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Inhalt:

B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.

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I. Zur Alterthmuskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Steinzeit.


Hünengrab von Neu=Garz.

Auf dem Gute Neu=Gaarz bei Waren stand in einer Wiese, Namens "Grassee", auf einer nicht bedeutenden Höhe in derselben an einer Stelle, welche durchaus bodenfest ist, aber in den ältesten Zeiten, jedoch sicher vor der Aufrichtung des Grabes, auch unter Wasser gestanden hat, ein großes "Hünengrab" (Steinkammer); nicht weit von der Grabstelle ist noch heute Sumpf und Wasser. Im Herbste 1868 schritt der Herr Lehrer Struck zu Waren unter freundlicher Beförderung und auf Kosten des Gutsbesitzers Herrn Strecker auf Neu=Gaarz zur Aufdeckung dieses alten Grabes und theilte dem Vereine das Ergebniß der Forschung mit. Auf 5 großen Pfeilern aus Urgestein (Granit, 1 Syenit, 1 Diorit) hatte ein granitner Deckstein geruhet, welcher über 10 Fuß lang und 5 Fuß breit war; die Pfeiler waren aber mit der Zeit ausgewichen und der Deckstein zwischen die Pfeiler gesunken und hatte, wie deutlich zu sehen war, einen bedeutenden Druck auf den innern Raum der Grabkammer ausgeübt. Da der Deckstein zu groß war, um ihn ausheben zu können, so mußte er angebohrt und mit Pulver gesprengt werden. Nach Wegräumung des Decksteins sah man, daß im Innern

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die Spalten zwischen den Tragepfeilern mit kleinern Steinen von ähnlichem Gestein zugesetzt waren; einer dieser Fugensteine war ein rother junger Sandstein von ungefähr 1 Fuß im Quadrat. Bei der Aufgrabung des innern Raumes zeigte sich zuerst oben eine 1 Fuß starke Deckschicht welche lettenartig fest aus lauter Pflanzenüberresten bestand, welche vielfach mit Conchilienfragmenten vermischt waren; selbst einzelne Blattnetze ließen sich noch erkennen. Die Mischung dieser Erde, welche sich auch außerhalb des Grabes fand, glich vollkommen dem Moder eines Teiches, nur daß sie lettenartig fest war, vielleicht durch den Druck des Decksteins. Unter dieser Schicht folgte wieder eine 1 Fuß dicke Schicht von reinem Seesande. Unter dieser Schicht lag im Grabe gute, schöne Erde, schwarz wie Gartenerde. Die häufig vorkommende Schicht zerschlagener und ausgeglüheter Feuersteine auf dem Boden des Grabes fehlte ganz. Als man in die schwarze Erde einen Fuß tief gegraben hatte, stieß man auf ein menschliches Gerippe, das ohne Zweifel von einer Leiche war, welche sitzend beigesetzt war, da die Knochen vom Haupte bis zum Becken auf einer kurzen Strecke in einem Haufen dicht und unordentlich auf einander lagen, mit dem Haupt "im Osten", mit den Füßen "im Westen", wie auch die Längsrichtung des Grabes von Osten nach Westen lief. Die Knochen waren fast ganz vergangen und schmierig aufgelöst. Nur die stärker Knochen waren ein wenig erhalten, so daß sie in kleinen Stücken, etwas über einen Zoll lang, zusammenhielten; die übrigen waren faserartig weich und zerfielen sofort. Aus den später erhärteten Knochenbruchstücken ergiebt sich ohne Zweifel, daß die Leiche unverbrannt beigesetzt war, wie auch schon die sitzende Stellung beweist. Vom Schädel waren nur noch aufgeweichte Brocken, von Zähnen merkwürdiger Weise keine Spuren vorhanden. Von Alterthümern fand sich, trotz der sorgsamsten Nachforschung, nichts, weder Urnenscherben, noch bearbeitete Feuersteingeräthe. Es fand sich, außer dem Gerippe, in dem Grabe nichts weiter, als ein Stück Feuerstein, viereckig, 2 1/2 Zoll lang und ungefähr 1 Zoll dick, welches ohne Zweifel durch Menschenhand bearbeitet ist, da sich an einer Seite eine ebene Spaltfläche mit einem Schlagansatz und die entgegengesetzte Fläche mehrere kleine Absplitterungen zeigt Dem Anscheine nach ist dieses Stück das obere Ende eines zerbrochenen Meißels aus der ältesten Steinzeit. Jedenfalls ist das Grab sehr alt und merkwürdig durch

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seine Lage, so wie durch das Fehlen jeglicher Geräthe, während die übrigen Zeichen auf eine sehr ferne Zeit hindeuten.

G. C. F. Lisch.     

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Höhlenwohnung von Pölitz aus der Steinzeit.
(auf dem "Sippenberg").

Die von mir sogenannten "Höhlenwohnungen" welche in den Jahrbüchern schon oft behandelt sind, sind ehemalige, auf dem festen Lande angelegte, kreisrunde Gruben von ungefähr 4 Fuß Tiefe unter der Erdoberfläche, die zur Zeit der Bewohnung mit einem kegelförmigen Strohdache überdeckt gewesen sein werden, welches auf dem Rande der Grube stand. Diese "Höhlen=" oder "Grubenwohnungen" dienten den Menschen der ältesten Vorzeit zum Schutze gegen schlechtes Wetter und zur Verrichtung der schwereren Arbeiten für die Feld= und Hauswirthschaft, während die Pfahlbauten in den nördlichen Ländern wohl nur als Zufluchtsörter und Burgen zum persönlichen Schutze dienten. Beide Arten von Ansiedelungen werden in Gegenden, wo Wasser war, wohl immer neben einander gelegen haben und von der einen Art wird sich wohl ziemlich sicher auf das Vorhandensein der andern schließen lassen. Die Wasser der Pfahlbauten sind jetzt aber meistentheils schon Torfmoore und Wiesen, und die letztern zu Weiden, sogar schon zu Ackerland geworden.

Die "Höhlenwohnungen" sind aber sehr schwer zu entdecken. Es ist unmöglich, auf den weiten Ackerflächen Norddeutschlands darnach zu graben. Sie können nur durch Zufall entdeckt werden und werden nur durch die wissenschaftliche Theilnahme der Grundbesitzer erkannt, namentlich bei dem seit einiger Zeit entdeckten und angewandten Drainiren feuchter Aecker, da die Drainsgräben lange Strecken Landes durchschneiden und grade reichlich so tief gezogen werden, als die Fußöden der Höhlenwohnungen zu liegen pflegen, nämlich 4 bis 5 Fuß tief.

Der Herr Gutsbesitzer Pogge auf Pölitz bei Lalendorf hat nun auf seinem Gute Pölitz im Monat Mai 1868 beim Drainiren wieder eine solche Höhlenwohnung entdeckt, welche hier beschrieben und beurtheilt werden wird, und zwar nach den vom Herrn Pogge gütigst mitgetheilten

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Beschreibungen und Beobachtungen und den von ihm an den Verein eingesandten Fundstücken.

Auf dem Felde des Gutes Pölitz, in der Richtung nach Strisenow, links von dem Wege nach Strisenow, liegt ein ungefähr 30 Fuß hoher, strenge lehmiger Berg, der "Sippenberg", dessen Spitze eine runde Kuppe bildet. Am Fuße des Berges liegen mehrere Wiesen, welche jetzt Acker geworden sind, namentlich im Süden die "Sippenwiese", eine längliche Wiese, ungefähr 60 Quadratruthen groß. Da der Sippenberg wegen nicht durchlassenden Untergrundes sehr naß ist, so ließ Herr Pogge an einer der nassesten Stellen im Lehm am östlichen Abhange von Norden nach Süden, von der Spitze bis zur Sippenwiese 4 Fuß tief einen Drain legen. Beinahe auf der Kuppe auf der Ostseite derselben, ging der Drainsgraben ungefähr 1/2 Fuß tief unter der Erdoberfläche; hier durchgruben die Arbeiter beim zweiten Spatenstich eine schwarze Masse, welche anscheinend von verbranntem und verkohltem Holz herrührte; diese Schicht war 12 Fuß lang (oder im Durchmesser) und ungefähr 1 bis 1 1/2 Fuß dick. Diese Kohlenschicht wird das verbrannte und eingestürzte Strohdach der ehemaligen Höhlenwohnung sein.

Einige Fuß weiter stießen die Arbeiter in gleicher Tiefe von 1/2 Fuß auf einen großen Stein, welchen die Pflugspitze beim Beackern berührt haben muß. Nachdem der längliche Stein frei gelegt war, zeigte es sich, daß er künstlich von Menschenhänden gelegt, 3 bis 4 Kubikfuß groß und unten abgeflacht und oben abgerundet war. Dieser große Stein lag auf den 4 Ecken des Randes auf 4 kleinern Steinen ("größern Kopfsteinen") oder Pfeilern und die Seitenwände zwischen diesen 4 Trägern waren mit kleinern Steinen ausgefüllt. Es fanden sich auch röthliche gebrannte, starke Lehmstücke mit Stroheindrücken ("Klehmstaken"), welche an den Seiten dieser Steinsetzung gelegen zu haben scheinen und wahrscheinlich von einer äußern Lehmbekleidung derselben herrühren.

Nachdem der große Stein durch zwei Arbeiter aus dem Wege gewälzt war, zeigte es sich, daß der Raum unter demselben mit Lehm, welcher wohl im Laufe der Zeiten hineingeschlämmt ist, und mit Topfscherben gefüllt war. Der Arbeiter am Drainsgraben, in der irrigen Meinung, Ziegelschutt vor sich zu haben, hackte nun die ganze Stelle mit einer großen Hacke durch, wodurch alles durch einander gewühlt und vieles zerbrochen ward. Als nun Herr Pogge darüber hinzukam und in wissenschaftlicher Einsicht, zuerst

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den Fund für ein Grab haltend, sogleich die Fundstücke erkannte, ließ er die Stelle rund umher tief frei graben und fand nun eine runde Vertiefung von ungefähr 4 Fuß Durchmesser, welche mit den unten aufgeführten Alterthümern und mit Lehm gefüllt war.

Von Bedeutung ist die Bemerkung des Herrn Pogge, daß diese Stelle früher tiefer in der Erde gelegen hat, da die Kuppe im Laufe der Zeiten schon bedeutend herunter geackert ist. Sie wird ursprünglich also mit dem Fußboden der Grube wohl ungefähr 4 Fuß tief unter der alten Erdoberfläche gelegen haben.

Die Alterthümer, welche Herr Pogge dem Verein übersandt hat, sind folgende.

1) Sehr viele Topfscherben von vielen dickwandigen Wirthschafts= d. h. Koch= und Aufbewahrungs=Töpfen, in den Wandungen bis voll 1 Zoll dick, stark mit zerstampftem Granit durchknetet, auf den Außenflächen gelblich und roth gefärbt, also dem Feuer ausgesetzt gewesen. Von 4 Töpfen sind Randstücke vorhanden. Zwei Randstücke haben Henkel. Alle sind einfach von Formen und ohne Verzierungen. Nach allen Zeichen waren die Gefäße keine Begräbnißurnen, da diese stets feiner und sauberer und oft verziert sind. Nach dem ganzen Charakter gehören diese Gefäße aber der Steinzeit an.

2) Viele zusammen= und krummgedrückte Topfscherben. Dies ist eine Erscheinung, welche sonst noch nie und nirgends beobachtet ist. Mehrere lange, starke Wandstücke von Töpfen sind nämlich durch äußern Druck nach innen dicht zusammen geklappt oder gedrückt, und nicht zerbrochen. Dies geht sicher daraus hervor, daß die Außenflächen an den Biegungsstellen vielfach zerborsten, die Innenflächen zusammengeschrumpft sind. Die Töpfe müssen also bei der Zerstörung der Grubenwohnung entweder noch nicht gedörrt oder sehr wasserhaltig und weich gewesen sein (Wassertöpfe).

3) Zwei und wahrscheinlich einige kleinere Bruchstücke von Geräthen von seltener Form, wie sie sonst noch nie beobachtet sind. Die Geräthe sind quer durchbrochen und etwa zur Hälfte vorhanden Sie sind nicht rund, sondern länglich und sehr dick (1 Zoll), namentlich am abgerundeten Ende, und gleichen ganz dem Hackenende eines weiblichen Schuhes. Es wäre nicht unmöglich, daß es Thonschuhe, ähnlich den Holzschuhen, gewesen sind, wenn auch nicht zum Gehen, doch beim Sitzen und Stehen. Ein anderer Zweck läßt sich kaum errathen.

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4) Mehrere Thierknochen.

5) Einige Feuersteinsplitter oder Messer, von denen eines sicher durch Menschenhand geschlagen ist.

6) Ein Reibstein aus sehr feinkörnigem, jungem Sandstein, von cylindischer Form, auf der Außenfläche regelmäßig abgerieben, 2 Zoll lang, 2 1/4 Zoll dick. Ein gewöhnlicher Mahlstein oder Kornquetscher, wie dergleichen häufig vorkommen, ist es nicht, da solche Steine immer eine kugelige Form haben und härter sind.

Von ganz besonderer Bedeutug sind aber zwei Erscheinungen, welche ebenfalls noch nicht beobachtet zu sein scheinen. Diese beiden Stücke haben sicher zwischen den Topfscherben in der großen Masse der Bruchstücke gelegen.

7) Das erste Stück ist ein runder Kuchen von sehr fettem Thon. Dies ist ein von Menschenhand sorgfältig geformter, am Seitenrande regelmäßig abgerundeter und auf den beiden Hauptflächen platt und grade gedrückter Kuchen, welcher genau die Form und das Ansehen eines kleinen holländischen Käses hat, gegen 4 Zoll dick und über 8 Zoll im Durchmesser. Leider ist nur ungefähr ein Viertheil des Ganzen vorhanden, 2 1/3 Pfund schwer, da der Kuchen mit dem Spaten durchstochen und der Rest zerbrochen und verworfen ist. Der Durchschnitt zeigt eine schwärzliche, glänzende, zähe Masse, welche sich speckig anfühlen und noch etwas schmieren läßt. Ich war daher stark versucht, das Stück wirklich für einen getrockneten, fetten Käse zu halten, welcher in Lehm gehüllt sich erhalten haben konnte, um so mehr, da das specifische Gewicht ungefähr dem eines festen Käses gleich ist. Ich sandte jedoch im gerechten Mißtrauen das Stück an unsern berühmten Freund Herrn Professor Dr. F. Keller zu Zürich, mit der Bitte, es mit andern gelehrten und erfahrenen Forschern zu untersuchen und zu bestimmen, da ich in Zürich gewiegte und sichere Auctoritäten erwarten durfte. Keller schreibt mir nun: "Ihrem Wunsche gemäß habe ich die mir überschickten Dinge Herrn Professor Heer, Herrn Wieser, unserm ausgezeichneten Mineralogen, und verschiedenen andern Naturforschern vorgewiesen und melde Ihnen, daß nach einstimmigem Urtheil aller dieser Herren das größere Stück (der Kuchen) eine erdige Substanz, nämlich fetter Thon ist, wie sich aus der chemischen Untersuchung im ersten Augenblick ergab." - Wenn ich mich nun auch bei diesem Anspruche völlig beruhigen kann, so hat der Fund doch seine große Merkwürdigkeit, da es

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sich nun weiter fragt, wozu dieses sorgfältig geknetete und geformte Stück fetten Thons gedient haben mag. Wahrscheinlich war es Vorrath zur Ausbesserung der Töpfe. Bekanntlich sind alle Töpfe aus der Heidenzeit inwendig immer mit einer dünnen Schicht glatten und fetten Thons überzogen, wenn sie auch auf der Außenseite rauh und roh sind, ohne Zweifel um sie möglichst wasserdicht zu machen; auch giebt es Beispiele, daß schadhafte Töpfe mit andern Topf scherben vermittelst fettem Thons geflickt sind. Daher wird der zu Pölitz gefundene Thonkuchen ein Vorrath zur Bekleidung der innern Topfwände und zur Ausbesserung der Töpfe sein und ist gewiß deshalb sorgfältig aufbewahrt worden, weil sich Thon dieser Art nicht häufig findet.

