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I.

Auch ein Schillerverleger,

Hofbuchhändler Salomon Michaelis in
Neustrelitz und seine höfischen Beziehungen,

nach Papieren des Neustrelitzer Hauptarchivs

von

Archivrat Dr. Hans Witte-Neustrelitz.

 

Vignette
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I n seiner Artikelreihe "Schillers Verleger" ist I. H. Eckardt (Börsenblatt für den deutschen Buchhandel Nr. 83 vom 10. April 1905 S. 3466) unter anderen näher auf den Neustrelitzer Verlagsbuchhändler Michaelis eingegangen, bei dem Schiller seinen Musenalmanach für 1796 erscheinen ließ. Im Gegensatz zu Goedeke schildert er ihn als einen Mann von recht fragwürdigem Charakter, ohne jedoch in dieser Hinsicht eine völlige Klärung herbeizuführen.

Höchst merkwürdig bleibt es immerhin, wie dieser Salomon Michaelis aus Hameln, der ohne Mittel zu Anfang der Regierungszeit des Herzogs Carl Ludwig Friedric 1 ), des Vaters der Königin Luise, in Neustrelitz auftauchte, es zu so glänzenden literarischen Beziehungen gebracht hatte, wie sie mit Namen eines Wilh. v. Humboldt und Schiller schon in Eckardts Aufsatz hervortreten. Merkwürdiger noch, wie er in fürstlichen Kreisen Verbindungen hat gewinnen können, wie Fürsten und fürstliche Frauen an ihn glaubten und ihm eine Teilnahme entgegenbrachten, die Sterblichen von solcher Art nur höchst selten zuteil wird und sogar vor Geldopfern nicht zurückschreckte.

Kaum begründet, befand sich seine "Neu-privilegierte Hofbuchhandlung" schon in Schwierigkeiten. Der Neustrelitzer Kammeragent Nathan Meyer und mehrere seiner Berliner Freunde hatten - so klagte Michaelis - die zugesicherten Hülfsleistungen nicht erfüllt. Da half der Herzog mit einer auf drei Jahre erteilten Bürgschaftsverschreibung über 3000 Taler aus (23. Dezember 1794). Ihm hatte die in seiner Residenz errichtete Hofbuchhandlung, wie er in der genannten Bürgschaftsurkunde und später nachfolgenden zum Ausdruck bringen ließ, "zum besonderen Wohlgefallen gereichet", so daß er "zum desto besseren Fortkommen dieses Etablissements entschlossen" war, die erbetene Bürgschaft zu gewähren.

Dieser ersten herzoglichen Bürgschaft folgte schon nach einem starken halben Jahre (28. August 1795) eine zweite über 2000


1) Regierungsantritt am 2. Juni 1794.
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Taler, gültig bis Ende Juni 1796. Und anfangs 1796 trat Michaelis schon wieder an seinen herzoglichen Förderer heran. Er wollte seiner Buchhandlung eine Buchdruckerei angliedern, wofür in der raschen Ausbreitung des Michaelisschen Verlagsunternehmens eine zwingende Veranlassung vorliegen mochte, und erbat dafür einen Kreditbrief auf 5000 Taler.

Nach Rückgabe der beiden ersten Bürgschaftsverschreibungen wurde auch diese mit Gültigkeit für ein Jahr auf Befehl des Herzogs ausgefertigt (20. April 1796).

Ein starkes Jahr lang hatte der Herzog Ruhe. Doch im Sommer des nächsten Jahres brachte Michaelis sogar Unruhe in den Pyrmonter Kuraufenthalt des Herzogs. Zwar handelte es sich diesmal nicht unmittelbar um Geld oder Bürgschaft, sondern nur um ein Zeugnis, das der Herzog am 27. Juli seinem Hofbuchhändler auszustellen veranlaßt wurde: "Wir haben es Uns von jeher zum angenehmsten Geschäfte gemacht, den mit Unrecht leidenden den Beistand zu leisten, den sie unserer Überzeugung nach verdienen. In dem vollen Vertrauen, welches Wir in die Thätigkeit und Rechtschaffenheit des Salomon Michaelis aus Hameln zu setzen hinreichenden Grund hatten, trugen Wir kein Bedenken, das Uns vor einigen Jahren bekannt gewordene Vorhaben desselben, in Unserer Residenzstadt Neustrelitz eine Buchhandlung einzurichten, zu genehmigen und möglichst zu unterstützen."

Folgt Ausdruck des Vergnügens am Wachstum des Unternehmens und der Freude, "einen Mann, der ohne Vermögen ein wichtiges Werk begann, in kurzer Zeit in dem Besitze einiges Eigenthums und in der Lage zu sehen, ohne Unterstützung durch unermüdliche Thätigkeit dasselbe weiter fortsetzen zu können, und auf diese Art zur Gründung seines bürgerlichen Glückes, dessen er sich durch ein untadelhaftes sittliches Betragen werth gemacht hat, beigetragen zu haben."

Darum kann es dem Herzog nicht gleichgültig sein, "wenn nachtheilige Gerüchte, sie mögen von Berlin aus oder aus dem Mecklenburgischen selbst verbreitet worden seyn, die beabsichtigte nothwendige Veränderung der häuslichen Verfassung des gedachten Michaelis verzögern oder gänzlich vereiteln sollten. Wir nehmen deswegen keinen Anstand, die Nichtigkeit und Grundlosigkeit der gegen erwähnten Unsern Hofbuchhändler Michaelis vorgebrachten Beschuldigungen zu versichern und dadurch sowohl, als durch das Zeugniß eines unsträflichen Lebenswandels . . . alle Bedenklichkeiten zu heben, welche durch lieblose und falsche Nachreden zu seinem Nachteile entstanden sind."

Dem Herzog würde es "angenehm seyn", wenn er durch sein

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Zeugnis "die offenbare Ungerechtigkeit des Verfahrens" gegen Michaelis "einleuchtend gemacht, das unverdiente Mißtrauen . . . entfernt, dadurch zur gütlichen Beilegung einer verdrießlichen Sache mitgewirkt und durch die Zusicherung Unserer fernern Gnade und der Fortdauer Unsers Schutzes die fehlende Beruhigung denen gegeben hätten, welchen diese noch abgeht."

Es handelte sich offenbar um die von Michaelis erstrebte reiche Heirat, von der auch im Börsenblatt (a. a. O. S. 3469) kurz andeutend die Rede ist. Humboldt schrieb von ihr schon am 8. September 1795, als sei sie unmittelbar bevorstehend. Die Sache hatte sich also recht lange hingezögert. Offenbar hatte allerlei üble Nachrede störend eingewirkt, und zwar in solchem Maße, daß nunmehr - im Juli 1797 - die Gefahr völligen Scheiterns bestand.

Da hatte sich der Herzog also bereit gefunden, in sehr ungewöhnlicher Weise einzugreifen, um die schwer gefährdete Heirat, auf der die Zukunft der Hofbuchhandlung beruhte, doch noch zu retten. Genützt hat es allerdings nichts. Die Heirat ist nicht zustande gekommen. Alle Hoffnungen auf sie hatte Michaelis offenbar begraben, als er am 8. Oktober 1797 in seiner phrasenhaften Art, um "die endliche Ruhe nach einem Kampfe mit den widrigsten Schicksalen und zerstörendsten Ereignissen meines Lebens zu erlangen", von der "väterlichen Teilnahme" des Fürsten zwei neue Bürgschaften über je 3000 Taler erbat. Die Formulare hatte er vorsorglich schon beigefügt ganz nach dem Wortlaut jener ersten, "mit denen ich den Weg betrat, der mich zu meiner nützlichen Thätigkeit führte und mein bürgerliches Glück begründete, das eine arglistige Bosheit und seltene Mißgunst so hämisch zu untergraben bemüht ist".

So mit Miene und Haltung der verfolgten Unschuld erscheint Michaelis vor seinem herzoglichen Beschützer. In seiner "peinlichsten Situation" bedarf er "schleuniger Hülfe". "Die Messe nimmt in dieser Woche ihren Anfang; und durchaus in dieser muß ich jene boshafte Verläumdungen zerstören und das Zutrauen in der kaufmännischen Welt durch das ehrende Vertrauen meines Fürsten, unter dessen Augen ich in meinem Werke arbeite, aufs neue begründen."

Von den Bürgschaftsurkunden wollte Michaelis "eine nach Hamburg an den Bürgermeister Martin Dorner sende[n], um mir dadurch das Zutrauen dieses berühmten Handlungshaus zu verschaffen. Die andere aber würde ich nach Leipzig senden, um dort die Grundlosigkeit aller über mich daselbst ausgesprengten Verläumdungen belegen zu können".

