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III.

Geschichte
des Schweriner Hoftheaters
1836 - 1855

von

Dr. Helene Tank - Mirow .

 

Vignette
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I m Sommer 1788 hatte Friedrich Franz I. das 1698 am Alten Garten in Schwerin erbaute Ballhaus und spätere Reithaus zum Schauspielhause umbauen lassen. Hier versuchten unter der Intendanz eines herzoglichen Beamten und mit einem geringen Zuschuß vom Hofe nach einander verschiedene Theaterdirektoren ihr Heil, deren letzter Krampe (seit 1824) war. Der Brand dieses inzwischen sehr schadhaft gewordenen Hauses in der Nacht zum 23. April 1831 gab den Anlaß, der Schauspielkunst in Schwerin einen neuen Musentempel zu errichten. Der bejahrte Großherzog Friedrich Franz I. faßte, wahrscheinlich von seinem Enkel, dem kunstliebenden Erbgroßherzog Paul Friedrich dazu angeregt, den Entschluß, nach Muster anderer Höfe ein richtiges Hoftheater zu begründen. Am 16. Dezember 1833 wurde dem Direktor Krampe der Titel eines Hofschauspieldirektors verliehen und sein Zuschuß auf das Doppelte erhöht. Der bis Ostern 1836 mit ihm abgeschlossene Kontrakt blieb jedoch noch in Wirkung, und man erwartete die Vollendung des inzwischen in Angriff genommenen Baues des Schauspielhauses, um dann zugleich auch die inneren Verhältnisse des Theaters neu zu gestalten. Dies geschah am Schluß des Jahres 1835, und am 17. Januar 1836 konnte das junge Hoftheater bei der Einweihungsfeier des neuen Hauses zum ersten Mal vor die Schweriner treten. Bedeutete die Krampesche Zeit in künstlerischer Hinsicht den früheren Darbietungen gegenüber einen Fortschritt, so war nun mit der Begründung des Hoftheaters dank der freigebigen Unterstützung des Fürsten die Möglichkeit zu weiterem Aufstieg gegeben. Die bisher auf Krampes Rechnung geführten Geschäfte wurden nun in die großherzogliche Verwaltung aufgenommen. Kammerdirektor Friedrich Ludwig Ferdinand von Flotow versah noch bis zum Frühling 1836 die Intendanz, die er schon 1819 übernommen hatte. An seine Stelle trat Hofrat Zöllner, der als Sekretär der Erbgroßherzogin Alexandrine mit ihr aus Berlin nach Schwerin gekommen war. Durch seine Vorliebe für die Kunst, durch Einrichtung eines Privat-

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theaters und durch gelegentliche schauspielerische Versuche hatte er die Aufmerksamkeit des Erbgroßherzogs Paul Friedrich auf sich gezogen und war auf dessen Veranlassung berufen worden. Obgleich seine Regierungszeit erst im Februar 1837 begann, so ist doch Paul Friedrich als der eigentliche Schöpfer des Hoftheaters anzusehen. Sein Großvater, Friedrich Franz I., war damals 80 Jahre alt und regierte schon seit 1785. Er residierte fast dauernd in Ludwigslust und kam nur selten nach Schwerin, das ihm seit 1830 durch die Unruhen gründlich verleidet war. Paul Friedrich dagegen liebte Schwerin und wollte sich seine künftige Residenz nach Kräften verschönern. Er sowohl wie seine Gemahlin hatten eine große Vorliebe für das Theater; sie besuchten häufig Krampes Vorstellungen und ließen sich das Gedeihen des jungen Hoftheaters besonders angelegen sein. Paul Friedrichs Einfluß ist es auch zu verdanken, daß der Neubau des Schauspielhauses bedeutend stattlicher ausfiel, als er ursprünglich geplant war. Dies Gebäude war das erste in der Reihe derer, die er zur Verschönerung der Stadt Schwerin in Aussicht genommen hatte und an deren Ausführung ihn nur sein früher Tod verhinderte. Kurz nach Beginn seiner Regierung verlegte er die Residenz von Ludwigslust nach Schwerin. Hierher wurde im November 1837 auch das Garde-Grenadierbataillon überführt, was die Heranziehung der Hoboisten zum Theaterorchester bedeutend erleichterte. Es fielen somit zur Zeit der Begründung des Hoftheaters verschiedene Ereignisse zusammen, die das Leben und Treiben reger gestalteten. Dies machte sich bald in der Erweiterung der Stadt bemerkbar, die damals nur aus dem jetzt mittleren Teil mit seinem engen Straßengewirr und seinem holprigen Pflaster bestand 1 ). Die Einwohner, etwa 20000 an der Zahl, waren zum größten Teil Beamte und lebten in echt mecklenburgischer Einfachheit in patriarchalischem Verhältnis zu ihrem angestammten Fürstenhause. Das öffentliche Leben drehte sich fast ausschließlich um den Hof und um alles, was damit in Verbindung stand. Dazu gehörte nun auch das Hoftheater, dem die Schweriner, dem Beispiel des Hofes folgend, reges Interesse entgegenbrachten, zumal da es die einzige öffentliche Pflegestätte der Kunst war. Paul Friedrich konnte seines frühzeitigen Todes wegen dem Theater nur kurze Zeit seine Neigung zugute kommen lassen, aber seine Gemahlin bewahrte bis in ihr hohes Alter ihre Vorliebe für die Schauspielkunst. Großherzog Friedrich Franz II (1842 - 1883) hat


1) Vgl. W. Jesse, Geschichte der Stadt Schwerin, Bd. II, und Dora Strempel, Erinnerungen einer alten Schwerinerin, "Mecklenburgische Zeitung" 1916, Sonntags-Beilage 45 - 48.
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als echter Sohn seiner Eltern das Hoftheater stets nach Kräften gefördert und bekundete sein feines Kunstverständnis durch Berufung geeigneter Persönlichkeiten zu den leitenden Stellungen, unter deren Wirken sich das Hoftheater im Laufe der Zeit auf eine hohe künstlerische Stufe erhob.

Intendanz Zöllner 1836 - 1855.

Die Geschichte eines Hoftheaters nach der jeweiligen Leitung der Intendanten zu behandeln, ist bei der Schweriner Theatergeschichte insofern berechtigt, als die Intendanten dem Institut tatsächlich einen persönlichen Stempel aufdrückten, soweit dies bei der pekuniären Gebundenheit und der Rücksicht auf den Hof überhaupt möglich war. Von dem ersten dieser Intendanten, dem Geh. Hofrat Zöllner, kann man dies in künstlerischer Beziehung wohl am wenigsten behaupten. In der ersten Zeit seiner Tätigkeit griff Großherzog Paul Friedrich selbst lebhaft in die künstlerische Leitung ein und gestaltete sie ganz nach seinen Wünschen. Später, in den kritischen Zeiten um 1850 herum, fehlte es dem Intendanten oft an Mitteln, die geeigneten Kräfte an das Theater zu fesseln, und, was am schwerwiegendsten ist, er zeigte wohl Geschmack und Verständnis für Fragen des Theaters, aber seine Fähigkeiten reichten doch nicht so weit, daß er schöpferisch wirken konnte. In der letzten Zeit der Krampeschen Direktion war ihm schon ein Einfluß auf das Repertoire und auf das Engagement der Mitglieder gestattet worden. Zu Ostern 1836 wurde er endgültig mit einem Gehalt von 800 Th. als Intendant 2 ) angestellt. Wie aus einem Brief des Staatsrats von Schröter an Zöllners Nachfolger Friedrich von Flotow 3 ) und aus den Theaterakten dieser Zeit hervorgeht, vereinigte Zöllner damals in sich die Person des Intendanten wie auch des technischen Leiters, ein Umstand, der mit der Zeit für ihn eine Überbürdung mit Geschäften hervorrief. Seine unmittelbar vorgesetzte Behörde war das Ministerium, das gewöhnlich die Vermittlung zwischen der Intendanz und dem Großherzog übernahm, besonders in Geldangelegenheiten; doch wandte sich der Intendant auch häufig an den Fürsten selbst. Nach einem großherzoglichen Erlaß vom 21. Mai 1843 waren alle Engagements auf Kündigungen, Bestimmungen der Gehälter ausschließlich vom Intendanten abhängig. Keine Zahlung, kein Einkauf durfte ohne seine Genehmigung stattfinden. Über Repertoire


2) Nebenher verblieb er in seinem Amt als Kabinettssekretär der Großherzogin Alexandrine, einer Schwester Kaiser Wilhelms I.
3) Abgedruckt in "Friedrich v. Flotows Leben" von seiner Witwe, S. 123 ff.
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und Gastspiele hatte er allein nach seinem Ermessen zu entscheiden, sofern der Etat nicht überschritten wurde. War dies nicht zu vermeiden, so mußte er vorher die Genehmigung des Ministeriums oder des Großherzogs einholen. Für seine Künstler und Angestellten trat Zöllner jederzeit warm ein, wenn sie sich mit irgendwelchen Anliegen an den Großherzog wandten. Davon zeugen viele empfehlende Begleitschriften von seiner Hand unter den Akten. Über seine Persönlichkeit und Tätigkeit mag hier Carl Sontag 4 ), ein langjähriges Mitglied des Schweriner Theaters, zu Wort kommen 5 ): "Geh. Hofrat Zöllner war ein Mann, auf den niemand auch nur den geringsten Einfluß hatte, weder ein Regisseur, noch ein Mitglied. Die ganze Bureauarbeit wurde von ihm allein erledigt; er las alle Stücke selbst, verteilte die Rollen nach eigenem Gutdünken, und erst nach der Austeilung erfuhren die Regisseure von der Existenz der Stücke. Selbst den Probezettel, der ausgegeben wurde, schrieb er mit eigenen Händen. Mit einem Wort: alles ging von ihm aus . . .. Indem man nun wußte, daß bei Hofrat Zöllner jede Intrige abprallte, der Intendant allein der Täter seiner Taten war, fiel auch von selbst jede Gehässigkeit gegen den Collegen fort und gestaltete sich ein freundliches, collegialisches Verhältnis, das fast ohne gleichen war. . . . Auch von seinen Freunden hatte niemand Einfluß auf ihn in Theaterangelegenheiten. Mitglieder, mit deren Engagement der Hof nicht einverstanden war, verteidigte er wie ein Löwe. Im persönlichen Verkehr stand er nicht mit seinen Mitgliedern. Der Hofgesellschaft gegenüber aber wurde er beim geringsten Tadel impertinent grob, und wenn er in seinem Innern mit dem absprechenden Urteil einverstanden war, um so gröber." Diese übergroße Empfindlichkeit erschwerte ihm auch seinen Stand gegenüber dem Ministerium, mit dem er dauernd wegen Geldangelegenheiten in Konflikt geriet, so daß er sich mehrere Male hilfesuchend an den Großherzog wenden mußte. Als z. B. mit Schluß des Etatjahres 1849/50 das Hoftheater aufgelöst werden sollte, stellte sich eine bis dahin unbemerkte Kassendifferenz heraus, so daß das Ministerium beschloß, der Intendantur den Zuschuß immer nur auf monatliche Forderungen auszahlen zu lassen, um die finanzielle Seite strenger überwachen zu können. Zöllner fühlte sich dadurch einerseits in seiner Ehre gekränkt, andererseits im Theaterbetrieb auch tatsächlich behindert. In einem Schreiben an


