die schuldige Äußerung kein anderer Wunsch als der, daß es die letzte Uebereilung meines Herren seyn möchte.

Oft habe ich dem Herzoge, meinem Herren, gesagt oder geschrieben, daß Er lieber so viel baares Geld, als Er entbehren wollte, verschenken oder verleihen möchte, wenn Er helfen

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wollte, aber nie durch Ertheilung von Cautions Notuln, mit denen ein unglaublicher Misbrauch getrieben wird, weiter Seinen eigenen und Seines Hauses Credit schwächen möchte."

Mit Bezugnahme auf diesen Grundsatz fragt er an, "wie groß die Summe seyn soll, mit der Sie wollen, daß dem Hofbuchhändler Michaelis baar geholfen werde?

Sie, gnädigster Herr, wollen eine Wohlthat erzeigen, und da ziemt es mir nicht zu prüfen, in welchem Grade der Mann sie verdiene, den ich vielleicht zu strenge deshalb beurtheile, weil er sich mir immer leichtsinnig, schwach und prahlhaft zeigte."

Die freimütige Sachlichkeit des Präsidenten kühlte den edelmütigen Eifer des Erbprinzen doch etwas ab. Dem Grundsatz über die Bürgschaften pflichtete er sogar "unbedingt" bei und faßte das erreichte Einverständnis in der Art zusammen:

"1. daß das Versprechen meines Herrn Vaters erfüllt werden müße;
 2. daß jede Bürgschaft als eine würklich contrahirte Schuld anzusehen sey;
 3. daß vom Fürsten durchaus gar keine Bürgschaft in Umlauf gebracht oder gelaßen werden dürfe."

Es bleibe daher kein Ausweg "als die ganze Summe dieser versprochenen Bürgschaft auch mit allen dabey eintretenden Gefahren als ein Darleihen dem Buchführer Michaelis baar hinzugeben" (8. Mai).

Nun konnte die Rettungsaktion beginnen. Präsident v. Dewitz war inzwischen durch den Neubrandenburger Dr. Zimmermann und den mit ihm aus Berlin zurückkehrenden Neustrelitzer Advokaten Nauwerck "von den zum Theil thörigten, zum Theil kühnen, sämmtlich überaus indiscreten Schritten, die Hr. Michaelis sich in Berlin und Potsdam erlaubt, benachrichtigt" worden. Da nach Nauwercks Angabe 3000 Taler Gold genügten, um Michaelis aus seiner Verlegenheit zu ziehen, wollte er ihm diese bar senden und unter der Bedingung auszahlen lassen, "daß er die Papiere und Briefe, die er zum Theil offen erhalten haben will, und wovon er Abschriften behalten, die er vorzeigt, um sich Gewicht und Ansehn ins [!] Publicum zu verschaffen, extradiren sollte".

Als schon ein Bote an Michaelis nach Berlin abgesandt und Nauwerck im Begriff war abzureisen, erschien zugleich mit einer Staffette des Erbprinzen auch eine der Königin. Ein Brief der letzteren erbat für Michaelis eine neue Bürgschaftsverschreibung

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auf 6000 Taler und auf drei Jahre. Der Herzog, der über den Zusammenhang Aufklärung verlangte, war "sehr ungehalten auf Michaelis; behauptete, daß dieser ein höchst undankbarer Mann sey, daß er doppelt und dreifach mehr, als er je ihm hoffen laßen, an ihn erfüllt hätte, und bestand darauf, die Cautions Notul verweigern zu wollen". Auf Bitten Dewitzens ging er aber schließlich auf dessen Plan ein, "vermittelst dessen ich zwar Hr. Michaelis retten, zugleich aber die Papiere extradiren laßen wollte, wovon er einen so unüberlegten und sämtl. Königl. und fürstl. Personen, sowie d. Hr. Obersten von Graef compromittirenden Gebrauch machte" - so berichtet der Präsident dem Erbprinzen am 9. Mai.

Von der Übersendung des Geldes in bar mußte aber doch abgesehen werden, da wegen des strengen preußischen Geldausfuhrverbots Michaelis nur mit einem Kreditbrief auf Leipzig gedient war. So ließ Dewitz für ihn zwei Kreditbriefe über je 3000 Taler Gold auf das Leipziger Bankhaus Frege & Co. ausstellen. Der Überbringer Nauwerck hatte Auftrag, die längst abgelaufene Kautionsnotul des Herzogs über 3000 Taler sowie eine gleiche Versicherung der Prinzeß Louis von Preußen über 6000 Taler "cum annexis" zurückzuverlangen. Sollte Michaelis "außer der auf jeden Fall zu retradirenden Versicherungs Acte" der Prinzeß Louis (Friederike) die Verschreibung des Herzogs nicht zurückgeben, so war nur einer der beiden neuen Kreditbriefe an ihn auszuhändigen.

Mündlich gab Präsident v. Dewitz dem Advokaten Nauwerck noch den Auftrag mit, "selbst auf den Fall, daß Hr. Michaelis die Papiere nicht extradiren oder deponiren wollte, wie ich beinahe vermuthete (da ich den verschmitzten Israeliten kenne), ihm dennoch meine Credit Briefe auf Hr. Frege in Leipzig gegen seinen reinen Empfang-Schein zu behändigen. - Ich hofte ihn hierdurch, zwar sehr theuer, mit 6000 Rth': # auf immer abzukaufen" und wollte "noch einmahl versuchen, ob dieser Mann, der so hohes Interesse für sich zu erwecken verstanden hatte, mir und jedem andern Privat-Manne etwas mehr als bloße süße Phrasis und glatte Worte zu geben geneigt oder im Stande wäre" (der Präsident an den Erbprinzen am 14. Mai 1798).

Doch die Rettungsaktion scheiterte. Michaelis erklärte dem Advokaten Nauwerck und blieb dabei, er gebe die Briefe "nicht ohne ausdrückliches Verlangen eines jeden der Schreiber derselben" aus den Händen. Auch als Nauwerck die Bedingung der Briefauslieferung preisgab, kam es nach einigem Schwanken doch zu keiner Einigung. Michaelis meinte für die bevorstehende Leipziger Messe geborgen zu sein und von anderer Seite Geld zu

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bekommen, das ihn in die Lage setzen würde, nach 6 Wochen jedermann zu befriedigen.

Der Präsident meinte ironisch (an den Erbprinzen 14. Mai), es stände Michaelis sehr wohl an, "den Bescheidenen und Discreten zu machen", nun "er mir die Papiere ausliefern soll", die er sonst "verschiedentlich gezeigt und sich öffentlich gerühmt hat, mit selbigen nach Leipzig zur Meße zu reisen, sie dort zeigen und auf selbige schon Credit finden zu wollen". Er wolle sich eben nicht auf vernünftige Weise helfen lassen, könne ja auch mit den Kautionsnotuln des Herzogs und der Prinzessin Louis versuchen, "sich neues Interesse zu erwecken, sich persönlichen Werth zu geben, und wenn er sie an hundert verschiedenen Orten vorzeigte, damit bis zu 300000 Talern Credit bekommen. Ein Sümchen, mit welchem ein kleiner Buchhändler sich sehr helfen kann, wenn er gleich sonst alle Sachen verkehrt und verschroben anzufangen die Gewohnheit hat". Außerdem käme ihm ja "noch der Advis Brief, den ich an Hl Frege am 9. sogleich abgesandt, in Leipzig zu statten".

Michaelis Ablehnung brachte aber doch den Präsidenten in "nicht geringe Verlegenheit, da theils Ew. Herzogl. Hülfe für Hl Michaelis von mir verlangt, theils auch der Herzog Ihro Majestät der Königin geschrieben haben, daß ich Hl Michaelis helfen würde, und drittens da die Creditores deßelben sicher meine ausgestellten Credit-Briefe benutzen werden, um auch gegen den Willen dHl. M. mich als eine Art Bürgen anzufaßen".

Nur der Erbprinz könne ihn aus dieser Verlegenheit ziehen, durch Erteilung "einer bestimmten Instruction . . ., da ich es frey bekenne, diesem Mann in seinen mannigfaltigen Irrgängen nicht folgen zu können".

Der Erbprinz aber gab seinen Glauben an Michaelis immer noch nicht auf. Die von ihm begangenen Indiskretionen mit fürstlichen Briefen entschuldigte er milde mit "dem Zustande der Verzweiflung . . .., in den man ihn versetzte" (an v. Dewitz 17. Mai). Immer noch war er überzeugt, "daß die Nicht-Erfüllung des ihm gegebenen Versprechens, wenngleich nicht die Quelle seiner Verlegenheit überhaupt - aber unleugbar doch des Grades derselben war, der seinen Untergang unausbleiblich nach sich ziehen mußte!" In der "nachherigen Ertheilung der Bürgschaften auf so kurze Frist " sieht er " keine Erfüllung der ertheilten Zusage ". In der Abforderung der Briefe, namentlich auch derjenigen von und an seine Schwestern, will er nur ein Mißterständnis des Bevollmächtigten sehen, "da es gewiß niemand unternehmen würde, Briefe von der Königin oder auch von meiner

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jüngsten Schwester ohne ihren ausdrücklichen Willen abfordern zu laßen".

Michaelis war in der Tat einstweilen geholfen worden, und zwar durch die Prinzessin Louis, wie die Königin brieflich nach Neustrelitz mitteilte. Er hatte zwar - so schreibt der Präsident am 18. Mai dem Erbprinzen - "auch hierbey sich, wie gewöhnlich, unzähliger Unwahrheiten schuldig gemacht und Ihro Majestät der Königin mein und des Hl Nauwerck Ansinnen um Auslieferung der Papiere in dem gehäßigsten Lichte vorzustellen gesucht. - Welches doch keinen andern Grund haben konnte, als dem schändlichen Misbrauch und den leeren Pralereyen, die Hl Michaelis sich mit selbigen erlaubte, ein Ende zu machen". - Alles, was er, der Präsident, in dieser Sache geschrieben habe, sei vom Herzog gelesen, genehmigt oder ausdrücklich befohlen worden. So auch die Vollmacht und Instruktion für den Advokaten Nauwerck, die "Hl. Michaelis jetzt als ein von mir heimlich und gegen den Willen des Herzogs gewagtes Stück, und gegen seine Delicatesse anstoßendes Ansinnen bey Ihro Majestät der Königin geschildert hat". Dabei schreibe er ihm, dem Präsidenten, gleichzeitig einen heuchlerischen Brief "und streut mir Weyhrauch, um zu versuchen, ob ich durch selbigen betäubt werden könnte".

Hätte Michaelis die ihm zuletzt bedingungslos gebotenen 6000 Taler angenommen, dann hätte er die Prinzeß Louis nicht zu behelligen brauchen. "Allein dann blieb Hl Michaelis ohne ferneres Interesse für die hohen Personen, die er für sich zu interessieren gewußt hatte, und war mit 6000 Thalern abgefunden. Seine Pläne sind größer!" Er hofft "aus dem mystischen Dunkel, in dem er sich zu hüllen sucht, immer beträchtlichen Vortheil auf Kosten der Gutmüthigkeit zu ziehen".

Nun hatte die Königin verlangt, "daß der Prinzeß Louis die Summe gezahlt werde, die Ihro Königl. Hoheit für Hl Michaelis geschafft habe". Michaelis habe dann immer noch die Kautionsnotul des Herzogs auf 3000 Taler in Händen "oder läßt sie in alle Welt circuliren", außerdem Abschriften von derjenigen der Prinzessin auf 6000 Taler oder gar noch das Original, also Papiere über 9000 Taler, "zu deren Tilgung doch eigentlich diese 6000 Thaler bezahlt werden, und über kurz oder lang werden wir sicher abermals 9000 Thaler zahlen müssen".

Was sollte der Präsident der Königin antworten, mit der er gelegentlich einer Reise des Herzogs als dessen Begleiter bald in Freienwalde zusammentreffen würde?

Viel Tröstliches bekam er auf diese und andere Fragen vom Erbprinzen nicht zu lesen. Wieder schrieb dieser (21. Mai) mit

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Bezug auf Michaelis von einem "Zustand, der wahrlich noch größere Indiscretionen wenigstens entschuldigt haben würde". Und dabei hatte Michaelis, wie der Erbprinz selber zugab, sich "unterstanden, ohne alle Befugniß Abschriften von Briefen zu nehmen, die er zwar lesen, aber nie mißbrauchen durfte! die ihm - der sie selbst überreichen sollte, nur deswegen offen zugeschickt wurden, damit ihr Inhalt, d. h. die Lebhaftigkeit, mit welcher man sich für ihn verwendete, ihn von den verzweiflungsvollen Schritten, zu welchen ihn seine Lage vielleicht berechtigte, wenigstens so lange zurückhalten mögte, bis auch diese Verwendung keinen Erfolg gehabt!"

Es handelte sich also um Briefe von oder an die Schwestern des Erbprinzen Georg, die Königin Luise und die Prinzessin Friederike, die durch Michaelis' Hände gegangen und von diesem gemißbraucht waren. Doch immer noch entschuldigte der Erbprinz ihn mit der Behauptung "des gegebenen und nicht erfüllten Versprechens".

Nach Michaelis' Angabe seien ihm im Oktober die zugesagten Bürgschaften vorenthalten worden, "indem Ew. Excellenz es nicht zugeben würden, daß mein Herr Vater sie ausstelle!" So sei er "das Opfer des unverdientesten Ministerialdespotismus" geworden und "sehe auch seinen Untergang unausbleiblich vor Augen".

"Auf diese Darstellung [Michaelis'] gründet sich alles, was nach der Hand von uns sämmtlich geschehen ist!" Man hatte dem Michaelis rückhaltloses Vertrauen entgegengebracht, tat es immer noch und hielt die Ehre des Herzogs für gefährdet wenn nicht gar befleckt. "Hier war das Versprechen gegeben und mußte gehalten werden." Ja, der Aufschub der Ausfertigung "war schon Nicht Erfüllung". Die Rückforderung der Briefe mißbilligte der Erbprinz aufs entschiedenste. "Hätte ich eine solche Bedingung geahndet, so würde ich Sie gebeten haben, wenigstens meinen Nahmen nicht dabey zu nennen." Doch mehr als 6000 Taler wollte er nun auch nicht mehr hergeben. Das mußte unter allen Umständen das letzte sein.

Diesem Glauben an die Nichterfüllung des herzoglichen Wortes ein Ende zu machen, mußte der Präsident endlich versuchen. Er glaubte "beweisen zu können, daß dieses eine kahle Entschuldigung und vielleicht sinnreiche Erfindung des Michaelis ist (an den Erbprinzen 22. Mai).

Er selbst hat am 15. oder 16. Oktober v. J. mir gesagt: daß wenn er nur zwey Cautions-Notuln, jede auf 3000 Thaler, bis zum 1. Januar dieses Jahres, vom Herzoge erhielte, er sicher

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auf immer geborgen sey und keine Hülfe weiter verlangen würde.

Sollte Michaelis dieses ableugnen, so bin ich bereit, selbiges mittelst körperlichen Eides zu erhärten."

Daß früher ein größeres Versprechen dem Michaelis vom Herzog erteilt sei, hat der letztere verschiedentlich bestimmt verneint "und feyerlich auf seine Ehre als Mann, auf sein Fürsten-Wort und auf seiner Seelen Seligkeit als Mensch wiederholt versichert: daß er doppelt und dreifach mehr an den schändlich undankbaren Michaelis erfüllt habe, als er je nur hoffen lassen". Insbesondere sei die "letzte Hülfe anfänglich nur auf ein Jahr, nachmals aber nur auf wenig Monathe verlangt" worden. Von einer Rettung der Ehre des herzoglichen Vaters könne also keine Rede sein, und eine "Verzweiflung über ein gegebenes und nicht erfülltes Versprechen des Herzogs" sei lediglich die Ausgeburt "einer unbegreiflichen Exaltation".

Die Entschuldigung der Michaelisschen Indiskretionen aber wies der Präsident auf das Entschiedenste zurück: "Männer in den erhabensten Posten in Berlin machten mich hiermit bekannt; machten es mir zur Pflicht, diesem Unwesen zu steuern"; schrieben, daß sie nach Erfüllung dieser ihrer Pflicht sich "damit beruhigen würden, den Herzog meinen Herren und besonders seine irre geleiteten gutmüthigen Kinder zu bemitleiden".

Des Erbprinzen letzter Brief vom 21. Mai würde ihn bewogen haben, "Ihnen nicht weiter in dieser Angelegenheit zu schreiben, sondern es der Zeit und der künftigen Erfahrung zu überlaßen, Ew. Herzogl. Urtheile über Personen und Sachen in dieser Angelegenheit zur Lehre auf künftige Fälle zu berichtigen; wenn Ew. Herzogl. Durchl. mich nicht als Mann von Ehre aufforderten , zu sagen, ob Sie anders handeln konnten?"

Diese Frage beantwortet er mit einem klaren, bestimmten Ja! Der Erbprinz hätte sein Handeln nicht so einseitig auf das gründen dürfen, was "dieser Honigseim im Munde und Galle im Herzen führende Jude Ihnen sagte".

"Musten Sie es dem Juden auf sein Darstellen glauben, daß Ihr Hl Vater, der regierende Herr, schwach und zugleich schlecht genug sey, erst sein Wort zu geben und es dann wieder leichtsinnig zu brechen, weil sein Minister ein Despot wäre!!! -

Dieses Darstellen war hinterrüks angebracht, es war schändlich, es war unnatürlich und um desto unwahrscheinlicher". "Sie, gnädiger Herr, mußten, durften dieses nicht glauben, sondern prüfen, genau untersuchen, ehe Sie Ihr Urtheil fälleten, ehe Sie handelten."

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Das sind nur einige charakteristische Stellen aus dem langen Briefe. Nach seiner Abfassung ging der Präsident, da den Herzog das kalte Fieber befallen hatte, mit dem Prinzen Ernst zur Königin nach Freienwalde. In einer Nachschrift vom 26. Mai berichtet er darüber dem Erbprinzen, die Unterredung mit der Königin habe "alle meine Vermutungen bestätiget". Johannis ginge er auf Befehl der Königin nach Berlin, um "der Prinzeß Louis auch von meiner Handlungs Art Nachricht zu geben; derselben auch die Augen über Michaelis zu öfnen, und die in Ihrer Gutmütigkeit versetzten Ringe mit 6000 Thaler Gold einzulösen, mir die Cautions Notul des Herzogs und die der Prinzeß Louis, die die Königin noch in den Händen des Juden zu seyn glaubt, einliefern zu laßen, und mich zu überzeugen, daß Ihro Majestät die Königin, nachdem Sie auch mich als den beklagten Theil gehöret, völlig meine Verfahrungs Art billigen und mich bäten so fort zu fahren, ohne mich durch irgend jemand irre machen zu laßen".

Auch habe die Königin versprochen, "daß, wenn ich künftig hinterrücks angeklagt werden sollte, Sie Höchst Selbst Ihrem Hl Vater, meinem Herren, hiervon Nachricht geben oder mich auch Selbst hierob befragen würden".

Die Königin war also nun belehrt. Der Erbprinz aber fuhr auch jetzt noch fort, Michaelis zu verteidigen. Der Argwohn, er würde die in seinen Händen befindlichen Bürgschaftsverschreibungen mißbrauchen, sei unbegründet. Warum "diesen Menschen in einen Zustand der Verzweiflung versetzen - und dann ihn der Handlungen wegen anklagen, die er in der Verzweiflung begieng? Warum seine Indiscretionen nach der Wichtigkeit der Personen, die er compromittirte - und nicht nach der Veranlaßung oder den Bewegungsgründen abmeßen?"

Ihm ist immer noch fraglich, wer von beiden - der Erbprinz oder der Präsident - sich über Charakter und Wesen des Michaelis irrt. Jedenfalls sei es besser "auf der Seite irre geleitet zu werden, die retten will - als auf der andern, die unglücklich machen will!" Darauf käme übrigens nichts an, denn "nur helfen wollte ich - meinem Vater Kummer ersparen - und Niemanden compromittiren!" Da er selber nicht helfen konnte, bat er seine jüngste Schwester. Er würde "noch heute Alles das wieder thun", was er tat - so schreibt er am 3. Juni -, da er sich immer noch als Beschützer der Ehre seines Vater fühlt. Und auch die Königin wird wieder - so vertraut er - mit ihm fühlen. "Sie überzeugte sich in Freyen-

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walde durch die Darstellungen eines Mannes von Ehre - und ward gerührt in Berlin durch die Klagen eines Unglücklichen."

"Wir sind nicht einerley Meynung, Herr President! - Das thut mir leid - aber es schadet Ihnen in meiner Achtung nichts! - Nicht alle Menschen können einerley Meynung seyn - und ich schätze den Mann der die Seinige unbefangen äußert und darnach handelt!"

Wenn erst der widrige Eindruck vorüber, "dann werden, hoffe ich, Manche und vor allen Dingen mein Herr Vater zuerst es einsehen, aus welcher reinen Quelle unsere Handlungen floßen - mit welcher Wärme wir für sein Intereße fühlten und welche bey weitem größere Unannehmlichkeiten für ihn wir am Ende doch noch verhinderten - dann wird man uns Gerechtigkeit widerfahren laßen".

*              *
*

Der Präsident v. Dewitz schritt nun zur endgültigen Abwicklung der Michaelisschen Sache. Am 23. Juni wollte er dem Buchhändler in Berlin 6000 Taler einhändigen zur Zahlung an Prinzessin Friederike gegen Rückgabe der noch immer nicht zurückgelieferten Bürgschaftsakte des Herzogs auf 3000 Taler. Diese Bürgschaft hatte aber ein Herr Euchel in Händen, der gerade nach Kopenhagen verreist war. So kam die Sache wieder nicht zustande. Michaelis aber schrieb dem Präsidenten in einem von Unschuld und Biedersinn überschwellenden Briefe u. a.: "Gott ist mein Zeuge, daß nie eine Silbe über meine Lippen gegangen ist, die zu Ew. Excellenz Vorstellungen von demjenigen, wie ich mich über Sie geäußert haben soll, passen kann."

Im Juli kehrte er wieder nach Neustrelitz zurück. Er wagte es, dem Herzog am 22. einen seiner phrasenreichen Briefe zu schreiben: "Aus dem Gedränge meines bittern Schicksals herausgetreten, bin ich jetzt in meine Heimath zurückgekehrt . . .. mit dem Bewußtsein, nach einer sehr kurzen Frist Ew. Herzoglichen Durchlaucht das vollständigste Detail meiner Lage vorlegen und die Ueberzeugung geben zu können - daß mein Werk nicht bloß alles dasjenige verdient, was dafür geschehen ist, sondern daß der Bestand desselben den größten Theil des Mißtrauens, welcher darauf hingeleitet ist, gar leicht austilgen kann, wenn mir nur die Ruhe wird, um die traurigen Erfahrungen in Anwendung bringen zu können, die seit Jahr und Tag an meiner Zerstörung arbeiteten."

Mit solchen Belegen wollte er in einigen Tagen persönlich vor dem Herzog erscheinen, durchdrungen von der Überzeugung, wenn

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er auch "in der unausgesetzen Angst und Quaal" gefehlt hätte, in seinen "Absichten die Beruhigung" zu finden, "welche nur gute Absichten geben können".

Doch Isaac Euchel griff nun mit rauher Hand ein. Da "Michaelis seit zwey Tagen Berlin heimlich verlaßen habe", sandte er unterm 23. Juli an den Herzog eine beglaubigte Abschrift seiner Bürgschaftsakte vom 17. Oktober 1797 und verlangte die Bezahlung der darauf von Michaelis entliehenen 2100 Taler nebst 5% Zinsen. Michaelis hatte dem Präsidenten in Berlin gesagt, er schulde dem Euchel auf diese Bürgschaft nur 800 Taler. Jetzt mußte er gestehen, daß außer diesen 2100 Talern noch an den Advokaten Nauwerck 2800 Taler zu zahlen seien, womit dieser die andere herzogliche Bürgschaft auf 3000 Taler eingelöst hatte.

Am 4. August erging der Zahlungsbefehl zur Einlösung der in Euchels Hand befindlichen Bürgschaft.

Michaelis gab seine Sache noch nicht verloren. Von seinem Krankenlager ließ er am 15. August dem Herzog schreiben. Seine Schuld konnte er nicht länger verbergen: "Ich bin nicht fähig zu entschuldigen, was ich immer als Last auf mir liegen haben werde", ebensowenig wie "diejenigen - je, wenn ein Funke Menschlichkeit in ihnen lebt! - Ruhe des Gewißens finden werden, die mich in einen Abgrund gestürzt haben, in dem ich taumelnd mir selber untreu worden bin" usw.

"Was ich gethan habe," so entschuldigt er sich, "geschah um das Werk zu erhalten, das der Erhaltung so würdig ist, wie Ew. Herzogl. Durchlaucht aus einer vorläufigen Uebersicht seines Innern, die ich noch heute einreichen zu können hoffe, sich selber überzeugen werden; ich habe mich seinethalber moralisch geschändet; ich habe mich ihm physisch aufgeopfert." In banger Erwartung sah er der Entscheidung des Gerichts entgegen.

Am 19. August legte er dann mit eigenhändigem Begleitschreiben dem Herzog eine vorläufige Übersicht seiner Geschäftslage vor. Die Aktiva betrugen darnach 26479, die Passiva 20159 Taler. Unter ersteren bestand der Hauptposten von 11779 Talern in den Verlagswerken, von denen ein Verzeichnis angeschlossen war.

Er bat den Herzog, "Sich in die Lage eines Unglücklichen hineinzudenken, der nur in der Periode, wo die Mißhandlungen, die über ihn gekommen sind, ihre letzte Wirkung äußerten, von seiner eigenthümlichen Denkart weggedrängt worden ist, und mit dem empörten, bedrängten, geängstigten Sinn eines Unglücklichen handelte.

Bei weitem besser als jetzt war meine Lage im vorigen Jahre.

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Wäre ich der Bosheit, welche sich in Hannover an mich übte, nicht zum Opfer geworden" - es handelt sich um die vereitelte Heirat - "wie glücklich und wie ruhig hätte ich meinen schönen Plan verfolgen und Ew. Herzogliche Durchlaucht Wünsche erfüllen können! Ich lasse Gott über diejenigen richten, die mir mein Unglück dort bereitet haben."

Eine Frist, hofft er, könne ihm immer noch helfen, "daß ich das Werk wieder emporhebe. Nicht bloß daß ich manche weitere Schriftsteller, unter denen ich nur Voß als den vorzüglichsten nennen will, für mich gewonnen habe - sondern es findet sich auch ohne Zweifel kaufmännisches Interesse zur Theilnahme an dem Geschäft".

Vom Herzog hofft er noch, daß er die Stille um ihn schaffen werde und damit die Möglichkeit, "Menschen für das Werk zu gewinnen". Er bittet ihn in den Stand zu setzen, "an die radikale Wiederher - und Sicherstellung meines Werks auf diese Weise arbeiten zu können".

Doch das Verhängnis nahm seinen Lauf. Das Gericht verurteilte Michaelis und seinen Bruder wegen Fälschung zu Gefängnisstrafen, die Hofbuchhandlung kam in Konkurs. Nach Abbüßung der Gefängnisstrafe (Februar 1799) wurde den Brüdern der landesherrliche Schutz entzogen, das Buchhändlerprivilegium für erloschen erklärt und beide des Landes verwiesen. Außer der Fälschung mit dem Wertkästchen war noch mancherlei ans Tageslicht gekommen: ein Scheinverkauf seines Hauses und seiner Buchhandlung an den Buchhändler C. Aug. Nicolai Sohn in Berlin i. J. 1798, Erschwindelung eines Societätsvertrags mit Dr. Zimmermann in Neubrandenburg nebst Vorschuß von 3200 Taler Gold, Fälschung eines mit Schiller am 25. Mai 1797 abgeschlossenen Verlagsvertrage 2 ).

*              *
*

Angesichts dieses Ausgangs hat auch der Erbprinz keinen Versuch mehr gemacht, seinen Schützling zu retten. Schon im Juli 1798 war in seiner Umgebung der Wind umgeschlagen. Ein Brief, den sein vertrauter Führer Oberst v. Graefe am 28. Juli aus Hohen-Zieritz an Michaelis schrieb, zeigt eine völlig veränderte Haltung und Tonart. Er hebt an: "Ich will es aus Menschen-


2) Dies und das Gerichtliche aus einem auf Gerichtsakten beruhenden Aufsatz "Ein Neustrelitzer Hofbuchhändler im vorigen Jahrhundert". (Neustrelitzer Zeitung v. 29. Febr. 1888 Nr. 26.) Der ungenannte Verfasser war der Neustrelitzer Regierungsregistrator Hoth.
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liebe gern glauben, Herr Michaelis, daß nur Verzweifelung und Furcht Sie zu Schritte[!] und zu einer Verfahrungsart verleiten konnten, die denen, welche sich Ihrer mit so vieler Wärme und Aufopferung annahmen, nach unsäglichem Kummer und Verdruß auch nicht einmal die Beruhigung übrig läßt, sich für einen Würdigen verwandt zu haben!"

Er will ihm verzeihen, "daß Sie besonders mich zum Lohn für alles deßen [!] was ich that, einer Beurtheilung preißgaben, die nur durch Ihre Handlungen, welche jetzt als Thatsachen gegen mich auftreten, möglich werden konnte!"

Eine Unterredung sei "nach dem Vorhergegangenen völlig überflüßig. . . . Ich habe Sie gehört - der Herzog hat uns die von Ihnen selber unterschriebenen Protokolle Ihres Verhörs mitgetheilt - da war der Ort, wo Sie reden konnten und mußten! nicht unter vier Augen mit mir - Alles was Sie mir sagen könnten, würde mich weder überzeugen, noch in den Stand setzen, es zu Ihrem Nutzen gebrauchen zu können! Sie haben es mir bewiesen, daß Ihre Darstellungen nicht der Wahrheit, sondern Ihrer Verlegenheit angemeßen sind - und daß Sie nach der Hand auch selbst diese Darstellungen wieder zurücknehmen! - Hiervon zeugen Ihre Briefe an den Hl President von Dewitz ebenso unwidersprechlich als Ihre Unterschrift es bey Ihrem Gerichtlichen Verhöre zu thun vermag!

Sie begreiffen, Herr Michaelis, daß man Handlungen wie die Ihrigen - einem Unglücklichen verzeihen kann - aber weder gegen uns selbst, noch gegen andere würden wir es verantworten können - der Prinz und ich - wenn wir uns fernerhin mit den Angelegenheiten eines Mannes befaßen wollten, der wenigstens von uns - eben so wenig Glauben als Unterstützung in diesem Augenblicke verdient, und der nur eine fortdaurende Mißstimmung zwischen Personen unterhalten kann, die zum allgemeinen Besten mit einander einverstanden seyn sollten!

Legen Sie den dermahligen Zustand Ihrer merkantilischen Verhältniße dem Herzoge vor - Er wird sie dem Prinzen mittheilen; und es wird uns lieb seyn, den Grund zu einer günstigen Aussicht für die Zukunft darinn für Sie zu finden."

Noch ein Brief v. Graefes vom 31. Juli behandelte Michaelis' beabsichtigte Rechtfertigung des "unverantwortlichsten Mißbrauchs" einer Sache, "die Ihnen in jeder Rücksicht heilig seyn mußte -! Denn schon die bloß mündliche Wiederholung einzelner Stellen aus meinem Briefe an die Königin gegen den Dr. Zimmermann war der höchste Grad von Vermeßenheit und Undankbarkeit zugleich! Ich erlaße Ihnen die Rechtfertigung" usw.

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Graefe verlangt aber "mit meinen zurückerfolgenden Briefen an Sie die bestimmteste, ausdrücklichste Erklärung an Eides statt, daß keine Abschrift von jenem Briefe an die Königinn existire - so wie ich Ihnen dagegen das Gelübde hier thue, daß wenn je eine Zeile aus diesem Briefe abschriftlich erscheint - Sie Ihrer Strafe nicht entgehen sollen, und wenn Sie sich auch im entferntesten Winkel der Erde verbergen könnten.

Setzen Sie Ihre Erklärung so auf, daß ich sie der Königin vorzeigen kann, damit Ihre Lage nicht noch unglücklicher werde, und die Königin nicht Zorn, sondern nur Mitleiden für Sie empfinde."

Damit bricht der Briefwechsel v. Graefe - Michaelis ab. Er wurde im Februar 1799 vom Advokaten Nauwerck nebst anderen Papieren "in dem Hause dHl Michaelis in einem Kasten auf dem obersten Boden unter dem Dache versteckt gefunden" und kam in die Hände des Präsidenten v. Dewitz. Der legte die Briefe am 25. Februar dem Herzog vor. Sie seien nicht vollständig, da "Michaelis bey der Anwesenheit dHl Obristen die wichtigsten und in der letzten Catastrophe geschriebenen Briefe, wie Ew. Herzoglichen Durchl. bekannt ist, nach Hohenzieritz ausliefern müssen, zeigen gleichwohl manche Verbindung, die dHl Obriste bisher zu verbergen sorgfältig bemühet war. -

Die anonimische Autorschaft ist bey einem Führer des Erbprinzen, den er zum Copiisten seiner anonimischen Producte braucht, mindesten[!] bedenklich, wenn nicht gefährlich."

Nachdem Michaelis auf die Thora beschworen hatte, keine auf diese Sache bezüglichen Papiere mehr in Händen zu haben, schied er aus dem Strelitzer Lande, in dem er einige Jahre lang, von Fürstenhuld beschirmt, eine so eigenartige Rolle hatte spielen dürfen.

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II.

Mecklenburg
und die Reichsgründung.

Die Politik der mecklenburgischen Regierungen
1866 - 1870/71.

Von

Dr. Karl Pagel in Berlin-Wilmersdorf.

 

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Vorbemerkung.

Die hier zum Abdruck gelangende Arbeit ist ein Teil der Dissertation "Mecklenburg und die deutsche Frage 1866 - 1870/71" (Rostock 1922), die auf Anreguug von Prof. Dr. W. Andreas, jetzt an der Universität Berlin, entstanden und unter dessen Leitung ausgeführt ist. Die Dissertation sucht das politische Leben in Mecklenburg in all seinen Elementen zu erfassen, die sich mit der deutschen Frage auseinanderzusetzen hatten. Neben den Regierungen werden als politische Faktoren Stände und Volk gewertet und in den Rahmen der Untersuchung gezogen.

In diesem Aufsatz beschränkt sich die Darstellung, in räumlicher Zusammendrängung, auf die Politik der Regierungen.

Exemplare der Dissertation sind in der Rostocker Universitätsbibliothek zugänglich. Dort sind die Quellen, auf die sich die Untersuchung stützt (meist unbenutztes Aktenmaterial), bezeichnet. Hier ist auf die Aufreihung von Quellennachweisen verzichtet. Zitate sind im Druck kenntlich gemacht.

Dankbar sei darauf hingewiesen, daß Herr Dr. Witte in Rostock eine Geldsumme zur Verfügung gestellt hat, die für die Kosten der Drucklegung mitverwandt worden ist.

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D ie Staatsbildung Mecklenburgs hatte ihre Voraussetzung in geographischen Verhältnissen. Seine selbständige Existenz beruhte auf einer geographischen Abgelegenheit, die seine Geschlossenheit ausmachte. Zwischen den Stromgebieten der Elbe und der Oder lag es nach dem Inlande zu in einem toten Winkel. Seine Ostseeküste vermochte diesen Mangel nicht auszugleichen. Sie bedeutete, von den beiden Hafenplätzen, die ihre Kraft mehr außerhalb als innerhalb des Landes fanden, abgesehen, viel eher Abgeschlossenheit als Offenheit. Der passive Charakter des mecklenburgischen Staatsgebildes findet darin eine Erklärung.

Historische Bedingungen trafen mit diesen Tatsachen, aus denen sich wirtschaftliche Folgerungen ergaben, zusammen, verstärkten ihre Wirkung. Das Verhältnis des Fürstenhauses zu den Ständen des Landes, in dem die politische Auswirkung seiner materiellen Gegebenheiten erscheint, ließ eine dauerhafte Bildung politischer Aktivität nicht zu. Die innerpolitische Lage absorbierte alle politisch mögliche Entfaltung. Mecklenburg war in der Politik eine passive Rolle zugewiesen.

Eine Folge dieser Umstände war, daß es in den Bann des entstehenden brandenburgisch-preußischen Nachbarstaates gezogen wurde. Je stärker dieser wurde, desto mehr. Die wirtschaftliche Entwicklung, die in enger Verknüpfung mit der politischen einen Schwerpunkt im inneren Deutschland schuf, wirkte beträchtlich in dieser Richtung. Wirtschaftliche und politische Konzentration Deutschlands um den preußischen Kern zog auch Mecklenburg an, machte vor der bestehenden Abscheidung nicht Halt. Der Widerstand, den sie fand, war vor ihrer Kraft zu schwach. Er wurde überwunden.

Politisch gipfelte dieser Prozeß der Zusammenballung der deutschen Staatenwelt, der auch Mecklenburg nicht ausweichen konnte, in der Reichsgründung. Seine letzte Phase begann mit dem Faustschlag Bismarcks auf den Spieltisch des deutschen Bundes.

Wie Mecklenburg sich in seiner staatlichen Sphäre mit dem Werdeprozeß des Reiches von Königgrätz bis Versailles auseinandersetzte, sollen die folgenden Blätter schildern.

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1850 hatte Österreich Preußen gedemütigt, doch Preußen hatte die damalige Schwäche überwunden. Seine Zügel wurden in eine Faust gelegt, die alle Kräfte zu erzwingen wußte. Preußen erstarkte neben Österreich, und am Ende wurde Österreich von ihm geschoben und geleitet. Österreich ließ sich vor den Wagen Preußens spannen und leistete preußische Arbeit, bis es hieß Unterwerfung oder Kampf. Preußen war bereit, Bismarck wollte den Krieg, und Österreich ging leicht in die Falle.

Die Kleinstaaten suchten zu vermitteln, aber sie waren ihrer Sache zu ungewiß und zu schwach, als daß sie sich zu entscheidenden Schritten hätten aufraffen können. Selbst der Betriebsamkeit mittelstaatlicher Politiker vom Zuschnitt der Beust, Dalwigk und v. d. Pfordten gelang es nicht, das "dritte Deutschland" zusammenzufassen. Abwarten hieß ihre Parole, und klare Stellungnahme wurde ängstlich vermieden.

Mecklenburg tat nichts anderes. Auf preußische Anfragen, wie es sich im Falle des Konfliktes verhalten werde, gab es ausweichende Antwort. Die Notwendigkeit einer Bundesreform war anerkannt worden, so konnte man das Streben danach jetzt nicht abweisen. Jedoch: Reformen nur in den Grenzen des Bundesrechts. Man wollte sich nicht vorzeitig binden. Man wußte nicht, was kommen sollte.

Bismarck klärte bald über seine Absichten auf. Er legte am 9. April 1866 seinen Reformplan in Frankfurt vor. Er kritisierte die Unfähigkeit des Bundes und seine Mängel. Er wollte einen neuen Bund an seine Stelle setzen. Dazu rief er die Nation zu Hilfe. Er forderte eine Volksvertretung auf Grund direkter Wahlen und des allgemeinen Stimmrechts. Am Bunde war die Abneigung und die Verlegenheit, mit der man auf diese Pläne sah, groß. Nichts hatte man weniger erwartet. Man zweifelte sogar die Ernsthaftigkeit des preußischen Vorschlages an. Mit gewohnter Umständlichkeit beriet man ihn in einem Ausschuß.

Preußen hatte die Wahl des mecklenburgischen Gesandten für diesen Ausschuß nicht gewollt. Herr v. Wickede war gut freund mit Herrn v. Kübek, der Österreichs Stimme führte. Seine Regierungen waren in ihren Gesinnungen ihm verwandt. Immerhin wußte man in Berlin, daß der ausschlaggebende Faktor in Mecklenburg-Schwerin, der Großherzog Friedrich Franz, anders dachte und auch anders handeln werde, wenn es ans Handeln kommen würde. Die Unstimmigkeit zwischen Fürst und Regierung in dieser Frage war für Preußen eine feste Größe, mit der man rechnete.

Es bestand in der Tat keine Übereinstimmnng zwischen Friedrich Franz und seinen Ratgebern, unter denen die Meinung

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v. Oertzens maßgebend war. Der Großherzog war seit Anfang April entschlossen, Preußen in seinem Vorgehen zu unterstützen. Und v. Oertzen hatte, obwohl er schon damals von Rücktritt sprach, seine Ansicht nicht durchzusetzen vermocht, die auf Erhaltung der Neutralität hinausging. Aber der Großherzog ließ es zu, daß er den Versuch machte, eine Koalition der norddeutschen Mittelstaaten nach dem Vorbild der süddeutschen herbeizuführen. Sie sollte sich richten gegen einen eventuellen Majoritätsbeschluß in der Parlamentsangelegenheit, dem man keine Folge leisten wollte. Dafür hatte sich der Großherzog gewinnen lassen, denn er war wie seine Minister Gegner des allgemeinen Wahlrechts und die Meinungsverschiedenheiten entsprangen mehr den Fragen der "auswärtigen" - der deutschen Politik. Doch kam es mit diesem Versuch zu keiner bindenden Abmachung, noch weniger zu einem praktischen Erfolg.

Als Österreich die schleswig-holsteinische Streitfrage vor den Bundestag brachte (1. Juni), trat die Reformangelegenheit formal in den Hintergrund, wenn sie tatsächlich auch gerade damit neue Nahrung erhielt und sich auf eine Stufe stellte, die jederzeit den Ausbruch der Krisis erwarten ließ. Schon am 11. Juni stellte Österreich den Antrag auf Mobilmachung aller nichtpreußischen Truppen. Mecklenburg nahm offiziell den Standpunkt ein, daß die schleswig-holsteinische Angelegenheit von Österreich und Preußen als europäischen Mächten geführt sei und auch erledigt werden müsse, als eine Sache, die den Bund nichts angehe. Die Beteiligung des Bundes am Kriege würde nicht, wie es seine Aufgabe sei, die Einzelstaaten in ihrer Existenz schützen, sondern sie in Gefahr bringen. So lehnte Mecklenburg den Antrag ab.