8) Das zweite Stück ist ein flacher Kuchen von Schlacke, viereckig, länglich, 6 Zoll lang und breit, 1 1/2 Zoll dick, ähnlich einem Dachziegel. Es ist schwarz und brüchig gebrannt und sehr poröse, hin und wieder mit kleinen Lehmstücken beklebt. Es ist sehr leicht und schwimmt auf dem Wasser! Diesen "Fladen" hielt ich für verkohltes Brot. Ich schickte deshalb eine Probe ebenfalls nach Zürich. Keller schrieb mir nun: "Die andere Substanz, die Sie für Brot hielten, ist ganz positiv Schlacke." Hiebei kann ich mich aber weniger beruhigen, da der Begriff von Schlacke weit ist. Würde es Metallschlacke sein, so mußte es nach meiner Meinung im Wasser untersinken. Nun schwimmen aber abgeschlagene Stücke sicher im Wasser. Daher muß ich mich noch immer zu der Ansicht des Herrn Pogge neigen, daß diese Stücke "Inhalt der Töpfe" oder verkohlte Speisereste sind.

Von Stücken dieser Art, Fettlehmklumpen und Strohlehmstücke, sind beim Aufgraben mehrere verworfen.

Es ist nun die Frage, was diese ganze Stelle zu bedeuten hat 1 ). Ein Grab ist sie sicher nicht. Auch der Feuerherd der Grubenwohnung wird es nicht sein, da die Feuerherde immer frei auf dem Boden der Wohnungen liegen. An eine Art von Brennofen kann man auch wohl nicht gut denken. Ich glaube, daß die Stelle eine Art von Vorrathskammer neben der Höhlenwohnung gewesen und zur Sicherung mit einein großen Steine überdeckt und an


1) Der Herr Sanitätsrath Dr. Friederich in Wernigerode hat an zwei Stellen bei Altenrode in der Nähe von Wernigerode auch eine große Menge (über hundert) solcher vertiefter "Landwohnungen" entdeckt und in einer derselben auch einen ähnlichen Steinbau, wie der hier beschriebene, ist jedoch über die Bestimmung ebenfalls noch in Zweifel Vgl. Zeitschrift des Harzvereins I, Heft 1, 1868, S. 131.
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den Seiten mit kleinen Steinen und Strohlehmwänden gesichert gewesen ist.


Uebrigens berichtet Herr Pogge noch: "Aehnliche Stellen haben wir auf dem Felde von Pölitz beim Drainiren schon mehrere gefunden, von denen ich zwei genauer beobachtet habe: auf Anhöhen, in der Nähe kleiner "Wiesengründe, ungefähr 4 Fuß tief, auf dem Boden ein Lager runder, schwarz gebrannter Sammelsteine, darüber schwarze verkohlte Massen."


Diese Höhlenwohnung aus der Steinzeit steht mit den unten beschriebenen, später auf dem "Wehrkamp" zu Pölitz beim Drainiren entdeckten Ansiedelungen, welche ohne Zweifel der jüngsten Eisenzeit angehören, in gar keinem Zusammenhange.

Bei Gelegenheit der unten beschriebenen, weitern Nachgrabungen auf dem "Wehrkamp" im August 1868 (nach Gruben aus der Eisenzeit) ließ Herr Pogge, in Gesellschaft des zum Besuche dort anwesenden Herrn Literaten Stuhlmann aus Schwaan, auch auf dem "Sippenberge" an einer ändern Stelle noch weiter graben. Auch diese Stelle war nicht so tief, wie gewöhnlich; es fand sich 2 Fuß oberer "Abraum" und 1 Fuß "schwarze Masse", obgleich die eigentliche "fette Masse" fehlte. Dagegen zeigten sich in der Tiefe wieder

9) viele Topfscherben von verschiedenen Arten alter Töpfe, auch mit derben Knoten unter dem Rande verziert. Ferner wurden folgende Sachen gefunden:

10) zwei kleine Schleifsteine aus festem, grauem Tonschiefer, ungefähr 3 Zoll lang, an einer Seite glatt abgeschliffen;

11) zwei kleine Schleifsteine gleicher Art, noch nicht angeschliffen;

12) sechs scheibenartige Feuersteinsplitter, offenbar durch Menschenhand geschlagen;

13) ein Echinit, sehr regelmäßig und vollständig, jedoch auf der Oberfläche etwas abgerieben;

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14) ein Echinit, in der Form etwas verschoben und zerbrochen;

15) ein Stück harter Kreide;

16) ein Stück dünnen, gespaltenen jungen rothen Sandsteins, an einer Seite etwas geschwärzt.

17) Unter den Knochen befand sich ein merkwürdiges Stück, nämlich ein großer Ellenbogenknochen ("ulna") vom Hirsch, welcher zum Stechwerkzeuge vollständig zugespitzt und zugeschliffen ist. Diese Werkzeuge, welche von Natur außerordentlich gut in der Hand liegen, werden in den schweizerischen Pfahlbauten aus der Steinzeit sehr häufig gefunden, in Meklenburg aber hier zum ersten Male beobachtet; außer diesem großen Geräth fand sich

18) noch ein kleines Geräth derselben Art.

19) Bei den Topfscherben fanden sich auch viele Thierknochen, welche fast alle zerschlagen und gespalten und darin den Thierknochen der Pfahlbauten der Steinzeit gleich sind. Nach den Untersuchungen des Herrn Professors Rütimeyer zu Basel sind dies Knochen vom Rind, Schaf (auch Rippen vom Lamm) und Hausschwein (z. B. ein zerschlagener Unterkiefer mit Zähnen), "offenbar von einer menschlichen Wohnstätte herrührend".

G. C. F. Lisch.     

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Knochengeräthe von Dobbertin.

An dem ehemaligen Ufer des frühern, in neuern Zeiten trocken gelegten Dobbiner Sees bei Dobbertin, ungefähr 10 Minuten von Dobbertin entfernt, liegt eine Niederung, welche den Namen "Paradieskoppel" führt und nahe an dem durch den See fließenden Mildenitz=Flusse gelegen ist. Unter dieser Paradieskoppel liegt Wiesenkalk, mit welchem ein dort stehender Kalkofen gespeiset wird. In einer der Kalkgruben wurden 1866 ungefähr 3 Fuß tief im Wiesenkalk Geräthe aus Knochen von hohem Alter gefunden, welche bisher in Meklenburg, außer im Pfahlbau von Wismar, nur in wenigen, einzelnen Stücken, jedoch noch nicht in Gräbern oder ehemaligen Ansiedelungen, beobachtet sind. Die Geräthe sind noch roh, wahrscheinlich durch Feuerstein, wenn auch glatt, bearbeitet und gelbgrau (nicht braun) von Farbe und gut erhalten.

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Herr Dr. Wiechmann zu Kadow gewann durch Geschenk von dem Herrn Dr. Sponholtz zu Dobbertin aus diesem Funde 3 stücke, von denen er 2 dem Vereine schenkte, nämlich folgende.

1) Eine Häkelnadel zum Netzstricken, ein dreieckiges "Griffelbein" von einem Hirsch, 9 Zoll (21 Centim.) lang, am obern Ende etwas beschnitten und abgerundet, am spitzen Ende zu einem Haken ausgeschnitten und überall geglättet, sonst mit den natürlichen, etwas abgeriebenen Flächen. Die hakenförmige Spitze ist harpunenartig, aber nicht tief eingeschnitten und nicht scharf und die Spitze des Hakens nur ungefähr 3/4 Zoll lang. Das Geräth ist ähnlich, wie die in Keller's Schweizerischen Pfahlbauten, 3. Bericht, Tat. III, Nr. 44 und 45, abgebildeten Werkzeuge, welche S. 85 Lanzen und Pfeile genannt werden. (Das lange Bein ist wahrscheinlich vom Hirsch; das Griffelbein vom Pferde ist kürzer und am obern Ansatz breiter und an der Spitze dünner.)

2) Ein an einer Seite sägenartig gekerbtes Geräth, jedoch mit stumpfen Zähnen; die Zähne sind 1/4 bis 3/8 Zoll breit und liegen alle in einer graden Linie, so daß das Geräth wohl kaum zum Sägen hat gebraucht werden können. Ein ganz ähnliches Geräth ist bei Nilsson Skandinaviska Nordens Ur-Invånare, I, Lund, 1843 Taf. XIII, Fig. 160 als Pfeilspitze oder Harpune abgebildet. Es läuft spitzig aus und ist durchbrochen und wohl nur ungefähr zur Hälfte vorhanden, jetzt 5 Zoll (12 Centim.) lang. Es scheint aus einer Rippe gemacht zu sein.

3) Herr Dr. Wiechmann besaß noch die spitze Hälfte einer Häkelnadel, wie die oben beschriebene, ebenfalls zerbrochen und 5 Zoll lang, welche flacher ist und auch aus einer Rippe gearbeitet zu sein scheint.

Der Herr Dr. Wiechmann hat in der Folge diese Nadel ebenfalls dem Vereine geschenkt.

Endlich hat der Herr Dr. Sponholtz zu Dobbertin dem Verein

4) noch ein knöchernes Geräth geschenkt, welches etwas später an derselben Stelle gefunden ist. Es ist 6 Zoll lang, nadelförmig und nach beiden Enden hin zugespitzt und geglättet. Dem Anscheine nach hat es dazu gedient, die Maschen der Netze darüber zu stricken.

Der Fund ist für Meklenburg sehr wichtig und scheint auf eine uralte Ansiedelung zu deuten, welche in den ältesten Zeiten wohl im Wasser stand, über welche sich eine Wiesenkalkschicht von wenigstens 3 Fuß (86 Centim.) Mächtigkeit gebildet hat.

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Wenn nicht Alles trügt, wie Lage, Gestalt, Bearbeitungsweise, Farbe der Geräthe, so gehört dieser Fund noch der ersten Postdiluvialzeit an. In Frankreich kommen ähnliche und gleiche Geräthe aus der dort sogenannten "Rennthierzeit" vor und einige unserer Geräthe dürften vielleicht aus Rennthierbein gefertigt sein.

G. C. F. Lisch.     

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Alterthümer und (Pfahlbau?) von Groß=Woltersdorf.

Im Anfange des Monats Juni 1868 ward zu Groß=Woltersdorf nahe bei der Stadt Wismar ein sehr merkwürdiger Fund von steinernen und knöchernen Geräthen gemacht, welcher durch seine Seltenheit oder vielmehr Neuheit die wissenschaftliche Theilnahme in hohem Grade in Anspruch nimmt. Zu Groß=Woltersdorf liegt hart an der Grenze von Klein=Woltersdorf, etwa 100 Schritte von dem Wege von Dammhusen nach Groß=Woltersdorf, ein kleines Torfmoor, ungefähr ein Viertheil so groß als der allerdings sehr große Wismarsche Marktplatz. Die Raumverhältnisse gleichen also ganz denen des Moderlagers in dem benachbarten Dorfe Gögelow, in welchem vor einigen Jahren der erste Pfahlbau in Meklenburg entdeckt ward. In diesem kleinen Moor fand ein Bewohner des Dorfes beim Torfstechen die Alterthümer auf dem festen Grunde beisammen liegen. Er nahm sie nicht lange darauf nach Wismar und veräußerte sie an das Wismarsche Stadtmuseum. Nachdem der Herr Dr. med. Crull die Sachen gesehen hatte, fuhr derselbe nach Groß=Woltersdorf, um die oben beschriebene Oertlichkeit zu sehen und den Finder zu befragen. Das Torfmoor ist in der Mitte, wo in diesem Frühling gearbeitet ward, schon ziemlich ausgestochen. Hier fand der Mann in der Torfgrube "4 1/2 Fuß tief die Alterthümer in einem Haufen ("in de kûl all up ênen hûpen packt"). Holzwerk, berichtete er weiter, komme allenthalben im Moore vor; ob es sich auch in der Nähe der gefundenen Alterthümer befunden habe, darauf habe er nicht geachtet, auch wisse er nicht, ob das Holz pfahlartig bearbeitet gewesen sei. Hirschgeweihe und Thierknochen habe er schon früher in dem Moore gefunden; dieselben seien aber in der letzten großen Feuersbrunst zu Groß=Woltersdorf mit untergegangen."

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Nachdem auch ich die Sachen gesehen hatte, schien es sehr wünschenswerth zu sein, diese Alterthümer für die Schweriner Sammlungen zu erwerben. Der Vorstand des Wismarschen Stadtmuseums zeigte sich auch in der Erkenntniß der Seltenheit der Geräthe bereitwillig, diese Gegenstände den Schweriner Sammlungen zuzuwenden, zumal da dasselbe grade nicht auf heidnische Alterthümer von außerhalb der Stadt sammelt, und hatte die anerkennenswerthe Gefälligkeit, dieselben gegen einige aus Wismar stammende mittelalterliche Alterthümer dem Vereine für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde zu überlassen.

Die Groß=Woltersdorfer Alterthümer bestehen aus 11 Stücken aus Feuerstein, 11 Stücken aus Knochen und 5 Stücken aus Hirschhorn, im Ganzen aus 27 Stücken.

I. Die 11 Stücke Geräthe aus Feuerstein bestehen aus 5 Keilen, 3 Schmalmeißeln und 3 Splittern. Alle Stücke sind, zwar sehr gefällig an Form, großmuschelig geschlagen und, mit alleiniger Ausnahme eines kleinen breiten Keiles, nur an den Schneiden geschliffen. Alle haben auf der Oberfläche eine reine kreideweiße Farbe; diese rührt ohne Zweifel von einer Lage Wiesenkalk her, welche auf dem Grunde des Torfmoors liegen muß, da die weiße Deckfarbe ein wenig abfärbt, Flüssigkeit leicht einsaugt und der Feuerstein, nach einigen kleinen Absplitterungen zu urteilen, im Innern dunkelgrau ist. Im Einzelnen sind diese steinernen Alterthümer folgende.

4 Keile, welche in jeder Hinsicht von den zahlreichen in den Ostseeländern gefundenen Keilen abweichen. Sie sind alle nur klein, großmuschelig geschlagen, sehr flach und dünne, abweichend von allen andern mit scharfen (nicht breiten) Seitenrändern, spitzer (nicht viereckiger) Bahn und nur an der Schneide ein wenig geschliffen, jedoch von sehr gefälligen Formen. Der größte Keil ist nur 5 Zoll lang und gar nicht geschliffen. Die 3 andern Keile, 4 Zoll, 3 7/8 und 3 1/2 Zoll lang, sind an beiden Seiten nur ein wenig, etwa 1 Zoll lang, jedoch sehr scharf und regelmäßig an den Schneiden, und hin und wieder ein wenig auf den Breitseiten, um scharfe Erhöhungen wegzunehmen, geschliffen.

1 Keil, welcher ebenfalls sehr dünne (1/4 Zoll) und kurz und breit ist, 3 1/2 Zoll lang und 1 1/2 Zoll breit, ist allerdings überall geschliffen und offensichtlich an der Schneide nachgeschliffen.

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1 Schmalmeißel, regelmäßig gearbeitet, von rechteckigem Durchschnitt, 6 1/2 Zoll lang und 1 Zoll und 3/4 Zoll breit, ist großmuschelig geschlagen und nur ein wenig an der Schneide geschliffen.

1 Schmalmeißel von rautenförmigem Durchschnitt, 3/4 Zoll auf jeder Fläche breit, 6 Zoll lang, ist ebenfalls großmuschelig geschlagen und nur ein wenig an der Schneide geschliffen.

1 Schmalmeißel, 5 Zoll lang, ist nur ein roh zugerichteter Span von 1 Zoll Dicke und kaum 1/2 Zoll lang, an der Schneide geschliffen.