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Dem Regierungsrat v. Normann, der diese Angelegenheit bisher im Auftrage des Herzogs bearbeitet hatte, wurde sie allmählich zu bunt. Als der Herzog ihm erklärte, er sei gesonnen, das Gesuch zu gewähren, zog er sich von der Sache zurück, indem er bat, sie künftig durch den ersten Beamten des Landes, den Geheimratspräsidenten v. Dewitz, betreiben zu lassen.

Dewitz erhob sogleich Einwendungen, und der Herzog erklärte auch, durch seine Gründe "vollkommen überzeugt" zu sein. Aber er fühlte sich "Persohnlich compromittirt u. in Verlegenheit", weil er dem Michaelis "bey Erhaltung des Gesuches" freilich ohne "die Folgen genug zu prüfen . . . im Beysein Seines Bruders" geantwortet hatte: "Ich gebe Ihm mein Wort, daß ich Ihm willfahren will - Er kennt mich. Ein Ehrlicher Mann hält sein Wort". Dies sind die eigenen Worte des Herzogs in seinem an Dewitz gerichteten Brief vom 15. Oktober 1797. Er habe noch nie sein Wort gebrochen, fuhr er fort, und es zu brechen würde ihm doppelt schmerzhaft sein, weil Michaelis dann "mit Sein ganzen sonst gewiß guten Institut verlohren" wäre und "andern Theils deßen Bruder, der in Hann[over] etablirt ist - nicht anders als Nachtheilig von mich denken müßte".

Des Herzogs wiederholt ausgesprochener Wunsch, "daß für diesmal dem Supplicanten zu deßen Aufrechthaltung geholfen werde", behielt doch die Oberhand. Am 17. Oktober sandte er dem Präsidenten die beiden Bürgschaften unterzeichnet zurück. Mit den wärmsten, ja überschwänglichen Worten dankte er ihm für die Offenheit seiner Meinungsäußerung und versprach ihm "bey meinem Worte - das eines Ehrlichen Biedern Mecklenburgers, Nie wieder in ähnlichen mislichen Sachen mich einzulaßen".

*              *
*

Die tätige Anteilnahme Herzogs Karl für seinen Hofbuchhändler und dessen Geschäft, das er fast täglich besucht haben soll, beruhte vielleicht doch nicht nur, wie Humboldt meinte (Börsenblatt a. a. O. S. 3469), auf einer leeren Fürstenlaune. Des Herzogs ältester Sohn, Erbprinz Georg, hat sich in einem Briefe vom 4. Mai 1798 an die Freiin v. Bose, Ehrendame bei der Landgräfin-Witwe von Hessen zu Neustrelitz, darüber ausgesprochen: "Mein Vater hatte bey seinem Regierungs Antritte die Absicht, einen fleißigen talentvollen Mann in einem Gewerbe zu unterstützen, welches mit einigem Glücke manchem Nahrungszweige in Neu Strelitz hätte nützlich werden können. Wenn diese Absicht in jedem Fürsten verdienstlich ist, so war sie es bey meinem Vater

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doppelt; denn die ganz eigenthümliche Zusammensetzung seiner Residenz machte dieß zu einem desto wichtigern Gegenstande, da fast die ganze Stadt nur vom Hofe lebt und folglich manche nöthige Ersparniß am Hofe entweder unmöglich oder für sehr viele Bewohner höchst nachtheilig macht! - Wie wichtig wird hier daher jeder neue Erwerbszweig?"

Und weiter über das Verhältnis seines Vaters zu Michaelis: Auch wenn sein Urteil geirrt hätte, "so blieb doch wahrlich die Absicht immer sehr lobenswerth". Die Erneuerung der "Verbindlichkeiten ist durchaus nichts mehr und nichts weniger als eine natürliche Folge der Dinge! Denn unter seinen Augen ward Michaelis in Hannover das Opfer der schändlichsten Cabalen, die sogar den Schutz und das Wohlwollen seines Fürsten zu seinem Nachtheil wirksam machten. - Von eben diesem war mein Vater Zeuge; und welcher Grad der Gefühllosigkeit würde dazu gehört haben, ihn jetzt sinken zu lassen! Nein! das konnte mein Vater nicht - und ich danke Gott, daß er's nicht konnte". Das kann sich nur auf das erfolglose Eingreifen des Herzogs in Michaelis, hannoversche Heiratsangelegenheit beziehen.

Der Erbprinz sah alle diese Dinge, in die doch zum mindesten das Geschäft in sehr nüchterner Weise hineinspielte, durch die alles vergoldende Brille seiner harmlos frischen Jugendlichkeit. Als er dieses schrieb, hatte er sein neunzehntes Lebensjahr noch nicht vollendet. In Rostock, wo er schon seit einiger Zeit mit seinem Erzieher, dem Obersten v. Graefe, Studierens halber weilte, wurden sehr rege Beziehungen mit Michaelis unterhalten. Der Oberst hatte heimliche, aber starke literarische Neigungen, und Michaelis war sein Verleger. Das führte von selber zu einem lebhaften Briefwechsel, der vom 12. April 1796 an erhalten ist. Für die Stellung, die Michaelis sich am Neustrelitzer Hofe zu schaffen gewußt hatte, ist es kennzeichnend, daß in den Briefen des Obersten fast nie ein Gruß des Erbprinzen an Michaelis fehlte.

Briefe des Hofbuchhändlers an den Obersten sind leider nicht erhalten. Sie folgten ihm auch nach Wiesbaden und Darmstadt, wo er vom Juni bis zum August 1797 in Begleitung des Erbprinzen Georg weilte. Nicht allein Briefe, auch Korrektursendungen. Letztere mußten mit besonderer Vorsicht behandelt werden, "weil sonst mancherley Dinge (bey der redlichen und gewißenhaften administration unserer deutschen Posten) möglich sind!" So schrieb der Oberst aus Wiesbaden unterm 20. Juni 1797. Er legte keinen Wert darauf, als Verfasser des Werkes bekannt zu werden, dessen Drucklegung damals durch den Neu-

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strelitzer Verleger besorgt wurde. Dank der Unterstützung des Herzogs Karl hatte Michaelis soeben mit dem Betriebe seiner Druckerei beginnen können.

Am 14. September 1797 konnte Oberst v. Graefe seinem Verleger den Eingang des ersten fertigen Exemplars bestätigen. Er hatte es so früh nicht erwartet. Überhaupt war die Drucklegung glatt vonstatten gegangen. Der Oberst lobte die Genauigkeit der von Michaelis besorgten Korrektur: "Ich habe nur einige höchst geringfügige Abweichungen von meinem eigenen Manuskript darin entdecken können - und diese sind wahrscheinlicher Weise schon in der Abschrift des Prinzen entstanden, so groß auch seine Aufmerksamkeit beim Abschreiben war! Überhaupt hat das ganze Produkt wahrlich nur Ihrem beyderseitigen guten Willen und Fleiß seine Entstehung und vorzüglich seine Erscheinung zu verdanken! Da es sonst (wie so manche seiner früheren Brüder) sicherlich nie das Licht der Welt erblickt haben würde."

Dies Werk, dem so hohe Ehre widerfuhr, daß ein Erbprinz und späterer Großherzog es für die Drucklegung abschrieb, war ein Schauspiel in fünf Akten, betitelt "Die Jakobiner in Deutschland", erschienen "Neustrelitz bey dem Hofbuchhändler Michaelis 1797". Das geht aus späteren Briefen des Obersten an Michaelis zweifelsfrei hervor, so aus einem nachgelegten Zettel in einem "Rostock den 6. Januar 1798" datierten Briefe, wo es heißt: "Ist die Ankündigung der Jacobiner erschienen? und kann man auch in andern Buchhandlungen darnach fragen, z. B. in Hamburg?"

Volle Befriedigung schien Oberst v. Graefe selber nicht über dies Kind seiner Muse zu empfinden. Schon am 14. September 1797 bedauerte er, keine nochmalige Durchsicht der Druckbogen vorgenommen zu haben, nicht wegen der Druckfehler, "wohl aber als Berichtigung meiner eigenen Gedanken Reihe, um wenigstens durch diese Korrektur die sehr große Ei1e einigermaaßen zu ersetzen, mit welcher das ganze Werk zu Stande gebracht ward! Vorzüglich einiger Theater Rücksichten wegen . . .

Doch da es nie die Absicht war, daß dieses Stück auf der Bühne selbst sein Glück machen sollte (denn der Verfaßer deßelben wird gewiß nie bekannt werden), und sein Zweck völlig erreicht wird, wenn unter hundert Lesern auch nur einige wenige auf den schändlichen Mißbrauch der heutigen Democraten Inquisition aufmerksam gemacht werden - so haben die dramatischen Mängel deßelben um so weniger Etwas auf sich!"