Wenn es auch übertrieben war, Mecklenburg im allgemeinen als zur "preußischen Partei" zugehörig anzusehen, so hatte man doch diese Haltung erwarten können. Bereits am 14. Mai hatte der "Norddeutsche Korrespondent" sich gegen die Behauptung fremder Zeitungen gewandt, daß er österreichische Politik treibe. (Seine Stellung zur Schweriner Regierung gestattet, ihn als zuverlässigen Zeugen anzusehen, wenngleich die Redaktion mehrmals die Bezeichnung eines Regierungsblattes abzulehnen versuchte.) "Wir sind," so heißt es dort, "nicht der Ansicht, daß ein Staat von den realen Bedingungen seiner Lage absehen und in einem Konflikte wie dem gegenwärtigen seine Stellung nach politischen Deduktionen nehmen dürfe. Aber gesetzt, es läge an uns, eine solche Einwirkung auf die Politik Mecklenburgs auszuüben, so würden wir es sicher nicht in das Lager Österreichs führen."

Eine entschiedene Hinwendung zu Preußen war damit nicht

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ausgesprochen. Es gab manches an diesem Staat, was daran hinderte. Zwar das Bismarcksche Preußen, mit dessen "Parlament" man nichts anzufangen wußte, war nicht Preußen schlechthin. "Wir unterscheiden sehr wohl zwischen dem königlichen Preußen, mit welchem Mecklenburg durch Bande der Natur und der Geschichte in schwer löslicher Weise verbunden ist, und der jeweiligen Politik der obersten Räte des Königs." Diese aber lehnte man ab. "Drei Punkte sind es, in welchen wir mit der Politik des jetzigen preußischen Ministeriums nicht übereinstimmen: einmal die Begründung des Strebens nach dem einseitigen Besitz der Herzogtümer - dann die Berufung eines deutschen Parlamentes aus allgemeinen Wahlen - endlich das Zusammengehen Preußens mit Italien und die damit gegebene Eventualität indirekter Beihilfe zum Verlust Veneziens."

Das Machtstreben des preußischen Staates, das man aufs engste verband mit dem Ministerium Bismarck, das nicht Halt machte vor der ewigen unantastbaren Schranke des Bundesrechts, das sich nicht scheute, die revolutionären Kräfte der Tiefe zu beschwören, das auch vor dem Verrat am heiligen Österreich, zu dem man pietätvoll aufzuschauen gewohnt war, nicht zurückschreckte, das alles war einem ständisch-konservativ empfindenden Gemüte fremd und unverständlich und erweckte ihm Besorgnis. Daß dieser rücksichtslosen Entfaltung des preußischen Staates eine nationale Bedeutung zukam, erkannte man nicht, oder man übersah es. Haftete doch für jene Kreise der nationalen Idee ein revolutionärer Geschmack an, der es ihnen schwer machte, sich ihr zu nähern.

Inzwischen verlangte Bismarck in Mecklenburg Einverständnis über militärische Hilfeleistung - die kritische Abstimmung in Frankfurt hatte stattgefunden - und Einverständnis über den Eintritt in den neu zu errichtenden Bund. Voraussetzung für diesen Bund war Ausschließung Österreichs und Schaffung einer Nationalvertretung. Der Notenwechsel zwischen Schwerin und Berlin zeigt deutlich den Punkt, von dem der Widerstand gegen Preußen und seinen norddeutschen Bund seine Hauptnahrung erhielt: die Einführung des allgemeinen Wahlrechts griff das Prinzip des mecklenburgischen Staatswesens an.

Zunächst handelte es sich um eiligere Dinge: es war zu wählen: mit oder gegen Preußen? Die Entscheidung führte der Großherzog herbei, unwillig folgte sein Minister. Zwischen Friedrich Franz und dem preußischen König hatte eine Unterredung stattgefunden. Der Oheim hatte unschwer den Neffen bewegen können, auf seine Seite zu treten. Seine Truppen sollten als Besatzung nach den Elbherzogtümern gehen und dadurch preu-

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ßische Kräfte frei machen. Als dann doch direkte Teilnahme am Kriege gegen Österreich und dessen Bundesgenossen verlangt wurde, sträubte der Großherzog sich anfangs. Aber eindringliche Mahnung an persönliche Freundespflicht fand erhofften Widerhall. Ein Briefwechsel (s. Anlage S. 69) stellte die Übereinstimmung wieder her. Er kennzeichnet die engen persönlichen Beziehungen beider Fürsten. Er zeigt, daß der persönliche Einfluß des Königs auf seinen Neffen nicht hoch genug angesetzt werden kann.

Durch das dringliche Wort des preußischen Königs bestimmt, ging der Großherzog über den Widerstand seines Ministeriums hinweg, das die Gesinnung der herrschenden Schicht des Landes repräsentierte, um den als richtig erkannten Weg entschlossen zu Ende zu gehen. Er zögerte nicht, sich an die Spitze seiner Truppen zu stellen und sie ins Feld zu führen für eine Sache, der er nach bester Überzeugung und nach schweren inneren Kämpfen Berechtigung zugestehen mußte. Seiner ernsten Natur und einem peinlichen Pflichtbewußtsein entsprach es, daß er nicht schnell und ohne gewissenhafte Überlegung handelte. Doch als er für sich eine Entscheidung gewonnen hatte, vertrat er sie mit Konsequenz. Seine Haltung zeigt, daß er nicht dem Zwange der Gewalt, sondern einem freien Entschluß folgte.

Während Oertzen an strengster Neutralität festhalten wollte und das Eingreifen in den preußisch-österreichischen Konflikt ablehnte, sah der Großherzog von vornherein, daß die Situation ein Zusammengehen mit Preußen erforderte. Der Staatsmann erkannte die Notwendigkeit, den Gesetzen der geographischen und politischen Lage zu folgen. Dem Soldaten war der Anschluß einer kleineren Truppe an eine große ehrengewohnte Armee seit Jahren erwünscht. Dem Sohn einer preußischen Königstochter erleichterten die Beziehungen zum Berliner Hof die Überwindung dynastischen Stolzes und Selbstgefühls zugunsten eines höheren Zweckes. Der Großherzog ergriff im Bewußtsein der Mängel der Gegenwart entschlossen die Hand der Zukunft. Sein Minister stellte sich schützend vor die Vergangenheit, die Zukunft furchtsam abwehrend.

In Mecklenburg-Strelitz hatte man sich eine Äußerung zu der preußischen Note vom 16. Juni, welche Mobilisierung und Anschluß an Preußen forderte, vorbehalten, bis der in England weilende Großherzog Friedrich Wilhelm zurückgekehrt sein würde.

Die zwar nur sehr sparsamen Aufzeichnungen, die der blinde Großherzog nach seinem Diktat niederschreiben ließ, lassen erkennen, welchen Eindruck der dann erfolgende Austritt Preußens aus dem Bunde auf ihn machte. Die Nachricht von der Besetzung Han-

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novers, Sachsens und Hessens durch Preußen brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Erbittert kehrte er heim, durchaus nicht geneigt, den preußischen Forderungen nachzugeben. In Berlin stieg er auf der englischen Botschaft ab. Den König suchte er nicht auf.

Seine Regierung, die v. Bülo 1 ) leitete, hatte sich inzwischen völlig abwartend verhalten. Bülow hatte bei der Schnelligkeit der Ereignisse fast die gewohnte Fühlung mit Schwerin verloren. Um einheitliches Vorgehen wiederherzustellen, legte Bülow dem Schweriner Kollegen in einem ausführlichen Schreiben vom 18. Juni seine und des Großherzogs Auffassung dar. Die Absicht Friedrich Wilhelms, seit die deutsche Krisis diese ernste Wendung genommen, sei dahin gegangen, unter Festhalten an den Bundesverträgen und der unauflöslichen Bundesverfassung sich auf neutraler Seite zu halten, möglichst für Erhaltung des Friedens zu wirken und weder an einer Koalition oder an Bundesbeschlüssen gegen Preußen, aber auch nicht an Reformversuchen sich zu beteiligen, "welche mit Geist und Grundlagen der Bundesverfassung unvereinbar sind". Davon versprach er sich die Erhaltung einer selbständigen Stellung.

Ob das unter den eingetretenen Verhältnissen noch gelingen könne, bezweifelte Bülow - "jetzt, wo die Sachen so stehen, daß eine Berufung auf das bisherige Bundesvertragsrecht vielleicht als eine Kriegserklärung gegen Preußen aufgefaßt werden würde". Aber eine Berechtigung, diese Verträge für null und nichtig zu erklären, erkannte er nicht an, auch wenn sie vermeintlich von der "Mehrheit der Bundesgenossen verletzt und gebrochen seien, nicht für Preußen als den verletzten, geschweige denn für andere unbeteiligte Staaten". Jedes Staats- und Vertragsrecht würde wertlos sein, wenn es durch einseitige Erklärung beiseite geschoben werden könne. "Auf solcher Basis würde der neue Bund von höchst


1) Bernhard Ernst v. Bülow war 1815 zu Cismar in Holstein geboren. Sein Vater entstammte einer mecklenburgischen Familie und war selbst noch in Mecklenburg geboren. Durch seine Heirat war er in dänische Dienste gekommen. Auch der Sohn begann in Dänemark seine Laufbahn, erst bei der dänischen Verwaltung der Herzogtümer, dann im diplomatischen Dienst des Königreiches. Bei der schleswig-holsteinischen Erhebung 1848 stellte er sich der provisorischen Regierung zur Verfügung, wurde aber abgewiesen und trat ein Jahr später in dänische Dienste zurück. Seit der Wiederherstellung des Bundes vertrat er Dänemark für Holstein und Lauenburg in Frankfurt. 1863 verließ er den dänischen Dienst und wurde Minister des Großherzogs von Strelitz. Seit 1868 war er als mecklenburgischer Gesandter und Bevollmächtigter am Bundestag in Berlin. 1873 trat er in den Reichsdienst über als Staatssekretär im Auswärtigen Amt (gestorben 1879).
Vgl. Hermann v. Petersdorff: "Deutsche Männer und Frauen" Artikel über Bülow. S. 100.
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problematischem Wert sein, ganz abgesehen, daß ein Bund nicht durch einen Bürgerkrieg begründet werden kann und ein Bundesstaat, der in allen wichtigen Entscheidungen eine nach Volkszahl zu ermittelnde Majorität als Regulator in Aussicht nimmt, gegen den jetzigen Bund mit seinen weisen und zahlreichen Rechtsbürgschaften ein schlimmer Rückschritt ist." "Es scheint mir daher," so heißt es wörtlich, "ungeachtet aller politischen Gefahren doch im Interesse unserer politischen Stellung, der Unabhängigkeit unserer Fürsten und der Wahrung unserer Landesverfassung dringend geboten, die noch immer zu Recht bestehende Bundesverfassung nicht aufzugeben. Dieselbe ist tatsächlich leider suspendiert . . .. ein Sonderbündnis aber vor und während eines inneren Krieges ist für konservative Staaten, die fest und treu zur Bundesverfassung gehalten und keinen anderen Wunsch als Herstellung eines haltbaren Friedens haben, um so bedenklicher, als wir dann keine andere Garantie haben als das unsichere Kriegsglück oder den guten Willen eines übermächtigen Nachbars. Die Ereignisse gehen so rasch, und die Rechts- und Machtverhältnisse in Europa haben sich . . . so geändert, daß die Mittel- und Kleinstaaten kaum noch ein Gewicht in die Wagschale legen können und ihnen die Existenz näher liegt als Rechtsfragen - zumal in einem Augenblick, wo gleichzeitig Frankreich die Reduktion der Zahl der deutschen Staaten und Preußen die Lösung der "unauflöslichen" Verträge proklamiert - mir scheint indes, daß, wie die Existenz am Ende doch vom Recht abhängt . . ., nicht bloß eine Manifestation zugunsten des Rechtes den mecklenburgischen Großherzogtümern, als den konservativsten deutschen Ländern, wohl anstehe, sondern darin auch das vielleicht einzige Mittel zu finden sein würde, die jetzt gestellten Verlangen in angemessener Weise ablehnen, die Neutralität behaupten zu können und nach Ausgang des Krieges auf dem Rechtsstandpunkt befunden zu werden."

Hier spricht dieselbe Welt, die den Gedanken der Heiligen Allianz zur Reife brachte, eine Welt, die nicht wissen will, daß Macht wohl stärker ist als Recht, die nichts ahnt von dem Konflikt von Macht und Recht und von der Problematik ihrer Abgrenzung und der Bedingtheit ihrer Geltung, - eine Welt, die für Recht hält, was beschworen und in alten Verträgen geschrieben steht. Und doch: hinter diesem unbedingten Festhalten des "Rechtsstandpunktes" birgt sich ein Instinkt für die Realität der Lage, der nicht bloß das Recht um des Rechtes willen hochhält, sondern ein Instinkt, der sehr reale Interessen mit diesem Schilde deckt. Ein Anschluß an diese oder jene Partei brachte unweigerlich, wenn überhaupt eine Entscheidung erzielt wurde, den Verlust der bis-

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herigen selbständigen Existenz. Eine Entscheidung zwischen den beiden Großmächten, die die eine zum Sieger über die andere machte, mußte den alten Bund, und damit das Lebenselement der deutschen Kleinstaaten, zerstören. Mecklenburg besonders war durch seine geographische Lage, sobald der Schutz des Bundes aufhörte, an Preußen ausgeliefert ohne eine Möglichkeit des Widerstandes. Bevor aber der preußische Sieg mit Sicherheit vorauszusehen war, war ein Aufgeben des Rechtsbodens ein "politischer Selbstmord".

Zwar mußte das Vorgehen Preußens gegen Hannover und Sachsen zur Vorsicht mahnen, und es blieb sicher nicht ohne Einfluß auf die Entschlüsse in Mecklenburg. Aber der Versuch, die Selbständigkeit zu wahren, solange es anging, war Pflicht für jeden Staat, solange er an die Berechtigung seiner Existenz glaubte - wenn nicht, wie bei Friedrich Franz, irgendwelche Momente die Lösung von diesem natürlichen Gedanken vermittelten. Die Schweriner Regierung dachte wie Bülow und sein Landesherr. Hätte Friedrich Franz die Gesinnung Friedrich Wilhelms von Strelitz geteilt - die Dinge hätten einen anderen Lauf nehmen können.

Auch Friedrich Franz war nicht frei von legitimistischen Anschauungen, und auch sein Rechtsempfinden regulierte sich keineswegs allein nach Tatsachen und Machtverhältnissen, aber er war imstande, diesen ihre Berechtigung zuzugestehen und sie mit in seine Rechnung zu setzen. Und ihm wurde diese Rechnung leichter, weil er auch Resultate daraus zog, die ihm erwünscht waren.

Wenn Friedrich Franz eine klare Entscheidung für sich und sein Land herbeigeführt hatte, so folgte ihm auch jetzt noch seine Regierung darin nicht. Oertzen spielte (in offiziellen Noten an Nachbarstaaten!) noch eine Zeitlang mit dem sophistischen Gedanken einer "Suspendierung" des Bundes. Zu einer amtlichen Absage, zu einem Austritt kam es erst in der Schlußsitzung des Bundestages im Juli.

Als der Strelitzer Großherzog in sein Land zurückgekehrt war, mußte es sich darum handeln, eine Entscheidung über die Stellung zu Preußen auch für Strelitz herbeizuführen. Eine Unterredung mit dem Schweriner Vetter hatte ihn diesen sehen lassen als "theoretisch ganz korrekt, wenn auch praktisch eigentlich mit den gräulichen Preußen schon verbunden" 2 ) Offenbar hatte man sich


2) Tagebuch Friedr. Wilh. 25. Juni. Vgl. dazu Tagebuch Fr. Fr. 25. Juni: "12 Strelitz, freundlich empfangen. Schöner Tag. Gefährliche Damengespräche . . . mit Fritz ausführlich gesprochen, ist vernünftig, will nach Berlin . . . Ghzg. (Großherzogin!) meine Meinung über König von Hannover gesagt, heftig. 6 fort, viele Menschen und Hurras auf Bahnhöfen."
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nicht völlig ausgesprochen. Und während von Schwerin am folgenden Tage ein Bevollmächtigter zum Abschluß einer Militärkonvention nach Berlin geschickt wurde, begab sich der Strelitzer Landesherr dorthin, um für sich Neutralität zu erlangen, die ihm vom König auch zugesagt wurde 3 )

Die Neutralitätszusage war die Basis für die Antwort auf die preußische Note vom 16. Juni.

Die darin vertretenen Ausführungen decken sich mit den Auffassungen, die Bülow Oertzen gegenüber in dem Schreiben vom 18. Juni ausgesprochen hatte. Sie gipfeln in bezug auf den Reformvorschlag darin, daß in einem Augenblicke, in dem noch alles völlig ungewiß und unbestimmt sei, eine Zusage eine definitive Zustimmung nicht sein könne. "Der Großherzog erblicke nur in einer auf den Grundlagen des Rechts und der eingehenden Prüfung zustande gebrachten Vereinbarung die Gewähr der Einigkeit und Dauer."

Infolge des erhaltenen Neutralitätsversprechens sah man sich nicht veranlaßt, auf die Militärforderungen einzugehen.

Diese Antwort erweckte bei der preußischen Regierung keinen sonderlich guten Eindruck. Im Gegenteil wird in der Antwort vom 7. Juli, also nach der Schlacht von Königgrätz, die Verabredung mit dem König einfach übergangen und in sehr deutlicher Form die dortige Auffassung ausgesprochen: "Der Unterzeichnete ist beauftragt, wiederholt um eine unverweilte Erklärung, und zwar nunmehr über den unbedingten Beitritt des Großherzogtums Mecklenburg-Strelitz zu dem Vorschlage wegen der Bundesreform und zu dem Sr. K. H. dem Großherzog angetragenen Bündnisse zu bitten. Sollte diese Erklärung nicht in zufriedenstellender Weise erfolgen, so werden S. M. der König allerhöchst sich genötigt sehen, das Großherzogtum besetzen zu lassen."

Dieser entschiedene Ton tat selbstverständlich seine Wirkung. Der Großherzog gab am 11. Juli den Befehl zur Mobilisierung 4 )

In dem Widerstand, den mehr oder weniger hartnäckig beide mecklenburgischen Regierungen gegen das preußische Vorgehen


3) Tagebuch Fr. Wilh. 27. Juni: "Laue Nacht durch nach B., um 12 Uhr beim König, der ernst und weich, interessante Konversation über Krieg und Lage. Gottlob, Neutralität erlangt! Italiener bei Custozza aufs Haupt gechlagen!" Vgl. Tageb. Fr. Fr. 28. Juni: "Ghzg. in Berlin, militärische Neutralität erreicht. Erschwert meine Lage sehr gegen meine I. Stände. Gönne aber Fritz diesen Vorteil, bleibe aber bei meinem Cours."
4) Vgl. Brief von Bülow an Oertzen vom 12. Juli 1866: "Lieber Herr v. Oertzen. Die hier Montag angelangte preußische Note ist denn (  ...  )
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leisteten, war natürlich als stärkster Faktor ein nackter Selbsterhaltungstrieb enthalten, der um so begreiflicher war, als die Ausführung des preußischen Reformvorschlages aufs schwerste die Grundlagen des mecklenburgischen Staatswesens, seine ständische Verfassung, zu erschüttern drohte, mit der nach der Anschauung der herrschenden Schicht das Wohl des Landes sich verband. Aber es waren nicht nur Nützlichkeitserwägungen, die zum Widerstand aufriefen. Es bestand ein geistiger Gegensatz zu dem geplanten preußischen Bunde, in seiner innerpolitischen Gestaltung nicht nur, sondern auch in der allgemeinen Auffassung des Staates, als dessen Grundlage man das "Recht" ansah, das im Deutschen Bunde verkörpert war. Man dachte noch völlig in den Anschauungen der Heiligen Allianz, deren Kind der deutsche Bund war, daß man den Gedanken nicht los wurde, der "deutsche und europäische Friede könne nur auf einem allgemeinen Kongreß" wiederhergestellt werden. Mochte sich dahinter hier und da vielleicht auch der Wunsch verbergen, daß durch das Eingreifen des Auslandes die Erhaltung der eigenen Selbständigkeit erleichtert werde, so ist doch der Gedanke "einer neuen dauernden Rechtsgrundlage" auch ohne jeden egoistischen Nebengedanken ausgesprochen worden, und die "Rechtsgrundlage" war damals noch manchem mehr als ein bloßer Rettungsanker in dem Strudel unitarischer Zeitströmungen. In ihr verkörperte sich der Wille Gottes - das Heilige "von oben" gegen das Unheilige "von unten".

Unter dem Zwange einer politischen Notwendigkeit, nicht nach eigenem freien Wunsche stellten sich die beiden Mecklenburg an Preußens Seite. Der Großherzog von Schwerin fand sich leichter in die Situation hinein. Er stellte sich dem König von Preußen


(  ...  ) freilich gröber ausgefallen, als für die dortigen Zwecke notwendig gewesen wäre, und als durch die bescheidene Vornahme der dort empfohlenen "eingehenden Prüfung" eines unfertigen, aber doch zweischneidigen Projektes legitimiert scheint. Auch die unbedingt gegebene Zusage S. M. des Königs gegen "loyale Neutralität", das diesseitige Kontingent überhaupt nicht in Anspruch zu nehmen, ist im Hauptquartier eigentümlich modifiziert. Wie die Dinge stehen, und nachdem Braunschweig und Hamburg auch mobilisiert, konnte aber Strelitz nicht allein in Deutschland seine glückliche und loyale Ruhe behaupten, und so war, was die Sache angeht, diese Evolution vorherzusehen. Der Großherzog hat daher gestern die Mobilisierung befohlen und mich autorisiert, sämtliche Vorschläge sans phrase anzunehmen. Das Weitere müssen wir dann Gott anheimgeben und die Dinge ruhig nehmen, wie sie sind. - Der Großherzog ist sehr klar und ruhig, nachdem er getan, was er für Pflicht hielt, und was ihm möglich war. - Nun wird es darauf ankommen, dem Hause und dem Lande gegenüber dem Strudel der unitarischen Hegemonie zu erhalten, was möglich ist."
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zur Verfügung und übernahm die Führung eines Reservekorps, dem auch seine mecklenburgischen Truppen angehörten, und führte es nach Bayreuth und Nürnberg, wo er als Sieger einzog. Er bekundete so öffentlich die Aufrichtigkeit seiner Haltung zu Preußen und gewann sich dadurch eine geachtete Stellung im Bunde.

Seine Regierung, seine Minister hatten es schwer, ihm zu folgen. Oertzen stand auf gänzlich anderem Boden. Oft gab es Verstimmungen und Meinungsverschiedenheiten zwischen Minister und Fürsten. Oertzen wollte seinen Abschied nehmen und blieb nur auf den dringlichen Wunsch seines Herrn in einer Stellung, welche ihn zu Handlungen zwang, die gegen seine Überzeugung liefen.

In Strelitz hatte Bülow am klarsten die Situation erkannt. Er sah am unbefangensten in die Zukunft. Er wußte, was zu erwarten stand, und richtete sein Handeln danach. Wohl fühlte er mit seinem Herrn. "Allerhöchstdieselben haben nicht bloß getan, was möglich war, und immerhin einige Wochen gewonnen, sondern es wird auch die Geschichte nicht vergessen, daß Ew. K. H. als der letzte unter den nord- und mitteldeutschen Souveränen die Fahne des Bundesrechts hochhielten und nicht den preußischen Lockungen, sondern nur der Übermacht nachgaben. . . In Gottes Hand stehen Folgen und Zukunft, und solange das Land seinen angestammten Herrn hat, ist auch noch Hoffnung auf bessere Zeiten."

Jedoch Sicherheit des Blickes für die Realitäten des Lebens hütete ihn vor falschen Hoffnungen, die man wohl in Strelitz hegen mochte. Von einer Hilfe des Auslandes erwartete er nichts. "Die Mainlinie ist Preußen sicher." Ob aber". . . wirklich ein siebentägiger Krieg ausreicht, um alle Monarchen zu stürzen und Deutschland zu unterwerfen", schien ihm doch noch ungewiß. Er erkannte auch die schwierige Lage Preußens. Würde es die Geister bannen können, die es rief? "Die preußische Regierung wird es schwer haben, daß nicht die liberale und radikale Partei sie weiter treibt, als sie selbst es will." Auch ohne die spätere Entwicklung Bülows zu kennen, spürt man doch schon in solchen Äußerungen einen Mann, dessen Blickfeld nicht durch doktrinäre Einseitigkeit beengt ist. Man fühlt hier einen politischen Geist, der nicht in engen Formeln denkt, der einen Sinn hat für lebendige Zusammenhänge der Welt und die Fähigkeit, ihre Kräfte gegeneinander abzuwägen, wenn er auch die Spuren seiner Herkunft nicht verleugnen kann. Aber in ihm leben Kräfte, die ihn seinen Platz finden lassen werden in der neu entstehenden Welt, die die Hemmungen überwinden lassen, die ihm anhaften in der Stellung zu den umwälzenden Ereignissen des Revolutionsjahres 1866.

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Er rückt damit in eine Linie mit Friedrich Franz II., wie Oertzen und Friedrich Wilhelm von Strelitz als Männer einer abgeschlossenen Epoche eine gewisse Gleichstellung einnehmen. Wie Oertzen niemals die Aussöhnung mit der Neugestaltung vollziehen konnte, so gilt das noch mehr von dem blinden Friedrich Wilhelm, der bis an seinen späten Tod nicht vergessen konnte.

Der Schweriner Großherzog zog 1870 nach Frankreich, für Deutschlands Größe zu kämpfen, der Strelitzer Ministe 5 ) wurde im Reich ein Mitarbeiter des großen Bismarck.

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Das mecklenburgische Volk hatte an der Entscheidung keinen Teil. Es sah sich vor eine Tatsache gestellt.

Die große Masse blieb unbeteiligt. Politische Dinge lagen ihr fern. Der Adel, die politisch herrschende Schicht in Mecklenburg, äußerte leidenschaftliche Abneigung. Ein liberales Bürgertum erkannte, nachdem altes Mißtrauen gegen Bismarck überwunden, in Preußen den Bundesgenossen in der nationalen Frage und in der Gegnerschaft gegen den ständischen Staat, dessen geschworener Feind es war. Politische Bedeutung kam der Stimmung des Volkes erst zu, als es sich rüstete zur Wahl seiner Vertreter im Parlament des norddeutschen Bundes (s. Vorbemerkung).


5) Mit Bismarck war Bülow zuerst in Frankfurt in Berührung gekommen. "Ein angenehmer Gesellschafter mit liebenswürdigen Manieren, dabei schlau und umsichtig", schilderte er ihn dem Freunde Leopold v. Gerlach (22. 6. 1851). Als den "fähigsten Ihrer Kollegen" empfahl Rochow ihn seinem Nachfolger (General v. Rochow an Bismarck 1. 11. 1851). Auch Robert v. Mohl (Lebenserinnerungen S. 213) rühmt ihn als "feingebildet" und hebt seine "versöhnliche Art und seinen ruhigen Takt" in der Vermeidung von Konflikten und Reibungen hervor. - In Mecklenburg war er kein Fremder. Der mecklenburgische Adel war dem holsteinischen verwandt. Aber sein Gesichtskreis war weiter, obwohl er als Junker und Feudalist nach Mecklenburg kam. Als sich die Gelegenheit bot, griff er zu und trat auf einen größeren Schauplatz. Beust ("Aus drei Vierteljahrhunderten" I S. 139) verwundert sich über seine "Häutungen" - und wie aus dem "streitbaren Reaktionär" und "Preußenfeind" der Vertraute Bismarcks werden konnte, und noch mehr über das "Zwischenstadium" in Strelitz. - Sein Entwicklungsgang will so ungeheuerlich nicht scheinen. Viele Zeitgenossen durchliefen diese geistige Wandlung, die sich organisch der Zeitentwicklung anschmiegt und geradezu als typisch angesprochen werden kann. In Bismarck, der doch selber eine ähnliche Bahn durchlaufen hatte -, in der Bismarckschen Politik liefen eben gar manche Strömungen zusammen. - Man denke nur an die entgegengesetzte Erscheinung eines Lothar Bucher - ebenfalls als Typus -, die den 48er Demokraten als Mitarbeiter Bismarcks sehen läßt. Der Zusammenfluß so heterogener Elemente ist gleichsam Sinn und Inhalt der Geschichte der Reichsgründung überhaupt.
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Inzwischen stürmten die Ereignisse unaufhaltsam vorwärts. Es kam der Tag von Nikolsburg. Bismarck übersah den Erfolg des Kampfes, den er entfesselt, und wußte die Geister zu bannen. Es galt, die Fäden, die er ausgeworfen hatte, zu einem festgespannten Netz zusammenzuziehen. Die Bundesgenossen wurden aufgefordert (4. August), zum Abschluß eines Bündnisvertrages auf Grund der Note vom 16. Juni Bevollmächtigte nach Berlin zu entsenden. Der Entwurf dieses Vertrages wurde gleichzeitig übergeben.

In Mecklenburg zögerte man mit einer offiziellen Antwort. Aus einer Korrespondenz mit dem oldenburgischen Ministerium erkennt man, daß die Zurückhaltung sich aus der Abneigung gegen die Schaffung einer Volksvertretung herleitete. Militärischen Anforderungen des Bundes war man bereit nachzugeben. Aber vor der "Kopfzahl" des Parlamentes wollte man eingewurzelte Prinzipien nicht preisgeben. Gegen Berlin deckte man sich mit der Abwesenheit des Großherzogs von Schwerin. Es wurde auch die "vielleicht" notwendig werdende Einberufung des Landtages angekündigt.

Auf preußisches Drängen jedoch gab man nach. Wenn auch nur unter Vorbehalten. Die mecklenburgischen Vertreter gingen zu Unterhandlungen nach Berlin. Oertzen war zäh genug, zu erreichen, das die freie Entscheidung noch bis zur Zustimmung der Stände offengehalten wurde. So kam am 21. August ein besonderer Bündnisvertrag der beiden Mecklenburg mit Preußen zustande. Alle übrigen Bundesgenossen hatten bereits am 18. August unterzeichnet.

Man wird fragen, warum die mecklenburgischen Regierungen so fest und zäh das Recht ihrer Stände verteidigten, obwohl es doch begreiflich gewesen wäre, wenn etwa das Fürstenhaus unter der Gunst dieser Umstände die Gewalt der Stände gebrochen hätte, die doch das Machtgebiet der Fürsten außerordentlich beschränkte. Wenn bei den Großherzögen dazu der Wille vorhanden gewesen wäre, so würde es ein Leichtes gewesen sein, die ständische Verfassung zu beseitigen. Aber beiden Fürsten lag diese Absicht fern, und ihr Eintreten für das ständische Recht entsprach völlig ihrer Gesinnung. Es war auch nicht so, daß man die Bindung an Preußen hinausschieben wollte, etwa in der Hoffnung auf das Nichtzustandekommen des preußischen Bundeswerkes durch das Eingreifen Europas. Selbst wenn solche Hoffnungen hier und da auch an maßgebender Stelle genährt sein mögen, so hat man in dem Ausspielen der ständischen Rechte doch nichts weiter zu erkennen als den Versuch, mit diesen die staatliche Selbständigkeit nach

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innen, die "Landesverfassung" und die "Unabhängigkeit der inneren Gesetzgebung" zu erhalten. Das war um so natürlicher, als die Minister sämtlich aus der ständischen Sphäre hervorgingen und durchaus in ihr wurzelten - materiell wie geistig. Sie hielten die Rechtsgrundlage fest und wehrten jede Verletzung ab. Ihren praktisch-politischen Zielen stand eine ideelle Begründung zur Seite. Es ist der Kampf des "Rechts" gegen die "Macht", der hier und immer wieder in immer neuen Formen gekämpft wird - eines Rechtes allerdings, das sich verknüpft oft mit sehr handgreiflichen Interessen. Der Glaube aber an seine unbedingte Gültigkeit ist in dem Bewußtsein der Kämpfer durch Generationen hindurch eingewurzelt, und seine materielle Form steht für sie unantastbar da als der erhabene Ausdruck göttlichen Willens, als dessen Werkzeug man sich fühlt. Man würde Unrecht tun, wollte man in diesem zähen Festhalten an Recht und Gerechtigkeiten nur Eigensucht erblicken und heuchlerische Maske. In ihm steckte ein edler Kern sittlichen Wollens und Glaubens, der sich zur Wehr setzt wider die unheiligen Kräfte der neuen Zeit, die einzubrechen drohen in den sorgfältig gehegten Frieden eines sozialen Lebensideals - eines Lebensideals allerdings, das einem robusten Klassenegoismus gleichsieht, wenn das Bewußtsein der aus ihm erwachsenden sittlichen Verpflichtungen seinen Trägern fehlt und verloren gegangen ist. Daß unter dem Rankenwerk menschlicher Triebe und Leidenschaften jener Kern gar oft überwuchert wurde und mit dem Guten viel Böses sich vereinigte, wer wollte sich darüber verwundern? - Aber der Glaube an jenes Gute war da, und er macht seine Bekenner liebenswert bei allen Verirrungen und Schwächen menschlicher Natur. - -

Die Regierungen mochten glauben, daß, wenn Preußen die volle Rechtskraft der Verträge von der ständischen Ratifikation abhängen ließ, damit eine Anerkennung der Stände ausgesprochen sei, auf die man in Zukunft zurückgreifen konnte.

Die Regierungen gingen alsbald an die Einberufung des Landtages. Gleich nach Rückkehr der Staatsminister von Berlin verabredeten sie die Ausschreibung eines Landtages auf den 26. September. Man einigte sich auf Schwerin, obwohl der Großherzog von Strelitz eine der stillen Landtagsstädte vorgezogen hätte, um den Charakter des Ungewöhnlichen wenigstens äußerlich zu unterdrücken.

Für die Regierungen lag der Wert des Landtages darin, daß sie einen Rückhalt gewannen in ihrer Defensivstellung. In den zu erwartenden Verhandlungen über die Bundesverfassung würde man sich auf den Willen des Landtages berufen können, der doch

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irgendwie als Ausdruck des Volkswillens gedeutet werden konnte. Deshalb brauchten sie die Zustimmung der Stände. Eine Ablehnung der preußischen Forderungen durch den Landtag hätte die Regierungen ebenso in Schwierigkeiten gebracht, als sie die ständische Position unhaltbar gemacht hätte.

Die Stände waren klug genug, im letzten Grunde doch nachzugeben und die Politik der Regierungen zu sanktionieren, wie groß auch in Wirklichkeit ihre Feindschaft war.

Die Regierungen waren damit an der Gefahr vorüber, durch die Ablehnung ihrer Propositionen an Preußen ausgeliefert zu werden. Im Gegenteil, sie konnten das Votum der Stände, das möglichste Erhaltung der innerstaatlichen Selbständigkeit verlangte, als Rückhalt benutzen in ihrer Abwehr dem Bunde gegenüber.

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Mit den Bündnisverträgen vom 18. und 21. August und mit den Friedensschlüssen mit Sachsen und Hessen war die Grundlage gegeben zu den Verhandlungen über die Bundesverfassung. Es ist bekannt, daß die Krankheit Bismarcks den sofortigen Beginn der Verhandlungen hinausschob, so daß sie erst nach dessen Genesung aufgenommen wurden. Als dann der Verfassungsentwurf unter Bismarcks Leitung fertiggestellt war, wurde er den Bevollmächtigten der verbündeten Regierungen am 15. Dezember in Berlin vorgelegt.

Schon vor dem Abschluß des Bündnisvertrages vom 21. August war nach Mecklenburg eine Aufforderung ergangen, die Maßnahmen zur Wahl des Parlaments vorzubereiten (16. Juli). Die Frage des Bundes nahm damit greifbarere Formen an und zwang zu einer Auseinandersetzung. Über die Besprechungen, die über diesen Gegenstand in den Ministerien geführt worden sind, liegen Aufzeichnungen nicht vor. Jedoch versteht es sich von selbst, daß man nicht ergebungsvoll die Dinge an sich herankommen ließ, sondern sich so gut es ging zur Abwendung des zu erwartenden Übels rüstete.

Ein in dieser Beziehung sehr interessanter Brief Oertzens (Entwurf - 19. Juli 1866) an den Professor V. Amadeus Huber, einen bekannten Sozialpolitiker konservativer Richtung, mit dem Oertzen schon in den vierziger Jahren, als Huber der Rostocker Universität angehörte, in nähere Berührung gekommen war, bietet Gelegenheit, die Gedanken kennenzulernen, welche damals den Minister bewegten und die wohl Gegenstand solcher Beratungen gewesen sind. Zu einem gewählten Parlamente, so war seine Mei-

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nung, werde es kommen müssen. Dagegen zu opponieren, werde zwecklos sein. Wenn damit auch die Form des zukünftigen Staatswesens bestimmt schien, so hielt er es doch für möglich, deren Inhalt den eigenen Wünschen anzupassen. Und "um für diesen freilich ungleichen und hoffnungslosen Kampf eine einigermaßen gesicherte Position zu gewinnen", hielt er es für "das beste, vielleicht einzige Mittel, sich auf die englischen Parlamentseinrichtungen zu berufen". Wenn die englische Verfassung zwangsweise in Deutschland eingeführt werden solle, so werde man sich doch auf den richtigen Sinn der englischen Einrichtungen beziehen dürfen. Er bezeichnet es als sein Streben, "das deutsche Parlamentswesen seines durch und durch revolutionären Charakters zu entkleiden und dem englischen soviel als möglich ähnlich zu machen". Die spezielle Kenntnis Hubers in den englischen Verhältnissen nun veranlaßt Oertzen, sich bei ihm Rats zu holen. Er fragt nach den gegenwärtigen Verhältnissen der englischen Verfassung und nach ihrer historischen Entwicklung. Die Notwendigkeit eines Oberhauses neben dem Unterhause steht ihm fest. Das allgemeine Wahlrecht möchte er durch einen "sog. Zensus" eingeschränkt wissen. Passive und aktive Wahlfähigkeit sollen auf verschiedener Rechtsgrundlage ruhen. Um den bestehenden Ständeversammlungen nicht schroff und unvermittelt ein neues Parlament gegenüberzustellen, denkt er daran, jenen ein Vorschlagsrecht einzuräumen, das die Zahl der wählbaren Kandidaten einschränkt. Auch die Befugnisse des Parlamentes möchte er auf "Bewilligung neuer Gesetze und neuer Steuern" beschränkt wissen, wie er es für England annimmt, bevor das Parlament zu seiner "gegenwärtigen Omnipotenz" gelangt sei.

Die zu Anfang bekundete Absicht der Entrevolutionierung leuchtet in allen Fragen hervor. Sein Streben ist gerichtet auf die Schaffung konservativer Sicherungen. Aber der fragebogenartige Brief, der keine bedeutende Kenntnis der englischen Verhältnisse erkennen läßt, blieb unbeantwortet. Huber lag schwer krank und konnte die erwünschte Auskunft nicht geben. Der Minister blieb ohne den Rat des Gelehrten. Doch die damals ausgesprochenen Gedanken begleiteten ihn auf die Ministerkonferenzen, wo die Umstände es allerdings nicht erlaubten, sie hervorzudrängen oder gar zu verwirklichen.

Es hätte nahe gelegen, daß die Kleinstaaten sich untereinander verständigten, bevor sie nach Berlin gingen, und Verabredungen über eine gemeinsame Haltung getroffen hätten. Die Akten ergeben für Mecklenburg darüber nichts. Vielleicht verzichtete man darauf, weil man durchaus im Ungewissen war, was für ein Ge-

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richt man von Preußen würde vorgesetzt bekommen. Vielleicht hielt man sich auch von vornherein zurück, um bei der etwas prekären Lage Mecklenburgs (wegen der Verfassung) durch solches Vorgehen nicht Preußens und Bismarcks Unwillen zu erwecken.

Wie empfindlich die Preußen in diesem Punkte waren, zeigte sich im Laufe der Verhandlungen. Jede nähere Berührung der Bevollmächtigten untereinander wurde mit Mißtrauen angesehen.

Einem Zusammengehen der Kleinstaaten stand auch die ungewisse Haltung gegen die größten unter ihnen, Sachsen und Hessen, im Wege. Daß aber auch die Stimmung aufkommen konnte, in der bevorzugten Behandlung der "Besiegten" eine Zurücksetzung der "Bundesgenossen" zu erblicken, ist begreiflich. Auch die mecklenburgischen Regierungen waren nicht frei davon.

Am 15. Dezember traten die Bevollmächtigten zur Beratung des Verfassungsentwurfes zusammen. Es gab bald auf Wunsch Sachsens eine Unterbrechung. Im Januar setzte man die Verhandlungen fort. Der Entwurf hatte keinen guten Eindruck gemacht. Er ließ keine befriedigte Stimmung aufkommen. Man fühlte sich wegen der angesonnenen Opfer bedrückt. Ein rascher Abschluß des Verfassungswerkes schien nicht in Aussicht.

In Mecklenburg teilte man die Unzufriedenheit über den preußischen Entwurf. Friedrich Franz schrieb am 18. Dezember, als ihm der Inhalt der Bündnisvorlage bekannt geworden war, in sein Tagebuch: "Zu stramm, nicht annehmbar ohne Änderungen." Daß Hof- und Regierungskreise mit dem Entwurf nicht einverstanden waren, war von vornherein zu erwarten. Aber auch der Großherzog, der, als im Sommer die Entscheidung drängte, nicht lange geschwankt hatte und zu ihrer Herbeiführung entschieden auf die Seite Preußens getreten war; dem seit Jahren eine Lösung der deutschen Frage durch Preußen als die richtige vorgeschwebt hatte, auch er war durch die preußischen Anforderungen betroffen und hielt sie für unannehmbar. Es ist ohne Zweifel, daß seit den Kriegswochen, die den Soldaten unter preußischen Fahnen hatten kämpfen sehen, die Stimmung des Fürsten, der für die Selbständigkeit seines Landes fürchtete, Preußen gegenüber eine andere geworden war. Der atemraubende Schwung jener Entscheidungstage, der sich auch dem Großherzog mitgeteilt hatte, war zurückgeebbt. Das soldatische Siegergefühl, das ihm vergönnt gewesen war, war einer nüchternen Ruhe gewichen, die die Dinge in ihrer nackten Wirklichkeit und Eindeutigkeit sehen ließ. Die Auffassung war nicht selten, daß die preußischen Siege nicht im Interesse Deutschlands erfochten waren, oder daß doch die preußischen Macht-

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haber nur an eine Verstärkung der preußischen Machtstellung gedacht hätten. Das mußte verstimmen und verletzen.