1 halbes spanförmiges Messer, jetzt noch 3 Zoll lang, offenbar von Menschenhand geschlagen und an den Schneiden ein wenig abgenutzt.

1 löffelförmiges dünnes Stück Feuerstein mit Schlagansatz von Menschenhand.

1 ungleichmäßiger Feuersteinsplitter, Abfall.

II. Die Geräthe aus Knochen bestehen aus 10 Meißeln und 1 ausgehöhltem Beinknochen, von 4 3/4 bis 7 1/4 Zoll Länge. Von diesen sind 9 Stück gleich gearbeitete Meißel aus dem großen Unterschenkelknochen des Hirsches so gearbeitet, daß an einer Seite noch die Markhöhle sichtbar ist, die Knochen also gespalten sind. Die Oberfläche der Knochen ist abgerundet und glatt und glänzend polirt; die Gelenke oben sind abgeebnet und, wahrscheinlich durch Gebrauch, platt geschlagen. Das untere Ende ist durchschnittlich 1/4 bis 3/4 Zoll breit zum Meißel geschärft und scharf und glatt geschliffen, wie die Schmalmeißel aus Feuerstein. Von 2 Stücken ist die Schneide abgebrochen - Das 10. Stück ist ein Breitmeißel (oder Keil), 1 Zoll breit, aus dem Nackenwirbel oder Widerrist des Hirsches. - Das 11. Stück ist ein ganzer, ungespaltener Beinknochen, dessen eines Ende noch das Gelenk hat, dessen anderes Ende nach Abschneidung des Gelenkes aber künstlich rein und glatt in Dreieckform ausgehöhlt ist; die Anwendung dieses Geräthes ist noch vollkommen dunkel. - Alle knöchernen Geräthe sind noch vollkommen fest und wohl erhalten und haben dieselbe gelblich graue oder Lehmfarbe, und nicht die dunkelbraune Farbe der Knochen aus den Pfahlbauten; diese hellere Färbung wird wohl dem Kalkboden zuzuschreiben sein, welcher auch alle feuersteinernen Geräthe kreideweiß gefärbt hat. - Einige Meißelknochen scheinen am Gelenkende von Thieren stark angenagt zu sein.

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III. Die 5 Hirschhornenden, 3 bis 5 Zoll lang und eben so lehmfarbig wie die Knochenmeißel, sind offenbar alle durch die Rinde schräge durchgekeilt und dann abgebrochen. Alle sind stark abgerieben und abgenutzt, und offenbar viel gebraucht, wozu ist aber noch nicht zu erforschen. Ein Stück ist gespalten. - Sonst kommen wohl abgekeilte Hirschhornsprossen in Pfahlbauten und einzeln vor, welche aber nicht so sehr abgenutzt sind, wie diese.


Der Groß=WolterSdorfer Fund ist nun außerordentlich merkwürdig. Vor allen Dingen ist die große Zahl der knöchernen Meißel auffallend, welche bisher in den deutschen Ostseeländern noch nicht bekannt gewesen sind. Große durchbohrte Streitäxte aus Hirschhorn sind freilich hie und da, jedoch nur selten, gefunden. Im J. 1866 sind bei Dobbertin tief im Wiesenkalk mehrere kleine Geräte aus Knochen, z. B. Häkelnadeln, gefunden (vgl. S. 209), welche aus einer sehr fernen Zeit zu stammen scheinen. Ueberhaupt scheinen knöcherne Geräthe zu derben und schweren Arbeiten sehr alt zu sein, und man dürfte doch vielleicht zu der Annahme einer "Knochenperiode" kommen, in welcher die Knochen vorherrschend, jedoch keinesweges ausschließlich allein in Gebrauch waren; man konnte ja die knöchernen Geräthe nicht ohne Feuerstein bearbeiten. Zu dem mutmaßlich hohen Alter der knöchernen Meißel stimmt auch die ganz ungewöhnliche Beschaffenheit der feuersteinernen Geräthe. Die zahllosen steinernen Geräthe der eigentlichen Steinperiode in den deutschen Ostseeländern bestehen bekanntlich vorherrschend entweder aus geschliffenen oder aus kleinmuschelig geschlagenen Feuersteinen. Die Geräthe von Groß=Woltersdorf sind aber großmuschelig geschlagen und nur an den Schneiden sehr wenig geschliffen und dabei von ganz abweichenden Formen und Größenverhältnissen.

Aus diesen Gründen dürften die Groß=Woltersdorfer Alterthümer wenn auch nicht in die erste Steinperiode (des gar nicht geschliffenen) Feuersteins, doch in die älteste Zeit der zweiten Steinperiode, des geschliffenen Feuersteins, zu setzen sein. Jedenfalls sind sie sehr alt, merkwürdig und selten. Vgl. über die Zweitheilung des Steinalters Worsaae Om Tvedelingen af Steenalderen, Kopenhagen, 1862 (aus Kgl. Danske Videnskahernes Selskabs Forhandlinger for 1861).

G. C. F. Lisch.     

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b. Bronzezeit.


Kegelgrab von Pölitz.

Auf dem Felde des Gutes Pölitz, bei Lalendorf (oder Lage), liegt nahe an der Grenze von Strisenow von drei Seiten von Wiesen und Moor umgeben eine spitze Kuppe, welche der Krohnsberg (wohl: Kranichsberg) heißt und sich ungefähr 30 Fuß über die Wiesen erhebt. (Daneben liegt zwischen den Wiesen auf Strisenower Gebiet eine Art Halbinsel, auf der das alte Bauerdorf Strisenow gelegen haben soll, welches im dreißigjährigen Kriege untergegangen ist.) Auf der Pölitzer Kuppe befand sich ein Mergellager, welches 3/4 Fuß unter der Oberfläche lag. Hier war schon früher eine Mergelgrube angelegt. Als nun im Herbst 1868 hart an dieser alten eine neue Mergelgrube angelegt werden sollte, stießen die Arbeiter auf ein verrostetes Bronzeschwert und gaben dem Gutsbesitzer Herrn Pogge sofort von dem Funde Nachricht. Dieser untersuchte sogleich die Stelle wissenschaftlich und nahm davon genauen Bericht auf. Die Stelle war offenbar ein Kegelgrab der Bronzezeit gewesen. So weit das Begräbniß ging, war die Erddecke über demselben 1 1/4 Fuß hoch, während sie über dem umgebenden Mergellager nur 3/4 Fuß hoch stand. Das Grab (tumulus) war also nicht hoch gewesen; aber es ist, da die Kuppe sehr steil ist, ohne Zweifel schon viel Erde abgepflügt und abgeschwemmt und der Pflug ist immer tiefer und näher an die Begräbnißstelle gekommen.

Das neue Mergellager war auf 32 Fuß Länge und 18 Fuß Breite abgeräumt. Auf demselben fand sich unter dem ehemaligen Erdkegel das Grab, gewissermaßen wie eine Vertiefung von 7 Fuß Länge und 3 Fuß Breite. Steine wurden jetzt nicht gefunden; wahrscheinlich sind sie schon früher bei der Ackerbestellung ausgebrochen und abgefahren.

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Hier lag nun ein zweischneidiges Schwert von Bronze, mit der Spitze gegen Osten gerichtet, also als wenn die Leiche nach Osten geschauet hättte. Das Schwert ist mit dem Griffe 28 Zoll hamburger Maaß oder 66 Centim. lang. Der flache Griff, welcher eine Umkleidung von Holz und Leder gehabt haben wird, ist kurz, mit beiden Enden höchstens 3 1/2 Zoll oder 9 Centim. lang zu rechnen. Der Griff hat 4 Nietlöcher und die an den Umrissen im Roste noch zu erkennende halbmondförmige Ueberfassung über die Klinge hat noch 4 bronzene Nieten nachgelassen. Die Klinge, welche auf jeder Seite einen erhabenen Mittelrücken hat, ist sehr stark und tief gerostet, wohl schon ganz von Oxyd durchdrungen, und an mehreren Stellen schon horizontal gespalten. Alles dies scheint für ein sehr hohes Alter zu sprechen. - Leider ist das Schwert beim Abgraben in der Mitte und an der Spitze zerbrochen, es war also nicht beim Bestatten zerbrochen; jedoch war es in der untern Hälfte ein wenig gebogen, also wohl vor der Einlegung.

Nach dem Berichte des Arbeiters lag neben dem Schwerte eine schwärzliche Masse mit Urnenscherben und Bruchstücken von menschlichen Gebeinen, also die Stelle der Urne mit dem verbrannten Leichnam.

Da offenbar schon manches von dem Begräbnisse mit der Erde ausgeschaufelt war, so übernahm Herr Pogge selbst die genaue Untersuchung des ganzen Abraums, welcher neben dem Grabe lag, und hatte das Glück, noch mehrere wichtige Sachen zu finden.

Außer den Bruchstücken der Spitze des Schwertes, welches jetzt ganz vollständig vorhanden ist, fand er noch folgende Bronzesachen:

ein Heftel von Bronze mit zwei Spiralplatten und beweglicher Nadel ohne Federkraft, welche freilich zerbrochen, aber in den Bruchstücken noch deutlich zu erkennen und in dem Bügel von ungefähr 2 Zoll Länge noch vollständig vorhanden ist, ferner

zwei Doppelknöpfe von Bronze, von denen der eine größer ist und eine obere Scheibe von 1 1/4 Zoll Durchmesser mit Verzierungen hat, in kleinerm Maaßstabe wie der Doppelknopf von Slate in Jahrb. XXXIII, S. 131, der andere kleiner ist und auf der obern Scheibe eine kleine Spitze hat.

Alle diese Bronzen sind ebenfalls sehr stark gerostet.

In dem Abräume fanden sich noch Bruchstücke von Menschengebeinen und Urnenscherben, so daß wohl der

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größte Theil der Urnenscherben zusammengebracht ist. Allem Anscheine nach hatten zwei Urnen, die sich einander sehr ähnlich waren, in dem Grabe gestanden. Sie waren sehr groß, stark mit feinem Granitgrus durchknetet und gelblich und bräunlich von Farbe. Auf dem obern Bauchrande läuft eine Reihe starker Fingereindrücke mit dazwischen stehenden Knoten zur Verzierung umher, eine Verzierungsweise, welche stark an Gefäße der Steinzeit erinnert.

Die bedeutendste Ausbeute machte Herr Pogge, indem er in dem ausgeworfenen Abraum bei den Bronzeknöpfen und Urnenscherben fünf Pfeilspitzen von Feuerstein von großer Vollendung und Schönheit fand. Diese Pfeilspitzen sind 1 1/8 bis 1 4/8 Zoll lang, aus grauem, durchscheinendem Feuerstein, sehr flach und außerordentlich künstlich und regelmäßig gearbeitet. Diese Pfeilspitzen sind ganz denen gleich, welche in den Kegelgräbern von Dabel gefunden und in Jahrb. XXII, S. 282, und XXIII, S. 283, und hieneben wieder abgebildet sind, und welche sich auch in einem Kegelgrabe bei Slate, neben einem ähnlichen Doppelknopfe wie in Pölitz fanden; vgl. Jahrb. XXXIII, S. 133.

Pfeilspitze

Es sind bis jetzt erst vier Male steinerne Pfeilspitzen in Bronzegräbern gefunden. Die Kegelgräber von Dabel sind dem Grabe von Pölitz an Inhalt fast ganz gleich. In dem einem Kegelgrabe von Dabel (Jahrb. XXII, S. 282) fanden sich neben andern Bronzen auch ein eben so langes Bronzeschwert und ebenfalls fünf feuersteinerne Pfeilspitzen grade wie zu Pölitz. Die Bronzen sind eben so tief gerostet und horizontal gespalten und die Formen noch eben so derbe. Wie ich schon bei der Beurtheilung der Gräber von Dabel und später bei denen von Slate vermuthete, gehören dieselben der ältesten Zeit der Bronzeperiode an, in welche noch steinerne Geräthe hineinreichten, jedoch in Meklenburg, so viel bisher beobachtet ist, nur feuersteinerne Pfeilspitzen, nie z. B. Keile, sondern statt deren nur Paalstäbe, später Celte (oder: Frameen). Die Gräber dieser Art sind also ohne Zweifel sehr alt. Dazu stimmt ohne Zweifel die starke Verwitterung der Bronzen, welche sicher nicht aus Zufall und verschiedener Lage entspringt, sondern nur aus Alter. Alle Bronzen bei feuersteinernen Pfeilspitzen sind sehr stark und anders gerostet, als jüngere Bronzen. Und doch wurden sie in ganz verschiedenen Lagen gefunden, die Bronzen von Dabel unter sehr hohen, 12 Fuß hohen Kegeln von

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230 Fuß Umfang, die Bronzen von Pölitz dicht unter der Erdoberfläche.

Ich kann mich den unaufhörlichen, langweiligen Anzweiflungen gegenüber nicht enthalten, kurz zu versichern, daß die Sache sich so verhält, wie sie hier geschildert ist. Ausnahmsweise beantworte ich einmal die oft aufgeworfene, aber ganz unwissenschaftliche Frage, ob "sich Stein bei Bronze findet" allerdings dreist mit Ja, und habe dies nie geleugnet; ich räume eben so leicht ein, daß sich Stein auch bei Eisen findet: denn die ältern Mineralien gehen bekanntlich neben den jüngern immer mit fort bis auf den heutigen Tag, wie man in jedem Krämerladen sehen kann. Aber ich leugne ganz bestimmt, daß, um derselben Sprechweise zu folgen, umgekehrt sich "Bronze bei Stein" oder gar "Eisen bei Stein" findet, - oder, um mich wissenschaftlich auszudrücken, ich leugne, daß sich in unangerührten Steinhäuserbegräbnissen der Steinzeit in den Schichten der ursprünglichen Bestattung alte eiserne Geräthe finden, wofür auch nie und nirgends ein Beweis geliefert ist, - es sei denn, daß dergleichen von Schatzgräbern jüngerer Zeiten bei verunglückten Versuchen verloren seien. Selbstverständlich kann es freilich vorkommen, daß sich in außerordentlich seltenen Fällen aus den Uebergangszeiten ein bronzenes oder kupfernes Geräth im Steinalter und ein eisernes Geräth im Bronzealter findet: dies ist aber jedesmal eine große Merkwürdigkeit und Seltenheit. Diese Erfahrungen gelten sicher für den Norden von Mitteleuropa und für solche Forscher und Theilnehmer, welche hier Begräbnisse der verschiedenen Perioden aufgegraben haben 1 ). Daß sich aber die Heidengräber nur nach Stand und Rang, nach Reich und Arm unterscheiden sollen, ist wohl eben so unglaublich,


1) Eben so wird es sich bei genauerer Forschung auch im Süden Deutschlands verhalten. Dafür zeugt ein großer Begräbnißplatz am Donnersberge; vgl. Lindenschmit: "Das Gräberfeld am "Hinkelstein bei Monsheim" in der Zeitschrift des Vereins zur Erforschung der Rheinischen Geschichte etc. . zu Mainz", Bd. 3, Heft 1, 1868, S. 1 flgd. Man fand in den zahlreichen Gräbern nur thönerne Gefäße, welche ganz den aus den Steinhäusern des Nordens entsprungenen gleichen, und nur Geräthe aus Stein, freilich aus andern Steinarten, wie im Norden, jedoch auch aus importirtem Feuerstein. Dies ist offenbar und ohne Zweifel ein Begräbnißplatz der Steinzeit; auch Lindenschmit selbst nennt ihn "einen der ältesten Friedhöfe des Rheinlandes", freilich nur wegen der "Einfachheit und Gleichartigkeit der Ausstattung" (S. 6). Dieser Grund dürfte sich aber wohl für viele Begräbnisse jeder Zeitperiode zur Geltung bringen lassen.          G. C. F. Lisch.
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als wenn man sagen wollte, Winter und Sommer sind gleich. Freilich Jahreszeiten sind Jahreszeiten, und Gräber sind Gräber, aber gleich, d. h. gleichen Alters sind nicht alle. Es liegt auch klar am Tage, daß eine feuersteinerne Pfeilspitze ein viel größeres Kunstwerk und zum Pfeilgeschoß viel tauglichere und schärfere Waffe ist, als eine bronzene, sobald der Bronzeguß entdeckt war, also gewiß kein Armuthszeugniß sein kann. Auch kann man nicht annehmen, daß arme Leute in den überaus kostbaren Riesenbetten bestattet wurden, während man den reichen Mann mit einem eisernen Messerchen in die bloße Erde verscharrte, ohne ihm auch nur ein Hügelchen aufzuwerfen. Es wird vor Jahrtausenden Alles eben so seine natürliche Entwickelung gehabt haben, wie jetzt bei den sogenannten Wilden.

