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Die Glocken der Kirche zu Woserin.

Auf dem Thurme der im Uebergangsstyle einfach erbaueten Kirche zu Woserin bei Sternberg hangen drei Glocken, von denen die größte seit langer Zeit gesprungen ist, und eben jetzt umgegossen werden soll, weshalb ich einen Besuch bei meinem Schwager, dem Pastor Hartmann daselbst, benutzte, um dieselbe zu besehen, und die mir als sehr merkwürdig bezeichnete Inschrift zu copiren. Meine Erwartung ward jedoch in Betreff dieser Glocke durchaus getäuscht, denn die Inschrift enthält in der gewöhnlichen gothischen Mi=

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nuskel des 15. Jahrhunderts nichts anders als den sehr häufig vorkommenden Glockenspruch:

Inschrift

Dieselbe Inschrift findet sich z. B. ohne Datum, aber in den gothischen Unzialen der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, auf den Glocken zu Lewetzow von 1304 1 ), zu Camin bei Wittenburg 2 ) und zu Satow 3 ); ferner so wie hier in der jüngern Minuskel auf den Glocken zu Russow von 1404 4 ), zu Brüel von 1457 5 ) zu Alt=Gaarz von 1460 und 1480 6 ), zu Alt=Kalen von 1490 7 ), zu Jördenstorf von 1497 8 ) und zu Dargun ohne Jahreszahl 9 ). Unter der Inschrift findet sich die Hausmarke des Glockengießers, ein Kreuz mit zwei Streben am Fuße.

Wichtiger sind die beiden kleineren Glocken, deren Inschrift noch kürzlich von einem gebornen Woseriner, welcher seit vielen Jahren in Petersburg ansässig ist, für russisch erklärt ward und auf den ersten Anblick von dem, der die russische Schrift nicht genauer kennt, in der That leicht dafür gehalten werden kann. Beide Inschriften stehen nämlich verkehrt; im Spiegel gelesen enthält aber die auf der größern dieser beiden Glocken in den gothischen Unzialen der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts den lateinischen Spruch:

Inschrift

(= Tibi sit gloria laus et honor.)
(= Dir sei Preis, Lob und Ehre.)

die auf der kleinsten Glocke dagegen in derselben Schrift den Spruch:

Inschrift

(= Rex Christe redemptor.)
(= König Christus, Erlöser!)


1) Vgl. Jahrb. XII, S. 490.
2) Vgl. Jahresber. II, S. 120.
3) Vgl. Jahrb. X, S. 310.
4) Vgl. Jahrb. X, S. 314.
5) Vgl. Jahresber. VII, S. 78.
6) Vgl. Jahrb. X, S. 312- 313.
7) Vgl. Jahrb. XII, S. 461.
8) Vgl. Jahrb. XII, S. 465.
9) Vgl. Jahrb. XII, S. 471.
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Aehnliche Inschriften sind bisher, gleichfalls ohne Jahreszahl, aber mit denselben Schriftzügen, auf den Glocken zu Neuburg bei Wismar 1 ) und Reinshagen bei Güstrow 2 ) beobachtet, welche beide denselben Spruch enthalten (Consolor viva. Fleo mortua. Pello nociva). Auch auf diesen kleinern woseriner Glocken findet sich die Hausmarke des Gießers, jedoch nicht erhaben, wie auf jener größern, sondern mit einem Stempel eingeschlagen. Die Figur ist nicht ganz klar; jedoch sieht man deutlich im doppelten Kreise unten ein Kreuz und darüber einen Queerbalken oder Halbkreis, vielleicht Abguß von Bracteaten, wie in der Kirche zu Rosin? (vgl. Jahrb. XII, S. 478).

Das Visitations=Protocoll von 1541 enthält unter dem Namen Woserin nur die Bemerkung: "Der Pastor ist dreymal vorbotschaft, aber allewege aussen geblieben". Es fand daher keine Visitation daselbst statt.

Das Protocoll von 1653 dagegen enthält ein Inventarium über die Kirche daselbst, worin es heißt: "Im Thurm sind 3 Glocken, und über dem Chor eine Betglocke".

W. G. Beyer.     


1) Vgl. Jahresber. VII, S. 73-74.
2) Vgl. Jahresber. X, S. 311.