4) Bruder der berühmten Henriette Rossi-Sontag, 1852 - l859 in Schwerin, danach in Dresden und Hannover.
5) "Vom Nachtwächter zum türkischen Kaiser", Bühnenerlebnisse, Hannover 1875, S. 158 ff.
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den Großherzog vom September 1851 sagte er u. a.: "Ich finde darin keinen andern Grund, als beide Ministerien (Justiz und Finanz) wollen mir die Leitung des Hoftheaters solange erschweren, bis ich diesen unaufhörlichen Widerwärtigkeiten erliege." Der Großherzog befahl daraufhin den Ministerien, Rücksicht auf die Intendantur zu nehmen und freiere Handhabung des Geldes zu gestatten. Einen für Zöllner charakteristischen Zug erzählt Sontag 6 ): "Als Frau Köster-Schlegel 7 ) aus ihrem Schweriner Abonnement schied, wollte Zöllner sie noch für einige Monate gewinnen und bot ihr 2000 Th. Die Summe wurde zu hoch befunden und das Engagement nicht bewilligt. Niemals hätte seine grenzenlose Eitelkeit zugegeben, das Engagement rückgängig zu machen, und ohne daß Frau Köster-Schlegel etwas davon ahnte, erklärte er dem Ministerio, die Künstlerin wollte für die Hälfte bleiben. Dies wurde angenommen, und Zöllner zahlte die 1000 Th. aus seiner eigenen Tasche." Ob er nun in solchen und ähnlichen Fällen über sein eigenes Vermögen hinausgegangen war und wieweit überhaupt diese Umstände mit seinem plötzlichem Tode 8 ) am 18. Juni 1855 in Verbindung zu bringen sind, läßt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Nach seinen Kräften und Fähigkeiten war er jedenfalls redlich bemüht, das Hoftheater auf eine möglichst würdige Stufe zu erheben. Es nahm auch wirklich, verglichen mit den früheren Leistungen des Schweriner Theaters, besonders im ersten Jahrzehnt seiner Wirksamkeit einen beträchtlichen Aufschwung, so daß es sich neben anderen Theatern gleicher Größe wohl behaupten konnte. Gegen Ende der 40er Jahre, in der Zeit der Revolution, ist dagegen ein Rückschritt zu bemerken. Damals war einerseits das Interesse im Publikum sehr gering, wie überall in jener Zeit, andererseits führte die 1849 eingeführte konstitutionelle Verfassung eine wesentliche Änderung in den Finanzverhältnissen des Großherzogs mit sich, die ihm eine Auflösung des Hoftheaters geraten erscheinen ließ. Infolgedessen wurde 1849 allen Mitgliedern gekündigt. Höchst erschrocken über diese Maßnahme richtete das Schweriner Publikum eine von vielen Einwohnern unterschriebene und von Zöllner warm empfohlene Bittschrift an den Großherzog um Erhaltung des Theaters. Diese wurde vorläufig für die kommende Saison zugesichert, und als mit dem Freienwalder Schiedsspruch am 12. September 1850 die alten politischen Zustände wiederkehrten, war auch das Bestehen


6) a. a. O. S. 160.
7) Luise Köster-Schlegel, 1841 - 1844 erste Sängerin in Schwerin.
8) Z. machte auf einer Reise in Würzburg durch einen Pistolenschuß seinem Leben ein Ende.
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des Theaters nicht mehr in Frage gestellt. Daß unter solchen unsicheren Verhältnissen kein festes Ensemble und damit keine guten Leistungen möglich gewesen waren, ist nicht schwer einzusehen.

Regie.

Nichtspielende Regisseure gab es, wie überall in jener Zeit, auch am Schweriner Hoftheater noch nicht. Das Amt der Regie wurde nebenher von zwei dazu fähig erachteten Mitgliedern des Personals verwaltet, deren Ernennung der Intendantur oblag. Nach Dienstinstruktionen vom 12. Oktober 1838 hatten sie die Proben anzusetzen und auf pünktliche Ausübung zu achten. Die Rollenverteilung behielt sich die Intendantur vor, doch war eine Einwendung der Regisseure möglich. Bei der Durchsicht und Beurteilung neuer Stücke sollten "die etwa anstößigen Stellen, sowie alles das, was zu lang" schien, angezeichnet und der Intendantur zur Entscheidung vorgelegt werden. Bei den Proben selbst hatten die Regisseure vor allen Dingen auf gutes Memorieren der Rollen zu achten, besonders darauf, daß metrische Stücke wörtlich genau gelernt wurden, so daß nicht, wie es heißt, "eine Menge von anstößigen und lächerlichen, gemeinen Zwischenworten eingeschaltet" würden, "welche den schönsten Vers zur Prosa umgestalten". Bei allen Rügen wird möglichste Schonung der Mitglieder empfohlen. Zum Schluß wird dazu ermahnt, allen "Konvenienzbräuchen, die an das altertümliche Zunft- und Handwerksmäßige erinnern und eines Kunstvereins nicht würdig sind", entgegenzuarbeiten. Mit schönklingenden Worten wird darauf hingewiesen, daß die Kunst höher stehe als der Künstler und somit alle kleinlichen Rücksichten wegfallen müßten. "Wer nicht das Ganze mehr liebt als sich selbst, verdient nicht den Namen eines Künstlers." Deshalb wird als unerläßlich gefordert:

  1. Rollenwechsel,
  2. Übertreten bejahrter Schauspieler von den jugendlichen in ältere Rollen,
  3. Einzelne Versuche junger Schauspieler in bedeutenden Rollen, welche diese nicht als ihr Eigentum, sondern gewissermaßen als Gastrollen geben sollen.

Wie weit diese vielversprechenden Anweisungen im einzelnen in der Praxis ausgeübt wurden, läßt sich schwer feststellen. Die Regie wird sich auf rein äußerliche Dinge beschränkt haben, von denen der Intendant Zöllner auch noch vieles selbst besorgte; ihr Einfluß auf den künstlerischen Stand der Bühne dürfte kein bemerkenswerter gewesen sein. Was die Stellung der Schauspieler

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untereinander betrifft, so scheint nach zeitgenössischen Berichten 9 )) eine die Kunst fördernde Harmonie bestanden zu haben. 1836 - 1839 wird sogar ein Oberregisseur genannt: Eduard Hoffmann, Schwiegersohn Krampes, und schon seit 1824 als Charakterspieler und Bonvivant in dessen Gesellschaft wirksam. Über seine Regietätigkeit ließ sich jedoch nichts ermitteln. 1839 überwarf er sich mit der Intendantur und verließ die Bühne. Regisseur des Schauspiels war Schmale 10 ), zugleich Vertreter der Intrigantenrollen und später der Heldenväter sowie kleiner Aushilfsrollen. Ellmenreich erwähnt seinen Mangel an Energie und seine Unkenntnis in Kostümfragen. Regisseur des Lustspiels und seit 1842 auch der Oper war Friedrich Beckmann, der seit 1824 bei Krampe die ersten komischen Rollen spielte und ebenfalls mit ins Hoftheaterpersonal übernommen war. Bis 1856 bekleidete er sein Amt als Regisseur, während er noch bis 1868 als Schauspieler in kleinen Rollen beschäftigt und dann unter Ernennung zum Ehrenmitglied pensioniert wurde. 1852 leitete er das Gesamtgastspiel der Schweriner am Carltheater in Wien. Regisseur der Oper war bis 1842 Gliemann,seit 1836 für erste Väterrollen und erste Baßpartien engagiert.

Repertoire.

Die Gestaltung des Repertoires war zunächst Sache des Intendanten. Dieser hatte es dem Großherzog zur Genehmigung einzureichen oder auch mündlich seine Einwilligung einzuholen. Großherzog Paul Friedrich griff selbst lebhaft in die Gestaltung des Spielplans ein; sein Einfluß macht sich besonders durch sehr häufige Ballettvorstellungen kenntlich, für die er eine große Vorliebe zeigte. In dem Bestreben, die Verhältnisse größerer Hoftheater möglichst getreu nachzuahmen, ließ er ein zahlreiches Ballettpersonal engagieren und Ballette großen Stils einüben. Aber auch für die andern Kunstgattungen zeigte er viel Interesse. Er versäumte mit seiner Gemahlin fast keine Vorstellung und wohnte häufig den Proben bei, wobei auf ausdrücklichen Befehl von seiner Anwesenheit keinerlei Notiz genommen werden durfte. Unter seinem Sohn Friedrich Franz II. wurde das Ballett sehr erheblich eingeschränkt und später ganz abgeschafft, da es einerseits für ein kleines Theater zu kostspielig war und es sich andererseits nicht der besonderen Vorliebe dieses Fürsten erfreute. Im einzelnen dessen Anteil an der Repertoiregestaltung festzustellen,


9) A. Ellmenreich, Erinnerungen aus dem Alt-Schweriner Hoftheater, Schwerin, Bärensprung [1922], und C. Sontag, a. a. O.
10) Von 1836 bis 1. Juli 1880 am Hoftheater tätig.
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ist leider nicht möglich, am wenigsten in dieser ersten Zeit seiner Regierung. Hin und wieder verkünden Theaterzettel, daß eine Vorstellung auf "allerhöchsten Befehl" gegeben wurde. An Verständnis und Interesse hat es von seiner Seite nicht gefehlt, und auf Anregungen des Vorstandes ist er immer bereitwillig eingegangen, wenn es sich um Förderung wahrer Kunst handelte. Bei einem Überblick über den ganzen Spielplan der Zeit von 1836 bis 1855 läßt sich feststellen, daß er im wesentlichen von dem anderer Bühnen nicht sehr verschieden war, abgesehen von dem frühen Erscheinen der Wagnerschen Opern im Anfang der 50er Jahre. Den größten Teil des Repertoires nahmen die Lustspielabende ein, dann folgte die Oper und zuletzt das Schauspiel, das weit hinter den beiden andern Gattungen zurückstand, während Lustspiel und Oper sich ungefähr die Wage hielten. Sehr beliebt waren Abende mit mehreren Stücken, zumeist Lustspielen, von denen es nur wenig gab, die einen ganzen Abend füllten. Die Zwischenakte oder auch einen Teil des Abends füllten dann Ballette aus. Oft wurden auch Konzerte von namhaften Künstlern vor oder nach einem Lustspiel gehört. Sogar Varietékünstler mit ihren "pantomimisch-gymnastisch-akrobatischen" Vorstellungen fanden zuweilen Zulaß zur Hofbühne und entzückten das Publikum nicht wenig mit ihren phantastischen Künsten, ja sie erzielten fast immer ein volles Haus und mußten auf Begehren ihre Vorstellungen wiederholen. Da das Publikum in der kleinen Stadt fast immer dasselbe blieb, war reiche Abwechslung im Repertoire geboten, und mehrere Wiederholungen derselben Stücke konnten nur bei ganz besonders ansprechenden Werken oder durch gelungene Leistungen eines beliebten Mitgliedes erreicht werden. Die allgemeine Vorliebe für das Lustspiel und die leichte Oper war insofern berechtigt, als mit den vorhandenen Kräften darin verhältnismäßig Gutes geleistet werden konnte, während das Ensemble für klassische Dramen und große Opern nicht ausreichte und neben guten Einzelleistungen das Ganze notwendig hinter den künstlerischen Anforderungen zurückbleiben mußte. War dies nicht der Fall, so ließ sich das Publikum gern einmal von den Werken unserer großen Dichter begeistern. Pekuniäre Rücksichten geboten jedoch dem Intendanten, auf die Wünsche des Publikums einzugehen, soweit er dies mit der Würde eines Hoftheaters vereinen konnte.

Was das Schauspiel repertoire betrifft, so ist die Wahl des Stückes, das zur Einweihung des Schauspielhauses aufgeführt wurde, schon bezeichnend für die Zeit; es war Raupachs Schau-

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spiel "Die Schule des Lebens". Zwar wurden Stimmen im Publikum laut, die ein würdigeres Produkt der Schauspielkunst für diesen Zweck gewünscht hätten, aber im allgemeinen gefiel es doch sehr, und Raupach, der an der Berliner Bühne jahrelang seine Machtstellung behauptete, war auch an der Schweriner Bühne ein oft und gern gesehener Gast. Bis 1846 allein kamen 15 Stücke von ihm neu zur Aufführung, und bis 1855 wurden 87 Vorstellungen seiner Werke gegeben, von denen besonders die unter dem Pseudonym von Leutner herausgegebenen "Geschwister" sehr beliebt waren. An Zahl der Aufführungen übertrafen ihn nur noch Charlotte Birch-Pfeiffer und Karl Blum. Erstere erschien 90mal auf dem Spielplan mit ihren rührseligen Volksstücken, deren sie fast jedes Jahr der deutschen Bühne ein neues bescherte. Da sie stets dankbare Rollen für die Schauspieler schrieb und für wirkungsvollen dramatischen Aufbau viel Geschick hatte, erzielten ihre Stücke immer Erfolg, wenn auch zuweilen nur ephemeren. Wie ein Lauffeuer gingen ihre Stücke über die deutschen Bühnen, und Schwerin stand in ihrer Aufnahme nicht hinter anderen Bühnen zurück. Karl Blum schoß jedoch den Vogel ab mit 97 Vorstellungen teils seiner eigenen Lustspiele, teils von Bearbeitungen ausländischer Stücke aus seiner Feder. Es folgen Angely mit 79 Aufführungen und Töpfer mit 77; ferner Benedix mit 72 Aufführungen. 1842/43 erschien er zum ersten Male auf dem Spielplan und drängte allmählich mit seinen deutschen Lustspielen die ausländischen in den Hintergrund. Als besonders gelungen bezeichnet die Kritik 11 ) die Aufführung seines Lustspiels "Das Lügen" am 26. Dezember 1852 mit Franziska Wagner, Kati Würth, Frau Parrod und den Herren Sontag und Gliemann. Die Lust und Liebe im Zusammenspiel der Schauspieler wird lobend erwähnt. Der gute Ruf des Schweriner Lustspielensembles galt auch außerhalb Schwerins und veranlaßte eine Einladung zum Gesamtgastspiel am Wiener Carltheater. Außerdem spielten Frau Parrod und Kati Würth mit viel Erfolg in Berlin und Potsdam und mit Gliemann zusammen 1852 am Burgtheater in Wien, wo sie sich Engagementsanträge von Laube erspielten. - Das deutsche Lustspiel war ferner durch Bauernfeld mit 59 Aufführungen vertreten. Sein "Bürgerlich und Romantisch" war lange Zeit ein beliebtes Repertoirestück. Ebenfalls 59mal erschien Kotzebue auf der Bühne, der Hauptanteil davon fiel in die ersten Jahre. Von 1843 ab nahm das Interesse an seinen sentimentalen Moralitäten merklich ab, und nur noch


