zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 116 ] zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

III.

Geschichte

der

Besitzungen auswärtiger Klöster

in Meklenburg,

von

G. C. F. Lisch.


Geschichte
der Besitzungen des Klosters

Amelungsborn.

D as Hauptstreben der Eroberer der deutschen Wendenländer im 11.und 12. Jahrh. ging dahin, diese Gegenden, welche seit Jahrhunderten das unverrückte Augenmerk der deutschen Kaiser gewesen waren, deutsch zu machen, deutsche Eigenthümlichkeit und Gewohnheit auf ihre Bewohner zu übertragen, ein Werk von großer Bedeutung, welches auch nach der endlichen Eroberung in unglaublich kurzer Zeit durchgeführt ward. Vorzüglich mußten mehrere geistliche Stiftungen zu diesem Zwecke dienen, vor allen die Ritterorden und die Klöster, und unter diesen wieder von den geistlichen Ritterorden besonders der Johanniterorden und die Cistercienserklöster 1 ). Meklenburg verdankt beiden


1) Ueber die Cistercienserklöster hat der Herr Geheime=Ober=Regierungs=Rat von Raumer in von Ledebur's Allgemeinem Archiv für Geschichtskunde des preußischen Staats, Bd. VIII, 1832, S. 305 flgd. eine so vortreffliche Abhandlung geliefert, daß ich oft nichts Besseres thun kann, als seine eigenen Worte mitzutheilen. - Man vgl. über die Cistercienserklöster im Allgemeinen und in Meklenburg im Besondern auch die voraufgehende Abhandlung II von F. Boll, Ueber Meklenburgs Colonisation, oben S. 75 flgd.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 117 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

größtentheils die ganze, wenn auch sehr späte Umwandlung in ein deutsches Land.

"Als die Kreuzzüge begannen, war der Benedictinerorden in gewisser Weise verfallen und entsprach nicht mehr dem Zwecke einer Verbreitung des Christenthums über heidnische Völkerschaften; zum Theil war er in Luxus versunken, zum Theil gelehrten Bestrebungen hingegeben, überhaupt aber mehr der Theorie, als dem Leben zugewendet. Daher entstand mit dem Ende des elften Jahrhunderts, den Kreuzzügen gleichzeitig, der Orden der Cistercienser, dessen ältestes Kloster Citeaux bei Dijon in Burgund im J. 1098 gestiftet wurde. Der neue Orden nahm zwar ebenfalls die Regel des heiligen Benedict an, allein er ergab sich weder der Gelehrsamkeit, wie die Benedictiner, noch einer bloßen Aszetik, wie die spätern Bettelmönche, sondern seine Richtung war eine mystisch=practische, und ganz besonders widmete er sich dem Landbau."

"Der Cistercienser=Mönch war eine Zusammensetzung aus Bauer, Oekonom und Geistlichem. Von jeher zeichnete sich der Orden durch Häuslichkeit und Arbeit, durch Beförderung alles Nützlichen und durch eine weise Oekonomie aus. Bücherabschreiben war den Mönchen nur gegen eine besondere Erlaubniß des General=Capitels gestattet, eben so verbieten die ältesten Institutionen von Cisterz, daß die Mönche von fremdem Schweiß oder Verpachtung ihrer Güter leben sollten, sie befehlen ihnen vielmehr, ihren Unterhalt durch eigner Hände Arbeit zu beschaffen. Die Oekonomie der Cistercienser auf ihren Höfen oder Vorwerken (curiae, grangiae) war daher eine Art Musterwirthschaft für den Landbau des Mittelalters, die Mönche trieben Weinbau, legten ländliche Fabriken 1 ) an, zogen Wasserleitungen, beschäftigten sich sogar mit ökonomischen Experimenten, und oft berief der Adel Cistercienser=Mönche, um seine verfallenen Güter wieder in Aufnahme zu bringen. Auch Handwerke, zumal die, welche mit dem Landbau im Zusammenhang stehen, beförderten die Cistercienserklöster. - - Besonders trug die dem Cistercienserorden eigenthümliche Einrichtung der Conversen zur Beförderung eines selbstthätigen Ackerbaues bei. Diese Conversi (Conversbrüder) waren dem


1) V. Raumer a. a. O. S. 310, Not 6, fragt, wo die Glashütte gelegen haben möge, welche das Kloster Doberan schon 1273 angelegt habe. Nach einer doberaner Urkunde vom J. 1273 in Westphalen Mon. ined. III, p. 1514, besaß das Kloster Doberan damals unter seinen Gütern auch die Güter Glashagen und Glashutten. Beide liegen eine halbe Meile südlich von Doberan: Glashagen noch unter diesem Namen, Glashütten unter dem Namen Hütten, im 16. Jahrh. schon: Hof. zur Hütten. G. C. F. Lisch.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 118 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Orden affiliirte Laien, jedoch von den Laienbrüdern anderer Mönchsorden unterschieden, eine Art Halbmönche mit besonderer Tracht, zum Gehorsam und zur Ehelosigkeit ohne geistliche Gelübde verpflichtet. Sie säeten und pflügten selbst, ja es finden sich Beispiele, daß sie Müller auf den dem Kloster gehörigen Mühlen 1 ) waren. Mehrere solcher Cünversbrüder lebten auf einer grangia (Hof) unter einem magister curiae (Hofmeister), auch rector genannt, welcher meist ein Mönch war, auch selbst ein conversus sein konnte. - - Daß die Cistercienser=Mönche von jeher von selbstgebautem Gute zehntfrei waren, beförderte ihren Trieb zur Landwirthschaft nicht wenig. - - Die Cistercienser bildeten zuerst unter allen Mönchsorden eine förmliche Congregation aller ihrer Klöster; regelmäßig visitirte das Mutterkloster die Tochter 2 ), und das General=Capitel - - - erhielt stete Aufsicht über das Ganze. - - - Bald erkannten die Großen, wie geeignet der Cistercienserorden zur Bekehrung und Aufnahme eines neu eroberten heidnischen Landes sei, und im zwölften Jahrhundert wurde es ordentlich Mode, Klöster dieses Ordens zu stiften, ganz besonders in den wendischen Ländern Meklenburg, der Mark Brandenburg und Pommern".

"Die Errichtung der Landklöster mit einem beträchtlichen Grundbesitz gehört fast ohne Ausnahme der ältesten Zeit nach der ersten Eroberung des Landes an, späterhin sind meist nur Bettelklöster in den Städten gestiftet, welche dem Landesherrn nichts, nicht einmal das Obdach, kosteten. Wahr ist es, daß den ältesten Klöstern bei Einführung des Christenthums beträchtliche Landstrecken überwiesen wurden, allein sie werden in den Urkunden mehrentheils als wüste, ungebaute Striche (deserta) voller Sümpfe und Wälder geschildert; der Werth des Geschenks war also so groß nicht, im Gegentheil machten die Mönche das Ganze dem Landesherrn erst nutzbar 3 ). - - - Nach wenigen Menschenaltern stand die einem Cisterzienser=Kloster geschenkte Wüstenei als ein blühender Landstrich voller deutscher Dörfer da; ohne diese Klöster würde die Mark Brandenburg dem heutigen Ungarn gleich geblieben sein, wo deutsches


1) In Meklenburg besaßen die einheimischen und auswärtigen Cistercienser=Klöster bei weitem die meisten Mühlen in den Landstädten, außer den Dorfmühlen auf ihren eigenen Landgütern. G. C. F. Lisch.
2) Vgl. Jahrb. VII, S. 284 flgd.
3) In Meklenburg besteht ein großer Theil der großen, fruchtbaren und blühenden Domainen aus den säcularisirten und wieder heimgefallenen Gütern des Cistercienser Ordens, auf welchen ein sehr tüchtiger Bauernstand aus alter Zeit erhalten ist. G. C. F. Lisch.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 119 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Wesen nur in den Städten herrschend geworden, das Landvolk asiatisch geblieben ist. In spätern Zeiten ist den Klöstern wenig geschenkt worden. Wollte man freilich die vielen Urkunden, in denen von Schenkungen die Rede ist, für eitel Liberalität halten, so würde des Geschenkten eine große Masse herauskommen, allein es zeigt sich bei genauerer Lesung bald, daß es lauter Appropriationen sind, d. h. das Kloster hatte einem fürstlichen Vasallen ein Stück Land abgekauft und der Landesherr erließ die darauf haftenden Lehndieste. - - Wo ja reine Schenkungen vorkommen, ist es ein Ersatz für Schäden. - - Umgekehrt ergiebt sich bald, wie schon in der frühesten Zeit - - die Landesherren in ihren Nöthen stets auf die Stifter recurrirten, so daß man nicht zu viel sagt, wenn man behauptet, daß sie fast fortwährend gebrandschatzt wurden. Es wäre unbegreiflich, wie die Klöster den beständigen Anforderungen und der öfters gradezu angewandten Gewalt genug thun, wie sich die meisten sogar in einem blühenden Zustande erhalten konnten, wenn nicht zwei Umstände das Räthsel löseten, nämlich einmal die Selbstbewirthschaftung der Klostergüter von Oekonomen, - - sodann die Naturalienwirthschaft."