In seinem Lande war der Großherzog von vielen Seiten angefochten. Seine Minister vertraten einen entgegengesetzten Standpunkt. Die Ritter boykottierten ihn, und es konnte keine Empfehlung für die Neugestaltung sein, daß die als revolutionär und umstürzlerisch angesehenen Liberalen und Demokraten sich zu ihr bekannten. Es kommt noch hinzu, daß verwandtschaftliche Einflüsse ihn unsicher machen mochten. Briefe der Königin von Bayern erlauben eine Andeutung in dieser Richtung. Das Schicksal der hannoverschen Königsfamilie, zu der der Großherzog in persönlichen Beziehungen stand, konnte nicht ohne Eindruck bleiben. Und hatte Friedrich Franz auch das Verhalten Georgs von Hannover tadeln können, so mußte doch die rücksichtslose Verletzung des monarchischen Prinzips ihm Mißfallen erwecken. Und die ersten Monate des Jahres 1867, bis hinaus über den Abschluß des Bundes, bedeuteten für ihn eine Zeit seelischer Bewegtheit und Erschütterung, wie sie aus seinem Tagebuch spricht. Sie mußte eine Unsicherheit der Haltung zur Folge haben.

An dem Zustandekommen der Bundesverfassung entscheidend mitzuwirken, hatten Mecklenburg und seine Vertreter kein Gewicht. Man blieb auf die Äußerung von Wünschen beschränkt.

Eine Reihe von Randbemerkungen von Oertzens Hand in dem von ihm benutzten Handexemplar des Verfassungsentwurfes läßt den Geist erkennen, in dem er auf die Verhandlungen einzuwirken suchte. Alle lassen sie das Streben erkennen, den Bund "föderativer" zu gestalten. So findet sich die Notiz, die sich gegen Verfassungsänderungen und Kompetenzerweiterungen richtet und besagt, daß die "Ausdehnung der Bundeskompetenz nur durch Verträge" zulässig sein solle. Die Stellung des Bundesrates ist zu wenig präzisiert. "Er sollte das Organ sein, durch welches der Bund seine Entschließungen faßt," so daß er also manche Rechte des Präsidiums übernehmen soll. Deshalb sollten "auch politische Verträge dem Beschluß des Bundesrates" unterliegen. Zur Verstärkung des föderativen Prinzips solle Preußen im Bundesrat weniger Stimmen führen, lieber solle ihm ein Veto eingeräumt werden. Preußen dürfe auch nicht die Ausschüsse ernennen, dem Bundesverhältnisse entspräche freie Wahl. Einzelne Befugnisse, die dem Bundesfeldherrn zugewiesen waren, wie die Verfügung über die Bundesfestungen und die Herbeiführung der Exekution gegen Bundesmitglieder bei Verletzung ihrer Bundespflichten, sollen ebenfalls dem Bundesrat überwiesen, oder es soll Übereinstimmung zwischen beiden Instanzen hergestellt

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werden. Der Frankfurter Bundestag schwebt immer als ideales Wunschbild vor. Der in dem Brief an Huber erwähnte Gedanke des Oberhauses taucht hier noch einmal auf. Auslassungen über den Reichstag geben den Wunsch zu erkennen, diesem sein Finanzrecht zu schmälern ("Bewilligung des Reichstages hinsichtlich der nicht im Etat vereinbarten Ausgaben" - soll heißen nur Neueinnahmen des Staates hängen von der Volksvertretung ab!) Um das so unerwünschte allgemeine Wahlrecht später beseitigen zu können, sollte es nicht verfassungsmäßig festgelegt werden.

Mit wieviel Nachdruck diese Gedanken. vertreten wurden, ob sich Unterstützung dafür fand, ob sie von Oertzen ausgingen, oder ob andere die Anregung dazu gaben, ist nicht mit Sicherheit festzustellen - durchgesetzt wurde keine einzige dieser Forderungen und keiner dieser Wünsche, die ihre Wurzeln hatten in der Opposition gegen die verschleierte Tendenz der Bundesverfassung zum Einheitsstaat. Sie kamen her aus der Welt des alten Bundes, der die Überheblichkeit der Kleinstaaten legalisiert und zur Selbstverständlichkeit gemacht hatte. Die Verfassung des neuen norddeutschen Bundes wies in eine andere Welt - eine Welt, die sich gründete auf Tatsachen und reale Machtverhältnisse, die es ablehnte, diese durch legitimistische Formeln zu vergewaltigen.

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Die preußische Regierung hatte schon im Januar die Ermächtigung erhalten, die Vorbereitungen zur Eröffnung des Parlamentes zu treffen. So war es möglich, sofort nach Beendigung der Ministerkonferenzen (24. Februar) den Reichstag zu eröffnen.

Die inzwischen abgehaltenen Wahlen hatten in Mecklenburg - beide Großherzogtümer bildeten sieben Wahlkreise - den Sieg der liberalen Opposition gebracht. Nur zwei ständische Abgeordnete waren gewählt. Die übrigen zählten sich zur liberalen Partei.

Es bestand die Möglichkeit, daß eine Einigung mit dem Reichstage nicht erzielt würde. Für diesen Fall hatte Bismarck auf eine endgültige Regelung des Bundesverhältnisses durch die Regierungen vorbereitet, da die Verträge vom August nur auf ein Jahr liefen. Als dann im Laufe der Verhandlungen ernste Spannungen zwischen Reichstag und Regierungen eintraten, als auch drohende Wolken am Horizonte der auswärtigen Politik eine Klärung der Lage notwendig erscheinen ließen, erwirkte die preußische Regierung den endgültigen Abschluß der Bündnisverträge, an deren Stelle dann nach der Einigung mit dem Reichstag die Bundesverfassung trat.

Für den Schweriner Großherzog, der schwer um die Ver-

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söhnung mit der letzten Entwicklung der Dinge in der Bundesangelegenheit, wie sie sich in der Verfassung dokumentierte, zu kämpfen hatte, war die endgültige Zustimmung ein schwerer Schritt. Er befand sich seit Anfang des Jahres in einer seelischen Krisis und trug sich mit Todesahnungen. Zwar brachte das seine gesunde und robuste Natur nicht aus dem Gleichgewicht, das ihm sein in sich gesichertes Gottvertrauen verlieh, aber seine Entschlossenheit wurde dadurch gelähmt. Oertzen mochte das fühlen und mußte jetzt selber seinem Herrn gut zureden. Aber dem Großherzog wurde die Entscheidung nicht leicht. Nur die Hoffnung, daß das Opfer, das er mit der Aufgabe seiner Souveränität brachte, dem größeren Vaterlande zum Segen werden möge, konnte ihn dazu bestimmen 6 )

Bei Hirschfeld, dem Biographen Friedrich Franz', ist diese Unsicherheit in der Haltung des Großherzogs zu der Angelegenheit der Bundesverfassung gegenüber der Entschiedenheit seines Eintretens für Preußen bei Ausbruch des Krieges nicht hervorgehoben, wie es ja in der Tendenz dieses Historikers liegt, seinen Helden auf ein Geleise zu schieben, das geradenwegs auf die Reichsgründung zuläuft. Daß aber dieses Geleise zumindest sehr starke Kurven aufzuweisen hat, ist zweifellos. Dafür ist ein unanfechtbarer Beweis die Bemerkung, die der Großherzog am 18. April in sein Tagebuch eintrug: "Bedenkliche Nachrichten aus Frankreich, dem Könige geschrieben. Ich will wieder festen Kours segeln: nach außen: aktive Beteiligung beim unvermeidlichen Kampf um Deutschlands Größe: nach innen rechtzeitiges Eintreten der notwendigen Reformen: Bauern, Niederlassung, Rekrutierung."

Wenn auch selbstverständlich solches Schwanken in der Stimmung des Großherzogs nicht mehr von entscheidender politischer Bedeutung sein konnte, so mußte es doch zur Stärkung des ständisch-oppositionellen Elementes, namentlich in der Regierung, beitragen.

Die nämliche Tagebuchstelle bedeutet auch eine Stütze für die Auffassung, daß der Großherzog namentlich als Soldat zum Anschluß an Preußen neigte und daß er, von dieser Basis aus, sich in die neuen Verhältnisse des Bundes und später des Reiches hinein-


6) Tagebuch Friedrich Franz'. 10. April: ". . . Bündnisvertrag definitiv abgeschlossen! Damit also die Souveränität von 1815 definitiv aufgegeben! Möge für Deutschland Segen daraus entstehen! dann ist das Opfer nicht zu groß!" - 13. April: "H. Oertzen meldet Richthofen an, der den Ernst (d. h. Ratifikationsurkunde!) bringt. Ich bin entschlossen; da dieser Kampf doch unvermeidlich, jetzt am vorteilhaftesten. Gott mit uns!"
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fand. Ein Gefühl für "Deutschlands Größe", ein Instinkt für die Machtstellung des Vaterlandes trennte ihn von der Gesinnung jener ständischen Elemente, in denen die Befürchtung aufkam, daß dadurch "der Friede der europäischen Großstaaten in Gefahr gebracht und die Rechtssicherheit inner- und außerhalb Deutschlands erschüttert werden könnte." Mochte es auch keineswegs zutreffen, daß Friedrich Franz "der liberalste Mann im Lande" war, wie Richthofe 7 ) mit reichlicher Übertreibung ihn bezeichnete, so hatte er doch recht, wenn er sagte, daß "von ihm diejenige Mitwirkung für die allgemeinen deutschen Interessen zu hoffen sei, die sich nach seiner Macht im Lande irgend erreichen ließe".

Die Stellung des Großherzogs zum konstitutionellen Liberalismus mag hier genauer untersucht werden. Sie erklärt die Zwitterhaftigkeit, die seiner Politik anhaftete.

Die öffentliche Meinung ging dahin, daß der Großherzog den Volkswünschen nach "Reformen" geneigt sei. Er, der 1848 das Staatsgrundgesetz beschworen, der es verteidigt habe gegen den Einfluß seiner Verwandten und gegen seine Stände, der schließlich nur der Gewalt (Preußen 8 ) gewichen sei, als er sich dem Spruch des Freienwalder Schiedsgerichts unterwarf, er könne nicht für die volksfeindlichen Maßnahmen verantwortlich gemacht werden, die nach der Wiederherstellung der Stände von seinen ständischen Ministern getroffen wurden.

Gewiß, Reformen wollte der Großherzog, aber die verfassungspolitischen Gedanken und Erwägungen, die ihn 1848 geleitet hatten, unter dem Druck überschäumender Ereignisse und unter dem Einfluß seines Ministers v. Lützow, diese Gedanken waren ihm jetzt fremd. Daß er in einem gewissen Gegensatz zu den Ständen sich befand, traf jedoch zu. Er hielt tatsächlich an der Notwendigkeit von Reformen fest, zu der diese die Hand nicht reichen wollten. In ihm lebte aber ein zu ängstliches Rechtsgefühl, als daß er gewaltsam sich über die Rechtslage hätte hinwegsetzen können. Er war im Laufe der Jahre dahin gekommen, auch für sich den Freienwalder Schiedsspruch als Rechtsbasis an-


7) Der preußische Gesandte für Mecklenburg und die Hansestädte.
8) Das wurde auch von preußischer Seite aus anerkannt; Bericht Richthofen vom 4. Januar 1867: "Es wird nie vergessen werden dürfen, daß das Verhalten der mecklenburgischen Regierung sowie der Ritterschaft Preußen gegenüber, und was wir jetzt an Wahlen von Mecklenburg für das Parlament zu erwarten haben werden, ganz natürliche Konsequenzen unserer eigenen Politik in den Jahren 1847/49 sind, und von diesem Gesichtspunkte aus dürfte sich eine gewisse milde Beurteilung der dortigen Zustände gewiß empfehlen."
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zuerkennen, die nur auf dem Wege des Rechts zu ändern sei. Kirchliche Einflüsse werden diese seine Gesinnungswandlung begünstigt haben. Das orthodoxe Luthertum war in Mecklenburg ein Bundesgenosse der ständischen Ordnung - und der Großherzog stand unter Einflüssen aus dieser Richtung.

Als ein Mann von schlichtem und unprobtematischem religiösen Empfinden hielten ihn zwar seine natürlichen Anlagen völlig frei von schwärmerischer Mystik oder pietistischer Frömmelei; aber aus seelischen Konflikten und Krisen rettete er sich, dem persönliche Schicksalsschläge nicht fremd blieben, in die schützenden Arme der Kirchenlehre, und seine unerschütterliche Gottgläubigkeit verlieh seinem Wesen einen fast fatalistischen Zug, der sich um so mehr geltend machen konnte, als er nicht der Mann kurzer Entschlossenheit war. Sein Christentum nahm in seinem Leben eine breite Stellung ein und bestimmte seinen Charakter entscheidend. Sein religiöser Glaube, der ihm die Verantwortung vor einem persönlichen Gott auferlegte, schuf ein peinliches Pflichtbewußtsein. Er übte sein Fürstenamt mit sittlichem Ernst und hatte stets den besten Willen. Daß er oft erlahmte, lag in seiner Unentschlossenheit und auch in dem Widerstand, den er fand. Die Geneigtheit, fremdem Einfluß zu erliegen, machte ihn nur schwächer. In sehr jungen Jahren zur Regierung berufen, aus einem unabgeschlossenen Entwicklungsgang vorzeitig herausgerissen, machte ihm ein wechselvolles Geschick unsicher und ließ ihn an seinen Fähigkeiten zweifeln. So suchte er äußeren Halt. Seine Abhängigkeit von seinen preußischen Oheimen war mehr als bloße verwandtschaftliche Anhänglichkeit. Und immer fanden sich in seiner Umgebung Männer, die Einfluß auf ihn gewannen. Von seinem Vater übernahm er als Freund des Hauses den Ludwig v. Lützow, unter dessen Einwirkung der junge Großherzog seinem Lande eine konstitutionelle Verfassung gab, wenn er sich selber auch zu dem konstitutionellen System nicht unbedingt bekannte. In der folgenden Reaktionszeit waren es der Minister v. Schroeter, die Männer des Oberkirchenrats Kliefoth und Kaysel, unter deren Einfluß er sich von der Vergangenheit des Jahres 1848 abwandte und das auch äußerlich bekundete, indem er den Führer der Ritterschaft, Jasper v. Oertzen, auf den Posten des Ministerpräsidenten berief, als der Graf Bülow, den er aus preußischen Diensten übernommen hatte, starb. Seitdem hatte er sich dem ständischen Lager immer mehr genähert. Das Ministerium war aus Männern von ständischer Gesinnung zusammengesetzt, und er ließ ihnen freie Hand. Zu dem preußischen Gesandten v. Richthofen äußerte er im Jahre 1859: "Wenn es bei der allerdings sehr demokratischen Ver-

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fassung von 1848 geblieben wäre, so wäre er mit Hilfe der vernünftigen Leute im Lande zu einer solchen Abänderung gelangt, wie er sie nur irgend hätte wünschen können. Nachdem ihm dieser Weg abgeschnitten, habe er eine Regierung gewählt, die mit Mäßigung an den alten Prinzipien festhalte." Damit war eine Ablehnung des liberalen Konstitutionalismus ausgesprochen, die auch den Tatsachen entsprach. Und wenn auch durch die Ereignisse des Jahres 1866 der Großherzog wieder von seinen Ständen getrennt wurde, auch vorher nie ganz einer der Ihren geworden war, wie das eher zutrifft für den Strelitzer Vetter, so ließ er in verfassungspolitischen Fragen sich dadurch nicht beeinflussen. Oertzen blieb trotz wiederholter Abschiedsgesuche (hervorgerufen durch Meinungsverschiedenheiten in außenpolitischen Fragen) im Amte und blieb mit dem Großherzog in Übereinstimmung in der Verteidigung der ständischen Verfassung. Dessen Nachfolger wurde später ein anderer ständischer Führer, der Graf Bassewitz-Schwießel. Zur Wiederherstellung des Staatsgrundgesetzes von 1848 war beim Großherzog Friedrich Franz nicht die geringste Neigung. Und so wäre ein Versuch der Liberalen, wie er angeregt worden ist, mit ihm zu diesem Zwecke Fühlung zu gewinnen, erfolglos gewesen. Die lakonische Notiz im Tagebuch über das Ergebnis der Wahlen ("Wahlen schlecht") spricht sein Verhältnis hierzu klar genug aus. Das ganze Wahlgetriebe jener Wochen hatte ihm Unbehagen bereitet. Er hatte zu diesen Dingen keine Verbindung und zog sich von ihnen zurück. Gewiß war er nicht für restlose Aufrechterhaltung der bestehenden Verhältnisse, und das Volksempfinden hatte darin Recht, aber die ständische Basis wollte er nicht verlassen, und wie weit seine Reformpläne gingen, zeigt die Aufzeichnung vom 18. April 1867: "Nach innen rechtzeitiges Eintreten der notwendigen Reformen: Bauern, Niederlassung, Rekrutierung." Auch wenn man diesen Worten die weiteste Deutung gibt, so bleibt ihr Inhalt weit zurück hinter liberalen Wünschen und berührt in keiner Weise das Hauptverlangen der Partei. Mit vielen Zeitgenossen hatte der Großherzog gemein, daß er nur die eine Seite der neuen Zeit begriff. Nur einen Fuß setzte er hinweg über die Schranken, die ihm die Sphäre zog, in der er groß geworden war, den andren nachzuziehen, vermochte er nicht.

Obwohl der Reichstag in der Umgestaltung des Verfassungsentwurfes so weit ging, daß eigentlich nur das Grundgerüst stehen blieb, kam eine Einigung mit den Regierungen zustande. Bismarck belastete den neuen Bund nicht mit der Gegnerschaft der Nation.

Den großherzoglichen Regierungen in Mecklenburg lag nun-

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mehr gemäß des Versprechens im Landtagsabschied 1866 ob, die Bundesverfassung den Ständen zur Abgabe ihrer verfassungsmäßigen Erklärung vorzulegen. Sie waren sich dabei bewußt, daß eine Ablehnung seitens der Stände nicht zugelassen werden dürfte, so daß der Landtag nur die Bedeutung haben konnte, die Stellung der Stände zu den Regierungen zu klären.

Die Bundesverfassung erkannte die bestehenden Verfassungen der Länder an. Sie schützte damit auch die ständische Verfassung Mecklenburgs gegen Eingriffe. Damit war die Hauptsorge der Stände beseitigt. Daß sie von ihnen genommen war, machte sich in der Haltung des Landtages bemerkbar. Richthofen hatte schon im Februar bei der Geburtstags- und Jubiläumsfeier Friedrich Franz' feststellen können, daß auch in den Kreisen der Ritterschaft die Überzeugung Platz zu greifen anfange, daß der Großherzog durch den von ihm offen verkündeten engsten Anschluß an Preußen den auch für Mecklenburg allein richtigen Weg eingeschlagen habe.

Das Hauptbedenken, das die Landtagsversammlung erhob (unter Vorangehen des Grafen Bassewitz), richtete sich gegen den § 78 der Bundesverfassung, der Verfassungsänderungen im Wege der Gesetzgebung zuließ, nur mit der geringen Sicherung, daß auch im Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit gefordert wurde. Da damit auch Kompetenzerweiterungen möglich waren, sprach die Versammlung die Erwartung aus, daß die Regierung dazu nur im Einvernehmen mit den Ständen zustimmen würde.

Die Regierung sagte "tunlichste Berücksichtigung" dieses Wunsches zu. Das bedeutete so gut wie nichts. Sie übernahm damit keine besondere Verpflichtung. Vollends konnten die Stände daraus keine Rechtsansprüche herleiten.

Aber wenn so die Regierung in Zukunft juristisch nicht verpflichtet war, in Angelegenheit des Bundes die Wünsche der Stände zu berücksichtigen, so wurde das tatsächliche Verhalten doch so, daß sie sich jenes ständische Verlangen zum Leitsatz ihrer künftigen Politik machte und sich dem Bunde gegenüber mit ständischen Interessen identifizierte.

Der Strelitzer Großherzog Friedrich Wilhelm hatte an seiner konsequenten Ablehnung der preußischen Politik festgehalten. Für ihn fehlten die Voraussetzungen, die Friedrich Franz die Einordnung in die neuen Verhältnisse erleichterten. Die Familienbeziehungen, die den Schweriner Hof mit Berlin so eng verknüpften, wiesen hier in eine gänzlich fremde Richtung. Die Mutter des Großherzogs war eine Tochter des Landgrafen Friedrich von Hessen-Cassel, seine Gemahlin war eine Tochter des Herzogs von

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Cambridge, deren Tradition mit England verbunden war. Die nahen Beziehungen, die durch die Königin Luise, zwischen der Strelitzer Familie und dem preußischen Königshause bestanden hatten, waren durch den regierenden Großherzog nicht aufrecht erhalten worden. Er galt vor der Sprengung des Bundes als "österreichisch", und sein Blick richtete sich mehr nach Wien als nach der preußischen Hauptstadt. In politischer Beziehung stand er auf dem Boden ständischer Anschauungen. Er hielt an der Überlieferung seines Vaters, des Großherzogs Georg, fest, der 1848 Schwerin die Gefolgschaft in der Verfassungsangelegenheit versagt und den Anstoß zur Beseitigung auch der Schweriner Konstitution gegeben hatte. Der damalige Erbgroßherzog und sein Bruder, der Herzog Georg, waren daran nicht unbeteiligt gewesen. Der Herzog Georg wurde zum Dank dafür in die Ritterschaft aufgenommen und nahm an den Landtagen teil. Und sein Bruder blieb auch als Großherzog ständisch und bekannte sich bei seinem Regierungsantritt aufs lebhafteste zur mecklenburgischen Verfassung. Er war ein Demokratenhasser par excellence. In der Revolutionszeit regte er an, den Beamten die Demokratenbärte abschneiden zu lassen, und als er zur Regierung kam, geschah es 9 )

An den Anschauungen jener Zeit, die in seiner Familie so tief wurzelten, hielt er fest. Trotz eines stark entwickelten dynastischen Stolzes und Selbstgefühls war er nach seiner Gesinnung ein Junker. Es ist bekannt, daß sein Vater das Wort Souveränität nicht in den Mund genommen hat.

Seine englischen Familienbeziehungen ließen ihn oft in England weilen. Er übernahm viel von englischem Wesen und wurde ein halber Tory wie sein Vetter Georg von Hannover. Als Deutscher blieb er ein Sohn des alten Bundes mit seinen ständischlegitimistischen Idealen. Die weitere Entwicklung machte er nicht mit.

Schon zu Anfang der fünfziger Jahre wurde Friedrich Wilhelm von einem Augenleiden befallen, das schließlich zu völliger Erblindung führte. Ein solches Leiden konnte nicht ohne Einfluß auf die innere Entwicklung des Fürsten bleiben und mußte vieles


9) Brief des Erbgroßherzogs an den Minister v. Kardorff 11. Juni 1851: ". . . ich hoffe, daß Sie (während des Interregnums) mit recht entschiedener Hand das Ministerszepter führen werden, und mache auf die für Richter und Beamte so unpassenden Demokratenbärte wiederholt aufmerksam, indem, wenn nicht ein Ministerialbefehl dieselben dem Scheermesser überliefert, was das Beste, ein Wink wenigstens den Neuangestellten . . ., wozu jetzt eine gute Gelegenheit ist, darüber gegeben werden müßte."
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an seinem Wesen bestimmen. Es zwang ihn zu Vereinsamung und zu Zurückhaltung, und manche Schroffheit und eigensinnige Hartnäckigkeit seines Charakters mochte darin ihren Ursprung haben. Er hatte wohl viele Eigenheiten, und oft wurde seine Haltung mißdeutet. Aber gerade seine Krankheit prägte seinem Wesen auch die Züge auf, die Sympathie erwecken und mit seiner oft unerfreulichen politischen Haltung versöhnen. Er besaß eine Innigkeit und Sanftheit der Empfindung, wie man sie bei leidenden Menschen findet. Seinen Freunden brachte er eine herzliche Zuneigung entgegen, wie er seine Feinde zu hassen wußte. Es ist ergreifend, in seinem Tagebuch von dem "wehmütigen Wiedersehen" mit dem König Georg von Hannover zu lesen, den er 1869 in der Verbannung besuchte. Und es rührt, zu sehen, daß er, der blinde Mann, in den Gärten seines Schlosses die Pracht der Fliederblüte genießt und den Eindruck in seinem Tagebuche festhält. Und Nachtigallen und Schwalben, sie erfreuen sein lichtloses Dasein, und er findet es wertvoll genug, es aufzuzeichnen.

An seinem Hofe werden geistige Interessen gepflegt. Er besucht fast täglich das Theater, das schon in seines Vaters Zeit eines guten Rufes sich erfreute, und läßt sich Dichtungen vorlesen. Er liebt es, sich den Tag zu füllen. Die Staatsgeschäfte nehmen seine Zeit nicht voll in Anspruch, und viel ist er auf Reisen. In seinem Lande ist er der patriarchalische Herr, der seine getreuen Untertanen besucht und mit ihnen spricht, und sie erhalten pünktlich zur goldenen Hochzeit ein Bild oder eine Bibel. Mit peinlicher Sorgfalt werden die kleinen Ereignisse des Tages sein ganzes Leben hindurch in knappen Worten aufgezeichnet, und vorsorglich wird gleich das Datum des folgenden Tages daruntergesetzt. Er liebt die behagliche Teestunde im Ahnenzimmer und empfängt gerne die gleich-gesinnten Ritter, die zu ihm in seine stille Residenz kommen. Er hat auch Freude an galanten Geschichtchen, die in den Städten der Welt passieren, und sein Gesandter in Berlin schickt sie ihm in Zeitungsausschnitten und weiß in seine Berichte manches Bonmot einfließen zu lassen, das seinen Herrn erfreut. - Spürt man auch wohl in seiner äußeren Ruhe einen verhaltenen Willen zu rascherem Leben, so erhielt er sich doch in seinem Leiden ein heiteres Gleichgewicht, das wohl rasche Eindrücke erschüttern konnten, das sich aber wiederherstellte, wenn sie überwunden waren. Und so trug er sein schweres Geschick bis an seinen späten Tod (1904) fast ein halbes Jahrhundert.

Wie er die Umwälzungen des Jahres 1866 aufnahm, ist angedeutet worden. Das schroffe Vorgehen Preußens verletzte ihn sehr, und er verwand es nie. Er konnte sich nicht mit der neuen

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Zeit aussöhnen. Und was irgend mit dieser Entwicklung zusammenhängt, das erscheint in seinem Tagebuch mit dem Beiwort "gräulich", und mit dem traurigen Stand der Dinge" vermag er sich nicht abzufinden. Jedoch leistete er keinen erheblichen Widerstand. Auf einen unvoreingenommenen Beobachter, den französischen Gesandten in Hamburg, Baron Rothan, machte er den Eindruck eines Ehrenmannes, der zwar mit der Neugestaltung Deutschlands unzufrieden sei, der aber, nachdem er dem Bunde beigetreten, alle seine Verpflichtungen auf das Pünktlichste erfüllen werde. Daß er in voller Passivität blieb, wird man von einem Charakter, wie er es war, begreifen. Ob es politisch klug war, steht auf einem anderen Blatt. Er wollte die Gewalttätigkeiten Preußens nicht anerkennen, und er übersah sie. Und im Hofkalender des Jahres 1867 war unter den Titeln des Großherzogs auch der eines königlich hannoverschen Generals aufgeführt.

Bei dem preußischen Gesandten erregte dies "Redaktionsversehen" begreifliche Entrüstung.

Über das Verhältnis zum Schweriner Hofe braucht nach diesem nichts mehr gesagt zu werden. Es waren zwei Generationen, die sich in den beiden Großherzögen - obwohl fast gleichaltrig - gegenüberstanden, zwei Welten, die nur leise miteinander verbunden waren. Man wahrte die Form, machte sich gegenseitig Besuche und sprach auch wohl über Politik, aber es gab auch Zeiten, in denen man auf dem Umwege über den gemeinsamen Gesandten miteinander verkehrte. Als in Schwerin bei einer Taufe (1871) der Kronprinz Friedrich, der spätere Kaiser, zu Besuch war, fragte er, ob auch von Strelitz Gäste kämen. Der ihm zugeteilte General Bilguer verneinte dies und fügte erklärend hinzu: "Wir sind ja auch sehr verschieden." Als der Kronprinz meinte: "Sie sprechen aber doch dieselbe Sprache" - entgegnete der General: "Jawohl, Ew. K. H., aber einen ganz verschiedenen Dialekt."

Die Männer, mit denen sich Friedrich Wilhelm umgab, teilten seine Gesinnung. Bülow, der ihr fremd geworden war, dem sie zu eng wurde, verließ den Strelitzer Dienst. Dafür trat der Welfe Hammerstein in die Regierung ein. Die Übernahme noch anderer Hannoveraner sollte Friedrich Wilhelm später ernste Unannehmlichkeiten bereiten. Das Jahr 1870 bedeutete für ihn in dramatischer Form eine erneute Auseinandersetzung mit dem neuen Deutschland, in dem er nicht heimisch zu werden vermochte. Er teilte das Schicksal der Zuspätgeborenen, die als Fremdlinge in einer unverstandenen Welt ihr Leben führen müssen.

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Es konnte nicht zweifelhaft sein, welche Haltung die mecklenburgischen Regierungen dem Bunde gegenüber einnehmen würden. Sie hatten sich in das Unvermeidliche gefügt. Die Abneigung aber, die sie von vornherein gegen das preußische Bundesprojekt bewiesen hatten, verleugneten sie nicht, auch als es ein Faktum geworden war. Den in der Bundesverfassung festgelegten Bestimmungen offenen Widerstand zu leisten, verbot die übernommene Vertragspflicht, die einzuhalten eben dieselben Gründe zwangen, die maßgebend gewesen waren, sie einzugehen. Mehr zu tun aber und willig auf der mit der Verfassung beschrittenen Bahn voranzuschreiten, konnten sie nicht bereit sein.

Das Gespenst des Einheitsstaates, das sich drohend hinter dem Bunde erhob, war für die Parteigänger des mecklenburgischen Staates die Gefahr. Es zu bannen, war die vornehmste Aufgabe.

Verglichen mit anderen Bundesstaaten befand sich Mecklenburg in einer erheblich schwierigeren Lage - nicht nur, weil seine inneren Verhältnisse der hemmungslosen Einordnung tatsächlich Schwierigkeiten bereiteten, sondern auch, weil es sich zum Verteidiger eines dem neuen Staatswesen fremden Prinzipes machte. Eines Prinzipes, das die Ursache jener besonderen Verhältnisse war. Nicht nach materieller Zweckmäßigkeit bestimmt sich seine Politik - und auf dem Prinzip der Zweckmäßigkeit beruhte der Bismarcksche Staat -, es stand im Mittelpunkt die Rücksicht auf eine Verfassung, deren Basis "das Recht" war, nicht die verachteten "Tatsachen". Hatte man sich den Tatsachen unterworfen, als man sich dem Bunde anschloß, im eigenen Lande wollte man sich nicht vor ihnen beugen.

Diese Position konnte nur verteidigt werden, wenn die innere Selbständigkeit des Landes erhalten blieb. Jedes Fortschreiten auf dem Wege der Zentralisation war ein Schritt näher zur Niederlage. Was retten konnte, war allein Erhaltung des "föderalistischen Prinzips" im Bunde. Deshalb rief man abwehrend "Kompetenz!" und hoffte auf den Anschluß der Süddeutschen als Gegengewicht gegen das übermächtige Preußen.

Für die Politik der Regierungen war die Gesinnung der leitenden Männer entscheidend.

In Schwerin stand neben Friedrich Franz immer noch Jasper v. Oertzen, der für die Haltung der Regierung ausschlaggebend war, da der Großherzog nur im einzelnen Falle bestimmend eingriff. Wenn Oertzen sich auch durch die Bitten seines Fürsten hatte im Amte halten lassen, so hatte er sich doch keineswegs von seiner Vergangenheit losgesagt: er blieb ein Anhänger des alten Bundes

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und wollte von den Neuerungen des Bismarckschen Staates nichts wissen. Wenn er sie mit seinem Namen deckte, so tat er es im Bewußtsein, seinen Ständegenossen und dem mit ihnen identifizierten Mecklenburg durch seine Person zu nützen. Vielleicht auch, daß er nicht gesonnen war, die Macht aus der Hand zu geben, auch wenn er sie nicht immer üben konnte, wie er es gemocht hätte.

Neben ihm standen in gleicher Gesinnung der ehemalige Professor des Staatsrechtes Wetzell (Inneres), von dem das Wort ging, daß er die mecklenburgische Verfassung für die beste Europas halte, und nach Levetzows Abgang Herr v. Müller. Beide galten als Feudalisten und waren es auch, wenngleich wohl Wetzell durch seine Herkunft und seine Vergangenheit eine andere Färbung aufzuweisen haben mochte als sein Kollege, der aus der mecklenburgischen Ritterschaft herkam. Die Justiz verwaltete der Staatsrat Buchka, der von allen die freieste Auffassung hatte. In Strelitz leitete anfangs noch Bernhard E. v. Bülow die Geschäfte. Ihm standen zur Seite ein Herr v. Kardorff und der Staatsrat Piper, die im großherzoglichen Beamtendienst groß geworden waren. Wenn in Schwerin der erste Minister das stärkste Gewicht war gegen eine willige Politik im Bismarckschen Sinne, so war in Strelitz dafür der Großherzog anzusehen, und Bülow befand sich in der Lage, den Fürsten auf gemäßigten Bahnen zu erhalten, auch wenn er selber wohl nicht immer von Herzen zustimmte. Aber er bestimmte seine Politik nach staatsmännischen Erwägungen, und ein freierer Blick hinderte, daß er sich allzu sehr an Dogmen band.

Die Resultante dieser Kräfte stellt sich dar als Verteidigung und Abwehr. Genau wie vor und während der Krisis die Haltung Abwehr und Verteidigung gewesen war, von den Augenblicken abgesehen, wo der Großherzog von Schwerin durch persönliches Eingreifen seinen Willen durchsetzte und nach seiner Erkenntnis handelte.

Das blieb auch so, als Personalveränderungen eintraten. Die Einrichtung des Bundesrates brachte es mit sich, daß die Stellung des Gesandten in Berlin, wenn dieser mit der Stimmführung beim Bunde beauftragt werden sollte, an Bedeutung gewann. Die Stellung eines mecklenburgischen Gesandten war sonst recht bedeutungslos. Gealterte, pensionierte Offiziere wurden auf diese Posten geschickt, und ihre Tätigkeit war die eines Reporters mit gesellschaftlichen Verpflichtungen und mit Zutritt zur Hofgesellschaft. Für die Stellung eines Bevollmächtigten am Bundesrat bedurfte es eines anderen Mannes. In der Erkenntnis dieser Notwendigkeit wurde der alte Herr v. Sell, der in Berlin eine Reihe von Jahren Mecklenburg vertreten hatte, in den Ruhestand

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versetzt. Die fähigste Kraft, die die mecklenburgischen Ministerien aufzuweisen hatten, trat an seine Stelle. Es ist auch möglich, daß Bernhard Ernst v. Bülow ein anderes Betätigungsfeld sich wünschte, und daß ihm die Strelitzer Verhältnisse zu eng wurden. Wenn er gleich keine hinstürmende Kämpfernatur war, so war ihm doch ein verhaltener Ehrgeiz eigen, auch wenn er sich mit liebenswürdiger Anspruchslosigkeit zu geben wußte. Daß ihm kleinliche Verwaltungsgeschäfte hätten befriedigen können, dazu war er zuviel Diplomat. Bismarck rühmte an ihm die Fähigkeit, "zu sprechen, ohne dem Zuhörer einen Eindruck des Gesagten zu hinterlassen", und Berlin bot für eine solche Persönlichkeit mehr Raum als das kleine Strelitz.

Sein Nachfolger in Strelitz wurde der ehemals hannoversche Minister v. Hammerstein, der keine bundesfreundliche Gesinnung mitbrachte. Dessen Berufung in den mecklenburgischen Dienst war von seiten Friedrich Wilhelms ein Bekenntnis und wurde in Preußen als solches angesehen. Der Großherzog nahm noch mehr Welfen in seinen Dienst. Später sollten ihm daraus nicht unbedenkliche Schwierigkeiten erwachsen. Die Strelitzsche Opposition blieb auch jetzt, an Schwerin gemessen, um eine Note schärfer.

Am 30. Juni 1869 ging auch in Schwerin die Leitung der Staatsgeschäfte in andere Hände über. Krankheit und erneute Verstimmung mit dem Großherzog (über Militärangelegenheiten) veranlaßten Oertzen, sein Amt niederzulegen. Der Landrat und Reichstagsabgeordnete Graf Hennig v. Bassewitz wurde Ministerpräsident in Mecklenburg-Schwerin. Einen Systemwechsel bedeutete seine Ernennung nicht. Jedoch war er eine frischere Kraft als Oertzen. Bülow nannte ihn eine "bedeutende Persönlichkeit". Aber in der Gesamthaltung der Regierung bewirkte sein Eintritt keine Änderung. Seine Erfahrungen im Reichstag hatten ihn zwar Vorsicht gelehrt. Er war bestrebt, keine unnötige Aufmerksamkeit auf Mecklenburg und seine Verfassung zu lenken. In mecklenburgischen Dingen aber dachte er ständisch wie sein Kollege v. Müller oder wie auch Hammerstein. Die Angelegenheiten des Bundes sah er von etwas anderem Standpunkt aus. Er wollte beide Sphären trennen. Der staatsmännische Blick, den er manchmal bewies, hinderte ihn nicht an dieser Inkonsequenz. Auch er war nicht fähig, sich von seinem ständischen Boden zu lösen.

Die Abneigung gegen die neuen Verhältnisse, wie sie sich bei den leitenden Männern kennzeichnet, reichte naturgemäß in die Hof- und Beamtenkreise hinab, die wie jene mit der Vergangenheit verwachsen waren, und denen die Zukunft ungewiß erschien. Die vorhandene prinzipielle Antipathie wurde gemehrt durch die

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Aussicht auf finanzielle Überbürdung des ganzen Landes wie des einzelnen. Der preußische Gesandte weiß immer wieder von der "gedrückten Stimmung" zu berichten, die in jenen Kreisen vorherrscht. Dieses Mißtrauen in die Zukunft zog die Unmöglichkeit nach sich, die einmal geschaffenen Verhältnisse ehrlich anzuerkennen, oder sich mit ihnen abzufinden. Und gerade da, wo es am nötigsten war, in der Regierung, geschah es nicht. Hier ist eine Unsicherheit vorhanden, die sich überall kundgibt. Vielleicht kommt auch eine gewisse Unfähigkeit 10 ) hinzu, die wohl nicht geringen Schwierigkeiten bei der Überleitung in die neuen Verhältnisse zu überwinden. Aber das Entscheidende war wohl, daß man "der unberechenbaren Zukunft nichts vergeben wollte". Nur unter dieser Annahme ist die befolgte Politik der steten Abwehr und der passiven Resistenz zu begreifen. "Man ist entschlossen, dem Bunde alle Quoten an Geld und Menschen auf die loyalste Weise zu gewähren, man wird auch jeder ganz bestimmten Forderung alsbald nachgeben. Weiter aber wird die Bundestreue nicht gehen. Man wird namentlich die Grundsätze des Landes nicht in einem dem Geiste der Bundesverfassung entsprechenden Sinne ändern, sondern sorgfältig bemüht sein, von dem Landesvergleiche von l755 zu erhalten, was noch erhaltungsfähig ist. Dabei weiß man sehr wohl, daß, wenn der norddeutsche Bund sich friedlich weiterentwickelt, eine solche Strategie auf die Dauer keinen Erfolg haben kann. Man rechnet aber auf Zwischenfälle, als da sind: Krieg, Personenwechsel usw."

Daß diese Hoffnung nur ein Greifen nach einem Strohhalm war, mußte ruhigen Gemütern bald klar werden, aber sie kennzeichnet die Haltlosigkeit, in die jene Kreise durch das Jahr der Schlacht von Königgrätz gestürzt waren.

Mochte man solche Hoffnungen in den maßgebenden Stellen auch nicht teilen, da man hier die Sache besser übersah, so teilten diese mit jenen doch die Haltlosigkeit und Unsicherheit der Handlung, die sie verhinderte, konsequent die Folgerungen zu ziehen und sich ein positives Ziel zu stecken. So blieb keine andere Mög-


10) Kamptz stellte bei einer Unterredung mit Oertzen eine ungewöhnliche Zurückhaltung ihm gegenüber fest, die er als beabsichtigt annehmen mußte. Aber ein genauer Bekannter, "der alle Welt kennt und spricht", deutete sie ihm als "Verlegenheit darüber, - daß er selbst nicht wisse, was zu tun sei, er so wenig als seine Kollegen." Kamptz schloß daran die Wiedergabe einer Bemerkung eines "hochgestellten Beamten", die besagte: Oertzen ist eine alte Null und seine Kollegen sind den Schwierigkeiten der Lage nicht gewachsen. (Kamptz war der Nachfolger Richthofens.)
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lichkeit, als die gezwungen anerkannte Bundesverfassung in ihrer günstigsten Auslegung zu verteidigen und jeden Schritt darüber hinaus abzuwehren. Man klammerte sich an die "Kompetenz" und verteidigte das "föderalistische Prinzip" der Verfassung. Aber dahinter stand die Ablehnung des neuen Staatswesens, gegen das man die Schatten der Vergangenheit hervorrief. Stück für Stück ging von dem verteidigten Boden verloren, aber unendliche Hartnäckigkeit war immerfort zu neuem Widerstand bereit. Es war ein Kampf, der in der Art seiner Führung im Einzelfall oft kleinlich und verächtlich erscheinen kann, wenn man den Geist verkennt, der hinter ihm steht. Aber die Ausdauer, mit der dieser als hoffnungslos erkannte Kampf geführt wurde, zwingt zu einer gewissen Anerkennung und Achtung.

Seine Einzelheiten zu verfolgen, wäre ermüdend und auch nicht die Mühe lohnend. Es mag genügen, ihn in einigen Hauptzügen aufzuweisen, um seine Art kennenzulernen und den Geist, in dem er geführt wurde.

Die Bundesverfassung hatte für die inneren Verhältnisse des Bundes die Richtlinien aufgestellt, die erst durch eine umfassende Gesetzgebung wirksam gemacht werden konnten. Die preußische Regierung hatte die Initiative in der Hand, und durch ihr natürliches Übergewicht nahmen die meisten Gesetzesvorschläge die von ihr gewünschte Form an. Es war berechtigt, daß Preußen sich selbst als Maßstab nahm und über die Sonderverhältnisse der kleinen Staaten hinwegging. Durch den jeweiligen Stand der Gesetzgebung bedeutete das den Bundesstaaten oft recht erhebliche Schwierigkeiten. Daß sich aus diesem Grunde Widerstand erhob, war verständlich. Auch von seiten Mecklenburgs wurde gegen den materiellen Inhalt der Gesetzgebung opponiert, aber in erster Linie stand hier immer die Verteidigung des föderalistischen Prinzips, als Verkleidung eines ständischen Egoismus, aber auch als Kampfruf eines dem neuen Staatswesen fremden Geistes.