11) "Mecklenburgische Zeitung" 1852 Nr. 302.
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selten erschien ein Stück von ihm auf dem Spielplan. Groß war die Zahl der Aufführungen ausländischer, besonders französischer Stücke. Als Interpreten dieser ausländischen Lustspiele, Vaudevilles, Possen usw. erschienen W. Friedrich 53mal, Theodor Hell (Hofrat Winkler-Dresden) und Herrmann je 36mal. Das von Hell übertragene Lustspiel "Das Glas Wasser" von Scribe wurde im April 1841 zum ersten Male gegeben und fand stets viel Beifall. Eine stattliche Anzahl Aufführungen erreichten auch Johanna von Weißenthurn (41) und Prinzessin Amalie von Sachsen (34) mit ihren gemütlichen deutschen Familienabenden. Daneben erschien seit 1839 Gutzkow, der Vertreter des jungen Deutschland, auf der Bühne. Sein Lustspiel "Das Urbild des Tartuffe" wurde im Dezember 1845 mit entschiedenem Erfolg aufgeführt; auch sein Trauerspiel "Uriel Akosta" fand viel Beifall, während sein Lustspiel "Die neue Welt" den Schwerinern nicht gefiel. Auch Nestroy und Iffland waren vertreten, außerdem alle mehr oder weniger bekannten Bühnenschriftsteller jener Zeit, denn Zöllner setzte seinen Ehrgeiz darein, dem Schweriner Publikum nichts vorzuenthalten, was auf anderen Bühnen Erfolg errungen hatte. Bemerkenswert sind darunter der spätere Schweriner Intendant G. zu Putlitz, Friedrich Halm, Mosenthal, dessen Schauspiel "Deborah" besonders gefiel und fast jedes Jahr gespielt wurde.

Von den klassischen Dramatikern erreichte Shakespeare mit 56 Aufführungen die höchste Anzahl. Daneben waren Schiller mit 48, Goethe mit 27, Lessing mit 12, Grillparzer mit 4, Uhland mit 2 und Kleist mit einer Aufführung vertreten. Die erste Saison brachte am 11. Februar 1836 Shakespeares "Hamlet" zum ersten Male in Schwerin auf die Bühne. Den Hamlet spielte G. W. Krüger vom Berliner Schauspielhaus als Gast, die Ophelia Clara Hirschmann. Wie diese erste Aufführung der vielumstrittenen Hamlet-Tragödie auf die Schweriner wirkte und wie sie gespielt wurde, konnte ich nicht feststellen. 1843 spielte W. Baumeister den Hamlet; die Aufführung war, nach dem "Freimütigen Abendblatt" 12 ) zu urteilen, eine "unsinnige Verstümmelung" des Werkes, die von einem Mißverstehen des Dichters zeugte. Ebenso klagt 1855 der Rezensent der "Mecklenburger Zeitung" über die willkürliche Behandlung der Tragödie und über die mangelhafte Szenerie. Der Geist erschien bei hellem Lampenschein auf der Terrasse. Karl Sontags Hamlet fand trotzdem viel Beifall. Im Februar 1841 fand die erste Aufführung von "Heinrich IV.", 1. Teil,


12) 1843, 18. Januar.
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in der Übersetzung von Schlegel und Bearbeitung von La Motte Fouqué statt, im Januar 1849 die von "König Lear". Im November desselben Jahres das Lustspiel "Viel Lärm um Nichts", im Februar 1850 "Die Komödie der Irrungen", im Februar 1852 "Macbeth" in der Schillerschen Übersetzung mit Gliemann als Macbeth, der seiner Rolle jedoch nicht gewachsen war, während Franziska Wagner als Lady Macbeth mehr Erfolg hatte. Die Szenerie ließ manches zu wünschen übrig. Im April 1854 wurde zum ersten Male "Othello" gespielt, und zwar mit dem berühmtesten Othellospieler jener Zeit, dem englischen Negerschauspieler Ira Alridge. Er riß das Schweriner Publikum zu stürmischem Beifall hin, obgleich er seine Rolle in englischer Sprache gab. Die Desdemona Frl. Härtings und der Cassio Karl Sontags waren daneben achtungswerte Leistungen. Die Saison 1854/55 brachte "Was Ihr wollt" und den "Sommernachtstraum" neu heraus. "Romeo und Julia" war schon bei Krampe gegeben worden; im April 1842 spielte Clara Stich die Julia als Debutrolle und wurde vom Publikum stürmisch hervorgerufen. Im "Freimütigen Abendblatt" 13 ) heißt es u. a. "die Darstellung gab ein Resultat, über welches man unser Hoftheater beglückwünschen darf". Im März 1853 wird eine Aufführung derselben Tragödie mit Franziska Wagner als Julia und Karl Sontag als Romeo als nahezu vollendet bezeichnet. Dagegen erlebte "Der Kaufmann von Venedig" im Mai 1842 eine schlechte Aufführung, bei der zu viel gestrichen und von den Schauspielern dafür hinzugefügt worden war. - Von den Aufführungen der Schillerschen Dramen war für Schwerin nur der "Fiesco" neu, der am 20. November 1844 gegeben wurde. Die "Räuber" waren seit 1789 auf dem Repertoire, ebenso "Kabale und Liebe", "Don Carlos" seit 1790, "Die Jungfrau von Orleans" und "Maria Stuart" seit 1801. Von einer Aufführung der Maria Stuart im März 1852 berichtet die Kritik, daß nur Frl. Wagner ihrer Aufgabe gerecht geworden sei, während sie später im Februar 1853 in Karl Sontag als Leicester einen guten Partner hatte. Mehrere Male wurde "Wallensteins Tod" mit Gliemann als Wallenstein gegeben, auch "Wilhelm Tell" und "Don Carlos". Im allgemeinen scheiterten diese Aufführungen ebenso wie die Aufführungen Shakespearescher Dramen trotz einzelner guter Leistungen an dem mangelnden Personal für die Nebenrollen und an szenischen Schwierigkeiten. - Von Goethes dramatischen Werken fanden während der 19 Jahre nur 27 Aufführungen statt, davon zum ersten Male in Schwerin


13) 1842, S. 349.
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"Clavigo, im April 1837, "Tasso" am 28. Juni 1841, "Die Geschwister" im Januar 1842, "Faust" am 3. Januar 1844 und "Götz von Berlichingen" am 23. April 1851. Der 1789 zum ersten Male gespielte "Egmont" wurde neu einstudiert und war neben den "Geschwistern" das beliebteste von Goethes Dramen. Von einer "Egmont" -Aufführung im Frühling 1845 behauptete die Kritik, daß sie "aufrichtige Teilnahme des Publikums erweckte, wie es die modernste Oper nicht besser vermag". Fast jedes Jahr erschien "Egmont" im Spielplan, besonders gut aufgeführt im Anfang der 50er Jahre. Die "Geschwister" kehrten ebenfalls sehr häufig wieder; bei der ersten Aufführung im Januar 1842 hatte die begabte und vielbeliebte Minna Reichel die Marianne so seelenvoll gespielt, daß diese Leistung nach dem kurz darauf erfolgten Tode der Darstellerin noch lange in aller Erinnerung blieb und begeisterte Nachrufe auf die Frühverstorbene hervorrief. Über die Wirkung der ersten Tassoaufführung ließ sich leider nichts ermitteln, doch läßt die Besetzung mit Baumeister als Tasso, Minna Reichel und Frau Hysel als Leonoren bei dem Ruf der Schauspieler auf eine würdige Leistung schließen. Selten jedoch erschien dies Werk auf dem Spielplan wie auch an anderen Bühnen, da es sowohl an die Darstellung wie an das Publikum große Anforderungen stellt. Die erste Aufführung des "Faust" am 3. Januar 1844 muß den Schwerinern gut gefallen haben, denn es konnten in derselben Saison noch drei Wiederholungen stattfinden, was immerhin eine Seltenheit war. Die Titelrolle spielte Baumeister, der diese Rolle allmählich zu einer gelungenen Leistung ausarbeitete. Das Gretchen spielte Fräulein Quandt als Debutrolle mit viel Erfolg; den Mephistopheles zunächst Schirmer, nach dessen Abgang 1844 Gliemann, der sich lange Jahre hindurch in dieser Rolle viel Anerkennung erwarb. Über die Bühnengestalt, in der "Faust" aufgeführt wurde, meldet der Theaterzettel "Dramatisches Gedicht in sechs Abteilungen" mit Musik von Radziwill und Lindpaintner. Von der dritten Aufführung ab wurde als Einleitung die Ouvertüre aus der Oper "Faust" von Spohr gespielt. Im April 1847 brachte ein Gastspiel der berühmten Tragödin Frau Peroni-Glasbrenner als Gretchen im "Faust" die Aufführung auf eine gewisse Höhe. 1853 erschien der "Faust" dann wieder neueinstudiert mit Bethge in der Titelrolle. - Von den 12 Aufführungen Lessingscher Dramen war neu "Nathan der Weise" am 27. April 1843, wobei Gliemann als Nathan befriedigte, während Frau Hysel als Recha nicht genügte und Schmale als Patriarch gar an die Posse streifte. Trotzdem bezeichnete die

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wohlmeinende Kritik die Vorstellung als recht gelungen im Ensemble. "Emilia Galotti", schon seit 1788 und "Minna von Barnhelm" seit 1789 in Schwerin bekannt, erlebten einige wenige Aufführungen. - Grillparzer kam nur viermal zu Gehör, davon dreimal mit der "Ahnfrau" und einmal mit "Sappho", die im April 1849 zum ersten Male in Schwerin auf die Bühne kam. - Uhlands selten aufgeführtes Schauspiel "Ernst Herzog von Schwaben" wurde am 23. Januar 1843 einmal gespielt, um dann wieder ganz vom Repertoire zu verschwinden. Der 23. Februar 1846 brachte dann von Uhland sogar eine Uraufführung seines Schauspiels "Ludwig der Bayer", das bisher noch keinen Weg zur deutschen Bühne gefunden hatte und auch hier nach einer Aufführung wieder verschwand. - Kleist kam nur einmal zur Aufführung mit seinem romantischen Ritterschauspiel "Käthchen von Heilbronn", das 1818 zum ersten Male in Schwerin aufgeführt worden war und jetzt im Januar 1845 "unter allgemeiner Heiterkeit und vielseitiger Teilnahme des Publikums als Posse gegeben wurde, wozu mit ehrenvollem Ausschluß von Fräulein Quandt, Frau Höffers, Baumeister und Gliemann alle übrigen Mitwirkenden redlich das ihrige beitrugen" 14 ).