Dankend lehnte er am 6. Januar 1798 bei Bestätigung des Empfanges der Druckexemplare das günstige Urteil des Ver-

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legers ab, er habe wohl "den behandelten Gegenstand mit der Behandlung" verwechselt. Auch hegte er Besorgnisse, "daß Sie die Erscheinung des Produktes selbst - zu lange verzögerten! Sie wißen, wie viel bei Schriften, welche auf den gegenwärtigen Augenblick Bezug haben, darauf ankömmt, daß sie auch in diesem Augenblicke erscheinen" usw. "und nun denken Sie, daß das Stück vor einem Jahre geschrieben ward! Wird der gegenwärtige Zeit Punkt eine ähnliche Stimmung des Lesers voraussetzen laßen? Jetzt - wo jeder Gedanke an Jacobiner und Frankreich - nur Mißmuth und Unwillen erregt, und man nur ungern sich an Thorheiten und Greuel erinnern läßt, die solche Folgen für unser unglückliches Vaterland hervorbrachten!"

Doch der Oberst hatte schon ein anderes Geisteskind erzeugt, das besser in die veränderten Zeitumstände paßte: "Das überall in jeder deutschen Brust sich regende Gefühl der Indignation bey dem uns bevorstehenden Frieden ist so laut, daß es gewiß vielen Lesern ein wahrer Herzens-Genuß seyn dürfte, wenn irgend ein Deutscher diese Gefühle öffentlich ausschüttete!"

Könnten diese Worte nicht auch in unseren Tagen geschrieben sein?

Es handelte sich also um eine politische Flugschrift. Sie sollte, wie alle Geistesprodukte Graefes, ohne Verfassernamen erscheinen und auch ohne Druckort. "Nur das begreiffen Sie, lieber Herr Michaelis, es darf auch nicht ein Tag verlohren werden; denn mit jeden 24 Stunden wird die Würkung, die es vielleicht hervorbringen könnte, geringer."

Aber der Zensur wollte er seine Schrift nicht entziehen, denn - so schrieb er am 16. Januar 1798 - "endlich scheue ich mich eben so sehr vor den Folgen einer Censur Inquisition, als ich dieses litterärische Ungeheuer selbst verabscheue!"

Auch dies können wir heute nach der Kriegszensur von vier langen Jahren sehr lebhaft mitempfinden.

Der Oberst ist einverstanden, daß seine Flugschrift im Verlage Michaelis' erscheint, auch daß dieser sie "in Ihr Journal einrückten", doch dürfen die drei oder mindestens 21/2 Druckbogen nicht auf zwei Hefte verteilt werden. "Eine andere Frage ist es, ob dieser Brief an Bounaparte, der (wenn er je ins französische sollte übersetzt werden) gewiß weder dem General, noch dem Directorio besonders gefallen möchte, nicht lieber sich von einem andern Orte herschreiben sollte, als von der Residenz eines mit

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dem Preußischen Hofe so nahe verschwisterten Fürsten, deßen Sohn noch oben drein von den Franzosen mit so vieler Auszeichnung in Wisbaden während seiner Cur behandelt ward?" Deswegen glaubt er: "Wir thun beßer, wenn wir den irgendwo gedruckten Brief in das Journal aufnehmen - um so mehr da im Grunde Brief und Journal zugleich erscheint! und die strenge Nemesis darf um so weniger Bedenken tragen, diesem Briefe ihre sanction zu geben, da er nicht allein ganz von ihrem Geiste beseelt ist, sondern auch ein Beweiß darbiethet, daß sie nicht etwa nur hie oder da - in Deutschland - sondern überall das Unrecht rügt, und nur die reinste Vaterlandsliebe mit dem Unwillen verbindet, der sie auffordert, dem Geiste der Opposition eine zweckmäßige Richtung zu geben!"

Die politische Flugschrift, die Oberst v. Graefe jetzt anonym in die Welt zu schicken im Begriffe stand, war demnach das "Schreiben an Buonaparte", und das "Journal", in dem sie abgedruckt werden sollte, die "Nemesis". Beide sind verzeichnet in dem "Gegenwärtigen Verlagsvorrath 1798", den Michaelis beim Zusammenbruch seines Unternehmens im August des genannten Jahres dem Herzog vorlegte. Vom "Schreiben an Buonaparte" waren darin noch 69, von der "Nemesis", von der nur das erste "Stück" das Licht der Welt erblickt hat, noch 651 Exemplare verzeichnet.

Eine nennenswerte Wirkung hat offenbar diese ganze anonyme Schriftstellerei des Obersten-Prinzenerziehers nicht hervorgebracht. Von dem Schauspiel (Jakobiner) waren im genannten "Verlagsvorrat" noch 1045 Exemplare außer 22 auf feinerem Papier verzeichnet. Dies Schauspiel und das "Schreiben eines Deutschen an den General Buonaparte. Deutschland 1798", wie es mit seinem vollen Titel lautet - also auch der Verlag war verschwiegen! -, sind wenigstens noch in der Landesbücherei zu Neustrelitz vorhanden. Von der "Nemesis" fehlt auch dort jede Spur.

Das Schreiben an Buonaparte war im Februar 1798 fertig geworden. Am 18. meldete der Oberst seinem Verleger, er habe es "gestern an den König geschickt". "Der Himmel gebe seinen Seegen dazu, daß der Brief einige Würkung thut - wonicht, so wird er doch vieleicht manchem meiner Landsleute einige Beruhigung und Trost bey der allgemeinen National Schande gewähren."

Wann das erste und einzige Heft der "Nemesis" herauskam, ließ sich nicht genauer feststellen. In einem ganz ungenau "Montags Morgen" datierten Brief schreibt der Oberst: "Herr Hof Buchhändler Michaelis - ist ein gescheuter Mann - ein

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thätiger Mann - ein charmanter Mann! - nur kein prompter Mann! Sagen Sie mir, lieber Freund, warum ich das erste Heft Ihrer Nemesis noch nicht erhalten habe? schon seit zwey Post Tagen erwarte ich es! Wißen Sie denn nicht, wie viel auf den Augenblick ankömmt in dieser Welt? Hätten Sie mir es früher geschickt, so hätte die schöne Königinn Ihr Journal dem Könige (welcher der Maaßern wegen im Bette liegen mußte) vorgelesen! Und für diese Ohren war es doch ganz gemacht -! Dieser Augenblick ist nun vorüber! und kömmt nicht wieder!"

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War schon Herzog Karl dem Hofbuchhändler Michaelis eine Stütze von unschätzbarem Wert, sein freundschaftlich-geschäftliches Verhältnis zum Obersten v. Graefe und nicht minder das jugendliche Vertrauen des Erbprinzen bedeuteten für ihn kaum weniger. Und beides hielt noch vor, als der Herzog unter der Einwirkung seines welt- und geschäftskundigen Präsidenten v. Dewitz sein Wort gegeben hatte, sich auf so mißliche Sachen wie diese Geldbürgschaften nicht wieder einzulassen.

Michaelis' Schwierigkeiten, über die die letzten Bürgschaften des Herzogs nur vorübergehend hinweghelfen konnten, kehrten bald wieder. Schon am 6. Januar 1798 beteuerte Graefe dem Buchhändler den "aufrichtigen Antheil", den er wie der Erbprinz "an Ihrer leider immer noch fortdauernden Lage nehme". Beide wünschen zu helfen. "Allein Sie kennen ja die Verhältniße, die ihn [den Prinzen] verhindern, sich unmittelbar für Ihre Angelegenheit bey seinem Herrn Vater zu verwenden . . . Indeßen werden wir beyde - Er und ich - heute noch an die Prinzeß Louis nach Berlin schreiben, um diese zu bewegen, das zu thun, was der Prinz leider nicht thun kann."