Es ist nun höchst merkwürdig, die Filiation, gleichsam den Stammbaum zu verfolgen, in welchem sich die Cisterzienserklöster von Cisterz aus über ganz Deutschland verbreiteten, und hat dies eine gewisse Aehnlichkeit mit der Gründung der Städte, welche, von Cölln als einer gemeinsamen Wurzel ausgehend, in zwei Stämmen, Magdeburg und Lübeck, sich allmählig in unendlich viele Aeste verzweigten. Eines der vier ältesten Töchterklöster von Cisterz ist das 1115 gestiftete Kloster Morimund in Lothringen". Im Jahre 1122 wurden Cistercienser aus Morimund in das neugestiftete Kloster Alten=Kamp am Rhein berufen. Schon im Jahre 1130 errichteten Mönche von Alten=Kamp das Kloster Amelungsborn an der Weser bei Holzminden. Amelungsborn stiftete im Jahre 1170 das Kloster Doberan, von welchem wieder viele Klöster gestiftet wurden, in Meklenburg nur das bedeutende Mönchskloster Dargun im Jahre 1172; zwar machten auf die Mutterschaft dieses Klosters auch die Mönche des seeländischen Klosters Esrom Anspruch, im Jahre 1258 versicherte aber das General=Capitel des Ordens dem Kloster Doberan die volle Paternität über das Kloster Dargun (vgl. Meklenburg. Urk. I, Nr. LII).

Nicht allein das Schwert, vorzüglich der muthige Glaubenseifer und die standhafte Rastlosigkeit des Bischofs Berno zu Meklenburg (seit 1167 zu Schwerin), desApostels der Obotriten, verschaffte dem Christenthume dauernden Eingang in Me=

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 120 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

klenburg. Es war ein großes Glück für Meklenburg, daß Berno ein Cistercienser=Mönch, aus dem Kloster Amelungsborn, war, da für die Eigenthümlichkeit des Landes keine Art von Cultur besser paßte, als die, welche die Cistercienser ihm geben konnten: noch heute stehen unzählige Einrichtungen auf dem Grunde, den Berno gelegt hat. Im Jahre 1164 bewirkte er die Taufe des letzten Wendenfürsten Pribislav; Pribislav stürzte auf dem fürstlichen Hofe Doberan 1 ), später Alt=Doberan, der alte Hof Doberan, jetzt Althof genannt, die Götzen und gründete in demselben Jahre 1164 an derselben Stelle ein christ!iches Gotteshaus. Neben diesem stiftete er im Jahre 1170 das Cistercienser=Kloster Doberan und besetzte es durch Vermittelung Berno's mit Mönchen des Klosters Amelungsborn. Doberan ward also das älteste Kloster Meklenburgs und als solches und durch seine innere Kraft die glanzvollste geistliche Stiftung im Lande; noch heute zeugt die wunderherrliche Kirche, welche bis in unser Jahrhundert hinein die vorzüglichste Ruhestätte der Landesfürsten aller Linien ward, mit ihren vielen und seltenen historischen Denkmälern für die Größe der Stiftung. Nach dem Tode Pribislav's, am 30. December 1178, erhoben sich die Wenden noch einmal in schnaubendem Grimme gegen das Christenthum, verwüsteten am 10. November 1179 den jungen Weinberg des Herrn und erschlugen hier zu Alt =Doberan 78 Bewohner des Klosters. Im Jahre 1186 stellte Pribislav's Sohn Borwin das Kloster Doberan wieder her, verlegte es in das Dorf Doberan, dahin, wo noch heute die Kirche steht, und bevölkerte es wieder mit Mönchen des Klosters Amelungsborn; um das Jahr 1190, kurz vor dem Tode Berno's, ward der sichere Grund zu der erneueten Stiftung gelegt und seitdem mit seltener Kraft an der Blüthe des Klosters gearbeitet.

Meklenburg verdankte also dem Kloster Amelungsborn, welches ohne Rast um das blühende Tochterkloster Doberan bemüht war, den besten Theil seiner Bildung. Dessen war sich das Kloster Amelungsborn auch stets ewusst und daher stand es auch immer in der engsten Verbindung, nicht allein mit dem Kloster Doberan, sondern auch mit den meklenburgischen Fürsten. Als die Herzoge von Meklenburg bei dem innern Verfall der Klöster auch das Kloster Doberan visitiren und reformiren wollten, schrieben der Abt und Convent von Amelungsborn am 21. Junius 1502 einen sehr merkwürdigen Brief 2 ) an die Fürsten: "ihr erbliches Stift Doberan dürfe nur von ihnen visitirt


1) Vgl. Jahrb. II, S. 13 flgd.
2) Gedruckt in Jahrb. VI, S. 177 flgd.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 121 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

werden; ihre Väter hätten es zu Althof gegründet, die meklenburgischen Fürsten hätten es ihnen übergeben und sie hätten es mit großem Blutvergießen und bittern Martern gewonnen; sie hätten den Christenglauben im Wendenlande gemehrt, das geistliche Leben zu Doberan gefördert mit großer Anstrengung im Bau und im geistlichen Leben; deshalb hätten sie auch das Wappen der Fürsten von Meklenburg an dem Gewölbe über dem Hochaltare ihrer Kirche befestigt, zum Zeichen, daß sie ewig mit den meklenburgischen Fürsten sollten verbrüdert sein." Bei einer so innigen Verbindung feierten denn auch die Brüder von Amelungsborn die Gedächtnißtage der ältesten meklenburgischen Fürsten, deren Sterbetage sie in ihrem Todtenbuche 1 ) verzeichnet hatten.

Daher hatte das Kloster Amelungsborn auch die gerechtesten Ansprüche auf die Dankbarkeit der Fürsten, um so mehr, da das Kloster den größten Eifer in der Beaufsichtigung des Tochterklosters bewies, indem es nicht nur die jährlichen Visitationen mit gewissenhafter Sorgsamkeit ausführte, sondern auch in jeder Noth und bei jeder Irrung demselben mit Rath und That beistand; noch am 21. Junius 1502 schreibt der Abt von Amelungsborn: "er sei in 5 Jahren 4 Male mit großer Aufopferung in Doberan gewesen, um alle Dinge mit eigenen Augen zu erkennen, und er hoffe, daß er nichts versäumt habe, wie auch seine Vorfahren zu Doberan alles mit Gewissenhaftigkeit und in der Furcht Gottes ausgeführt hätten."

Diese Dankbarkeit bewiesen denn auch die Fürsten Meklenburgs in vollem Maaße. Sie schenkten dem Kloster Amelungsborn die Dörfer Satow und Dranse, welche das Kloster bald zu Haupthöfen umschuf und mit andern bedeutenden Besitzungen durch seinen Landbau vermehrte.


1) Die auf Meklenburg bezüglichen Gedächtnißtage in dem amelungsborner Rekrologium sind von dem Herrn Archivrath Schmidt zu Wolfenbüttel mitgetheilt in Jahrb. III, S. 36.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 122 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

1.
Der Hof Satow.

Der Fürst Borwin I. (1179 † 1227) schenkte, unter Zustimmung seiner Söhne, dem Kloster Amelungsborn das Gut (praedium, bona) Satow, Die Urkunde über diese Schenkung ist verloren gegangen und auch in den hinterbliebenen Diplomatarien des Klosters nicht enthalten; die Zeit der Schenkung kann also nicht bestimmt angegeben, jebdoch ziemlich genau begrenzt werden. Die Schenkung geschah unter Zustimmung der Söhne Borwins, welche erst seit dem Jahre 1218 die Regierung mit ihrem Vater theilten; der Bischof Brunward von Schwerin bestimmte im Jahre 1224 die Größe der Pfarre Satow: zwischen beide Zeitpuncte fällt also die Schenkung von Satow, wahrscheinlich ungefähr in das Jahr 1219, nachdem der Fürst im J. 1218 die Besitzungen des Klosters Doberan bestätigt und im J. 1219 das erste und vorzüglichste Cistercienser=Nonnenkloster Sonnenkamp oder Neukloster neu errichtet hatte. Im J. 1301 hatte das Kloster Amelungsborn Satow über 70 Jahre besessen. Die Schenkung durch den Fürsten Borwin I geht nicht nur aus mehreren späteren Urkunden 1 ), sondern auch aus der Aufzeichnung in dem aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammenden Todtenbuche des Klosters Amelungsborn hervor:

IV non. Febr obiit Borwinus princeps Slauorum, qui contulit ecclesie nostre grangiam et indaginem Satowe, cum decima, a venerabili episcopo Zvirinensi Brunwardo pro villa Wukernte mutata, que simul cum omnibus appenditiis, de maturo hincinde fratrum consilio, permutatione cum filia nostra Doberanense inita, in duarum sartaginum saline in Lunenborch reditus sunt redactae.
Non. Junii obiit Henricus, Burwini principis Slauorum filius, cuius consensu Satowia est collata.
IV kal. Oct. obiit Nycolaus, filius Burwini principis Slauorum,


1) Vergl. Urk. Sammel. Nr. I, II u. V.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 123 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

(und irrthümlich ist durch Verwechselung dieses Nikolaus mit seines Bruders Sohn Nicolaus, wahrscheinlich später, hinzugefügt:)
qui monasterio nostro grangiam Drans cum stagno adiacente donauit, porro decimam LX mansorum Brunwardus episcopus Zvirinensis, reliquas vero omnes decimationes ad dictam grangiam pertinentes Wilhelmus episcopus Haueibergensis largiter contulerunt.