G. C. F. Lisch.     


Nachtrag. Eine ähnliche Erfahrung machte, nach den beim Druck dieser Zeilen veröffentlichten Berichte, der bekannte Graf Münster um das J. 1816 in einem "höhern Hügel" in der Umgegend von Nienburg an der Weser, Landdrostei Hannover. "Auf dem Grunde des Hügels, in dessen Mitte, war das Erdreich viel schwärzer, als oberwärts, und zwar durch eine starke Beimischung von Kohlen und Asche". Hierin fand sich eine schön geformte "Urne, umgeben von drei kleinen Beigefäßen; in derselben unter den Knochen lag noch ein kleineres Gefäß und eine kleine Nadel von Bronze, vollkommen erhalten. Etwa einen Fuß seitwärts gegen Süden fand sich ganz flach auf dem Grunde des Hügels ein grades Schwert von Bronze, nicht ganz 2 Fuß lang und 1 Zoll breit, zweischneidig. - - schon stark in Verwitterung übergegangen. Scheide und Griff schienen von Holz gewesen zu sein und waren noch eben zu erkennen, aber nicht zu erhalten.- - Unmittelbar vor der Spitze des Schwertes lagen 8 Pfeilspitzen von Feuerstein, schön gearbeitet, mit Widerhaken, sämmtlich zu zweien mit den Spitzen gegen Süden gerichtet, in geringer Entfernung aus einander". Vgl. Zeitschrift des histor. Vereins für Niedersachsen, Jahrg. 1867, Hannover 1868, S. 319 flgd.


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Gießstätte und Gußform von Holzendorf,

von

G. C. F. Lisch.

Im J. 1858 wurden in dem Torfmoore des Domanial=Pachthofes Holzendorf bei Sternberg beim Torfstechen auf einer Stelle zusammen 31 Stück alte Bronzesachen gefunden und von dem zuständigen Herrn Förster Studemund zu Forsthof Turloff in Empfang genommen, welcher sie im Sommer 1868 an die großherzoglichen Sammlungen auslieferte.

Diese Sachen haben nun einen außerordentlich großen wissenschaftlichen Werth, da alle offenbar zusammen gehörenden Stücke die Reste einer Gießstätte aus der Bronzezeit bilden, welche vielleicht in einem Pfahlbau war, bei dessen Untergange die Sachen in das Moor fielen. So viel bekannt geworden ist, ist dieser Fund eine der vorzüglichsten Gießstätten in den deutschen Ostseeländern und giebt den Beweis, daß zu einer gewissen Zeit, welche unten zur Betrachtung kommen wird, die Bronzegeräthe an Ort und Stelle im Lande verfertigt wurden.

Die Sachen bestehen theils aus zum Gießen nothwendigen Geräthen und aus Abfall vom Guß, theils aus fertigen oder noch nicht ganz vollendeten Geräthen, theils aus verunglückten Stücken, theils aus Bruchstücken von zerbrochenen Geräthen, welche ohne Zweifel zum Einschmelzen bestimmt waren.

Um zunächst eine klare Uebersicht über den Fund zu geben, mögen zuerst die einzelnen Stücke hier verzeichnet werden.

1) 2 zusammen gehörende Hälften einer bronzenen Gußform zum Gießen von Frameen oder Celten (Streitmeißel) mit Schaftloch und Oehr;

2) 4 Gußzapfen , welche von fertigen Frameen oder Celten abgeschlagen sind;

3) 1 Meißel, aus einem runden, gewundenen Kopfringe viereckig gehämmert;

4) 2 Doppelknöpfe, fertig;

5) 2 kleine röhrenartige, verzierte Cylinder, 1 3/4 Zoll lang, nicht zusammen gehörend, unbestimmten Gebrauches;

6) 2 Oesen auf einem halben Cylinder, 1 1/2 Zoll lang, nicht zusammen gehörend, unbestimmten Gebrauches;

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7) 1 dünner Armring, von dem der Gußzapfen noch nicht abgefeilt ist;

8) 2 zerbrochene und verbogene Dräthe, vielleicht von dünnen Armringen, an denen noch Reste von Gußzapfen und übergeflossenem Metall sitzen;

9) 1 angeschmolzenes und verbogenes Ende von einem gewundenen Kopfringe, gegen 3 Zoll lang;

zerbrochene Sachen:

10) 1 Stück von einem dünnen, gewundenen Hals= oder Kopfringe, 2 1/2 Zoll lang;

11) 1 Haken, wahrscheinlich von einem Kopfringe, 1 3/4 Zoll lang;

12) 1 Endstück von einem breiten, verzierten Armringe, mit einer aufgesetzten Oese und einem dreieckigen Loche vor dem Ende, 2 1/4 Zoll lang;

13) 1 an beiden Enden verstümmelter und verbogener glatter Armring, 4 1/2 Zoll lang;

14) 1 Stück von einem ähnlichen, aber schmalern glatten Armringe, 2 3/4 Zoll lang;

15) 1 ähnliches Bruchstück, 1 Zoll lang;

16) 1 Stück von einem viereckigen Drath, 2 1/4 Zoll lang;

17) 1 am Ende gebogene Messerspitze, 3 Zoll lang;

18) 1 Nähnadel mit ausgebrochenem Oehr;

19) 1 platt gehämmertes Randstück, vielleicht von einem Armringe, 1 Zoll lang;

20) 1 Stück von der Schneide von einer Framea (Celt), 1 Zoll lang und breit;

21) 2 Gewand=Nadeln mit flachem, scheibenförmigem, mit concentrischen Ringen verziertem Knopfe, unterhalb des Knopfes gebogen, beide mit abgebrochener Spitze, 4 Zoll und 3 1/4 Zoll lang;

22) 1 runder, hohler Nadelknopf, 1 1/4 Zoll im Durchmesser; die Nadel ist dicht unter dem Knopfe abgebrochen; 31 Stücke.

Schon diese bloße Aufzählung giebt den Beweis, daß hier eine Gießstätte oder Fabrik oder doch die Wohnung eines Bronzegießers war, der jedoch kein umfangreiches Geschäft betrieb.

Gießstätten für Bronze sind schon wiederholt in Norddeutschland und in den nordischen Reichen gefunden. In Dänemark sind sie nicht selten. Einige derselben sind sehr merkwürdig. Vor allen ist der merkwürdige, reiche und alte

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Fund hervorzuheben, der bei Smörumövre gemacht und in der großen Privatsammlung Sr. Majestät des hochseligen Königs Frederick VII. zu Fredericksborg aufbewahrt ward, den ich noch im Juni 1859 sah, den aber der große Brand von Fredericksborg im December 1859 vernichtete. Glücklicher Weise hat Worsaae denselben mit den andern Gießstätten Dänemarks beschrieben und durch viele schöne Abbildungen erläutert; vgl. Annaler for Nordisk Oldkyndighed, Kjöbenhavn, 1853, p. 121-140. Die meisten der sehr zahlreichen Gegenstände, welche ein ganzes Thurmzimmer schmücken konnten, waren oft schön verzierte Frameen (Paalstäbe und Celte) und Lanzenspitzen, jedoch waren dabei auch mehrere höchst merkwürdige, kunstreiche Sachen von altem Styl und Erzkuchen zum Gießen. - Im J. 1853 ward im Königreich Sachsen in der Gegend von Großenhain ein ähnlicher großer Fund gemacht, dessen Gewicht ungefähr 1/2 Centner betrug. Die Mehrzahl der Gegenstände bestand aus Sicheln und Celten und vielen Bruchstücken dieser Geräthe. Zu gleicher Zeit ward an einem andern Orte in der Gegend von Großenhain eine doppelte steinerne Gußform zu einer Sichel und einer Lanzenspitze gefunden. Vgl. Mittheilungen des Königl. Sächsischen Vereins für Erforschung vaterländischer Alterthümer, Heft 10, Dresden, 1857, S. 24 flgd. - Zu den Seltenheiten gehört der Fund, welcher 1865 bei Müncheberg in der Mittelmark, zwischen Cüstrin und Berlin, gemacht ist. Hier wurden 4 Fuß tief 1 ), auf einer Anhöhe am Schermützelsee, 5 vollständige Gießformen aus Thonschiefer gefunden: 2 für ein Messer, 1 für ein Messer und einen Meißel, 1 für ein Messer und einen Stift, 1 für eine Sichel. Vgl. Anzeige für Kunde der deutschen Vorzeit, Nürnberg, 1867, Nr. 2, S. 33 flgd., mit Abbildungen.

Die schärfere Betrachtung der einzelnen Stücke unseres Holzendorfer Fundes läßt nun einen genauern Zusammenhang mit andern Funden und annähernd vielleicht die Zeit, aus welcher er stammt, erkennen.


1) Der Berichterstatter meint, daß die Gegenstände "wahrscheinlich vergraben wurden". Da sie aber 4 Fuß tief unter der Erdoberfläche lagen, so läßt sich wohl annehmen, daß hier eine Höhlen= oder Grubenwohnung war, da Wohnstätten dieser Art gewöhnlich so tief liegen. Zum Verbergen war für die unvollkommenen Geräthe jener Zeit die Tiefe von 4 Fuß wohl zu groß und überhaupt wohl nicht nöthig.
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1) Die bronzene Gußform welche hier unten in einer Hälfte 1) von der Innern und 2) von der äußern Seite

bronzene Gußform

abgebildet ist, ist eine vollständige Form zu einer "Framea" mit Schaftloch und Oehr, oder einem "Celt" (Streitmeißel), wie solche in einer gewissen Zeit der Bronze=Periode häufig vorkommen und in einem sehr ähnlichen Exemplare auf der folgenden Seite abgebildet ist. Die Form ist aus Bronze gegossen, und besteht aus zwei genau auf einander passenden Hälften, deren jede auf der äußern Seite eine angegossene Oese hat, ohne Zweifel um die beiden Hälften beim Gebrauche sicher zusammen zu binden. Daß die Form von Bronze ist, setzt schon eine bedeutende Fertigkeit im Bronzeguß voraus. Diese Celt=Form ist die erste, welche, so viel bekannt, in den deutschen Ostseeländern gefunden ist. - Die Sammlung zu Kopenhagen besaß 1 ) bisher zwei


1) Nach den Mittheilungen des Herrn Kammerraths Strunk zu Kopenhagen.
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Framea

Formen von Paalstäben oder Frameen mit Schaftrinne, beide auch aus Bronze, die eine auf Seeland bei Holbek, die andere in Jütland bei Veile gefunden; in den neuesten Zeiten ist bei Drainsarbeiten in der Nähe von Kopenhagen die Hälfte einer dritten Form zu einem Paalstab aus weichem Stein gefunden. In den Sammlungen zu Stockholm befinden sich auch mehrere Gußformen zu Celten. In den jüngsten Zeiten ist auch eine große Paalstabform in den Besitz des Herrn Wellenkamp zu Lüneburg gekommen. In den Sammlungen zu Darmstadt sollen sich zwei bronzene Formen zu großen Paalstäben befinden. Der Holzendorfer Celtform am ähnlichsten ist jedoch die bronzene Celtform, welche in den großen Pfahlbauten von Morges am Genfer See mit vielen Bronzen von Herrn Forel zu Morges gefunden und von Herrn Professor Keller im Dritten Bericht über die Schweizerischen Pfahlbauten, 1860, Taf. VII, Fig. 42-44, abgebildet und S. 109 flgd. beschrieben ist. Diese Form, deren beide Hälften nach einander aufgefunden wurden, ist der Holzendorfer fast ganz gleich, hat auch einen Ring auf der Außenseite zum Zusammenbinden, ist aber noch ein Mal so lang, 19 Centim., als die Holzendorfer, welche nur 8 1/2 Centim. lang ist.

2) Einen sichern Beweis für eine alte Gießstätte geben die 4 Gußzapfen oder Gußknollen, welche bei der Gußform gefunden sind und von denen ein Stück hieneben abgebildet ist. Thomsen entdeckte 1844 in einem Vortrage über die alten nordischen Metallarbeiten, daß diese rohen, zweibeinigen "Knollen" die abgeschlagenen Gußzapfen oder Gußknollen ("stöbeknolde") seien, welche von dem "Inguß"

Gußzapfen
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in die Kanäle der umhüllenden Lehmform bis zur Füllung der ganzen Form stehen blieben und nach dem Erkalten von den fertigen Geräthen abgebrochen und zum Wiedereinschmelzen bestimmt wurden. vgl. Antiquarisk Tidssckrift, Kjöbenhavn, 1845 p. 171-175, mit Abbildungen, und Worsaae Nordiske Oldsager, 1859, Taf. 46, Fig. 213 und 214.

Aehnliche Gußzapfen bilden sich bekanntlich bei allen Gußwerken. - Die 4 Gußzapfen des Holzendorfer Fundes sind alle "zweibeinig", d. h. aus Gußformen mit zwei Kanälen, aber alle von verschiedener Dicke und Richtung, also alle aus verschiedenen Gußformen.

Gußzapfen
Gußform

Der eine, hier abgebildete, paßt aber genau in beiden Kanälen der Celtform und gehört offenbar zu einem in dieser Form gegossenen Celt. Alle 4 Zapfen sind augenscheinlich von den gegossenen Geräthen, nach den Bruchenden zu urtheilen, kurz abgebrochen oder abgeschlagen, nicht abgefeilt oder sonstwie abgeschnitten.

3) Der sehr seltene Meißel, 5 Zoll lang, ist aus einem Bruchstück eines dicken gewundenen Kopfringes viereckig gehämmert und scharf zugeschliffen. Er ist sonst ganz dem in einem Kegelgrabe bei Vorbeck gefundenen, auf der folgenden Seite wieder abgebildeten bronzenen Arbeitsmeißel gleich (vgl. Jahrb. XXX, S. 148), hat jedoch keinen Griff von Horn, sondern zeigt dadurch, daß er am obern Ende breit gehämmert ist, daß er ohne Griff gebraucht ward. Er faßt beim Gebrauch durch

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Meißel

Schlagen zwar die Bronze, z. B. die Gußzapfen, an, wird aber leicht stumpf, so daß er wohl nicht zum Bearbeiten der Bronze hat gebraucht werden können. - Auch in dem obenerwähnten Bronzefunde von Großenhain wurden "viereckige Meißel" gefunden; vgl. Dresdener Mittheilungen, Heft 10 S. 27.

4) Die beiden runden und glatten Doppelknöpfe sind fertig und vollständig; sie sind verschieden an Form und Größe, in der obern Scheibe 1 1/4 und 1 1/8 Zoll im Durchmesser, und gehören nicht zusammen.

5) Die beiden röhrenartigen Cylinder, von denen einer hieneben abgebildet ist, sind ebenfalls ganz fertig und gehören nach Form und Verzierung ebenfalls nicht zusammen; ihre Bestimmung hat sich noch nicht ermitteln lassen.

Cylinder

6) Eben so ist die Anwendung der beiden auch nicht zusammengehörenden Oesen auf dem halben Cylinder ebenfalls nicht klar. Beide sind noch so, wie sie aus der Gußform gekommen sind. Man sieht auf der Höhe der Oesen noch die Stellen, wo der Gußzapfen abgebrochen ist, und die Gußnäthe, und das aus denselben durchgequollene Metall ist noch nicht abgenommen. (Abbildung siehe unten.)