Doch die erhoffte Wirkung blieb aus. Am 7. Februar schrieb Graefe, "daß dem Prinzen sowohl als mir Ihre dermahlige Lage um desto mehr Kummer macht, da außer den zwey Mitteln, die ich unaufgefordert ergriff (und von denen ich leider bis jetzt keinen Erfolg gesehen) mir auch gar keine Möglichkeit einleuchtet, Ihnen helfen zu könimen! Wann Sie hier her kommen, so sollen Sie selbst den Brief lesen, den ich für den Prinzen an seine Schwestern in Berlin aufgesetzt - damit diese ihn an den Herzog schicken und darauf ihre Gründe zur Fürsprache bauen - oder selbst bewegt werden sollten, sich Ihrer anzunehmen. - Mein eigener Brief war noch weniger schonend und schilderte Ihre Lage und was Sie in dieselbe gestürzt, mit so leb-

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haften Farben, daß ich ein unthätiges Zusehen von Seiten der Prinzeßin für unmöglich hielt. - Doch Ihr ungünstiges Gestirn scheint auch in Berlin zu würken. - Einem Hamburger Kaufmann, Herrn Flügge, hatte ich Ihre Lage geschildert - und er gab mir würklich viel Hoffnung, Ihnen einen Vorschuß auf billigen Zinsen zu thun - aber leider ist Er, wie ich sehe, nicht nach Strelitz gekommen - und also auch dieß hat mir fehlgeschlagen. Jetzt weiß ich durchaus nichts mehr" usw.

Etwas höher stand Graefes Hoffnungsbarometer am 15. Februar. Der Erbprinz hatte zu Michaelis' Gunsten an Fräulein v. Bose, er selber an Prinzeß Friederike geschrieben. "Hoffentlich ist jetzt alles zu ihrer Zufriedenheit besorgt - worüber der Prinz sowohl als ich eine herzliche Freude haben."

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Während hier freundschaftliche Gesinnung und jugendlicher Gefühlsüberschwall sich bemühte, einen durch Geldnöte Bedrohten zu retten, arbeitete in Neustrelitz der Präsident v. Dewitz mit nüchtern klarem Geschäftsgeist daran, eine Geldangelegenheit zu regeln, in die sein Landesherr in gutmütiger Leichtfertigkeit sich hatte verwickeln lassen. Er drängte auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunden. Da führte im Januar 1798 ein auf der Post beschlagnahmtes, auf 4000 Taler Gold deklariertes, in Wirklichkeit aber wertloses Kästchen eine Untersuchung gegen Michaelis und seinen jüngeren Bruder puncto falsi herbei.

Der Erbprinz wankte gleichwohl nicht in seinem Glauben, und in Berlin flossen Tränen aus den Augen einer schönen Fürstin um dieses Mannes willen! Prinzessin Friederike hatte sich endlich entschlossen, für Michaelis das erforderliche Geld zu beschaffen. Eine langwierige Krankheit und der Tod ihres Kindes hatten ihr, wie der Erbprinz später (17. Mai 1798) dem Präsidenten mitteilte, bis dahin ein Eingreifen unmöglich gemacht. Nun aber trat der König hindernd in den Weg. Er verweigerte seine Unterschrift unter den schon fertigen Kreditbrief und "hat . . . mich zugleich sehr deutlich und dringend gebeten, mich ganz und gar nicht darin einzulassen". So schreibt die Prinzessin in fliegender Eile am 1. Mai aus Potsdam ihrem erbprinzlichen Bruder. Sie war untröstlich "wegen dem armen Michaelis", dem sie eigenhändig ein äußerst mitfühlendes Briefchen sandte, und ihre "Pflicht meines Vaters Ehre und eines Ehrlichen Mannes Ehre zu retten" nicht erfüllt zu haben. "Ich habe schon heute geheult, daß ich nicht retten kann." Der Erbprinz möge nun versuchen, auf einen anderen Namen Geld anzuschaffen.

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Der schüttete sein Herz in einem langen Briefe an die Freiin v. Bose aus, da er sich grundsätzlich in Regierungsangelegenheiten nicht einmischen wollte. Schon am 8. März hatte er in einem Briefe an dieselbe Ehrendame seiner Auffassung dahin Ausdruck gegeben, daß sein Vater, der Herzog, das Geld für Michaelis hergegeben haben würde, "wenn andre Leute sich nicht hinein mellirt hätten". Das zielte deutlich auf den Präsidenten v. Dewitz. Jetzt auch - am 4. Mai - konnte und wollte er dem Präsidenten nicht dankbar sein, wenn dieser auch noch so sehr "das Intereße unseres Hauses und folglich auch das meinige wahrnähme. . . . Ich würde über mein Gefühl erröthen, wenn die Ehre meines Vaters - sein Ruhm als Fürst und Mensch mir weniger am Herzen läge als der Zustand seiner Finanzen; ich würde über mein Gefühl erröthen, wenn ich mich über eine Ersparniß freuen könnte, die das Unglück eines Menschen machte! - Ich kann es freylich wohl begreiffen, daß die mancherley Versprechen und Verbindlichkeiten, welche durch Zudringlichkeiten aller Art oft der Güte meines Vaters entlockt wurden, seinen Minister in Verlegenheit zu setzen im Stande sind - und ich schätze den Mann, der Selbstständigkeit genug besitzt, um laut dagegen zu protestiren und die übelen Würkungen davon, so viel an ihm liegt, zu verhüten -! Aber auch dieses verdienstliche Benehmen hat, wie jedes in der Welt, seine Grenzen! - Weder die Ehre des Fürsten, noch das Glück eines Menschen - dürfen das Opfer seyn! Denn sonst wird ein anderer Grundsatz verletzt, der unendlich wichtiger ist und heiliger seyn soll - die Pflicht der Treue und Gerechtigkeit."

Schöne Worte und edle Empfindungen des Bruders Luisens, die schon um deswillen wert sind, der Vergessenheit entrissen zu werden! Die Bürgschaft seines Vaters sei kein "übereiltes noch ein abgedrungenes - sondern ein völlig überdachtes, durch Umstände nothwendig gemachtes Versprechen" gewesen. Jetzt sah er seinen Vater in der Gefahr, "auf die schrecklichste Art compromittirt zu werden - denn ich halte unbedingt die Wiederzurücknahme der Bürgschaft für die offenbarste Verletzung seines Fürstlichen Worts: so wie ihn selbst verantwortlich für jede Folge dieser Nicht-Erfüllung seines Versprechens!" Er müsse "entweder sein Versprechen ableugnen - das verbiethet seine Ehre -! oder er muß jeden Schaden ersetzen, der dem Buchhändler Michaelis durch diese Nicht-Erfüllung zuwächst".

Vom Präsidenten hat er angenommen, er habe nur beabsichtigt, "meinen Vater für die Zukunft aufmerksamer zu

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machen. Auf die Länge sei aber Michaelis Notlage dadurch so dringend geworden, daß der Prinz ihn auf seine Art zu retten versuchte. "Hätte ich selber Geld aufzutreiben vermogt, so wäre Michaelis augenblicklich aus aller Verlegenheit gewesen, aber da der Oberst nicht von dem abweichen will, was er für seine Pflicht hält, so blieb mir nichts übrig als an meine jüngste Schwester zu schreiben. - Beyde Schwestern, das betheure ich Ihnen vor Gott, . . . haben nur ein Gefühl mit mir in dieser Sache". Aber der "König hat seine Sanction zur Bürgschaft versagt.

. . . Sie sehen, daß meine arme Schwester untröstlich darüber ist!"

Jetzt, wo alle Wege zur Rettung versperrt sind, bittet er dem Präsidenten zu sagen, "daß wenn Er die geringste Achtung für mich hat, wenn Er den geringsten Werth auf meine Achtung sezt, so eilt Er diesen Menschen zu retten!"

Nun hatte Präsident v. Dewitz Gelegenheit, sich dem Erbprinzen gegenüber zu rechtfertigen. Er tat es in einem Schreiben vom 6. Mai 1798. Er habe im Oktober, der er "Cautions-Notuln" unter der Würde seines Herrn fand, dem Buchhändler "jede Summe, die der Herzog bestimmen würde, sogleich baar als Darlehn angeboten". Michaelis aber habe dies abgelehnt, da "er nicht baares Geld, sondern Credit gebrauche". So wurden "seinem Verlangen gemäß" die zwei Cautionsnotuln auf je 3000 Taler Gold mit Gültigkeit bis zum 1. Januar 1798 ausgefertigt und dem Michaelis am 17. Oktober 1797 ausgehändigt. Die eine habe Michaelis im Februar zurückgegeben, die andere aber, "die noch in Berlin oder Leipzig circuliren soll, schuldiget er immer noch".

Der Präsident hätte deswegen "gleich nach Neujahr gegen Michalis klagbar werden sollen", habe aber "vielmehr gnädige Nachsicht von meinem Herren bewirkt. - Und zum Dank hiefür schreiet Hr. Michaelis mich allenthalben als den Mann aus, der ihn drückt; der, um die Finanzen zu verbessern, den unseeligen und schädlichen Rath, daß Fürsten ihr Wort nicht zu halten brauchen, zu geben sich erniedriget, ich, der in meinem privat Leben es als Axiom annehme, daß es beßer ist, seinen Hals, als sein Wort zu brechen".