Die Opernabende waren im allgemeinen beim Publikum sehr beliebt, die Leistungen je nach Besetzung der Hauptpartien sehr verschieden und demnach auch das Opernrepertoire entsprechend gestaltet. Großen Raum nahmen die französischen und italienischen Opern ein, die in jener Zeit auf allen Bühnen die Vorherrschaft hatten, die ihnen die deutsche Oper erst allmählich streitig machen konnte. Die erste Oper im neuen Hause war freilich eine deutsche, nämlich die damals beliebte "Jessonda" von Spohr, die bis 1855 noch 17mal gespielt wurde. Außer dieser gelangte Spohrs Oper "Faust" 1838 ein einziges Mal zur Aufführung. Bei weitem die meisten Aufführungen erreichte Auber mit 16 Opern, die im ganzen 123mal gespielt wurden. Seine Werke fanden wie überall auch in Schwerin schnelle Aufnahme. "Fra Diavolo", seit 1833, "Die Stumme von Portici", seit 1830 bekannt, erreichten die meisten Aufführungen. Sehr beliebt war auch der "Maskenball". Neu waren im Spielplan neun Opern von Auber, von denen "Der schwarze Domino" 13mal gespielt wurde, während "Die Gesandtin" und der "Herzog von Olonne" nur eine Aufführung erlebten. Die letztgenannte Oper gefiel so wenig, daß im Publikum sogar Zeichen des Mißfallens laut wurden. - Nächst Auber war Donizetti sehr bevorzugt; seine 7 Opern


14) Freim. Abendbl. 1845, S. 72.
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wurden 80mal gespielt, und zwar "Die Regimentstochter" 19mal, "Lucrezia Borgia" 17mal und "Lucie von Lammermoor" 13mal. - Noch beliebter waren die Opern von Meyerbeer in dieser Zeit, von denen drei mit 78 Vorstellungen vertreten sind. "Robert der Teufel" (36), "Die Hugenotten" (29) und der "Prophet" (13). Die Valentine in den "Hugenotten" war eine von den Glanzrollen der berühmten Luise Schlegel, die 1841 - 43 der Stern der Schweriner Oper war. In dieser Rolle erwarb sie sich auch schnell die Gunst des Berliner Publikums. - Bellinis vier Opern gelangten 71mal auf die Bühne: "Die Nachtwandlerin" (22), "Norma" (24), "Die Puritaner" (4) und "Capuletti und Montecchi" (21), letztere wurde schon unter Krampe gespielt. Als Armide in der Nachtwandlerin und als Norma entzückte Jenny Lind, die "nordische Nachtigall", im April 1843 das Schweriner Publikum. Ihre Leistungen riefen eine solche Begeisterung hervor, wie sie in Schwerin sonst selten gezeigt wurde. Es gab einen unglaublichen, nie gesehenen Andrang zu den Vorstellungen, und mit den Einlaßkarten wurde geradezu Wucher getrieben. "Begeisterte Gedichte feierten die Künstlerin bei ihrem Abschied". - Die italienische Oper war ferner mit Rossini 62mal im Repertoire vertreten. Neu waren davon in Schwerin: "Tell", der seit 1836 22 Aufführungen erlebte, und die "Belagerung von Corinth". Von den früher schon bekannten Opern war "Der Barbier von Sevilla" am meisten beliebt. - Von den deutschen Operkomponisten steht an erster Stelle C. M. von Weber mit 62 Aufführungen von vier Opern. Die bis heute beliebteste und volkstümlichste seiner Opern "Der Freischütz" war schon am 23. Januar 1823 zum ersten Male in Schwerin gespielt worden. Während Zöllners Intendanz erlebte sie 31 Aufführungen und übte immer wieder große Anziehungskraft auf das Publikum aus. "Oberon", auch schon seit 1829 bekannt, wurde 16mal gespielt, neu dagegen war "Euryanthe", am 19. September 1841 mit Luise Schlegel in der Titelrolle, seitdem noch 11mal gespielt. Weniger Anklang fand die heroisch-komische Oper "Sylvana", die nur 1839/40 dreimal gespielt wurde. - Zu den beliebtesten Operabenden gehörten Aufführungen Mozartscher Werke, die, obgleich sie keine neuen Erscheinungen im Spielplan waren, immer wieder ihren Reiz auf die Zuhörer ausübten. "Don Juan" erlebte 20, "Figaros Hochzeit" 17, "Die Zauberflöte" 14 und "Belmonte und Constanze" 5 Aufführungen. Je nach Besetzung der ersten Rollen waren die Vorstellungen mehr oder weniger gut. Im Frühling 1845, in der Zeit, die für die Schweriner Oper überhaupt wohl

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den größten Tiefstand bedeutete, wurden z. B. auch "Don Juan" und die "Zauberflöte" so schlecht gegeben, daß lebhafte Wünsche nach einer durchgreifenden Reform der Oper laut wurden, sowohl was die Orchester- und Sängerbesetzung als auch was die Szenerie betraf. - Lortzing war mit 39 Aufführungen vertreten. Seine Oper "Zar und Zimmermann" 15 ) erschien zum ersten Male am 25. Juni 1839 und erfreute die Schweriner bis 1855 21mal. Weniger gefielen "Die beiden Schützen" und "Hans Sachs" mit dem Deinhardsteinschen Text, dagegen konnte der "Wildschütz" seit 1844 9mal gegeben werden. - Schnell fanden die Opern Friedrich von Flotows ihren Weg zur Bühne. Der Hof nahm an den Werken dieses einheimischen Komponisten regen Anteil, der sich darin äußerte, daß man die Erstaufführungen seiner Opern gern als Festaufführungen an den Geburtstagen der großherzoglichen Familie wählte. Als erste seiner Opern erschien am 23. Februar 1841 16 ) "Die Herzogin von Guise", ohne sich jedoch länger auf dem Spielplan halten zu können. Am 28. Februar 1845 17 ) dagegen wurde die von Flotow selbst dirigierte Oper "Stradella" mit lebhaftem Beifall aufgenommen, nachdem sie am 30. Dezember 1844 in Hamburg ihren Siegeszug über die deutschen Bühnen angetreten hatte. In Schwerin wurde sie bis 1855 16mal aufgeführt. Noch mehr gefiel am 28. Februar 1848 "Martha" 18 ), die dem Komponisten auf allen Bühnen festes Heimatsrecht verschaffte. Sie wurde in den folgenden sieben Jahren 23mal gespielt; für die Titelrolle war besonders Fräulein Limbach (1846 - 50) eine gute Vertreterin. Bedeutend weniger gefielen "Die Matrosen" am 28. Februar 1849 und "Sophie Catharina" 19 ) am 16. Februar 1851, die beide nur wenige Aufführungen erlebten. Auch seine dreiaktige Oper "Indra" 20 ), mit dem von G. zu Putlitz verfaßten Text, konnte am 28. Februar 1854 das Publikum nicht erwärmen. Sie wurde am 1. März 1879 in neuer Bearbeitung vom Intendanten von Wollzogen als "Alma" wieder ins Repertoire aufgenommen und war als sogenanntes Drei-Intendantenstück ein Kuriosum auf der Schweriner Bühne, ohne jedoch zu höherer künstlerischer Bedeutung zu gelangen. - Eine ungeheuere Bereicherung des Repertoires bildete in den 50er Jahren das Er-


15) Uraufführung 1837 in Leipzig.
16) Geburtstag der Großherzogin Alexandrine.
17) Geburtstag des Großherzogs Friedrich Franz II.
18) Uraufführung in Wien, 25. November 1847.
19) Uraufführung Berliner Opernhaus, 19. November 1850.
20) Uraufführung Stettin, Oktober 1852, dann Wien und Berlin mit Luise Köster-Schlegel.
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scheinen von Richard Wagners Opern in Schwerin. In dem Kampf der Meinungen um die Wagnersche Musik, der damals in der Kunstwelt entbrannte, ist es besonders bemerkenswert und bedeutend, daß Schwerin als erste unter den kleineren Bühnen der neuen Musik die Tore öffnete und damit den meisten größeren Bühnen mutig voran schritt. Es zeugt von dem Kunstverständnis des Großherzogs, daß er das für eine kleine Bühne immerhin recht schwierige Unternehmen wirksam unterstützte und förderte. Durch welchen Umstand und durch welche Persönlichkeiten die Anregung zur Einstudierung seiner Werke in Schwerin gegeben wurde, erfahren wir durch Wagner selbst. In seiner Biographie 21 ) erzählt er, daß der Rendant Stocks, von der jugendlichen Sängerin Frau Moritz-Röckel 22 ) durch eine begeisterte Schilderung ihres in Weimar von einer Tannhäuseraufführung empfangenen Eindrucks bewogen, die Oper für sich eifrigst studiert und die Direktion des Hoftheaters dazu angetrieben habe, ihre Aufführung vorzubereiten. Die Anfrage um das Aufführungsrecht traf Wagner in einer Zeit seelischer und körperlicher Depression während seines Schweizer Aufenthalts und mag ihm als ein neuer Hoffnungsstrahl recht wohl getan haben. Stocks trat mit Wagner selbst in Verbindung, und da von 1850 - 53 auch Franziska Wagner, Tochter Alberts und Nichte Richard Wagners, in Schwerin als erste Heldin engagiert war, kam es zu einem lebhaften brieflichen Verkehr zwischen Wagner und Schwerin. Am 26. Januar 1852 konnte die erste Aufführung des "Tannhäuser" bei aufgehobenem Abonnement stattfinden 23 ). Die Oper war vorher nur in Dresden am 19. Oktober 1845 unter Wagners eigener Leitung und dann in Weimar unter Liszt mit Erfolg gespielt worden. In Schwerin gelang es dank der Hingebung aller Mitwirkenden, dem "Tannhäuser" einen vollen Erfolg zu sichern, obgleich die Aufführung bei den vorhandenen Kräften und dem verhältnismäßig kleinen Orchester sicher manches zu wünschen übrig ließ 24 ). Wie rege


21) R. Wagner, Mein Leben, München 1911, 2. Bd., S. 578 f.
22) Jüngste Schwester von August Röckel, des Musikdirektors in Dresden (1845 - 1849) und aufopfernden Freundes Richard Wagners, besonders in dessen Dresdener Zeit. Frau Moritz-Röckel war 1850 - 1852 in Schwerin als erste Sängerin engagiert.
23) In der Musikalien-Bibliothek des jetzigen Theaters befindet sich noch eine Taunhäuserpartitur mit Richard Wagners eigener Widmung. Die Ausgabe ist vom Jahre 1845 aus Dresden und trägt auf dem Titelblatt von Wagners Hand die Worte "dem Hoftheater zu Schwerin gehörig. Richard Wagner."
24) Besetzung der Tannhäuser-Aufführung am 26. Januar 1852: (  ...  )
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jedoch das Interesse im Publikum war, geht schon daraus hervor, daß die Oper noch in derselben Saison sechsmal wiederholt werden konnte bei stets voll besetztem Hause 25 ). Zwei von diesen Vorstellungen fanden außer Abonnement statt, und zu der Vorstellung am 14. Februar war sogar ein Extrazug aus Wismar eingelegt worden, um auch auswärtigen Kunstfreunden Gelegenheit zu geben, Wagners Musik kennen zu lernen. Wagner selbst schrieb an seine Nichte: ". . . Ich komme hier von Dir sogleich auf die Schweriner Aufführung des "Tannhäuser": sie hat mir wirkliche Freude gemacht, weil sie mir Zeugnis von dem aufopfernden Eifer gab, den ich im einzelnen zu erwecken imstande bin. Daß mich die eigentliche Masse dabei gleichgültig läßt, mußt Du ganz natürlich finden: ich weiß, sie begreift doch nicht, worauf es hierbei ankommt" 26 ). - Daß nun das Schweriner Publikum dies sogleich begriffen hätte, kann man kaum erwarten; jedenfalls aber stellte es sich dem Neuen durchweg empfänglich gegenüber und war hierin sicher vom Verhalten des Hofes mitbestimmt. Es verging von nun an kaum eine Saison, in der "Tannhäuser" nicht gespielt wurde. 1852/53 wurden die Hauptrollen neu besetzt: Tannhäuser durch Hagen; Landgraf - Warray; Elisabeth - Frau Oswald; Venus - Frl. Rafter. Die drei Aufführungen gelangen gegenüber denen des Vorjahres schon wesentlich besser, wenn auch die Venusbergszene noch immer ziemlich mangelhaft ausfiel und die Venus selbst noch keine wirklich gute Vertreterin gefunden hatte. Doch bezeichnete die Kritik die "Tannhäuser"-Aufführung vom 15. Februar 1853 neben einer Operaufführung von "Orest" als die gelungenste Leistung in der Saison. Am 6. April 1853 kam als zweite Oper Wagners der "Fliegende Holländer" auf die Bühne 27 ), der am 2. Januar 1843 in Dresden seine Uraufführung erlebt hatte. Hinze als Holländer und Frau Oswald als Senta genügten stimmlich nicht ganz den Anforderungen. Die Vorstellung als Ganzes wurde von der Kritik gelobt, besonders die


