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III.

Die

Kirchen=Reformation zu Lübz,

von

G. C. F. Lisch.


D ie Städte und Aemter Lübz und Crivitz waren zur Zeit der Reformation der Herzogin Anna, gebornen Markgräfin von Brandenburg, Gemahlin des Herzogs Albrecht des Schönen von Meklenburg, seit dem J. 1521 zum Leibgedinge verschrieben. Nach dem Tode des Herzogs († 7. Jan. 1547) ward der Herzogin am 28. Decbr. 1549 dieses Leibgedinge bestätigt und ihr dabei ausdrücklich verschrieben, daß sie in "diesen ihren Aemtern der Religion halber unbetrübt und ungehindert bleiben und die Zeit ihres Lebens allein, und sonst niemand, Macht haben solle, geistliche Lehen in diesen Aemtern zu verleihen und irgend jemand, ausdrücklich ohne Behinderung der Herzoge von Meklenburg, zu bestellen". Da die Herzogin Anna nun bis zu ihrem Tode († 19. Junii 1567) dem römisch=katholischen Glauben mit der größten Strenge ergeben blieb und mit Entschiedenheit die ihr verbrieften Rechte wahrte, so ist es leicht erklärlich, daß die ganze Bewegung der Reformation die Städte und Aemter Lübz und Crivitz nicht sonderlich berührte und die evangelisch=lutherische Lehre hier erst spät eingeführt ward. Alle Forschung nach dem Austreten des Lutherthums in den genannten Städten und Aemtern zur Zeit der eigentlichen Reformation hat daher ohne Erfolg bleiben müssen und die Geschichte der Reformation beginnt hier viel später, als in allen andern Theilen der meklenburgischen Lande, in denen der Sieg der neuen Lehre im J. 1552 vollendet

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ward, wenn auch der Herzog Johann Albrecht I., der ältere, begeistert protestantische Sohn der Herzogin, es mit Gewalt durchsetzte, daß noch vor dem Tode der Herzogin hin und wieder protestantische Prediger eingesetzt wurden.

Die letzten katholischen Priester zu Lübz waren Johann Holste, Jacob Roddeke und Jacob Rütinck, denen zuletzt Heinrich Arndes, als "Capellan" der Herzogin, folgte.

Es schmerzte aber den Herzog Johann Albrecht sehr, zu sehen, daß der von ihm gehaßte und verachtete papistische Glaube in einem nicht unansehnlichen Theile seines Landes zum Aergerniß seiner übrigen Unterthanen fortblühete. Er machte daher sehr ernsthafte Anstrengungen, seine landesväterlichen Absichten durchzusetzen. Als er im J. 1557 eine allgemeine Kirchen=Visitation über das ganze Land anordnete, suchte er diese auch über die Städte und Aemter Lübz und Crivitz zu erstrecken und hatte seine Mutter gebeten und von ihr zugesichert erhalten, ihren Hauptmann Christoph von Metzradt zu Pfingsten 1557 zu ihm zu senden, wahrscheinlich um mit diesem über die Kirchen=Visitation zu unterhandeln. Die Herzogin that dies aber nicht, sandte ihn jedoch am 30. Junii 1557, freilich nur mit der Bitte, der Herzog möge "ihrem Prädicanten Ern Heinrich Arndes die Verschreibung, durch welche der Herzog ihm die Pächte seines geistlichen Lehns ihretwillen nachgegeben, unterschreiben und besiegeln" 1 ). Darauf erklärten die Herzoge Johann Albrecht und Ulrich ihrer Mutter, daß sie entschlossen seien, eine Kirchen=Visitation über das ganze Land anzuordnen und auch über die Aemter Lübz und Crivitz zu erstrecken, und deshalb begehrten, die Herzogin möge einige von ihren Räthen den Visitatorn zuordnen. Die Herzogin erklärte dagegen am 28. Oct. 1557, als so eben die Nonnen des Klosters Dobbertin ihren alten Glauben männlich und siegreich vertheidigt hatten, daß man kein christliches Werk durch solche Visitation erzeige, und verlangte, daß man "solche Visitation ihres Leibgedinges unterlasse" und sie in ihrem verbrieften Rechte und ihrem althergebrachten Gebrauche schütze. Sie erließ an ihre Söhne folgendes Schreiben:

"Wir haben aus E. L. Schreiben vernommen, aus was dringenden vnnd christlichem Bodenncken, auff viellfeltigs Anhaltenn der Ritterschafft vnnd Landschaft, E. L. bewogenn seinn, als Gotsdiennst, Kirchen, Schulen, Hospitalenn vnnd dergleichenn in derselbigenn Furstenthuemb vnnd Landenn ordentlich zu


1) Vgl. oben, S. 65.
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reformiren, bestellen vnnd die öffentliche Mißbreuche vnd Vnordnung zu endern vnnd verbessernn zu lassenn etc. ., Auch daß E. L. inn denselbenn vnnd vnsernn Empternn vnnd gebietenn eine Reformirung vnnd Visitationn ergehen zu lassenn entlich entschlossen haben, Mit fernner freundlicher bitt, etzliche vnsere Rhete Derselben Hoffrethen vnnd Visitatioribus alßdann dartzu zu ordenenn. Weill sich dann nhun E. L. onn allenn Zweiffell woll freundlich vnnd kindlich wissenn zu berichtenn, daß wir inn dem auffgerichtenn freundlichenn Vertrage denn Artickell des friedes der Religion vnns enntlichen furbehaltenn habenn, So konnen wir derowegenn woll leichtlich ermergkenn, daß etzliche mißghunner furhandenn sein, denen vnsere lebenn auff dieser erdenn zum hogstenn entkegenn vnnd nicht leidlich ist. - - -Vnnd ob wir dann nhun entlich wissen vnnd vngezweiuelt seinn, daß wir Gott dem Allmechtigenn keinn Lob, Preiß, viell weiniger einigk christlich wergk in solcher Visitationn ertzeigen, beweisenn, noch thuen, viel weiniger dadurch einige Seligkeitt vonn seiner gotlichenn Mayesteht erlangenn konnenn, So tragenn wir nhun gar keinenn zweiffell, E. L. werdenn vnns Jnhalt deß auffgerichtenn freundlichenn vertrages bei vnser gerechtigkeit schutzenn vnnd handhabenn, - - aber bittenn darnach ganntz freundlich, E. L. wollenn denn Mißgunnhernn vnsers lebenns nicht so gar viell glauben gebenn, Sonndernn solche Visitation vnnsers Leibgedeings hindansetzen vnnd darinneun nicht gebrauchen, Vnnd vns die Zeitt vnnsers lebens bey demselbigen vortrage vnnd vnserm althergebrauchtem gebrauch, auch Ordnung vnnd gerechtigkeit vnnsers leibgedeinges schutzenn, handhabenn vnnd dabey pleibenn lassenn".

Im Anfange des Jahres 1559 reiste die Herzogin ihrem Sohne Christoph nach Liefland nach und kehrte erst im Mai 1560 von dieser etwas abentheuerlichen und beschwerlichen Reise heim. Kaum hatte seine Mutter das Land verlassen, als "am 24. Febr. 1559 zu Lübz der Herzog Johann Albrecht, der so eben von Königsberg heimgekehrt war, in Abwesenheit der Frau Mutter, die in Liefland gezogen, die Abgötterei zu Lübz vom Hause und Stadtkirche abgethan,

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Mönche und Pfaffen hinweggeschafft" 1 ). Jetzt ward ein Prediger gesucht und der Herzog übertrug seinem Freunde und Rath Andreas Mylius die Sorge für die Besetzung der Pfarrstelle zu Lübz. Mylius bemühete sich sehr, den Ludolf Bode, welcher feit 1552 Schulrector und seit 1554 Archidiakonus an der S. Georgen=Kirche zu Parchim 2 ) (bis 1573) war, nach Lübz zu versetzen. Aber Gottes Wort blühete in der Gemeinde zu Parchim und Bode hatte erst eine Wittwe geheirathet, und mit derselben Kinder, Häuser, Aecker und Vermögen, und konnte sich nicht entschließen, seine Stelle mit einer unsichern und schwierigen zu vertauschen. Man sandte daher einen andern Prädicanten interimistisch nach Lübz und Ludolf Bode und ein anderer parchimscher Prediger erklärten sich im März 1560 bereit, zum Dienste der Predigt und der Sacramente wöchentlich nach Lübz zu reisen, so lange es dem Herzoge gut scheinen und bis Prediger gefunden sein würden 3 ), Welche jedoch anderswoher als aus der Mark zu holen seien.