Wenn er "pflichtmäßig den Schaden aufdeckte, den der Herzog Sich durch übereiltes Versprechen zugezogen, so begleitete die schuldige Äußerung kein anderer Wunsch als der, daß es die letzte Uebereilung meines Herren seyn möchte.

Oft habe ich dem Herzoge, meinem Herren, gesagt oder geschrieben, daß Er lieber so viel baares Geld, als Er entbehren wollte, verschenken oder verleihen möchte, wenn Er helfen

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wollte, aber nie durch Ertheilung von Cautions Notuln, mit denen ein unglaublicher Misbrauch getrieben wird, weiter Seinen eigenen und Seines Hauses Credit schwächen möchte."

Mit Bezugnahme auf diesen Grundsatz fragt er an, "wie groß die Summe seyn soll, mit der Sie wollen, daß dem Hofbuchhändler Michaelis baar geholfen werde?

Sie, gnädigster Herr, wollen eine Wohlthat erzeigen, und da ziemt es mir nicht zu prüfen, in welchem Grade der Mann sie verdiene, den ich vielleicht zu strenge deshalb beurtheile, weil er sich mir immer leichtsinnig, schwach und prahlhaft zeigte."

Die freimütige Sachlichkeit des Präsidenten kühlte den edelmütigen Eifer des Erbprinzen doch etwas ab. Dem Grundsatz über die Bürgschaften pflichtete er sogar "unbedingt" bei und faßte das erreichte Einverständnis in der Art zusammen:

"1. daß das Versprechen meines Herrn Vaters erfüllt werden müße;
 2. daß jede Bürgschaft als eine würklich contrahirte Schuld anzusehen sey;
 3. daß vom Fürsten durchaus gar keine Bürgschaft in Umlauf gebracht oder gelaßen werden dürfe."

Es bleibe daher kein Ausweg "als die ganze Summe dieser versprochenen Bürgschaft auch mit allen dabey eintretenden Gefahren als ein Darleihen dem Buchführer Michaelis baar hinzugeben" (8. Mai).

Nun konnte die Rettungsaktion beginnen. Präsident v. Dewitz war inzwischen durch den Neubrandenburger Dr. Zimmermann und den mit ihm aus Berlin zurückkehrenden Neustrelitzer Advokaten Nauwerck "von den zum Theil thörigten, zum Theil kühnen, sämmtlich überaus indiscreten Schritten, die Hr. Michaelis sich in Berlin und Potsdam erlaubt, benachrichtigt" worden. Da nach Nauwercks Angabe 3000 Taler Gold genügten, um Michaelis aus seiner Verlegenheit zu ziehen, wollte er ihm diese bar senden und unter der Bedingung auszahlen lassen, "daß er die Papiere und Briefe, die er zum Theil offen erhalten haben will, und wovon er Abschriften behalten, die er vorzeigt, um sich Gewicht und Ansehn ins [!] Publicum zu verschaffen, extradiren sollte".

Als schon ein Bote an Michaelis nach Berlin abgesandt und Nauwerck im Begriff war abzureisen, erschien zugleich mit einer Staffette des Erbprinzen auch eine der Königin. Ein Brief der letzteren erbat für Michaelis eine neue Bürgschaftsverschreibung

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auf 6000 Taler und auf drei Jahre. Der Herzog, der über den Zusammenhang Aufklärung verlangte, war "sehr ungehalten auf Michaelis; behauptete, daß dieser ein höchst undankbarer Mann sey, daß er doppelt und dreifach mehr, als er je ihm hoffen laßen, an ihn erfüllt hätte, und bestand darauf, die Cautions Notul verweigern zu wollen". Auf Bitten Dewitzens ging er aber schließlich auf dessen Plan ein, "vermittelst dessen ich zwar Hr. Michaelis retten, zugleich aber die Papiere extradiren laßen wollte, wovon er einen so unüberlegten und sämtl. Königl. und fürstl. Personen, sowie d. Hr. Obersten von Graef compromittirenden Gebrauch machte" - so berichtet der Präsident dem Erbprinzen am 9. Mai.

Von der Übersendung des Geldes in bar mußte aber doch abgesehen werden, da wegen des strengen preußischen Geldausfuhrverbots Michaelis nur mit einem Kreditbrief auf Leipzig gedient war. So ließ Dewitz für ihn zwei Kreditbriefe über je 3000 Taler Gold auf das Leipziger Bankhaus Frege & Co. ausstellen. Der Überbringer Nauwerck hatte Auftrag, die längst abgelaufene Kautionsnotul des Herzogs über 3000 Taler sowie eine gleiche Versicherung der Prinzeß Louis von Preußen über 6000 Taler "cum annexis" zurückzuverlangen. Sollte Michaelis "außer der auf jeden Fall zu retradirenden Versicherungs Acte" der Prinzeß Louis (Friederike) die Verschreibung des Herzogs nicht zurückgeben, so war nur einer der beiden neuen Kreditbriefe an ihn auszuhändigen.

Mündlich gab Präsident v. Dewitz dem Advokaten Nauwerck noch den Auftrag mit, "selbst auf den Fall, daß Hr. Michaelis die Papiere nicht extradiren oder deponiren wollte, wie ich beinahe vermuthete (da ich den verschmitzten Israeliten kenne), ihm dennoch meine Credit Briefe auf Hr. Frege in Leipzig gegen seinen reinen Empfang-Schein zu behändigen. - Ich hofte ihn hierdurch, zwar sehr theuer, mit 6000 Rth': # auf immer abzukaufen" und wollte "noch einmahl versuchen, ob dieser Mann, der so hohes Interesse für sich zu erwecken verstanden hatte, mir und jedem andern Privat-Manne etwas mehr als bloße süße Phrasis und glatte Worte zu geben geneigt oder im Stande wäre" (der Präsident an den Erbprinzen am 14. Mai 1798).

Doch die Rettungsaktion scheiterte. Michaelis erklärte dem Advokaten Nauwerck und blieb dabei, er gebe die Briefe "nicht ohne ausdrückliches Verlangen eines jeden der Schreiber derselben" aus den Händen. Auch als Nauwerck die Bedingung der Briefauslieferung preisgab, kam es nach einigem Schwanken doch zu keiner Einigung. Michaelis meinte für die bevorstehende Leipziger Messe geborgen zu sein und von anderer Seite Geld zu

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bekommen, das ihn in die Lage setzen würde, nach 6 Wochen jedermann zu befriedigen.

Der Präsident meinte ironisch (an den Erbprinzen 14. Mai), es stände Michaelis sehr wohl an, "den Bescheidenen und Discreten zu machen", nun "er mir die Papiere ausliefern soll", die er sonst "verschiedentlich gezeigt und sich öffentlich gerühmt hat, mit selbigen nach Leipzig zur Meße zu reisen, sie dort zeigen und auf selbige schon Credit finden zu wollen". Er wolle sich eben nicht auf vernünftige Weise helfen lassen, könne ja auch mit den Kautionsnotuln des Herzogs und der Prinzessin Louis versuchen, "sich neues Interesse zu erwecken, sich persönlichen Werth zu geben, und wenn er sie an hundert verschiedenen Orten vorzeigte, damit bis zu 300000 Talern Credit bekommen. Ein Sümchen, mit welchem ein kleiner Buchhändler sich sehr helfen kann, wenn er gleich sonst alle Sachen verkehrt und verschroben anzufangen die Gewohnheit hat". Außerdem käme ihm ja "noch der Advis Brief, den ich an Hl Frege am 9. sogleich abgesandt, in Leipzig zu statten".

Michaelis Ablehnung brachte aber doch den Präsidenten in "nicht geringe Verlegenheit, da theils Ew. Herzogl. Hülfe für Hl Michaelis von mir verlangt, theils auch der Herzog Ihro Majestät der Königin geschrieben haben, daß ich Hl Michaelis helfen würde, und drittens da die Creditores deßelben sicher meine ausgestellten Credit-Briefe benutzen werden, um auch gegen den Willen dHl. M. mich als eine Art Bürgen anzufaßen".

Nur der Erbprinz könne ihn aus dieser Verlegenheit ziehen, durch Erteilung "einer bestimmten Instruction . . ., da ich es frey bekenne, diesem Mann in seinen mannigfaltigen Irrgängen nicht folgen zu können".