(  ...  ) Landgraf - Roberti, Heinrich der Schreiber - Stephan, Tannhäuser - Young, Reimar v. Zweter - Parrod, Wolfram - Hinze, Elisabeth - Dem. Bamberg, Walther v. d. Vogelweide - Damcke, Venus - Mme. Moritz-Röckel, Biterolf - Rossi, Hirt - Dem. Schweichler.
25) 28. Januar, 8. und 14. Februar, 3. März, 12. und 25. April 1852.
26) Familienbriefe S. 184, Zürich 21. März 1852.
27) Besetzung der ersten Holländer-Aufführung am 6. April 1853: Daland - Warray, Mary - Mme. Lafrenz, Senta - Mme. Oswald, Steuermann - Kühn, Erik - Hagen, Holländer - Hinze.
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Ausstattung und die Leistungen des Kapellmeisters und Chordirektors. Am 10. April und 1. Mai fanden zwei Wiederholungen bei aufgehobenem Abonnement statt, die aber kein vollbesetztes Haus erreichten. Überhaupt sagte dieses Werk Wagners den Schwerinern weniger zu als der "Tannhäuser", der bis 1855 18 Aufführungen erlebte, während der "Fliegende Holländer" nur siebenmal gespielt wurde. Am 15. Januar 1854 folgte "Lohengrin", nachdem am 28. August 1852 in Weimar erst die Uraufführung stattgefunden hatte 28 ). Die Oper wurde bei aufgehobenem Abonnement gespielt und konnte fünfmal in der Saison wiederholt werden 29 ). Die Kritik versagt in dieser Zeit gerade, doch lassen die zahlreichen Aufführungen auf Erfolg schließen. Zur Aufführung am 16. März ließ sich eine Stimme in der "Mecklb. Zeitung" 30 ) vernehmen, die alle Mitwirkenden bat, sich nicht dadurch abschrecken zu lassen, daß das Publikum die Ausgaben nicht so schnell anerkenne, da es zur Würdigung der gebotenen Leistungen auch des Verständnisses der hier zu lösenden großartigen Schwierigkeiten bedürfe; das könne jedoch nur durch häufigeres Anhören und eingehendes Studium gewonnen werden. Eine entgegengesetzte Ansicht spricht dagegen Chrysander 31 ) aus, der meint, daß Wagners Opern zu oft aufgeführt und deshalb viele ihrer überdrüssig geworden seien. Er empfiehlt daher, neben Wagner die "Klassiker der Musik" Mozart, Beethoven, Weber und Gluck nicht zu vergessen. So waren auch in Schwerin die Meinungen über Wagners Opern geteilt, und es ist besonders der Leitung des Theaters zu verdanken, daß die neue Musik sich hier verhältnismäßig früh durchsetzen konnte und Wagners Opern sogar allmählich zu Lieblingen des Publikums wurden, während sie an vielen Theatern noch gar nicht gespielt wurden. - Neben den bisher erwähnten Opernkomponisten weist das Repertoire alle mehr oder weniger bekannten Vertreter der deutschen sowohl wie der italienischen und französischen Oper auf. Sehr beliebt war Beethovens Oper "Fidelio", die 15mal aufgeführt wurde und besonders zur Zeit der Luise Schlegel und der Limbach beim Publikum in hoher Gunst stand. Kreuzers "Nachtlager von


28) Besetzung der ersten Lohengrin-Aufführung am 15. Januar 1854: Heinrich der Vogler - Warray, Telramund - Hinze, Lohengrin - Hartmann, Ortrud - Mme, Oswald, Elsa - Dem. Rochlitz, Heerrufer - Rossi, Herzog Gottfried - Christine Fuchs.
29) 29. Januar, 5. Februar, 16. März, 2. und 17. April 1854.
30) "Mecklenburgische Zeitung" 1854 Nr. 65.
31) "Abhandlung über Musik und Theater in Mecklenburg", Archiv für Landeskunde, 1854, S. 377 ff.
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Granada" erlebte seit der ersten Aufführung am 14. Oktober 1838 14 Aufführungen, Marschners "Hans Heiling" seit 15. November 1846 neun, sein "Vampyr" fünf und "Templer und Jüdin" zwei Aufführungen. Gläsers "Adlershorst", schon bei Krampe auf dem Spielplan, wurde zehnmal gespielt, Glucks "Iphigenie auf Tauris" 1852/53 zweimal. Daneben erscheinen Namen wie: Dittersdorf, Weigl, Himmel, Kücken, Maurer u. a. - Von ausländischen Komponisten ferner Boieldieu mit 27 Aufführungen, Adam mit 25, Halevy mit 16, Hérold mit 15, Méhul mit 7, Cherubini mit 6, Balfé mit 6, Spontini mit 3 Aufführungen usw. Der Schweriner Musikdirektor Mühlenbruch brachte am 28. Februar 1846 seine eigene Oper "Merope" auf die Bühne, die nach einmaliger Aufführung jedoch vom Spielplan verschwand. Gleiches Schicksal teilte die Oper "Gundel" von Albert Ellmenreich, einem Mitglied des Schauspielpersonals, der sich als Bühnenschriftsteller und Komponist betätigte. Zu 8 Aufführungen dagegen gelangten die "Obotriten" von Lappe, einem Orchestermitglied. Die Oper wurde am 24. Februar 1840 zur Festaufführung gewählt und hielt sich des patriotischen Inhalts wegen etwas länger auf dem Spielplan.

Personal 32 ).

Eine strenge Scheidung zwischen Schauspiel- und Opernpersonal war in dieser ersten Zeit des Hoftheaters noch nicht durchgeführt. Hier, wie noch allgemein damals üblich, waren die meisten Schauspieler zugleich Sänger, besonders läßt sich das in der Besetzung der Herrenrollen feststellen. Namentliche Erwähnung sollen hier nur die Vertreter und Vertreterinnen erster Rollenfächer finden. Von Krampes Schauspielgesellschaft übernommen wurden:

1. Friedrich Beckmann, als erster Komiker und Regisseur des Lustspiels. Seit 1834 bei Krampe, war er bis 1856 als Regisseur und bis 1868 noch in kleinen Rollen beschäftigt. Neben ihm wurde 1839 für erste komische Rollen Joseph Peters aus Hamburg engagiert. Er trat am 2. April 1839 als "Agamemnon Pünktlich" in "Kunst und Natur" von Albini zum ersten Male auf und hat bis zu seinem Tode am 27. April 1865 in Schwerin das Fach des ersten Komikers und zugleich des Baßbuffo bei allgemeiner Beliebtheit vertreten. Durch lebens-


32) Wedemeier, Beitr. z. Gesch. d. Großh. Hoftheaters in Schwerin, 1860, zählt alles Personal ohne nähere Bestimmung des Rollenfaches auf, konnte für diese Arbeit daher nicht viel nützen. Ich benutzte vielmehr das Personalverzeichnis des Theaters, Almanachs, Theaterzettel und Eisenbergs Bühnen-Lexikon.
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länglichen Kontrakt an das Hoftheater gebunden, gehörte er sozusagen zum Inventar und war mit dem Publikum ganz verwachsen. Auch außerhalb Schwerins erwarb er sich auf Gastreisen einen guten Ruf.

2. Karl Hartmann, seit 1832 für "Naturburschen und Dümmlinge" engagiert, trat auch als Tenorbuffo auf und war überhaupt nach jeder Richtung hin verwendbar. Auch er war lebenslänglich verpflichtet und wirkte bis zu seinem Tode am 19. November 1881 an der Schweriner Bühne.

3. Eduard Hoffmann, seit 1824 bei Krampe Charakterspieler und Bonvivant, war bis 1839 auch als Oberregisseur tätig, überwarf sich mit der Intendantur und verließ Schwerin. 1839 bis 1843 ersetzte ihn W. Kaiser, der im bürgerlichen Schauspiel und Konversationsstück recht Gutes leistete. Später übernahm Gliemann fast alle Charakterrollen. Er war von 1836 - 59 tätig, spielt auch erste Heldenväter und sang Baßpartien in der Oper, deren Hauptstütze er in den 40er Jahren war. Er zählte zu den besten Kräften des Theaters in dieser Periode und war beim Publikum ungemein beliebt.

4. Friederike Hoffmann, die Frau des obengenannten Hoffmann und Tochter Krampes, spielte seit 1824 "muntere Liebhaberinnen", später "zärtliche und komische Mütter". Für sie trat 1838 Mme. Höffert, geb. Devrient 33 ), ein, die begabte Tochter Ludwig Devrients; sie spielte bis 1845 Charakterrollen und zog sich dann ganz von der Bühne zurück. 1845 - 49 Frau Schultze aus Oldenburg, während später für dieses Fach keine besondere Kraft engagiert war.

5. Klarenbach und Frau, beide seit 1831 bei Krampe; er als "ernster, komischer Alter", von 1841 - 55 zugleich als Inspektor angestellt. Seine Frau spielte bis 1849 die Rollen der komischen Alten, Ihre Nachfolgerin war von 1849 - 66 Frau Lafrenz, die allgemein als vorzügliche Vertreterin ihres Faches galt.

6. Der erste Tenorist Kiel 34 ), der von 1834 - 52 dieses


33) Emilie Devrient, Tochter Ludwig Devrients, aus erster Ehe mit M. Neefe, geboren 1808 in Dessau, ausgebildet in Braunschweig; von 1827 - 1830 in Danzig, 1832 - 1838 in Stettin und gestorben 1857.
34) Nach Ellmenreich (a. a. O. Nr. 50/51) war Kiel ein hochbegabter Darsteller, der jeder Aufgabe charakteristische Seiten abzugewinnen wußte, seine Stimme, wenn auch etwas nasal angehaucht, war von seltsamer Biegsamkeit und Ausdauer und konnte ein Schatz fürs Repertoire genannt werden. Dem schaulustigen Publikum imponierte er durch gefährlich scheinende Stürze auf der Bühne, z. B. als Fra Diavolo sprang er, sich mehrmals überschlagend, von der Brücke herab, was auf der Galerie frenetischen Jubel auslöste.
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Rollenfach ausschließlich allein vertrat. Gegen Ende der 40er Jahre verlor seine Stimme bedeutend, so daß er endlich pensioniert werden mußte. Neben ihm war 1849 - 50 der später so berühmt gewordene Theodor Wachtel als Anfänger in Schwerin. Es folgten 1851 - 52 Damcke und Young, 1852 - 53 Hagen, der sich als "Tannhäuser" auszeichnete, 1853 - 54 Hartmann, 1854 - 57 Eckert.

7. Für erste Gesangpartien Frau Johanna Schmidtgen 35 ), die seit 1831 bei Krampe war und 1841 mit ihrem Mann, dem Musikdirektor Schmidtgen, das Hoftheater verließ. Sie verfügte über eine seltene Koloratur, verbunden mit dramatischer Begabung, die ihr ein längeres Engagement in Leipzig verschaffte. In Schwerin war sie viel beschäftigt und beliebt. Ihr folgte 1841 - 44 Luise Schlegel 36 ), die 1840/41 schon in 33 Gastrollen aufgetreten war. Mit ihrem Eintritt ins Hoftheater nahm die Oper einen gewaltigen Aufschwung und bildete die Hauptanziehungskraft auf das Publikum. Während der drei Jahre ihrer Wirksamkeit in Schwerin erwarb sie sich die Herzen aller Kunstfreunde, nicht nur durch ihre volle, schöne Stimme, sondern auch durch ihre liebliche Erscheinung und ihr seelenvolles Spiel, das sie gerade in Schwerin bedeutend vervollkommnete, so daß sie bei einem Gastspiel in Berlin im Herbst 1843 glänzende Triumphe feiern konnte. Fidelio und die Valentine in den "Hugenotten" waren ihre glänzendsten Leistungen. Fidelio wurde auch während ihres Berliner Engagements 1847 - 62 ihre Lieblingsrolle, mit der sie jede Saison abzuschließen pflegte. Erste Berliner Fachkritiker behaupten, daß sie durch ihre Anlagen die Erinnerung an die glänzendsten Zeiten der Berliner Opernbühne hervorrief. Ihr Scheiden aus Schwerin erregte allgemeines Bedauern, und bei ihren späteren Gastspielen wurde sie stets jubelnd begrüßt. - Ihre Nachfolgerinnen, Frl. Grünberg, 1844/45, Frl. Kern 1845/46, erreichten sie nicht im entferntesten. Erst mit Frl. Limbach, 1846 - 50, trat wieder ein belebendes Element in die Oper ein. Frl. Bamberg, 1850 - 52, bewährte sich als Elisabeth in der ersten Tannhäuseraufführung, auch Frau


35) Geboren 1814 in Stralsund als Johanna Wieland, 1841 - 1843 Leipzig, 1843 - 1846 Wiesbaden, gestorben am 30. März 1850.
36) Geboren 22. Februar 1823 in Lübeck, erstes Auftreten als "Pamina" in Leipzig 1838, dort bis 1840 tätig; 1840/41 kurze Zeit in Berlin; da zu anstrengend, 1841 - 1844 nach Schwerin, 1844/45 Breslau, 1845 - 1847 wegen Krankheit ausgesetzt, 1847 - 1862 gefeierte Sängerin in Berlin. Seit 1843 mit Dr. phil. Hans Köster verheiratet. Gestorben in Schwerin am 2. November 1905.
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Oswald, 1852 - 56, trug als Elisabeth und später als Senta und Elsa zum Gelingen der Wagnerschen Opern bei, wenn ihre Stimme auch den Anforderungen nicht ganz gewachsen gewesen zu sein scheint.