1. Nicodemus Bergius, Pastor.
1560-1569.

Der passende Prediger für Lübz ward in der Person des Nicodemus Bergius oder Bergen, wahrscheinlich aus Braunschweig aus einer Theologen=Familie stammend, bald gefunden, und dieser ist der erste protestantische Prediger der Stadtkirche zu Lübz. Kaum war die Herzogin Anna von ihrer liefländischen Reise heimgekehrt, als der Herzog Johann Albrecht ihr erklärte, daß er entschlossen sei, evangelische Prädicanten in Lübz und Crivitz einzusetzen, wie er es ihr schon mündlich zu Schwerin erklärt habe, obgleich sie nicht


1) Vgl. Andr. Mylii Annales in Gerdes Nützlichen Sammlungen, S. 272.
2) Vgl. Cleemann Syllabus Parchim., S. 52.
3) Andreas Mylius schreibt am 15. März 1560 an den Herzog Johann Albrecht:

"Ludolfum illum Parchimensem, etsi summa contentio a me adhiberetur, tamen Lubsam non potui perducere. Celebritatem ecclesiae suae, ductam uxorem viduam et cum illa liberos, aedeis, agros, rem familiarem, promissum de non mutando loco comminiscitur. Alium quendam Lubsam miserunt, qui ibidem semper est. Ludolphus autem et alter ecclesiae Parchimensis minister alterius septimanis Lubsam eunt ad ministerium concionis et sacramentorum, idque se, quamdiu Vestrae Celsitudini visum fuerit, facturum esse promittit. Interea ministri inuestigandi sunt, qui aliunde quouismodo quam ex Marchia petendi sunt".

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darein habe willigen wollen; er sandte zugleich einen Prediger nach Lübz ab mit dem Verlangen, denselben in sein Amt einweisen zu lassen: dieser Prediger war Nicodemus Bergius. Jetzt konnte die Herzogin dem Drange nicht länger widerstehen, sondern erklärte 1 ) ihrem Sohne am 6. Julii 1560, daß, "da es nicht anders sein könne, sie es geschehen lassen müsse". Dann aber müsse sie darauf dringen, daß sie von ihrem Leibgedinge abgelöset werde; sollte dies nicht geschehen, so gebe sie zu bedenken, daß sie sich mit Recht über den Bruch der aufgerichteten Verträge zu beschweren habe, indem der Herzog Veränderung in der Religion in ihren Leibgedingsämtern gegen die Verträge vorgenommen, sie es aber bisher auf ihrem Schlosse und in der Stadt nach dem Alten gehalten habe, da sie nicht anders verstehe und wisse, als daß sie auf dem rechten Wege sei, und darauf denken müsse, daß des Herzogs Einrichtung wieder abgeschafft werde. Jedoch blieb Nicodemus Bergius, und die Herzogin blieb auch, obgleich der Herzog den Prediger bis zum Tode seiner Mutter auf seine Kosten unterhalten mußte.

Die angemessene Unterhaltung des Pastors gab nach einigen Jahren auch Veranlassung zu einer sehr ernstlichen Verhandlung. Der Herzog schrieb 2 ) nämlich am 23. März 1567 an seine Mutter, daß er seines von Gott ihm befohlenen Amtes halber sich für schuldig erkenne, auch von sich selbst geneigt sei, seine Unterthanen mit dem allein selig machendeu, reinen Worte Gottes versorgen zu lassen; er habe daher den N. Bergius "vor etlichen Jahren" zu einem Pastoren für die Stadt Lübz angenommen und denselben bisher auf seine Kosten unterhalten. Er habe jetzt aber für gut eingesehen, daß der Pastor, außer der von dem Herzoge ihm ausgesetzten Besoldung und Unterhaltung, auch von den Einwohnern der Stadt eine geringe Zulage, im Ganzen jährlich 20 Mark, erhalte. Nun werde ihm berichtet, daß von den Befehlhabern und Dienern der Herzogin nicht allein den Einwohnern der Stadt unter Bedrohung verboten sei, diese 20 Mark zusammenzubringen, sondern auch dem Pastor die Werbung und Anfuhr des ihm nöthigen Holzes gewehrt und demselben mannigfaltige thätliche Beschwerung zugefügt werde. Der Herzog ersuchte nun seine Mutter, dafür zu sorgen, daß seine Anordnungen ausgeführt würden, wenn sie wolle, daß er sich gegen