Der Erbprinz aber gab seinen Glauben an Michaelis immer noch nicht auf. Die von ihm begangenen Indiskretionen mit fürstlichen Briefen entschuldigte er milde mit "dem Zustande der Verzweiflung . . .., in den man ihn versetzte" (an v. Dewitz 17. Mai). Immer noch war er überzeugt, "daß die Nicht-Erfüllung des ihm gegebenen Versprechens, wenngleich nicht die Quelle seiner Verlegenheit überhaupt - aber unleugbar doch des Grades derselben war, der seinen Untergang unausbleiblich nach sich ziehen mußte!" In der "nachherigen Ertheilung der Bürgschaften auf so kurze Frist " sieht er " keine Erfüllung der ertheilten Zusage ". In der Abforderung der Briefe, namentlich auch derjenigen von und an seine Schwestern, will er nur ein Mißterständnis des Bevollmächtigten sehen, "da es gewiß niemand unternehmen würde, Briefe von der Königin oder auch von meiner

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jüngsten Schwester ohne ihren ausdrücklichen Willen abfordern zu laßen".

Michaelis war in der Tat einstweilen geholfen worden, und zwar durch die Prinzessin Louis, wie die Königin brieflich nach Neustrelitz mitteilte. Er hatte zwar - so schreibt der Präsident am 18. Mai dem Erbprinzen - "auch hierbey sich, wie gewöhnlich, unzähliger Unwahrheiten schuldig gemacht und Ihro Majestät der Königin mein und des Hl Nauwerck Ansinnen um Auslieferung der Papiere in dem gehäßigsten Lichte vorzustellen gesucht. - Welches doch keinen andern Grund haben konnte, als dem schändlichen Misbrauch und den leeren Pralereyen, die Hl Michaelis sich mit selbigen erlaubte, ein Ende zu machen". - Alles, was er, der Präsident, in dieser Sache geschrieben habe, sei vom Herzog gelesen, genehmigt oder ausdrücklich befohlen worden. So auch die Vollmacht und Instruktion für den Advokaten Nauwerck, die "Hl. Michaelis jetzt als ein von mir heimlich und gegen den Willen des Herzogs gewagtes Stück, und gegen seine Delicatesse anstoßendes Ansinnen bey Ihro Majestät der Königin geschildert hat". Dabei schreibe er ihm, dem Präsidenten, gleichzeitig einen heuchlerischen Brief "und streut mir Weyhrauch, um zu versuchen, ob ich durch selbigen betäubt werden könnte".

Hätte Michaelis die ihm zuletzt bedingungslos gebotenen 6000 Taler angenommen, dann hätte er die Prinzeß Louis nicht zu behelligen brauchen. "Allein dann blieb Hl Michaelis ohne ferneres Interesse für die hohen Personen, die er für sich zu interessieren gewußt hatte, und war mit 6000 Thalern abgefunden. Seine Pläne sind größer!" Er hofft "aus dem mystischen Dunkel, in dem er sich zu hüllen sucht, immer beträchtlichen Vortheil auf Kosten der Gutmüthigkeit zu ziehen".

Nun hatte die Königin verlangt, "daß der Prinzeß Louis die Summe gezahlt werde, die Ihro Königl. Hoheit für Hl Michaelis geschafft habe". Michaelis habe dann immer noch die Kautionsnotul des Herzogs auf 3000 Taler in Händen "oder läßt sie in alle Welt circuliren", außerdem Abschriften von derjenigen der Prinzessin auf 6000 Taler oder gar noch das Original, also Papiere über 9000 Taler, "zu deren Tilgung doch eigentlich diese 6000 Thaler bezahlt werden, und über kurz oder lang werden wir sicher abermals 9000 Thaler zahlen müssen".

Was sollte der Präsident der Königin antworten, mit der er gelegentlich einer Reise des Herzogs als dessen Begleiter bald in Freienwalde zusammentreffen würde?

Viel Tröstliches bekam er auf diese und andere Fragen vom Erbprinzen nicht zu lesen. Wieder schrieb dieser (21. Mai) mit

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Bezug auf Michaelis von einem "Zustand, der wahrlich noch größere Indiscretionen wenigstens entschuldigt haben würde". Und dabei hatte Michaelis, wie der Erbprinz selber zugab, sich "unterstanden, ohne alle Befugniß Abschriften von Briefen zu nehmen, die er zwar lesen, aber nie mißbrauchen durfte! die ihm - der sie selbst überreichen sollte, nur deswegen offen zugeschickt wurden, damit ihr Inhalt, d. h. die Lebhaftigkeit, mit welcher man sich für ihn verwendete, ihn von den verzweiflungsvollen Schritten, zu welchen ihn seine Lage vielleicht berechtigte, wenigstens so lange zurückhalten mögte, bis auch diese Verwendung keinen Erfolg gehabt!"

Es handelte sich also um Briefe von oder an die Schwestern des Erbprinzen Georg, die Königin Luise und die Prinzessin Friederike, die durch Michaelis' Hände gegangen und von diesem gemißbraucht waren. Doch immer noch entschuldigte der Erbprinz ihn mit der Behauptung "des gegebenen und nicht erfüllten Versprechens".

Nach Michaelis' Angabe seien ihm im Oktober die zugesagten Bürgschaften vorenthalten worden, "indem Ew. Excellenz es nicht zugeben würden, daß mein Herr Vater sie ausstelle!" So sei er "das Opfer des unverdientesten Ministerialdespotismus" geworden und "sehe auch seinen Untergang unausbleiblich vor Augen".

"Auf diese Darstellung [Michaelis'] gründet sich alles, was nach der Hand von uns sämmtlich geschehen ist!" Man hatte dem Michaelis rückhaltloses Vertrauen entgegengebracht, tat es immer noch und hielt die Ehre des Herzogs für gefährdet wenn nicht gar befleckt. "Hier war das Versprechen gegeben und mußte gehalten werden." Ja, der Aufschub der Ausfertigung "war schon Nicht Erfüllung". Die Rückforderung der Briefe mißbilligte der Erbprinz aufs entschiedenste. "Hätte ich eine solche Bedingung geahndet, so würde ich Sie gebeten haben, wenigstens meinen Nahmen nicht dabey zu nennen." Doch mehr als 6000 Taler wollte er nun auch nicht mehr hergeben. Das mußte unter allen Umständen das letzte sein.

Diesem Glauben an die Nichterfüllung des herzoglichen Wortes ein Ende zu machen, mußte der Präsident endlich versuchen. Er glaubte "beweisen zu können, daß dieses eine kahle Entschuldigung und vielleicht sinnreiche Erfindung des Michaelis ist (an den Erbprinzen 22. Mai).

Er selbst hat am 15. oder 16. Oktober v. J. mir gesagt: daß wenn er nur zwey Cautions-Notuln, jede auf 3000 Thaler, bis zum 1. Januar dieses Jahres, vom Herzoge erhielte, er sicher

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auf immer geborgen sey und keine Hülfe weiter verlangen würde.

Sollte Michaelis dieses ableugnen, so bin ich bereit, selbiges mittelst körperlichen Eides zu erhärten."

Daß früher ein größeres Versprechen dem Michaelis vom Herzog erteilt sei, hat der letztere verschiedentlich bestimmt verneint "und feyerlich auf seine Ehre als Mann, auf sein Fürsten-Wort und auf seiner Seelen Seligkeit als Mensch wiederholt versichert: daß er doppelt und dreifach mehr an den schändlich undankbaren Michaelis erfüllt habe, als er je nur hoffen lassen". Insbesondere sei die "letzte Hülfe anfänglich nur auf ein Jahr, nachmals aber nur auf wenig Monathe verlangt" worden. Von einer Rettung der Ehre des herzoglichen Vaters könne also keine Rede sein, und eine "Verzweiflung über ein gegebenes und nicht erfülltes Versprechen des Herzogs" sei lediglich die Ausgeburt "einer unbegreiflichen Exaltation".

Die Entschuldigung der Michaelisschen Indiskretionen aber wies der Präsident auf das Entschiedenste zurück: "Männer in den erhabensten Posten in Berlin machten mich hiermit bekannt; machten es mir zur Pflicht, diesem Unwesen zu steuern"; schrieben, daß sie nach Erfüllung dieser ihrer Pflicht sich "damit beruhigen würden, den Herzog meinen Herren und besonders seine irre geleiteten gutmüthigen Kinder zu bemitleiden".

Des Erbprinzen letzter Brief vom 21. Mai würde ihn bewogen haben, "Ihnen nicht weiter in dieser Angelegenheit zu schreiben, sondern es der Zeit und der künftigen Erfahrung zu überlaßen, Ew. Herzogl. Urtheile über Personen und Sachen in dieser Angelegenheit zur Lehre auf künftige Fälle zu berichtigen; wenn Ew. Herzogl. Durchl. mich nicht als Mann von Ehre aufforderten , zu sagen, ob Sie anders handeln konnten?"