8. Der erste Bassist Claussen wurde ebenfalls von Krampe übernommen, bei dem er seit 1834 beschäftigt war. 1837 jedoch schon übernahm Gliemann seine Rollen 37 ), und als dieser 1841 zum Baßbuffo überging, wurde als erster Bassist Wilhelm Hinze 38 ) verpflichtet, der als tüchtiger Sänger bis zu seinem Tode in Schwerin beschäftigt wurde und nebenher auch im Schauspiel aushalf.

Neubesetzt wurden mit der Gründung des Hoftheaters folgende Fächer:

1. Als jugendlicher Liebhaber und Held Liphardt, der sich jedoch nicht bewährte und 1839 durch Wilhelm Baumeister 39 ) ersetzt wurde, Bruder des berühmten Wiener Schauspielers Bernhard Baumeister, der selbst von 1843 - 46 als Anfänger der Schweriner Bühne angehörte. Wilhelm B. zeichnete sich durch ein umfangreiches, schönes Organ, gute Aussprache und vorteilhafte Erscheinung aus. Seine eigentliche Begabung lag im Lustspiel, das in Schwerin mit seinem Eintritt wesentlich gehoben wurde. Sein Nachfolger wurde Ludwig Gabillon 40 ), 1848/49 - der "schöne Gabillon", wie er in Schwerin allgemein hieß -. 1849 - 52 wurde für ihn Theodor Vollmer engagiert 41 ), dessen Hauptstärke ebenfalls in Lustspielfiguren von Benedix und Bauernfeld lag. 1852 wurde für


37) Vgl. S. 92.
38) Geboren 1813 in Braunschweig, zunächst Schreiber, 1841 - 1876 in Schwerin, zugleich Kammersänger und Geigenkünstler, gestorben 26. September 1876. Seine Hauptrolle war "Marcel" in den "Hugenotten".
39) Geboren 22. November 1810 in Posen, wurde zunächst Offizier, 1834 - 1836 in Leipzig jugendlicher Liebhaber, 1837/38 in Hamburg, 1839 - 1848 in Schwerin, 1848 - 1850 Regisseur in Breslau, 1850 - 1852 Oberregisseur in Hamburg, 1857 - 1870 in Berlin. Seine Frau war 1839 - 1848 in Schwerin zunächst Soubrette, dann Vertreterin des älteren Faches.
40) Geboren 16. Juni 1823 bei Güstrow, 1849 - 1851 in Cassel, 1851 - 1853 Hannover, seit 1853 am Burgtheater in Wien, wo er eine bedeutende Stütze wurde und 1875 zum Regisseur ernannt wurde. Gestorben 13. Februar 1896. In Wien spielte er besondere Charakterrollen, er prägte die sogenannten "Gabillonrollen", z. B. den "Hagen" in Hebbels "Nibelungen".
41) Geboren am 3. Januar 1817 in Braunschweig, gestorben 23. Juni 1886 in Dresden, 1882 und 1883 leitete er in Schwerin in Vertretung des erkrankten Intendanten v. Wolzogen das Interimstheater am Luisenplatz.
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sein Fach Karl Sontag 42 ) gewonnen, der bis 1859 in Schwerin blieb, sich jedoch in den letzten Jahren immer mehr dem Charakterfach zuwandte. Er kam als Anfänger nach Schwerin und war, wie er selbst in seinen Erinnerungen zugibt, in den ersten Jahren weder für das Heldenfach im Drama noch für das des ersten Liebhabers und Bonvivants im Lustspiel ausreichend. Er machte jedoch schnell Fortschritte, und seine Kritiken lauteten bald günstig. Sein Max Piccolomini, Leicester, Valentin, Egmont und Hamlet waren sehr beliebte Leistungen. Ganz besonders erwarb er sich jedoch in Lustspielrollen die Gunst des Publikums. Unter ständiger Erhöhung der Gage konnte die Intendantur ihn bis 1859 in Schwerin halten.

2. Für erste Helden und chargierte Rollen wurde 1836 Albert Ellmenreich engagiert, der bis 1859 vielseitig beschäftigt wurde. Er war nebenher als Komponist tätig, seine Oper "Gundel" wurde 1849 in Schwerin gespielt. Seine Frau Minna Lauber war 1837 - 41 ebenfalls an der Schweriner Bühne als Liebhaberin tätig.

3. Erste Heldin war 1836 Clara Hirschmann. Sie sprach bei der Einweihung des neuen Theaters den Festprolog und gewann in kurzer Zeit die Gunst des Publikums, Sie starb jedoch am 14. Oktober 1836 plötzlich in Schwerin. 1836/37 war kurze Zeit Frl. von Zahlhas engagiert, 1837 - 39 Frau Clauer, l839/40 Frl. Hausmann, 1840 - 42 sodann Minna Reichel 43 ), eine der anziehendsten Gestalten des Schweriner Hoftheaters. Sie war der Liebling des Hofes und des Publikums. Im Herbst 1841 erwarb sie sich als Johanna und als Luise Millerin große Anerkennung, auch auf Gastreisen in Hannover, Braunschweig und Hamburg. Ihrem Engagement am dortigen Stadttheater konnte sie nicht mehr Folge leisten, da sie am


42) Geboren am 7. Januar 1827 in Berlin, Halbbruder der berühmten Sängerin Henriette Sontag. Erstes Auftreten 1848 in Dresden, bis 1856 unter dem Namen Carl Holm bekannt. Schweriner Engagement 1852 - 1859, in Dresden 1859 - 1862, dann in Hannover 1862 - 1877, wo er wegen seiner Autobiographie entlassen wurde. Seitdem Gastspielreisen. Paul Lindau sagt von ihm in seinem Buch "Nur Erinnerungen": "Das Wesentlichste seines Spiels, das Reizvollste und Wirksamste seiner Kunst beruhte gerade in der rücksichtslosen Natürlichkeit und schlichten Echtheit. Er konnte als Künstler - und das war ein Vorzug und zugleich ein Mangel seiner Kunst - aus seiner eigensten Individualität schwer heraus. Wenn er wirklich gut spielte, spielte er immer sich selbst."
43) Geboren 16. August 1816, begann sie ihre Laufbahn am Burgtheater, wo ihr Vater Regisseur war. Schreyvogel erkannte ihr Talent und förderte sie in ihrer Kunst.
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30. Januar 1842 nach kurzer Krankheit starb. Am 17. Januar 1842 war sie zum letzten Male als Marianne in Goethes "Geschwistern" aufgetreten und hatte den Schwerinern einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen, so daß allgemeine Trauer um ihren plötzlichen Tod herrschte. Im April 1842 wurde für sie Clara Stich 44 ) gewonnen, die gleich bei ihrem ersten Auftreten als Julia das Publikum zu stürmischem Beifall hinriß. Sie verließ 1843 bereits wieder Schwerin, ihre Nachfolgerin Frl. Quandt, 1843 - 45, wird von der Kritik gelobt. 1846 - 48 fehlte eine eigentliche Kraft für tragische Rollen. Die jugendliche Liebhaberin Frl. Brock versuchte sich zuweilen darin, sonst wurden Gäste herangezogen. 1848/49 ist Frl. Schwelle zu nennen, 1849/50 Auguste Bernhard, die für tragische Rollen außergewöhnliche Begabung hatte und 1850 mit Berlin einen zehnjährigen Kontrakt abschloß. Ihre Nachfolgerin wurde Franziska Wagner 45 ), die Nichte Richard Wagners und Schwester der berühmten Johanna Wagner. Ihr Talent ragte in jenen Jahren entschieden über die sonstigen Leistungen des Hoftheaters hinaus. Als Maria Stuart, Johanna, Thekla, Klärchen, Julia, Lady Macbeth leistete sie Vortreffliches. 1853/54 wird Frl. Widmann genannt, von der nichts Näheres bekannt ist, 1854 - 56 Frl. Harke, die mit Sontag, Gliemann, Ellmenreich und Frau Parrod ein gutes Ensemble bildete.

4. An jugendlichen Liebhaberinnen sind zu nennen Frau Ellmenreich 1837 - 41, Frau Hysel 1839 - 42, Frl. Bröge 1842/43, Frl. Brock 1843 - 48, Frl. Ost 1848 - 50, Kathinka Würth 1851 - 53, die sich ganz besonderer Beliebtheit erfreute, Frl. Herting 1853/54.

5. Das Rollenfach des Bariton wurde 1836 mit Francois Parrod neu besetzt, der bis 1859 tätig war, über ein gutes Mittelmaß jedoch nicht hinausreichte. Neben ihm wurde 1854 in André ein erster Bariton gewonnen, der bis 1871 eine gute Stütze der Oper war.

6. Karoline Parrod 46 ), geb. Beutler, mit ihrem Mann zugleich engagiert, sang bis 1843 Sopranrollen, wandte sich dann,


44) Tochter der berühmten Auguste Stich-Crelinger, geboren 1820 in Berlin, wo sie 1843 engagiert wurde und 1852 in das Fach der Heldenmütter überging. Gestorben 1862.
45) 1860 - 1862 als Frau Ritter-Wagner in Schwerin für Heldenmütter engagiert.
46) Geboren 20. Juni 1819 in München. Auf Mendelsohns Anraten wurde sie für die Bühne ausgebildet und gehörte 1834/35 der Immermannschen Musterbühne in Düsseldorf an. Gestorben in Schwerin am 18. April 1855.
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da ihre Stimme für heroischen Gesang nicht ausreichte, ganz dem Schauspiel zu. Salondamen und feinere Soubretten waren ihr eigentliches Fach, in dem sie ungewöhnliche Grazie und feinen Takt zeigte. Von Laube zum Gastspiel am Burgtheater aufgefordert, erspielte sie sich mit Gliemann und Frl. Würth Engagementsanträge, die sie jedoch ausschlug.

7. Als 2. Sopranistin wurde für die Oper 1836 Frl. Gneib gewonnen, die neben Luise Schlegel bis 1843 recht Gutes leistete. Nach ihr wurde nur vorübergehend eine zweite Sängerin für die ersten Partien engagiert. Mitte der 40er Jahre war die Besetzung der Oper überhaupt recht mäßig, so daß 1846 Frl. Kern als einzige Sängerin genannt wird, 1847/48 sodann neben Frl. Limbach Frl. Kirchberger, 1850 - 52 Frau Moritz-Röckel, 1852/53 Frl. Rafter, 1854 - 56 Frl. Mayerhöfer, 1853/54 Frl. Rochlitz. 1850 - 54 ist Antonie Held als Vertreterin der Soubrettenrollen zu nennen. Dawison nannte sie "erste Hoftheatersoubrette Deutschlands".

Die Besetzung der Nebenrollen war besonders im Schauspiel verhältnismäßig gut und reichhaltig. Es waren dies meist langjährige Mitglieder, die teilweise lebenslänglich engagiert waren und den bleibenden Stamm des Personals bildeten. Dies ermöglichte einerseits ein gutes Zusammenspiel, andererseits bildeten aber gerade die lebenslänglichen Verträge ein großes Hemmnis für die pekuniäre Beweglichkeit der Leitung.

