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Höhlenwohnungen von Roggow Nr. 1.

Auf dem Felde des Gutes Roggow bei Neu=Bukow ist in einem Ackerschlage südlich vom Hofe eine sich weit hin erstreckende, regelmäßige, sanfte Ansteigung, in deren Nähe sich eine Wiese und ein kleiner Bach, welcher früher ohne Zweifel wasserreicher gewesen ist, und am Fuße ein jetzt zugeworfener Graben befindet. Der Untergrund ist Mergel. Beim Drainiren im Jahre 1864 fand der Herr v. Oertzen auf Roggow, daß einzelne Stellen in gleicher Richtung am Abhange wahrscheinlich Höhlenwohnungen 1 ) gewesen sind. Es waren im Mergel einzelne runde Stellen von ungefähr 6 bis 8 Fuß Durchmesser, welche aus schwärzlicher Dammerde bestanden. Man kam beim Drainiren durch diese Schicht unten wieder auf den Mergelboden. Auf diesen Stellen fanden sich in einer Tiefe von 4 Fuß, aber nicht tiefer, viele Scherben von sehr alten, dickwandigen Kochtöpfen und sehr viele Holzkohlen in gefärbten Erdstreifen und in kleinern und größern Stücken, oft von einigen Zollen im Durchmesser, auch Feldsteine. Weiter ward freilich nichts gefunden. Es ist aber wahrscheinlich, daß diese Stellen in sehr entfernten Zeiten Gruben waren, welche nach und nach zugeschlämmt und ver=


1) Der Ausdruck "Höhlenwohnungen" ist, auch nach des Herrn v. Oertzen Ansicht, nicht ganz richtig, da man unter dem Worte Höhle eine horizontal eingehende Vertiefung versteht, die "Höhlenwohnungen" in Meklenburg aber senkrecht eingehende Gruben gebildet haben. Der Ausdruck "Höhlenwohnungen" ist aber deshalb gewählt und beibehalten, weil, nach dem Vorgange der griechischen Benennung der ältesten Bewohner, welche in der Erde wohnten, der Troglodyten, im Allgemeinen die Uebersetzung durch Höhlenbewohner vorherrschend angenommen ist.
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schüttet sind. Es ist auch wahrscheinlich, daß die Ansteigung früher höher war und nach und nach abgeschlämmt und abgepflügt ist. Es wiederholen sich also hier ungefähr dieselben Erscheinungen, wie in den Höhlenwohnungen in dem nicht weit von Roggow entfernten Dreveskirchen; vgl. Jahrb. XXX., S. 123 flgd.

G. C. F. Lisch.


Höhlenwohnungen von Roggow Nr. 2

Im Herbst 1865 ließ der Herr v. Oertzen noch eine kleine Strecke auf einem andern, ebenfalls sanft geneigten Abhange dicht neben einem kleinen Teiche drainiren, und fand auch hier wieder sogenante "Höhlenwohnungen", von denen er mehrere genau und kritisch untersuchte und im Folgenden brieflich beschreibt. Die Stellen liegen beinahe 3 Fuß tief unter der jetzigen Erdoberfläche in festem Lehm. Sie sind in dieser Tiefe auf dem Boden meistenteils vollständig ausgedämmt mit faustgroßen Feldsteinen. Die Steine sind aber nicht rund und abgeschliffen, sondern zum großen Theil an einer Seite scharfkantig und Bruchstücke von größern Felsblöcken. Die Stellen sind kreisrund und haben ungefähr 4 bis 5 Fuß Durchmessser. Gefäßscherben und Feuerrsteinsplitter wurden auf dieser Stelle nicht gefunden, jedoch viele Holzkohlen und Asche, auch Schlacken. Die Steine sind alle sehr mürbe und zerbrechlich, ein Beweis, daß viel Feuer auf Ihnen gebrannt hat. Der Herr v. Oertzen hält diese jetzt unter der Erdoberfläche liegenden Stellen nicht für menschliche "Wohnungen", da sie hiezu wohl zu klein waren, sondern nur für "Feuerstellen der Pfahlbaubewohner", welche sie zum Kochen und Backen eingerichtet hatten, da sie sich immer an sanften Abhängen in der Nähe von jetzigen Wiesen und Mooren und nicht weit von Wasser finden, und glaubt, daß sie im Laufe der Zeiten nach und nach durch herabgeschwemmte Erde hoch bedeckt sind. Diese Ansicht ist auch schon in den Jahrb. XXX., S. 123 ausgesprochen. Es ist immer wahrscheinlich, daß die Pfahlbaubewohner doppelte Wohnungen hatten, auf dem Lande zum Arbeiten bei Tage und auf dem Wasser zum Wohnen und zur Sicherheit, namentlich bei Nacht. Sie mußten offenbar zum Schlachten, Backen, Brauen, Aernten und andern ähnlichen Geschäften Räumlichkeiten haben, welche größer und gegen Feuer gesicherter waren, als die engen Pfahlhäuser. Ob nun diese Anlagen auf dem festen Lande nur

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Küchen und Keller, oder auch zugleich Wohnstätten waren, läßt sich wohl noch nicht entscheiden, da die Erfahrungen noch nicht ausreichend sind.

Man würde hiedurch zu dem Schlusse kommen, daß sich dort, wo Pfahlbauten gefunden werden, in der Nähe auch Höhlenwohnungen finden, und umgekehrt Höhlenwohnungen auf Pfahlbauten in der Nähe schließen lassen, da beide zusammen gehören. Der Herr v. Oertzen machte diese Beobachtung schon im Jahre 1864.