1) Vgl. oben S. 92.
2) Vgl. oben S. 95.
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die Priester der Herzogin, die er nur für diesen Fall und nicht anders in sein Geleit genommen, eben so verhalten solle. An demselben Tage, 23. März 1567, befahl der Herzog auch dem Rathe der Stadt Lübz: "auf die Mittel zu denken und für die Hand zu nehmen, daß ir dem Pastorn angetzeigte zwantzig Marck jerlichen zu gewisser Zeit entrichten und erlegen könnet und müget, und was ime itzo davon nachstendig, das ime solchs auch unweigerlichen bezaldt und zugestaldt werde; die angezogenen ewer mutwilligen mitbürgere und inwoner, darüber der Pastor sich zu beclagen hat und auch namhafftigk machen wirdt, wollet auch dergestaldt mit gebürlicher Straffe verfolgen und einziehen, daß sich andere zum abscheu und exempel daran spiegeln und gedencken mügen, sonsten da solchs alles von euch verbleiben und nicht geschehen wird, müssen wir selbst den ernst, wie sich der gebüret, darzu thun und gebrauchen".

Es bedurfte jedoch keines ernstlichen Einschreitens, da die Herzogin Anna am 19. Junii 1567 mit Tode abging.

Auch der Pastor Nicodemus Bergius verließ bald darauf Lübz. Am 27. März 1569 wünschte der Herzog Julius von Braunschweig=Wolfenbüttel ihn zum Special=Superintendenten in seinem Fürstenthume zu verordnen, da er ihm von gelehrten, vornehmen Theologen als dazu qualificirt empfohlen sei und der Herzog Johann Albrecht in seinen Landen andere gottesfürchtige und erfahrene Theologen bekommen könne. Bergius wäre doch gerne zu Lübz geblieben, obwohl er dort nicht geringe Beschwerung zu erleiden gehabt hatte, und wollte auch daselbst bleiben, wenn der Herzog seinen Schaden nicht begehren und ihn nicht länger in solcher Beschwerung sitzen lassen, namentlich ihm anstatt der Fischerei in der Elde und des freien Tisches auf dem Schlosse zu Lübz, den die alten Priester gehabt, gewisse Lebensmittel anlegen würde. Dennoch entließ ihn 1 ) der Herzog Johann Albrecht am 22. April 1569 mit dem Zeugnisse, daß "er gute Zeit her mit Lehren und predigen des reinen, unverfälschten und allein selig machenden Wortes Gottes, Reichung der hochwürdigen Sacramente und aufrichtigem, unsträflichen Leben und Wandel treulich, fleißig, auch nicht ohne merkliche Fruchtschaffung der christlichen Gemeinde zu Lübz vorgestanden habe".


1) Nicodemus Bergius wird in der braunschweigischen Kirchengeschichte nicht als General=Superintendent genannt. Dagegen kommt ein Nicolaus Bergius Dr. theol. als General=Superintendent von Liefland vor.
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Pfarrvacanz.
156-1571.
Elias Aderpol, Pfarrverweser.

Nachdem Nicodemus Bergius abgezogen war, berief der Herzog am 5. August 1569 den Pastor Erasmus Tidebul in Strelitz auf Michaelis zum Pastor in Lübz, nachdem er hier gepredigt und der Gemeinde so gefallen hatte, daß sie ihn gerne vor andern zum Pastor haben möchte. Der Herzog stellte auch am Michaelistage die Vocation aus. Erasmus Tidebul, der am 25. Oct. 1569 Forderungen wegen seiner Besoldung stellte, trat aber sein Amt nicht an, sondern hatte dem Elias Aderpol die Vocation "aufgetragen". Erasmus Tidebul blieb in Strelitz und ward im J. 1576 als Pastor nach Wesenberg versetzt, wo er wahrscheinlich um das J. 1585 starb.

Elias Aderpol war ein Sohn des bekannten Predigers Thomas Aderpol zu Gressow, Malchin und Bützow, des eifrigen Reformators (vgl. Jahrb. XVI, S. 57 flgd.), welcher ein "frommer, eifriger, gottseliger Mann und Prediger gewesen und um Gottes Wortes willen langwieriges, schweres Gefängniß erlitten hatte". So berichtet der Hofmarschall Jürgen von Below auf Kargow, welcher den Vater "lange Zeit gekannt" hatte. Thomas Aderpol hatte zwei Söhne hinterlassen: Elias, welcher sein Sohn, und Adam, Prediger zu Bützow, welcher ein Bruder des Elias wiederholt genannt wird.