Erwähnt werden muß ferner das Ballettpersonal, das besonders in der ersten Zeit des Hoftheaters einen wesentlichen Bestandteil bildete und auf das Publikum große Anziehungskraft ausübte. 1836 gab es zunächst nur einen Tänzer und Ballettmeister Adolphe und eine Tänzerin Frl. Peroline. 1837 wurden zwei Solotänzerinnen und 6 - 8 Choristen dazu engagiert. 1837/38 gastierte die Tänzerfamilie Bernadelli aus Moskau unter dem Ballettmeister Kobler mit großem Erfolg. Auf Großherzog Paul Friedrichs Wunsch wurden Kobler und Frau Bernadelli mit ihren Kindern Charlotte, Lidie und Louis engagiert. Gelegentlich traten auch noch drei jüngere Kinder der Frau Bernadelli auf, ohne jedoch in festes Engagement zu treten. Ballettmeister Kobler wurde 1840 durch Gustav Rathgeber ersetzt, und Frau Bernadelli verließ 1841 die Bühne; es blieben Charlotte Bernadelli, spätere Frau Rathgeber, Lidie, Louis und Anton Bernadelli, sowie Frl. Fendel als fester Stamm des Balletts. Von diesen zeichnete sich Charlotte Bernadelli besonders aus. Sie wurde sogar ebenso wie Lidie und Louis B. lebenslänglich

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engagiert für verhältnismäßig sehr hohe Gage 47 ), die nur ein Extrazuschuß aus der Privatschatulle des Fürsten ermöglichte. Ein so zahlreiches Ballettpersonal konnte sich das Theater jedoch nicht lange leisten ohne Schädigung der anderen Kunstgattungen, zumal da mit dem Tode Paul Friedrichs das besondere Interesse für das Ballett fehlte. 1844 wurde daher dem Ballettmeister Rathgeber gekündigt, Anton Bernadelli war schon 1842 abgegangen. Louis Bernadelli bildete sich allmählich zum Ballettmeister heran und fand mit den von ihm inszenierten Tänzen bis 1866 viel Beifall. Die Hauptstützen blieben seine beiden Schwestern und seine Frau, früher Frl. Fendel, die noch bis 1851 tanzte. 1852 löste Charlotte Bernadelli ihren lebenslänglichen Kontrakt, während Lidie Bernadelli-Hinze noch bis 1857 blieb. Sie war später, 1872 - 76, als Ballettmeisterin für Gruppierungen und Chortänze wieder tätig.

Gäste.

Außer den vielen auf Engagement gastierenden Schauspielern und Sängern wurden während Zöllners Intendanz auch zahlreiche Künstler zu Gastspielen gewonnen. Diese ermöglichten einerseits die Aufnahme mancher bedeutenden Bühnenwerke ins Repertoire, zu denen es an den nötigen einheimischen Kräften fehlte, andererseits vermehrten sie die Einnahme beträchtlich. Das Publikum zeigte große Vorliebe für diese Gastspiele und war bei wirklich guten Leistungen sehr beifallsfreudig. Von den Gästen im Schauspiel seien hier genannt:

Der von 1819 - 37 am Berliner Schauspielhaus engagierte Georg Wilhelm Krüger trat im Januar und Februar 1836 in 10 Rollen auf, darunter am 11. Februar als Hamlet bei der ersten Aufführung dieser Tragödie.

Charlotte von Hagn, die gefeierte Berliner Schauspielerin, trat vom 14. - 29. Juni 1837 in 10 Rollen auf, u. a. als "Luise Millerin" und "Hedwig von der Gilden" im "Ball zu Ellerbrunn", nachdem sie im Sommer 1836 bei einem Gastspiel in Doberan sich


47) Der Kontrakt der Charlotte Bernadelli lautet:
vom l. März 1842 - 1850 jährlich 1500 Th.,
vom l. März 1850 - 1856 jährlich 1000 Th.,
vom 1 März 1856 - Lebensende jährl. 500 Th.,
außerdem freie Garderobe, Trikots und Schuhe, auf denen sie zweimal zu tanzen hatte, und zwei Monate Urlaub. Lidies Kontrakt lautet etwas bescheidener.
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die Zuneigung des Hofes und des Publikums im Fluge erworben hatte.

Emil Devrient, von 1831 - 68 in Dresden als erster Held engagiert, trat mit seiner Kunst am 28. Mai 1838 in der Rolle des "Marquis Posa" zum ersten Male vor das Schweriner Publikum und errang hier wie überall den größten Erfolg. Am 1. Juni trat er als "Hamlet", am 4. Juni als "Rubens" in "Rubens in Madrid" bei dessen erster Aufführung auf. Außerdem noch als "Jaromir" und "Kean".

Ebenfalls 1838, vom 21. - 26. Juni, trat Schneider als Komiker in 7 Rollen auf. Er hat sich später als langjähriger Vorleser Friedrich Wilhelms IV. und als Bearbeiter und Verfasser mehrerer Bühnenwerke einen Namen gemacht.

Vom 3. - 13. Juni 1842 gastierte in fünf Rollen die berühmte Auguste Crelinger, deren Tochter Clara Stich damals in Schwerin engagiert war. Am besten gefiel sie als "Isabella" in der "Braut von Messina", weniger als "Königin Christine" in Laubes "Monaldeschi". Im ganzen scheint sie die auf sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt zu haben.

Frau Peroni-Glasbrenner, eine der berühmtesten Tragödinnen ihrer Zeit und hochgeschätzte dramatische Lehrerin, kam im April 1847 aus Neustrelitz, wo sie engagiert war (1841 bis 1848), zu 7 Gastrollen nach Schwerin; als Gretchen im "Faust" riß sie die Schweriner zu starker Begeisterung hin.

Aus dem Jahre 1854 ist noch das Gastspiel des berühmten englischen Othellospielers Ira A1ridge bemerkenswert. Er spielte am 19. April den "Othello" bei der Erstaufführung in Schwerin, am 21. April sodann den "Shylock" und den "Negersklaven" in dem "Vorlegeschloß". Trotz der englischen Sprache errang er durch seine schauspielerischen Leistungen großen Erfolg.

Als Gäste in der Oper sind zu nennen: Eduard Mantius, von 1830 - 57 beliebter Tenor in Berlin. Er gastierte am 7. und 9. November 1837 und vom 20. - 27. April 1838 in Schwerin und sang u. a. den "George Brown" in der "Weißen Dame" von Boieldieu. Am 12. Juni 1838 errang er zusammen mit Sofie Johanna Löwe als Elwin und Amine in Bellinis "Nachtwandlerin" großen Erfolg. Zum dritten Male kam Mantius 1847 nach Schwerin und trat am 10. und 16. März als "Raoul" in den "Hugenotten" und wiederum als "George Brown" in der "Weißen Dame" auf.

Ein Ereignis von nachhaltiger Wirkung war das Gastspiel

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der "nordischen Nachtigall" Jenny Lind als "Norma" und "Amine" am 25. und 28. April 1845. Mit ihrem tiefdurchdrungenen Spiel und ihrer schönen Stimme weckte sie eine Begeisterung, wie sie im Schweriner Publikum selten beobachtet worden war.

Ähnliche Erfolge errang am 30. März und 1. April 1852 Johanna Wagner, Richard Wagners berühmte Nichte, als "Romeo" in "Capuletti und Montecchi" und als "Fides" in Meyerbeers "Prophet".

Der besonders als Wagnersänger bekannte Joseph Tichatschek gastierte am 5. und 8. Mai 1853 als "Raoul" und "Tannhäuser" und am 10. und 12. Mai 1854 als "Masaniello" und "Johann von Leyden".

Kapellmeister und Orchester.

Zur Zeit der vom Hof unterstützten Theatergesellschaften hatten Schweriner Stadtmusikanten im Theater gespielt. Ausnahmsweise waren sie durch Mitglieder der Ludwigsluster Hofkapelle verstärkt worden, die unter Massonneaus Leitung 1803 - 37 sich in der Musikwelt einen Namen gemacht hat. Sie bestand aus der sogenannten Harmonie, einem abgesonderten uniformierten Korps von 12 Mitgliedern, und den Hofkapellisten, die 1839 beide vereinigt wurden 48 ). Seit 1835 wirkten einige Kapellisten aus Ludwigslust dauernd in Schwerin mit, und seit der Gründung des Hoftheaters spielte fast die ganze Ludwigsluster Kapelle im Theater. Weil die Mitglieder in Ludwigslust alle feste Dienstwohnungen hatten, entstanden dadurch wirtschaftliche Schwierigkeiten. Diesem Übelstand wurde mit der Verlegung der Residenz und damit auch der Hofkapelle nach Schwerin abgeholfen. Seit dem September 1837 wohnten alle Hofkapellenmitglieder in Schwerin. Nach einer Verordnung von 1839 bestand die Kapelle aus einem Musikdirektor, 20 Musikern und einem Kapelldiener und bezog 1839 im ganzen 1500 Thlr. Gage. Sie hatte zunächst nur Theaterdienst, später auch Dienst im Schloß. Wenn sich eine Verstärkung vernotwendigte, wurden Hoboisten vom Gardegrenadier-Bataillon herangezogen, das ebenfalls von Ludwigslust nach Schwerin verlegt worden war. Von 1839 ab wurde die Kapelle der Hoftheaterintendantur als ihrer vorgesetzten Behörde untergeordnet. Diese hatte unter Beirat des Musikdirektors neue


48) Vgl. Clemens Meyer, Geschichte der Mecklenburg-Schweriner Hofkapelle, Schwerin 1913, S. 103 ff.
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Mitglieder zu verpflichten, die zunächst als Kapellakzessisten angestellt wurden und erst in das Verhältnis von Kapellisten übergingen, wenn sie zu den 10 ältesten Mitgliedern der Hofkapelle gehörten.

Der erste Musikdirektor war Christian Ludwig Schmidtgen 49 ), der schon seit 1831 unter Krampe dirigiert hatte. 1837 wurde er als Hofmusikdirektor angenommen, 1839 aber erst definitiv angestellt. Ende 1842 wurde er persönlicher Differenzen wegen mit 300 Thlr. Pension entlassen und ging von Schwerin nach Dresden. Als Komponist trat er am 17. April 1836 mit der Ouvertüre "Yelva" an die Öffentlichkeit, am 23. Februar 1838 mit einer Festouvertüre, am 10. August 1833 mit einem Festspiel u. a. m. Nach dem "Freimütigen Abendblatt" zu urteilen, scheint das Orchester in jenen Jahren auch vereinzelte Konzerte gegeben zu haben. Auch auswärtige Künstler wurden dazu herangezogen; so spielte u. a. der norwegische Geigenkünstler Ole Bull 1838 und 1839 in Schwerin. Im Februar 1839 soll er geäußert haben, daß er nirgends ein besseres Orchester als in Schwerin gefunden habe 50 ).

Schmidtgens Nachfolger wurde Heinrich Mühlenbruch 51 ) (1841-56). Die Meinungen über ihn lauten sehr verschieden. Leicht hat er es in seinem Amt jedenfalls nicht gehabt, denn er gehörte der Bühne in ihrer kritischsten Zeit an. Im Anfang seiner Tätigkeit belebte Luise Schlegel die Oper wesentlich, es werden auch gelegentlich die Orchesterleistungen in der Kritik lobend hervorgehoben. Mitte und Ende der 40er Jahre sank die Oper auf eine verhältnismäßig tiefe Stufe. Es fehlte an dem nötigen Personal, und der dauernde Wechsel ließ es zu keiner wirklichen Harmonie kommen. 1846 heißt es: "Ist man hier über etwas, so ist man sich darüber einig, daß zu keiner Zeit unsere Oper weniger das Prädikat "gut" verdient, als jetzt" 52 ). In derselben Kritik werden die Orchesterleistungen noch als das Beste in der Oper bezeichnet, es fehle jedoch zuweilen an der feineren Ausarbeitung, die die Sache des Musikdirektors sei. Nach den kritischen Jahren um 1850, in denen der Zuschuß wesentlich geringer war, hoben sich auch die Leistungen der Oper wieder, so daß man


49) Geboren 1796, gestorben 1. Juni 1869.
50) Freim. Abendbl. 1839 Nr. 1050.
51) Geboren 1803 in Westindien, kam 1810 nach Altona und nahm darauf in Cassel bei Spohr Unterricht. 1824-1830 als erster Violinist am Königstädter Theater in Berlin, 1832 Konzertmeister in Bremen.
52) Freim. Abendbl. 1846 S. 133.
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1852 sogar "Tannhäuser" zu spielen wagte, dem 1853 der "Fliegende Holländer" und 1854 "Lohengrin" folgten. Wenn nun diese Aufführungen auch sicherlich noch keinen allzu hohen Grad von Vollkommenheit erreichten, so ist doch ihr Zustandekommen an und für sich schon ein gutes Zeichen für die Fähigkeiten. und den Fleiß der Beteiligten. Als Opernkomponist hatte Mühlenbruch mit seiner Oper "Merope" in Februar 1846 kein sonderliches Glück. - In der Saison 1850/51 wurden zum ersten Male Orchester-Abonnements-Konzerte im Konzertsaal des Hoftheaters veranstaltet. Diese Konzerte schliefen jedoch im nächsten Jahr wieder ein und wurden erst von Alois Schmitt wieder ins Leben gerufen.