Schon in der ersten Sitzungsperiode des Bundesrates legte Preußen einen Gesetzentwurf über Freizügigkeit vor. Das Prinzip war in der Bundesverfassung anerkannt, und auch Mecklenburg hatte sich daran gebunden. Auf dem Landtage hatte man sich mit dieser Frage beschäftigt und lebhafte Abneigung ausgesprochen. Man erwartete durch die Einführung der Freizügigkeit "sehr weitgehende Folgen" und Nachteile. Das platte Land zwar würde durch die beschränkte Zahl der vorhandenen Wohnanlagen vor dem Zustrom der "Ausländer" bewahrt bleiben, aber die Städte würden "zum Ablagerungsplatz der Vagabondage" werden. Die Regierungen teilten diese Bedenken und argumentierten ähnlich,

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obwohl Mecklenburg auf das Notwendigste eine Umbildung der Heimatgesetzgebung nötig hatte, da es nur ein örtliches Heimatsrecht besaß; - denn nicht einmal in Mecklenburg selber bestand in irgendeiner Form eine Freizügigkeit, und jeder Wechsel des Wohnortes hing von der Gnade der betreffenden Ortsobrigkeit ab. Es ließ sich aber gegen das Zustandekommen des Gesetzes nichts erreichen. Wohl aber war seine Wirkung erheblich abzuschwächen durch eine entsprechende Regelung der Gesetzgebung über den Unterstützungswohnsitz, ohne welche Freizügigkeit nahezu wertlos war. In diesen Bestrebungen war Mecklenburg im Verein mit anderen Staaten - die meist aus gänzlich anderen Motiven heraus sich gegen die preußischen Pläne sträubten - durch mehrere Jahre erfolgreich. Man erkannte im Ausschuß des Bundesrates auf Kompetenzerweiterung und auf Mecklenburgs Verlangen auf Verfassungsänderung. Erst 1870 gelang es, eine für Preußen annehmbare Form der Einigung zu finden.

Griff schon die Angelegenheit des Unterstützungswohnsitzes nach der mecklenburgischen Auffassung über die Kompetenz des Bundes hinaus, so war das noch mehr der Fall mit dem Bestreben, da preußische Ministerium des Auswärtigen auf den Etat des Bundes zu übertragen. Schon Ende 1868 hatte der Bundeskanzler dem preußischen Abgeordnetenhause die Zusage in diesem Sinne gemacht. Der Bund wurde bisher völkerrechtlich durch das Präsidium vertreten, doch gewissermaßen nur im "Nebenamt", denn die preußischen Botschafter blieben Vertreter des Königs von Preußen und verwalteten nur nebenher die Interessen des Bundes, so daß an sich gegen dieses Verlangen nichts einzuwenden war. Es war aber nun die Frage, ob mit der geplanten Maßnahme das Gesandtschaftsrecht der Einzelstaaten aufhören solle. Bisher war den Einzelstaaten das aktive und passive Gesandtschaftsrecht belassen worden, und Mecklenburg hielt neben der Gesandtschaft in Berlin auch eine solche in Wien und Paris. Man erwog auch die Möglichkeit, ob folgerichtig auch das preußische Kriegsministerium unter das Bundeskanzleramt gelegt werden sollte, so daß es zu einer Exekutivbehörde des Bundes wurde, vielleicht sogar mit konstitutioneller Verantwortlichkeit. Man fürchtete vor allem das Vordrängen des Reichstages, das sich auch hierbei geltend machte. Diese beabsichtigte Neuerung wurde unwillig als ein Nachgeben gegenüber dem Drängen auf den Einheitsstaat hin angesehen. "Früher hieß es, die Frucht solle reif werden, jetzt wird offenbar der Baum tunlichst geschüttelt."

Obwohl die Neuerung erst von 1870 ab durchgeführt werden sollte, glaubte man in Strelitz schon jetzt die Zeit zum Einspruch

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gekommen. Bülow wurde angewiesen, sich gegen die Übernahme zu erklären, weil die Verfassung darüber nichts bestimme. Man hielte es nicht für geraten, daß eine Verfassungsänderung eintrete, "welche nach kaum zwei Jahren einen Grundstein der Verfassung wegräume und das Königreich Preußen in das Königreich Norddeutschland umwandle". Bülow besänftigte ein wenig und empfahl noch zu warten. "Ganz im reinen scheint man hier noch nicht damit zu sein. " In altpreußisch-partikularistischen Kreisen hatte man wenig Geschmack für die Sache. Aber im Bundesrat war die Stimmung anders. "Die meisten Staaten werden einfach zustimmen, weil man überall die Sache als eine reine finanzielle ansieht."

Die Frage wurde dahin gelöst, daß die Staaten, die Spezialgesandtschaften hielten, zum Etat der Diplomatie nur die Hälfte des für sie festgesetzten Teiles beitragen sollten. Man hatte errechnet, daß durch das Bestehen der Einzelgesandtschaften der Bund Ersparnisse mache.

Mecklenburgs Wünsche waren damit gewiß nicht erfüllt, aber man tröstete sich mit beschwichtigender Selbsttäuschung damit, daß darin eine "Anerkennung des Rechtes der selbständigen Fortexistenz" ausgesprochen sei.

"Der Antrag," schrieb Bülow, "zeigt deutlicher als vieles andere die unfertige Ent- oder Verwicklung der Bundesverhältnisse" und "im Reichstag macht man kein Hehl daraus, daß man die Sachlage nicht befriedigend finde, nicht mehr unterscheiden könne, wo Preußen und wo der Bund anfange und aufhöre. Wie es heißt, stehen Anträge auf verantwortliche Bundesministerien bevor". Es war nicht ermutigend, "daß Demokraten, Liberale und Konservative in der Klage über die Kompetenzkonfusion und den Mangel verantwortlicher Bundesorgane so ziemlich übereinstimmten, jeder freilich von seinem Standpunkt aus und zu seinem Ziele hin. Diese Ziele aber können leicht auf Kosten dessen, was uns an Selbständigkeit noch übriggeblieben ist, zusammenlaufen."

Für Bülows Haltung war es nicht unwichtig gewesen, wie sich Sachsen und Hessen verhielten. Die finanzielle Erleichterung war durch das Zusammenhalten dieser Staaten mit Mecklenburg erreicht worden, und Friesen 11 ) hatte Bülow ihm von Bismarck gemachte Zusagen mitgeteilt, nach denen an dessen Absichten, Übergänge möglichst schonend einzuführen, kein Zweifel sein konnte. "Verdrießlich ist dabei, daß die kleinsten Staaten den Augenblick nicht erwarten können, wo die Sache sich realisiert und dabei gegen alle Rücksichten der, wenn man noch den Ausdruck gebrauchen darf: Mittelstaaten, wirken."


11) Der Vertreter Sachsens im Bundesrat.
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Bei dem drohenden Vordringen des Reichstages erschien Bismarck als der einzige Faktor, auf den zu rechnen war. Bismarck rechtfertigte auch das Vertrauen, das Bülow auf ihn setzte, indem er im Bundesrat ankündigte, er würde "den zur Beseitigung der Verfassung führenden Antrag auf Einführung verantwortlicher Ministerien auf die Tagesordnung setzen, um darüber einen Beschluß des Bundesrates zu provozieren, und würde solches auch in anderen Fällen für seine Pflicht erachten". Er betonte, daß er eine Erweiterung der Präsidialrechte nicht für wünschenswert halte, "vielmehr im Vertrauen der Regierungen und in der Erhaltung des Rechtes des Bundesrates eine bessere Grundlage für die Zukunft erblicke als in jenem Streben des Reichstages nach Bundesministerien, erster Kammer und dergleichen."

Der vom Reichstag kommende Antrag auf verantwortliche Bundesministerien wurde dann auch "als weiterer Erwägung nicht mehr bedürfend" zu den Akten genommen. "Die Sache selbst freilich", zweifelte Bülow, "wird schwerlich wieder einschlafen."

Noch andere Bundesorganisationen von schwerwiegender politischer Bedeutung bereiteten sich im Laufe des Jahres 1869 vor. Sie alle mußten die Selbständigkeit der Einzelstaaten immer weiter einschränken und riefen unter den Bevollmächtigten, die für deren Erhaltung eintraten, "allgemeine Mißstimmung" hervor. "Daß wir in einem auf die Länge unhaltbaren Übergangssystem sind, empfindet hier jeder. Da man aber den Reichstag wegen der öffentlichen Meinung nicht entbehren zu können glaubt, wird dieser aufreibende Zustand dauern, bis einmal große Ereignisse dazwischentreten."

Auf Antrag Sachsens wurde die Errichtung eines obersten Gerichtshofs für Handelssachen beschlossen. Schon im Juni erfolgte vom Reichstag ein Antrag auf Erweiterung der Bundeskompetenz auf das gesamte bürgerliche Recht. Bülow hatte diese Befürchtung schon ausgesprochen, als von dem Oberhandelsgericht die Rede gewesen war. Im Bundesrat zeigte sich Neigung "mit Rücksicht auf den zugrundeliegenden nationalen Gedanken, dem Antrag einen gewissen Spielraum für die Zukunft zu eröffnen." Nur über das Maß dessen war man im Zweifel. Bülow betonte energisch die Inkompetenz des Bundes. Er war von Strelitz angewiesen, die Auffassung auszusprechen, "Eingriffe in die Kompetenz der Einzelstaaten sollten nicht durch die Form des Artikels 78 der Bundesverfassung, vielmehr nur durch Zustimmung aller Bundesmitglieder legalisiert werden können." Der Bundestag in Frankfurt war immer noch nicht vergessen.

Noch erreichte Bülow, daß man davon absah, auf den Gegen-

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stand einzugehen. Aber er glaubte damit selber nicht an endgültigen Erfolg. Es war nur ein Aufschub erreicht. "Es wird im Reichstag immer wieder auf das Thema zurückgegriffen werden, je nachdem es den Parteien und den weitgehenden Plänen des Justizministers konveniert."

Und aus dem Bundesrat selbst kam fast gleichzeitig ein Antrag auf Errichtung eines obersten Gerichtshofes. Doch fand er keine Mehrheit. Noch ging der Kelch vorüber.

Aber das Vorgehen gegen die Selbständigkeit der Einzelstaaten in diesen und anderen Plänen hatten gezeigt, wie es unaufhaltsam den Weg zum Einheitsstaat hinabging. Und wenn auch wohl Bismarck selbst die Hand dazu nicht reichen wollte, so erkannte doch Bülow ein zwangsläufiges Fortschreiten auf dieser Bahn. "Er muß vorwärts oder zurück und vorwärts heißt eben einen Schritt weiter zum Bundesstaat", soll heißen: Einheitsstaat. Zurück würde Bismarck nicht gehen. Mit dem Reichstag wollte er offenbar nicht brechen, um nicht die Möglichkeit aus der Hand zu geben, ihn zu größeren Plänen zu benutzen. An eine ruhige Entwicklung und Entspannung der Situation glaubte Bülow nicht. Er erwartete Unheil aus der Zukunft. "In den konservativen Kreisen glaubt man auch an eine Krisis, hofft aber, daß auf die Länge die Unmöglichkeit, mit dem suffrage universel und einem solchen Reichstag zu regieren, die Krisis zum Guten führen und man sich zum Einlenken noch entschließen könne. Die Bundesverfassung sei nicht lebensfähig. Man werde die Nationalvertretung über Bord werfen und mit einem deutschen Bunde endigen, in welchem Preußen die Hegemonie für Politik und Heer habe. Ich fürchte aber, die Dinge sind zu weit gediehen, namentlich durch die nivellierende Gesetzgebung, als daß ohne eine alles erschütternde Katastrophe dieser einfache Ausweg noch wahrscheinlich genannt werden könnte. Man wird es hier doch immer leichter finden, auf dem Wege der allmählichen Annexionen fortzugehen, als zum Föderativsystem, das feste Rechte und ein Veto voraussetzt, zurückzukehren." Noch war zwar die Person des Königs eine Sicherung. "Gewisse Dinge wird König Wilhelm nicht tun: der Kriegsminister wird preußisch bleiben, die Färbung der Ministerien und der Regierung konservativ, die Existenz der Bundesgenossen von 1866 äußerlich die von Souveränen. Aber wenn einmal ein Thronwechsel eintritt, so fallen nicht bloß eine Menge noch sehr mächtiger altpreußisch-royalistischer Traditionen fort, sondern es treten an die Stelle bestimmter Abneigungen des durch alle Ereignisse und durch seine Persönlichkeit überaus mächtig gewordenen Monarchen neue Ideen und wahrscheinlich ganz bestimmte Aspira-

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tionen auf das deutsche Kaisertum. Alle Politiker wissen und müssen in Rechnung bringen, wie sehr die koburgische Politik dereinst von Einfluß sein wird: über die Sympathien einer erlauchten Dame, welche den Herrn v. Bennigsen und Herrn Miquel den märkischen Konservativen bei weitem vorzieht, ist nicht der geringste Zweifel. Und inzwischen," so schließt er klagend den Ausblick, "erwächst eine neue Generation, die von der Überlieferung Friedrich Wilhelms III. ebensowenig weiß wie von der Stahl-Gerlachschen Schule."

Die bange Sorge, mit der Bülow in die Zukunft blickte und sich über die Zukunft klar zu werden suchte, wurde auch in anderen Bundesstaaten geteilt. Bülow berichtet den Ausspruch des weimarischen Staatsministers v. Watzdorf, der als der "liberalste deutsche Minister" (wie er sich bezeichnete) sagen zu müssen glaubte, daß man mit der fortschreitenden Zentralisation der Revolution in die Hände arbeite. Auch in Sachsen waren solche Stimmungen lebendig, und Unzufriedenheit war überall. "Kaum ein Tag vergeht, wo nicht durch das eine oder andere Gesetz, durch eine oder die andere Zusatzbestimmung das Recht der Selbstverwaltung der kleineren Staaten gefährdet oder verletzt wird." Das einzige Mittel der allmählichen Absorbierung zu entgehen, sah Bülow in einem engeren Verhältnis zu den süddeutschen Staaten.

Wenn auch die Hauptgefahr vom Reichstag drohte, so war doch auch die Gesamtrichtung der deutschen Politik Bismarcks geeignet, hier Besorgnisse zu erwecken und die Unzufriedenheit zu vertiefen. "Seine Auslassungen über die Notwendigkeit der Rechtseinheit, illustriert durch die Bemerkung, daß er nicht Sachsen oder Hessen kenne, sondern nur Norddeutsche, zeigten deutlich die Richtung, in der das Unifikationswerk fortschreiten wird."

Immer wieder und immer stärker klingt aus den Berichten Bülows die Unzufriedenheit und die Mutlosigkeit. Und seine Regierungen teilten sie. Ja, ihre Ablehnung war nur unnachgiebiger. Sie sahen sich einer schicksalhaften Gewalt wehrlos ausgeliefert. Sie erkannten wohl, daß sie ihr erliegen würden. Aber sie wollten nicht mit ihr paktieren.

Das Prinzip ihrer Haltung war, scharf und konsequent jede Überschreitung der Kompetenz des Bundes zurückzuweisen, ohne sich durch die Zweckmäßigkeit dieser oder jener Maßnahme gewinnen zu lassen. Es ist kaum ein Fall aufzuweisen, wo Mecklenburg auf der Seite der Majorität stand. Das geschah nur, wenn sich diese Majorität zur Ablehnung einer Vorlage zusammenfand. In den meisten Fällen gab es seine Stimme gegen die Entwürfe der preußischen Regierung ab, da überall Zentralisierung und

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Unifikation gesehen wurde und auch wohl vorhanden war. Wurde es überstimmt, so gab es seine abweichende Meinung durch wirkungslose Proteste und Verwahrungen kund, die zurückzuhalten nicht würdelos gewesen wäre. Aber man glaubte, "daß, wenn nicht die Frage der Kompetenz fortwährend wach erhalten wird, das Bestreben, die Einzelstaaten ihres Marks zu berauben, immer wieder auftauchen und zuletzt zum Ziele gelangen werde." Und danach handelte man. Man erhob die Kompetenzfrage in wichtigen und unwichtigen Dingen, von der gewiß bedeutsamen Angelegenheit der Bundesministerien herab bis zu der fast grotesk anmutenden Betonung der Inkompetenz bei Zuschüssen zum Germanischen Museum in Nürnberg und zur Gotthardtbahn.

Man berief sich auf Paragraphen und Artikel, wo es sich um lebendige Verhältnisse handelte, die nicht durch juristische Formeln einzufangen waren.

Auf die Dauer sah man sich ohne Erfolg. Aber man war nicht bereit, den nutzlosen Widerstand aufzugeben. Man protestierte weiter, mechanisch fast, als ständige Unruhe, um nicht in Vergessenheit zu geraten. So tief war der Gegensatz zum Bunde, so zäh der Wille, sich den Rest der Selbstäntigkeit und die alten Zustände zu erhalten.

Wenn Bismarck Mecklenburg "als den treuesten Verbündeten Preußens" (gegen Bülow) bezeichnete, so dürfte er es mit einem leisen Lächeln getan haben. Gewiß, man kann nicht sagen, daß es zu anderen Mitteln griff als zu Protesten. Mecklenburg war in seiner ganzen Lage nicht geeignet, einen Dalwigk hervorzubringen und groß werden zu lassen. Wohl mochte hier und da die Hoffnung auf "bessere Zeiten" gehegt werden, aber der Spekulation auf eine gewaltsame Umwälzung praktisch Vorschub zu leisten, dazu sah man die Lage mit zu nüchternen Augen an. Dem Bunde gegenüber kam man indes nach der positiven Seite nicht über eine passive Resistenz hinaus.

*              *
*

Dann kam der Krieg mit Frankreich. Er lockerte mit der nationalen Begeisterung, die er entfachte, auch in Mecklenburg manche unlöslich scheinenden Bindungen an die Vergangenheit. Er verknüpfte enger mit Deutschland.

Mecklenburg hatte naturgemäß auf die Entwicklung der Dinge keinen Einfluß. Es stand den Ereignissen beobachtend gegenüber, und seine Leiter suchten sich aus all den fließenden Kräften, die nach neuen Formen strebten, die Zukunft zu deuten. Mit der Aussicht auf den Sieg war es klar, daß "der Main jetzt ein Ende haben"

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werde. "Angesichts der gewaltigen Ereignisse der letzten Monate werden sich auch Bayern und Württemberg einem deutschen Kaiser unterwerfen. . . . Es wird nur noch auf den Grad der Autonomie für die inneren Angelegenheiten ankommen, die bei dieser Evolution allen Bundesgliedern reserviert bleiben." Die Erweiterung des Bundesrates und des Reichstages durch Bayern und die übrigen süddeutschen Staaten wird eine Förderung der Interessen der Gesamtheit und der Einzelstaaten bedeuten. Der allgemein deutsche Gesichtspunkt des Bundes wird im Eintritt der Südstaaten seine Bürgschaft finden.

Dieser Gedanke war in Mecklenburg ja schon vor dem Kriege geläufig gewesen: der Eintritt der Süddeutschen bedeutete eine Stärkung des föderalen Elementes im Bunde. Dem Partikularismus wurde Schutz und Raum gegeben. Die Gefahr der "allmählichen Annexion" und der "Absorbierung" schien überwunden. Das Gespenst des Einheitsstaates schien gebannt.

Anlaß zu Befürchtungen gaben nur die europäischen Konsequenzen des Krieges. Man sah in dem Streben nach der Wiedergewinnung des Elsaß folgenschwere Verwicklungen sich anbahnen. "Die öffentlichen Stimmen in Deutschland verlangen mit Entschiedenheit den Elsaß und Sicherstellung gegen die von Frankreich drohende Kriegsgefahr - beide Forderungen widersprechen sich, denn, wenn Frankreich Straßburg verliert, wird wenigstens dies Jahrhundert keinen gesicherten Frieden haben." Bülow, der diese Worte schrieb, sah aber auch, "daß es schon einem besiegten Frankreich gegenüber nicht leicht sein werde, Garantien gegen einen neuen Friedensbruch und beständige Eifersucht zu finden".

Als dann die Kaiserfrage aufgerollt wurde, legte Mecklenburg Verwahrung ein gegen eine darin etwa beabsichtigte materielle Änderung der Rechte und Rechtsverhältnisse der Bundesstaaten. An Ablehnung konnte man natürlich nicht denken und dachte man auch nicht. Aber die uneingeschränkte Begeisterung, mit der die Ereignisse in der Öffentlichkeit auch in Mecklenburg aufgenommen wurden, findet man bei den mecklenburgischen Staatsmännern nicht. Bülow kam noch am weitesten hinweg über das alte Mißtrauen kleinstaatlicher Denkart gegen den wesensfremden preußisch-deutschen Machtstaat, der die Existenz der Kleinstaaten bedrohte. Die Sünden des Jahres 1866 waren noch nicht vergessen - und das Wesen des preußischen Staates ging auf das Reich über. Das Ideal aber dieser Männer, das ihnen in der Jugend vorgeschwebt haben mochte, war ein anderes Reich. Im Grunde hatten sie doch alle ein heimliches Mißtrauen gegen dieses Preußen, das halb mit Gott und halb mit dem Teufel im Bunde war.

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Eine Tröstung war immer wieder die Tatsache der Zugehörigkeit der Süddeutschen zum neuen Reich, welche Preußen ein Gegengewicht, den Kleinstaaten ein Rückhalt sein konnten. Die Strelitzer Regierung kam von diesem Gedanken aus dazu, sich für die Aufnahme der Bestimmungen des bayrischen Schlußprotokolls in die Reichsverfassung einzusetzen. Schwerin lehnte das ab. Der Verfassung des Reiches wurde von mecklenburgischer Seite ohne Vorbehalt zugestimmt. Eine innere Verschmelzung aber, eine innere Übereinstimmung deckte diese formale Handlung nicht.

Für das mecklenburgische Staatswesen bedeutete die Einbeziehung in das Reich keine Änderung. Dieselbe Verteidigungsstellung, die es dem norddeutschen Bunde gegenüber innegehabt hatte, nahm es dem Reiche gegenüber ein. Mochte aus der preußischen Zentralisierung eine deutsche geworden sein, es setzte sich nach wie vor dagegen zur Wehr. Wie der norddeutsche Bund des allgemeinen Wahlrechtes den mecklenburgischen Anachronismus übersehen und geduldet hatte, so billigte auch das neue Reich sein Bestehen. Und solange die ständische Verfassung in Kraft war, mußte das staatliche Mecklenburg in dem auf anderen Prinzipien beruhenden Reiche ein Fremdkörper sein. Ein innerer Gegensatz blieb bestehen. Es gab keine Basis, auf der er hätte überwunden werden können.

 


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Anlage.

Zu Seite 33.

Brief des Großherzogs Friedrich Franz vom 18. Juni 1866 an König Wilhelm:

"Lieber Onkel!

Du wirst Dich gnädigst erinnern, daß Du mir eine Verwendung meiner Truppen in den Herzogtümern vorschlugst, mir dagegen die Integrität meines Landes zusagtest, und ich mich dankbar dafür und bereit zu dieser Leistung erklärte, inmittelst auch auf Deine Aufforderung die Einleitung zur Mobilmachung getroffen habe.

Nun traf gestern eine Note von Richthofen ein, welche, als wenn Obiges gar nicht verabredet wäre, die Mobilmachung verlangt und dagegen Preußens Schutz verheißt. Ich habe nicht umhin gekonnt, in der offiziellen Antwort, wenn auch nur ganz allgemein, auf unsere direkten Abmachungen hinzuweisen.

Indem ich hiermit nun bestimmt die Zusage wiederhole, daß ich nach vollendeter Mobilmachung bereit bin, wenn Du es verlangst, meine Truppen (2 Infanterieregimenter, jedes zu 2 Bataillonen, 12 Geschütze und das Dragonerregiment zu 4 Eskadrons) zur Besetzung von Schleswig abrücken zu lassen, ersuche ich Dich, Deinen Behörden die dazu nötigen Befehle zu geben und mir darüber eine kurze, wenn auch nur telegraphische Mitteilung zugehen zu lassen. --

Indem ich mit felsenfestem Vertrauen auf die Erfüllung Deiner gnädigen Zusage baue, verbleibe ich

Dein
                gehorsamer Neffe
                      Fritz."

Brief König Wilhelm an Friedrich Franz (nach der letzten Fassung des Entwurfs * )):

"Dein Brief vom 18. Juni hat mich überrascht; ich hatte gehofft, daß Du unter den veränderten Umständen auf jede Beschränkung Deiner Kooperation verzichten würdest. Daß ich mit Dir empfinden konnte, wie schmerzlich es ist, gegen frühere Bundesgenossen zu kämpfen, habe ich gezeigt: wenn ich aber sehe, mit welchem Eifer die Freunde und Verbündeten Österreichs sich beeilen, ja dazu drängen, gegen Preußen zu kämpfen; wenn ein jeder Tag mehr Beweise gibt, wie fest und lange vor-


*) Der Entwurf ist von Abekens Hand geschrieben, von Bismarck und vom König durchkorrigiert. Die Änderungen lassen das Bestreben erkennen, schroffe und allzu aufdringliche Formulierungen zu beseitigen, aber auch sehr vorsichtig jede Wendung zu vermeiden, die eine Zurückweisung der Forderung der uneingeschränkten militärischen Hilfeleistung als möglich erscheinen ließe.
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bereitet die Koalition gegen mich war, die im Beschluß vom 14. ihren Ausdruck fand - so ist es mir schmerzlich, daß ich nur bei meinen Freunden und nächsten Verwandten den Gefühlen begegne, die in dem entgegengesetzten Lager so gar nicht vorhanden sind. Ich hoffte, Du namentlich würdest in diesem Augenblick kein anderes Gefühl haben als das Bedürfnis des Zusammenhaltens mit mir auf jede Gefahr hin!

Ich muß jetzt von Dir erwarten, daß Du die Ausrüstung Deiner Truppen auf das Äußerste beschleunigst, damit sie mir wenigstens die volle Verwendung der meinigen möglich machen. Wenn es noch Dein Wunsch wäre, der damals vor Sprengung des Bundes noch zurücktrat, Dein Kontingent in seiner Aktion verwendet zu sehen, statt dasselbe Garnisondienst in Schleswig-Holstein versehen zu lassen, so werde ich es mit den Thüringischen und Anhaltischen in der Gegend von Dessau konzentrieren, zu einem Reservekorps à tout évènement. Jedenfalls hoffe ich, daß Du Deinen Bundestagsgesandten nicht länger an den Verhandlungen in Frankfurt wirst teilnehmen lassen. Das wäre ja im gegenwärtigen Augenblick eine direkte Feindseligkeit. Der Großherzog zu Oldenburg hat aus einem Gefühl, wofür ich ihm dankbar bin, aus freien Stücken seinen Austritt angezeigt; und ich darf dasselbe Gefühl bei Dir voraussetzen.

Daß ich die Integrität Deines Landes Dir gerne gewährleiste, ist selbstverständlich. Die Formen eines Bundes, den ich zu schließen bereit bin, werden sich ja finden; - ein Bund freilich, in welchem falsche Machinationen und geradezu Intrigen vorkommen können, wie die von der 16. Curie an dem verhängnisvollen Tage in Frankfurt abgegebene Abstimmung, darf es nicht wieder werden. Der alte Bund ist lange genug der Tummelplatz der Intrigen gegen Preußen gewesen; wir wollen unser neues Verhältnis in Ehrlichkeit und gegenseitigem Vertrauen begründen."

    Tagebuchnotiz Friedrich Franz' vom 21. Juni 1866:

"Wichtiger Tag. Nach 8 Uhr Flügeladjutant Graf Finkenstein in Steinfeld mit Brief des Königs und Aufforderung, Truppen nicht nach Schleswig, sondern zur Armee stoßen zu lassen. Entscheidung sofort gefaßt. 10 zur Stadt. Mobilmachung befohlen . . .. 5 Finkenstein Antwort mitgeteilt. 8 Brandenstein und Zülow. Ersterem Schreiben an König und Instruktionen gegeben. Gott Schütze mein Land und Volk und lasse diesen unvermeidlichen und nach meiner besten Überzeugung richtigen Schritt zum Guten ausschlagen."

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III.

Geschichte
des Schweriner Hoftheaters
1836 - 1855

von

Dr. Helene Tank - Mirow .

 

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I m Sommer 1788 hatte Friedrich Franz I. das 1698 am Alten Garten in Schwerin erbaute Ballhaus und spätere Reithaus zum Schauspielhause umbauen lassen. Hier versuchten unter der Intendanz eines herzoglichen Beamten und mit einem geringen Zuschuß vom Hofe nach einander verschiedene Theaterdirektoren ihr Heil, deren letzter Krampe (seit 1824) war. Der Brand dieses inzwischen sehr schadhaft gewordenen Hauses in der Nacht zum 23. April 1831 gab den Anlaß, der Schauspielkunst in Schwerin einen neuen Musentempel zu errichten. Der bejahrte Großherzog Friedrich Franz I. faßte, wahrscheinlich von seinem Enkel, dem kunstliebenden Erbgroßherzog Paul Friedrich dazu angeregt, den Entschluß, nach Muster anderer Höfe ein richtiges Hoftheater zu begründen. Am 16. Dezember 1833 wurde dem Direktor Krampe der Titel eines Hofschauspieldirektors verliehen und sein Zuschuß auf das Doppelte erhöht. Der bis Ostern 1836 mit ihm abgeschlossene Kontrakt blieb jedoch noch in Wirkung, und man erwartete die Vollendung des inzwischen in Angriff genommenen Baues des Schauspielhauses, um dann zugleich auch die inneren Verhältnisse des Theaters neu zu gestalten. Dies geschah am Schluß des Jahres 1835, und am 17. Januar 1836 konnte das junge Hoftheater bei der Einweihungsfeier des neuen Hauses zum ersten Mal vor die Schweriner treten. Bedeutete die Krampesche Zeit in künstlerischer Hinsicht den früheren Darbietungen gegenüber einen Fortschritt, so war nun mit der Begründung des Hoftheaters dank der freigebigen Unterstützung des Fürsten die Möglichkeit zu weiterem Aufstieg gegeben. Die bisher auf Krampes Rechnung geführten Geschäfte wurden nun in die großherzogliche Verwaltung aufgenommen. Kammerdirektor Friedrich Ludwig Ferdinand von Flotow versah noch bis zum Frühling 1836 die Intendanz, die er schon 1819 übernommen hatte. An seine Stelle trat Hofrat Zöllner, der als Sekretär der Erbgroßherzogin Alexandrine mit ihr aus Berlin nach Schwerin gekommen war. Durch seine Vorliebe für die Kunst, durch Einrichtung eines Privat-

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theaters und durch gelegentliche schauspielerische Versuche hatte er die Aufmerksamkeit des Erbgroßherzogs Paul Friedrich auf sich gezogen und war auf dessen Veranlassung berufen worden. Obgleich seine Regierungszeit erst im Februar 1837 begann, so ist doch Paul Friedrich als der eigentliche Schöpfer des Hoftheaters anzusehen. Sein Großvater, Friedrich Franz I., war damals 80 Jahre alt und regierte schon seit 1785. Er residierte fast dauernd in Ludwigslust und kam nur selten nach Schwerin, das ihm seit 1830 durch die Unruhen gründlich verleidet war. Paul Friedrich dagegen liebte Schwerin und wollte sich seine künftige Residenz nach Kräften verschönern. Er sowohl wie seine Gemahlin hatten eine große Vorliebe für das Theater; sie besuchten häufig Krampes Vorstellungen und ließen sich das Gedeihen des jungen Hoftheaters besonders angelegen sein. Paul Friedrichs Einfluß ist es auch zu verdanken, daß der Neubau des Schauspielhauses bedeutend stattlicher ausfiel, als er ursprünglich geplant war. Dies Gebäude war das erste in der Reihe derer, die er zur Verschönerung der Stadt Schwerin in Aussicht genommen hatte und an deren Ausführung ihn nur sein früher Tod verhinderte. Kurz nach Beginn seiner Regierung verlegte er die Residenz von Ludwigslust nach Schwerin. Hierher wurde im November 1837 auch das Garde-Grenadierbataillon überführt, was die Heranziehung der Hoboisten zum Theaterorchester bedeutend erleichterte. Es fielen somit zur Zeit der Begründung des Hoftheaters verschiedene Ereignisse zusammen, die das Leben und Treiben reger gestalteten. Dies machte sich bald in der Erweiterung der Stadt bemerkbar, die damals nur aus dem jetzt mittleren Teil mit seinem engen Straßengewirr und seinem holprigen Pflaster bestand 1 ). Die Einwohner, etwa 20000 an der Zahl, waren zum größten Teil Beamte und lebten in echt mecklenburgischer Einfachheit in patriarchalischem Verhältnis zu ihrem angestammten Fürstenhause. Das öffentliche Leben drehte sich fast ausschließlich um den Hof und um alles, was damit in Verbindung stand. Dazu gehörte nun auch das Hoftheater, dem die Schweriner, dem Beispiel des Hofes folgend, reges Interesse entgegenbrachten, zumal da es die einzige öffentliche Pflegestätte der Kunst war. Paul Friedrich konnte seines frühzeitigen Todes wegen dem Theater nur kurze Zeit seine Neigung zugute kommen lassen, aber seine Gemahlin bewahrte bis in ihr hohes Alter ihre Vorliebe für die Schauspielkunst. Großherzog Friedrich Franz II (1842 - 1883) hat


1) Vgl. W. Jesse, Geschichte der Stadt Schwerin, Bd. II, und Dora Strempel, Erinnerungen einer alten Schwerinerin, "Mecklenburgische Zeitung" 1916, Sonntags-Beilage 45 - 48.
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als echter Sohn seiner Eltern das Hoftheater stets nach Kräften gefördert und bekundete sein feines Kunstverständnis durch Berufung geeigneter Persönlichkeiten zu den leitenden Stellungen, unter deren Wirken sich das Hoftheater im Laufe der Zeit auf eine hohe künstlerische Stufe erhob.

Intendanz Zöllner 1836 - 1855.

Die Geschichte eines Hoftheaters nach der jeweiligen Leitung der Intendanten zu behandeln, ist bei der Schweriner Theatergeschichte insofern berechtigt, als die Intendanten dem Institut tatsächlich einen persönlichen Stempel aufdrückten, soweit dies bei der pekuniären Gebundenheit und der Rücksicht auf den Hof überhaupt möglich war. Von dem ersten dieser Intendanten, dem Geh. Hofrat Zöllner, kann man dies in künstlerischer Beziehung wohl am wenigsten behaupten. In der ersten Zeit seiner Tätigkeit griff Großherzog Paul Friedrich selbst lebhaft in die künstlerische Leitung ein und gestaltete sie ganz nach seinen Wünschen. Später, in den kritischen Zeiten um 1850 herum, fehlte es dem Intendanten oft an Mitteln, die geeigneten Kräfte an das Theater zu fesseln, und, was am schwerwiegendsten ist, er zeigte wohl Geschmack und Verständnis für Fragen des Theaters, aber seine Fähigkeiten reichten doch nicht so weit, daß er schöpferisch wirken konnte. In der letzten Zeit der Krampeschen Direktion war ihm schon ein Einfluß auf das Repertoire und auf das Engagement der Mitglieder gestattet worden. Zu Ostern 1836 wurde er endgültig mit einem Gehalt von 800 Th. als Intendant 2 ) angestellt. Wie aus einem Brief des Staatsrats von Schröter an Zöllners Nachfolger Friedrich von Flotow 3 ) und aus den Theaterakten dieser Zeit hervorgeht, vereinigte Zöllner damals in sich die Person des Intendanten wie auch des technischen Leiters, ein Umstand, der mit der Zeit für ihn eine Überbürdung mit Geschäften hervorrief. Seine unmittelbar vorgesetzte Behörde war das Ministerium, das gewöhnlich die Vermittlung zwischen der Intendanz und dem Großherzog übernahm, besonders in Geldangelegenheiten; doch wandte sich der Intendant auch häufig an den Fürsten selbst. Nach einem großherzoglichen Erlaß vom 21. Mai 1843 waren alle Engagements auf Kündigungen, Bestimmungen der Gehälter ausschließlich vom Intendanten abhängig. Keine Zahlung, kein Einkauf durfte ohne seine Genehmigung stattfinden. Über Repertoire


2) Nebenher verblieb er in seinem Amt als Kabinettssekretär der Großherzogin Alexandrine, einer Schwester Kaiser Wilhelms I.
3) Abgedruckt in "Friedrich v. Flotows Leben" von seiner Witwe, S. 123 ff.
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und Gastspiele hatte er allein nach seinem Ermessen zu entscheiden, sofern der Etat nicht überschritten wurde. War dies nicht zu vermeiden, so mußte er vorher die Genehmigung des Ministeriums oder des Großherzogs einholen. Für seine Künstler und Angestellten trat Zöllner jederzeit warm ein, wenn sie sich mit irgendwelchen Anliegen an den Großherzog wandten. Davon zeugen viele empfehlende Begleitschriften von seiner Hand unter den Akten. Über seine Persönlichkeit und Tätigkeit mag hier Carl Sontag 4 ), ein langjähriges Mitglied des Schweriner Theaters, zu Wort kommen 5 ): "Geh. Hofrat Zöllner war ein Mann, auf den niemand auch nur den geringsten Einfluß hatte, weder ein Regisseur, noch ein Mitglied. Die ganze Bureauarbeit wurde von ihm allein erledigt; er las alle Stücke selbst, verteilte die Rollen nach eigenem Gutdünken, und erst nach der Austeilung erfuhren die Regisseure von der Existenz der Stücke. Selbst den Probezettel, der ausgegeben wurde, schrieb er mit eigenen Händen. Mit einem Wort: alles ging von ihm aus . . .. Indem man nun wußte, daß bei Hofrat Zöllner jede Intrige abprallte, der Intendant allein der Täter seiner Taten war, fiel auch von selbst jede Gehässigkeit gegen den Collegen fort und gestaltete sich ein freundliches, collegialisches Verhältnis, das fast ohne gleichen war. . . . Auch von seinen Freunden hatte niemand Einfluß auf ihn in Theaterangelegenheiten. Mitglieder, mit deren Engagement der Hof nicht einverstanden war, verteidigte er wie ein Löwe. Im persönlichen Verkehr stand er nicht mit seinen Mitgliedern. Der Hofgesellschaft gegenüber aber wurde er beim geringsten Tadel impertinent grob, und wenn er in seinem Innern mit dem absprechenden Urteil einverstanden war, um so gröber." Diese übergroße Empfindlichkeit erschwerte ihm auch seinen Stand gegenüber dem Ministerium, mit dem er dauernd wegen Geldangelegenheiten in Konflikt geriet, so daß er sich mehrere Male hilfesuchend an den Großherzog wenden mußte. Als z. B. mit Schluß des Etatjahres 1849/50 das Hoftheater aufgelöst werden sollte, stellte sich eine bis dahin unbemerkte Kassendifferenz heraus, so daß das Ministerium beschloß, der Intendantur den Zuschuß immer nur auf monatliche Forderungen auszahlen zu lassen, um die finanzielle Seite strenger überwachen zu können. Zöllner fühlte sich dadurch einerseits in seiner Ehre gekränkt, andererseits im Theaterbetrieb auch tatsächlich behindert. In einem Schreiben an


4) Bruder der berühmten Henriette Rossi-Sontag, 1852 - l859 in Schwerin, danach in Dresden und Hannover.
5) "Vom Nachtwächter zum türkischen Kaiser", Bühnenerlebnisse, Hannover 1875, S. 158 ff.
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den Großherzog vom September 1851 sagte er u. a.: "Ich finde darin keinen andern Grund, als beide Ministerien (Justiz und Finanz) wollen mir die Leitung des Hoftheaters solange erschweren, bis ich diesen unaufhörlichen Widerwärtigkeiten erliege." Der Großherzog befahl daraufhin den Ministerien, Rücksicht auf die Intendantur zu nehmen und freiere Handhabung des Geldes zu gestatten. Einen für Zöllner charakteristischen Zug erzählt Sontag 6 ): "Als Frau Köster-Schlegel 7 ) aus ihrem Schweriner Abonnement schied, wollte Zöllner sie noch für einige Monate gewinnen und bot ihr 2000 Th. Die Summe wurde zu hoch befunden und das Engagement nicht bewilligt. Niemals hätte seine grenzenlose Eitelkeit zugegeben, das Engagement rückgängig zu machen, und ohne daß Frau Köster-Schlegel etwas davon ahnte, erklärte er dem Ministerio, die Künstlerin wollte für die Hälfte bleiben. Dies wurde angenommen, und Zöllner zahlte die 1000 Th. aus seiner eigenen Tasche." Ob er nun in solchen und ähnlichen Fällen über sein eigenes Vermögen hinausgegangen war und wieweit überhaupt diese Umstände mit seinem plötzlichem Tode 8 ) am 18. Juni 1855 in Verbindung zu bringen sind, läßt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Nach seinen Kräften und Fähigkeiten war er jedenfalls redlich bemüht, das Hoftheater auf eine möglichst würdige Stufe zu erheben. Es nahm auch wirklich, verglichen mit den früheren Leistungen des Schweriner Theaters, besonders im ersten Jahrzehnt seiner Wirksamkeit einen beträchtlichen Aufschwung, so daß es sich neben anderen Theatern gleicher Größe wohl behaupten konnte. Gegen Ende der 40er Jahre, in der Zeit der Revolution, ist dagegen ein Rückschritt zu bemerken. Damals war einerseits das Interesse im Publikum sehr gering, wie überall in jener Zeit, andererseits führte die 1849 eingeführte konstitutionelle Verfassung eine wesentliche Änderung in den Finanzverhältnissen des Großherzogs mit sich, die ihm eine Auflösung des Hoftheaters geraten erscheinen ließ. Infolgedessen wurde 1849 allen Mitgliedern gekündigt. Höchst erschrocken über diese Maßnahme richtete das Schweriner Publikum eine von vielen Einwohnern unterschriebene und von Zöllner warm empfohlene Bittschrift an den Großherzog um Erhaltung des Theaters. Diese wurde vorläufig für die kommende Saison zugesichert, und als mit dem Freienwalder Schiedsspruch am 12. September 1850 die alten politischen Zustände wiederkehrten, war auch das Bestehen


6) a. a. O. S. 160.
7) Luise Köster-Schlegel, 1841 - 1844 erste Sängerin in Schwerin.
8) Z. machte auf einer Reise in Würzburg durch einen Pistolenschuß seinem Leben ein Ende.
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des Theaters nicht mehr in Frage gestellt. Daß unter solchen unsicheren Verhältnissen kein festes Ensemble und damit keine guten Leistungen möglich gewesen waren, ist nicht schwer einzusehen.