Elias Aderpol war noch im J. 1564 Pastor zu Jesendorf. Hier lebte er mit seinem Küster Achim Schröder in Uneinigkeit. Dieser hatte das Gerücht ausgesprengt, der Pastor habe eine Magd in seinem eigenen Hause verführt und ihr den Mahlschatz seiner Frau gegeben. Auf dieses Gerücht ward der Pastor von dem "Lehnherrn" (Achim v. Stralendorf auf Trams), der Küster von dem Pastor gekündigt. Der Herzog Ulrich schickte den Superintendenten Johann Wigand aus Wismar nach Jesendorf; dieser untersuchte hier am 27. Nov. 1564 die Sache: der Küster entschuldigte sich mit Trunkenheit und that Abbitte, die Magd erklärte den Pastor für unschuldig. Elias Aderpol war zwar gereinigt, aber der böse Leumund, von dem er nie befreiet ward, war einmal da, und deshalb mußte er seine Pfarre räumen. Am 2. April 1565 sagt Achim von Stralendorf, daß der Pastor Elias "etlicher wichtiger Ursachen halben seines Dienstes entsetzt" sei und präsentirte den Matthäus Piscatorius zu der Pfarre.

Elias Aderpol zog nach Pommern. Von hier ging er in das Land Stargard, wo er am Ende des J. 1567 oder

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im Anfange des J. 1568 die Pfarre zu Prilwitz erhielt, welche wegen Mangels an Pfarracker "eine Zeit lang ohne Prediger gewesen" war. Am 11. Aug. 1569 sagt der Herzog Ulrich, daß "Elias Aderpol Pastor zu Prilwitz vor anderthalb Jahren zu einem Prediger angenommen worden". Zu dieser Zeit kämpfte Elias für die Gewinnung von Acker für die prilwitzer Pfarre. Am 20. Julii 1570 sagt der stargardische Superintendent Georg Schermer, daß "Elias Aderpol sich vor 3 Jahren hierher (d. i. in das Land Stargard) begeben". Auch zu Prilwitz sollte Aderpol Unzucht getrieben haben, wie in dem Processe 1575 ausgesagt ward.

Als er die Verbesserung der prilwitzer Pfarre nicht erreichen konnte, nahm er im Herbste 1569 für Erasmus Tidebul die Verwaltung der lübzer Pfarre an. In Lübz konnte er aber auch seinen Unterhalt nicht haben und "wollte dies nicht verschweigen und durch die Finger sehen; er ward daher in Lübz gehaßt und verfolgt". Als nun der Pastor Michael Bramberg zu Crivitz "sich in des Herzogs Christoph Dienst zu begeben" Aussicht hatte, empfahl am 27. Julii 1570 der Hofmarschall Jürgen v. Below den Elias Aderpol dem Canzler Heinrich Husan vor andern zu der crivitzer Pfarre. Der Superintendent Georg Schermer zu Neu=Brandenburg gab ihm am 20. Julii 1570 das Zeugniß, daß er sich (in Prilwitz) "in seinem Lehren, Leben und Amte unsträflich und wohl gehalten" und er, der Superintendent, "ihn seiner Gaben und ziemlichen Geschicklichkeit halber stets lieb gehalten" habe, jedoch sei Elias, wie "viele andere Diener des heiligen Evangeliums an vielen Orten der Gegend, mit großer Undankbarkeit, Tyrannei und Armuth ziemlich wohl geplagt worden".

Bramberg blieb aber zu Crivitz und Aderpol noch eine Zeit lang zu Lübz, obgleich er die Pfarre nicht erhielt. Im J. 1571 ward Hermann Kirchhof zur Pfarre in Lübz berufen. Dieser sagt, die Pfarre zu Lübz habe fast zwei Jahre ohne einen "bestallten Pastor vacirt" und er habe ruchlose Zuhörer und eine verfallene Pfarre vorgefunden.

Auch Elias Aderpol erhielt eine andere Versorgung, indem er im J. 1572 die Pfarre zu Flotow erhielt, welche später ein Filial von Gr. Lukow ward. "Nachdem die Kirche zu Flotow lange Jahre vaciret, dadurch die Pfarre gar im Grunde verwüstet und umkommen", ließ Valentin Voß zu Flotow eine neue Pfarre aufbauen, "um sich und seine Unterthanen mit einem evangelischen Pastor wiederum zu versorgen", stellte das Vermögen der Pfarre wieder her und verbesserte sie am Antonii=Tage 1572 ansehnlich. Diese restaurirte Pfarre erhielt Elias Aderpol.