Satow war zur Zeit der Schenkung ein Ort des Grauens und wüster Wildniß ("locus horroris et vastae solitudinis" 1224) und wahrscheinlich Domaine, daher Landgut (praedium) genannt, oder herrenloses Gut, vielleicht ein ehemaliges heidnisches Heiligthum, um so mehr, da ein alter Ort in der Nähe, welcher bei der Gründung der Colonie zur Pfarre Satow gelegt ward, den Namen Radegast führte; es liegt beinahe zwei Stunden südlich von Doberan und eine Stunde südöstlich von Parkow (bei Neubukow), wo früher das auf der Domaine Kussin im J. 1219 wieder aufgerichtete erste Nonnenkloster Sonnenkamp (Uebersetzung des wendischen Wortes Parkow), später Neukloster, gestanden hatte. Nach der politischen Eintheilung lag Satow im Lande Schwan 1 ). Die Gegend von Satow mag zur Zeit der Schenkung wild gewesen sein, wahrscheinlich ganz mit Urwäldern von Laubholz bedeckt; jetzt ist die Gegend unendlich reizend und fruchtbar. Kirche und Pfarre liegen auf einer bedeutenden Anhöhe, von welcher man eine wahrhaft entzückende, meilenweite Aussicht hat; die nächsten Umgebungen bieten einen herrlichen und mannigfaltigen Wechsel von Berg und Thal, Laubwaldung und Wasser, Feld und Wiese.

Der Fürst Borwin schenkte dem Kloster Amelungsborn aber nicht allein den Besitz von Satow, sondern verlieh ihm auch die Befreiung von beschwerlichen Lasten, namentlich von den geistlichen Zehnten, welche der Fürst von dem Bischofe von Schwerin zu Lehn trug; der Bischof Brunward ließ sich von dem Fürsten dadurch abfinden, daß er von diesem die an Satow grenzende fürstliche Domaine Wokrent zum Tausch nahm und dem Fürsten sogleich wieder zu Lehn gab. Vielleicht daher, weil Wokrent unter der bischöflichen Oberlehnsherrlichkeit stand, mag es gekommen sein, daß die von Vieregge auf Wokrent, welche übrigens außerdem Lehnsbesitz im Bisthume Schwerin hatten, späterhin Marschälle des Bisthums waren 2 ). Der


1) Vgl. Urk. Nr. Samml. Nr. VIII u. XII.
2) Eine Familie von Wokrent, deren Stammvater Hermann von Wokrent gleich mit dem Gute belehnt ward, scheint schon am Ende des 13. Jahrh. ausgestorben zu sein. - Bekannt ist die rostocker Patricierfamilie von Wokrent.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 124 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Bischof Brunward von Schwerin bestätigte 1 ) diese Zehntenschenkung noch bei Lebzeiten Borwins, wahrscheinlich gleich nach der Schenkung des Gutes Satow im J. 1219, weil die Brüder von Amelungsborn die Gründer des Glaubens und die Vertilger der Götzen im Wendenlande ("auctores fidei et exstirpatores ydolorum in Zlauia") seien.

Sogleich legten die Brüder die Hand an die Christianisirung und Germanisirung des Ortes und an die Colonisirung der Gegend. Schon im J. 1224 stand die Kirche 2 ). Von allen Klosterbauten zu Satow ist nichts weiter übrig geblieben, als die Kirche, welche Zeugniß giebt, daß ihre Gründung gleich nach der Schenkung begonnen sein muß, weil der Chor noch ein hübsches, im Rundbogen gewölbtes Fensterpaar hat, das Schiff aber im Uebergangsstyle vom Rundbogen zum Spitzbogen aufgeführt und in den Gewölben durch einen Kreis geschlossen ist; die Zeit des Ueberganges läßt sich in Meklenburg aber ziemlich genau durch das Jahr 1220 bestimmen, wenn wir die ältesten Giebel der Kirchen zu Neukloster (1219) und zu Güstrow (1226) zu Rathe ziehen. Das Schiff der Kirche zu Satow hat eine Pforte (um 1224), welche der südlichen Pforte des Domes zu Güstrow (um 1228) ganz gleich und dabei eigenthümlich ist, nämlich mit rechtwinklig in die Wulste gesetzten, zugespitzten Scheiben verziert; diese Verzierung ist außerdem in Meklenburg nicht beobachtet, findet sich jedoch noch an einer Rundbogenpforte des alten Domes zu Lund 3 ).

Im J. 1224 bestätigte der Bischof Brunward von Schwerin dem Kloster Amelungsborn die Größe des Kirchsprengels 4 ) von Satow, welche von Borwin und seinen Söhnen bei der Stiftung bestimmt war, und damit zugleich das Patronatrecht, welches der Besitzer des Hofes Satow immer besaß und das im J. 1301 ausdrücklich auf das Kloster Doberan überging; es sollten nämlich der Kirche eingepfarrt sein: außer Satow, zwei Dörfer: Radegast und Rederank, und vier Hagen: Gerhards=Hagen (Gerdeshagen), Wendisch=Hagen, Marquards=Hagen (Markshagen) und Iken=Hagen (Miekenhagen) 5 ). Die beiden Dörfer Radegast und Rederank waren


1) Vgl. Urk. Samml Nr. I. - Die Entdeckung und Mittheilung der wichtigen, alten amelungsborner Urkunden verdanken wir der Güte und wissenschaftlichen Theilnahme des Herrn Archivrats Dr. Schmidt zu Wolfenbüttel.
2) Die Beschreibung der Kirche zu Satow ist Jahrb. X, S. 309 gegeben.
3) Vgl. Jahrb. XI, S. 421.
4) Vgl. Urk. Samml Nr. II.
5) Die schon im 16. Jahrh. vorkommende Form Mikenhagen ist ohne Zweifel aus einer Abkürzung aus der Form to deM oder tôM Ikenhagen entstanden, wie eine alte Form Marpeshagen aus to deM Arpeshagen, Drewskirchen aus to der Oediskirchen, Tôr Oeskirchen.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 125 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

ohne Zweifel alte, wendische Dörfer; die 4 Hagen aber waren sicher schon neue Colonien zur Ausrodung des Waldes (Hagen), und wahrscheinlich mit Sachsen besetzt, mit Ausnahme von Wendisch=Hagen, dessen Name dafür spricht, daß die Mönche von Amelungsborn neben den Einwanderern auch die Wenden zur Cultivirung anhielten.

Im Wesentlichen besteht der Pfarrsprengel von Satow noch jetzt aus den bei der Stiftung ihm zugewiesenen Dörfern und Gütern: Satow, Radegast, Rederank, Gerdshagen, Miekenhagen, Steinhagen und Horst. Bei der Kirchen=Visitation 1599 enthielt die Pfarre: Hof und Dorf Satow, Hof und Dorf Radegast, Dorf Rederank, Dorf Gerdeshagen, Hof und Dorf Marxhagen, Hof und Dorf Miekenhagen und Horst. Es sind also in neuern Zeiten abgegangen Marxhagen und Wendisch=Hagen, hinzugekommen Steinhagen und Horst. Marquardshagen oder Markshagen, im 15. Jahrh. im Besitze der Preen 1 ), deren altes Lehn Rederank war, war altes Lehn der Raben mit einer liegenden halben Lilie im Schilde und einem Raben mit ausgebreiteten Flügeln auf dem Helme. Noch im J. 1730 bestand der Meierhof Markshagen, jedoch nur als Pertinenz von Rederank. Wendischhagen ist wahrscheinlich früh in der Feldmark Satow, da auch Satow späterhin einen Hagen hatte, untergegangen, nachdem hier die Wenden zeitig germanisirt waren; das Dorf erscheint nur in der Stiftungsurkunde und wird später nie wieder genannt; auf der großen schmettauschen Charte steht bei Miekenhagen, nach Rosenhagen hin, ein Wendenholz gezeichnet. Horst war 1599 nur ein "Haus in der Horst also genannt"; vielleicht ist es die Hohehorst, welche 1244 zwischen Satow und Püschow lag. Steinhagen erscheint nur als neuere Pertinenz von Radegast.