Neben dem Musikdirektor wirkte bei der Einstudierung der Oper ein Chordirigent. Von 1835-44 bekleidete dieses Amt August Fuchs, der nebenher als Schauspieler und zweiter Tenor beschäftigt wurde. Die Leistungen des Chors werden als kläglich bezeichnet. Wesentliche Fortschritte machte er unter Fuchsens Nachfolger Goltermann (1844-47), der als tüchtiger Hofpianist und Klavierlehrer bis 1890 in Schwerin wirkte. Zu wirklich künstlerischer Höhe gelangte der Chor jedoch erst unter der Leitung von Christian Julius Daniel Stocks 53 ), der seit dem 6. Juni 1843 als Hoftheaterrendant angestellt war und seit dem 6. Juli 1847 den Chor dirigierte. In beiden Ämtern wirkte er bis April 1881 in unermüdlichem Eifer. Er brachte, mit musikalischem Kunstverständnis begabt, neues Leben in die Oper. Seinem warmen Eintreten für Wagners Werke und seinem Fleiß ist es zu verdanken, daß die schwierigen Aufführungen in Schwerin zustande kamen 54 ).


53) Geboren 1802 in Schwerin, besuchte dort das Gymnasium, studierte in Berlin Jura, brach jedoch sein Studium ab und wurde seines schönen Tenors wegen 1821 in Ludwigslust zum Hof- und Kammersänger ernannt. Siedelte 1837 mit nach Schwerin über und war bis Ende der 30er Jahre Hofsänger. Auch als Komponist und Klavierlehrer war er tätig.
54) Vgl. S. 88; ferner Wagners Brief an seine Nichte vom 28. September 1852 aus Zürich, wo es u. a. heißt: "Herrn Stocks grüße bestens von mir . . . ., daß er schon für Schwerin an "Lohengrin" denkt, hat mich doch fast erschreckt; doch würde ich mich nicht imstande fühlen, ihm entgegen zu sein, sobald ich erführe, daß man in Schwerin nicht nur mit dem Vorsatz, sondern auch mit der Aufführung gänzlich aus dem gewohnten Geleise treten würde, und so z. B. an ein englisches Horn, eine Baßklarinette und ein drittes Fagott über den gewöhnlichen Orchesterstand sich nicht stieße. Dies sind nur Kleinigkeiten, aber wo sie schon Anstoß erregen, bangt mir mit Recht für das Größere . . ."
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Die Finanzen 55 ).

Die Finanzierung eines Theaters ist wohl der wichtigste, weil alles andere bedingende Faktor. Bei einem Hoftheater spielt der fürstliche Zuschuß die Hauptrolle; ohne ihn ist es überhaupt nicht denkbar, und eine Stadt wie Schwerin wäre ohne diesen Zuschuß nicht im entferntesten dazu imstande gewesen, ein stehendes Theater zu erhalten. Trotz des festen Zuschusses war es für die Intendantur schwierig, mit den Mitteln auszukommen, und es zieht sich durch die ganze Geschichte des Hoftheaters eine Klage über Geldmangel, der freilich vom Landesherrn meist durch außerordentliche Zuschüsse in freigebiger Weise gemildert wurde. Aber auch diese Quelle hatte selbstverständlich ihre Grenzen, und es mußten einerseits Konzessionen an den Geschmack des Publikums gemacht werden, um die Einnahmen zu erhöhen, andererseits mußte man auf das Engagement besonders guter Kräfte zuweilen verzichten. Bei Errichtung des Hoftheaters wurde ein fester Zuschuß von 13400 Thlr. festgesetzt, der 1838/39 bereits auf 14000, 1839/40 auf 20000 erhöht wurde und bis 1855 eine Höhe von 40000 Thlr. erreichte. Der im voraus aufgestellte und dem Ministerium vorgelegte Etat wurde fast jedes Jahr überschritten. In den ersten Jahren waren die außerordentlichen Zuschüsse besonders hoch, weil der Personenstand noch dauernd vergrößert wurde und Zöllner andererseits bemüht war, die Wünsche seines kunst- und prachtliebenden Protektors Paul Friedrich in möglichst hohem Grade zu befriedigen. Dieser ließ ihm in pekuniärer Hinsicht ziemlich freie Hand und steuerte aus seiner Privatkasse oft mit bei, wenn Engagements abgeschlossen werden sollten, die den Etat überschritten. So wurden z. B. drei Mitglieder des Ballettpersonals durch kostspielige lebenslängliche Kontrakte verpflichtet, wie denn überhaupt in den ersten Jahren ziemlich viel lebenslängliche Kontrakte 56 ) abgeschlossen wurden. Diese wurden für die Theaterkasse bald eine große Belastung, da die alternden Kräfte allmählich durch junge ersetzt werden mußten, ohne daß sie selbst vom Gagenetat verschwanden. Nach Paul Friedrichs Tod trat eine straffere Handhabung der Finanzen ein 57 ). Ein Erlaß des Ministeriums vom


55) Aus den Renterei-Rechnungen konnten die jährlichen Kosten des Theaters festgestellt werden, während Akten über die Finanzen zum größten Teil verlorengegangen sind und z. B. Gagenausgaben nur vereinzelt festgestellt werden konnten.
56) 849 waren 11 Mitglieder lebenslänglich engagiert.
57) Es hatte sich eine beträchtliche Summe von 34425 Th. als ungebucht herausgestellt, die Paul Friedrich aus eigener Schatulle zugeben wollte, weil auf seinen Wunsch ein Teil der Ausgaben fürs (  ...  )
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Mai 1843 legt es Zöllner nahe, keinerlei Schulden zu machen und keine Vorschüsse zu geben, den Etat überhaupt in keinem Gebiet zu überschreiten und bei außergewöhnlichen Ausgaben dem Ministerium vorher Mitteilung davon zu machen. Von 1844/45 ab prüfte das Ministerium auch den Gagenetat genau, während vorher keine einzelnen Angaben verlangt worden waren. Wie oft Zöllner mit der Behörde wegen Geldangelegenheiten in Konflikt geriet, ist oben bereits ausgeführt. Die Verwaltung des Rechnungswesens lag in Händen des jeweiligen Rendanten: 1836 bis 1843 Krampe, 1843-81 Stocks. Die Festsetzung der Preise geschah 1836 durch den Mitintendanten von Flotow, da Zöllner die Schweriner Verhältnisse noch nicht genügend kennen konnte. Die Preise konnten in Anbetracht des fürstlichen Zuschusses ziemlich niedrig bemessen werden. Dem ständigen Publikum kam man durch sehr ermäßigte Abonnementspreise entgegen; es gab zunächst neben einem persönlichen, nicht übertragbaren Abonnement ein unpersönliches, übertragbares, das um wenig teurer war; später wurden die Abonnements so eingerichtet, daß sich mehrere namentlich angemeldete Personen darin teilen konnten. Die Preise der Plätze waren folgende 58 ):

  1836   ab 1848   1836   ab 1848
Fremdenloge 1 Thlr.   1 Thlr. 8 Sch.   Abonnement
f. 100 Vorstell.
 
1.Rang-Loge 28 Sch.   32 Sch.   23 Thlr.   26 Thlr. 40 Sch.
Parkett 28 Sch.   28 Sch.   23 Thlr.   26 Thlr. 40 Sch.
Parkett-Loge 20 Sch.   24 Sch.   18 Thlr.   21 Thlr.
II.Parkett-Loge 20 Sch.   20 Sch.    
  Seite 16 Sch.   18 Thlr.   21 Thlr.
Parterre 16 Sch.   16 Sch.   14 Thlr.   16 Thlr. 16 Sch.
Gallerie-Loge 8 Sch.   8 Sch.    
Gallerie 4 Sch.   4 Sch.    

Die genannten Preise galten für alle Vorstellungen, auch für große Opern bis 1864. Erst in den 50er Jahren wurden bei Gastspielen berühmter Künstler erhöhte Preise verlangt. Dieser Fall trat aber nur selten ein, oft fanden Gastspiele sogar im Abonnement statt. - Von 1842/43 ab sind in den Rentereirechnungen die Einnahmen der Theaterkasse aufgeführt. Diese schwanken zwischen 14- und 24000 Thlr. und erreichten damit in manchen Jahren kaum den dritten Teil der Gesamtkosten. 1848/49 standen z. B.


(  ...  ) Theater geheim bleiben sollte. Die Summe wurde von Friedrich Franz II. unter weiterer Geheimhaltung bezahlt.
58) Preise bei Krampe im alten Schauspielhaus: Loge 24 Sch.,
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den 23431 Thlr. Einnahmen 82092 Thlr. Ausgaben gegenüber, 1843/44 14466 Thlr. gegen 62080 Thlr., 1848/49 war überhaupt ein ungünstiges Theaterjahr, infolge häufigen Wechsels im Personal und Einschränkungen 59 ) aller Art vermochte das Theater nicht die genügende Anziehungskraft auszuüben, zumal da das Interesse des Publikums durch die politischen Ereignisse sehr in Anspruch genommen war. Über die Gagenausgaben liegen leider keine vollständigen Belege vor, nur für die Jahre 1843-48 hat sich folgende Tabelle aufstellen lassen:

Gage für Schau-
spiel und Oper:
Gage für
Ballett:
Gesamtausgaben
fürs Theater:
1843/44 29 003 Thlr. 3350 Thlr. 62 080 Thlr.
1844/45 29 144 Thlr. 3400 Thlr. 64 658 Thlr.
1845/46 30 251 Thlr. 3400 Thlr. 66 316 Thlr.
1846/47 30 974 Thlr. 3500 Thlr. 67 705 Thlr.
1847/48 30 993 Thlr. 3500 Thlr. 68 183 Thlr.

Die Gagen machten etwa die Hälfte der Gesamtkosten aus.

Die Bezahlung der Orchestermitglieder ist hierin jedoch nicht mit einbegriffen. Das Orchester wurde, da es zugleich Hofkapelle war, aus der Großherzoglichen Zentralkasse besoldet, erst seit 1857 auch aus der Hoftheaterkasse. 1838/39 belaufen sich die Kosten der Kapelle auf 12 164 Thlr., 1847/48 auf 142 02 Thlr.

Publikum.

In einer kleinen Stadt wie Schwerin 60 ) mußte das Theaterpublikum immer das gleiche sein, was eine reiche Abwechslung im Repertoire notwendig machte. Im Geschmack waren der Hof und die Hofgesellschaft durchaus maßgebend, und nur selten zeigte das bürgerliche Publikum eine eigene Meinung. Das Theater wurde als ein von fürstlicher Gunst abhängiges Institut mit der gebührenden Achtung betrachtet, demnach benahm sich das Publikum meist auch sehr zurückhaltend während der Vorstellungen und legte seine Abneigung gegen irgendwelche Stücke nur durch Nichterscheinen an den Tag. Laut geäußertes Mißfallen war eine seltene Erscheinung, und wenn es 1843 bei einer Aufführung von Aubers Oper "Der Herzog von Olonne" dennoch geschah, so war es der moralische Gehalt des Stückes vor allen Dingen, der den Tadel herausforderte. Lebhafter äußerten sich im allgemeinen die


59) Der Chor wurde von 36 auf 24 Mitglieder verringert und die Gagen der Solokräfte herabgesetzt.
60) In den Jahren 1836-1855 zählte Schwerin etwa 20 - 30000 Einwohner.
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Beifallsbezeugungen, obgleich auch hierin selbst die Galeriebesucher meist ein gebührendes Maß bewahrten. Gute Leistungen wurden durch Hervorruf der betreffenden Darsteller ausgezeichnet. Beim Scheiden beliebter Mitglieder aus Schwerin äußerte sich die Anhänglichkeit und Verehrung des Publikums in reichen Blumenspenden und begeisterten Nachrufen. 1846 urteilt ein Schweriner selbst über das Publikum folgendermaßen: "Offenbar gehört unser Schweriner Publikum seinem größten Teil nach zu denjenigen, die den Wert eines Stückes nach dem Grade der Unterhaltung abmessen, ein Publikum, wie es die Birch-Pfeiffer, Halm u. a. nicht besser wünschen können 61 ). Aber wo wäre es damals wohl anders gewesen. Das Schweriner Publikum nahm hierin keineswegs eine Sonderstellung ein. Es war, wenn auch nicht gerade sehr kritisch dem Mittelmäßigen gegenüber, so doch für alles Gute recht empfänglich.

Vignette

61) Freim. Abendbl. 1846 S. 1050.