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Hier lebte Elias Aderpol bis in den Herbst des J. 1575, als sich eine schreckliche That ereignete, welche im Lande großes Aufsehen machte und die Familie Aderpol aus Meklenburg vertrieb. Der Gutsbesitzer Valentin Voß auf Flotow war ein roher, ausschweifender Mensch; er hatte überall viele Streitigkeiten und Processe wegen Beleidigungen, Gewaltthätigkeiten und Uebergriffe und lebte in dem letzten Jahre seines Lebens mit seiner Frau, Engelke Drake, einer Tochter des Antonius Drake auf Gemekow, in großem Unfrieden. Valentin Voß hatte die "Franzosen" und Läuse und schlug seine Frau; daher kam es endlich so weit, daß beide ein Jahr lang gar nicht mit einander umgegangen waren. Endlich kam es so weit, daß die Verwandten im J. 1574 eine Versöhnung vermittelten, welche förmlich als eine Urkunde niedergeschrieben ward. Die Frau hatte dagegen eine vertraute Freundschaft mit dem Pastor Elias Aderpol, mit welchem sie nicht allein in seinem und ihrem Hause viel verkehrte, sondern welchem sie auch ungewöhnlich viel Gutes that. Im vertraulichen Gespräche mit ihm hatte sie oft geäußert, sie möchte von ihrem Manne (mit dem sie 8 Kinder gehabt hatte) befreiet sein. Dies ward denn auch bald genug ausgeführt. Ein Bruder der Predigerfrau, Claus Grünewald, war Wildschütze bei Philipp v. Holstein auf Lukow. Grünewald war ebenfalls ein roher, heftiger Mensch und lebte mit Valentin Voß in Feindschaft, weil dieser ihn Wegen einer Gewaltthätigkeit gegen eine Bauerfrau hart verfolgte. Als Valentin Voß am 12. October 1575 in Geschäften nach Jördenstorf fahren wollte, ward er in dem Holze des Gutes Kittendorf von Claus Grünewald erschossen. Der Mörder entfloh. Aber sogleich entstand der Verdacht eines weit verzweigten Mordanschlages und der Herzog ließ, auf Anklage der Verwandten des Ermordeten, einen peinlichen Proceß einleiten. Zuerst ward der Pastor angeklagt und sogleich gefangen gesetzt. Im Verlaufe der Untersuchung stellten sich aber andere Verwickelungen ans Licht. Man beschuldigte die Frau v. Voß, daß sie den Mord angestiftet, und den Pastor, daß er auf ihr Zureden den Mord durch seinen Schwager habe ausführen lassen, und außerdem beide des Ehebruchs. Es wurden sogleich der Pastor und dessen Frau (Anna Grünewald), die Wittwe des Valentin Voß und einige männliche und weibliche Dienstboten gefänglich eingezogen und in den Thurm zu Stargard gesetzt, wo sie lange peinlich verhört wurden. Der Proceß ward eifrig betrieben und dauerte lange; die Angeklagten wurden wiederholt gefoltert, aber nicht zum Geständnisse der unmittelbaren Anstiftung des Mordes gebracht.

