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XI.

Ein

Wunder in der Kirche zu Moisall

bei Bützow

aus dem Jahre 1594.

Mitgetheilt

von

C. M. Wiechmann=Kadow.


H err K. Gödeke in Celle hatte die Güte, mich auf ein Lied des 16. Jahrhunderts aufmerksam zu machen, das von einem in der Kirche zu Moisall bei Bützow geschehenen Wunder handelt und als ein Curiosum wohl mitgetheilt werden darf. Da in dem Liede selbst das Ereigniß ausführlich erzählt wird, so bedarf es keiner weiteren Erklärung, und ist nur noch zu erwähnen, daß dieses Gedicht und ein anderes zusammen ein einen halben Bogen in kl. 8° einnehmendes Liederheft aus der Officin des bekannten Joh. Balhorn zu Lübeck bilden 1 ). Der Dichter, der sich auf dem Titel und unter der letzten Strophe mit den Buchstaben L F bezeichnet, ist ohne Zweifel kein Anderer, als der als Augenzeuge genannte Prediger Leonhard Freundt zu Moisall.

Der Titel lautet:

Zwey Christli= │ che Newe Lieder, Das erste │ von einer Hand vnnd Angesichte, │ so in Meckelbörger Lande zu Mews ae , ei= │ ne Meyle von Butzow, aus dem pfeiler des Pre= │ dig=


1) Die Anzahl Lieder, welche Balhorn druckte, ist nicht geringe; besonders sind solche in niedersächsischer Sprache.
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stuels in der Kirchen, wunderbarlicher weise ge= │ wachsen, vnd in viertzehen tagen, von dem 1 Junij, biß an den 16, dieses jetzt verlauffenden 94 Jahres ist volstendig worden, wie sie daselbst jetzt ist zu │ sehen, vnnd auch von vielen Leuten mit grosser │ verwunderung besichtiget worden. Jm │ Thone, Wie man vom Könige │ Christian singet. ║ Besichtiget vnd beschrieben, durch │ L F. ║ Das ander, ist ein Geistlich Lied, │ wider die Vnsethliche Bauchsorge, aus │ dem 6. Capitel Mathei gezogen, vnd ge= │ sangsweise gestellet, in seinem eige= │ nen Thon. ║ Zu L ue beck, bey Johan Balhorn. │ Anno, 1594.

Auf dem zweiten Blatte beginnt dann das erste Lied.

Hort zu jhr Christen Leut,
was da geschehen ist in kurtzer zeit,
von wunderlichen dingen,
wol in dem Meckelburger Landt,
dauon ich euch thue singen.

Es ist ein Dorff das heist Mewsel,
welchs ist bekand fast vberall,
im Meckelburgischen Kreisse,
da ist gewachsen w ue nderlich,
auff nachfolgende weise.

Ein Hand aus hartem d ue rrem Holtz,
das einem vergehen m oe achte der stoltz,
den der es thnt anh oe ren,
vnnd hats gesehen manch ehrlich Mensch,
den glauben ist zn geben.

Die Hand also gewachsen ist,
ein jeder vernem zn dieser frist,
vnd fasse es auch zu hertzen,
Sampt einen angesicht zu handt,
es ist f ue rwar kein schertzē.

Am Predigstuel in Dorff wie vorgemelt,
der Pfeiler in der Kirchen ist vntergestelt,
als manchen ist bekandt,
daraus den auch gewachsen ist,
das Angesicht vnd die handt.

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Die hand stehet vber dem Angesicht,
vnnd ist f ue rwar wie ich bericht,
wie hier ist offenbare,
Vnd ist geblasen auff gantz sehr,
als ob es geschwollen ware.

Das Angesicht vnten an der handt,
ist nicht gantz groß, aber vngestalt,
als ob es eines T ue rcken Kopff were,
vnd hat sich geneigt zu der Erdt,
ist zu verwundern sehre.

Die hand wol vber den dritten tag,
Sampt den angesicht, als ich euch sag,
pflegt wunderlichen schweis zu schwitzen,
auff ander zeit aber d ue rre bleibet,
sage ich ans keinem f ue rwitze.

Der Edelman am gemelten orth,
wird genennet Hardenack Wackerbart 1 ),
der Edele vnd Ehrnvehste.
Herr Leonhardt Freundt der Prediger heist,
Johannes Embling der K ue ster.

Es stellet vns f ue r der getrewe Gott,
viel w ue nderliche ding an manchen orth,
am Himel vnd auf Erden,
Doch achtens die Menschen gar fur ein spot,
was kan doch guts draus werden.

Ob wol die hand gewachsen ist,
aus d ue rrem holtz sampt dem Angesicht,
so thun sie es doch nicht achten,
vnd schlagens geringe in den wind,
vnnd thun es gar belachen.

Aber gute fromme hertzige Christliche Leut,
die Gott f ue r augen haben allezeit,
die nemen es wol zu hertzen,
bedencken Gottes wunder allezeit,
Es ist f ue rwar kein schertzen.