Nachdem die Hauptgeschäfte geordnet und die nothwendigsten Bauten vollendet waren, ging es an die Urbarmachung der Wälder und Felder und die völlige Einrichtung der ganzen Wirthschaft. Der Priester und Mönch Stephan zu Satow (Stephanus monachus et sacerdos in Satowe) war es, der die ganze Colonisirung leitete; noch in den Jahren 1235 und 1236 war er bei dem Bischofe Brunward auf dessen Residenzen Warin und Bützow 2 ) und nahm hier nächst dem Abte von Doberan die erste Stelle ein, stand sogar vor dem Domdechanten von Güstrow. Er sammelte zu Satow Conversen des Ordens, um ihn in der Ausführung des Werkes zu unterstützen; im J. 1244 werden "des Klosters Amelungsborn Conversen


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XVIII.
2) Vgl. Meklenb. Urk. II, S. 16 u. 19.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 126 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

zu Satow" (conversi in Satovia) 1 ) ausdrücklich als Repräsentanten der Besitzung genannt.

Bald erscheinen denn auch die Besitzungen geordnet: sie umfaßten, außer der Pfarre, den Hof Satow, wo der Hofmeister (curiae magister, grangiarum magister, provisor) mit den Conversen wohnte, das Dorf Satow und die Mühlen ("cum molendinis" 1301, vergl. 1350); außerdem wird noch ein Hagen Satow genannt (am 27. März 1330 und 18. Oct. 1422), es muß aber unentschieden bleiben, ob hiemit das Dorf Satow oder das schon früh untergegangene Dorf Wendischhagen gemeint ist. Sowohl die Wirthschaft zu Satow, als überhaupt der Verkehr der amelungsborner Mönche war so bedeutend, daß sie, wie die Mönche von Doberan, schon im J. 1288 einen Hof 2 ) in der Stadt Rostock besaßen; in dem ältesten rostocker Stadtbuche ist zum J. 1288 folgendes Protocoll aufgezeichnet:

Ludolfus Dame vendidit Hermanno Bůc VI marcarum redditus in hereditate sua angulari tota descendente ad curiam monachorum de Satowe.

Im J. 1233 schenkte der Fürst Nicolaus von Werle, Borwins I. zweiter Enkel, dem Kloster Amelungsborn 60 wahrscheinlich noch nicht bebauete Hufen am See Dranse bei Witstock, auf denen das Kloster einen zweiten Haupthof Dranse aufführte, welcher mit seinen Gütern im zweiten Abschnitte besprochen werden soll. In demselben Jahre schenkte der schweriner Bischof Brunward dem Kloster die Zehnten 3 ) von diesen Hufen und zwar durch Beförderung des "Herrn Stephan" ("domino Stephano hoc negotium promovente"), unter welchem wohl kein anderer zu verstehen ist, als der rührige Priester und Mönch Stephan von Satow.

Ungefähr um dieselbe Zeit wird es gewesen sein, als derselbe Fürst Nicolaus I. von Werle dem Kloster Amelungsborn zwei Hufen in Wildeshufen bestätigte, welche sein Vater demselben geschenkt hatte; er bezeugt in der sehr merkwürdigen und wichtigen Urkunde: sein verstorbener Vater Heinrich (Borwin II.) von Werle habe, unter seiner geziemenden Zustimmung, für das Seelenheil seiner selbst und seiner Mutter Christine, seines verstorbenen Großvaters Borwin (I.) und seines Oheims Nikolaus, zum Gottesdienst zwei Hufen in


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. V u. VI.
2) Die Cistercienser=Mönche hatten in der Regel Höfe in allen Städten, in deren Nähe sie Landgüter oder in welchen sie Mühlen besaßen.
3) Vgl. Riedel Cod. Dipl. Brand. I. S. 447.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 127 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Wildeshusen dargebracht und dieselben der freien Bestimmung der Einsiedlerin (sororis reclusae) Christine zu Satow überlassen, um wöchentlich eine Messe für die Lebenden und eine für die Gestorbenen dort lesen zu lassen, wo es ihr angemessen erscheinen werde 1 ). Daraus, daß das Kloster Amelungsborn diese Urkunde besaß, läßt sich schließen, daß dieser Besitz mit der Verpflichtung zu den Seelenmessen früher oder später dem Klosterhofe Satow übertragen ward. Die Urkunde ist in dem Diplomatarium leider ohne Datum; es lassen sich aber alle Zeitpuncte aus den Umständen ziemlich genau bestimmen. Die Schenkung der zwei Hufen wird wahrscheinlich im Anfange des J. 1226 geschehen sein, da Heinrich Borwin II. am 4. Junii 1226 starb und seine noch sehr jungen Söhne, welche noch einige Zeit lang alle unter Vormundschaft standen, unter dem Beirath der Landesräthe schon im Anfange des J. 1226 ihre Zustimmung zu Regierungshandlungen ihres Vaters und Großvaters gaben 2 ); da aber Nikolaus I. von Werle ausdrücklich der Zustimmung zu der Schenkung seines Vaters erwähnt, so kann diese schwerlich in eine andere Zeit fallen, als in die erste Hälfte des J. 1226. Die Ausstellung der Urkunde über die Schenkung in Wildeshusen wird aber in die ersten Zeiten nach dem Tode der Borwine (1226 und 1227) und der Landestheilung (1229) und in die ersten Zeiten der Volljährigkeit des Fürsten Nikolaus fallen; möglichst früh muß die Urkunde gestellt werden, da Nikolaus sich noch Fürst von Wenden (princeps Slaviae) nennt und das Andenken an die Todesfälle in der fürstlichen Familie nach der ganzen Fassung der Urkunde noch im frischen Andenken gewesen zu sein scheint, jedoch auch nicht zu früh, da Nikolaus schon allein handelnd auftritt und bereits volljährig gewesen sein muß 3 ). Die Urkunde wird also im Jahre 1232 ausgestellt worden sein.

Diese Urkunde ist auch dadurch merkwürdig, daß sie die bisher unbekannte Gemahlin des Fürsten Borwin II., Christine, nennt; freilich wissen wir bis jetzt nicht, aus welchem Fürstenhause sie stammte, aber es ist einstweilen doch etwas gewonnen. Vielleicht war sie sogar die Schwester Christine, welche nach derselben Urkunde als Einsiedlerin (reclusa) zu Satow lebte, ein Beweis für das große Vertrauen zu den amelungsborner Mönchen, daß bei ihnen eine Einsiedlerin in der Wildniß, die erst eben gelichtet ward, Zuflucht suchte. Auch des Fürsten Johann von Gadebusch Tochter wird 1353 als Wittwe eine Religiose (religiosa, Rudloff, M. G. II, S. 103) genannt.


1) Vgl. Urk. Nr. III.
2) Vgl. Jahrb. X, S. 8 - 10; vgl. S. 16.
3) Vgl. Jahrb. X, S. 8 - 16.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 128 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Es fragt sich, wo Wildeshusen gelegen habe, da in Meklenburg kein solcher Ort mehr existirt, auch nicht in früheren Zeiten in den Archiven je vorkommt. So viel scheint man annehmen zu können, daß es in der Nähe von Satow 1 ) gelegen habe. Wilsen bei Doberan wird nicht gemeint sein, da dieses schon sehr frühe in der Form Wilsene vorkommt und dieser Name wendisch zu sein scheint. Wahrscheinlich lag Wildeshusen, welches seinen Namen wohl von einer Ansiedelung in der Wildniß trug, an der Grenze der Feldmark Satow. Vielleicht waren die geschenkten 2 Hufen in Wildeshusen diejenigen, welche am 1. Nov. 1304 das Kloster Doberan von dem "Geistlichen (Hofmeister) des Heiligen=Geistes=Hagens" zu den Feldern des Hofes Satow erworben hatte 2 ). Heiligengeisteshagen, welches östlich an Satow grenzte, heißt jetzt Heiligenhagen 3 ) und trug seinen Namen von dem Heiligen=Geist=(Hospitale) zu Riga, dem das Gut gehörte, jedoch wohl noch nicht im Jahre 1244, da damals noch Bölkow und Lukow östlich an Satow grenzten. Der Heilige=Geist zu Riga veräußerte Heiligengeisteshagen im 15. Jahrhunderte. Heiligengeisteshagen wird also in alten Zeiten, ehe es in den Besitz des Heiligen=Geistes zu Riga kam, einen andern Namen geführt haben. Wahrscheinlich hieß Heiligengeisteshagen früher Wildeshusen, um so mehr, da am 4. April 1350 zwischen Satow, Heiligengeisteshagen und Püschow ein Feld lag, genannt das Streitfeld 4 ), welches die in Frage stehenden 2 Hufen gewesen sein können, da sie vielleicht streitig waren, weil man nicht wußte, ob man sie, der Abgaben wegen, zu Heiligenhagen oder zu Satow ziehen sollte.