Diese Frage beantwortet er mit einem klaren, bestimmten Ja! Der Erbprinz hätte sein Handeln nicht so einseitig auf das gründen dürfen, was "dieser Honigseim im Munde und Galle im Herzen führende Jude Ihnen sagte".

"Musten Sie es dem Juden auf sein Darstellen glauben, daß Ihr Hl Vater, der regierende Herr, schwach und zugleich schlecht genug sey, erst sein Wort zu geben und es dann wieder leichtsinnig zu brechen, weil sein Minister ein Despot wäre!!! -

Dieses Darstellen war hinterrüks angebracht, es war schändlich, es war unnatürlich und um desto unwahrscheinlicher". "Sie, gnädiger Herr, mußten, durften dieses nicht glauben, sondern prüfen, genau untersuchen, ehe Sie Ihr Urtheil fälleten, ehe Sie handelten."

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Das sind nur einige charakteristische Stellen aus dem langen Briefe. Nach seiner Abfassung ging der Präsident, da den Herzog das kalte Fieber befallen hatte, mit dem Prinzen Ernst zur Königin nach Freienwalde. In einer Nachschrift vom 26. Mai berichtet er darüber dem Erbprinzen, die Unterredung mit der Königin habe "alle meine Vermutungen bestätiget". Johannis ginge er auf Befehl der Königin nach Berlin, um "der Prinzeß Louis auch von meiner Handlungs Art Nachricht zu geben; derselben auch die Augen über Michaelis zu öfnen, und die in Ihrer Gutmütigkeit versetzten Ringe mit 6000 Thaler Gold einzulösen, mir die Cautions Notul des Herzogs und die der Prinzeß Louis, die die Königin noch in den Händen des Juden zu seyn glaubt, einliefern zu laßen, und mich zu überzeugen, daß Ihro Majestät die Königin, nachdem Sie auch mich als den beklagten Theil gehöret, völlig meine Verfahrungs Art billigen und mich bäten so fort zu fahren, ohne mich durch irgend jemand irre machen zu laßen".

Auch habe die Königin versprochen, "daß, wenn ich künftig hinterrücks angeklagt werden sollte, Sie Höchst Selbst Ihrem Hl Vater, meinem Herren, hiervon Nachricht geben oder mich auch Selbst hierob befragen würden".

Die Königin war also nun belehrt. Der Erbprinz aber fuhr auch jetzt noch fort, Michaelis zu verteidigen. Der Argwohn, er würde die in seinen Händen befindlichen Bürgschaftsverschreibungen mißbrauchen, sei unbegründet. Warum "diesen Menschen in einen Zustand der Verzweiflung versetzen - und dann ihn der Handlungen wegen anklagen, die er in der Verzweiflung begieng? Warum seine Indiscretionen nach der Wichtigkeit der Personen, die er compromittirte - und nicht nach der Veranlaßung oder den Bewegungsgründen abmeßen?"

Ihm ist immer noch fraglich, wer von beiden - der Erbprinz oder der Präsident - sich über Charakter und Wesen des Michaelis irrt. Jedenfalls sei es besser "auf der Seite irre geleitet zu werden, die retten will - als auf der andern, die unglücklich machen will!" Darauf käme übrigens nichts an, denn "nur helfen wollte ich - meinem Vater Kummer ersparen - und Niemanden compromittiren!" Da er selber nicht helfen konnte, bat er seine jüngste Schwester. Er würde "noch heute Alles das wieder thun", was er tat - so schreibt er am 3. Juni -, da er sich immer noch als Beschützer der Ehre seines Vater fühlt. Und auch die Königin wird wieder - so vertraut er - mit ihm fühlen. "Sie überzeugte sich in Freyen-

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walde durch die Darstellungen eines Mannes von Ehre - und ward gerührt in Berlin durch die Klagen eines Unglücklichen."

"Wir sind nicht einerley Meynung, Herr President! - Das thut mir leid - aber es schadet Ihnen in meiner Achtung nichts! - Nicht alle Menschen können einerley Meynung seyn - und ich schätze den Mann der die Seinige unbefangen äußert und darnach handelt!"

Wenn erst der widrige Eindruck vorüber, "dann werden, hoffe ich, Manche und vor allen Dingen mein Herr Vater zuerst es einsehen, aus welcher reinen Quelle unsere Handlungen floßen - mit welcher Wärme wir für sein Intereße fühlten und welche bey weitem größere Unannehmlichkeiten für ihn wir am Ende doch noch verhinderten - dann wird man uns Gerechtigkeit widerfahren laßen".

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Der Präsident v. Dewitz schritt nun zur endgültigen Abwicklung der Michaelisschen Sache. Am 23. Juni wollte er dem Buchhändler in Berlin 6000 Taler einhändigen zur Zahlung an Prinzessin Friederike gegen Rückgabe der noch immer nicht zurückgelieferten Bürgschaftsakte des Herzogs auf 3000 Taler. Diese Bürgschaft hatte aber ein Herr Euchel in Händen, der gerade nach Kopenhagen verreist war. So kam die Sache wieder nicht zustande. Michaelis aber schrieb dem Präsidenten in einem von Unschuld und Biedersinn überschwellenden Briefe u. a.: "Gott ist mein Zeuge, daß nie eine Silbe über meine Lippen gegangen ist, die zu Ew. Excellenz Vorstellungen von demjenigen, wie ich mich über Sie geäußert haben soll, passen kann."

Im Juli kehrte er wieder nach Neustrelitz zurück. Er wagte es, dem Herzog am 22. einen seiner phrasenreichen Briefe zu schreiben: "Aus dem Gedränge meines bittern Schicksals herausgetreten, bin ich jetzt in meine Heimath zurückgekehrt . . .. mit dem Bewußtsein, nach einer sehr kurzen Frist Ew. Herzoglichen Durchlaucht das vollständigste Detail meiner Lage vorlegen und die Ueberzeugung geben zu können - daß mein Werk nicht bloß alles dasjenige verdient, was dafür geschehen ist, sondern daß der Bestand desselben den größten Theil des Mißtrauens, welcher darauf hingeleitet ist, gar leicht austilgen kann, wenn mir nur die Ruhe wird, um die traurigen Erfahrungen in Anwendung bringen zu können, die seit Jahr und Tag an meiner Zerstörung arbeiteten."

Mit solchen Belegen wollte er in einigen Tagen persönlich vor dem Herzog erscheinen, durchdrungen von der Überzeugung, wenn

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er auch "in der unausgesetzen Angst und Quaal" gefehlt hätte, in seinen "Absichten die Beruhigung" zu finden, "welche nur gute Absichten geben können".

Doch Isaac Euchel griff nun mit rauher Hand ein. Da "Michaelis seit zwey Tagen Berlin heimlich verlaßen habe", sandte er unterm 23. Juli an den Herzog eine beglaubigte Abschrift seiner Bürgschaftsakte vom 17. Oktober 1797 und verlangte die Bezahlung der darauf von Michaelis entliehenen 2100 Taler nebst 5% Zinsen. Michaelis hatte dem Präsidenten in Berlin gesagt, er schulde dem Euchel auf diese Bürgschaft nur 800 Taler. Jetzt mußte er gestehen, daß außer diesen 2100 Talern noch an den Advokaten Nauwerck 2800 Taler zu zahlen seien, womit dieser die andere herzogliche Bürgschaft auf 3000 Taler eingelöst hatte.

Am 4. August erging der Zahlungsbefehl zur Einlösung der in Euchels Hand befindlichen Bürgschaft.

Michaelis gab seine Sache noch nicht verloren. Von seinem Krankenlager ließ er am 15. August dem Herzog schreiben. Seine Schuld konnte er nicht länger verbergen: "Ich bin nicht fähig zu entschuldigen, was ich immer als Last auf mir liegen haben werde", ebensowenig wie "diejenigen - je, wenn ein Funke Menschlichkeit in ihnen lebt! - Ruhe des Gewißens finden werden, die mich in einen Abgrund gestürzt haben, in dem ich taumelnd mir selber untreu worden bin" usw.

"Was ich gethan habe," so entschuldigt er sich, "geschah um das Werk zu erhalten, das der Erhaltung so würdig ist, wie Ew. Herzogl. Durchlaucht aus einer vorläufigen Uebersicht seines Innern, die ich noch heute einreichen zu können hoffe, sich selber überzeugen werden; ich habe mich seinethalber moralisch geschändet; ich habe mich ihm physisch aufgeopfert." In banger Erwartung sah er der Entscheidung des Gerichts entgegen.