1) Die Familie der Wackerbarth besaß mehrere Güter im Lande Bützow; der Stiftshauptmann Jürgen Wackerbarth zu Bützow († 1590) wird wohl ein Bruder des Hardenack zu Moisall gewesen sein. Vgl. Jahrb. II S. 194, III (Jahresber.), S. 164, XI, S. 488; XII, S. 174; XIII, S. 186.
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Sie werden bedencken die gefehrliche zeit,
darin gros noth leidt die Christenheit,
von Theurung vnd von Kriegen,
vnd werden Gott f ue r Augen han,
der sie nicht wird betriegen.

Man sihet jetzt wie man Gottes Wort,
verachten thut an allen orth,
vnd thun es gar vernichten,
Gott solches nicht lenger dulden wil,
vnd eylt fast zum gericht.

Dieweil aber solches sol balt geschehen,
lest Gott solch zeichen vnd wunder sehen,
als er hat verkündiget,
damit sich jederman bekehren m oe chte,
vnd lernen abstehen von S ue nden.

Darumb sey vermahnt ein jederman,
neme dis zur warnung an,
vnd las sich vnterrichten,
das nicht der zorn Gottes ihn ergreiff,
vnd mache jhns gar zu nichte.

Was diß gewechs für ein bedeutung hab,
wil ich ander Leute bedencken lahn,
vnnd nichts dauon thun schreiben,
F ue r Gottes wunderwerck mans achten sol,
dabey ichs lasse bleiben.

Gott woll vns geben allensampt,
sein Heiliges Wort klar vnd bekandt,
gut Fried vnd ruhe darneben,
vnd st ue rtz die Feind der Christenheit, vnd gebe vns das ewige leben, Amen 1 ).

L F.

Auf der Rückseite des Titels finden sich zwei Abbildungen der Hand, oben die innere Fläche mit dem Daumen, unten die äußere mit dem Gesichte; die Aehnlichkeit der Finger mit Wurzeln ist nicht zu verkennen 2 ).

Die verschiedenen Nachforschungen, ob sich in der Kirche zu Moisall irgend ein Andenken an das vermeintliche Wunder erhalten hat, sind ohne Erfolg geblieben.


1) Die Verszeilen des Originals sind nicht abgesetzt. Das benutzte Exemplar gehört dem Herrn K. Gödeke in Celle.
2) Dem Vereine ist eine sorgfältige Abzeichnung des Holzschnittes zugestellt worden.
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Bei dieser Gelegenheit soll noch ein anderes Denkmal des Aberglaubens in Meklenburg erwähnt werden. Die öffentliche Bibliothek zu Zürich bewahrt eine, wahrscheinlich von einem damaligen Stadtschreiber angelegte Sammlung alter fliegender Blätter aus der letzten Hälfte des XVI. Jahrhunderts, unter welchen auch eins in Folio mit folgendem Titel 1 ):

Warhafftig vnd erschröckliche Geschicht, welche geschehen ist am tage Johannis des Teüffers, im M.D.LXIX. Jar, im Land zu Mechelburg, nicht weit von newen Brandenburg, zu Oster genannt gelegen.

Unter dieser Ueberschrift folgt ein sogleich näher zu beschreibender Holzschnitt und dann die Erzählung, deren Wahrheit von Johannes Herman, dem Prediger zu Oster, bekräftigt wird. Es heißt, es sei in dem genannten Dorfe "ein Wirthschafft gewesen, Vnnd es war auff diser Wirthschafft, ein gar sehr Gottloses böses verfluchts Weib, welche allzeit mit gar grossem Fluchen vnd schweren, von morgents an biß in die Nacht hinein hat geweret, vnd sie das ein lange zeit hat getriben, Vnd hat sich dem Teuffel in jrem bösen fluchen, mit Leib vnd Seel ergeben, vnd das sie sein eigen wolte sein, Er solle nur kommen vnd soll sie geschwind holen" etc. . Darauf hat sie der Teufel "mit grossem geschrey vnd prüllen in die höhe, vnd vmb das Dorff hervmb mit gar grossem geschrey vnd weheklagen" geführt, und endlich "von einander in vier stucken" zerrissen und solche getheilt "auff die vier strassen zu einem gedechtnus, vnd ein jeder der für vber zogē ist, solches gesehen hat, vnd darob erschrocken seind".

Der Holzschnitt stellt den Teufel (grün angemalt mit rothen Flecken) dar, wie er das Weib in die Höhe führt; rechts wirft er die Eingeweide der Hexe auf die wohlbesetzte Tafel des Schultheißen.

Eigenthümlich ist es, daß bei dem größten Theile der Teufelsgeschichten aus alter Zeit die Geistlichkeit als Berichterstatter und Augenzeuge auftritt.

Vignette

1) Nach Mittheilung des Herrn Emil Weller zu Zürich.