So fleißig und umsichtig aber auch die amelungsborner und doberaner Mönche wirthschafteten und ordneten, so hatten sie doch fortwährend, trotz aller Privilegien, mit allerlei Anfechtungen zu kämpfen: die Forderungen der Fürsten und der Nachbaren nahmen kein Ende; die allerfreiesten geistlichen Güter wurden dennoch ohne Ende und Maaß in Anspruch genommen.

Nachdem die Landestheilung völlig durchgeführt war, bestätigte der Fürst Nikolaus von Werle im J. 1244 dem Kloster Amelungsborn den freien Besitz der Güter Satow 5 ), da


1) Riedel, welcher diese Urkunde ebenfalls von dem Herrn Archivrath Schmidt mitgetheilt erhielt, läßt sie in Cod. Dipl. Brand. I, S. 449, ohne Erörterung unter den Urkunden des Klosterhofes Dranse abdrucken. Hiezu fehlt es aber an aller Veranlassung.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. IX; vgl. Nr. XI.
3) Vgl. Jahrb. IX, S. 401.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. XIII.
5) Vgl. Urk. Samml. Nr. V und VI.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 129 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

diese im Lande Schwan lagen, welches damals noch zur Herrschaft Werle gehörte; der Fürst bestätigte dem Kloster den Besitz der Güter "mit allen Zugehörungen und Nutznießungen, mit allen Freiheiten und Gerechtigkeiten, frei von aller Belästigung der Beamten und Richter, von Burgen= und Brückenbau, von Steuern, Zöllen und Kriegsdiensten, so daß die Bewohner der Güter keinem andern verpflichtet sein sollten, als Gott und dem Kloster Amelungsborn, weil sich die Brüder des Klosters als die ersten Vernichter der Götzen im Wendenlande gezeigt hätten." Zu gleicher Zeit bestimmte der Fürst die Grenzen von Satow, zu deren Regulirung er seinen Truchseß Heinrich Gamm abgeordnet gehabt hatte. Die Grenzen waren namentlich zwischen dem Kloster und Jordan von Savene, Hermann von Wokrent und Judith von Neuenkirchen auf Radegast streitig gewesen. Wir kennen freilich diese Personen und deren Familien und Besitzungen nicht mehr, da die Namen und Besitzungen der Vasallen in den ältesten Zeiten äußerst dunkel sind; ohne Zweifel aber waren die genannten Personen, unter diesen auch eine Frau, benachbarte Gutsbesitzer. Vermuthlich für denselben Ritter Jordan ward im Kloster Amelungsborn alljährlich am 20. Sept. eine Gedächtnißfeier zur Dankbarkeit für seine Wohlthaten gehalten, indem es in dem amelungsborner Memorienbuche 1 ) heißt:

XII. Kal. Octob. Eodem die pro Jordano milite et uxore sua de Slavia, qui cenobio nostro multa beneficia inpenderunt, in piscibus tantum servitur.

Aus den über diese Grenzbestimmung ausgestellten merkwürdigen Urkunden 2 ) geht hervor, daß damals die Grenzen der zu Satow gehörenden ungeheuren Wälder sich viel weiter erstreckten, als jetzt, so weite Strecken die Mönche damals auch schon urbar gemacht hatten. Damals wurden die Grenzen gegen Süden mit Wokrent und Radegast bestimmt. Nach den andern Seiten hin war den Conversen die Urbarmachung ohne bestimmte nahe Grenze erlaubt, gegen Osten hin bis zu den Grenzen der Dörfer Bölkow und Lukow, gegen Norden hin bis gegen Püschow; diesen Raum hatten sie schon zum großen Theile ausgerodet; gegen Westen hin theilten sie ihre Gerechtigkeiten mit den Bewohnern des Dorfes Karin in den Wäldern auf einem bedeutenden Raume, auf welchem jetzt mehrere Landgüter liegen. Es erhellt aus diesen Bestimmungen, daß noch damals sehr weite


1) Vgl. Jahrb. III, S. 36.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. V und VI.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 130 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Gegenden unangebauet waren und man diese den nächsten Klöstern in so weit überließ, als sie dieselben mit eigenen Kräften cultiviren konnten, und so lange sich nicht andere Leute fanden, welche die Cultivirung übernahmen.

Bei der Abschließung des Vertrages wohnten zu Satow wenigstens: der dirigirende Priester und Mönch Stephan, der Gründer der Colonie, der Gastmeister Heinrich, der Hofmeister Hermann und zwei Conversen: Hermann Wise (Sapiens), wahrscheinlich aus dem rostocker Patrizier=Geschlechte, und Engelbert.

Eine feste Gestalt erhielten die Felder von Satow erst gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts war es ein Hauptgeschäft der landesherrlichen Verwaltung, die Felder zu vermessen, theils um jetzt den Besitzern bestimmte Größen und Grenzen versichern zu können, theils und vorzüglich um das Hufenmaaß für die Erhebung der Abgaben (Beden) zu erforschen, und die Radelandshufen (Ueberschlag) herauszubringen, welche im Laufe der Zeit den tragfähigen Boden der Güter vermehrt hatten. In dieser Zeit kommt es nun sehr häufig vor, daß die Klostergüter von der Vermessung befreiet und ihnen ihre Besitzungen maaßlos versichert wurden, vorzüglich weil sie abgabenfrei waren. So versprach der Fürst Heinrich von Werle am 6. März 1287 dem Kloster Amelungsborn, daß, obgleich durch die fürstlichen Beamten die Felder von Satow vermessen seien, es dennoch dieselben ohne Bestimmung der Hufenzahl besitzen und in der Folge nie eine Vermessung der Felder erleiden solle 1 ), - ein Versprechen, welches eben so wenig gehalten ward, als das Versprechen der Abgabenfreiheit.

Nun hätte man glauben sollen, daß dem verdienten Kloster der Besitz von Satow ungeschmälert zu Nutzen gekommen wäre. Aber weit gefehlt: die Plackereien fingen jetzt erst an. Es war durch die Confirmations=Urkunden bestimmt, daß die Brüder zu Satow die Besitzungen völlig frei haben und keinem andern, als "Gott und ihrem Kloster" verpflichtet sein sollten: aber es war nicht ausdrücklich bestimmt, daß die Felder von Satow frei von Beden (Contributionen) seien, und es scheint fast, daß keine Freiheit gewährt ward, wenn sie nicht wörtlich und ausdrücklich ausgesprochen war. Daher mußte das Kloster von den Gütern Satow Bede zahlen, welche um so sicherer entrichtet werden mußte, als sie einem Privatmanne zur Erhebung überwiesen war 2 ). Ward nun in der Folge auch dem besitzenden Kloster wiederholt


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. VII.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. IX u. X.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 131 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

der völlig freie Besitz versichert, so mußte doch im J. 1422 schon wieder "Ueberbede" entrichtet werden 1 ): kaum war eine neue Last abgewälzt, so mußten sich die geistlichen Güter schon wieder zur Uebernahme anderer Lasten verstehen.

Drückender als die Geldabgaben, waren aber die Ablager: das Recht der Fürsten, in den Klosterhöfen Herberge zu nehmen; dies hatte freilich seinen guten Grund darin, daß die Fürsten bei den schlechten Wegen und den mangelhaften Herbergen in den kaum gegründeten Städten Bequemlichkeit und gebildeten Umgang nur auf den Klosterhöfen finden konnten, so lange sie noch nicht in jeder Stadt eigene Schlösser hatten, welche häufig doch nicht ausreichten; aber die Last der Aufnahme war für die Klöster immer sehr bedeutend, namentlich wenn man bedenkt, mit welchem ungeheuren Reitergefolge die Fürsten damals zu reifen pflegten. So ward denn auch Satow als ein Klosterhof betrachtet, auf welchem gutes Ablager zu finden war. Und wirklich finden wir aufgezeichnet, daß die Landesfürsten zu Satow Hof hielten; so war z. B. am 8. Septbr. 1320 der Fürst Heinrich der Löwe auf dem Hofe zu Satow 2 ) und im Mai 1330 ward der edle Jüngling Johann von Plate, Schildknappe des Fürsten Albrecht, auf dem Hofe zu Satow durch einen Conversen vergiftet 3 ).