Oesen auf Cylinder

7) Der dünne geöffnete Armring, 1/8 Zoll breit, gehört zu den wenigen Stücken, welche fertig sind und ist noch in dem Zustande, in welchem er aus der Form gekommen ist. Der Oeffnung gegenüber sitzt ein Rest des abgebrochenen Gußzapfens, der noch nicht abgenommen ist. Kurz vor dem einen Ende ist ein Stückchen Metall aus der Form geflossen.

8-11) sind gewöhnliche Dinge ohne besondere Eigenthümlichkeiten.

12) Das Endstück des breiten Armringes ist aber sehr bemerkenswerth. Das

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abgebrochene Endstück ist 2 Zoll lang. Der gegossene Ring ist 1 1/4 Zoll breit und mit erhabenen Parallellinien verziert. Kurz vor dem Ende ist ein dreieckiges Loch und auf dem Ringe ist eine Oese zum Einhängen von Ringen angegossen. Diese seltenen, ganz besondern Ringe sind bisher nur mit bronzenen Hängeurnen und Buckeln mit Drachenverzierungen, und zwar 6 und 7 Stück bei einander, mit einem Diadem mit Drachenverzierungen, mit mehreren gewundenen Kopfringen und mit spiralförmigen Fingerringen zusammen gefunden, namentlich zu Roga und bei Wesenberg in Meklenburg=Strelitz; vgl. Jahrb. VII, B, S. 36, und VI, B, S. 110, und dazu den ähnlichen Fund von Lübberstorf in Jahrb. XIV, S. 324 flgd. Unser Ringfragment von Holzendorf ist ganz dem einen hieneben abgebildeten Ringe von Roga gleich, nur daß auf dem Holzendorfer Ringe die Verzierungslinien Doppellinien sind und die eingehängten Ringelchen fehlen.

Armring

Auch in Dänemark sind ähnliche Ringe mit eingehängten Bronzeringelchen gefunden; vgl. Worsaae Nordiske Oldsager, 1859, Tat. 56, Fig. 258, und Taf. 58, Fig. 264. Das dreieckige Loch vor den Enden haben außerdem nur noch die vielen Ringe von Ludwigslust, welche aus einem ungewöhnlich hellen Metall bestehen und vielfach geflickt sind, und hiedurch und durch die sonst in der Nähe gefundenen Alterthümer auf eine jüngere Zeit hinweisen; vgl. Jahrb. II, B. S. 46.

13-16) sind gewöhnliche Dinge ohne besondere Eigenthümlichkeiten.

17) Die abgebrochene Messerspitze, 3 Zoll lang, ist sehr geschweift und an der Spitze sehr rückwärts gebogen, anscheinend aus jüngerer Zeit. Das Messer gleicht ganz den Messern der oben erwähnten Gußformen von Müncheberg und zahlreichen in den schweizerischen Pfahlbauten der Bronzezeit gefundenen Messern; vgl. Keller's Pfahlbauten, Dritter Bericht, Taf. V, und Sechster Bericht, Taf. IX (VI).

18) Die Nähnadel mit ausgebrochenem Oehr ist flach, nicht rund oder eckig.

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19) und 20) sind gewöhnliche Dinge.

21) Die beiden Gewandnadeln mit scheibenförmigem Knopfe und einer Biegung unter dem Knopfe sind genau so gestaltet, wie die in Worsaae Nordiske Oldsager Taf. 53 Fig. 239 abgebildete Nadel.

22) Der hohle Nadelknopf ist außerordentlich merkwürdig, da er äußerst selten und in Norddeutschland und Skandinavien bis jetzt nicht vorgekommen zu sein scheint. Der Nadelknopf ist aus einem Stück hohl gegossen und hat die Gestalt einer etwas platt gedrückten Kugel von 1 Zoll Höhe und 1 1/4 Zoll Breite; die Nadel, welche durch den Knopf geht, ist oben vernietet und unten dicht unter dem Knopfe abgebrochen. An jeder der vier Seiten ist ein kleines rundes Loch, welches jedoch bei zweien an dem Rande etwas ausgebrochen ist. Die Löcher dienten ursprünglich wohl dazu, um den thönernen Gußkern herauszuholen, wurden aber (nach Keller's Zweitem Bericht S. 150) dazu benutzt, um farbige Steinchen oder Zinnkügelchen einzusetzen. Um die Nadelenden ist eine Verzierung von 3 vertieften concentrischen Kreisen. Von der Spitze nach den 4 Löchern laufen 4 Bänder hinab, welche aus 4 vertieften parallelen Linien bestehen. Diese Nadelknöpfe sind bisher nur in den Schweizer Pfahlbauten aus der Bronzezeit beobachtet, namentlich aus den Pfahlbauten des Bieler und Neuenburger Sees in der großen Sammlung des Obersten Schwab zu Biel (vgl. Keller Zweiter Bericht, Taf. II, Fig. 51-55, und S. 150) und aus dem Pfahlbau der Bronzezeit von Estavayer im Neuenburger See (vgl. Keller Dritter Bericht, Taf. V, Fig. 4, und S. 91). Größere Nadelknöpfe dieser Art in der Schweiz bestehen auch aus zwei zusammengesetzten Halbkugeln aus getriebenem Blech. Im Norden sind diese Nadelknöpfe in der Bronzezeit bisher noch nicht beobachtet. Jedoch finden sich in der ältesten Eisenzeit ähnliche, welche aus zwei Halbkugeln aus Bronzeblech bestehen, durch welche eine eiserne Nadel geht. Jedenfalls beweiset dieser Nadelknopf, daß zu einer gewissen Zeit eine bestimmte Mode sehr weit reichte. - Zu betrachten ist, daß an dem Holzendorfer Nadelknopfe neben einem der 4 Löcher ein Stück von 5/8 Zoll Länge und 3/16 Zoll Breite ausgebrochen oder nicht gekommen und die Lücke durch Nachgießen so geschickt ausgefüllt und polirt ist, daß man die Ausflickung nur bei scharfem Beobachtung finden kann; im Innern sieht man einen kleinen Metallklumpen vor der ausgebesserten Stelle liegen.

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Betrachtet man nun diesen merkwürdigen Fund im Ganzen und im Einzelnen, so beweiset er wohl ohne Zweifel, daß zu einer gewissen Zeit der Bronzeperiode die Bronzegeräthe der verschiedensten Art im Lande modellirt und gegossen wurden. Man kann diese Zeit wohl in den Ausgang der Bronzeperiode setzen, wie die hohl gegossenen Celte, die Sicheln, die Messer mit den geschwungenen Klingen anzudeuten scheinen. Manches spricht gradezu für diese Ansicht, wie die Ringe mit dem eingehängten Ringelchen, welche zu den Drachenverzierungen gehören. Von Bedeutung ist dabei die Uebereinstimmung aller bisher in Deutschland gefundenen Gießstätten und die Uebereinstimmung dieser und der verschiedensten Geräthe mit den Geräthen aus den Schweizer Pfahlbauten der Bronzezeit. Es sind in Deutschland bisher noch keine Gießstätten für die alten, prachtvollen Bronzegeräthe mit den Spiralverzierungen und dem tiefen edlen Rost, z. B. Schwerter und Diademe, gefunden, und man könnte versucht sein anzunehmen, daß diese aus dem Süden (Phönizien, Klein=Asien oder Griechenland) eingeführt seien. Jedoch erregt der oben angeführte große Fund von Smörumovre in Fredericksborg, welcher offenbar viele alte Stücke und zahlreiche Spiralverzierungen enthielt, einiges Bedenken.

Das aber scheint sicher zu sein, daß die Gießstätte von Holzendorf der jüngsten Zeit der Bronzeperiode angehört und für diese einen Maaßstab abgeben kann.

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Bronzefund von Wotrum.

Zu Wotrum bei Teterow auf einem ziemlich hoch gelegenen Ackerschlage zwischen dem Wotrumschen und Radenschen See wurden vor ungefähr 12 Jahren beim Ausmodden einer kleinen Wiesenstelle mitten im Acker etwa 3 Fuß unter der Oberfläche verschiedene ringartige Gegenstände auf einem Haufen beisammen gefunden und im J. 1868 von dem Herrn Gutsbesitzer Hand auf Wotrum dem Vereine geschenkt. Es wurden in dem Wiesenmoder auch einige Knochen gefunden, welche jedoch unbeachtet auf den Acker gefahren sind und späterhin nicht wieder gefunden werden konnten.

Es wurden gefunden:
fünf größere Bronzeringe, alle glatt, namentlich:

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ein Kopfring, auseinander gebogen; die Enden sind blechartig gehämmert und auf die Außenseite zu einer kleinen Rolle zurückgebogen, also nicht zum Ineinanderhaken bestimmt, wohl ein Zeichen der jungem Bronzezeit;

zwei Beinringe (?), zusammen gehörend, mit gleichen Enden, 5 Zoll im Durchmesser;

ein Beinring (?), eben so groß, ein wenig dicker, mit ganz spitzen Enden;

ein Beinring (?), eben so groß, sehr dünne, mit flach gehämmerten, jedoch nicht zurückgebogenen Enden;

ferner wurden dabei gefunden:

viele ganz dünne Bronzedräthe, rund oder flach, theils unregelmäßig länglich und rundlich zusammengebogen, theils zerbrochen, namentlich:

ein Ende 15 Zoll lang,
ein Ende 8 Zoll lang,
ein Ende 7 Zoll lang;
ein rund und doppelt zusammengebogener Drath, vielleicht Fingerring oder Ohrring,
ein rundlich gebogenes Ende, vielleicht Fingerring,
acht kurze Bruchstücke, jedes ungefähr 1 1/2 Zoll lang.

Es ist möglich, daß diese Dräthe zu Ohrringen oder Fingerringen, je nachdem sie rund oder flach sind, gedient haben oder bestimmt sind. Vielleicht dienten sie aber auch zum Einbinden von größeren Geräthen in Griffe oder Schafte, wie solche Befestigungsweise schon beobachtet ist; jedenfalls konnten diese Dräthe aber zu denselben Zwecken in der Hauswirthschaft benutzt werden, zu welchen heute D rat h gebraucht wird. Vielleicht war die Fundstelle aber auch eine Fabrikstelle.

G. C. F. Lisch.     

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Armringe von Wotrum.

Als vor mehreren Jahren der See von Wotrum bei Teterow gesenkt ward, wurden in demselben ungefähr 50 bis 100 Schritte von dem frühern Ufer des Sees, dort wo der Groß=Roger Mühlbach in den See fließt, auf einer seichtern Stelle, welche früher von den Fischern wegen des niedrigen Wasserstandes von je her der "Berg" genannt ward und nur 3 bis 4 Fuß von Wasser überfluthet war, jetzt aber trocken gelegt ist, auf dem frühern Seegrunde 3 bronzene Arm=

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ringe neben einander gefunden. Der Untergrund des Sees ist tiefer Schlamm, mit vielen Rückständen von Schalthieren vermischt. Die Oberfläche des "Berges" war von gleicher Beschaffenheit. Nach Abfluß des Wassers kam hier eine Menge starker Baumstämme, Tannen (pinus silvestris) oder Erlen, zu Tage, welche mit den Wurzeln im Untergrunde standen und dem Anscheine nach die Stumpfe von gefällten Bäumen waren, welche jedoch ganz fehlten.

Von den bronzenen Armringen gehörten zwei, welche denen im Friderico-Francisceum Tab. XXII, Fig. 6, gleich sind, zusammen; davon ist vor längerer Zeit einer verschenkt. Der dritte Ring gleicht ganz dem Ringe im Friderico-Francisceum Tab. XXII, Fig. 8. Herr Hand, Gutsbesitzer auf Wotrum, hat die Freundlichkeit gehabt, die beiden Ringe, welche der jüngern Bronzezeit angehören werden, dem Vereine zu schenken und dem Geschenke den vorstehenden Fundbericht hinzuzufügen.

G. C. F. Lisch.     


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c. Eisenzeit.


Höhlenwohnungen von Pölitz.
(auf dem "Wehrkamp").

Der Herr Gutsbesitzer Pogge auf Pölitz entdeckte, außer der oben zur Steinzeit beschriebenen Höhlenwohnung auf dem Sippenberge, vom Monat Mai 1868 an beim Drainiren noch viele andere "Höhlenwohnungen". Diese Höhlenwohnungen zeigten sich an einem andern, weniger steilen Berge, dem sogenannten "Wehrkamp", in demselben Ackerschlage, etwa 1000 Schritte von dem Sippenberge entfernt. Die Drainsgräben durchschnitten wohl 10 solcher schwarz gefärbter Stellen. Die Stellen haben zum Theil einen Durchmesser von 12 bis 15 Fuß; zum Theil durchschneiden die Gräben aber auch nur eine Strecke von 4 Fuß Länge. Sie liegen alle 2 bis 4 Fuß tief unter der Erdoberfläche und zeigen eine schwarze, von Asche und Kohlen gefärbte Erde. Auf dem Fußboden liegt immer eine regelmäßige Lage von Feldsteinen (Feuerherd?). Auf diesem Pflaster liegen große Massen von Topfscherben, theilweise auf der innern Seite mit einer festen, schwärzlichen Masse (Speiseresten?) bedeckt, und viele Thierknochen, welche meistentheils zerschlagen sind, von Hausthieren, großen Theils Rindern.

Von den Topfscherben, welche dünner und feiner sind, als die aus der Steinzeit, haben viele sehr charakteristische Verzierungen, welche theils aus regelmäßigen, vertieften, concentrischen Linien bestehen, welche um den Bauch des Gefäßes laufen, theils aus Wellenlinien und aus Schrägestrichen auf dem scharfen Bauchrande; andere sind grob und rauh. Alle Scherben ohne Ausnahme haben denselben Charakter und sind denen vollkommen gleich, welche sich auf den geschichtlichen Burgwällen des Landes aus der letzten

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Heidenzeit in großer Menge finden. Es leidet daher keinen Zweifel, daß diese Ansiedelungen aus der letzten Heidenzeit 1 ) stammen und mit den auf dem Sippenberge gefundenen Ueberresten in gar keiner Beziehung stehen. Es werden also wohl die Kellerräume oder Höhlenwohnungen der letzten heidnischen Bewohner von Pölitz sein.

An sonstigen Alterthümern ist nichts weiter bemerkt worden, als ein flacher, oblonger Schleifstein aus röthlichem Sandstein, 4" lang und 2" breit und ein kleiner Feuersteinspan.

Unter den Thierknochen ist nur der Unterkiefer von einem Hunde größerer Race bemerkenswerth.

Herr Pogge hat alles Gefundene an den Verein zum Geschenk eingesandt.

Auch der Herr Staatsminister a. D. von Lützow auf Boddin bei Gnoien berichtet, daß sich dort in den Kiesgruben an stark geschwärzten Stellen sehr viele Topfscherben finden, welche nach den eingesandten Proben derselben Zeit angehören.

G. C. F. Lisch.     

Im Monat Juli 1868 setzte Herr Pogge, mit Hülfe des Herrn Literaten Stuhlmann aus Schwaan, welcher zum Besuche zu Pölitz war, die Nachgrabungen zur Beförderung der Wissenschaft fort. Auf dem "Wehrkamp", auf einem nach Norden abfallenden Plateau, das sich über den nächsten Wasserlauf etwa 20 Fuß erhebt, wurden 5 bis 6 Gruben entdeckt und ausgegraben. Beim Graben verspürte man einen dumpfen Modergeruch. Die Erde sah schwärzlich aus, wie Gartenerde. In einer Tiefe von 4 bis 4 1/2 Fuß fanden sich große Massen von

Topfscherben, deren fast an 100 Pfund vor mir liegen; aus einer Grube kamen über 80 Stück. Alle sind offenbar von Wirthschaftstöpfen. Viele von ihnen tragen das offenbare Gepräge der Eisenzeit, z. B. Parallel= und Wellenlinien und sind offensichtlich jung, d. h. im Verhältniß zur heidnischen Zeit. Viele andere Scherben sind ganz roh und äußerlich rauh, wie die gewöhnlichen Töpfe aller heidnischer Zeiten.


