zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 310 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Die Kirche zu Stück

bei Schwerin, welche gegenwärtig einer Restauration unterliegt, ist bei dieser Gelegenheit genauer zur Untersuchung gekommen und verdient in mancher Hinsicht eine genauere Beschreibung, wenn auch schon in Jahrb. VI, S. 86, einige Andeutungen gegeben sind.

Die Kirche besteht aus einem viereckigen Chor, einem oblongen Schiffe und einem viereckigen Thurmgebäude.

Der Chor ist viereckig, mit grader Altarwand, von einem Kreuzgewölbe bedeckt. Er hat im Aeußern eine gegliederte, theilweise mit glasurten Ziegeln verzierte Basis, Ecklisenen und einen einfachen Fries von einer Schicht übereck gelegter Ziegel gebildet. Die Altarwand hat ein Fenster, welches durch zwei ungewöhnlich starke Pfeiler in drei Theile geschieden ist,

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 311 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

oder vielmehr sind es drei gekuppelte Fenster. Aehnlich ist das Fenster in jeder Seitenwand durch einen starken Pfeiler in zwei Theile geschieden. Diese Construction ist sehr derbe und selten. Die schmalen Fensteröffnungen sind im Uebergangsstyle construirt. Die Pforte in der Südwand ist spitzbogig und mit glasurten Steinen verziert; der Triumphbogen zwischen Chor und Schiff ist ebenfalls spitzbogig. Der Bau des Chores fällt daher in die letzte Zeit des Uebergangsstyl s. Der Bau, aus sehr großen Ziegeln, ist dauerhaft.

Das Schiff, ein Oblongum, ist im Spitzbogenstyle, ungefähr im Anfange des 15. Jahrh., ziemlich roh erbauet. Die nicht breiten Fenster sind durch einen graden Pfeiler, der in die Spitze der Wölbung der Fensternische reicht, auf nicht schöne Weise in zwei Theile getheilt, deren jeder von einem Spitzbogen gewölbt ist. Beim Ausräumen fand sich das Schiff in den Fundamenten so baufällig, daß ein Neubau der Seitenwände beschlossen werden mußte, wie denn überhaupt sehr viele Bauten des 15. Jahrhunderts sehr leicht und leichtfertig fundamentirt sind.

Für diesen zweifachen Bau zeugen auch im Chor die doppelten, geputzten, runden Schilder an den Wänden des Chors zur Aufnahme der bischöflichen Weihkreuze; es stehen nämlich im Chore immer ein größeres und ein kleineres Schild unter einander, wahrscheinlich weil die Kirche zwei Male geweihet ist.

Die innern Wände der ganzen Kirche haben früher im Rohbau gestanden. Alle Laibungen haben aber einen festen, grauweißen Kalkputz. Man sieht dies noch sehr deutlich an dem Scheidebogen zwischen Chor und Schiff. Die senkrechte Wand steht, nachdem die junge weiße Kalktünche entfernt war, im Rohbau, die Bogenlaibung ist grau geputzt; an der Stelle aber, wo die senkrechte Wand und der Bogen zusammenstoßen, das Mauerwerk also wohl nicht rein und sauber war, ist durch Bemalung mit rother Farbe nachgeholfen, um den Rohbau der Wand bis scharf an den Bogen dem Auge darzustellen. Auf den Chorwänden finden sich auch Spuren von einer Art Malerei, indem hin und wieder hellere senkrechte Linien auf den Rohbau auf getragen sind, wahrscheinlich um gewisse Felder abzugrenzen.

Der Altar ist ein geschnitzter und bemalter, einfacher Flügelaltar von mittelmäßigem Kunstwerth, jedoch nicht schlecht, und ziemlich gut erhalten. Die Rückwände der Flügel haben die alte Malerei verloren und sind in jüngern Zeiten überstrichen. Die geschnitzten Figuren der Vorderseite haben einen

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 312 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

rein biblischen Inhalt. Mitteltafel und Flügel sind queer getheilt; die Mitteltafel ist der Länge nach wieder in 3 Abtheilungen getheilt. Die Mitteltafel enthält in der Mitte oben die Kreuzigung Christi und in den 4 Abtheilungen zu den Seiten: das Gebet Christi am Oelberge, die Geißelung, die Dornenkrönung und die Kreuztragung Christi. In der Mitte unten steht eine sehr gut geschnitzte Figur des H. Georg zu Roß, wie er den Lindwurm tödtet, und daneben eine Figur Christi aus einer Dornenkrönung. Beide Figuren passen nicht zusammen und zu dem Altare und sind ohne Zweifel später hineingesetzt. Der H. Georg scheint einer der besondern Schutzheiligen der Kirche gewesen zu sein, da er auch in den Glasmalereien erscheint. Die Flügel enthalten in jeder Abtheilung 3 Apostel.