Regie.

Nichtspielende Regisseure gab es, wie überall in jener Zeit, auch am Schweriner Hoftheater noch nicht. Das Amt der Regie wurde nebenher von zwei dazu fähig erachteten Mitgliedern des Personals verwaltet, deren Ernennung der Intendantur oblag. Nach Dienstinstruktionen vom 12. Oktober 1838 hatten sie die Proben anzusetzen und auf pünktliche Ausübung zu achten. Die Rollenverteilung behielt sich die Intendantur vor, doch war eine Einwendung der Regisseure möglich. Bei der Durchsicht und Beurteilung neuer Stücke sollten "die etwa anstößigen Stellen, sowie alles das, was zu lang" schien, angezeichnet und der Intendantur zur Entscheidung vorgelegt werden. Bei den Proben selbst hatten die Regisseure vor allen Dingen auf gutes Memorieren der Rollen zu achten, besonders darauf, daß metrische Stücke wörtlich genau gelernt wurden, so daß nicht, wie es heißt, "eine Menge von anstößigen und lächerlichen, gemeinen Zwischenworten eingeschaltet" würden, "welche den schönsten Vers zur Prosa umgestalten". Bei allen Rügen wird möglichste Schonung der Mitglieder empfohlen. Zum Schluß wird dazu ermahnt, allen "Konvenienzbräuchen, die an das altertümliche Zunft- und Handwerksmäßige erinnern und eines Kunstvereins nicht würdig sind", entgegenzuarbeiten. Mit schönklingenden Worten wird darauf hingewiesen, daß die Kunst höher stehe als der Künstler und somit alle kleinlichen Rücksichten wegfallen müßten. "Wer nicht das Ganze mehr liebt als sich selbst, verdient nicht den Namen eines Künstlers." Deshalb wird als unerläßlich gefordert:

  1. Rollenwechsel,
  2. Übertreten bejahrter Schauspieler von den jugendlichen in ältere Rollen,
  3. Einzelne Versuche junger Schauspieler in bedeutenden Rollen, welche diese nicht als ihr Eigentum, sondern gewissermaßen als Gastrollen geben sollen.

Wie weit diese vielversprechenden Anweisungen im einzelnen in der Praxis ausgeübt wurden, läßt sich schwer feststellen. Die Regie wird sich auf rein äußerliche Dinge beschränkt haben, von denen der Intendant Zöllner auch noch vieles selbst besorgte; ihr Einfluß auf den künstlerischen Stand der Bühne dürfte kein bemerkenswerter gewesen sein. Was die Stellung der Schauspieler

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untereinander betrifft, so scheint nach zeitgenössischen Berichten 9 )) eine die Kunst fördernde Harmonie bestanden zu haben. 1836 - 1839 wird sogar ein Oberregisseur genannt: Eduard Hoffmann, Schwiegersohn Krampes, und schon seit 1824 als Charakterspieler und Bonvivant in dessen Gesellschaft wirksam. Über seine Regietätigkeit ließ sich jedoch nichts ermitteln. 1839 überwarf er sich mit der Intendantur und verließ die Bühne. Regisseur des Schauspiels war Schmale 10 ), zugleich Vertreter der Intrigantenrollen und später der Heldenväter sowie kleiner Aushilfsrollen. Ellmenreich erwähnt seinen Mangel an Energie und seine Unkenntnis in Kostümfragen. Regisseur des Lustspiels und seit 1842 auch der Oper war Friedrich Beckmann, der seit 1824 bei Krampe die ersten komischen Rollen spielte und ebenfalls mit ins Hoftheaterpersonal übernommen war. Bis 1856 bekleidete er sein Amt als Regisseur, während er noch bis 1868 als Schauspieler in kleinen Rollen beschäftigt und dann unter Ernennung zum Ehrenmitglied pensioniert wurde. 1852 leitete er das Gesamtgastspiel der Schweriner am Carltheater in Wien. Regisseur der Oper war bis 1842 Gliemann,seit 1836 für erste Väterrollen und erste Baßpartien engagiert.

Repertoire.

Die Gestaltung des Repertoires war zunächst Sache des Intendanten. Dieser hatte es dem Großherzog zur Genehmigung einzureichen oder auch mündlich seine Einwilligung einzuholen. Großherzog Paul Friedrich griff selbst lebhaft in die Gestaltung des Spielplans ein; sein Einfluß macht sich besonders durch sehr häufige Ballettvorstellungen kenntlich, für die er eine große Vorliebe zeigte. In dem Bestreben, die Verhältnisse größerer Hoftheater möglichst getreu nachzuahmen, ließ er ein zahlreiches Ballettpersonal engagieren und Ballette großen Stils einüben. Aber auch für die andern Kunstgattungen zeigte er viel Interesse. Er versäumte mit seiner Gemahlin fast keine Vorstellung und wohnte häufig den Proben bei, wobei auf ausdrücklichen Befehl von seiner Anwesenheit keinerlei Notiz genommen werden durfte. Unter seinem Sohn Friedrich Franz II. wurde das Ballett sehr erheblich eingeschränkt und später ganz abgeschafft, da es einerseits für ein kleines Theater zu kostspielig war und es sich andererseits nicht der besonderen Vorliebe dieses Fürsten erfreute. Im einzelnen dessen Anteil an der Repertoiregestaltung festzustellen,


9) A. Ellmenreich, Erinnerungen aus dem Alt-Schweriner Hoftheater, Schwerin, Bärensprung [1922], und C. Sontag, a. a. O.
10) Von 1836 bis 1. Juli 1880 am Hoftheater tätig.
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ist leider nicht möglich, am wenigsten in dieser ersten Zeit seiner Regierung. Hin und wieder verkünden Theaterzettel, daß eine Vorstellung auf "allerhöchsten Befehl" gegeben wurde. An Verständnis und Interesse hat es von seiner Seite nicht gefehlt, und auf Anregungen des Vorstandes ist er immer bereitwillig eingegangen, wenn es sich um Förderung wahrer Kunst handelte. Bei einem Überblick über den ganzen Spielplan der Zeit von 1836 bis 1855 läßt sich feststellen, daß er im wesentlichen von dem anderer Bühnen nicht sehr verschieden war, abgesehen von dem frühen Erscheinen der Wagnerschen Opern im Anfang der 50er Jahre. Den größten Teil des Repertoires nahmen die Lustspielabende ein, dann folgte die Oper und zuletzt das Schauspiel, das weit hinter den beiden andern Gattungen zurückstand, während Lustspiel und Oper sich ungefähr die Wage hielten. Sehr beliebt waren Abende mit mehreren Stücken, zumeist Lustspielen, von denen es nur wenig gab, die einen ganzen Abend füllten. Die Zwischenakte oder auch einen Teil des Abends füllten dann Ballette aus. Oft wurden auch Konzerte von namhaften Künstlern vor oder nach einem Lustspiel gehört. Sogar Varietékünstler mit ihren "pantomimisch-gymnastisch-akrobatischen" Vorstellungen fanden zuweilen Zulaß zur Hofbühne und entzückten das Publikum nicht wenig mit ihren phantastischen Künsten, ja sie erzielten fast immer ein volles Haus und mußten auf Begehren ihre Vorstellungen wiederholen. Da das Publikum in der kleinen Stadt fast immer dasselbe blieb, war reiche Abwechslung im Repertoire geboten, und mehrere Wiederholungen derselben Stücke konnten nur bei ganz besonders ansprechenden Werken oder durch gelungene Leistungen eines beliebten Mitgliedes erreicht werden. Die allgemeine Vorliebe für das Lustspiel und die leichte Oper war insofern berechtigt, als mit den vorhandenen Kräften darin verhältnismäßig Gutes geleistet werden konnte, während das Ensemble für klassische Dramen und große Opern nicht ausreichte und neben guten Einzelleistungen das Ganze notwendig hinter den künstlerischen Anforderungen zurückbleiben mußte. War dies nicht der Fall, so ließ sich das Publikum gern einmal von den Werken unserer großen Dichter begeistern. Pekuniäre Rücksichten geboten jedoch dem Intendanten, auf die Wünsche des Publikums einzugehen, soweit er dies mit der Würde eines Hoftheaters vereinen konnte.

Was das Schauspiel repertoire betrifft, so ist die Wahl des Stückes, das zur Einweihung des Schauspielhauses aufgeführt wurde, schon bezeichnend für die Zeit; es war Raupachs Schau-

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spiel "Die Schule des Lebens". Zwar wurden Stimmen im Publikum laut, die ein würdigeres Produkt der Schauspielkunst für diesen Zweck gewünscht hätten, aber im allgemeinen gefiel es doch sehr, und Raupach, der an der Berliner Bühne jahrelang seine Machtstellung behauptete, war auch an der Schweriner Bühne ein oft und gern gesehener Gast. Bis 1846 allein kamen 15 Stücke von ihm neu zur Aufführung, und bis 1855 wurden 87 Vorstellungen seiner Werke gegeben, von denen besonders die unter dem Pseudonym von Leutner herausgegebenen "Geschwister" sehr beliebt waren. An Zahl der Aufführungen übertrafen ihn nur noch Charlotte Birch-Pfeiffer und Karl Blum. Erstere erschien 90mal auf dem Spielplan mit ihren rührseligen Volksstücken, deren sie fast jedes Jahr der deutschen Bühne ein neues bescherte. Da sie stets dankbare Rollen für die Schauspieler schrieb und für wirkungsvollen dramatischen Aufbau viel Geschick hatte, erzielten ihre Stücke immer Erfolg, wenn auch zuweilen nur ephemeren. Wie ein Lauffeuer gingen ihre Stücke über die deutschen Bühnen, und Schwerin stand in ihrer Aufnahme nicht hinter anderen Bühnen zurück. Karl Blum schoß jedoch den Vogel ab mit 97 Vorstellungen teils seiner eigenen Lustspiele, teils von Bearbeitungen ausländischer Stücke aus seiner Feder. Es folgen Angely mit 79 Aufführungen und Töpfer mit 77; ferner Benedix mit 72 Aufführungen. 1842/43 erschien er zum ersten Male auf dem Spielplan und drängte allmählich mit seinen deutschen Lustspielen die ausländischen in den Hintergrund. Als besonders gelungen bezeichnet die Kritik 11 ) die Aufführung seines Lustspiels "Das Lügen" am 26. Dezember 1852 mit Franziska Wagner, Kati Würth, Frau Parrod und den Herren Sontag und Gliemann. Die Lust und Liebe im Zusammenspiel der Schauspieler wird lobend erwähnt. Der gute Ruf des Schweriner Lustspielensembles galt auch außerhalb Schwerins und veranlaßte eine Einladung zum Gesamtgastspiel am Wiener Carltheater. Außerdem spielten Frau Parrod und Kati Würth mit viel Erfolg in Berlin und Potsdam und mit Gliemann zusammen 1852 am Burgtheater in Wien, wo sie sich Engagementsanträge von Laube erspielten. - Das deutsche Lustspiel war ferner durch Bauernfeld mit 59 Aufführungen vertreten. Sein "Bürgerlich und Romantisch" war lange Zeit ein beliebtes Repertoirestück. Ebenfalls 59mal erschien Kotzebue auf der Bühne, der Hauptanteil davon fiel in die ersten Jahre. Von 1843 ab nahm das Interesse an seinen sentimentalen Moralitäten merklich ab, und nur noch


11) "Mecklenburgische Zeitung" 1852 Nr. 302.
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selten erschien ein Stück von ihm auf dem Spielplan. Groß war die Zahl der Aufführungen ausländischer, besonders französischer Stücke. Als Interpreten dieser ausländischen Lustspiele, Vaudevilles, Possen usw. erschienen W. Friedrich 53mal, Theodor Hell (Hofrat Winkler-Dresden) und Herrmann je 36mal. Das von Hell übertragene Lustspiel "Das Glas Wasser" von Scribe wurde im April 1841 zum ersten Male gegeben und fand stets viel Beifall. Eine stattliche Anzahl Aufführungen erreichten auch Johanna von Weißenthurn (41) und Prinzessin Amalie von Sachsen (34) mit ihren gemütlichen deutschen Familienabenden. Daneben erschien seit 1839 Gutzkow, der Vertreter des jungen Deutschland, auf der Bühne. Sein Lustspiel "Das Urbild des Tartuffe" wurde im Dezember 1845 mit entschiedenem Erfolg aufgeführt; auch sein Trauerspiel "Uriel Akosta" fand viel Beifall, während sein Lustspiel "Die neue Welt" den Schwerinern nicht gefiel. Auch Nestroy und Iffland waren vertreten, außerdem alle mehr oder weniger bekannten Bühnenschriftsteller jener Zeit, denn Zöllner setzte seinen Ehrgeiz darein, dem Schweriner Publikum nichts vorzuenthalten, was auf anderen Bühnen Erfolg errungen hatte. Bemerkenswert sind darunter der spätere Schweriner Intendant G. zu Putlitz, Friedrich Halm, Mosenthal, dessen Schauspiel "Deborah" besonders gefiel und fast jedes Jahr gespielt wurde.

Von den klassischen Dramatikern erreichte Shakespeare mit 56 Aufführungen die höchste Anzahl. Daneben waren Schiller mit 48, Goethe mit 27, Lessing mit 12, Grillparzer mit 4, Uhland mit 2 und Kleist mit einer Aufführung vertreten. Die erste Saison brachte am 11. Februar 1836 Shakespeares "Hamlet" zum ersten Male in Schwerin auf die Bühne. Den Hamlet spielte G. W. Krüger vom Berliner Schauspielhaus als Gast, die Ophelia Clara Hirschmann. Wie diese erste Aufführung der vielumstrittenen Hamlet-Tragödie auf die Schweriner wirkte und wie sie gespielt wurde, konnte ich nicht feststellen. 1843 spielte W. Baumeister den Hamlet; die Aufführung war, nach dem "Freimütigen Abendblatt" 12 ) zu urteilen, eine "unsinnige Verstümmelung" des Werkes, die von einem Mißverstehen des Dichters zeugte. Ebenso klagt 1855 der Rezensent der "Mecklenburger Zeitung" über die willkürliche Behandlung der Tragödie und über die mangelhafte Szenerie. Der Geist erschien bei hellem Lampenschein auf der Terrasse. Karl Sontags Hamlet fand trotzdem viel Beifall. Im Februar 1841 fand die erste Aufführung von "Heinrich IV.", 1. Teil,


12) 1843, 18. Januar.
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in der Übersetzung von Schlegel und Bearbeitung von La Motte Fouqué statt, im Januar 1849 die von "König Lear". Im November desselben Jahres das Lustspiel "Viel Lärm um Nichts", im Februar 1850 "Die Komödie der Irrungen", im Februar 1852 "Macbeth" in der Schillerschen Übersetzung mit Gliemann als Macbeth, der seiner Rolle jedoch nicht gewachsen war, während Franziska Wagner als Lady Macbeth mehr Erfolg hatte. Die Szenerie ließ manches zu wünschen übrig. Im April 1854 wurde zum ersten Male "Othello" gespielt, und zwar mit dem berühmtesten Othellospieler jener Zeit, dem englischen Negerschauspieler Ira Alridge. Er riß das Schweriner Publikum zu stürmischem Beifall hin, obgleich er seine Rolle in englischer Sprache gab. Die Desdemona Frl. Härtings und der Cassio Karl Sontags waren daneben achtungswerte Leistungen. Die Saison 1854/55 brachte "Was Ihr wollt" und den "Sommernachtstraum" neu heraus. "Romeo und Julia" war schon bei Krampe gegeben worden; im April 1842 spielte Clara Stich die Julia als Debutrolle und wurde vom Publikum stürmisch hervorgerufen. Im "Freimütigen Abendblatt" 13 ) heißt es u. a. "die Darstellung gab ein Resultat, über welches man unser Hoftheater beglückwünschen darf". Im März 1853 wird eine Aufführung derselben Tragödie mit Franziska Wagner als Julia und Karl Sontag als Romeo als nahezu vollendet bezeichnet. Dagegen erlebte "Der Kaufmann von Venedig" im Mai 1842 eine schlechte Aufführung, bei der zu viel gestrichen und von den Schauspielern dafür hinzugefügt worden war. - Von den Aufführungen der Schillerschen Dramen war für Schwerin nur der "Fiesco" neu, der am 20. November 1844 gegeben wurde. Die "Räuber" waren seit 1789 auf dem Repertoire, ebenso "Kabale und Liebe", "Don Carlos" seit 1790, "Die Jungfrau von Orleans" und "Maria Stuart" seit 1801. Von einer Aufführung der Maria Stuart im März 1852 berichtet die Kritik, daß nur Frl. Wagner ihrer Aufgabe gerecht geworden sei, während sie später im Februar 1853 in Karl Sontag als Leicester einen guten Partner hatte. Mehrere Male wurde "Wallensteins Tod" mit Gliemann als Wallenstein gegeben, auch "Wilhelm Tell" und "Don Carlos". Im allgemeinen scheiterten diese Aufführungen ebenso wie die Aufführungen Shakespearescher Dramen trotz einzelner guter Leistungen an dem mangelnden Personal für die Nebenrollen und an szenischen Schwierigkeiten. - Von Goethes dramatischen Werken fanden während der 19 Jahre nur 27 Aufführungen statt, davon zum ersten Male in Schwerin


13) 1842, S. 349.
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"Clavigo, im April 1837, "Tasso" am 28. Juni 1841, "Die Geschwister" im Januar 1842, "Faust" am 3. Januar 1844 und "Götz von Berlichingen" am 23. April 1851. Der 1789 zum ersten Male gespielte "Egmont" wurde neu einstudiert und war neben den "Geschwistern" das beliebteste von Goethes Dramen. Von einer "Egmont" -Aufführung im Frühling 1845 behauptete die Kritik, daß sie "aufrichtige Teilnahme des Publikums erweckte, wie es die modernste Oper nicht besser vermag". Fast jedes Jahr erschien "Egmont" im Spielplan, besonders gut aufgeführt im Anfang der 50er Jahre. Die "Geschwister" kehrten ebenfalls sehr häufig wieder; bei der ersten Aufführung im Januar 1842 hatte die begabte und vielbeliebte Minna Reichel die Marianne so seelenvoll gespielt, daß diese Leistung nach dem kurz darauf erfolgten Tode der Darstellerin noch lange in aller Erinnerung blieb und begeisterte Nachrufe auf die Frühverstorbene hervorrief. Über die Wirkung der ersten Tassoaufführung ließ sich leider nichts ermitteln, doch läßt die Besetzung mit Baumeister als Tasso, Minna Reichel und Frau Hysel als Leonoren bei dem Ruf der Schauspieler auf eine würdige Leistung schließen. Selten jedoch erschien dies Werk auf dem Spielplan wie auch an anderen Bühnen, da es sowohl an die Darstellung wie an das Publikum große Anforderungen stellt. Die erste Aufführung des "Faust" am 3. Januar 1844 muß den Schwerinern gut gefallen haben, denn es konnten in derselben Saison noch drei Wiederholungen stattfinden, was immerhin eine Seltenheit war. Die Titelrolle spielte Baumeister, der diese Rolle allmählich zu einer gelungenen Leistung ausarbeitete. Das Gretchen spielte Fräulein Quandt als Debutrolle mit viel Erfolg; den Mephistopheles zunächst Schirmer, nach dessen Abgang 1844 Gliemann, der sich lange Jahre hindurch in dieser Rolle viel Anerkennung erwarb. Über die Bühnengestalt, in der "Faust" aufgeführt wurde, meldet der Theaterzettel "Dramatisches Gedicht in sechs Abteilungen" mit Musik von Radziwill und Lindpaintner. Von der dritten Aufführung ab wurde als Einleitung die Ouvertüre aus der Oper "Faust" von Spohr gespielt. Im April 1847 brachte ein Gastspiel der berühmten Tragödin Frau Peroni-Glasbrenner als Gretchen im "Faust" die Aufführung auf eine gewisse Höhe. 1853 erschien der "Faust" dann wieder neueinstudiert mit Bethge in der Titelrolle. - Von den 12 Aufführungen Lessingscher Dramen war neu "Nathan der Weise" am 27. April 1843, wobei Gliemann als Nathan befriedigte, während Frau Hysel als Recha nicht genügte und Schmale als Patriarch gar an die Posse streifte. Trotzdem bezeichnete die

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wohlmeinende Kritik die Vorstellung als recht gelungen im Ensemble. "Emilia Galotti", schon seit 1788 und "Minna von Barnhelm" seit 1789 in Schwerin bekannt, erlebten einige wenige Aufführungen. - Grillparzer kam nur viermal zu Gehör, davon dreimal mit der "Ahnfrau" und einmal mit "Sappho", die im April 1849 zum ersten Male in Schwerin auf die Bühne kam. - Uhlands selten aufgeführtes Schauspiel "Ernst Herzog von Schwaben" wurde am 23. Januar 1843 einmal gespielt, um dann wieder ganz vom Repertoire zu verschwinden. Der 23. Februar 1846 brachte dann von Uhland sogar eine Uraufführung seines Schauspiels "Ludwig der Bayer", das bisher noch keinen Weg zur deutschen Bühne gefunden hatte und auch hier nach einer Aufführung wieder verschwand. - Kleist kam nur einmal zur Aufführung mit seinem romantischen Ritterschauspiel "Käthchen von Heilbronn", das 1818 zum ersten Male in Schwerin aufgeführt worden war und jetzt im Januar 1845 "unter allgemeiner Heiterkeit und vielseitiger Teilnahme des Publikums als Posse gegeben wurde, wozu mit ehrenvollem Ausschluß von Fräulein Quandt, Frau Höffers, Baumeister und Gliemann alle übrigen Mitwirkenden redlich das ihrige beitrugen" 14 ).

Die Opernabende waren im allgemeinen beim Publikum sehr beliebt, die Leistungen je nach Besetzung der Hauptpartien sehr verschieden und demnach auch das Opernrepertoire entsprechend gestaltet. Großen Raum nahmen die französischen und italienischen Opern ein, die in jener Zeit auf allen Bühnen die Vorherrschaft hatten, die ihnen die deutsche Oper erst allmählich streitig machen konnte. Die erste Oper im neuen Hause war freilich eine deutsche, nämlich die damals beliebte "Jessonda" von Spohr, die bis 1855 noch 17mal gespielt wurde. Außer dieser gelangte Spohrs Oper "Faust" 1838 ein einziges Mal zur Aufführung. Bei weitem die meisten Aufführungen erreichte Auber mit 16 Opern, die im ganzen 123mal gespielt wurden. Seine Werke fanden wie überall auch in Schwerin schnelle Aufnahme. "Fra Diavolo", seit 1833, "Die Stumme von Portici", seit 1830 bekannt, erreichten die meisten Aufführungen. Sehr beliebt war auch der "Maskenball". Neu waren im Spielplan neun Opern von Auber, von denen "Der schwarze Domino" 13mal gespielt wurde, während "Die Gesandtin" und der "Herzog von Olonne" nur eine Aufführung erlebten. Die letztgenannte Oper gefiel so wenig, daß im Publikum sogar Zeichen des Mißfallens laut wurden. - Nächst Auber war Donizetti sehr bevorzugt; seine 7 Opern


14) Freim. Abendbl. 1845, S. 72.
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wurden 80mal gespielt, und zwar "Die Regimentstochter" 19mal, "Lucrezia Borgia" 17mal und "Lucie von Lammermoor" 13mal. - Noch beliebter waren die Opern von Meyerbeer in dieser Zeit, von denen drei mit 78 Vorstellungen vertreten sind. "Robert der Teufel" (36), "Die Hugenotten" (29) und der "Prophet" (13). Die Valentine in den "Hugenotten" war eine von den Glanzrollen der berühmten Luise Schlegel, die 1841 - 43 der Stern der Schweriner Oper war. In dieser Rolle erwarb sie sich auch schnell die Gunst des Berliner Publikums. - Bellinis vier Opern gelangten 71mal auf die Bühne: "Die Nachtwandlerin" (22), "Norma" (24), "Die Puritaner" (4) und "Capuletti und Montecchi" (21), letztere wurde schon unter Krampe gespielt. Als Armide in der Nachtwandlerin und als Norma entzückte Jenny Lind, die "nordische Nachtigall", im April 1843 das Schweriner Publikum. Ihre Leistungen riefen eine solche Begeisterung hervor, wie sie in Schwerin sonst selten gezeigt wurde. Es gab einen unglaublichen, nie gesehenen Andrang zu den Vorstellungen, und mit den Einlaßkarten wurde geradezu Wucher getrieben. "Begeisterte Gedichte feierten die Künstlerin bei ihrem Abschied". - Die italienische Oper war ferner mit Rossini 62mal im Repertoire vertreten. Neu waren davon in Schwerin: "Tell", der seit 1836 22 Aufführungen erlebte, und die "Belagerung von Corinth". Von den früher schon bekannten Opern war "Der Barbier von Sevilla" am meisten beliebt. - Von den deutschen Operkomponisten steht an erster Stelle C. M. von Weber mit 62 Aufführungen von vier Opern. Die bis heute beliebteste und volkstümlichste seiner Opern "Der Freischütz" war schon am 23. Januar 1823 zum ersten Male in Schwerin gespielt worden. Während Zöllners Intendanz erlebte sie 31 Aufführungen und übte immer wieder große Anziehungskraft auf das Publikum aus. "Oberon", auch schon seit 1829 bekannt, wurde 16mal gespielt, neu dagegen war "Euryanthe", am 19. September 1841 mit Luise Schlegel in der Titelrolle, seitdem noch 11mal gespielt. Weniger Anklang fand die heroisch-komische Oper "Sylvana", die nur 1839/40 dreimal gespielt wurde. - Zu den beliebtesten Operabenden gehörten Aufführungen Mozartscher Werke, die, obgleich sie keine neuen Erscheinungen im Spielplan waren, immer wieder ihren Reiz auf die Zuhörer ausübten. "Don Juan" erlebte 20, "Figaros Hochzeit" 17, "Die Zauberflöte" 14 und "Belmonte und Constanze" 5 Aufführungen. Je nach Besetzung der ersten Rollen waren die Vorstellungen mehr oder weniger gut. Im Frühling 1845, in der Zeit, die für die Schweriner Oper überhaupt wohl

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den größten Tiefstand bedeutete, wurden z. B. auch "Don Juan" und die "Zauberflöte" so schlecht gegeben, daß lebhafte Wünsche nach einer durchgreifenden Reform der Oper laut wurden, sowohl was die Orchester- und Sängerbesetzung als auch was die Szenerie betraf. - Lortzing war mit 39 Aufführungen vertreten. Seine Oper "Zar und Zimmermann" 15 ) erschien zum ersten Male am 25. Juni 1839 und erfreute die Schweriner bis 1855 21mal. Weniger gefielen "Die beiden Schützen" und "Hans Sachs" mit dem Deinhardsteinschen Text, dagegen konnte der "Wildschütz" seit 1844 9mal gegeben werden. - Schnell fanden die Opern Friedrich von Flotows ihren Weg zur Bühne. Der Hof nahm an den Werken dieses einheimischen Komponisten regen Anteil, der sich darin äußerte, daß man die Erstaufführungen seiner Opern gern als Festaufführungen an den Geburtstagen der großherzoglichen Familie wählte. Als erste seiner Opern erschien am 23. Februar 1841 16 ) "Die Herzogin von Guise", ohne sich jedoch länger auf dem Spielplan halten zu können. Am 28. Februar 1845 17 ) dagegen wurde die von Flotow selbst dirigierte Oper "Stradella" mit lebhaftem Beifall aufgenommen, nachdem sie am 30. Dezember 1844 in Hamburg ihren Siegeszug über die deutschen Bühnen angetreten hatte. In Schwerin wurde sie bis 1855 16mal aufgeführt. Noch mehr gefiel am 28. Februar 1848 "Martha" 18 ), die dem Komponisten auf allen Bühnen festes Heimatsrecht verschaffte. Sie wurde in den folgenden sieben Jahren 23mal gespielt; für die Titelrolle war besonders Fräulein Limbach (1846 - 50) eine gute Vertreterin. Bedeutend weniger gefielen "Die Matrosen" am 28. Februar 1849 und "Sophie Catharina" 19 ) am 16. Februar 1851, die beide nur wenige Aufführungen erlebten. Auch seine dreiaktige Oper "Indra" 20 ), mit dem von G. zu Putlitz verfaßten Text, konnte am 28. Februar 1854 das Publikum nicht erwärmen. Sie wurde am 1. März 1879 in neuer Bearbeitung vom Intendanten von Wollzogen als "Alma" wieder ins Repertoire aufgenommen und war als sogenanntes Drei-Intendantenstück ein Kuriosum auf der Schweriner Bühne, ohne jedoch zu höherer künstlerischer Bedeutung zu gelangen. - Eine ungeheuere Bereicherung des Repertoires bildete in den 50er Jahren das Er-


15) Uraufführung 1837 in Leipzig.
16) Geburtstag der Großherzogin Alexandrine.
17) Geburtstag des Großherzogs Friedrich Franz II.
18) Uraufführung in Wien, 25. November 1847.
19) Uraufführung Berliner Opernhaus, 19. November 1850.
20) Uraufführung Stettin, Oktober 1852, dann Wien und Berlin mit Luise Köster-Schlegel.
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scheinen von Richard Wagners Opern in Schwerin. In dem Kampf der Meinungen um die Wagnersche Musik, der damals in der Kunstwelt entbrannte, ist es besonders bemerkenswert und bedeutend, daß Schwerin als erste unter den kleineren Bühnen der neuen Musik die Tore öffnete und damit den meisten größeren Bühnen mutig voran schritt. Es zeugt von dem Kunstverständnis des Großherzogs, daß er das für eine kleine Bühne immerhin recht schwierige Unternehmen wirksam unterstützte und förderte. Durch welchen Umstand und durch welche Persönlichkeiten die Anregung zur Einstudierung seiner Werke in Schwerin gegeben wurde, erfahren wir durch Wagner selbst. In seiner Biographie 21 ) erzählt er, daß der Rendant Stocks, von der jugendlichen Sängerin Frau Moritz-Röckel 22 ) durch eine begeisterte Schilderung ihres in Weimar von einer Tannhäuseraufführung empfangenen Eindrucks bewogen, die Oper für sich eifrigst studiert und die Direktion des Hoftheaters dazu angetrieben habe, ihre Aufführung vorzubereiten. Die Anfrage um das Aufführungsrecht traf Wagner in einer Zeit seelischer und körperlicher Depression während seines Schweizer Aufenthalts und mag ihm als ein neuer Hoffnungsstrahl recht wohl getan haben. Stocks trat mit Wagner selbst in Verbindung, und da von 1850 - 53 auch Franziska Wagner, Tochter Alberts und Nichte Richard Wagners, in Schwerin als erste Heldin engagiert war, kam es zu einem lebhaften brieflichen Verkehr zwischen Wagner und Schwerin. Am 26. Januar 1852 konnte die erste Aufführung des "Tannhäuser" bei aufgehobenem Abonnement stattfinden 23 ). Die Oper war vorher nur in Dresden am 19. Oktober 1845 unter Wagners eigener Leitung und dann in Weimar unter Liszt mit Erfolg gespielt worden. In Schwerin gelang es dank der Hingebung aller Mitwirkenden, dem "Tannhäuser" einen vollen Erfolg zu sichern, obgleich die Aufführung bei den vorhandenen Kräften und dem verhältnismäßig kleinen Orchester sicher manches zu wünschen übrig ließ 24 ). Wie rege


21) R. Wagner, Mein Leben, München 1911, 2. Bd., S. 578 f.
22) Jüngste Schwester von August Röckel, des Musikdirektors in Dresden (1845 - 1849) und aufopfernden Freundes Richard Wagners, besonders in dessen Dresdener Zeit. Frau Moritz-Röckel war 1850 - 1852 in Schwerin als erste Sängerin engagiert.
23) In der Musikalien-Bibliothek des jetzigen Theaters befindet sich noch eine Taunhäuserpartitur mit Richard Wagners eigener Widmung. Die Ausgabe ist vom Jahre 1845 aus Dresden und trägt auf dem Titelblatt von Wagners Hand die Worte "dem Hoftheater zu Schwerin gehörig. Richard Wagner."
24) Besetzung der Tannhäuser-Aufführung am 26. Januar 1852: (  ...  )
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jedoch das Interesse im Publikum war, geht schon daraus hervor, daß die Oper noch in derselben Saison sechsmal wiederholt werden konnte bei stets voll besetztem Hause 25 ). Zwei von diesen Vorstellungen fanden außer Abonnement statt, und zu der Vorstellung am 14. Februar war sogar ein Extrazug aus Wismar eingelegt worden, um auch auswärtigen Kunstfreunden Gelegenheit zu geben, Wagners Musik kennen zu lernen. Wagner selbst schrieb an seine Nichte: ". . . Ich komme hier von Dir sogleich auf die Schweriner Aufführung des "Tannhäuser": sie hat mir wirkliche Freude gemacht, weil sie mir Zeugnis von dem aufopfernden Eifer gab, den ich im einzelnen zu erwecken imstande bin. Daß mich die eigentliche Masse dabei gleichgültig läßt, mußt Du ganz natürlich finden: ich weiß, sie begreift doch nicht, worauf es hierbei ankommt" 26 ). - Daß nun das Schweriner Publikum dies sogleich begriffen hätte, kann man kaum erwarten; jedenfalls aber stellte es sich dem Neuen durchweg empfänglich gegenüber und war hierin sicher vom Verhalten des Hofes mitbestimmt. Es verging von nun an kaum eine Saison, in der "Tannhäuser" nicht gespielt wurde. 1852/53 wurden die Hauptrollen neu besetzt: Tannhäuser durch Hagen; Landgraf - Warray; Elisabeth - Frau Oswald; Venus - Frl. Rafter. Die drei Aufführungen gelangen gegenüber denen des Vorjahres schon wesentlich besser, wenn auch die Venusbergszene noch immer ziemlich mangelhaft ausfiel und die Venus selbst noch keine wirklich gute Vertreterin gefunden hatte. Doch bezeichnete die Kritik die "Tannhäuser"-Aufführung vom 15. Februar 1853 neben einer Operaufführung von "Orest" als die gelungenste Leistung in der Saison. Am 6. April 1853 kam als zweite Oper Wagners der "Fliegende Holländer" auf die Bühne 27 ), der am 2. Januar 1843 in Dresden seine Uraufführung erlebt hatte. Hinze als Holländer und Frau Oswald als Senta genügten stimmlich nicht ganz den Anforderungen. Die Vorstellung als Ganzes wurde von der Kritik gelobt, besonders die


(  ...  ) Landgraf - Roberti, Heinrich der Schreiber - Stephan, Tannhäuser - Young, Reimar v. Zweter - Parrod, Wolfram - Hinze, Elisabeth - Dem. Bamberg, Walther v. d. Vogelweide - Damcke, Venus - Mme. Moritz-Röckel, Biterolf - Rossi, Hirt - Dem. Schweichler.
25) 28. Januar, 8. und 14. Februar, 3. März, 12. und 25. April 1852.
26) Familienbriefe S. 184, Zürich 21. März 1852.
27) Besetzung der ersten Holländer-Aufführung am 6. April 1853: Daland - Warray, Mary - Mme. Lafrenz, Senta - Mme. Oswald, Steuermann - Kühn, Erik - Hagen, Holländer - Hinze.
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Ausstattung und die Leistungen des Kapellmeisters und Chordirektors. Am 10. April und 1. Mai fanden zwei Wiederholungen bei aufgehobenem Abonnement statt, die aber kein vollbesetztes Haus erreichten. Überhaupt sagte dieses Werk Wagners den Schwerinern weniger zu als der "Tannhäuser", der bis 1855 18 Aufführungen erlebte, während der "Fliegende Holländer" nur siebenmal gespielt wurde. Am 15. Januar 1854 folgte "Lohengrin", nachdem am 28. August 1852 in Weimar erst die Uraufführung stattgefunden hatte 28 ). Die Oper wurde bei aufgehobenem Abonnement gespielt und konnte fünfmal in der Saison wiederholt werden 29 ). Die Kritik versagt in dieser Zeit gerade, doch lassen die zahlreichen Aufführungen auf Erfolg schließen. Zur Aufführung am 16. März ließ sich eine Stimme in der "Mecklb. Zeitung" 30 ) vernehmen, die alle Mitwirkenden bat, sich nicht dadurch abschrecken zu lassen, daß das Publikum die Ausgaben nicht so schnell anerkenne, da es zur Würdigung der gebotenen Leistungen auch des Verständnisses der hier zu lösenden großartigen Schwierigkeiten bedürfe; das könne jedoch nur durch häufigeres Anhören und eingehendes Studium gewonnen werden. Eine entgegengesetzte Ansicht spricht dagegen Chrysander 31 ) aus, der meint, daß Wagners Opern zu oft aufgeführt und deshalb viele ihrer überdrüssig geworden seien. Er empfiehlt daher, neben Wagner die "Klassiker der Musik" Mozart, Beethoven, Weber und Gluck nicht zu vergessen. So waren auch in Schwerin die Meinungen über Wagners Opern geteilt, und es ist besonders der Leitung des Theaters zu verdanken, daß die neue Musik sich hier verhältnismäßig früh durchsetzen konnte und Wagners Opern sogar allmählich zu Lieblingen des Publikums wurden, während sie an vielen Theatern noch gar nicht gespielt wurden. - Neben den bisher erwähnten Opernkomponisten weist das Repertoire alle mehr oder weniger bekannten Vertreter der deutschen sowohl wie der italienischen und französischen Oper auf. Sehr beliebt war Beethovens Oper "Fidelio", die 15mal aufgeführt wurde und besonders zur Zeit der Luise Schlegel und der Limbach beim Publikum in hoher Gunst stand. Kreuzers "Nachtlager von


28) Besetzung der ersten Lohengrin-Aufführung am 15. Januar 1854: Heinrich der Vogler - Warray, Telramund - Hinze, Lohengrin - Hartmann, Ortrud - Mme, Oswald, Elsa - Dem. Rochlitz, Heerrufer - Rossi, Herzog Gottfried - Christine Fuchs.
29) 29. Januar, 5. Februar, 16. März, 2. und 17. April 1854.
30) "Mecklenburgische Zeitung" 1854 Nr. 65.
31) "Abhandlung über Musik und Theater in Mecklenburg", Archiv für Landeskunde, 1854, S. 377 ff.
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Granada" erlebte seit der ersten Aufführung am 14. Oktober 1838 14 Aufführungen, Marschners "Hans Heiling" seit 15. November 1846 neun, sein "Vampyr" fünf und "Templer und Jüdin" zwei Aufführungen. Gläsers "Adlershorst", schon bei Krampe auf dem Spielplan, wurde zehnmal gespielt, Glucks "Iphigenie auf Tauris" 1852/53 zweimal. Daneben erscheinen Namen wie: Dittersdorf, Weigl, Himmel, Kücken, Maurer u. a. - Von ausländischen Komponisten ferner Boieldieu mit 27 Aufführungen, Adam mit 25, Halevy mit 16, Hérold mit 15, Méhul mit 7, Cherubini mit 6, Balfé mit 6, Spontini mit 3 Aufführungen usw. Der Schweriner Musikdirektor Mühlenbruch brachte am 28. Februar 1846 seine eigene Oper "Merope" auf die Bühne, die nach einmaliger Aufführung jedoch vom Spielplan verschwand. Gleiches Schicksal teilte die Oper "Gundel" von Albert Ellmenreich, einem Mitglied des Schauspielpersonals, der sich als Bühnenschriftsteller und Komponist betätigte. Zu 8 Aufführungen dagegen gelangten die "Obotriten" von Lappe, einem Orchestermitglied. Die Oper wurde am 24. Februar 1840 zur Festaufführung gewählt und hielt sich des patriotischen Inhalts wegen etwas länger auf dem Spielplan.

Personal 32 ).

Eine strenge Scheidung zwischen Schauspiel- und Opernpersonal war in dieser ersten Zeit des Hoftheaters noch nicht durchgeführt. Hier, wie noch allgemein damals üblich, waren die meisten Schauspieler zugleich Sänger, besonders läßt sich das in der Besetzung der Herrenrollen feststellen. Namentliche Erwähnung sollen hier nur die Vertreter und Vertreterinnen erster Rollenfächer finden. Von Krampes Schauspielgesellschaft übernommen wurden:

1. Friedrich Beckmann, als erster Komiker und Regisseur des Lustspiels. Seit 1834 bei Krampe, war er bis 1856 als Regisseur und bis 1868 noch in kleinen Rollen beschäftigt. Neben ihm wurde 1839 für erste komische Rollen Joseph Peters aus Hamburg engagiert. Er trat am 2. April 1839 als "Agamemnon Pünktlich" in "Kunst und Natur" von Albini zum ersten Male auf und hat bis zu seinem Tode am 27. April 1865 in Schwerin das Fach des ersten Komikers und zugleich des Baßbuffo bei allgemeiner Beliebtheit vertreten. Durch lebens-


32) Wedemeier, Beitr. z. Gesch. d. Großh. Hoftheaters in Schwerin, 1860, zählt alles Personal ohne nähere Bestimmung des Rollenfaches auf, konnte für diese Arbeit daher nicht viel nützen. Ich benutzte vielmehr das Personalverzeichnis des Theaters, Almanachs, Theaterzettel und Eisenbergs Bühnen-Lexikon.
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länglichen Kontrakt an das Hoftheater gebunden, gehörte er sozusagen zum Inventar und war mit dem Publikum ganz verwachsen. Auch außerhalb Schwerins erwarb er sich auf Gastreisen einen guten Ruf.

2. Karl Hartmann, seit 1832 für "Naturburschen und Dümmlinge" engagiert, trat auch als Tenorbuffo auf und war überhaupt nach jeder Richtung hin verwendbar. Auch er war lebenslänglich verpflichtet und wirkte bis zu seinem Tode am 19. November 1881 an der Schweriner Bühne.