1) Einige der feinen Gefäße scheinen schon auf der Töpferscheibe gedreht zu sein, viele sicher nicht. Alle aber sind noch nach heidnischer Weise bereitet.
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In und bei den Scherben fanden sich

schwärzliche Aschenklumpen,

auch zum Theil wohl Speiseüberreste, hin und wieder mit Kohlen durchquickt, auch

röthlich gebrannte Lehmstücke von Wänden und Feuerherden.

Meistentheils zwischen, aber auch dicht unter den Topfscherben lagen

viele Thierknochen, vom Rind, Schaf und Schwein, alle noch hell von Farbe und ziemlich fest von Gefüge, glatt und fettig. Die meisten sind Hüft=, Schulter= und Beinknochen, auch Unterkiefer, vielfach quer durchschlagen, wie mit einem großen Beile, selten oder gar nicht gespalten. Auch fanden sich 4 hellfarbige, große Pferdezähne.

Zum Beweise der Richtigkeit der vorstehenden Ansichten ward in einer der Gruben gefunden:

ein schmales eisernes Messer, ungefähr 6 Zoll lang, ganz den sonst gefundenen Messern der jungem Eisenzeit gleich,

ein eiserner Pfriemen , 5 Zoll lang, und

eine knöcherne Netzstricknadel ("Filetsticken"), 4 1/2 Zoll lang, aus einem festen Röhrenknochen, an beiden Enden zugespitzt, und überall geglättet.

In einer andern Grube wurden zwei, leider zerbrochene starke

Rippenstücke gefunden, welche beide geglättet sind und von denen das eine mit 2 Löchern (Bindelöchern), das andere mit 1 Loche künstlich durchbohrt ist, unbestimmten Gebrauches.

Nach einigen wenigen Scherben zu schließen, dürften auch auf dem Wehrkamp "Höhlenwohnungen" aus der Steinzeit, wie auf dem Sippenberge, gewesen sein (vgl. oben).

G. C. F. Lisch.     


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Pfahlbau der Eisenzeit von Vimfow.
Nachträge.

Aus dem in Jahrb. XXXII, S. 222 flgd., beschriebenen, Pfahlbau von Vimfow ist nachträglich der in den Jahrb. a. a. O. S. 226 beschriebene "Krug" durch den Herrn Dr. Sponholz zu Dobbertin geschenkt worden, in dessen Besitz derselbe gelangt war. Für die Erkenntniß dieses "Pfahlbaues" ist dieser Topf von Werth.


Ferner ist späterhin aus diesem Pfahlbau der in den Jahrb. a. a. O. S. 225 beschriebene unversehrte "Topf von bedeutender Größe" durch den Herrn Dr. Wiechmann zu Kadow in die Sammlungen des Vereins gelangt, welcher denselben von dem Herrn Pächter Jürgens geschenkt erhalten hatte.


Endlich ist aus dem zweiten Pfahlbau von Vimfow ein in den Jahrb. a. a. O. S. 231 aufgeführtes Randstück von einem ungewöhnlich großen, dickwandigen Topfe auf demselben Wege durch den Herrn Dr. Wiechmann in die Sammlungen gekommen. Die Oeffnung des Topfes hat 1 Fuß im Durchmesser gehabt; die Wandungen sind 1/4 Zoll dick.

G. C. F. Lisch.     


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d. Alterthümer anderer europäischer Völker.


Celtische Alterthümer,
gefunden bei Görz im Spätherbste 1867 1 ).

Auf der Feldmark des unweit Görz (Gorizia), im Gubernium von Triest, und zwar südlich davon, am St. Marcus=Hügel belegenen Dorfes St. Peter hatten die Regengüsse des Sommers 1867 an der Westseite dieses Hügels vielfach das Erdreich aufgewühlt. - Am 15. Novbr. 1867 fand ein Bauerjunge aus St. Peter in dem an dieser Westseite befindlichen Weinberge des Herrn von Mulitsch eine Spalte, die er mit einem Stocke untersuchte und darin ein Klingen von Metallen vernahm. Er zeigte diese Entdeckung seinem Vater an, welcher sofort mit Andern nachgrub und an dieser Stelle nicht nur zwei unter seinen Händen zerbrechende dickwandige Gefäße von gebranntem Thon (Ziegelerde), sondern auch mehr als vier (4) Centner uralter Gußsachen aus Bronze (Hausgeräth, Waffen und Schmuck=Gegenstände, größtentheils Bruchstücke oder unvollendete Arbeiten) zu Tage förderte.

Die Finder haben die gefundenen Bronze=Sachen zum Theil weiter zerschlagen und sie sodann verschleudert und verkauft. Der größere Theil derselben kam jedoch glücklicher Weise durch Ankauf bald in den Besitz Sr. Exc. des Feldzeugmeisters Johann Reichsgrafen von Coronini=Cronberg zu St. Peter (S. Pietro) welcher mehrere sehr schöne Stücke davon dem kaiserlichen Antiken=Cabinet in Wien und dem


1) Diese in Handschrift an den Verein eingesandte Abhandlung ist auch schon gedruckt im Correspondenzblatt des Gesammtvereins, 1868, Nr. 8, August.
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Görzer Museum schenkte und den Rest seinem Sohne Franz Reichsgrafen von Coronini=Paravich zu wissenschaftlichen Zwecken zur Disposition stellte 1 ).

Beide Herren Grafen besuchten mit mir am 22. Febr. d. J. die Fundstelle, wo gerade der alte Weinberg neu umgelegt ward. Es war hier durch die Erdarbeiten, in einer Tiefe von 3 bis 8 Fuß unter der Oberfläche, eine Reihe anscheinender Höhlen=Wohnungen sichtbar geworden, ähnlich denen von Dreveskirchen, Wismar und Roggow (vgl. Jahrbücher des Vereins für Meklenburgische Geschichte 1864/65). Die Arbeiter gruben auf meinem Wunsch in einer dieser schwärzlichen Stellen etwas weiter nach und fanden dabei viele dickwandige Scherben von gebranntem Thon, von denen ich einige für die Schweriner Alterthums=Sammlung mitnahm. Die Grafen von Coronini überließen mir zu gleichem Zwecke unentgeltlich mehrere der gefundenen Bronze=Sachen.

Der Graf Franz Coronini, der Director des Görzer Provinzial=Museums F. Gatti und der gelehrte Alterthumsforscher Dr. Kandler haben in den Annalen der landwirthschaftlichen Gesellschaft zu Görz (Nr. 22 von 1867 und Nr. 2 von 1868) einige Nachrichten, sowie ethnographische und archäologische Bemerkungen über diesen Fund und dessen historischen Ursprung mitgetheilt.

Mit den vorgedachten Gelehrten bin ich nun darüber durchaus einverstanden, daß diese Spuren und Producte menschlicher Thätigkeit aller Wahrscheinlichkeit nach von den Kelten stammen, mithin aus der Zeitperiode, als noch unbesiegte Kelten die jetzige Grafschaft Görz bewohnten. - Form und Materie der Fundsachen bezeugen, daß sie nicht römischen Ursprungs sein können, wie schon eine oberflächliche Vergleichung mit den zahlreichen Römischen Antiquitäten


1) Der Feldzeugmeister Johann Coronini, Reichsgraf von Cronberg, Freiherr von Oelberg, Herr von und zu Prebacina und Gradiscutta, Ritter des Ordens vom goldenen Vliese etc. . etc. . k. k. Kämmerer und Geh. Rath (Excellenz), Inhaber des 6. Infanterie=Regiments, geb. am 16. Novbr. 1794, war früher Gouverneur Sr. Majestät des jetzt regierenden Oesterreichischen Kaisers und dessen Brüder und lebt gegenwärtig auf seinem Schlosse zu St. Peter bei Görz. - Sein einziger Sohn Franz Reichsgraf Coronini=Paravich von Csubaer=Cronberg, k. k. Kämmerer und Obrist, geb. 1833, hochverdient um Wissenschaft und Kunst und durch patriotische Bestrebungen, beschäftig sich vielfach mit literarischen Arbeiten. Sein Hauptwerk ist: "Aquileja's Patriarchen=Gräber. Monographische Skizze von F. C. Wien, 1867, bei Braumüller."
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jener Gegend darlegt. Wir blicken also auf diejenigen arischen Völkerstämme (oder indogermanischen Sprachstämme), welche schon in der vorgeschichtlichen Zeit aus dem Innern Asiens in das mittlere Europa eingewandert waren. In der europäischen Urzeit erstreckte sich

1) der Wohnsitz der Germanen nördlich vom Jura, den Vogesen und der Maas bis zur Weichsel und von der Donau bis zur Nord= und Ostsee, ja über den größten Theil der skandinavischen Halbinsel. Von hieraus drängten germanische Stämme in den beiden letzten Jahrhunderten v. Chr. nach Gallien und Italien vor (die Cimbern i. J. 101 v. Chr. über die Tiroler Alpen bis zum Po). - Sodann wurden unter den Römischen Cäsaren die Germanen temporair bis zum Rhein und zur Donau und theilweise noch weiter Zurückgedrängt, bis sie sich zur Zeit der Völkerwanderung siegreich über den Süden und Westen Europas ergossen, während sie ihre von Bewohnern verlassenen nordöstlichen Grenzen den Slaven und Aesten überließen. Dagegen hatte

2) der große Volksstamm der Kelten seinen europäischen Ursitz im heutigen Frankreich zwischen der Rhone, Garonne, dem Ocean und der alten belgischen Grenze, von wo aus keltische Zweig= und Wanderstämme schon in frühester Zeit Groß=Britannien, Spanien, Celt=Iberien), ferner die ganze Alpen=Kette besetzten und selbst schon im vierten Jahrhundert v. Chr. als "Gallier" in Italien einbrachen und temporair Rom eroberten. Weiter besetzten sie die ganze Donaugegend und Illyrien, wo sie ebenfalls schon seit dem 4. Jahrhundert v. Chr., insbesondere im Lande der Morawa und der untern Save, lange Zeit ruhig saßen und von hieraus i. J. 280 ihren Verheerungszug nach Thrazien, Macedonien, Griechenland und Kleinasien (Galatien) begannen. Dieser ganze keltische Volksstamm unterlag jedoch nach und nach dem Römischen Weltreiche in den drei letzten Jahrhunderten v. Chr. und dem ersten Jahrhunderte n. Chr. - Endlich betritt

3) das Volk der Slaven (welches früher im Nordwesten Europa's hinter den wolchonskischen Waldhöhen nomadisirte) erst gegen das Ende des fünften Jahrhunderts n. Chr. den geschichtlichen Schauplatz, indem es in den in Folge der Völkerwanderung leer gewordenen Osten und Nordosten Deutschlands bis an die Elbe, das Fichtelgebirge, den Böhmerwald etc. . nach und nach einwanderte, ja selbst in vereinzelten Stämmen bis in die kärnthnischen, krainischen und steyerschen Gebirge und an's Ostufer des adriatischen Meeres vordrang.

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Die jetzige Grafschaft Görz war in der vorchristlichen Zeit ein Theil des keltischen Illyriens (Illyria barbara), welches unter der Königin Teuta im Jahre 228 v. Chr. den Römern zinspflichtig und demnächst, nach langen Kämpfen, im ersten Jahrhundert n. Chr. eine römische Provinz, mit römischer Industrie und Cultur, ward. - Die Hügelkette bei Görz und St. Pietro, westlich vom Isonzo, südlich von der Wippach, östlich vom Liach umflossen und von den Niederungen dieser Flüsse umgeben, bildete gleichsam eine im Norden an die Julischen Alpen sich anlehnende, fruchtbare und leicht zu vertheidigende Halbinsel, welche von den Carnen (einem keltisch=illyrischen Zweigstamme) 1 ) bewohnt ward. - Auf dem erstgedachten westlichen Abhange des St. Marcus=Hügels bei St. Pietro lag wahrscheinlich damals (etwa in der Zeit vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis zum 1. Jahrhundert n. Chr.) eine befestigte karnische Niederlassung (keine Todtenstadt oder Todtenstätte, wie Dr. Kandler meint). - Unter den verschiedenen hier jetzt noch sichtbar gewordenen sog. Höhlenwohnungen befand sich auch zweifellos eine eigene Schmelz= und Gieß=Stätte (eben eine solche, wie neuerdings auch in Meklenburg im Torfmoore zu Holzendorf bei Sternberg aufgefunden worden). - Letzteres wird dadurch bewiesen, daß die aufgefundenen Bronze=Sachentheils unfertig (d. i. noch nicht gefeilt und geschliffen), theils Bruchstücke sind, welche offensichtlich zum Einschmelzen bestimmt waren (aes collectaneum des Plinius). - Da sich die Illyrier in diesen, durch Natur und Kunst befestigten Stellungen sicherlich am längsten vertheidigten, so möchte ich die Zerstörung der keltischen Niederlassung auf dem St. Marcus=Hügel und die Verbergung der jetzt dort aufgefundenen Menge von Bronze=Sachen in diejenige Zeit setzen, als Illyrien in Folge der Siege des Cäsar und Germanicus und der Maaßregeln des Augustus und Tiberius gänzlich unterjocht ward.

Die Kelten, denen die reichen Erzlager Noricum's zu Gebote standen, arbeiteten fast ausschließlich in Bronze und Kupfer, weit länger als die Germanen, welche früher in Skandinavien Eisen=Bergwerke eröffneten. - Sie besaßen auch in der Bearbeitung des Erzes eine große Kunstfertigkeit, und lieferten wahrscheinlich in der Bronze=Periode den nordischen Völkerschaften eherne Waffen und Geräthe,


1) Die Wurzel des Wortes: Carnia (Krain) ist keltisch, eben so wie die Wurzel vieler geographischer Namen in der Umgegend von Görz.
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später auch rohes Erz zur eigenen Bearbeitung. - Die Bronze=Periode dauerte bei ihnen so lange fort, bis die Römische Unterjochung und Industrie sie verdrängte. Auf den alten Schlachtfeldern der Römer mit den Illyriern bei Triest, in Istrien und an den Julischen und Krainischen Alpen findet man noch fortwährend keltische Waffen von Bronze und Kupfer.

Dagegen hatte bei den Germanen der ausschließliche Gebrauch der Bronze zur Zeit ihrer Kämpfe mit den Römern schon aufgehört. - Selbst schon damals, als die Cimbern und Teutonen in den steyerschen Gebirgen bei Noreja siegten (113 v. Chr.) und als die Cimbern über die Alpen in die tridentinischen Thäler drangen (101 v. Chr.), führten die Letzteren schon eine Reiterei mit sich von 15000 Mann mit eisernen Harnischen, Spießen und Schwertern. (Plutarch: "vita Marii" cap. 25). Als später im fünften und sechsten Jahrhunderte auch Hunnen, Slaven und Avaren in die östliche Alpenkette eindrangen, war auch bei diesen Völkerschaften längst schon die Bronze durch das Eisen verdrängt, wie z. B. die slavischen Begräbnißstellen ("Wenden=Kirchhöfe" in Meklenburg) bezeugen. - Alles Beweise, daß die aufgefundene Niederlassung zu St. Pietro bei Görz eine keltische (keine germanische oder slavische) gewesen.

Schwerin, den 28. August 1868.

C. Ch. von Bülow, Canzlei=Director a. D.     


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Verzeichniß
der geschenkten Alterthümer von Görz.

Die Zahl der Stücke dieses werthvollen Geschenkes beträgt 16, an Gewicht 6 2/3 Pfund. Alle sind beschädigt oder Bruchstücke, so daß die Annahme nahe liegt, der ganze Fund sei zum Wiedereinschmelzen bestimmtes Metall gewesen. Alle Bruchflächen haben alten Rost.