Am 19. August legte er dann mit eigenhändigem Begleitschreiben dem Herzog eine vorläufige Übersicht seiner Geschäftslage vor. Die Aktiva betrugen darnach 26479, die Passiva 20159 Taler. Unter ersteren bestand der Hauptposten von 11779 Talern in den Verlagswerken, von denen ein Verzeichnis angeschlossen war.

Er bat den Herzog, "Sich in die Lage eines Unglücklichen hineinzudenken, der nur in der Periode, wo die Mißhandlungen, die über ihn gekommen sind, ihre letzte Wirkung äußerten, von seiner eigenthümlichen Denkart weggedrängt worden ist, und mit dem empörten, bedrängten, geängstigten Sinn eines Unglücklichen handelte.

Bei weitem besser als jetzt war meine Lage im vorigen Jahre.

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Wäre ich der Bosheit, welche sich in Hannover an mich übte, nicht zum Opfer geworden" - es handelt sich um die vereitelte Heirat - "wie glücklich und wie ruhig hätte ich meinen schönen Plan verfolgen und Ew. Herzogliche Durchlaucht Wünsche erfüllen können! Ich lasse Gott über diejenigen richten, die mir mein Unglück dort bereitet haben."

Eine Frist, hofft er, könne ihm immer noch helfen, "daß ich das Werk wieder emporhebe. Nicht bloß daß ich manche weitere Schriftsteller, unter denen ich nur Voß als den vorzüglichsten nennen will, für mich gewonnen habe - sondern es findet sich auch ohne Zweifel kaufmännisches Interesse zur Theilnahme an dem Geschäft".

Vom Herzog hofft er noch, daß er die Stille um ihn schaffen werde und damit die Möglichkeit, "Menschen für das Werk zu gewinnen". Er bittet ihn in den Stand zu setzen, "an die radikale Wiederher - und Sicherstellung meines Werks auf diese Weise arbeiten zu können".

Doch das Verhängnis nahm seinen Lauf. Das Gericht verurteilte Michaelis und seinen Bruder wegen Fälschung zu Gefängnisstrafen, die Hofbuchhandlung kam in Konkurs. Nach Abbüßung der Gefängnisstrafe (Februar 1799) wurde den Brüdern der landesherrliche Schutz entzogen, das Buchhändlerprivilegium für erloschen erklärt und beide des Landes verwiesen. Außer der Fälschung mit dem Wertkästchen war noch mancherlei ans Tageslicht gekommen: ein Scheinverkauf seines Hauses und seiner Buchhandlung an den Buchhändler C. Aug. Nicolai Sohn in Berlin i. J. 1798, Erschwindelung eines Societätsvertrags mit Dr. Zimmermann in Neubrandenburg nebst Vorschuß von 3200 Taler Gold, Fälschung eines mit Schiller am 25. Mai 1797 abgeschlossenen Verlagsvertrage 2 ).

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Angesichts dieses Ausgangs hat auch der Erbprinz keinen Versuch mehr gemacht, seinen Schützling zu retten. Schon im Juli 1798 war in seiner Umgebung der Wind umgeschlagen. Ein Brief, den sein vertrauter Führer Oberst v. Graefe am 28. Juli aus Hohen-Zieritz an Michaelis schrieb, zeigt eine völlig veränderte Haltung und Tonart. Er hebt an: "Ich will es aus Menschen-


2) Dies und das Gerichtliche aus einem auf Gerichtsakten beruhenden Aufsatz "Ein Neustrelitzer Hofbuchhändler im vorigen Jahrhundert". (Neustrelitzer Zeitung v. 29. Febr. 1888 Nr. 26.) Der ungenannte Verfasser war der Neustrelitzer Regierungsregistrator Hoth.
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liebe gern glauben, Herr Michaelis, daß nur Verzweifelung und Furcht Sie zu Schritte[!] und zu einer Verfahrungsart verleiten konnten, die denen, welche sich Ihrer mit so vieler Wärme und Aufopferung annahmen, nach unsäglichem Kummer und Verdruß auch nicht einmal die Beruhigung übrig läßt, sich für einen Würdigen verwandt zu haben!"

Er will ihm verzeihen, "daß Sie besonders mich zum Lohn für alles deßen [!] was ich that, einer Beurtheilung preißgaben, die nur durch Ihre Handlungen, welche jetzt als Thatsachen gegen mich auftreten, möglich werden konnte!"

Eine Unterredung sei "nach dem Vorhergegangenen völlig überflüßig. . . . Ich habe Sie gehört - der Herzog hat uns die von Ihnen selber unterschriebenen Protokolle Ihres Verhörs mitgetheilt - da war der Ort, wo Sie reden konnten und mußten! nicht unter vier Augen mit mir - Alles was Sie mir sagen könnten, würde mich weder überzeugen, noch in den Stand setzen, es zu Ihrem Nutzen gebrauchen zu können! Sie haben es mir bewiesen, daß Ihre Darstellungen nicht der Wahrheit, sondern Ihrer Verlegenheit angemeßen sind - und daß Sie nach der Hand auch selbst diese Darstellungen wieder zurücknehmen! - Hiervon zeugen Ihre Briefe an den Hl President von Dewitz ebenso unwidersprechlich als Ihre Unterschrift es bey Ihrem Gerichtlichen Verhöre zu thun vermag!

Sie begreiffen, Herr Michaelis, daß man Handlungen wie die Ihrigen - einem Unglücklichen verzeihen kann - aber weder gegen uns selbst, noch gegen andere würden wir es verantworten können - der Prinz und ich - wenn wir uns fernerhin mit den Angelegenheiten eines Mannes befaßen wollten, der wenigstens von uns - eben so wenig Glauben als Unterstützung in diesem Augenblicke verdient, und der nur eine fortdaurende Mißstimmung zwischen Personen unterhalten kann, die zum allgemeinen Besten mit einander einverstanden seyn sollten!

Legen Sie den dermahligen Zustand Ihrer merkantilischen Verhältniße dem Herzoge vor - Er wird sie dem Prinzen mittheilen; und es wird uns lieb seyn, den Grund zu einer günstigen Aussicht für die Zukunft darinn für Sie zu finden."

Noch ein Brief v. Graefes vom 31. Juli behandelte Michaelis' beabsichtigte Rechtfertigung des "unverantwortlichsten Mißbrauchs" einer Sache, "die Ihnen in jeder Rücksicht heilig seyn mußte -! Denn schon die bloß mündliche Wiederholung einzelner Stellen aus meinem Briefe an die Königin gegen den Dr. Zimmermann war der höchste Grad von Vermeßenheit und Undankbarkeit zugleich! Ich erlaße Ihnen die Rechtfertigung" usw.

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Graefe verlangt aber "mit meinen zurückerfolgenden Briefen an Sie die bestimmteste, ausdrücklichste Erklärung an Eides statt, daß keine Abschrift von jenem Briefe an die Königinn existire - so wie ich Ihnen dagegen das Gelübde hier thue, daß wenn je eine Zeile aus diesem Briefe abschriftlich erscheint - Sie Ihrer Strafe nicht entgehen sollen, und wenn Sie sich auch im entferntesten Winkel der Erde verbergen könnten.

Setzen Sie Ihre Erklärung so auf, daß ich sie der Königin vorzeigen kann, damit Ihre Lage nicht noch unglücklicher werde, und die Königin nicht Zorn, sondern nur Mitleiden für Sie empfinde."

Damit bricht der Briefwechsel v. Graefe - Michaelis ab. Er wurde im Februar 1799 vom Advokaten Nauwerck nebst anderen Papieren "in dem Hause dHl Michaelis in einem Kasten auf dem obersten Boden unter dem Dache versteckt gefunden" und kam in die Hände des Präsidenten v. Dewitz. Der legte die Briefe am 25. Februar dem Herzog vor. Sie seien nicht vollständig, da "Michaelis bey der Anwesenheit dHl Obristen die wichtigsten und in der letzten Catastrophe geschriebenen Briefe, wie Ew. Herzoglichen Durchl. bekannt ist, nach Hohenzieritz ausliefern müssen, zeigen gleichwohl manche Verbindung, die dHl Obriste bisher zu verbergen sorgfältig bemühet war. -

Die anonimische Autorschaft ist bey einem Führer des Erbprinzen, den er zum Copiisten seiner anonimischen Producte braucht, mindesten[!] bedenklich, wenn nicht gefährlich."

Nachdem Michaelis auf die Thora beschworen hatte, keine auf diese Sache bezüglichen Papiere mehr in Händen zu haben, schied er aus dem Strelitzer Lande, in dem er einige Jahre lang, von Fürstenhuld beschirmt, eine so eigenartige Rolle hatte spielen dürfen.

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