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Nach den umfangreichen Acten liegt auch kein Grund vor, daß man eine unmittelbare Mordanstiftung sollte annehmen können; dennoch geht aus allem hervor, daß alle Angeklagten nicht ohne alle Mitwissenschaft des Verbrechens waren und die Ausführung gewünscht hatten. Die Frau des Valentin Voß hatte mit dem Pastor und dessen Frau in vertrauter Freundschaft gelebt und ohne Zweifel Neigung zu dem Pastor gehabt, da diesem ihre Zudringlichkeit selbst aufgefallen war und mit beiden Frauen die Verabredung getroffen hatte, daß sie sich nur in aller dreier Gegenwart sprechen wollten. Die Voß hatte ohne Zweifel oft geäußert, daß sie von ihrem Manne befreiet sein möchte. Der Pastor und seine Frau hatten von Claus Grünewald sagen hören, daß er den Valentin Voß todt schießen wolle, ja sie hatten ihn seine Büchse dazu laden sehen. Dennoch mag die Sache so ernst nicht gemeint gewesen und der Ausgang nicht erwartet sein. Die Voß fühlte sich bei ihrem Manne unglücklich; jeder haßte ihn: und so ward wohl oft der Wunsch ausgesprochen, daß er erst todt sein möge. Alle diese Reden, die im Unmuthe ausgestoßen waren, wurden bei der Untersuchung von Gewicht; auch ist es wahrscheinlich, daß alle Angeklagten wußten, daß Claus Grünewald dem Valentin Voß nach dem Leben getrachtet hatte. Elias Aderpol sagte bei wiederholter Tortur aus: "Wenn sie die Vossesche mit ihm "bei Tage und Nacht heimlich und offenbar geredet, wäre nur von ihrem Manne die Rede gewesen, daß derselbe von der Erde kommen möchte, darnach sie mit Leib und Leben gestanden". Dabei ist es nicht zu leugnen, daß alle drei Personen sehr leidenschaftlich waren und sich gegenseitig immer mehr erhitzten. Man wünschte die That, aber man that nichts dazu, ließ sie jedoch geschehen. Die Schwester der Voß, Ursula Drake, welche bei ihrer Schwester zu Flotow lebte, half die Leidenschaften noch mehr erregen. Aber ein unumwundenes Geständniß und sehr gravirende Zeugenaussagen kamen nicht zu Tage. Dennoch konnte die Sache für Elias Aderpol, der sein nachtheiliges Gerücht von Jesendorf her noch nicht abgeschüttelt hatte. sehr schlimm ausfallen, da er die Absicht seines Schwagers vor der Ausführung des Mordes nicht den Gerichten angezeigt hatte: es stand seine Hinrichtung in Aussicht. Die Acten gehen bis zum Mai 1576; hier brechen sie plötzlich ab. Elias Aderpol soll im J. 1576 Gelegenheit zur Entweichung gefunden haben und nach Hessen geflohen 1 ) sein.


1) Vgl. Cleemann's Archiv=Lexicon, S. 6 flgd. Vgl. Jahrb. XVI, S. 131.
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Auch sein Bruder Adam Aderpol, Pastor zu Bützow, welcher seines Vaters wegen bei dem Rathe der Stadt Malchin um Fürsprache, wiewohl vergebens, gebeten hatte, konnte nicht länger bleiben; er ward gekündigt und zog auch im J. 1576 weg.

2. Hermann Kirchhof, Pastor,
1571-1574,

ein Westphale, ward im J. 1571 zur Pfarre Lübz berufen. Diesr gerieth aber mit der Gemeinde in den größten Unfrieden, indem er, schon seit dem J. 1573, so grob und heftig von der Kanzel schimpfte, daß sich die Gemeinde dagegen empörte. Der Herzog ließ Zeugen abhören und entließ in Folge dessen im J. 1574 den Pastor seines Amtes, obgleich des Herzogs "verordnete Kirchenräthe": David Chyträus, Simon Pauli, Friedrich Heine und Bartholomäus Cling seine Lehre lobten und bei dem Herzoge für ihn baten.

3. Valentin Grön, Pastor,
1574-1601.

Nach Kirchhofs Entlassung ward am 2. Oct. 1574 Valentin Grön zum Pastor berufen, welcher seit 1557 Pastor in Plau gewesen und dort wegen Schwächlichkeit emeritirt, jedoch bald wieder erstarkt war 1 ). Valentin Grön wirkte in Lübz noch lange erfolgreich, namentlich in den trüben Jahren des Wittwenstandes der Herzogin Sophie zu Lübz, wo er zugleich Hofprediger der beiden herzoglichen Wittwen Anna Sophie und Sophie war. Er hielt der Herzogin Anna Sophie, Wittwe des Herzogs Johann Albrecht, am 17. März 1591 zu Schwerin die Leichenpredigt; in derselben sagt er: "Bin auch J. F. G. unwirdiger diener am wordte Gottes gewesen und habe bey J. F. G. zu hove mein tragendts vnd von Gott bevohlenes Ambt also müssen führen und bestellen, als wen ich ein bestalleter hoffprediger gewesen were". Zu seiner Zeit wirkte zuerst ein zweiter Prediger in Lübz; er sagt in derselben Leichenpredigt ferner: "Mittlerweil bin ich mit der neuen Brustkrankheit befallen, nicht desto weiniger hadt man meinen Collegam Her Christoff Werner gebraucht". Valentin Grön starb erst um das Jahr 1601.

Vignette

1) Vgl. Jahrb. XVII, S. 161.