Endlich waren die häufigen Kriege und Fehden für die Klosterhöfe im höchsten Grade drückend, da sich häufig die Kriegsvölker verwüstend und zehrend auf ihren Besitzungen umhertrieben, weil die Fürsten oft auf den Klosterhöfen Schlachtplane machten und Frieden und Bündnisse schlossen; und dies mochte oft Satow treffen, da es unweit der Grenze vieler Landestheile lag, der Herrschaften Meklenburg, Werle, Rostock und des Bisthums Schwerin. Besonders drohend für Satow ward der Fall des Fürstenhauses Rostock und der Eingriff des Königs von Dänemark in die politischen Angelegenheiten der Wendenländer. Der letzte Fürst von Rostock, bezeichnend Nikolaus das Kind genannt, hatte sich, da er sich nicht zu rathen wußte, dem Könige Erich von Dänemark in die Arme geworfen, welcher sich auch im J. 1300 persönlich in den Besitz des Landes Rostock setzte. Zwar wurden durch die Friedensverhandlungen und Schlüsse vom 22. Julii und 1. Aug. 1301 einstweilen die Kriegsstürme beruhigt; aber der Fürst Nikolaus von Werle mußte das Schloß und das halbe Land Schwan an den König abtreten und dadurch für immer verloren geben. Hiedurch ward die Stellung des Klosters


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XVI u. XVII.
2) Vgl. Jahrb. VIII, S. 264.
3) Vgl. Jahrb. VII, S. 284 flgd.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 132 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Amelungsborn für den Hof Satow natürlich sehr gefahrvoll. "Weil die Güter so sehr entfernt von dem Kloster lagen und das Kloster fast gar keinen Nutzen von denselben hatte, jedoch so bedeutenden Schaden abzuwenden wünschte", so kam es, in Voraussicht trüber Zeiten, schon am 2. Febr. 1301 dahin, daß das Kloster Amelungsborn, unter Zustimmung des Vater =Abtes von Alten=Camp, das Dorf und den Hof Satow mit dem Kirchenpatronat und den Mühlen gegen zwei Salzpfannen in der Saline zu Lüneburg an das Tochterkloster Doberan vertauschte 1 ) und diesem allen möglichen Schutz gegen jeden Anspruch versicherte, da alles Gut des Ordens Gemeingut sei; dabei ward festgesetzt, daß das Andenken der Geber und Wohlthäter stets unvermindert in den Klöstern Amelungsborn und Doberan gefeiert werden solle. Die beiden Salzpfannen zu Lüneburg hatte das Kloster Doberan 1233 und 1262 von den Herzogen von Braunschweig erworben.

Seit dieser Zeit blieb das Kloster Doberan im Besitze von Satow, welches in der Nähe des Klosters und dessen zahlreicher Landgüter lag.

Das Kloster Doberan strebte nun im Laufe der Zeit mit allen Kräften darnach, die auf dem Gute Satow ruhenden Lasten abzuwälzen, wie es sich überhaupt durch eine musterhafte, solide Wirthschaft auszeichnete.

Wenn auch das Kloster Amelungsborn für Satow von allen Lasten befreiet war, so waren dennoch im Laufe des 13. Jahrh. die Felder vermessen und Bedenabgaben auf die Hufen des Dorfes gelegt, wenn auch die Aecker des Hofes frei sein mochten. Die Erhebung dieser Beden war an den Ritter Friederich Babbe veräußert; die Babbe wohnten im 14. Jahrh. auf Siemen, an die Pfarre Satow grenzend, und waren außerdem Lehnleute der Bischöfe von Schwerin. Am 1. Nov. 1304 überließ dieser Friederich Babbe dem Kloster die Beden 2 ) von den Bauerhufen des Dorfes Satow, von den zwei Hufen auf der Dorffeldmark, welche das Kloster von dem Hofmeister des rigaschen Heiligengeist=Hospitals zu Heiligenhagen erworben hatte, und von allen Aeckern des Dorfes Satow, welche das Kloster unter eigenem Pfluge hatte. Am 27. März 1330 bestätigten des Ritters Friederich Babbe Sohn Conrad und Enkel Friederich (Vicke) diese Ueberlassung der Beden 3 ), indem sie ihren vermeinten Ansprüchen an die Bede des "Dorfes oder Hagens" Satow entsagten.


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. VIII.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. IX.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. X.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 133 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Bald darauf ward auch der Streit zwischen dem Kloster und dem Ritter Zubislav von Püschow (oder Putzekow) geschlichtet. Die von Püschow wohnten im 14. Jahrh. auf den an die Pfarre grenzenden Gütern Püschow und Lüningshagen. Das Kloster klagte gegen den Ritter Zubislav von Püschow und seine Söhne Johann und Zubislav (oder Zubbeke) über einen Schaden von 30 Mark rostock. Pf. wegen eines Pferdes und dreißig Schweine, der Ritter dagegen klagte über das Kloster wegen Verletzung der Grenzen zwischen dem Hofe Satow und dem Dorfe Püschow. Am 1. Junii 1335 ward der Streit dahin verglichen 1 ), daß das Kloster seinen Ansprüchen auf Entschädigung entsagte, der Ritter mit seinen Söhnen dagegen dem Kloster die alten Grenzen versicherte, namentlich dort, wo die Felder des Hofes Satow, des Dorfes Püschow und des Heiligen=(Geistes =) Hagens zusammenstießen, und diese Grenzen genau bezeichnete.

Es war bei dieser Unterhandlung eine zahlreiche Zeugenschaft aus der Umgegend versammelt, unter diesen namentlich der Conversbruder und Hofmeister Bernhard von Satow und der Pfarrer Dethard von Satow, so wie auch der Pfarrer Hermann Klein von Retschow.

Am 4. April 1350 bestätigte der Knappe Subbeke oder Zubislav von Püschow diese Grenzbestimmung, nachdem er volljährig geworden war, wie sein verstorbener Bruder Johann sie früher verabredet gehabt habe 2 ).

Am 17. Jan. 1386 wurden auch die Grenzen zwischen Satow und Wokrent regulirt und dabei von Otto Vieregge auf Wokrent dem Kloster Doberan ein Acker Namens "Mönchhals" abgetreten 3 ).

Je fleißiger aber die Mönche wirthschafteten und Acker urbar machten, desto eifriger forderten die Landesherren Abgaben. Am 13. Jan. 1350 bewilligten die Herzoge Albrecht und Johann von Meklenburg, zu deren Gebiet die Vogtei Schwan jetzt bleibend geschlagen war, daß das Kloster Doberan beliebig Aecker zu dem Hofe oder zu dem Dorfe Satow legen könne und daß die Felder beider Güter zusammen stets nur für 20 Hufen gerechnet und nie wieder gemessen werden sollten 4 ); die beiden Fürsten bestätigten dem Kloster zugleich alle Freiheiten und Rechte über Satow, wie sie dem Kloster Amelungsborn von den Fürsten von Werle verliehen und verbrieft worden seien, und versicherten


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XI.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XIII.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. XV.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. XII.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 134 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

demselben alle Eigenthumsfreiheiten, mit Ausnahme der allgemeinen Landwehr gegen feindliche Ueberfälle, zu welcher die Bewohner für 20 Hufen verpflichtet sein sollten.

Nach der Landestheilung vom J. 1352 erschöpfte der Herzog Albrecht seine Güte und versicherte am 24. Febr. 1353 dem Kloster "alle und jede Beden und die obere und niedere Gerichtsbarkeit über den Hof und das ganze Dorf Satow" 1 ), indem er zugleich alle früheren Privilegien bestätigte und sich und seinen Nachkommen kein Recht an den Gütern vorbehielt.

Aber es dauerte nicht lange, so war schon wieder "Ueberbede" zu bezahlen. Nachdem der Herzog Johann III. am 16. Oct. 1422 gestorben war, bestimmte dessen hinterlassene Wittwe, die Herzogin Katharine, am 18. Oct. 1422 zu Doberan die von ihrem verstorbenen Gemahle dem Kloster Doberan vermachte jährliche Hebung von 12 lüb. Mk. Pf. aus der "Ueberbede des Gutes Satow" 2 ) zu Gedächtnißfeiern und Seelenmessen für ihren Gemahl auf dessen Sterbetag, den 16. October (St. Gallen), jährlich, obgleich das Gut Satow dem Kloster mit allem Herrenrechte gehörte. An demselben Tage bestätigte auch des Herzogs Johann Vetter, der Herzog Albrecht, für sich und als Vormund der Kinder seines Vetters, dieses Legat "aus dem Hagen und Gute zu Satow" 3 ).