3. Eduard Hoffmann, seit 1824 bei Krampe Charakterspieler und Bonvivant, war bis 1839 auch als Oberregisseur tätig, überwarf sich mit der Intendantur und verließ Schwerin. 1839 bis 1843 ersetzte ihn W. Kaiser, der im bürgerlichen Schauspiel und Konversationsstück recht Gutes leistete. Später übernahm Gliemann fast alle Charakterrollen. Er war von 1836 - 59 tätig, spielt auch erste Heldenväter und sang Baßpartien in der Oper, deren Hauptstütze er in den 40er Jahren war. Er zählte zu den besten Kräften des Theaters in dieser Periode und war beim Publikum ungemein beliebt.

4. Friederike Hoffmann, die Frau des obengenannten Hoffmann und Tochter Krampes, spielte seit 1824 "muntere Liebhaberinnen", später "zärtliche und komische Mütter". Für sie trat 1838 Mme. Höffert, geb. Devrient 33 ), ein, die begabte Tochter Ludwig Devrients; sie spielte bis 1845 Charakterrollen und zog sich dann ganz von der Bühne zurück. 1845 - 49 Frau Schultze aus Oldenburg, während später für dieses Fach keine besondere Kraft engagiert war.

5. Klarenbach und Frau, beide seit 1831 bei Krampe; er als "ernster, komischer Alter", von 1841 - 55 zugleich als Inspektor angestellt. Seine Frau spielte bis 1849 die Rollen der komischen Alten, Ihre Nachfolgerin war von 1849 - 66 Frau Lafrenz, die allgemein als vorzügliche Vertreterin ihres Faches galt.

6. Der erste Tenorist Kiel 34 ), der von 1834 - 52 dieses


33) Emilie Devrient, Tochter Ludwig Devrients, aus erster Ehe mit M. Neefe, geboren 1808 in Dessau, ausgebildet in Braunschweig; von 1827 - 1830 in Danzig, 1832 - 1838 in Stettin und gestorben 1857.
34) Nach Ellmenreich (a. a. O. Nr. 50/51) war Kiel ein hochbegabter Darsteller, der jeder Aufgabe charakteristische Seiten abzugewinnen wußte, seine Stimme, wenn auch etwas nasal angehaucht, war von seltsamer Biegsamkeit und Ausdauer und konnte ein Schatz fürs Repertoire genannt werden. Dem schaulustigen Publikum imponierte er durch gefährlich scheinende Stürze auf der Bühne, z. B. als Fra Diavolo sprang er, sich mehrmals überschlagend, von der Brücke herab, was auf der Galerie frenetischen Jubel auslöste.
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Rollenfach ausschließlich allein vertrat. Gegen Ende der 40er Jahre verlor seine Stimme bedeutend, so daß er endlich pensioniert werden mußte. Neben ihm war 1849 - 50 der später so berühmt gewordene Theodor Wachtel als Anfänger in Schwerin. Es folgten 1851 - 52 Damcke und Young, 1852 - 53 Hagen, der sich als "Tannhäuser" auszeichnete, 1853 - 54 Hartmann, 1854 - 57 Eckert.

7. Für erste Gesangpartien Frau Johanna Schmidtgen 35 ), die seit 1831 bei Krampe war und 1841 mit ihrem Mann, dem Musikdirektor Schmidtgen, das Hoftheater verließ. Sie verfügte über eine seltene Koloratur, verbunden mit dramatischer Begabung, die ihr ein längeres Engagement in Leipzig verschaffte. In Schwerin war sie viel beschäftigt und beliebt. Ihr folgte 1841 - 44 Luise Schlegel 36 ), die 1840/41 schon in 33 Gastrollen aufgetreten war. Mit ihrem Eintritt ins Hoftheater nahm die Oper einen gewaltigen Aufschwung und bildete die Hauptanziehungskraft auf das Publikum. Während der drei Jahre ihrer Wirksamkeit in Schwerin erwarb sie sich die Herzen aller Kunstfreunde, nicht nur durch ihre volle, schöne Stimme, sondern auch durch ihre liebliche Erscheinung und ihr seelenvolles Spiel, das sie gerade in Schwerin bedeutend vervollkommnete, so daß sie bei einem Gastspiel in Berlin im Herbst 1843 glänzende Triumphe feiern konnte. Fidelio und die Valentine in den "Hugenotten" waren ihre glänzendsten Leistungen. Fidelio wurde auch während ihres Berliner Engagements 1847 - 62 ihre Lieblingsrolle, mit der sie jede Saison abzuschließen pflegte. Erste Berliner Fachkritiker behaupten, daß sie durch ihre Anlagen die Erinnerung an die glänzendsten Zeiten der Berliner Opernbühne hervorrief. Ihr Scheiden aus Schwerin erregte allgemeines Bedauern, und bei ihren späteren Gastspielen wurde sie stets jubelnd begrüßt. - Ihre Nachfolgerinnen, Frl. Grünberg, 1844/45, Frl. Kern 1845/46, erreichten sie nicht im entferntesten. Erst mit Frl. Limbach, 1846 - 50, trat wieder ein belebendes Element in die Oper ein. Frl. Bamberg, 1850 - 52, bewährte sich als Elisabeth in der ersten Tannhäuseraufführung, auch Frau


35) Geboren 1814 in Stralsund als Johanna Wieland, 1841 - 1843 Leipzig, 1843 - 1846 Wiesbaden, gestorben am 30. März 1850.
36) Geboren 22. Februar 1823 in Lübeck, erstes Auftreten als "Pamina" in Leipzig 1838, dort bis 1840 tätig; 1840/41 kurze Zeit in Berlin; da zu anstrengend, 1841 - 1844 nach Schwerin, 1844/45 Breslau, 1845 - 1847 wegen Krankheit ausgesetzt, 1847 - 1862 gefeierte Sängerin in Berlin. Seit 1843 mit Dr. phil. Hans Köster verheiratet. Gestorben in Schwerin am 2. November 1905.
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Oswald, 1852 - 56, trug als Elisabeth und später als Senta und Elsa zum Gelingen der Wagnerschen Opern bei, wenn ihre Stimme auch den Anforderungen nicht ganz gewachsen gewesen zu sein scheint.

8. Der erste Bassist Claussen wurde ebenfalls von Krampe übernommen, bei dem er seit 1834 beschäftigt war. 1837 jedoch schon übernahm Gliemann seine Rollen 37 ), und als dieser 1841 zum Baßbuffo überging, wurde als erster Bassist Wilhelm Hinze 38 ) verpflichtet, der als tüchtiger Sänger bis zu seinem Tode in Schwerin beschäftigt wurde und nebenher auch im Schauspiel aushalf.

Neubesetzt wurden mit der Gründung des Hoftheaters folgende Fächer:

1. Als jugendlicher Liebhaber und Held Liphardt, der sich jedoch nicht bewährte und 1839 durch Wilhelm Baumeister 39 ) ersetzt wurde, Bruder des berühmten Wiener Schauspielers Bernhard Baumeister, der selbst von 1843 - 46 als Anfänger der Schweriner Bühne angehörte. Wilhelm B. zeichnete sich durch ein umfangreiches, schönes Organ, gute Aussprache und vorteilhafte Erscheinung aus. Seine eigentliche Begabung lag im Lustspiel, das in Schwerin mit seinem Eintritt wesentlich gehoben wurde. Sein Nachfolger wurde Ludwig Gabillon 40 ), 1848/49 - der "schöne Gabillon", wie er in Schwerin allgemein hieß -. 1849 - 52 wurde für ihn Theodor Vollmer engagiert 41 ), dessen Hauptstärke ebenfalls in Lustspielfiguren von Benedix und Bauernfeld lag. 1852 wurde für


37) Vgl. S. 92.
38) Geboren 1813 in Braunschweig, zunächst Schreiber, 1841 - 1876 in Schwerin, zugleich Kammersänger und Geigenkünstler, gestorben 26. September 1876. Seine Hauptrolle war "Marcel" in den "Hugenotten".
39) Geboren 22. November 1810 in Posen, wurde zunächst Offizier, 1834 - 1836 in Leipzig jugendlicher Liebhaber, 1837/38 in Hamburg, 1839 - 1848 in Schwerin, 1848 - 1850 Regisseur in Breslau, 1850 - 1852 Oberregisseur in Hamburg, 1857 - 1870 in Berlin. Seine Frau war 1839 - 1848 in Schwerin zunächst Soubrette, dann Vertreterin des älteren Faches.
40) Geboren 16. Juni 1823 bei Güstrow, 1849 - 1851 in Cassel, 1851 - 1853 Hannover, seit 1853 am Burgtheater in Wien, wo er eine bedeutende Stütze wurde und 1875 zum Regisseur ernannt wurde. Gestorben 13. Februar 1896. In Wien spielte er besondere Charakterrollen, er prägte die sogenannten "Gabillonrollen", z. B. den "Hagen" in Hebbels "Nibelungen".
41) Geboren am 3. Januar 1817 in Braunschweig, gestorben 23. Juni 1886 in Dresden, 1882 und 1883 leitete er in Schwerin in Vertretung des erkrankten Intendanten v. Wolzogen das Interimstheater am Luisenplatz.
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sein Fach Karl Sontag 42 ) gewonnen, der bis 1859 in Schwerin blieb, sich jedoch in den letzten Jahren immer mehr dem Charakterfach zuwandte. Er kam als Anfänger nach Schwerin und war, wie er selbst in seinen Erinnerungen zugibt, in den ersten Jahren weder für das Heldenfach im Drama noch für das des ersten Liebhabers und Bonvivants im Lustspiel ausreichend. Er machte jedoch schnell Fortschritte, und seine Kritiken lauteten bald günstig. Sein Max Piccolomini, Leicester, Valentin, Egmont und Hamlet waren sehr beliebte Leistungen. Ganz besonders erwarb er sich jedoch in Lustspielrollen die Gunst des Publikums. Unter ständiger Erhöhung der Gage konnte die Intendantur ihn bis 1859 in Schwerin halten.

2. Für erste Helden und chargierte Rollen wurde 1836 Albert Ellmenreich engagiert, der bis 1859 vielseitig beschäftigt wurde. Er war nebenher als Komponist tätig, seine Oper "Gundel" wurde 1849 in Schwerin gespielt. Seine Frau Minna Lauber war 1837 - 41 ebenfalls an der Schweriner Bühne als Liebhaberin tätig.

3. Erste Heldin war 1836 Clara Hirschmann. Sie sprach bei der Einweihung des neuen Theaters den Festprolog und gewann in kurzer Zeit die Gunst des Publikums, Sie starb jedoch am 14. Oktober 1836 plötzlich in Schwerin. 1836/37 war kurze Zeit Frl. von Zahlhas engagiert, 1837 - 39 Frau Clauer, l839/40 Frl. Hausmann, 1840 - 42 sodann Minna Reichel 43 ), eine der anziehendsten Gestalten des Schweriner Hoftheaters. Sie war der Liebling des Hofes und des Publikums. Im Herbst 1841 erwarb sie sich als Johanna und als Luise Millerin große Anerkennung, auch auf Gastreisen in Hannover, Braunschweig und Hamburg. Ihrem Engagement am dortigen Stadttheater konnte sie nicht mehr Folge leisten, da sie am


42) Geboren am 7. Januar 1827 in Berlin, Halbbruder der berühmten Sängerin Henriette Sontag. Erstes Auftreten 1848 in Dresden, bis 1856 unter dem Namen Carl Holm bekannt. Schweriner Engagement 1852 - 1859, in Dresden 1859 - 1862, dann in Hannover 1862 - 1877, wo er wegen seiner Autobiographie entlassen wurde. Seitdem Gastspielreisen. Paul Lindau sagt von ihm in seinem Buch "Nur Erinnerungen": "Das Wesentlichste seines Spiels, das Reizvollste und Wirksamste seiner Kunst beruhte gerade in der rücksichtslosen Natürlichkeit und schlichten Echtheit. Er konnte als Künstler - und das war ein Vorzug und zugleich ein Mangel seiner Kunst - aus seiner eigensten Individualität schwer heraus. Wenn er wirklich gut spielte, spielte er immer sich selbst."
43) Geboren 16. August 1816, begann sie ihre Laufbahn am Burgtheater, wo ihr Vater Regisseur war. Schreyvogel erkannte ihr Talent und förderte sie in ihrer Kunst.
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30. Januar 1842 nach kurzer Krankheit starb. Am 17. Januar 1842 war sie zum letzten Male als Marianne in Goethes "Geschwistern" aufgetreten und hatte den Schwerinern einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen, so daß allgemeine Trauer um ihren plötzlichen Tod herrschte. Im April 1842 wurde für sie Clara Stich 44 ) gewonnen, die gleich bei ihrem ersten Auftreten als Julia das Publikum zu stürmischem Beifall hinriß. Sie verließ 1843 bereits wieder Schwerin, ihre Nachfolgerin Frl. Quandt, 1843 - 45, wird von der Kritik gelobt. 1846 - 48 fehlte eine eigentliche Kraft für tragische Rollen. Die jugendliche Liebhaberin Frl. Brock versuchte sich zuweilen darin, sonst wurden Gäste herangezogen. 1848/49 ist Frl. Schwelle zu nennen, 1849/50 Auguste Bernhard, die für tragische Rollen außergewöhnliche Begabung hatte und 1850 mit Berlin einen zehnjährigen Kontrakt abschloß. Ihre Nachfolgerin wurde Franziska Wagner 45 ), die Nichte Richard Wagners und Schwester der berühmten Johanna Wagner. Ihr Talent ragte in jenen Jahren entschieden über die sonstigen Leistungen des Hoftheaters hinaus. Als Maria Stuart, Johanna, Thekla, Klärchen, Julia, Lady Macbeth leistete sie Vortreffliches. 1853/54 wird Frl. Widmann genannt, von der nichts Näheres bekannt ist, 1854 - 56 Frl. Harke, die mit Sontag, Gliemann, Ellmenreich und Frau Parrod ein gutes Ensemble bildete.

4. An jugendlichen Liebhaberinnen sind zu nennen Frau Ellmenreich 1837 - 41, Frau Hysel 1839 - 42, Frl. Bröge 1842/43, Frl. Brock 1843 - 48, Frl. Ost 1848 - 50, Kathinka Würth 1851 - 53, die sich ganz besonderer Beliebtheit erfreute, Frl. Herting 1853/54.

5. Das Rollenfach des Bariton wurde 1836 mit Francois Parrod neu besetzt, der bis 1859 tätig war, über ein gutes Mittelmaß jedoch nicht hinausreichte. Neben ihm wurde 1854 in André ein erster Bariton gewonnen, der bis 1871 eine gute Stütze der Oper war.

6. Karoline Parrod 46 ), geb. Beutler, mit ihrem Mann zugleich engagiert, sang bis 1843 Sopranrollen, wandte sich dann,


44) Tochter der berühmten Auguste Stich-Crelinger, geboren 1820 in Berlin, wo sie 1843 engagiert wurde und 1852 in das Fach der Heldenmütter überging. Gestorben 1862.
45) 1860 - 1862 als Frau Ritter-Wagner in Schwerin für Heldenmütter engagiert.
46) Geboren 20. Juni 1819 in München. Auf Mendelsohns Anraten wurde sie für die Bühne ausgebildet und gehörte 1834/35 der Immermannschen Musterbühne in Düsseldorf an. Gestorben in Schwerin am 18. April 1855.
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da ihre Stimme für heroischen Gesang nicht ausreichte, ganz dem Schauspiel zu. Salondamen und feinere Soubretten waren ihr eigentliches Fach, in dem sie ungewöhnliche Grazie und feinen Takt zeigte. Von Laube zum Gastspiel am Burgtheater aufgefordert, erspielte sie sich mit Gliemann und Frl. Würth Engagementsanträge, die sie jedoch ausschlug.

7. Als 2. Sopranistin wurde für die Oper 1836 Frl. Gneib gewonnen, die neben Luise Schlegel bis 1843 recht Gutes leistete. Nach ihr wurde nur vorübergehend eine zweite Sängerin für die ersten Partien engagiert. Mitte der 40er Jahre war die Besetzung der Oper überhaupt recht mäßig, so daß 1846 Frl. Kern als einzige Sängerin genannt wird, 1847/48 sodann neben Frl. Limbach Frl. Kirchberger, 1850 - 52 Frau Moritz-Röckel, 1852/53 Frl. Rafter, 1854 - 56 Frl. Mayerhöfer, 1853/54 Frl. Rochlitz. 1850 - 54 ist Antonie Held als Vertreterin der Soubrettenrollen zu nennen. Dawison nannte sie "erste Hoftheatersoubrette Deutschlands".

Die Besetzung der Nebenrollen war besonders im Schauspiel verhältnismäßig gut und reichhaltig. Es waren dies meist langjährige Mitglieder, die teilweise lebenslänglich engagiert waren und den bleibenden Stamm des Personals bildeten. Dies ermöglichte einerseits ein gutes Zusammenspiel, andererseits bildeten aber gerade die lebenslänglichen Verträge ein großes Hemmnis für die pekuniäre Beweglichkeit der Leitung.

Erwähnt werden muß ferner das Ballettpersonal, das besonders in der ersten Zeit des Hoftheaters einen wesentlichen Bestandteil bildete und auf das Publikum große Anziehungskraft ausübte. 1836 gab es zunächst nur einen Tänzer und Ballettmeister Adolphe und eine Tänzerin Frl. Peroline. 1837 wurden zwei Solotänzerinnen und 6 - 8 Choristen dazu engagiert. 1837/38 gastierte die Tänzerfamilie Bernadelli aus Moskau unter dem Ballettmeister Kobler mit großem Erfolg. Auf Großherzog Paul Friedrichs Wunsch wurden Kobler und Frau Bernadelli mit ihren Kindern Charlotte, Lidie und Louis engagiert. Gelegentlich traten auch noch drei jüngere Kinder der Frau Bernadelli auf, ohne jedoch in festes Engagement zu treten. Ballettmeister Kobler wurde 1840 durch Gustav Rathgeber ersetzt, und Frau Bernadelli verließ 1841 die Bühne; es blieben Charlotte Bernadelli, spätere Frau Rathgeber, Lidie, Louis und Anton Bernadelli, sowie Frl. Fendel als fester Stamm des Balletts. Von diesen zeichnete sich Charlotte Bernadelli besonders aus. Sie wurde sogar ebenso wie Lidie und Louis B. lebenslänglich

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engagiert für verhältnismäßig sehr hohe Gage 47 ), die nur ein Extrazuschuß aus der Privatschatulle des Fürsten ermöglichte. Ein so zahlreiches Ballettpersonal konnte sich das Theater jedoch nicht lange leisten ohne Schädigung der anderen Kunstgattungen, zumal da mit dem Tode Paul Friedrichs das besondere Interesse für das Ballett fehlte. 1844 wurde daher dem Ballettmeister Rathgeber gekündigt, Anton Bernadelli war schon 1842 abgegangen. Louis Bernadelli bildete sich allmählich zum Ballettmeister heran und fand mit den von ihm inszenierten Tänzen bis 1866 viel Beifall. Die Hauptstützen blieben seine beiden Schwestern und seine Frau, früher Frl. Fendel, die noch bis 1851 tanzte. 1852 löste Charlotte Bernadelli ihren lebenslänglichen Kontrakt, während Lidie Bernadelli-Hinze noch bis 1857 blieb. Sie war später, 1872 - 76, als Ballettmeisterin für Gruppierungen und Chortänze wieder tätig.

Gäste.

Außer den vielen auf Engagement gastierenden Schauspielern und Sängern wurden während Zöllners Intendanz auch zahlreiche Künstler zu Gastspielen gewonnen. Diese ermöglichten einerseits die Aufnahme mancher bedeutenden Bühnenwerke ins Repertoire, zu denen es an den nötigen einheimischen Kräften fehlte, andererseits vermehrten sie die Einnahme beträchtlich. Das Publikum zeigte große Vorliebe für diese Gastspiele und war bei wirklich guten Leistungen sehr beifallsfreudig. Von den Gästen im Schauspiel seien hier genannt:

Der von 1819 - 37 am Berliner Schauspielhaus engagierte Georg Wilhelm Krüger trat im Januar und Februar 1836 in 10 Rollen auf, darunter am 11. Februar als Hamlet bei der ersten Aufführung dieser Tragödie.

Charlotte von Hagn, die gefeierte Berliner Schauspielerin, trat vom 14. - 29. Juni 1837 in 10 Rollen auf, u. a. als "Luise Millerin" und "Hedwig von der Gilden" im "Ball zu Ellerbrunn", nachdem sie im Sommer 1836 bei einem Gastspiel in Doberan sich


47) Der Kontrakt der Charlotte Bernadelli lautet:
vom l. März 1842 - 1850 jährlich 1500 Th.,
vom l. März 1850 - 1856 jährlich 1000 Th.,
vom 1 März 1856 - Lebensende jährl. 500 Th.,
außerdem freie Garderobe, Trikots und Schuhe, auf denen sie zweimal zu tanzen hatte, und zwei Monate Urlaub. Lidies Kontrakt lautet etwas bescheidener.
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die Zuneigung des Hofes und des Publikums im Fluge erworben hatte.

Emil Devrient, von 1831 - 68 in Dresden als erster Held engagiert, trat mit seiner Kunst am 28. Mai 1838 in der Rolle des "Marquis Posa" zum ersten Male vor das Schweriner Publikum und errang hier wie überall den größten Erfolg. Am 1. Juni trat er als "Hamlet", am 4. Juni als "Rubens" in "Rubens in Madrid" bei dessen erster Aufführung auf. Außerdem noch als "Jaromir" und "Kean".

Ebenfalls 1838, vom 21. - 26. Juni, trat Schneider als Komiker in 7 Rollen auf. Er hat sich später als langjähriger Vorleser Friedrich Wilhelms IV. und als Bearbeiter und Verfasser mehrerer Bühnenwerke einen Namen gemacht.

Vom 3. - 13. Juni 1842 gastierte in fünf Rollen die berühmte Auguste Crelinger, deren Tochter Clara Stich damals in Schwerin engagiert war. Am besten gefiel sie als "Isabella" in der "Braut von Messina", weniger als "Königin Christine" in Laubes "Monaldeschi". Im ganzen scheint sie die auf sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt zu haben.

Frau Peroni-Glasbrenner, eine der berühmtesten Tragödinnen ihrer Zeit und hochgeschätzte dramatische Lehrerin, kam im April 1847 aus Neustrelitz, wo sie engagiert war (1841 bis 1848), zu 7 Gastrollen nach Schwerin; als Gretchen im "Faust" riß sie die Schweriner zu starker Begeisterung hin.

Aus dem Jahre 1854 ist noch das Gastspiel des berühmten englischen Othellospielers Ira A1ridge bemerkenswert. Er spielte am 19. April den "Othello" bei der Erstaufführung in Schwerin, am 21. April sodann den "Shylock" und den "Negersklaven" in dem "Vorlegeschloß". Trotz der englischen Sprache errang er durch seine schauspielerischen Leistungen großen Erfolg.

Als Gäste in der Oper sind zu nennen: Eduard Mantius, von 1830 - 57 beliebter Tenor in Berlin. Er gastierte am 7. und 9. November 1837 und vom 20. - 27. April 1838 in Schwerin und sang u. a. den "George Brown" in der "Weißen Dame" von Boieldieu. Am 12. Juni 1838 errang er zusammen mit Sofie Johanna Löwe als Elwin und Amine in Bellinis "Nachtwandlerin" großen Erfolg. Zum dritten Male kam Mantius 1847 nach Schwerin und trat am 10. und 16. März als "Raoul" in den "Hugenotten" und wiederum als "George Brown" in der "Weißen Dame" auf.

Ein Ereignis von nachhaltiger Wirkung war das Gastspiel

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der "nordischen Nachtigall" Jenny Lind als "Norma" und "Amine" am 25. und 28. April 1845. Mit ihrem tiefdurchdrungenen Spiel und ihrer schönen Stimme weckte sie eine Begeisterung, wie sie im Schweriner Publikum selten beobachtet worden war.

Ähnliche Erfolge errang am 30. März und 1. April 1852 Johanna Wagner, Richard Wagners berühmte Nichte, als "Romeo" in "Capuletti und Montecchi" und als "Fides" in Meyerbeers "Prophet".

Der besonders als Wagnersänger bekannte Joseph Tichatschek gastierte am 5. und 8. Mai 1853 als "Raoul" und "Tannhäuser" und am 10. und 12. Mai 1854 als "Masaniello" und "Johann von Leyden".

Kapellmeister und Orchester.

Zur Zeit der vom Hof unterstützten Theatergesellschaften hatten Schweriner Stadtmusikanten im Theater gespielt. Ausnahmsweise waren sie durch Mitglieder der Ludwigsluster Hofkapelle verstärkt worden, die unter Massonneaus Leitung 1803 - 37 sich in der Musikwelt einen Namen gemacht hat. Sie bestand aus der sogenannten Harmonie, einem abgesonderten uniformierten Korps von 12 Mitgliedern, und den Hofkapellisten, die 1839 beide vereinigt wurden 48 ). Seit 1835 wirkten einige Kapellisten aus Ludwigslust dauernd in Schwerin mit, und seit der Gründung des Hoftheaters spielte fast die ganze Ludwigsluster Kapelle im Theater. Weil die Mitglieder in Ludwigslust alle feste Dienstwohnungen hatten, entstanden dadurch wirtschaftliche Schwierigkeiten. Diesem Übelstand wurde mit der Verlegung der Residenz und damit auch der Hofkapelle nach Schwerin abgeholfen. Seit dem September 1837 wohnten alle Hofkapellenmitglieder in Schwerin. Nach einer Verordnung von 1839 bestand die Kapelle aus einem Musikdirektor, 20 Musikern und einem Kapelldiener und bezog 1839 im ganzen 1500 Thlr. Gage. Sie hatte zunächst nur Theaterdienst, später auch Dienst im Schloß. Wenn sich eine Verstärkung vernotwendigte, wurden Hoboisten vom Gardegrenadier-Bataillon herangezogen, das ebenfalls von Ludwigslust nach Schwerin verlegt worden war. Von 1839 ab wurde die Kapelle der Hoftheaterintendantur als ihrer vorgesetzten Behörde untergeordnet. Diese hatte unter Beirat des Musikdirektors neue


48) Vgl. Clemens Meyer, Geschichte der Mecklenburg-Schweriner Hofkapelle, Schwerin 1913, S. 103 ff.
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Mitglieder zu verpflichten, die zunächst als Kapellakzessisten angestellt wurden und erst in das Verhältnis von Kapellisten übergingen, wenn sie zu den 10 ältesten Mitgliedern der Hofkapelle gehörten.

Der erste Musikdirektor war Christian Ludwig Schmidtgen 49 ), der schon seit 1831 unter Krampe dirigiert hatte. 1837 wurde er als Hofmusikdirektor angenommen, 1839 aber erst definitiv angestellt. Ende 1842 wurde er persönlicher Differenzen wegen mit 300 Thlr. Pension entlassen und ging von Schwerin nach Dresden. Als Komponist trat er am 17. April 1836 mit der Ouvertüre "Yelva" an die Öffentlichkeit, am 23. Februar 1838 mit einer Festouvertüre, am 10. August 1833 mit einem Festspiel u. a. m. Nach dem "Freimütigen Abendblatt" zu urteilen, scheint das Orchester in jenen Jahren auch vereinzelte Konzerte gegeben zu haben. Auch auswärtige Künstler wurden dazu herangezogen; so spielte u. a. der norwegische Geigenkünstler Ole Bull 1838 und 1839 in Schwerin. Im Februar 1839 soll er geäußert haben, daß er nirgends ein besseres Orchester als in Schwerin gefunden habe 50 ).

Schmidtgens Nachfolger wurde Heinrich Mühlenbruch 51 ) (1841-56). Die Meinungen über ihn lauten sehr verschieden. Leicht hat er es in seinem Amt jedenfalls nicht gehabt, denn er gehörte der Bühne in ihrer kritischsten Zeit an. Im Anfang seiner Tätigkeit belebte Luise Schlegel die Oper wesentlich, es werden auch gelegentlich die Orchesterleistungen in der Kritik lobend hervorgehoben. Mitte und Ende der 40er Jahre sank die Oper auf eine verhältnismäßig tiefe Stufe. Es fehlte an dem nötigen Personal, und der dauernde Wechsel ließ es zu keiner wirklichen Harmonie kommen. 1846 heißt es: "Ist man hier über etwas, so ist man sich darüber einig, daß zu keiner Zeit unsere Oper weniger das Prädikat "gut" verdient, als jetzt" 52 ). In derselben Kritik werden die Orchesterleistungen noch als das Beste in der Oper bezeichnet, es fehle jedoch zuweilen an der feineren Ausarbeitung, die die Sache des Musikdirektors sei. Nach den kritischen Jahren um 1850, in denen der Zuschuß wesentlich geringer war, hoben sich auch die Leistungen der Oper wieder, so daß man


49) Geboren 1796, gestorben 1. Juni 1869.
50) Freim. Abendbl. 1839 Nr. 1050.
51) Geboren 1803 in Westindien, kam 1810 nach Altona und nahm darauf in Cassel bei Spohr Unterricht. 1824-1830 als erster Violinist am Königstädter Theater in Berlin, 1832 Konzertmeister in Bremen.
52) Freim. Abendbl. 1846 S. 133.
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1852 sogar "Tannhäuser" zu spielen wagte, dem 1853 der "Fliegende Holländer" und 1854 "Lohengrin" folgten. Wenn nun diese Aufführungen auch sicherlich noch keinen allzu hohen Grad von Vollkommenheit erreichten, so ist doch ihr Zustandekommen an und für sich schon ein gutes Zeichen für die Fähigkeiten. und den Fleiß der Beteiligten. Als Opernkomponist hatte Mühlenbruch mit seiner Oper "Merope" in Februar 1846 kein sonderliches Glück. - In der Saison 1850/51 wurden zum ersten Male Orchester-Abonnements-Konzerte im Konzertsaal des Hoftheaters veranstaltet. Diese Konzerte schliefen jedoch im nächsten Jahr wieder ein und wurden erst von Alois Schmitt wieder ins Leben gerufen.

Neben dem Musikdirektor wirkte bei der Einstudierung der Oper ein Chordirigent. Von 1835-44 bekleidete dieses Amt August Fuchs, der nebenher als Schauspieler und zweiter Tenor beschäftigt wurde. Die Leistungen des Chors werden als kläglich bezeichnet. Wesentliche Fortschritte machte er unter Fuchsens Nachfolger Goltermann (1844-47), der als tüchtiger Hofpianist und Klavierlehrer bis 1890 in Schwerin wirkte. Zu wirklich künstlerischer Höhe gelangte der Chor jedoch erst unter der Leitung von Christian Julius Daniel Stocks 53 ), der seit dem 6. Juni 1843 als Hoftheaterrendant angestellt war und seit dem 6. Juli 1847 den Chor dirigierte. In beiden Ämtern wirkte er bis April 1881 in unermüdlichem Eifer. Er brachte, mit musikalischem Kunstverständnis begabt, neues Leben in die Oper. Seinem warmen Eintreten für Wagners Werke und seinem Fleiß ist es zu verdanken, daß die schwierigen Aufführungen in Schwerin zustande kamen 54 ).


53) Geboren 1802 in Schwerin, besuchte dort das Gymnasium, studierte in Berlin Jura, brach jedoch sein Studium ab und wurde seines schönen Tenors wegen 1821 in Ludwigslust zum Hof- und Kammersänger ernannt. Siedelte 1837 mit nach Schwerin über und war bis Ende der 30er Jahre Hofsänger. Auch als Komponist und Klavierlehrer war er tätig.
54) Vgl. S. 88; ferner Wagners Brief an seine Nichte vom 28. September 1852 aus Zürich, wo es u. a. heißt: "Herrn Stocks grüße bestens von mir . . . ., daß er schon für Schwerin an "Lohengrin" denkt, hat mich doch fast erschreckt; doch würde ich mich nicht imstande fühlen, ihm entgegen zu sein, sobald ich erführe, daß man in Schwerin nicht nur mit dem Vorsatz, sondern auch mit der Aufführung gänzlich aus dem gewohnten Geleise treten würde, und so z. B. an ein englisches Horn, eine Baßklarinette und ein drittes Fagott über den gewöhnlichen Orchesterstand sich nicht stieße. Dies sind nur Kleinigkeiten, aber wo sie schon Anstoß erregen, bangt mir mit Recht für das Größere . . ."
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Die Finanzen 55 ).

Die Finanzierung eines Theaters ist wohl der wichtigste, weil alles andere bedingende Faktor. Bei einem Hoftheater spielt der fürstliche Zuschuß die Hauptrolle; ohne ihn ist es überhaupt nicht denkbar, und eine Stadt wie Schwerin wäre ohne diesen Zuschuß nicht im entferntesten dazu imstande gewesen, ein stehendes Theater zu erhalten. Trotz des festen Zuschusses war es für die Intendantur schwierig, mit den Mitteln auszukommen, und es zieht sich durch die ganze Geschichte des Hoftheaters eine Klage über Geldmangel, der freilich vom Landesherrn meist durch außerordentliche Zuschüsse in freigebiger Weise gemildert wurde. Aber auch diese Quelle hatte selbstverständlich ihre Grenzen, und es mußten einerseits Konzessionen an den Geschmack des Publikums gemacht werden, um die Einnahmen zu erhöhen, andererseits mußte man auf das Engagement besonders guter Kräfte zuweilen verzichten. Bei Errichtung des Hoftheaters wurde ein fester Zuschuß von 13400 Thlr. festgesetzt, der 1838/39 bereits auf 14000, 1839/40 auf 20000 erhöht wurde und bis 1855 eine Höhe von 40000 Thlr. erreichte. Der im voraus aufgestellte und dem Ministerium vorgelegte Etat wurde fast jedes Jahr überschritten. In den ersten Jahren waren die außerordentlichen Zuschüsse besonders hoch, weil der Personenstand noch dauernd vergrößert wurde und Zöllner andererseits bemüht war, die Wünsche seines kunst- und prachtliebenden Protektors Paul Friedrich in möglichst hohem Grade zu befriedigen. Dieser ließ ihm in pekuniärer Hinsicht ziemlich freie Hand und steuerte aus seiner Privatkasse oft mit bei, wenn Engagements abgeschlossen werden sollten, die den Etat überschritten. So wurden z. B. drei Mitglieder des Ballettpersonals durch kostspielige lebenslängliche Kontrakte verpflichtet, wie denn überhaupt in den ersten Jahren ziemlich viel lebenslängliche Kontrakte 56 ) abgeschlossen wurden. Diese wurden für die Theaterkasse bald eine große Belastung, da die alternden Kräfte allmählich durch junge ersetzt werden mußten, ohne daß sie selbst vom Gagenetat verschwanden. Nach Paul Friedrichs Tod trat eine straffere Handhabung der Finanzen ein 57 ). Ein Erlaß des Ministeriums vom


55) Aus den Renterei-Rechnungen konnten die jährlichen Kosten des Theaters festgestellt werden, während Akten über die Finanzen zum größten Teil verlorengegangen sind und z. B. Gagenausgaben nur vereinzelt festgestellt werden konnten.
56) 849 waren 11 Mitglieder lebenslänglich engagiert.
57) Es hatte sich eine beträchtliche Summe von 34425 Th. als ungebucht herausgestellt, die Paul Friedrich aus eigener Schatulle zugeben wollte, weil auf seinen Wunsch ein Teil der Ausgaben fürs (  ...  )
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Mai 1843 legt es Zöllner nahe, keinerlei Schulden zu machen und keine Vorschüsse zu geben, den Etat überhaupt in keinem Gebiet zu überschreiten und bei außergewöhnlichen Ausgaben dem Ministerium vorher Mitteilung davon zu machen. Von 1844/45 ab prüfte das Ministerium auch den Gagenetat genau, während vorher keine einzelnen Angaben verlangt worden waren. Wie oft Zöllner mit der Behörde wegen Geldangelegenheiten in Konflikt geriet, ist oben bereits ausgeführt. Die Verwaltung des Rechnungswesens lag in Händen des jeweiligen Rendanten: 1836 bis 1843 Krampe, 1843-81 Stocks. Die Festsetzung der Preise geschah 1836 durch den Mitintendanten von Flotow, da Zöllner die Schweriner Verhältnisse noch nicht genügend kennen konnte. Die Preise konnten in Anbetracht des fürstlichen Zuschusses ziemlich niedrig bemessen werden. Dem ständigen Publikum kam man durch sehr ermäßigte Abonnementspreise entgegen; es gab zunächst neben einem persönlichen, nicht übertragbaren Abonnement ein unpersönliches, übertragbares, das um wenig teurer war; später wurden die Abonnements so eingerichtet, daß sich mehrere namentlich angemeldete Personen darin teilen konnten. Die Preise der Plätze waren folgende 58 ):

  1836   ab 1848   1836   ab 1848
Fremdenloge 1 Thlr.   1 Thlr. 8 Sch.   Abonnement
f. 100 Vorstell.
 
1.Rang-Loge 28 Sch.   32 Sch.   23 Thlr.   26 Thlr. 40 Sch.
Parkett 28 Sch.   28 Sch.   23 Thlr.   26 Thlr. 40 Sch.
Parkett-Loge 20 Sch.   24 Sch.   18 Thlr.   21 Thlr.
II.Parkett-Loge 20 Sch.   20 Sch.    
  Seite 16 Sch.   18 Thlr.   21 Thlr.
Parterre 16 Sch.   16 Sch.   14 Thlr.   16 Thlr. 16 Sch.
Gallerie-Loge 8 Sch.   8 Sch.    
Gallerie 4 Sch.   4 Sch.    

Die genannten Preise galten für alle Vorstellungen, auch für große Opern bis 1864. Erst in den 50er Jahren wurden bei Gastspielen berühmter Künstler erhöhte Preise verlangt. Dieser Fall trat aber nur selten ein, oft fanden Gastspiele sogar im Abonnement statt. - Von 1842/43 ab sind in den Rentereirechnungen die Einnahmen der Theaterkasse aufgeführt. Diese schwanken zwischen 14- und 24000 Thlr. und erreichten damit in manchen Jahren kaum den dritten Teil der Gesamtkosten. 1848/49 standen z. B.


(  ...  ) Theater geheim bleiben sollte. Die Summe wurde von Friedrich Franz II. unter weiterer Geheimhaltung bezahlt.
58) Preise bei Krampe im alten Schauspielhaus: Loge 24 Sch.,
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den 23431 Thlr. Einnahmen 82092 Thlr. Ausgaben gegenüber, 1843/44 14466 Thlr. gegen 62080 Thlr., 1848/49 war überhaupt ein ungünstiges Theaterjahr, infolge häufigen Wechsels im Personal und Einschränkungen 59 ) aller Art vermochte das Theater nicht die genügende Anziehungskraft auszuüben, zumal da das Interesse des Publikums durch die politischen Ereignisse sehr in Anspruch genommen war. Über die Gagenausgaben liegen leider keine vollständigen Belege vor, nur für die Jahre 1843-48 hat sich folgende Tabelle aufstellen lassen:

Gage für Schau-
spiel und Oper:
Gage für
Ballett:
Gesamtausgaben
fürs Theater:
1843/44 29 003 Thlr. 3350 Thlr. 62 080 Thlr.
1844/45 29 144 Thlr. 3400 Thlr. 64 658 Thlr.
1845/46 30 251 Thlr. 3400 Thlr. 66 316 Thlr.
1846/47 30 974 Thlr. 3500 Thlr. 67 705 Thlr.
1847/48 30 993 Thlr. 3500 Thlr. 68 183 Thlr.

Die Gagen machten etwa die Hälfte der Gesamtkosten aus.

Die Bezahlung der Orchestermitglieder ist hierin jedoch nicht mit einbegriffen. Das Orchester wurde, da es zugleich Hofkapelle war, aus der Großherzoglichen Zentralkasse besoldet, erst seit 1857 auch aus der Hoftheaterkasse. 1838/39 belaufen sich die Kosten der Kapelle auf 12 164 Thlr., 1847/48 auf 142 02 Thlr.

Publikum.

In einer kleinen Stadt wie Schwerin 60 ) mußte das Theaterpublikum immer das gleiche sein, was eine reiche Abwechslung im Repertoire notwendig machte. Im Geschmack waren der Hof und die Hofgesellschaft durchaus maßgebend, und nur selten zeigte das bürgerliche Publikum eine eigene Meinung. Das Theater wurde als ein von fürstlicher Gunst abhängiges Institut mit der gebührenden Achtung betrachtet, demnach benahm sich das Publikum meist auch sehr zurückhaltend während der Vorstellungen und legte seine Abneigung gegen irgendwelche Stücke nur durch Nichterscheinen an den Tag. Laut geäußertes Mißfallen war eine seltene Erscheinung, und wenn es 1843 bei einer Aufführung von Aubers Oper "Der Herzog von Olonne" dennoch geschah, so war es der moralische Gehalt des Stückes vor allen Dingen, der den Tadel herausforderte. Lebhafter äußerten sich im allgemeinen die


59) Der Chor wurde von 36 auf 24 Mitglieder verringert und die Gagen der Solokräfte herabgesetzt.
60) In den Jahren 1836-1855 zählte Schwerin etwa 20 - 30000 Einwohner.
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Beifallsbezeugungen, obgleich auch hierin selbst die Galeriebesucher meist ein gebührendes Maß bewahrten. Gute Leistungen wurden durch Hervorruf der betreffenden Darsteller ausgezeichnet. Beim Scheiden beliebter Mitglieder aus Schwerin äußerte sich die Anhänglichkeit und Verehrung des Publikums in reichen Blumenspenden und begeisterten Nachrufen. 1846 urteilt ein Schweriner selbst über das Publikum folgendermaßen: "Offenbar gehört unser Schweriner Publikum seinem größten Teil nach zu denjenigen, die den Wert eines Stückes nach dem Grade der Unterhaltung abmessen, ein Publikum, wie es die Birch-Pfeiffer, Halm u. a. nicht besser wünschen können 61 ). Aber wo wäre es damals wohl anders gewesen. Das Schweriner Publikum nahm hierin keineswegs eine Sonderstellung ein. Es war, wenn auch nicht gerade sehr kritisch dem Mittelmäßigen gegenüber, so doch für alles Gute recht empfänglich.

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61) Freim. Abendbl. 1846 S. 1050.
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IV.

Die Burgstraße
(heutige Schloßstraße) und der
Burggraben in Schwerin gegen
Ende des 18. Jahrhunderts

von

Archivdirektor Dr. Stuhr.