1 große Axt, 6" lang und durchschnittlich 3" breit, 1 Pfund 6 Loth schwer, an der Schneide an beiden Ecken ausgebrochen, an dem Rest der Schneide stumpf.

1 große Axt, eben so groß, 1 Pfund 11 Loth schwer; das Blatt ist an der Schneide bis zur Hälfte abgebrochen; das größere Gewicht kommt daher, daß in dem ovalen

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Schaftloche ein grade hineinpassendes Bruchstück Metall steckt und fest gerostet ist.

1 Beil, dem das ganze Blatt fehlt, 15 Loth schwer.

1 Beil, 4 1/2" lang und durchschnittlich 2" breit, 18 Loth schwer, fast vollständig, nur daß die ganze Schneide in geringer Breite fehlt. Am Bahn= oder Schaftende sitzt ein kurzer Zapfen, wie noch heute an den Schlachterbeilen.

2 abgebrochene Zapfen dieser Art oder kurze Füße von dreifüßigen Gefäßen, zusammen 9 Loth schwer.

1 abgebrochenes Blatt von einem Beil oder großen Streitmeißel (Celt), 3 3/4" lang und 2 1/4" breit, 15 Loth schwer.

1 gleiches abgebrochenes Blatt, 2 1/2" lang, 8 Loth schwer; an den Rändern sitzen noch die Gußnäthe, so daß das Geräth zerbrochen ward, noch ehe es fertig war; die Bruchstäche hat alten Rost.

1 Bruchstück aus der Mitte eines Streitmeißels mit Schaftrinne (Paalstab oder Framea), 18 Loth schwer.

1 kleines, ähnliches Bruchstück, 4 Loth schwer.

1 ganz kleines ähnliches Bruchstück, 1 1/4 Loth schwer.

3 kleine Bruchstücke von Gefäßfüßen, wie es scheint, 4 1/2 Loth schwer.

2 grobe, rothbraune Gefäßscherben, nach heidnischer Weise bereitet (jedoch nicht römisch).

Alle diese Alterthümer, welche sicher nicht römischen Ursprung haben, sind aber auch dem Norden Europa's durchaus fremd. Vorherrschend sind die Aexte und Beile (mit ovalem Schaftloch) fast ganz von moderner Form und Construction. Diese fehlen dem Norden gänzlich, werden aber häufig auch in Ungarn gefunden; vgl. Keller's Pfahlbauten, fünfter Bericht, S. 13, und Abbildungen auf Taf. VII, Fig. 13 und 14. Eigenthümlich ist es ferner, daß die größere Masse dieser Art von Geräthen in Süd=Europa aus Kupfer besteht, welches zu dieser Zeit in Ungarn massenhaft erscheint; vgl. Keller a. a. O. Auch die hier aufgezählten Geräthe von Görz scheinen, so viel sich ohne chemische Analyse urtheilen läßt, aus Kupfer gefertigt zu sein; sicher ist die Farbe des Metalls röthlich oder bläulich=roth und durchaus nicht die schöne goldgelbe Farbe der nordischen Bronze; auch ist das Metall unter dem Messer zäher zu schneiden, als die Bronze. In den nördlichen Gegenden ist dagegen die Bronze allgemein herrschend und Kupfer erscheint unter vielen tausend Stücken nur als vereinzelte Ausnahme.

G. C. F. Lisch.     

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-242-

2) Christliches Mittlalter.


Thönerner Trinkkrug von Rostock.

Der Herr Cantor Hagen zu Rostock schenkte dem Vereine einen Trinkkrug (Seidel) aus weißem Thon, welcher in den letzten Jahren vor 1867 zu Rostock bei der Abtragung des Walles zwischen dem Steinthor und dem Schwaanschen Thor in dem Walle gefunden ist. Der Krug ist vorne ganz mit 3 Reliefbildern in Medaillons in Rankenwerk verziert, von denen das Blatt= und Rankenwerk ausgezeichnet schön gearbeitet ist. Die Medaillons stellen nach den Umschriften dar: 1) IOSVA; 2) LVCRECIA 1572; 3) Saulus (Paulus): SIE . NAMEN. IN. BEI. DER. HANT . VN . FVRTĒ. IN . GĒ . DAMASC 9 (Apost. Gesch. 9, 8.). Von Interesse, auch für die Geschichte des Walles, ist die Jahreszahl 1572. Nach der Farbe des Thons wird der Krug kein meklenburgisches, nach der deutschen Inschrift aber ein deutsches Fabrikat sein. - Der Henkel mit einem Stück des hintern Randes ist abgebrochen. - Vgl. den folgenden Bericht.

G. C. F. Lisch.     

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Thönerner Trinkkrug von Schwerin.

Der Herr Kaufmann Stehmann zu Schwerin schenkte dem Vereine einen Trinkkrug (Seidel) aus weißem Thon, welcher im Juli 1867 beim Abbruch des von ihm gekauften Hauses Nr. 2a (643) an der Südseite der Schmiedestraße zu Schwerin, zunächst am Markt, beim Ausgraben des Kellers gefunden ist; der Rand ist ganz abgebrochen. Dieser Krug ist von demselben Thon und in derselben Manier, wie der im vorhergehenden beschriebene Krug von Rostock vom J. 1572, jedoch lange nicht so sauber gearbeitet.

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Die Oberfläche ist rund umher ganz mit 3 Reliefbildern in Rankenwerk verziert, welche alle gleich sind. Oben steht ein Krieger in römischer Tracht, welcher in der linken Hand einen Speer hält und in der rechten Hand einen Schild, auf welchem der Doppeladler halb zu sehen ist; zu beiden Seiten des Kopfes steht: IO — SVA. 15 — 89. Dieses Bild des Josua ist ein ganz anderes und viel größeres, als das auf dem Kruge von 1572. Unten steht das herzoglich braunschweigische Wappen, vierfach getheilt, in 1 mit zwei Leoparden, in den drei übrigen Feldern mit einem Löwen, genau so wie z. B. das Siegel des Herzogs Julius von Braunschweig=Wolfenbüttel in einem Abdruck von 1572 gebildet ist. Dieses Wappen deutet wohl sicher auf den Ursprung dieser Krüge.

G. C. F. Lisch.     

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Foltern von Wittenburg.

Der Magistrat der Stadt Wittenburg schenkte einige eiserne Folter=Geräthe, welche bis dahin im Rathhause daselbst aufbewahrt gewesen, aber vor einigen Jahren gereinigt und geputzt sind, nämlich: ein Paar Beinschrauben zusammengehörend, ein Paar Daumschrauben zusammengehörend und eine Beinschraube. Nach Arbeit und Styl scheinen diese Sachen in die jüngste Zeit der Folterkammern zu gehören.

G. C. F. Lisch.     


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II. Zur Münzkunde.


Galliena Augusta.

Es war im Sommer 1865, als mir mein verehrter Freund und College, Archivrath und Pastor Masch in Demern, ein Goldstück zeigte, das in Vietlübbe (A. Gadebusch) kürzlich gefunden und von ihm acquirirt war. Hier die Beschreibung dieses Goldstücks:

A. GALLIENAE AVGVSTAE.

Kopf des Kaisers Gallienus mit kurzem Barte, geschmückt mit einer Schilfkrone, nach links gewandt.

R. VBIQVE PAX.

Die Siegesgöttin auf einem Zweigespann rechtshin fahrend.

Wenn gleich mir diese Münze aus den Beschreibungen in dem Cataloge der Gabelenzschen Sammlung, bei Mionnet und Cohen, sowie aus Abbildungen in Schachmann's Catalogue raisonné und dem Numismatic Chronicie längst bekannt war, so hatte ich bis dahin doch noch kein Exemplar von ihr in Händen gehabt und ich war nicht wenig erfreut, als Freund Masch sie mir freundlichst überließ, eine der Zierden meiner Sammlung. Um aber das Interessante dieser Münze noch besser ans Licht zu setzen, als ihre bloße Beschreibung und die Versicherung, daß sie außerordentlich selten sei, es zu thun vermag, mögen folgende kurze Bemerkungen hier ihren Platz finden.

Die Münze, von reinem Golde, 6, 2 Grammen schwer, nennt auf dem Avers den weibischen Kaiser: Galliena Augusta, und setzt ihm statt der Strahlenkrone eine Schilfkrone, das Zeichen der Hinfälligkeit, auf. Die Rückseite stellt neben der colossalen Lüge, es sei allenthalben Friede

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(es war ja gerade die Zeit der sogenannten 30 Tyrannen 1 ) [261-268 n. Chr.], die sich in die Provinzen des römischen Reiches theilten) einen bei den steten Niederlagen der Römer ganz widersinnigen Triumph dar. Selbst in dem Gewichte, das fast dem des alten Aureus gleich kommt, liegt eine Satire auf die stets mehr und mehr sinkenden Münzen des verspotteten Kaisers. - Kurz die ganze Münze ist ein Spott auf den Kaiser Gallienus, sie ist auch zugleich die einzige Spottmünze, welche das Alterthum kennt. Dies ist es, was, neben ihrem sehr seltenen Vorkommen, die Münze zu einem der interessantesten Producte der römischen Münzstätten in der Kaiserzeit macht. - Eine schwache Andeutung, wie diese seltene Münze nach Vietlübbe verschlagen sein mag, giebt uns das über dem Kopfe des Kaisers angebrachte Loch: ein sicheres Zeichen, daß die Münze wenigstens kurze Zeit lang (denn die Schärfe des Gepräges hat nicht im Geringsten gelitten) als Schaustück, als Zierrath getragen ist. Dagegen bedaure ich, nicht angeben zu können, wie sie wieder an das Tageslicht gekommen ist.

Hannover, im October 1868.

C. L. Grotefend, Archivrath.     

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Römische Münzen von Lübtheen.

In der Gegend des Fleckens Lübtheen, im südwestlichen Meklenburg, nicht weit von der Elbe, sind mitunter von ländlichen Arbeitern römische Kupfermünzen gefunden, welche nach und nach von einem ältern Handlungsgehülfen, Herrn Weil zu Lübtheen, eingehandelt und gesammelt und zuletzt durch Vermittelung des Herrn Kaufmanns Wüsteney aus Wismar, zu Hamburg wohnhaft, für den Verein erworben sind. Der Herr Archivrath Dr. Grotefend zu Hannover, der bewährte Kenner, hat die Güte gehabt, diese Münzen zu prüfen und zu bestimmen; er verweist dabei größtentheils auf Henry Cohen Déscription historique des monnaies frappées sous l'empire Romain communément appellées médailles impériales, Tab. I-VI, Paris, 1859- 1862.


1) Aus derselben Zeit sind in Meklenburg bei Lübtheen 10 barbarische Münzen des Kaisers Tetricus gefunden. Vgl. den nächstfolgenden Bericht. - D. Red.
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Der wichtigste von den Funden von Lübtheen ist ein Fund von

10 barbarischen Münzen des Kaisers Tetricus (268-273 n. Chr.)

Diese Münzen sind ohne Zweifel bei einander gefunden, da sie alle dasselbe Ansehen haben. Cohen sagt Tab. V, p. 169, Note 2, über diese Münzen, deren Vaterland man nicht kennt, ungefähr Folgendes. "Es giebt eine Art von barbarischen Medaillen in Klein=Bronze, welche nicht zu entziffern und zu beschreiben sind, sich aber alle als Nachahmungen zeigen, welche sich mehr oder weniger schon bekannten Typen nähern. Gewisse Medaillen sind so klein, daß sie nicht über die Hälfte des Models 1 hinausgehen. Uebrigens scheint es nach den gemachten Funden, in denen sehr barbarische Medaillen der beiden Tetricus mit andern Stücken einer viel jüngern Zeit vermischt sich fanden, daß man mehr als hundert Jahre nach ihrem Tode fortgefahren hat, Münzen mit ihrem Bilde zu Schlagen". - Tetricus, mit vollem Namen Pius Esuvius Tetricus, war nach dem Tode des Marius zum Kaiser in Gallien im März 268 ausgerufen und unterlag im J. 273 dem Aurelianus, der ihn nach dem Triumphe in Ehren leben ließ. Die Kopfseite der ächten Münzen von Tetricus dem Vater hat gewöhnlich die Inschrift: IMP . C . TETRICVS . P . F . AVG . Die Inschriften der Rückseiten sind meisten Theils HILARITAS AVGG. — LAETITIA AVGG. — PAX AVG. — SALVS AVGG. — SPES PVBLICA. — VICTORIA AVG. — VIRTVS AVG, mit den gewöhnlichen Emblemen dieser Gottheiten. Vielleicht läßt sich das eine oder andere auf den barbarischen Nachahmungen erkennen. - Daß bei Lübtheen 10 Tetricus=Münzen zusammen gefunden sind, ist immer sehr merkwürdig.

Mit diesen Münzen, oder doch bei Lübtheen, sind folgende Münzen gefunden, welche das gleiche Ansehen unter sich und mit den Tetricus=Münzen haben.

Diese Münzen sind alle jünger, als die Tetricus=Münzen; man sollte eigentlich das Gegentheil erwarten. Daß sie aber mit den Tetricus=Münzen zusammen gefunden sind, glaubt auch Grotefend mit Gewißheit annehmen zu können.

1 Crispus (317-326). (Cohen Nr. 130).

H.=S.   Büste mit Lanze und Schild:
               IVL . CRISPVS . NOB . CAES.

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R.=S.   Standarte mit zwei Gefangenen am Boden; auf der Standarte: VOT . X .
               VIRTVS EXERCIT

1 Constantinus II. junior (317-327). (Cohen Nr. 84).

H.=S.   Büste, mit Kaisermantel und Scepter:
               CONSTANTINVS IVN . NOB . C .
R.=S.   Altar mit Kugel und darüber 3 Sterne; auf dem Altar: VOTIS XX. P. B.
               BEATA TRANQVILLITAS

1 Constantius II. (337-361). (Cohen Nr. 237).

H.=S.   Büste im Panzer:
               FL . IVL . CONSTANTIVS AVG.
R.=S.   Zwei Krieger mit Helm, Lanze und Schild; zwischen ihnen ein Kriegszeichen:
               GLORIA EXERCITVS

2 Arcadius (383-408).
(Ramus, Catalogus numorum veterum Musei regis Daniae, II., p. 328):

1. H.=S.   Büste:
                    D . N . ARCADIVS P . E . AVG .
R.=S.   Schreitende Victoria, mit der Krone in der Rechten, mit der Palme in der Linken:
               VICTORIA AVGGG., unten LVC . P .

2. H.=S.   Eben so.
R.=S.   Der stehende Kaiser mit Lanze und Schild, gekrönt von der neben ihm stehenden Victoria:
               VIRTVS EXERCITI (!); unten: CONS . A .

Außer allen diesen kleinen Münzen sollen noch folgende 2 größere dabei gefunden sein.

1 Domitianus (52 n. Chr.) (Cohen Nr. 534)

etwas verwittert, jedoch von der Farbe der Tetricus=Münzen;

R.=S.   TR . P . COS . VIII . DES . VIIII. P . P . — S . C .

1 Marcus Aurelius Antoninus (161-180),

wie es scheint, bis zur Unkenntlichkeit ruinirt.

G. C. F. Lisch.     

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Römische Münze.

Fräulein A. Buchheim zu Schwerin, Custodin am großherzoglichen Antiquarium, schenkte eine kupferne Münze, welche in Meklenburg gefunden ist. Nach der Bestimmung des Herrn Archivraths Dr. Grotefend ist es eine alexandrinische Kupfermünze des Kaisers Dioclietian vom J. 285 n. Chr. G.

Av.
     Caput Diodetiani laur. dextr.
Rev.    L.-B. (also 285 n. Chr. G.)
      Pax st. sinistrorsum, d. ramum,
          s. hastam transversam.

Beschrieben bei Zoëga Nummi Aegyt. imper. Dioclet. Nr. 16; - Museum Munterianum Nr. 3082; - Mionnet Nr. 3629; - Welzl von Wellenheim Nr. 7663, 7664; -Rollin Catal. Nr. 9321.