Ungefähr um jene Zeit als am 26. August 1433 die Grenzen zwischen Rederank und Püschow am püschower See regulirt wurden 4 ), war Hermann Hofmeister zu Satow.

Hiemit hören die besondern Nachrichten über Satow, insoferne sie ein bedeutenderes geschichtliches Interesse haben, gänzlich auf.

Im Jahre 1552 bei der Säcularisirung des Klosters Doberan ging Satow mit den übrigen Gütern des Klosters zu den Domainen über.


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XIV.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XVI.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. XVII.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. XVIII.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 135 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

2.
Der Hof Dranse.

Ueber den amelungsborner Klosterhof Dranse sind von v. Raumer in v. Ledebur's Allgem. Archiv VIII, 1832, S. 316 flgd., und von Riedel in dessen Cod. Dipl. Brandenb. I, 1838, S. 443 flgd., sämmtliche alten Urkunden mitgetheilt und verarbeitet; es bedarf deshalb hier nur eines kurzen Ueberblicks, um die Verhältnisse des Klosters Amelungsborn zu den Fürsten der Wendenländer aufzuklären.

Am 10. März 1233 schenkte der Fürst Nicolaus von Werle 1 ), unter Zustimmung seiner Gemahlin Judith und seiner Brüder Johann, Heinrich und Pribislav, da die Landestheilung damals noch nicht völlig ausgeführt war, den See Dranse mit 60 an diesem See liegenden Hufen, zu denselben Freiheiten und Gerechtigkeiten, mit welchen das Kloster Doberan seine Güter besaß. Diese Hufen, so wie alle später zu dem Haupthofe des Klosters zu Dranse gehörenden Güter des Klosters lagen in dem Lande Lieze 2 ) (auf der Lieze, dem Liezländchen, zwischen Witstock und Mirow), welches in alten Zeiten zu dem Fürstenthume Werle gehörte. Die Bischofsgewalt über dieses Land war schon früh, sicher seit dem Jahre 1229 3 ) zwischen den Bischöfen von Schwerin und Havelberg streitig. Daher schenkte noch im Jahre 1233 der Bischof Brunward von Schwerin dem Kloster Amelungsborn die Zehnten von diesen 60 Hufen, aber schon im Jahre 1242 erneuerte der Bischof Wilhelm von Havelberg diese Schenkung, obgleich erst am 16. December 1252 die Streitigkeiten zwischen beiden Bisthümern geschlichtet wurden 4 ). Im Jahre 1244, an demselben Tage, an welchem der Fürst Nicolaus von Werle dem Kloster Amelungsborn das freie Eigenthum


1) Diese Urkunde ist gewiß der erste Act der Schenkung, und nicht, wie v. Raumer noch a. a. O. S. 321 will, nur eine Bestätigung eines längst vorhandenen Besitzstandes. Grade in diese erste Zeit nach der Landestheilung fallen viele geistliche Stiftungen, und verhältnißmäßig nur wenige sind viel älter. Die Cultur der Ländereien begann erst in diesen Zeiten, frühestens im Jahre 1216, nach dem letzten Aufstande der Wenden, und grade jetzt bedurften die Fürsten der Cistercienser. Alle frühern Colonisationen waren nur Versuche und Anfänge.
2) Ueber das Land Lieze vgl. Jahrb II, S. 92 flgd.
3) Vgl. Mekl. Urk. III, Nr. XXI.
4) Vgl. das. Nr. XL.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 136 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

und die Grenzen von Satow versicherte, bestätigte er dem Kloster das Eigenthum und die Freiheiten der 60 Hufen am See Dranse und bestimmte zugleich die Grenzen dieses Landgebietes bis zu Rederank, Schweinrich, Schildbrok und Bale, und gab dem Kloster die Erlaubniß, entweder durch eigene Leute oder durch herbeigerufene Colonisten das Land nach Gefallen zu cultiviren und zu benutzen.

Wahrscheinlich war der Raum, den diese 60 Hufen einnahmen, damals noch unbebauet und wüst, da kein Dorf genannt wird und nach andern Urkunden diese Gegenden weit umher mit dichten Wäldern bedeckt waren. Im Jahre 1251 wohnte jedoch schon der Hofmeister Randiko zu Dranse 1 ).

Bald aber erblicken wir auf diesem Raume eine Menge von Dörfern, welche entweder das Kloster aus Wald und Weide aufgebauet oder durch Ankauf zu den 60 Hufen erworben hatte; es fehlt aber jede Nachricht über den Erwerb und die Entstehung dieser Dörfer, Zunächst ward ein Wirtschaftshof angelegt und Dranse genannt; hier wohnte der Hofmeister, welcher mit den Conversen das Ganze leitete. Nach spätern Urkunden waren die zu dem Klosterhofe Dranse gehörenden, neben einander liegenden Güter folgende:

Hof Dranse, Dorf Dranse, Schweinrich, Gr. Bale, Kl. Bale, Schild mit der Schilder Mühle, die Kule=Mühle, Gr. Raderank, Kl. Raderank, Sewikow, Zempow, Uchtorp, und dazu ein Hof in der Stadt Witstock.

Die erstgenannten, zunächst an und nicht weit von dem See Dranse gelegenen Dörfer, von denen Hof und Dorf Dranse nur 32 Hufen umfaßten, sind ohne Zweifel auf den zuerst geschenkten Hufen aufgebauet, die andern wohl erst später erworben.

Zu diesen zusammenhangenden Gütern erwarb das Kloster Amelungsborn noch einige angrenzende Besitzungen.

Am 13. Januar 1274 verkaufte der Fürst Nicolaus von Werle dem Kloster das Eigenthumsrecht des an Dranse grenzenden Dorfes Kl. Berlin, jetzt Berlinchen genannt, welches das Kloster von dem Ritter Harnit 2 ) Beer und dessen Söhnen und Brüdern, die dasselbe zu Lehn trugen 3 ), gekauft hatte.


1) Vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. I, 2, S. 366, Nr. VII.
2) . Der Vorname Harnit kommt in der Familie Beer häufig vor und ist derselben eigenthümlich; er ist daher nicht durch Hartwig zu interpretiren, wie Riedel a. a. O. S. 449 vermuthet.
3) Die im Lande Stargard ausgestorbene Familie Beer, mit den drei Schwanenhälsen im Schilde, war in diesen Gegenden seit alter Zeit ansässig. Im Jahre 1353 verlieh der Herzog Johann von Meklenburg=Stargard dem Henning Beer (  ...  )
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 137 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Schon am 26. Mai 1239 hatte der Fürst Nicolaus von Werle dem Kloster Amelungsborn die Mühle zu Priborn 1 ) für gewisses Geld, welches der Fürst dem Kloster zu zahlen schuldig war, in Erbpacht gegeben, um eine jährliche Pacht von 4 Wispel Roggen und 4 Wispel Gerstenmalz, so wie unter der Bedingung der Metzenfreiheit für den Fürsten und die Seinigen. Am 17. März 1291 brachten aber die Fürsten von Werle diese Mühle wieder an sich 2 ), indem sie für dieselbe um 220 Mk. Pf. dem Kloster Amelungsborn und im besondern den Brüdern zu Dranse einen Hof mit 4 Hufen zu Solzow, ferner 1 Hufe zu Vipperow mit dem vierten Theile des Sumpfsees und der Hälfte des Rekegewässers, so wie 5 Hufen in Priborn, welche Besitzungen die Fürsten von dem Knappen Heinrich von Rorbek gekauft hatten, verkauften und dem Kloster das Eigenthumsrecht an 4 Hufen in Soltzow, welche der Bürger Tidemann Priborn zu Röbel von Heinrich von Rorbek gekauft hatte und die von diesem Vasallen früher genutzte Fischerei auf der Müritz überließen; endlich verkauften die Fürsten dem Kloster zugleich das Eigenthumsrecht der obern Mühle zu Schilde beim Dorfe Bale,

Diese Besitzungen des Klosters Amelungsborn im Lande Röbel werden nicht weiter genannt; wahrscheinlich veräußerte sie das Kloster bald wieder, da grade diese Güter im Jahre 1410 an die Familie Hahn kamen und Soltzow seit dieser Zeit das Hauptgut einer Hahn'schen Hauptlinie bildete 3 )