 

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Unter den 1920 an das Archiv abgegebenen Akten des früheren Hofmarschallamts hat sich eine sehr beachtenswerte Zeichnung mit der Überschrift "Grundriß und Profil der Burgstraße in der herzogl. Residenz-Stadt Suerin" gefunden. Sie wurde im Jahre 1778, als man das Pflaster dieser Straße senken und ausgleichen wollte, von dem Ingenieur C. Bentschneider angefertigt. Oben sind die Häuser der nordöstlichen Straßenseite von dem heute Lentheschen Haus bis zum Alten Garten zierlich und sauber im Aufriß gezeichnet; unten ist ein genauer Situationsplan für beide Straßenseiten mit einer Liste der Hausbesitzer beigefügt. Von den Bauten auf der südwestlichen Straßenseite sind uns manche aus alten Abbildungen 1 ) wohlbekannt, so die alte Kanzlei (22), die herzogliche Wagenremise (21), die drei ganz massiv gebauten sogen. FF-Häuser, das Kommandantenhaus (20), das Haus des Kammerherrn v. Both (19) und das Hofgericht (18), andere, so die Häuser des Hofrats Mithoff (17), des Apothekers Klockmann (15) und des Hofrats Evers (14), sind noch heute vorhanden. Dagegen konnte man sich bisher keine Vorstellung davon machen, wie die Häuser auf der Seite des Nordischen Hofs gegen Ende des 18. Jahrhunderts aussahen. Deshalb gewinnt die kleine Bentschneidersche Zeichnung für die Lokalforscher eine Bedeutung, die ihr ursprünglich sicher nicht zukam.

Wie schlicht und kleinbürgerlich mutete doch die Burgstraße, die heutige Schloßstraße, noch 1778 an. Einfache, zweistöckige Häuser, teils mit der Langseite, teils mit der Giebelseite der Straße zugekehrt, die drei größeren von recht gefälligen Formen. Ganz links das Haus des Dr. Gronow (1) ist in dem Hause des Hofgraveurs Lenthe unschwer wiederzuerkennen, wenn die Zeichnung auch irrtümlich 4 Fenster statt der 3, die das Haus nach den Balkenstellungen von je her nur gehabt haben kann,


1) Jesse, Gesch. d. Stadt Schwerin I, S. 152, 155, 264.
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angibt. Das ist aber auch der einzige Bau, der unverändert aus jener Zeit erhalten ist. Es folgt das Haus des Bäckers Gronow (2), später in das Cohnsche Haus mit dem Eingang von der Königstraße aufgegangen. Die Königstraße mündete 1778 noch schmal und rechtwinkelig in die Burgstraße; erst beim Neubau des Krefftschen Hauses ist die rechte Häuserfront zurückgezogen, so daß ein dreieckiger Platz entstanden ist. An der Ecke der Königstraße lag das Haus der Konditorwitwe Hering (3) mit dazugehörigem eingefriedigtem Hofplatz. Es ging 1780 auf den Regierungsrat v. Rantzau, 1786 auf den Hofmedikus Dr. Gronow über und wurde 1793 von dem Hofkonditor Krefft angekauft und so seiner alten lieblichen Bestimmung wieder zugeführt. An Stelle des Heringschen Hauses und des später mit einem geschmacklosen dreistöckigen Hause von 4 Fenster Breite bebauten Hofplatzes ist 1908-09 der prächtige Krefftsche Neubau entstanden. Das Haus des Hofkommissärs Wittkop (4), worin eine Gastwirtschaft betrieben wurde, steht ebenfalls nicht mehr; dort ist später das jetzige Wolffsche Haus erbaut. Es schließen sich an die Häuser des Hofsattlers Heintz (5), des Hofrats Kossel mit Ein- und Ausfahrt (6) und der Witwe Bringmann (7), welche die Vorgänger des heutigen Nordischen Hofs sind. Das Gebäude der alten Mecklenburgischen Post (8) nahm die Ecke des Haushaltsgebäudes an der Ritterstraße ein. Mit dem Hause des Registrators Müller (9) an der andern Ecke der Ritterstraße schloß 1778 die Burgstraße auf jener Straßenseite ab. Die Häuser des Mundkochs Pobertz (10) und der Witwe Müller (11) hatten ihre Front zur Armensünderstraße hin, die sich hinter dem Ballhaus hinzog. Der Durchgang unter dem Alten Palais ist noch heute ein Rest davon.

Vor dem Kosselschen Hause und dem Posthause befanden sich noch Galerien, d. h. erhöhte eingefriedigte Vorplätze, die später als verkehrstörend empfunden wurden und allmählich weggeräumt sind. Heute finden sich Galerien nur noch auf dem Schelfmarkt; sie sind dort in kleine Vorgärten umgewandelt. Die runden und rechteckigen Flecke vor den Häusern 3 und 6-8, im Original grün angelegt, stellen keine Blumenbalkons, sondern Linden dar, bei denen der Zeichner nur vergessen hat, die Baumstämme einzutragen. Kossel schrieb 1779 einmal, daß er die Linden vor seinem Hause zum Schutze gegen die Mittagssonne fächerförmig gezogen habe.

Durch geschmackvolle Formen zeichnete sich vor allem das 1775 erbaute, bisher ganz unbekannte Haus (8) der Mecklenburgischen Post aus, in dem damals der Postdirektor Hennemann

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d. ä. 2 ) seines Amtes waltete. Dieser hatte schon 1769 auf die schlechte Beschaffenheit des bisherigen Posthauses hingewiesen und dann 1774 eine Untersuchung durch Sachverständige erreicht. Man stellte nun starke Versackung des Hauses fest, die darauf zurückzuführen war, daß die Sohlen der Scherwände und die Unterlagen der Fußböden vermodert waren. So entschloß sich der Herzog zum Neubau. Den Riß fertigte der Hofbaumeister Busch an, nachdem sich Bauhandwerker zuvor daran erfolglos versucht hatten. Als man im April 1775 schon beim Bau war, kam das Hofmarschallamt mit dem Antrag, das neue Haus zur Unterbringung von Gesandten, apanagierten Prinzen und deren Kavalieren zu verwenden. Ein solches Haus in der Stadt sei sehr nötig, da die Wirtshäuser sehr schlecht seien. Durch die bevorstehende Vermählung des Prinzen Friedrich Franz 3 ) werde das Schloß noch, mehr beengt, so daß eigentlich zur Logierung fremder Herrschaften nur die sogen. französischen Zimmer übrig blieben. Die Post könne sehr gut im Kommandantenhause unterkommen, worin sich eine geräumige Diele zur Aufbewahrung der Postsachen befinde, und der Kommandant würde sich nicht verschlechtern, wenn er in dem vormaligen Prinzenhause eine Wohnung bekäme. Die Regierung unterstützte den Vorschlag, aber der Herzog lehnte ab, weil er die Kosten für eine anständige innere Einrichtung des Hauses zu einem Kavalierhause scheute. So konnte denn die Postverwaltung, die ihren Betrieb während der Bauzeit von Michaelis 1774 an auf ein Jahr in das von ihr gemietete Hinterhaus des Sekretärs Mithoff verlegt hatte, zu Michaelis 1775 ihr neues Heim beziehen. Sie blieb dort bis 1849 und bezog dann ein neues größeres Gebäude an der heutigen Kaiser-Wilhelm-Straße, das der Vorgänger der gegenwärtigen Post ist.

Der Alte Garten hatte zur Zeit des Herzogs Friedrich einen wenig erfreulichen Abschluß. Hofmarschallamtsgebiet und Stadtgebiet waren voneinander durch den Burgkanal geschieden, einen ursprünglich 17-18 Fuß breiten, mit Quadersteinen ausgesetzten Graben, der früher schiffbar gewesen und den Verkehr von Holzschiffen zwischen Burg- und Großem See ermöglicht hatte, aber sich nun in völligem Verfall befand. 1763 bestellte der Herzog


2) Christoph Michael Hennemann, Postschreiber 1745, Postsekretär 1749, mit Exspektanz auf die Postmeisterstelle in Schwerin 1762, Postmeister 1764, Postdirektor mit dem Range eines wirkl. Hofrats 1770, † 1780. Ihm folgte als Postdirektor sein Sohn Advokat Christian Ulrich Ludwig Hennemann, † 1806, nach dem Urteil der Kammer einer der fähigsten damaligen herzoglichen Bedienten.
3) Vermählt 31. Mai 1775 mit Luise von Sachsen-Gotha-Roda.
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eine Kommission, diesen sogen. Faulen Graben zu besichtigen und über seinen Zustand zu berichten. Sie ließ zweckmäßig zunächst einen Plan 4 ) von dem Landmesser Schumacher entwerfen, der 1764 fertig ward. Vom Burgsee bis zur Justizkanzlei war nur noch eine schmale Rinne vom Kanal vorhanden, das übrige war ausgefüllt und diente seit vielen Jahren als Garten und Schießstand. Vor der Burgstraße war der Kanal noch 9 Fuß breit; dort führte eine Brücke hinüber, die in der Bentschneiderschen Zeichnung schon nicht mehr angegeben ist. Am schlimmsten sah die Strecke hinter der Armensünderstraße aus, wo der Kanal nur 1 1/2-2 Fuß breit und an einer Stelle schon ganz verschwunden war. Dort hatten die Anwohner ihn größtenteils zu ihren Hof- und Gartenplätzen gezogen, mit Ställen und anderen Nebengebäuden bebaut und viel Unrat hineingeworfen. Der Quergraben zum Großen See war wieder etwa 9 Fuß breit. Daß hier Abhülfe geschaffen werden mußte, lag auf der Hand; aber erst 1771 kam es zu Verhandlungen des Hofmarschallamts und Magistrats mit den Hausbesitzern der Armensünderstraße. Diese versuchten, die Rechte, die sie sich angemaßt hatten, zu behaupten. Aber die noch in der Erde steckenden Quadersteine zeigten nur zu deutlich an, wo der Kanal verlaufen war und also der Alte Garten seine Grenze hatte. So mußten sich denn die Anwohner dazu bequemen, die Plätze hinter ihren Häusern aufzuräumen, während die Ausfüllung und Planierung des Kanals von dem Hofmarschallamt und dem Magistrat übernommen wurde. Die wertvollen Quadersteine wurden 1773-78 ausgebrochen und zum Teil in Ludwigslust verwandt. Seitdem geht das Stadtgebiet unmerklich in das Gebiet der Burgfreiheit über.

Im Zusammenhang mit diesen Arbeiten stand nun ein Antrag des Kammerherrn v. Both von 1778 auf Senkung und Regulierung der Burgstraße. Er schilderte seine Not mit eindringlichen Worten. Sein Haus sei durch eine vor etwa 20 Jahren vorgenommene Erhöhung der Gasse so vergraben, daß man auf Stufen zur Diele herabsteigen müsse, und daß die Fenster in Höhe der Straße lägen. Die Gelegenheit zu einer Abhülfe sei günstig, da mit der abgetragenen Erde der Burggraben zugeworfen werden könne. Der Herzog entsprach dem Gesuch und übertrug Bentschneider die Ausführung der Arbeiten. Am 9. September 1778 standen die Regulierungsarbeiten kurz vor dem Abschluß, und es hieß damals, daß das Gefälle gut getroffen und die Gasse auch bei stärkstem Regen viel reinlicher sei als vorher. Trotzdem fand die Straßenregu-


4) Jesse I, 155
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Grundriß und Profil der Burgstrasse in der Herzogl. Residenz-Stadt Suerin (1778)
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lierung, die den heutigen Zustand begründet haben wird, nicht den ungeteilten Beifall der Anwohner. Besonders heftig widersetzte sich der Hofrat Kossel. Er sah in allem nur eine Begünstigung des Kammerherrn v. Both. Das Straßenpflaster sei nach seinem Hause hin abschüssig angelegt. Der Rinnstein sei ganz nahe an seine Galerie gerückt. Zwei seiner schönen Linden seien schon ausgegangen und andere würden folgen. In eine Senkung der Stufen vor seiner Tür wollte er nicht willigen und nur der Gewalt weichen. Die Gasse, früher eine der schönsten, sei jetzt die unflätigste in ganz Schwerin. Aber er hatte wohl Unrecht. Die gute Absicht des Herzogs, die bisher nur schmale Hauptstraße möglichst breit und ansehnlich zu machen, wird allmählich anerkannt sein. Die Kosselschen Türstufen wurden erst Ende 1779 auf Kosten der Regierung ergänzt, nachdem er über ein Jahr den ziemlich lebensgefährlichen Zustand seines Eingangs ertragen hatte.

In der Gegend, wo jetzt das Alte Palais steht, sprangen in den 60er und 70er Jahren des 18. Jahrhunderts die Häuser des Postverwalters Prosch, des Kaufmanns Ferdinand Berber und ein Anbau der Wegnerschen Schule in die Burgstraße vor. Sie hinderten den freien Blick von der Schloßbrücke bis in die Gegend des sogen. katholischen Hofes und wurden daher 1776-1778 vom Hofmarschallamt teils durch Kauf, teils durch Umtausch erworben und abgerissen. Als Bentschneider 1778 seinen Plan anfertigte, waren sie schon fortgeräumt, so daß nur die Häuser des Mundkochs Pobertz (10) und der Witwe Müller (11) an der Armensünderstraße auf diesem Plan sichtbar sind. Aber auch diese Häuser gewährten noch keinen erfreulichen Anblick für die Schloßbewohner. So beförderte man denn gern den Plan des Oberamtmanns Dr. Hertzberg, zwischen Armensünderstraße und Altem Garten ein ansehnliches neues Gebäude aufzuführen. Im Herbst 1790 kaufte Hertzberg die kleinen Häuser des Gastwirts Heuckendorff (Häuserregister Nr. 402 a), des Hofmarschallamts (Nr. 404) und des Chirurgen Roth zu Reval (Nr. 402 b) an und erbaute dort, jedenfalls 1791, ein großes Wohngebäude in Fachwerk 5 ), das, abgesehen von den beiden Fenstern über dem Durchgang zur Armensünderstraße, gleichmäßig je neun Fenster Front und je ein Frontispiz von drei Fenster Breite nach der Burgstraße und nach dem Alten Garten hatte. Hertzberg behielt das Haus nur bis 1798 und verkaufte es dann an den Advokaten, späteren Hofrat Kühm.

Die für die damaligen Verhältnisse augenscheinlich besonders bequeme Einrichtung des Hauses und seine günstige Lage erweckten


5) Treffliche Abbildung bei Jesse II, S. 395.
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nun in dem Erbprinzen Friedrich Ludwig den Wunsch, das Haus für sich zu erwerben. Nachdem der Oberschenk Frhr. v. Förstner zunächst die Bereitwilligkeit des Kühm zum Verkauf erkundet und sich über den Preis und die sonstigen Bedingungen unterrichtet hatte, wurde am 10. November 1801 der Kaufvertrag zwischen dem Hofmarschall v. Mecklenburg als Bevollmächtigten des Erbprinzen und Kühm abgeschlossen. Mitverkauft wurden eine Anzahl Möbel und ein kleines Nebenhaus (Nr. 401 b) an der Armensünderstraße, das Kühm 1801 von der Frau Leutnant Romanus gekauft hatte, und das vorher dem Hofzeichner Krüger gehörte. Der Kaufpreis betrug insgesamt 21200 Tlr.

Die Ausstattung des Palais wurde in größter Eile von der Hamburger Firma Masson und Ramée ausgeführt und, nachdem man die letzten Nächte durchgearbeitet hatte, am 11. Januar 1802 vollendet. Der Erbprinz brachte den Fortschritten der Arbeit das größte Interesse entgegen, wie 16 bei den Akten befindliche Briefe bezeugen. Schon am Sonntag, 10. Januar, kam er aus Ludwigslust herüber und wohnte die erste Nacht noch im Schloß. Am nächsten Tag folgte seine Gemahlin nach. Das Haus wurde am 13. Januar mit einer (nachträglichen) Geburtstagsfeier zu Ehren der Erbprinzessin Helene Paulowna (geb. 13. Dezember) eingeweiht. Daran schlossen sich am 14. Januar ein großer Ball und am 15. Januar eine Maskerade.

Ein Jahr vor dem Tode des Erbgroßherzogs Friedrich Ludwig, im Jahre 1818, wurde das Palais an der Alten-Garten-Seite nach einem Anschlage des Hofbauinspektors Barca noch um 29 Fuß verlängert, wodurch es vier weitere Fenster und noch ein Frontispiz, von zwei Fenstern, erhielt. Eine jetzt nicht mehr vorhandene Nebentür führte da hinein, wo jetzt das fünfte Fenster von rechts ist. Man erkennt die Stelle noch daran, daß dort in der Flucht ein Kellerfenster fehlt.

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V.

Die geschichtliche und landeskundliche Literatur Mecklenburgs 1922/1923

von

Archivdirektor Dr. Stuhr.

 

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Karten.

  1. Karte v. d. Rostocker Heide. Verm. 1906-1911 v. J. Bühring u. M. Garthe. Gedr. 1915. 4 Bl. Maßstab 1:10000.

Quellen.

  1. Lemcke (Hugo), Liber beneficiorum domus Corone Marie prope Rugenwold 1406-1528. (Quellen zur Pomm. Gesch, Bd. V). Stettin (Saunier) 1919. XXXIV u. 255 S. 4°. - Betr. auch Meckl.

Vorgeschichte.

  1. Beltz, Rethra: M. Ztg. 24. März 1923 (Nr. 70). M. Nachr. u. M. Wirtsch.-Ztg. 25. März 1923 (Nr. 70, 71).
  2. Karbe (W.), Wo lag Rethra: Landes-Ztg. 28. u. 31. Okt. 1922 (Nr. 253 u. 255). - Erwiderung darauf von Ernst Oesten: ebda. 7. Nov. 1922 (Nr. 261).
  3. Becker, Die Auffindung Rethras: Rost Anz. 2. Febr. 1923 (Nr. 27).
  4. (Strecker, Werner), Rethra: M. Ztg. 21. April 1923 (Nr. 92). M. Nachr. 12. Mai 1923 (Nr. 107).
  5. Beltz (Robert), Die bronzezeitlichen Dosen und Becken aus Mecklb.: Praehist. Zeitschr. XIII. u. XIV. Bd. (1922), S. 98-127.
  6. Neue vorgeschichtl. Funde im Landesmuseum [von 1922]: M. Ztg. 28. Aug. 1922 (Nr. 200).
  7. Beltz u. Karbe (W.), Ausgrabung einer vorgeschichtl. Wohnanlage auf d. Cavalierberge bei Schönberg: Mitt. f. d. Fürst. Ratzeburg 5. Jahrg. (1923), S. 20-24.

Geschichte.

  1. Zu Schmeidler (Bernhard), Hamburg-Bremen und Nordost-Europa vom 9.-11. Jahrh. 1918.
    Bespr. v. F. Curschmann in Pomm. Jahrb. 21. Bd. (1921), S. 109-110.
  2. Zu Hampe (K.), Der Zug nach dem Osten. 1921.
    Bespr. von F. Curschmann in Pomm. Jahrb. 21. Bd. (1921), S. 110-111.
  3. Zu Vitense (Otto), Gesch. von Mecklb. 1920.
    Bespr. von F. Curschmann in Pomm. Jahrb. 21. Bd. (1921), S. 112.
  4. Thies, Mecklb. im Wandel der Jahrtausende: Heimatkal. f. d. Fürst. Ratzeburg 1923.
  5. Techen (Friedrich), Die deutsche Brücke zu Bergen (Hans. Volkshefte 1). Bremen (Winter) [1922]. 47 S. 8°.
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  1. Techen (Friedrich), Die blaue Flagge. Störtebeker, Klaus Kniphof, Marten Pechelyn (Hans. Volkshefte 2). Bremen (Winter) [1922]. 39 S. 8°.
  2. Kretzschmar (Joh.), Der Heilbronner Bund [unter Schwedens Führung], 1632-1635. 3 Bd.: XXIII u. 486 S., 626 S., 503 S. Lübeck (Rahtgens). - Betr. auch Mecklb.
  3. Jacobs (Rudolf), Das Amt Neukloster in der Schwedenzeit (1648 bis 1803). Rost. Diss. (Auszug). Rostock (Winterberg) 1921. 4 S. 8°.
  4. Tuxen u. With-Seidelin: Erobringen af Sverigs tyske Provinser 1715-1716. København (Gyldendalske Boghandel) 1922. 347 S. 8°. - S. 241ff.: Wismars Eroberung.
  5. Asch (Rudolf), Mecklenburgs ausw. Politik, insbes. s. Beziehungen zu Preußen vom Reichskriege gegen Frankreich (1792) bis Jena (1806). Rost. Diss. (Auszug). Rostock (Winterberg) 1922. 2 S.
  6. Decker (Wilhelm), d. Napol. Kontinentalsperre u. ihre Wirkungen in Rostock. Rost. Diss. (Auszug). Rostock 1922. 2 S. 8°.
  7. Pagel (Karl), Mecklb. und die deutsche Frage 1866-1870/71. Rost. Diss. (Auszug). Rostock (Winterberg) 1922. 4 S. 8°.

Fürstenhaus.

  1. Bailleu (Paul), Königin Luise. 2. Aufl. Berlin (Hafen-Verlag) 1923. IV u. 341 S. 8°.
  2. Die letzten Lebenstage der Großh. Marie von M.-Schwerin. Ein Gedenkbl. des M. Roten Kreuzes. Schwerin (Bärensprung) 1922. 8 S. 8°.
  3. Großherzogin Marie †: M. Christl. Hauskal. 1923, S. 41-44.
  4. Kempski, Mit Herzog Adolf Friedrich v. M. auf Java: M. Nachr. u. M. Ztg. 26. Juni 1923 (Nr. 144, 146).

Familien- und Personengeschichte.

  1. Deutsches Geschlechterbuch (geneal. Handb. Bürg. Fam.) 37. Bd. (1922). Görlitz (Starke). M. Fam. Schwartz; 40. (Pomm.) Bd. (1923): M. Fam. Fließbach u. Holtz.
  2. Danmarks Adels Aarbog. Kjøenhavn (Tryde). Jahrg. 1920. 1921. - Darin zahlr. m. Fam.
  3. Krause (L.), Verzeichnis des m. eingeborenen, agnoszierten u. rezipierten Adels. Bützow (Keuer) [1920]. 41 S. 8°.
  4. Witte (Hans), Erforschung der Germanisation des Ostens u. Familienforschung: Fam.-Gesch.-Bl. 20. Jahrg. (1922), Sp. 199-204. - mecklb. Fam. Glode, Karock, Kaske, Krouwel, Kummeldur, Paris, Prutze, Pultehr, Swen, Tidebole, Vrancke, Vrobose, Wrancke in frühester urk. Nennung u. Ausbreitung.
  5. Brücknerscher Fam.-Verband. Neubrandenburg (Feller). Vier Berichte (1914-21). 8°. - auch über die Fam. Blanck, Böhm, Boll, Crumbiegel, Devers, Friderich, Graff, Hasenöhrl, Hoppenrath, Jahn, Krüger, Milarch, Reinhold, Runge, Schultz, Warncke.
  6. Techen (F.), Zum 100. Geburtstage Dr. Friedrich Crulls: Wism. Ztg. 19. Okt. 1922 (Nr. 244).
  7. Hesse (H.), Der Pietist Fidler [Sup. in Doberan]: M. Ztg. 29. Okt. 1922 (Nr. 44).
  8. Gesch. d. Fam. von Knuth in M., II. 1751-1901. Schwerin (Herberger) 1915. 126 S. 4°.
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  1. (Techen, F.), Justizrat Lembcke † [am 31. Mai 1923 zu Wismar]: Wism. Ztg. 3. Juni 1923 (Nr. 125).
  2. v. Levetzow (Joachim), von Levetzowsche Familienblätter. Heft 10. Eutin (Struve) 1922. S. 87-104. Gr. 8°.
  3. D. Th. Lindemann: M. Kirchen- u. Zeitbl. 50. Jahrg. Nr. 31, S. 490-493.
  4. Zu Schmidt (Berthold), Gesch. d. Geschlechts v. Maltzan u. v. Maltzahn. II, 3. Schleiz (Weber) 1920.
    Bespr. von K. v. Brunn gen. v. Kauffungen im Herold 54, S. 6-7.
  5. Bohn (H.), Fritz Reuter u. Masch. Noch 2 Geschichten von Pastor Masch: Mitt. f. d. Fürst. Ratzeburg 5. Jahrg. (1923), S. 9-10.
  6. Moltkes Briefe. Ausgew. u. eingel. v. W. Andreas. Leipzig (Bibl. Inst.) 1922. 2 Bde. 31* u. 427 S.; 519 S. 8°.
  7. Helmuth v. Moltke, Generaloberst, Erinn., Briefe, Dok. 1877 bis 1916. Hrgb. v. Eliza v. Moltke. Stuttgart (A.-G. Der kommende Tag). 1922. XV u. 456 S. Gr. 8°.
    Bespr. von Friedrich Immanuel im Lit. Zentr.-Bl. 74. Jahrg. (1923), Sp. 53-54.
  8. Winkel (Fr.), Justizrat Carl v. Oertzen: Mitt. f. d. Fürst. Ratzeburg 4. Jahrg. Nr. 4, S. 5-10
  9. Nachr.-Bl. d. Fam. von Presentin bzw. von Pressentin gen. von Rautter. Nr. 7 u. 8 (1923). 8 u. 6 S. 4°.
  10. Rahtgens (Paul), Die Fam. Rahtgens in den letzten beiden Jahrh. Lübeck 1922. 36 S.
  11. Hopf (W.), Fritz Reuter (1810-1874): Quellen u. Darst. z. Gesch. d. Burschenschaft VII. Bd. Heidelberg (Winter) 1921.
  12. Conrad (Georg), Gesch. d. Fam. Rose u. d. Adelsfam. von Rose. 2 Bde. Görlitz (Starke) 1922 und 1917. XXI und 483, VII und 280 S. Gr. 8°.
  13. Virchow (Hans), Zum 100jähr. Geburtstage Heinrich Schliemanns: Zeitschr. f. Ethn. 54. Jahrg. (1922), S. 143-148.
  14. Schwartzkopf (Kurt), Die Fam. Schwartzkopf während der letzten drei Jahrh. Berlin 1921. 52 S.
  15. Spalding (Erwin), 8 Stammtafeln d. Fam. Spalding aus Schottland. Berlin 1922.
  16. Zu Stolterfoht (H. G.). Nachr. ü. d. Fam. Stolterfoht (Stolterfoth). Lübeck 1921 [nicht 1920].
    Bespr. v. Georg Fink in Zeitschr. f. Lüb. Gesch. XXI. Bd., S. 281-282.
  17. Ebel (K.). Fünf Briefe von Johann Heinrich und Ernestine Voß an Heinrich Boie: Euphorion 24. Bd., 1. Heft (1922).

Landeskunde.

  1. Geinitz (Eugen), Geologie Mecklenburgs mit geolog. Übersichtsk. v. M. I. Teil: Diluvium u. Alluvium (Quartär). 200 S. II. Teil: Das ältere Gebirge. 168 S. Rostock (Hinstorff) 1922. Gr. 8°.
  2. Mielert (Fritz), Du schönes Niedersachsen. Teil II: Lübeck, Mecklenburg, Lauenburg, Vorpommern mit Rügen, Usedom u. Wollin. Bremen (Schünemann u. Holzwarth) 1922. 124 S. Gr. 8°.
    Bespr. von Hans Balzer in "Die schöne Lit." 24. Jahrg., S. 154.
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  1. Richter (Hermann), Durch deutsches Neuland. Leipzig (Weicher) 1922. VII u. 129 S. 8°. - Fahrten in d. Städte u. auf d. Güter Mecklbs.
  2. Papenhusen (Friedrich), Beitr. z. Landeskunde d. südwestl. M. Rost. Diss. (Auszug). Rostock (Winterberg) 1922. 4 S. 8°.
  3. Moll (Heinrich), Erdmagnetische Messungen der Gegend von Rostock-Warnemünde. Rost. Diss. (Auszug). Rostock 1922. 2 S. 8°.
  4. Eckermann (Walther), Die Siedlungen des nordöstl. Mecklb. Eine geographische Studie. Rost. Diss. (Auszug). Rostock (Winterberg) 1922. 3 S. 8°. - Rund- und Straßendorf
  5. Funke (Albert), Vogelschutz und Elektrizität: Zeitschr. Mecklb. 17. Jahrg. (1922), S.41-43.
  6. Hagen (Werner), Der Zwergfliegenschnäpper (Muscicapa parva Bchst.) bei Schönberg: Mitt. f. d. Fürst. Ratzeburg 5. Jahrg. (1923), S. 30.
  7. Wiese (Fritz), Die Nadelhölzer M.-Schwerins. Rost. Diss. (Auszug). Rostock (Winterberg) 1922. 3 S. 8°.
  8. Krause (L.), Das Müritzer Moor: Rost. Anz. 16. Juli 1922 (Nr. 164).
  9. Krause (Ernst H. L.), Rostocker Moosflora. Verzeichn. der bis 1920 aus d. Nordostecke M.'s bis Bukspitze, Warnow, Güstrow, Sülze bekannt gew. Moosarten. Mit 2 Nachtr. für 1921 u. 1922. Rostock (Hinstorf) 1921-22. 22 S. 8°.

Kulturgeschichte und Volkskunde.

  1. Bilder aus d. Volksleben d. Ratzeburger Landes. Bd. 2. Hrsg. vom Heimatbund f. d. Fürstent. Ratz. Schönberg (Hempel) 1922. 152 S. 8°.
  2. Krause (L.), Die alte m. rote Landtagsuniform: Zeitschr. Mecklenburg 17. Jahrg. (1922), S. 34-39.
  3. Wossidlo (R.), Heilige Berge in M.: Zeitschr. Mecklb. 18. Jahrg., S. 18-22.
  4. Cammin (Friedrich), Der m. Haken: Jahrb. f. niederd. Sprachf. 48 (1922), S. 36-38.
  5. Buddin (Fr.), Altratzeburgische Brautkronen: Heimatkal. f. d. Fürst. Ratzeburg 1923.

Wirtschaftsgeschichte.
(Landwirtschaft, Gewerbe, Verkehrswege.)

  1. Nölting (Hans), Die Struktur d. Landwirtschaft in M.-Schwerin. Rost. Diss. (Auszug). Rostock (Winterberg) 1923. 3 S. 8°.
  2. Rörig (Fritz), Hoheits- u. Fischereirechte in der Lübecker Bucht, insbes. auf d. Travemünder Reede u. in d. Niendorfer Wiek: Zeitschr. f. Lüb. Gesch. XXII, Heft 1, S. 1-64.
  3. Haese (Werner), Die Leistungen des landw. Groß-, Mittel- u. Kleinbetriebes für die Kriegswirtschaft im Kommunalverband Rostock. Rost. Diss. (Auszug). Rostock (Winterberg) 1923. 2 S. 8°.
  4. Strauch (Carl Maria), Kleingewerbliche Einkaufsgenossenschaften unter bes. Berücks. der m. Verhältnisse. Rost. Diss. (Auszug). Rostock (Winterberg) 1922. 2 S. 8°.
  5. Wagner (Friedrich), Die Entwickelung des Straßenwesens in M.-Schwerin in verkehrswirtschaftl. Betrachtung. Rost. Diss. (Auszug). Rostock (Winterberg) 1922. 4 S. 8°.
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  1. Endler, Der Postverkehr d. Regierung zwischen Ratzeburg u. Strelitz von 1701 bis 1867: Mitt. f. d. Fürst. Ratzeburg 5. Jahrg. (1923), S. 24-26.
  2. Krüger (H.), Zur Gesch. d. Postwesens im Lande Ratzeburg: Mitt. f. d. Fürst. Ratz. 5. Jahrg. (1923), S. 3-9.
  3. Lommatzsch (Johanna), Die Hauptverkehrswege (Schnellzugslinien) des ostelbischen norddeutschen Tieflandes in ihrer Abhängigkeit von geogr. Faktoren. Rost. Diss. (Auszug). Rostock (Winterberg) 1922. 2 S. 8°.

Ortsgeschichte.

  1. Ulrich (Hans), Dargun. Germanenburg, Zisterzienserkloster u. Herzogsschloß. Dargun (Voß) 1922. 40 S. 8°.
  2. Josephi, Die Taufschale der Kirche zu Dassow: M. Ztg. 30. Dez. 1922 (Nr. 304).
  3. Hesse (Heinrich), Peter Wise, der sagenhafte Baumeister der Doberaner Kirche: M. Ztg. 1. Okt. 1922 (Nr. 40).
  4. Jahn, Aus d. Gesch. d. Stadt u. Gemeinde Grabow 11. Forts.: Gruß der Grab. Kirchengem. Nr. 38 (1922).
  5. Der Damm durch den Malchower See: M. Nachr. 22. Sept. 1922 (Nr. 222).
  6. Wendt (Hans), Gesch. der Vorderstadt Neubrandenburg in Einzeldarstellungen. Neubr. (Moerke) 1922. 251 S. Gr. 8°.
    Bespr. von Friedrich Bechly in M. Nachr. 29. Juni 1923 (Nr. 147).
  7. Fürstenberg (Wilhelm), Romantik. Eine kunstgesch. Betrachtung: M. Ztg. 15. Okt. 1922 (Nr. 42). - betr. Schloßkirche in Neustrelitz.
  8. Die Belagerung von Ratzeburg im Jahre 1693: Bilder aus d. Volksleben d. Ratz. Landes, Bd. 2 (1922), S. 4-13.
  9. Albrecht (Hans), Rostock u. Güstrow, eine siedlungsgeogr. Studie. Rost. Diss. (Auszug). Güstrow (Boy) 1922. 2 S. 8°.
  10. Dehn, Rostock. Gesch. Entwicklung, das Stadtbild: Deutschlands Städtebau, Rostock (1922), S. 5-29.
  11. Hauttmann (Max), Das Rostocker Stadtbild. (M. Bilderhefte Heft 1.) München (Weizinger) 1923. 16 S. 8°.
  12. Berringer (G. W.), Stadterweiterung u. Siedlungen: Deutschlands Städtebau, Rostock (1922), S. 41-47.
  13. Kiecker, Die Rostocker u. Warnemünder Hafenanlagen: Deutschl. Städtebau, Rostock (1922), S. 30-40.
  14. Zöltsch, Die Schulbauten Rostocks: Deutschl. Städtebau, Rostock (1922), S. 59-64.
  15. Schomburg (W.), Die städtischen Grünanlagen: Deutschl. Städtebau, Rostock (1922), S. 48-55.
  16. Permien (M.), Die gesch. Entwicklung der Wasserversorgung Rostocks: Rost. Anz. 14. Dez. 1922 (Nr. 292).
  17. Otto (M. E.), Die wirtschaftliche Ausnutzung der Rostocker Heide. Rost. Diss. (Auszug). Rostock (Winterberg) 1922. 1 S.
  18. Rüdiger (H.), Aus Schönbergs vergangenen Tagen: Heimatkal. f. d. Fürst. Ratzeburg 1923.
  19. Warncke (J.), Der Taufkessel in der Kirche zu Schönberg: Mitt. f. d. Fürst. Ratzeburg 5. Jahrg. (1923), S. 17-20.
  20. Warncke (J.), Die Siechenhauskapelle zu Schwanbeck (Schluß): Mitt. f. d. Fürst. Ratzeburg 4. Jahrg. Nr. 4, S. 2-4.
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  1. Zu Jesse (Wilhelm), Gesch. d. Stadt Schwerin. 1913-20.
    Bespr. von H. Grotefend in Korr.-Bl. der deutschen Gesch.- u. Alt.-Ver. 70. Jahrg., Sp. 93-94.
  2. Hamann (Andreas), Schwerins Geschichte u. bauliche Gestaltung bis nach dem Weltkrieg: Deutschl. Städtebau, Schwerin (1922), S. 3-14.
  3. Josephi, Der Schloßbau u. das Schloßmuseum: Deutschl. Städtebau, Schwerin (1922), S. 15-21.
  4. Hamann (Andreas), Schwerins Bautätigkeit nach dem Weltkriege: Deutschl. Städtebau, Schwerin (1922), S. 21-25.
  5. Matthes, Die städtischen Hafen- u. Industrieanlagen: Deutschl. Städtebau, Schwerin (1922), S. 25-30.
  6. Matthes, Schwerin als Sportstadt: Deutschl. Städtebau, Schwerin (1922), S. 30-32.
  7. Berger (Hugo), Die Entwicklung der Banken in Schwerin: Deutschl. Städtebau, Schwerin (1922), S. 32-33.
  8. Der Bau unserer Kirche [St. Paulskirche zu Schwerin]: St. Paulsbote 2. Jahrg., S. 21-23
  9. Auf dem alten Domfriedhof [in Schwerin]: M. Ztg. 26. Nov. 1922 (Nr. 48).
  10. Beltz (R.), Grenzsteine bei Schwerin: Zeitschr. Mecklenburg 17. Jahrg. (1922), S.40-41.
  11. Steinmann (Paul), Die ältesten Verzeichnisse von Einwohnern der Stadt Stargard: Starg. Ztg. 12. Dez. 1922 (Nr. 144).
  12. Krause, Alt-Warnemünde bei der Hohen Düne: M. Warte 11. März 1923 (Nr. 58).
  13. Beltz (R.), Ein Denkstein in Hohen-Wieschendorf bei Wismar: Zeitschr. Mecklenburg 17. Jahrg. (1922), S. 39-40.
  14. Techen (Friedrich), Beobachtungen über die Abstimmung im Rate [zu Wismar]: Vierteljahrschr. f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch. 17. Bd., S. 205-207.
  15. (Techen, F.), Wismarsche Verhältnisse 1724: M. Tagesbl. 15. Juni 1923 (Nr. 135).
  16. Techen (F.), Vor hundert Jahren [in Wismar]: M. Tagesbl. 31. Dez. 1922-18. Febr. 1923 (Nr. 324, 5, 17, 41).

Universitäts- und Schulgeschichte.

  1. Schäfer (Ernst), Register zur Matrikel der Universität Rostock. II. Personen- u. Ortsreg. P-Z. Anhang: Sachreg. Schwerin (Bärensprung) 1922. 512 S. 4°.
    Bespr. I u. II von G. Kaufmann in Lit. Zentr.-Bl. 74. Jahrg. (1923), Sp. 259-260.
  2. Neumann (W.), Verstaatlichung der höh. Lehranstalten in M.-Schwerin: Deutsch. Philologenbl. 31. Jahr. Nr. 10-12 (1923).
  3. Dieckmann (B.), Jahrbuch der Volksschulehrer in M.-Schwerin. Wismar (Eberhard) 1921. VI u. 175 S. 8°. - Schulorte, Schulstellen, Schullehrer von Juli 1920.

Kunst.

  1. Zu Krüger (Georg), Kunst- u. Gesch.-Denkm. des Freistaates M.-Strelitz. 1921.
    Bespr. von J. Warncke: Pilgerzeichen auf Glocken in M.-Strelitz, in Denkmalpflege 24. Jahrg. Nr. 12 (1922), S. 95.
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  1. Much (Hans), Niederdeutsche Backsteingotik: Niedersachsen 28. Jahrg., S. 6-8.
  2. Führer durch das M. Landesmuseum in Schwerin: Die Sammlungen im Museum am Alten Garten (m. Altertümer, Vorgeschichtl. Abt., Gemäldegalerie). Schwerin (Bärensprung) 1922. 43 S. 8°.
  3. Josehi (W.), Das Schweriner Schloßmuseum: Museumskunde Bd. XVII (1923), S. 1-7.
  4. Reifferscheid (Heinrich), Das Schweriner Schloßmuseum: Kunstchronik u. Kunstmarkt 58. Jahrg. (1922), S. 203-205; M. Ztg. 28. Dez. 1922 (Nr. 302); D. Allg. Ztg. 17. Jan. 1923 (Nr. 24/25).
  5. Josephi, Der Grenadier-Saal im Schloßmuseum: M. Ztg. 6. Mai 1923.
  6. A. D., Der Grenadierraum im Schweriner Schloßmuseum: M. Nachr. 4. u. 5. Mai 1923 (Nr. 101, 102).
  7. Josephi, Zur Eröffnung der Hofdornitz im Schloßmuseum: M. Ztg. 19. Mai 1923 (Nr. 115).
  8. A. D., Eine neue Sehenswürdigkeit des Schweriner Schloßmuseums [die Hofdornitz]: M. Nachr. 26. u. 27. Mai 1923 (Nr. 118, 119).
  9. Stuhr (Gerda), Die "Hofdornitz" im Schloßmuseum: M. Ztg. 26. Mai 1923 (Nr. 120).
  10. Plawneck (Beata), Aus d. Sammlung Wossidlo im Landesmuseum: M. Ztg. 28. April 1923 (Nr. 98).
  11. Reifferscheid (H.), Karl-Malchin-Gedächtnis-Ausstellung: M. Ztg. 9. Juni 1923 (Nr. 132).
  12. Dettmann (Gerd), Der Teepavillon im Burggarten des Schweriner Schlosses: M. Ztg. 24. Sept. 1922 (Nr. 39).
  13. Dettmann (G.), Permoser-Skulpturen: Kunstchronik u. Kunstmarkt 58. Jahrg. Nr. 8 (1922), S. 148-150; Die Skulpturen des Schweriner Schloßgartens: M. Ztg. Weihn. 1922 (Nr. 52).
  14. Josephi (W.), Das Grenadier-Denkmal im Schloßgarten: M. Ztg. 4. Juni 1923 (Nr. 127).
  15. Witte (Hans), Vom Neustrelitzer Landesmuseum: Museumskunde Bd. XVII (1923), S. 30-33.
  16. Reifferscheid (H.), Nochmals das Neustrelitzer Landesmuseum. Kurze Replik zum Vorstehenden: Museumskunde Bd. XVII (1923), S. 34-35.
  17. Gehrig (Oscar), Das Schloß zu Güstrow, ein Hauptwerk der Renaissance in Deutschl. Güstrow (Block) 1921. 8 S. 4°.
  18. Ellmenreich (Albert), 1836-1859 Alt-Schweriner Hoftheater. Erinnerungen. Sonderdruck aus M. Ztg. Schwerin (Bärensprung) [1922]. 167 S. 8°.
  19. Tank (Helene), Beitr. zur Gesch. des Schweriner Hoftheaters 1836 bis 1882. Rost. Diss. (Auszug). Rostock (Winterberg) 1922. 1 S.
  20. Brunk, Beitr. zu einer Musikgesch. Pommerns in der ersten Hälfte des 19. Jahrh.: Balt. Studien N. F. Bd. 24/25 (1922), S. 1-64. - Theaterdirektor Krampe in Schwerin († 1849).
  21. Wojcikowna (Bronislawa), Johann Fischer von Augsburg (1646 bis 1721) als Suitenkomponist (Sonderdruck aus d. Zeitschr. f. Musikwiss. Jahrg. V). Leipzig (Breitkopf & Härtel). 32 S. 4°. - Hofkapellmstr. in Schwerin 1701-1704.
  22. Grüder (Erika), Beiträge zur Gesch. des Theaterwesens in M.-Strelitz (mit bes. Berücksichtigung d. Großh. Hoftheaters 1822 bis 1848). Rost. Diss. (Auszug). Rostock (Winterberg) 1922. 1 S.
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  1. Seidel (Max), Gesch. des Rostocker Städtischen Orchesters mit bes. Berücksichtigung des Rost. Musiklebens. Rostock (Hinstorf) [1922]. 158 S. 8°.
  2. Techen (F.), Achtzig Jahre Stadttheater in Wismar: M. Tagesbl. 24., 28., 29. Sept. 1922 (Nr. 223, 226, 227).
  3. Jeppe (Wilhelm), Wismars neuere Theatergeschichte: M. Tagesbl. 30. Sept. - 4. Okt. 1922 (Nr. 228-230)
  4. Beltz (R.), Karl Malchin: Zeitschr. Mecklb. 18. Jahrg. S. 14-17.
  5. Reifferscheid (H.), Prof. Hugo Berwald. Zu s. 60. Geb.-Tag.
    M. Ztg. 10. Febr. 1923 (Nr. 35).
  6. Schlaf (Johannes), Prof. Hugo Berwald: Westermanns Mon. Hefte 66. Jahrg. (1921-22), S. 577-585.