G. C. F. Lisch.     

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Römische Goldmünze.

Der Herr Apotheker Schumacher zu Marlow schenkte den Staniol=Abdruck einer römischen Goldmünze, welche vor Jahren in der Stadt Ribnitz gefunden und von ihm selbst dort abgedruckt ist, als er noch Disponent der dortigen Apotheke war.

Av. Behelmtes Brustbild:
DN IVSTINIANVS P P AV
Rev.    Geflügelte Victoria, in der rechten Hand eine Lanze, in der linken eine Kugel mit einem Kreuze haltend:
     VICTORIA VCCCB, unten: CONOB

Dieselbe Goldmünze des Kaisers Justinian (533 n. Chr.) ward schon 1853 auf dem Felde von Bruderstorf bei Dargun gefunden (vgl. Jahrb. XVIII, S. 298).

G. C. F. Lisch.     


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III. Zur Wappen= und Siegelkunde.


Ueber

das Siegel der Universität Rostock.

Die Universität Rostock führt schon bald nach ihrer Stiftung ein großes Siegel, wie z. B. die Universitäten Heidelberg und Greifswald, dessen Original=Stempel noch vorhanden ist. Der älteste Abdruck hängt an einer Original=Urkunde von S. Gertruden=Tage 1443 im Stats=Archive zu Schwerin. Das runde Siegel, welches 3 1/2 Zoll oder 8 Centim. im Durchmesser hat, enthält einen großen Baldachin mit kuppelförmiger Spitze, der jedoch keinen reinen Baustyl zeigt. Unter dem Baldachin steht links (d. h. in der Ansicht rechts) Christus, in dem herkömmlichen idealen Gewande, mit einer Glorie mit Kreuz um das Haupt und der Weltkugel mit Kreuz ("Reichsapfel") in der linken Hand, wie er einem rechts vor sich knieenden Jünger ein offenes Buch übergiebt; der Jünger, ohne Heiligenschein, trägt eine Art Priester= oder Diakonen=Gewand, ein langes Untergewand mit einem kurzen Mantel; er sieht aus wie ein Professor oder Rector der Universität. Zwischen beiden Figuren steht im untern Rande rechts gelehnt ein Schild mit einem Greifen. Ueber das Haupt Christi, über das Buch und um die Gestalt des Jüngers schlingt sich ein Spruchband, welches eine Inschrift in kleiner, gedrängter, abgekürzter gothischer Minuskel enthält; da diese Inschrift nur mit großer Mühe hat entziffert werden können, soll die Lesung hier aufbewahrt werden und dies ist die eigentliche Veranlassung dieser Zeilen. Die Inschrift hat folgende Gestalt:

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Inschrift

das ist aufgelöst:

Scrutamini scripturas et discite a me, quod mitis sum et humilis corde.

Diese Inschrift ist nach der Mittheilung des Herrn Consistorialraths Professors Dr. Krabbe, welcher mit der Lesung übereinstimmt, aus zwei Bibelsprüchen zusammengesetzt, aus Ev. Joh. 5, 39:

Suchet in der Schrift

und Ev. Matth. 11, 29:

und lernet von mir; denn ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig,

oder nach der Vulgata:

Scrutamini scripturas

und

et discite a me, quia mitis sum et humilis corde.

Das abbrevirte Wort qz welches die Inschrift so hat, wird am richtigsten durch quod aufgelöst.

Die Umschrift des Siegels lautet:

Umschrift

G. C. F. Lisch.     

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Das Wappen des Geschlechts Pritzbur,

von

G. C. F. Lisch .

Nachtrag zu Jahrb. XXXII, S. 26 flgd.

Bei der Erforschung der ältern Geschichte des Ortes Malchow fand ich im Archive des Klosters Malchow auch die ältesten Siegel des adeligen Geschlechts Pritzbur, welches in alten Zeilen als eines der ältesten Adelsgeschlechter in der Gegend von Malchow ansässig war. Daher fanden sich alte Pritzbursche Urkunden mit Siegeln auch nur in diesem Kloster=Archive; im Staats=Archive hat sich bisher trotz der sorgfältigsten Forschungen kein altes Pritzbursches Siegel finden lassen. Als Wappen der Pritzbur gilt jetzt ein geköpfter

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Doppel=Adler mit zwei blutspritzenden Halsstummeln und mit ausgebreiteten Flügeln, auf Schild und Helm. Ich war aber nicht wenig überrascht, als ich im Malchowschen Archive 4 Pritzbursche Siegel von den verschiedensten Formen, von runder und schildförmiger, aus dem 14. Jahrh. fand, auf denen ein vorwärts gekehrter Helm steht mit zwei ausgebreiteten Flügeln, welche an den obern Helmecken mit eisern Rade belegt sind. Ein solches Wappenzeichen führt z. B. 1333, Januar 2, "Pryscebur von Karghow", in dem hieneben abgebildeten schildförmigen Siegel mit der Umschrift:

Wappen
Umschrift

und

1346, October 21 und 1347, Februar 16, "Hennekin Pritzebur von Kutze" in dem hier unten wieder abgebildeten runden Siegel, mit der Umschrift:

Wappen
Umschrift

Ich kam daher in Jahrb. XXXII, S. 27, auf den Gedanken, daß das jetzige Pritzbursche Wappen auf einem Mißverständniß beruhen dürfte, da ein alter Helm mit ausgebreiteten Flügeln wohl für einen kopflosen fliegenden Adler angesehen werden könne.

Es war nur eine Aussicht auf die mögliche Entscheidung dieses Widersteites vorhanden. In der handschriftlichen Genealogie der Familie von C. L. v. Penz ist ein schildförmiges Pritzbursches Siegel abgebildet, welches das jetzige Pritzbursche Wappen giebt. Dieses Siegel soll an der Landfriedensurkunde der Fürsten von Werle vom 8. Mai 1353 hangen, welche in besiegelten Originalien in einem Exemplare im Staats=Archive zu Schwerin und in einem zweiten Exemplare im Stadt=Archive zu Güstrow aufbewahrt wird und nach beiden in Lisch Maltzan. Urk. II, p. 109 flgd. abgedruckt ist. An dem Exemplare zu Schwerin hing sicher kein Pritzbursches Siegel. Ich habe Gelegenheit gehabt, im

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Herbste 1868 auch das Exemplar in Güstrow zu vergleichen. Aber auch hier fehlt sicher ein Pritzbursches Siegel ganz und ist auch nie angehängt gewesen. An beiden Exemplaren sind so viel Löcher eingeschnitten, als Siegel haben eingehängt werden sollen; an beiden fehlen aber an mehreren Stellen die Siegelbänder ganz, sind also nie angehängt gewesen; wären die Siegel in neuern Zeiten zerbrochen, so würden doch noch die Siegelbänder vorhanden sein. Der Verfasser der Genealogie C. L. v. Penz hat seine ältern Nachrichten von v. Hoinckhusen, Vater und Sohn, welche in Güstrow lebten. Es ist nicht wahrscheinlich, daß diese das Schweriner Staats=Archiv benutzt haben sollten; sie hatten ihre ältern Nachrichten sicher aus den Acten des Hof= und Landgerichts und aus Nebenarchiven im Lande, namentlich aus dem Güstrow'schen Stadt=Archive. Bei der Benutzung der Urkunde von 1353 wird v. Hoinckhusen sich aber versehen haben. An der Urkunde von 1353 hängt kein Pritzbursches Siegel. Wohl aber hängt an der 17. Stelle, in der Nähe der Stelle, wo das Pritzbursche Siegel hätte hangen sollen, ein kleines schildförmiges Siegel, grade wie v. Penz es zeichnet, mit einem Doppeladler mit Köpfen und der Umschrift:

Umschrift

Dies ist nun das Siegel des in der Urkunde an zweiter Stelle hinter Henneke Pritzbur aufgeführten Knappen Klawes Below, welcher einen Doppeladler, jedoch mit Köpfen, im Schilde führte.

An der Güstrowschen Urkunde hangen noch alle Siegelschnüre, welche angehängt gewesen sind, und an denselben noch alle Siegel klar ausgedrückt und ziemlich unverletzt. Würde daran ein Siegel des Henncke Pritzbur gehangen haben, so wäre es wahrscheinlich das hier oben an zweiter Stelle abgebildete Siegel gewesen und wohl noch etwas daran vorhanden sein.

Die ganze Ausführung des C. L. v. Penz beruhet also auf Irrthum und die Wahrnehmung bleibt von Bestand, daß die Pritzbur im 14. Jahrhundert einen geflügelten Helm als Wappen hatten.

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Siegel des Hermann Kremer.

Der Herr Justizrath von Prollius zu Schwerin, auf Dettmannsorf bei Sülz, schenkte einen bronzenen Siegelstempel

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aus dem Nachlasse seines Vaters, des Geheimen Kammerraths von Prollius zu Schwerin, auf Dettmannsdorf. Der Stempel mag also in der Gegend von Sülz gefunden sein. Er hat im Siegelfelde eine Hausmarke mit einer Rose rechts davon und die Umschrift:

Umschrift

Die Person ist bis jetzt noch nicht bekannt.

G. C. F. Lisch.     

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Siegel des Marschals Heinrich von Pappenheim.
Nachtrag zu Jahrb. XXXIII, S. 198.

Zu der Erläuterung des im J. 1847 zu Dänschenburg gefundenen Siegelstempels des Marschalls Heinrich von Pappenheim, ungefähr aus der Mitte des 14. Jahrb., mit dem Bilde eines Manneshauptes, geht uns folgende Berichtigung zu. Der Herr Archivar Dr. Herberger zu Augsburg hatte angegeben, daß die Siegel der Marschalle von Pappenheim aus dem 13. Jahrhundert alle 4 Reihen Zinnen im Schilde und nicht das Manneshaupt führen, und daß die ersten Siegel mit dem Manneshaupt erst seit 1351 wieder erscheinen. Dagegen theilt Se. Durchlaucht der Fürst Friedrich Karl von Hohenlohe=Waldenburg, unser hochverehrtes Mitglied, mit, daß doch folgende Siegel mit dem "Haupt" vor 1351 vorkommen: 1206 H., 1214 Heinrich (de Kallentin), 1254 Heinrich, 1261 und 1263 Heinrich, 1289 Hildebrand, 12 . . Hildebrand, 1312 Heinrich, 1336 Heinrich und Johann (Pappenheim=Rechberg), 1336 Hiltprandt und Wilhelm (Pappenheim=Biberbach).

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Siegel des Karthäuser=Priorats in Cöln.

Der Herr Fabrikant Frank aus Cöln kaufte im J. 1868 in Meklenburg zu Boizenburg, wahrscheinlich bei einem Goldarbeiter, einen schönen alten silbernen Siegelstempel, dessen mittelalterlicher kurzer Griff wie ein Engel ciselirt ist. Das Siegel ist parabolisch, 2 1/4 Zoll lang und zeigt folgende Darstellung: unter einem gothischen Baldachin steht die H. Ursula, welche mit beiden Händen einen Mantel

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weit ausbreitet und zugleich in der rechten Hand einen Pfeil und in der linken einen Palmzweig hält; unten knieet betend vor ihr die kleine Gestalt eines Mönches. Die Umschrift lautet:

Umschrift

d. i. SigiIIum prioratus domus Carthusiensium ad sanctam Ursulam in Colonia.
(Siegel des Priorats des Karthäuserhauses zur Heil. Ursula in Cöln).

Der Styl ist flau und unsicher; die Arbeit mag dem Anfange des 16. Jahrhunderts angehören. Wie dieses Siegel nach Meklenburg kommt, ist nicht klar: vielleicht ward es zur Zeit der Aufhebung der Rostocker Karthause Marienehe in der Mitte des 16. Jahrhunderts verloren.

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Siegel des Freiherrn von Ditmar.

Der Herr Kammer=Ingenieur Beyer zu Güstrow schenkte dem Vereine einen aus dem Nachlasse des im J. 1847 zu Woserin verstorbenen Kammer=Commissairs Düffke stammenden, aus weißlichem Achat oder Chalcedon geferigten dreieckigen Pettschaftstein mit dem Wappen des bekannten meklenburgischen Geheimen Raths und Reichshofraths Freiherrn von Ditmar, † 1795, mit einem in blau und gold quer getheilten Schilde und drei Helmen: in der Mitte mit drei Straußfedern, rechts mit einem wachsenden Greifen und links mit einem wachsenden Löwen, wie es im Meklenb. Wappenbuch Taf. XIII, Nr. 46 abgebildet ist. Ditmar, bekanntlich ein sehr ausgezeichneter Mann, starb ohne männliche Nachkommen. - Das Archiv besitzt aus dem Sammlungsnachlasse des hochseligen Großherzogs Friedrich Franz ein anderes, goldenes Pettschaft mit einem Carneol, in welchen das Wappen, mit Schildhaltern, rechts einem Greifen und links einem Löwen, noch schöner gestochen ist.

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IV. Zur Naturkunde.


Rennthiergeweih von Stuer.

Im J. 1857 ward bei der Wasserheilanstalt Stuer am Plauer See, bei der in der Nähe liegenden Hechtmühle, ein Rennthierhorn gefunden und von dem damals zu Stuer, jetzt zu Schwaan wohnenden Herrn Literaten Stuhlmann erworben und nach Hamburg verschenkt. Das Horn, welches nicht mehr vollständig war, hatte tief im "Bruchlande" gelegen und war durch Abspülungen des Ufers durch den Plauer See ans Licht gekommen. Diese Nachrichten hat Herr Stuhlmann selbst dem Vereine mitgetheilt.

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Hirschgeweih aus dem Schweriner See.

In dem großen Schweriner See, "oberwärts" von Retgendorf, auf einer Stelle, welche die Fischer den "Hirschberg" nennen, ward 9 Fuß tief unter der Oberfläche des Wassers von den Fischern ein uraltes starkes Hirschgeweih mit dem Schädel gefunden und von dem Herrn Tischlermeister Fahl erworben und dem Vereine wieder überlassen. Die Stangen und Enden des starken Geweihes sind zwar vielfach zerbrochen, sitzen jedoch noch fest auf dem Schädel, dem ersten alten Hirschschädel, den die Sammlungen bis jetzt haben gewinnen können. An derselben Stelle sollen schon früher wiederholt Hirschhörner, auch andere Sachen gefunden sein. Vielleicht war dies eine alte Culturstelle.

G. C. F. Lisch.     

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Hirschgeweih von Gressow.

Auf dem im Besitze des Herrn Hofraths Hennemann befindlichen Gute Gressow bei Wismar ward in einem Torfmoor 12 bis 14 Fuß tief ein mächtiges, aber morsches Hirschgeweihe wie es scheint in Bruchstücken, gefunden, aber größtentheils mit in den Torf zerstampft. Der Herr Pastor Koch zu Gressow rettete eine Rose und zwei Enden und sandte sie im J. 1864 an den Verein ein. Die Rose hat gut 3 Zoll im Durchmesser (Im Stadtmuseum zu Wismar befindet sich ein gleich starkes, kurzes Hirschhorn.) Von den beiden Enden ist das eine gespalten, das andere scheint abgehackt zu sein.

Im J. 1865 überreichte Herr Hofrath Hennemann noch ein zu diesem Geweih gehörendes Stück von einer Stange.

G. C. F. Lisch.     

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Thiergehörne von Neu=Kalen.

Beim Graben des Kanals von Neu=Kalen in den Cummerower See wurden 1864 in einer Tiefe von 6 Fuß im Torfmoor gefunden (vgl. auch Jahrb. XXIX, S. 281):

eine Elenschaufel und
ein Rehhorn,

und ferner im letzten Arbeitsjahre 1866

ein Rehhorn und
ein Ziegenschädel, welcher jedoch nicht sehr alt zu sein scheint,

und von dem Herrn Burgemeister Mau zu Neu=Kalen dem Vereine geschenkt.

G. C. F. Lisch.     

 

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