G. C. F. Lisch.


Höhlenwohnungen von Roggow Nr. 3.

Beim Drainiren im Jahre 1866 fand der Herr v. Oertzen auf einem Ackerstücke, welches der "Kirchhof" genannt wird, wieder Höhlenwohnungen, jedoch weiter keine Alterthümer, obgleich solche nach dem Namen zu vermuthen standen. Es waren 11 Wohnungen, welche 16 bis 20 Fuß von einander und gegen 3 Fuß tief lagen. Es wurden bei dieser Drainirung nur einige wenige Topfscherben gefunden.

G. C. F. Lisch.


Höhlenwohnungen von Roggow Nr. 4
am Salzhaf.

Das feste Land des Gutes Roggow fällt in lehmigen Ufern steil in das Salzhaf, einem salzigen Binnenwasser der Ostsee, ab. Stürme und Wasserfluthen arbeiten hier beständig an der Veränderung der Ufergestaltung. Durch die Stürme im Spätherbst 1865 unterwühlte das Wasser an vielen Stellen das hohe Ufer und am 17. December 1865 riß bei einem starken Nordsturme die See nicht unbeträchtliche Massen des Ufers hinweg. Hiedurch wurden drei "Höhlenwohnungen" durchbrochen, welche nun in ihren Durchschnitten klar zu Tage lagen. Die eine derselben ließ sich noch untersuchen und der Herr v. Oertzen auf Roggow unternahm es, dieselbe aufzugraben und sorgfältig zu beobachten. Die Entdeckung ward dadurch gemacht, daß sich im Durchschnitt eine ungefähr 1 Fuß dicke und 6 Fuß lange Kohlenschicht zeigte. Die Wohnung lag mit dem Fußboden 3 Fuß unter der Erdoberfläche, war rund oder oval gewesen und hatte 6 Fuß im Durchmesser. Sie war in Lehm angelegt

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und hatte einen Estrich von Lehm. Mehrere röthlich gebrannte, feste Stücke von sandhaltigem Lehm haben offenbar im Feuer gelegen. An der nordöstlichen Seite, also der Windseite gegenüber, da die Hauptwindrichtung dort südwestlich ist, war auf dem Estrich eine Art Herd, 1 Fuß hoch und 2 Fuß im Quadrat. Derselbe war von ungefähr faustgroßen Granitsteinen aufgebauet, welche alle von grober, bröckeliger (also vom Feuer angegriffener) Masse und scharfkantig waren, obgleich dort an der See rundlich abgeschliffene Kiesel in jeder Größe und Menge zu finden sind. Auf diesem Herde lag eine sehr große Menge von heidnischen, grobkörnigen, rauhen, dickwandigen Topfscherben, einige von sehr großen Gefäßen, sicher aus der Steinzeit herrührend, welche an der Außenseite Spuren von Feuer tragen. Voll Bedeutung ist, daß der Boden von zwei Gefäßen, weil sie auf dem Herde gestanden hatten, nicht zerbrochen war, grade wie in den Höhlenwohnungen von dem nahen Dreveskirchen (vgl. Jahrb. XXX., S. 124), mit denen die Roggower Höhlenwohnungen genau übereinstimmen. Auch Scherben von 4 verschiedenen dünnwandigen, auf der Außenseite geglätteten, feinen Gefäßen oder Krügen wurden gefunden. Zwei dickwandige Gefäße hatten unter dem Rande einen erhabenen Reif abwechselnd von Knoten und Fingereindrücken, ganz genau in derselben Weise, wie sie einige Scherben aus den Höhlenwohnungen von Dreveskirchen zeigen, eines von kreisförmigen, flachen Fingereindrücken. Auf dem Estrich lag über einen halben Fuß hoch eine Menge von Kohlen und zerschlagenen Thierknochen. Die Kohlenschicht war so fest und hart, daß mit dem Spaten nicht durchzudringen war, sondern oft die Hacke angewandt werden mußte.

Die Thierknochen sind weiß und mürbe, wie überhaupt die Knochen der Steinzeit, welche lange in der Erde gelegen haben. Nach der Bestimmung des Herrn Professors Schulze zu Rostock befinden sich unter den erkennbaren Stücken Reste von folgenden Thieren: Rind, linker Oberkiefer, mit 4 Zähnen, und rechter Unterkiefer, Bruchstücke, Reh (oder Hirsch), linkes Schulterblatt, Schaf oder Ziege, rechtes Schulterblatt, Bruchstück, und mehrere zerschlagene, nicht zu bestimmende Knochen, auch vom Pferde ein Zahn vom rechten Oberkiefer. Steinerne Geräthe wurden nicht weiter gefunden, als zwei sehr gute Reibsteine, charakteristische Kennzeichen der unterirdischen Feuerherde aus der Steinzeit, ungefähr gut 4 Zoll im Durchmesser, der eine von weißem "alten Sandstein", der andere von röthlichem, feinkörnigem Granit.

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Stroh=Reste und Eindrücke waren trotz allen Suchens nicht zu finden. Es ist daher wohl anzunehmen, daß die Grube mit Rohr, welches dort häufig vorkommt, gedeckt war und dieses, da es luftiger liegt, ohne Zurücklassung von Kohle zu Asche verbrannte. Ueberdacht war der Raum sicher gewesen, da sich sonst wohl nicht die fast steinharte Kohlen und Knochenschicht so fest hätte bilden können.

G. C. F. Lisch.