Aufteilung

Die Predelle ist jung. Auf den Altar ist in jüngern Zeiten ein ungethümlicher Aufsatz mit einem nicht mehr zu erkennenden Gemälde aufgesetzt.

Einen besonderen Werth haben die noch erhaltenen 9 Glasmalereien, welche zu den besten ihrer Art im Lande gehören und in einer kleinen Dorfkirche schwerlich so gut im Lande gefunden werden dürften. - In dem Bogen über der südlichen Eingangspforte des Schiffes steht ein großer Christuskopf, ungefähr in halber Lebensgröße, nach dem Muster des sogenannten Urbildes auf dem Schweißtuche der Veronika, von kunsthistorischem Werthe. Hinter dem Altare ist eine Tafel mit dem stehenden Bilde des H. Georg von sehr guter Arbeit und eine Kreuzigung. Die übrigen Malereien befinden sich in den nördlichen Fenstern des Schiffes. In dem mittlern Fenster ist eine Tafel mit einer Kreuzigung; darüber steht eine Tafel mit zwei Heiligen: einem Bischofe mit Stab und Buch (der H. Nikolaus?), und einem Heiligen, welcher ein Crucifix in der einen Hand und ein Buch im andern Arme hält. In dem östlichen Fenster daneben steht eine Tafel mit den zwei Nothhelferinnen: der H. Katharina

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 313 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

mit Schwert und Rad und der H. Barbara mit einem Deckelkelche in der Hand. Diese Glasmalereien sind alle sehr gut und stammen aus dem 15. Jahrb., vielleicht aus verschiedenen Zeiten; der Christuskopf und der H. Georg scheinen älter zu sein, da sie in kräftigern Farben gehalten sind; die übrigen Gemälde sind gleichzeitig.

Neben dem Altare liegt ein großer Leichenstein, mit dem Reliefbilde einer liegenden, betenden Frau, der Anna Hahn, Gemahlin des Jürgen Raven auf Stück und Steinfeld († 1603), welche am 21. Jan. 1573 starb. Die Inschrift in zwei Zeilen lautet:

DE. EDLE. VND. VE │ LE. DVGETSAME. AN │ NA. HANEN. JVRG │ EN. RAVEN. ELICHE. HU │ SFRVWE. IS. CESTORVEN. │ ANNO. 1573. │ DĒ. 21. JANVARII. DE. GOT. GNAD.

Dann folgen Bibelsprüche. In den 4 Ecken stehen die Wappen der Ahnen:

(Hahn.) (v. Plessen)
Bild
der
Anna
Hahn.
(v. Penz. (Sperling.)

Nach v. Gamm's Stammtafeln war Anna Hahn aus dem Hause Kuchelmiß. Sie ist als Gemahlin des Jürgen Raven aber nicht bekannt. Im J. 1564 wird eine Anna Hahn als noch nicht verheirathet genannt (vgl. Lisch Gesch. des Geschl. Hahn, II, S. 223); diese war aber eine Tochter des Wedege Hahn und hatte andere Ahnen. Eine andere Anna Hahn, eine Tochter Otto's auf Kuchelmiß, war jedoch an Matthias v. Passow auf Zehna verheirathet gewesen und vor 1582 gestorben. Die ganze Genealogie ist daher dunkel. Die Ahnen sind bisher erforscht nach folgender Darstellung, wobei zu bemerken ist, daß die daneben gestellten Ahnen des Jürgen Raven nach den v. Gammschen Stammtafeln aus denselben Familien stammen.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 314 zur ersten Seite zur vorherigen Seite
Stammtafeln

In der Kirche fand sich eine sehr große, romanische Säulenbasis aus der Zeit des Rundbogenstyls, wohl noch aus der Zeit vor dem J. 1200; sie ist sehr niedrig und hat wohl als Basis eines Taufsteins gedient.

Beim Ausbrechen der sehr losen Fundamente eines Strebepfeilers an der Eingangspforte des Schiffes fand sich ein heidnischer, halbmuldenförmiger Mühlstein eingemauert, wie sich solche im Lande in sehr großer Anzahl finden. Vielleicht ist derselbe früher als Weihkessel benutzt gewesen.

Von den Glocken ist die zweite größere sehr alt. Sie hat eine Inschrift aus sehr großen, verzierten, mittelalterlichen Majuskel=Buchstaben, stammt also noch aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Leider hangen die Glocken zu hoch im Thurme, als daß sich ohne besondere Vorrichtungen die Inschrift sollte lesen lassen können. Es schien mir aber, als wenn ich an einer Stelle das Wort OSI A NN A lesen konnte.

G. C. F. Lisch.