Kriegs- und Militärgeschichte.

  1. Buddin, Ut de Franzosentied [1806-1813]: Bilder aus d. Volksleben d. Ratzeburger Landes, Bd. 2 (1922), S. 97-107.
  2. v. Storch, Die m. Grenadiere im Felde: M. Ztg. 6. Mai 1923.
  3. Brinkmann, Beschreibung der Kämpfe zwischen Arras u. Albert, dazwischen Ruhezeit in Abscou, westl. Valenciennes: M. Nachr. 6. Mai 1923 (Nr. 103).
  4. v. Wulffen (Gustav), Mit dem 3. Batl. Gren.-Regts. 89 in Frankreich: M. Ztg. 9.-20. April 1923 (Nr. 81-91).
  5. Die Fahne d. III. Batl. [Gren.-Rgts. 89]: Festschrift zur 2. Bundesvers. S. 20-23.
  6. Geschichte des Großh. Mecklb. Feldartillerie-Rgts. Nr. 60 im Weltkriege 1914-18. Von Mitkämpfern. Hamburg (Kampen) [1921]. 302 u. 63 S. 8°.
  7. v. Woyna, Kurze Gesch. der m. Artillerie: M. Ztg. 27. Mai 1923.
  8. v. Pritzbuer, Neujahr 1917 [beim Art.-Rgt. 60]: M. Ztg. 27. Mai 1923.
  9. Heydemann (Kurt), Die Schlacht bei St. Quentin 1914 (Schlachten d. Weltkrieges in Einzeldarstellungen, Heft 7 a). Oldenburg (Stalling) 1922. 213 S. 8°. - Teilnahme des Gren.-Rgts. 89 u. des Art.-Rgts. 60.
  10. Kriegsgesch. des Großh. M. Füsilier-Rgts. Nr. 90 Kaiser Wilhelm 1914-1918. Heft 1. Stolp (Delmanzo) [1923]. 98 S. 8°. Mit Ehrentafel der Gefallenen. 67 S. 8°.
  11. Pflieger, Holsteinisches Feldartillerie-Rgt. Nr. 24 (Erinnerungsbl. deutsch. Rgt. Heft 50). Oldenburg (Stalling) 1922. 290 S. 8°.
  12. Doegen (Wilhelm), Kriegsgefangene Völker. Bd. I: Der Kriegsgef. Haltung und Schicksal in Deutschland. VI. Aufl. Berlin (Verlag f. Pol. u. Wirtsch.) 1921. XV u. 263 S. 4°. - Mannschaftslager Güstrow, Parchim; Offizierslager Augustabad-Neubrandenburg, Bad Stuer, Fürstenberg.
  13. Buddin, Die Ehrenmale 1914/18 in den Kirchdörfern des Fürstentums: Heimatkal. f. d. Fürst. Ratzeburg 1923.

Verfassung, Verwaltung, Recht.

  1. Wenzel (Max), M.-Schw. Verfassungs- u. Verwaltungsgesetze nebst den Kirchengrundgesetzen. Wismar (Hinstorff) 1923. XII u. 722 S. Kl. 8°.
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  1. Müller (Kurt), Beitr. zum m. Jagdrecht. Rost. Diss. (Auszug). [1922]. 2 S. Gr. 8°.
  2. Hillmann, Die m. Landesklöster: M. Wirtsch.-Ztg. 4. Jan. 1923 (Nr. 3). - über das Urteil des Landgerichts Schwerin.

Literatur.

  1. Stuhr (Friedrich), Die geschichtl. u. landeskundl. Lit. Mecklenburgs 1. Juli 1920 bis 1922. Schwerin (Bärensprung) [1923]. 12 S. 4°.
  2. Golther (Wolfgang), Die deutsche Dichtung im Mittelalter 800 bis 1500. 2. Aufl. Stuttgart (Metzler) 1922. 572 S. 8°. - Redentiner Osterspiel.
  3. Lindemann (Fr.), Dat Osterspäl vun Redentin. Uut dat Middelnedderdütsche öwersett un for de Späldeel torechtmakt. Bremen (Schünemann). 48 S. Gr. 8°.
    Bespr. von Hans Balzer in "Die schöne Lit." (Beil. z. Lit. Zentralblatt) 23. Jahrg., Sp. 359-360.
  4. Seelmann (Wilh.), Zum Rostocker Reineke Fuchs von 1650: Korr.-Bl. f. niederd. Sprachf. 38. Heft (1922/23), S. 4-5.
  5. Schröder (Edward), Die nomina agentis auf -ster: Jahrb. f. niederd. Sprachf. 48 (1922), S. 1-8.
  6. Böhmer (Adolf), Diederich Georg Babst. Ein Beitr. z. Gesch. d. niederd. Lit. u. Sprache. Rost. Diss. (Auszug). Rostock (Winterberg) 1923. 2 S. 8°.

 

Vignette
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Alphabetisches Verzeichnis.

A del, mecklb. 28.
Adolf Friedrich, Herzog 25.
Artillerie-Rgt. 24: 153.
Artillerie-Rgt. 60: 148-151.

B abst, Dietrich Georg 164.
Bergen, deutsche Brücken 14.
Berwald, Hugo 141. 142.
Blanck, Familie 30.
Böhm, Familie 30.
Boie, Heinrich 50.
Boll, Familie 30.
Brautkronen 66.
Brückner, Familie 30.
Bukspitze 61.
Bund, Heilbronner 16.

C rull, Friedrich 31.
Crumbiegel, Familie 30.

D argun 75.
Dassow 76.
Devers, Familie 30.
Doberan 77.

E isenbahnen 74.

F amiliengeschichte 26 ff.
Fidler, Pietist 32.
Fischer, Johann 135.
Fischerei i. d. Lübecker Bucht 68.
Fließbach, Familie 26.
Franzosenzeit 143.
Friderich, Familie 30.
Fürstenberg, Gefangenenlager 154.
Fürstenhaus 22-25.
Füsilier-Rgt. 90: 152.

G efangenenlager 154.
Geschichte 10-21.
Gewerbe 70.
Glode, Familie 29.
Grabow 78.
Graff, Familie 30.
Grenadier-Rgt. 89:119. 120. 128. 144-147. 151.
Güstrow 61. 83. 131. 154.
   Gefangenenlager 154.
   Schloß 131.

H aken, der 65.
Hasenöhrl, Familie 30.
Holtz, Familie 26.
Hoppenrath, Familie 30.

J agdrecht 157.
Jahn, Familie 30.

K arok, Familie 29.
Karten 1.
Kaske, Familie 29.
Kirchenwesen 156.
Klöster 158.
Kniphof, Klaus 15.
v. Knuth, Familie 33.
Kontinentalsperre 20.
Krampe, Theaterdirektor 134.
Kriegerdenkmäler 128. 155.
Kriegsgefangene 154.
Kriegs- und Militärgeschichte 143-155.
Kriegswirtschaft 69.
Krouwel, Familie 29.
Krüger, Familie 30.
Kulturgeschichte 62 ff.
Kummeldur, Familie 29.
Kunst 114-142.

L andeskunde 51-61.
Landtagsuniform 63.
Landwirtschaft 67. 69.
Lembke, Justizrat 34.
v. Levitzow, Familie 35.
Lindemann, Th. 36.
Literatur 159 ff.
Luise, Königin von Preußen 22.

M alchin, Karl 125. 140.
Malchow 79.
v. Maltzan, v. Maltzahn, Fam. 37.
Marie, Großherzogin 23. 24.
Masch, Pastor 38.
Mecklenburg-Schwerin, Fürstenhaus 23-25.
Mecklenburg-Strelitz, Fürstenhaus 22.
Milarch, Familie 30.
v. Moltke, Gen.-Oberst 39. 40.
Moosflora 61.
Müritzer Moor 60.
Museen in    Neustrelitz 129. 130.
   Schwerin 8. 97. 116-125.

N adelhölzer 59.

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Neubrandenburg 80. 154.
   Gefangenenlager 154.
Neukloster, Amt 17.
Neustrelitz 81. 129. 130. 136.
   Museum 129. 130.
   Theater 136.

v. O ertzen, Carl 41.
Ortsgeschichte 75-110.
Osterspiel, Redentiner 160. 161.

P archim, Gefangenenlager 154.
Paris, Familie 29.
Pechelyn, Marten 15.
Personengeschichte 26 ff.
Postwesen 72. 73.
v. Pressentin, Familie 42.
Preußen, Luise, Königin von, 22.
Prutze, Familie 29.
Pultehr, Familie 29.

Q uellen 2.

R ahtgens, Familie 43.
Ratzeburg, Land 62. 66. 73.
Ratzeburg, Stadt 82.
Recht 157. 158.
Redentiner Osterspiel 160. 161.
Reinhold, Familie 30.
Rethra 3-6.
Reuter, Fritz 38. 44.
Rose, v. Rose, Familie 45.
Rostock 1. 20. 55. 61. 83-91. 111.
   Grünanlagen 89.
   Hafen 87.
   Heide 1. 91.
   Kommunalverband 69.
   Kontinentalsperre 20.
   Messungen, erdmagnetische 55.
   Moosflora 61.
   Schulbauten 88.
   Stadtbild 84. 85.
   Theater 137.
   Universität 111.
   Wasserversorgung 90.
Rügenwalde 2.
Runge, Familie 30.

S agen 64.
Schliemann, Heinrich 46.
Schönberg 9. 58. 92. 93.
   Cavalierberg 9.
   Taufkessel 93.
   Vogelwelt 58.
Schulgeschichte 112-113.
Schultz, Familie 30.
Schwanbeck 94.
Schwartzkopf, Familie 47.
Schwerin 8. 95-104. 116-128. 132-135.
   Banken 101.
   Burggarten 126.
   Denkmal 128.
   Domfriedhof 103.
   Hafenanlagen 99.
   Industrieanlagen 99.
   Museen 8. 97. 116-125.
   Paulskirche 102.
   Schloß 97.
   Schloßgarten 127.
   Sport 100.
   Theater 132-135.
Spalding, Familie 48.
Stargard 105.
Stolterfoht, Familie 49.
Störtebeker 15.
Straßen 71.
Bad Stuer, Gefangenenlager 154.
Sülze 61.
Swen, Familie 29.

T heater in    Neustrelitz 136.
   Rostock 137.
   Schwerin 132-135.
   Wismar 138-139.
Tidebole, Familie 29.

U niversität, Matrikel 111.

V erfassung 156.
Verkehrswege 71. 74.
Verwaltung 156.
Vogelwelt 57. 58.
Volkskunde 62 ff.
Vorgeschichte 3-9.
Voß, Ernestine 50.
-, Johann Heinrich 50.
Vrancke, Familie 29.
Vrobose, Familie 29.

W arncke, Familie 30.
Warnemünde 55. 87. 106.
   Hafen 87.
   Messungen, erdmagnetische 55.
Warnow 61.
Hohen Wieschendorf, Denkstein 107.
Wirtschaftsgeschichte 67 ff.
Wise, Peter 77.
Wismar 18. 108-110. 138. 139.
   Eroberung 18.
   Rat 108.
   Theater 138. 139.
Wrancke, Familie 29.

 

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LXXXVII.                                                          Schwerin, im Juli 1923

Jahresbericht

des

Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde.

über die Vereinsjahre vom 1. Juli 1922 bis 30. Juni 1923.


Auch in diesem Vereinsjahre hat die Mitgliederzahl sich erfreulicherweise stark vergrößert. Wir haben 109 Mitglieder gewonnen, von denen 5 als Stifter, 23 als Förderer eingetreten sind. Gestorben sind 12 Mitglieder, ausgetreten 11 (siehe die Anlage). Am 30. Juni 1923 zählte der Verein 2 Ehrenmitglieder, 9 korrespondierende und 699 ordentliche Mitglieder.

Von den Toten hatten die meisten uns jahrzehntelang angehört. Von ihnen waren der Landdrost a. D. v. Ferber in Schwerin, der Geheime Rechnungsrat Pöhl und der frühere Rittergutsbesitzer Bobsien in Rostock 40 Jahre hindurch Mitglieder gewesen, der Wirkl. Geh. Rat v. Oertzen in Schwerin 37 Jahre, der Oberkirchenratspräsident D. Giese 35 Jahre, der Justizrat Lembke in Wismar 33 Jahre, der Distriktsingenieur a. D. Günther, der Buchhändler Singhol und der Landgerichtsrat Ziel in Schwerin sowie der Geheime Kabinettsrat v. Wickede in Ludwigslust über 20 Jahre. Es ist eine schmerzliche Lücke, die durch ihr Hinscheiden in die Zahl unserer Getreuesten gerissen ist.

Die Werbung von Stiftern und Förderern war auch unter den alten Mitgliedern weiterhin von Erfolg. Es gehören zurzeit 12 Stifter und 85 Förderer dem Verein an, die zugleich ordentliche Mitglieder sind. Wir haben alle Ursache, ihnen dankbar zu sein für ihre Bereitwilligkeit, mit der sie unsere Bestrebungen zu unterstützen suchten. Leider sind jedoch die Summen, an deren Zahlung wir im vorigen Jahre die Übertragung der Eigenschaft eines Stifters oder Förderers gebunden haben (einmaliger Beitrag von 3000  für Stifter und Jahresbeitrag von mindestens 100  für Förderer), durch den Sturz unseres Geldes entwertet worden, und unsere Hoffnung, die Vereinsarbeiten mit ihrer Hilfe vorwärts zu bringen, ist fehlgeschlagen. Wir teilen die Not der meisten wissenschaftlichen Vereine Deutschlands, die nur unter größten Schwierigkeiten ihre Veröffentlichungen fortsetzen können.

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Dennoch hoffen wir, daß unser Jahrbuch nicht nach 88jähriger Lebenszeit am Geldmangel zu sterben braucht. Wir rechnen dabei auf die Hilfe unserer Mitglieder. Mit Dank sei hervorgehoben, daß das Ministerium für Unterricht im November 1922 mitgeteilt hat, daß vorgesehen sei, den Staatszuschuß zum Drucke des Jahrbuches für 1923/24 auf 50000  zu erhöhen. Eine weitere Erhöhung haben wir wegen der inzwischen vorgeschrittenen Markentwertung beantragt.

Die Reihe der Vorträge eröffnete am 19. September eine anmutige Schilderung von Ceylon, Land und Leuten, die eine seit 30 Jahren dort ansässige Mecklenburgerin, Frau Mussaeus-Higgins, gab. Ihre Ausführungen, deren Gegenstand von unserem eigentlichen Arbeitsgebiet sehr weit abliegt und die wir deshalb als Sondervortrag bezeichnet hatten, wurden durch viele Lichtbilder unterstützt. Am 16. und 17. Oktober folgten zwei Vorträge von Prof. Dr. Wossidlo über Sitten und Bräuche des mecklenburgischen Volkes, veranschaulicht ebenfalls durch Lichtbilder und durch Ausstellung von Altertümern (Tücher und Hauben). Über Mecklenburg und die deutsche Frage 1866-70/71 sprach am 15. November Dr. Karl Pagel aus Berlin-Wilmersdorf, er ging dabei auf die innere politische Entwicklung und die Parteiverhältnisse unseres Landes ein, die sein Aufsatz in diesem Jahrbuche nicht berücksichtigt. Am 9. Dezember handelte Studienrat Dr. Folkers aus Rostock über die ländliche Bauweise in Mecklenburg unter Vorführung von Lichtbildern, die er auf seinen Wanderungen aufgenommen hat und die die Unterschiede zwischen dem friesischen, dem fränkischen und dem nach Mecklenburg übernommenen sächsischen Bauernhause mit seinen Abarten wie Dreiständerhaus und Vierständerhaus hervortreten ließen. Einen weiteren baugeschichtlichen Lichtbildervortrag hielt am 24. Februar der Rostocker Kunsthistoriker Prof. Dr. Hauttmann über Barock und Rokoko in Lübeck. Er zeigte, daß diese Stilarten, die sich im mittleren und südlichen Deutschland, besonders an den Sitzen der Fürstenhöfe, zu reicher Blüte entfalteten, im Norden nur in sehr gemilderter Form zur Geltung kamen. Lübecks bürgerliche Kultur ist verhältnismäßig wenig davon befruchtet worden. Es finden sich hier Niederschläge im inneren Schmucke der Kirchen und Kapellen, in Veränderungen von Formen der Profanbauten, im Innenbau der Wohnhäuser und in der Zimmerausstattung. In den Dienst der vaterländischen Sache stellte sich der Verein, indem er zu einer Vorführung von Lichtbildern einlud, die das Ruhrgebiet und seine Kohlenbergwerke sowie die Ruhrbesetzung und ihre wirtschaftlichen Folgen schilderten. Die Bilder wurden vom Seminarlehrer Tiede (Schwerin) erläutert

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(27. Febr.). Den Beschluß machte am 21. März Prof. Dr. Beltz mit dem vielbehandelten Thema Rethra. Es war gewissermaßen eine Vorbereitung auf den Vortrag, den kurz danach Prof. Schuchhardt über denselben Gegenstand auf der diesjährigen Hauptversammlung unseres Vereins halten wollte. Klar und fesselnd erörterte Prof. Beltz das gesamte, bereits seit Jahrhunderten aufgeworfene Rethraproblem und die Versuche, es zu lösen, bewertete eingehend die Chronisten, die von dem Heiligtume Nachricht geben, und schilderte die sonst wenig berücksichtigte geschichtliche Bedeutung Rethras und seiner Priesterschaft inner-halb der allgemeinen politischen Zusammenhänge. Dem Ergebnis, das Schuchhardt aus seinen Forschungen und seiner Ausgrabung auf dem Schloßberge bei Feldberg gezogen hat, steht Beltz sehr zweifelnd gegenüber, weil der Bericht Adams von Bremen nicht dazu stimmt. Auch wer ihm hierin nicht folgen kann, sondern die Bedeutung von Adams Beschreibung geringer einschätzt und der Schuchhardtschen Ansicht zuneigt, mußte an dem mit gewohnter Meisterschaft gehaltenen Vortrage unseres Schweriner Prähistorikers seine Freude haben.

Das Ziel des diesjährigen Sommerausflugs (8. Juli) war Wismar. Hier unternahmen die Teilnehmer, über 70 an der Zahl, unter der freundlichen Führung von Archivrat Dr. Techen einen Gang durch die Stadt und besichtigten die Außenfronten der Nikolaikirche, hernach die Marienkirche mit der Kapelle St. Marien zur Weiden und die Georgenkirche, wo neben Dr. Techen die Pastoren Schlettwein und Morich es übernahmen, die Baugeschichte und kunsthistorisch wertvolle Einzelheiten zu erklären, wie die eherne Fünte, den Krämeraltar und das Wrangelsche Grabdenkmal in St. Marien, den prächtigen Hochaltar in St. Georgen und die alten Wandgemälde in beiden Kirchen. Besucht wurden ferner der Fürstenhof, erbaut von den Herzogen Heinrich und Johann Albrecht im 16. Jahrhundert, erneuert in den Jahren 1877/8, mit seinem schönen Portal, Fenstereinfassungen und Friesen; die Kochsche Brauerei, ebenfalls ein Renaissancebau, errichtet 1569-71 von Philipp Brandin als Wohnhaus für den Ratmann Schabbelt; sodann Kirche und Spital zum Heiligen Geist, schließlich die altehrwürdige Hausdiele des Weinhändlers Michaelis, der den Teilnehmern hernach in seinen Kellerräumen unter dem Rathause vortrefflichen Rheinwein als Willkommenstrunk kredenzte. Beim gemeinsamen Mittagsmahl in der Halle des Rathauses übermittelte Stadtrat Düringer die Grüße des Wismarer Rates, worauf der Vereinspräsident, Staatsminister Dr. Langfeld, ein Hoch auf die alte Hansestadt ausbrachte. Auf die zahlreich erschienenen Damen toastete Archivrat

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Dr. Stuhr. Der Nachmittag war einer Dampferfahrt nach Wendorf gewidmet, wo im Angesichte der Wismarer Bucht der Kaffee eingenommen wurde.

Unsere Bildersammlung ist durch eine Reihe von Fürstenbildern vermehrt worden, die Oberfinanzinspektor Wichmann, unser bisheriger Rechnungsführer, aus dem Nachlasse seines Vaters gestiftet hat. Ferner schenkte Archivobersekretär Kuhlmann Photographien von der Beisetzung der Großherzogin Marie und eine Reihe von Bildern mecklenburgischer Künstler.

Besonders lehrreich und anregend gestaltete sich die diesjährige Hauptversammlung am 4. April, weil sie mit der 14. Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung verbunden war. Die hierzu aus verschiedenen Teilen des Reiches eingetroffenen Gelehrten konnten dank dem Entgegenkommen unserer Schweriner Vereinsmitglieder in Freiquartieren untergebracht werden. Nach einer Vertreterversammlung des Verbandes am Abend des 3. April folgte am nächsten Morgen die allgemeine Versammlung im Archivsaal, die um 9 Uhr vom Präsidenten unseres Vereins mit einer Begrüßungsansprache eröffnet wurde. Geheimrat Prof. Dr. Schuchhardt vom Berliner Museum für Völkerkunde erstattete sodann den Jahresbericht des Nordwestdeutschen Verbandes. Fünf Vorträge, auf deren Inhalt hier leidet aus Raummangel nicht eingegangen werden kann, füllten die Zeit bis über den Mittag hinaus. Es sprachen: Prof. Dr. Bremer (Marburg) über Germanenkunst der Stein- und Bronzezeit, Prof. Dr. Beltz (Schwerin) über die Bronzezeit in Mecklenburg, Museumsdirektor Dr. Jacob-Friesen (Hannover) über die friesischen Wurten oder Warfen (eingedeichte Wohn- und Zufluchtstätten), Prof. Dr. Lonke (Bremen) über das älteste Bremen und Dr. Byhan (Hamburg) über die Slaven zwischen Niederelbe und Oder.

Am Nachmittage wurden das Schloßmuseum, die prähistorische Abteilung des Landesmuseums und der Dom unter Führung von Dr. Reifferscheidt, Prof. Dr. Beltz und Archivdirektor Dr. Stuhr besichtigt. Abends 1/2 8 Uhr begann im überfüllten Archivsaale die Hauptversammlung des Geschichtsvereins, auf der Prof. Schuchhardt den mit großer Spannung erwarteten Vortrag über Rethra hielt. Er behandelte zunächst die beiden chronikalischen Nachrichten über das Heiligtum, die sich bei Thietmar von Merseburg und Adam von Bremen finden, aber nicht miteinander zu vereinbaren sind. Schuchhardt gibt Thietmar den Vorzug; die größere Zuverlässigkeit dieses Schriftstellers, den schon Grotefend 1889 (Band 54 dieser Jahrbücher) als allein maßgebend für die Rethraforschung empfohlen hat, wurde in der Diskussion nach dem Vortrage auch

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von Prof. Dr. Reincke-Bloch bekräftigt. Unter der urbs tricornis des Thietmar versteht aber Schuchhardt im Gegensatze zu der bisherigen Auffassung, wonach tricornis mit "dreieckig" zu übersetzen ist, eine Burg mit drei ragenden Tortürmen, eine Ansicht, die dadurch sehr an Wahrscheinlichkeit gewinnt, daß auch der Glossator der zweiten Thietmarhandschrift die Stelle so ausgelegt hat. Nach Thietmar war das Heiligtum am Westufer eines Sees zu suchen. Das hatte bereits Grotefend hervorgehoben. Schuchhardt fand, daß im alten Redaiergau nur ein wendischer Burgwall vorhanden sei, auf den die Beschreibung des Chronisten zutreffen könne, eben der auf dem Schloßberge am Breiten Lucinsee. Die Ausgrabung dort, über die er berichtete, hat seine Vermutung im einzelnen bestätigt. Ganz wesentlich fällt außerdem ins Gewicht, daß die Anlage auf dem nach Osten in den See vorragenden und sich 36 Meter darüber erhebenden Schloßberge auffallend der von Arkona auf dem Ostkap an der Nordspitze Rügens ähnelt, wo ebenfalls ein wendisches Heiligtum, das des Swantewit, gestanden hat. Schuchhardt hatte das Fundament dieses Tempels bekanntlich im Sommer 1921 freigelegt. - Er benutzte schließlich die Gelegenheit des Vortrages, um ein Bedenken zu zerstreuen, das man ihm vorgebracht hatte. Die keramischen Scherben nämlich, die auf dem Schloßberge in großer Zahl gefunden wurden, stehen mit der Zeit von Rethras Untergang im Jahre 1068 im Einklang. Nun wird aber die Zerstörung in diesem Jahre, wenn sie auch sehr wahrscheinlich ist, nicht wörtlich bezeugt, und da noch 60 Jahre darauf ein Tempel der Liutizen vernichtet wurde, zu denen der Stamm der Redarier gehört, so nahm man an, daß dies Rethra gewesen sei. Schuchhardt legte dar, daß das später zerstörte Heiligtum zu Gützkow im Lande der Circipaner gestanden hat. - Lichtbilder, darunter eine Rekonstruktion Rethras von Schuchhardts Mitarbeiter Prof. Koldewey, verdeutlichten die sehr beifällig aufgenommenen Ausführungen. An der Diskussion beteiligten sich, mit Prof. Reincke-Bloch, Prof. Dr. Braune (Leipzig), Dr. Byhan (Hamburg) und Prof. Beltz, der seine Zweifel an Schuchhardts These entwickelte. Es sind aber der mit Thietmar übereinstimmende archäologische Befund und die Analogie mit Arkona so starke Beweise, daß man die Lage Rethras auf dem Schloßberge wird als gesichert annehmen dürfen.

Den Geschäftsbericht erstattete der Unterzeichnete, ebenso den Kassenbericht über das Vereinsjahr 1921/22. Die Einnahme betrug 35659,38  , die Ausgabe 17446,75  . Somit blieb am Schlusse der Rechnung ein Bestand von 18212,63  . Dazu kommt das bei der Renterei belegte Kapital von 4500  . Das Vereinsvermögen belief sich also am 1. Juli 1922 auf 22712,63  . Die

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Rechnung war geprüft und lag aus. Dem Rechnungsführer wurde Entlastung erteilt.

Dann kam der erste Vereinssekretär, Archivdirektor Dr. Stuhr, auf dem im Vorjahre gefaßten Beschluß zurück, wonach die Hauptversammlung jedesmal den Mitgliederbeitrag für das nächstfolgende Geschäftsjahr festsetzen sollte. Für diesen Beschluß sowie für die Bestimmung des Beitrages für 1922/23 auf 30  sei es die Voraussetzung gewesen, daß der Geldwert einigermaßen fest blieb. Das sei nicht eingetroffen. Die Steigerung der Vereinskosten zwinge zu dem Antrage, für 1922/23 einen Zuschlag von 970  , im ganzen also 1000  zu erheben und die Beförderer um Zahlung von 3000  zu ersuchen. Da es unmöglich sei, bei so schwankenden Verhältnissen den Beitrag für 1923/24 schon jetzt zu bestimmen, wurde vom Vereinsausschusse weiter vorgeschlagen, den erwähnten Beschluß aufzuheben und statt dessen § 7 der Satzung die untenstehende Fassung 1 ) zu geben. Ferner werde beantragt, § 10 der Satzung folgendermaßen lauten zu lassen: "Der Verein behält sich vor, ordentliche Mitglieder, die sich um den Verein besonders verdient gemacht haben, zugleich zu Stiftern oder Beförderern zu ernennen." Da Frauen schon seit längerer Zeit regelmäßig aufgenommen würden, werde schließlich um Zustimmung dazu gebeten, in § 5, der von der Aufnahme neuer Mitglieder handelt, zu sagen: "Jeder unbescholtenen Person (statt bis jetzt: Jedem unbescholtenen Manne) steht jederzeit der Eintritt . . . . frei" und den zweiten Satz des Paragraphen über die Aufnahme von Frauen zu streichen, ebenso die betreffenden Worte in § 20. Einige weitere Änderungen ergaben sich von selbst. 2 ) Sämtliche Anträge wurden angenommen. Die Satzungsänderungen haben inzwischen die Genehmigung des Ministeriums erhalten.

Sodann wurde beschlossen, die bisher üblichen Urkunden über die Mitgliedschaft der Ersparnis halber in Zukunft nur auf besonderen Wunsch und gegen Ersetzung der Kosten auszustellen.


1) § 7. Ihre (der ordentlichen Mitglieder) Pflichten begreifen: möglichste Förderung der Vereinszwecke und Entrichtung eines baren Beitrags für das vom 1. Juli an laufende Geschäftsjahr. Die Höhe des Beitrags wird von der Generalversammlung im April für das laufende Geschäftsjahr festgesetzt. Solange diese Festsetzung nicht erfolgt ist, bleibt für das laufende Geschäftsjahr der Beitrag maßgebend, der für das unmittelbar voraufgehende Geschäftsjahr festgesetzt ist. Der Beitrag wird den Mitgliedern bekannt gegeben und ist spätestens bis Ende Juni jedes Jahres portofrei an den Rechnungsführer des Vereins einzusenden, nötigenfalls von ihm durch die Post einzuziehen. Erwünscht usw. wie bisher.
2) In § 2 ist zu setzen: Landesmuseum, in §§ 22 und 23: ministerieller Genehmigung, in § 23: staatlichen Sammlungen.
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Ein Vorschlag des ersten Sekretärs, im Juni einen Ausflug nach der Insel Poel und der Vogelfreistätte auf dem Langen-Werder zu unternehmen, fand allgemeine Zustimmung.

Da Oberfinanzinspektor Wichmann leider wegen Überlastung mit Dienstgeschäften von seinem Amte zurückzutreten wünschte, wählte die Versammlung Rechnungsrat Sommer zu seinem Nachfolger. Herrn Wichmann sei auch an dieser Stelle für seine mehrjährige Mühewaltung herzlich gedankt. Die übrigen Vereinsbeamten wurden wiedergewählt.

Nach Schluß der Versammlung vereinigte sich eine größere Zahl von Mitgliedern mit den Vertretern des Nordwestdeutschen Verbandes im Nordischen Hofe. Der folgende Tag (5. April) war für einen Ausflug bestimmt, der auf Wunsch unserer Gäste wiederum nach Wismar und der Mikilinburg führte und starke Beteiligung fand. In Wismar machte Archivrat Techen auch diesmal den Geleitsmann und unermüdlichen Erklärer, indem er aus dem Schatze seiner reichen Ortskenntnis schöpfte. Am Nachmittage erfreute man sich in Mecklenburg der Führung des Pastors Böhmer, der den Burgwall und die Dorfkirche zeigte. Auf der Burg wurden einige vom Glück begünstigte Grabungen veranstaltet, unter sachkundigster Leitung der Professoren Beltz und Schuchhardt. Man fand slavische Scherben und eine slavische Herdstelle. Dann ward der Rückweg am Wallensteingraben entlang nach Moidentin angetreten, von wo die Eisenbahn bis Schwerin benutzt wurde. Es war eine anregende Tagung, zu der auch viele unserer auswärtigen Mitglieder eingetroffen waren.

Vereinsausschuß für das Jahr 1923/24.

Präsident: Staatsminister Dr. Langfeld, Exz.
Vizepräsident: Ministerialdirektor v. Prollius.
Erster Sekretär: Archivdirektor Dr. Stuhr.
Zweiter Sekretär:   Archivar Dr. Strecker.
Rechnungsführer: Rechnungsrat Sommer.
Bücherwart: Regierungsrat Dr. Voß.
Bilderwart: Regierungsrat Dr. Wunderlich.
Repräsentanten: Geh. Ministerialrat Krause, 
Generaldirektor Gütschow, 
Geh. Archivrat Dr. Grotefend,
Generalleutnant v. Woyna, Exz

Der zweite Vereinssekretär:     
W. Strecker.                

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Anlage.

Stifter und Förderer des Vereins.

Veränderungen des Mitgliederbestandes

im Vereinsjahre 1922-1923.

Von unseren bisherigen Mitgliedern stifteten:

Domänenpächter Major Zarncke, Reppentin 3 000  ,
Kaufmann Neubeck, Schwerin 3 000  ,
Freiherr v. Maltzan, Gr. Lukow  3 000  ,
Hoffpediteur Kaufmann Mahncke, Schwerin             100 000  .
Domänenpächter Major Zarncke, Reppentin 3 000  ,
Kaufmann Neubeck, Schwerin 3 000  ,
Freiherr v. Maltzan, Gr. Lukow  3 000  ,
Hoffpediteur Kaufmann Mahncke, Schwerin             100 000  .

Ferner stifteten als neue Mitglieder:

Rittergutsbesitzer Sloman, Bellin 3 000  ,
Rostocker Bank, Rostock 3 000  ,
Graf Bassewitz, Bristow 3 000  ,
Rittergutsbesitzer Schnütgen, Neuhof                             3 000  ,
Schutzverband Mecklenburg 5 000  .

Förderer wurden von unseren bisherigen Mitgliedern:

Mühlenbesitzer Moncke, Neubrandenburg; Oberlandstallmeister von Wenckstern, Exz., Redefin; Amt Röbel; Justizrat Dr. Knebusch, Güstrow; Erblandmarschall Frh. v. Maltzan, Burg Penzlin; Hoffpediteur Mahncke, Tierarzt Dr. Böhm, Kaufmann Burmeister, Ministerialdirektor Ehmig, Generaldirektor Gütschow, Kaufmann Kopsicker, Geh. Ministerialrat Krause, Kommerzienrat Löwenthal, Kaufmann Ohlerich, Geh. Postrat Möller, Archivobersekretär Kuhlmann, Eis.-Inspektor Rohr, sämtlich in Schwerin; Staatsminister Dr. Reincke-Bloch, jetzt Breslau; Lehrer Rickert, Kobande; Prof. Dr. Giesenhagen, München; Ingenieur Tabbert, Weidmannslust bei Berlin.

Als Förderer traten ein:

Rittergutsbesitzer Herrmann, Pustohl; Rittergutsbesitzer Frh. v Meerheimb, Gr. Gischow; Prof. Dr. Eßler, Gr. Raben; Rittergutsbesiter v. Zepelin, Clausdorf; Rittergutsbesitzer Hüniken, Lüdershagen; Rittergutsbesitzer Lueder, Redewisch; Rittergutsbesitzer Reg.-Rat Klotz, Ankershagen; Rittergutsbesitzer Brunckhorst, Karcheez; Rittergutsbesitzer Dr. Simon, Schmachthagen; Kommerzienrat Ohlerich, Rostock; Rittergutsbesitzer Dr. Pohl, Wessin; Rittergutsbesitzer Abel, Alt-Sührkow; Kammerherr von Barner, Trebbow; Rittergutsbesitzer Frh. v. Hauff, Altrehse; Kammerherr v. Kardorff, Böhlendorf; Rittergutsbesitzer Bock, Kl. Köthel; Rittergutsbesitzer Lüttmann, Wahrstorf; Rittergutsbesitzer Glantz, Wölzow; Domänenpächter Dolberg, Pinnowhof; Rittergutsbesitzer Hasenkamp, Vielist; Rittergutsbesitzer Bohm, Kl. Wehnendorf; Eisenbahn-Inspektor Hennings, Schwerin; Frau A. Winter, Neu-Guthenborf.

Ordentliche Mitglieder.

a) Eingetreten sind:

Generalmajor v. Alt-Stutterheim, Schwerin; Intendant Felsing, Schwerin; Rechtsanwalt Keding, Schwerin; Oberingenieur Amelung, Schwerin; Weinhändler Michaelis. Wismar; Frau Ministerialdirektor Melz, Schwerin; Bankbeamter Jaeppelt, Schwerin; Privatgelehrter de Lorme, Hannover; Rechnungsrat Hill, Schwerin; Lehrer Schmidt, Poltnitz; Büroinspektor Roepke, Schwerin; Kaufmann Evers, Grabow (jetzt Elbing); Fabrikbesitzer Bicker, Essen-Bredeney; wiss. Archivhilfsarbeiter Dr. Endler, Neustrelitz; Archivkanzlistin Klett, Schwerin;

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Rechnungsrat Parey, Schwerin; Referendar Dr. Parey, Schwerin; Kammerrat Wilbrandt, Schwerin; Oberst a. D. v. Müller, Schwerin; Reg.-Baumeister Beckmann, Bad Doberan; Bankbeamter Großkopf, Schwerin; Ministerialregistrator Leopoldt, Schwerin; Büroinspektor Schumacher, Schwerin; Eis.-Inspektor Hermann, Schwerin; Eis.-Praktikant Hermann, Schwerin; Kaufmann Ahlers, Schwerin; Kaufmann Lembcke, Schwerin; Verwaltungspraktikant Moll, Stavenhagen; Ständ. Staatsangestellter Dalitz, Stavenhagen; Lehrerin a. D. Behm, Stavenhagen; Oberverwaltungs-Sekretär Nagel, Stavenhagen; Lehrer Kracht, Parchim; Frau Fabrikbesitzer Hoffmann, Schwerin; Studienrat Pentz, Ludwigslust; Domänenpächter Jesse, Glambeck; Techn. Marinesekretär Groth. Kiel-Friedrichsort; Gerichtsassessor Dreyer, Schwerin; Eis.-Inspektor Hollien, Schwerin; Stadtarchiv und Bibliothek zu Stockholm; Walter Rubach, Lübeck; Bankprokurist Wolde, Schwerin; Ministerialsekretär v. Occolowitz, Schwerin; Studienrat Fritzsche, Schwerin; Rittergutsbesitzer v. Restorff, Radegast; Landgerichtsrat Buschmann, Schwerin; Domänenrat Bock, Gr. Brütz; Frau Geh. Regierungsrat Schröder, Schwerin; Fräulein Brandt v. Lindau, Schwerin; Fräulein v. Schack, Schwerin; Landesschulrat Klaehn, Schwerin; Frau Landrat v. Gundlach, Schwerin; Frl. Studienrat v. Monroy, Schwerin; Konsul a. D. Kohlenberg, Schwerin; Buchhändlergehilfe Metelmann, Schwerin (jetzt Leipzig); Lehrer Trost, Dersenow; Forstgeometer Trost, Ludwigslust; Oberprimaner Hävernick, Hamburg; Optiker Krille, Schwerin; Lehrer Goosmann, Crivitz; Bankprokurist Hofferber, Schwerin; Eis.-Inpektor Mahn, Schwerin; Museumsvolontär Lange, Schwerin; Studienrat Creutzfeldt, Schwerin; Fabrikbesitzer Heucke, Parchim; Lehrer Zastrow, Wismar; cand. med. Schnapauff, Rostock; Dr. Polzer, Jugendhof; Reg.- und Baurat Neumann, Wismar; Pastor Masius, Rambow; Kaufmann Otto, Uelzen; Stellv. Leiter der Hauptfürsorgestelle Pahren, Schwerin; Studienassessor Dr. Overbeck, Schwerin; Kaufmann Haller, Schwerin; Fabrikant Völter, Schwerin; Rechtsanwalt Dr. Tretow, Wismar; Rechtsanwalt Schröder, Wismar; Rechtsanwalt Sohm, Wismar; Reg.- und Vermessungsrat Mau, Wismar; Studienrat Karsten, Schwerin; Reg.-Rat Dorendorf, Schwerin; Oberreg.-Rat Riedel, Schwerin.

b) Ausgetreten sind:

Sanitätsrat Dr. Holtermann, Neustadt; Oberkirchenrat Ahlers, Neustrelitz; Oberlandesgerichtsrat Dr. Schroeder, Hamburg; Rentner Weidemann, Schwerin; Bezirksfürsorgerin Warncke, Schwerin; Reg.-Baumeister Wachenhusen, Rostock; Geh. Reg.-Rat Flüge, Schwerin; Oberregierungsekretär Lange, Schwerin; Museumsdirektor Prof. Dr. Josephi, Schwerin; Hauptschriftleiter Wienandt, Schwerin; Frau Bürgermeister Spehr, Schwerin.

c) Gestorben sind:

Distriktsingenieur a. D. Günther. Schwerin, 12. Sept. 1922; Wirkl. Geheimer Rat v. Oertzen, Exz., Schwerin, 29. Okt. 1922; Architekt Becker, Schwerin, 31. Okt. 1922; Buchhändler Singhol, Schwerin, 5. Nov. 1922; Landdrost a. D. v. Ferber, Schwerin, 26. Nov. 1922; Landgerichtsrat Ziel, Schwerin, 28. Nov. 1922; Geh. Rechnungsrat Pöhl. Rostock, 14. Dez. 1922; früherer Rittergutsbesitzer Bobsien, Rostock, 4. Febr. 1923; Geh. Kabinettsrat Kammerherr v. Wickede, Ludwigslust, 11. März 1923; Sanitätsrat Dr. Nissen, Schwerin. 30. April 1923; Justizrat Lembke, Wismar, 31 . Mai 1923; Oberkirchenratspräsident D. Giese, Schwerin, 1. Juni 1923.

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