Das Kloster erhielt für die Güter des Haupthofes Dranse schon früh andere Landesherren. Im Jahre 1276 verlor das Fürstenhaus Werle das Land Lieze an die Markgrafen von Brandenburg und besonders an die Linie von Brandenburg=Stargard, von denen es in den Kriegen im Anfange des 14ten Jahrhunderts mit dem Lande Stargard an die Fürsten von Meklenburg kam, welche es von Brandenburg im templiner Frieden 1317 zugesichert und im Jahre 1329 zu Lehn erhielten 4 ). Durch die Landestheilung von 1352 kam die Lieze im besondern an das Herzogthum Meklenburg=Stargard. - Im Jahre 1362 kam auch das Land Röbel als Pfand von dem Fürstenhause Werle


(  ...  ) das Obermarschallamt des Landes Stargard und legte dazu als Diensteinkommen alle fürstlichen Gefälle von der "ganzen Lieze"; vgl. Jahrb. II, S. 93 und 292, und VII, S. 280; vgl. Boll Gesch. des Landes Stargard I, S. 149.
1) Vgl. Urk. Samml. Nr. IV, aus dem amelungsborner Diplomatarium. Diese Urkunde war Riedel nicht bekannt geworden.
2) Vgl. Riedel a. a. O. Urk. VIII, S. 450. - Am 9. Oct. 1302 verpfändeten die Fürsten von Werle diese Mühle; vgl. Rudloff Urk. Lief. Nr. LXIII.
3) Vgl. unten zur Geschichte des Landes Röbel.
4) Vgl. Boll Gesch. des Landes Stargard I, S. 81 flgd.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 138 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

an das Land Meklenburg, und im Jahre 1368 im besondern an die Linie Meklenburg=Stargard, welche es im Anfange des 15. Jahrhunderts als Eigenthum erwarb 1 ). - Mit dem Aussterben des Fürstenhauses Werle im Jahre 1436 ging überdies das ganze Fürstenthum Werle an die Herzoge von Meklenburg über.

Das Kloster Amelungsborn fand jedoch in der Bewirthschaftung des Hofes Dranse mit den dazu gehörenden Dörfern, deren Ausdehnung wir vorzüglich durch ein Ackerregister (bei v. Raumer und Riedel a. a. O.) kennen lernen, seine Rechnung nicht. Theils waren die Güter nicht besonders ergiebig und von dem Kloster viel zu weit (an 40 Meilen) entfernt, als daß sie gehörig hätten beaufsichtigt werden können, theils waren sie, an einer im Mittelalter sehr belebten Straße zwischen Brandenburg und Meklenburg gelegen, den Kriegszügen und den häufigen Raubzügen und Privatfehden so sehr ausgesetzt, daß sie im Anfange des 15. Jahrhunderts in 40 Jahren gar keinen Ertrag geliefert hatten und sich die 4 auf dem Hofe lebenden Brüder nicht mehr erhalten konnten, ja sogar 400 Gulden Schulden gemacht hatten. Deshalb entschloß sich das Kloster im Jahre 1430 2 ), sämmtliche Güter an das Bisthum Havelberg zu verkaufen. Die Güter lagen den reichen Bischöfen von Havelberg, welche seit dem Ende des 13. Jahrhunderts zu Witstock zu residiren pflegten, sehr gelegen. An die Güter des Klosterhofes Dranse stießen im Westen die witstocker Tafelgüter des Bischofs und im Osten grenzten an dieselben Güter die weiten Besitzungen von Zechlin, welche das Bisthum schon im Anfange des 14. Jahrhunderts von dem Kloster Doberan erworben hatte. Durch den Kauf des Hofes Dranse kam nun das Bisthum Havelberg in den zusammenhangenden Besitz aller Landgüter von Witstock östlich bis an die meklenburgisch=stargardische Grenze. Am 11. April 1430 verpflichtete sich der Bischof Curt von Havelberg zur Bezahlung des Kaufgeldes von 1300 rhein. Gulden für diese Güter und zur Uebernahme der auf denselben ruhenden Schulden und Lasten, am 11. Mai 1430 ertheilte der Abt Guido von Morimund, als Generalreformator des Cistercienser=Ordens, zu dem Verkaufe seine Erlaubniß und am 24. Junius 1431 stellte das Kloster


1) Vgl. unten zur Geschichte des Landes Röbel.
2) Es mag in neuen Wirthschaftsgrundsätzen der Cistercienser=Klöster gelegen haben, daß sie zu jener Zeit die meisten ihrer entfernten Besitzungen veräußerten; im Jahre 1436 verkaufte das Kloster Alten=Kamp seinen Hof Kotze mit dessen großen Ländereien an die Stadt Witstock; im Jahre 1433 verkaufte das Kloster Michaelstein seinen Hof Rosin mit den dazu gehörenden Gütern an das Kloster Doberan (vgl. Jahrb. XII, S. 13).
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 139 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Amelungsborn den förmlichen Verkaufsbrief aus über seine Güter:

"up der Lytze belegen twischen Wisteke und Myrow, nomeliken de hoffstede to deme Drantze, dat dorp to deme Drantze unde de dorpere Swynreke, Sevekow, beyde Bale, beyde Roderanke, Zempow, Uchtorpe, Luttiken Berlin unde den zee to Groten Berlin, de Kulemollen, den Schild unde Schildermolen".

Aus allen bisher bekannt gewordenen und andern Urkunden geht ohne Zweifel hervor, daß das Land Lieze ursprünglich zum Lande Werle, demnächst zur Herrschaft Meklenburg=Stargard gehörte; fast das ganze Land war in den frühesten Zeiten an geistliche Stiftungen verliehen und von diesen zum größern Theile an das Bisthum Havelberg übergegangen. Da die Güter alle fast ganz frei von weltlichem Einflusse waren, so regierte über dieselben ein so einflußreicher Kirchenfürst, wie der Bischof von Havelberg war, der mitten in diesen Gütern residirte, fast unbeschränkt und kam sehr oft in Versuchung, keinen Herrn über sich zu erkennen. Auch wegen der amelungsborner Klostergüter kam es bald zum Streite 1 ) zwischen dem Bischofe und den Herzogen von Meklenburg. Dieser Streit ward am 6. März 1445 dahin geschlichtet 2 ), daß der Bischof von Havelberg anerkannte, daß diese Güter "in der Herrschaft und den Landen der Herren von Meklenburg lägen", und daß "die Herzoge von Meklenburg von diesen Gütern Dienst, Bede und Landding (oberste Gerichtsbarkeit) und den Zoll zu Dranse behalten sollten, wie diese Fürsten und (namentlich) die Besitzer des Schlosses Wredenhagen seit langen Zeiten diese Gerechtsame besessen hätten"; der Bischof verpflichtete sich auch, die von dem Kloster Amelungsborn ausgelieferten Urkunden in gutem Verwahrsam zu halten, um mit denselben die Herrlichkeiten der Herzoge schützen zu können. - Zu gleicher Zeit ward auch eine Vereinbarung über die von dem Kloster Alten=Kamp an die Stadt Witstock veräußerten Güter geschlossen, wenn freilich ohne rechten Erfolg für die Zukunft, da diese Güter Veranlassung zu endlosen Streitigkeiten in der Zukunft wurden.

Schon im J. 1460 kam es zwischen dem kräftigen, kriegerischen Bischofe Wedege Gans von Putlitz und den Her=


1) Vgl. v. Raumer a. a. O. S. 333; vgl. Riedel a. a. O. I, 2, S. 415.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XIX; vgl. Riedel a. a. O. 1, 2, S. 372.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 140 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

zogen von Meklenburg zu einer Fehde wegen der Güter um Witstock 1 ).

Die ehemaligen amelungsborner Klostergüter geben nun einen werthvollen Beitrag zu der Geschichte der Territorial=Vergrößerung der Mark Brandenburg, welche sich an den Grenzen durch Besitznehmen und Behalten nicht wenig vergrößerte. So kamen auch die Herzoge von Meklenburg um die Lieze, ohne daß sie recht wußten, wie.

Durch das Aufheben und Zerstören der Dörfer wurden die landesherrlichen Gefälle nicht wenig geschmälert, - wenn die Hauptdörfer nicht deren Lasten übernahmen, was in der Regel nicht geschah. Dazu waren die Dienste nach weiten Höfen hin sehr unbequem und wurden daher oft nicht geleistet.

Der milde Bischof Busso I. von Alvensleven ließ sich mit den Herzogen auf Unterhandlungen an, da diesen seit Bischofs Wedege Zeit Abbruch an ihren Gerechtsamen geschehen war; am 12. Aug. 1492 traten beide zu Neustadt zusammen 2 ) und beredeten, daß sie zu Wredenhagen zusammenkommen und Urkunden und Zeugenaussagen entscheiden lassen wollten; auch wollten sie dann sich die Urkunden über die gegenseitigen Ansprüche an Arnsberg und Penzlin, so wie an Putlitz und Witstock vorlegen. Der Bischof Busse starb aber schon am 12. Oct. 1493 und damit erstarb factisch auch die Herrschaft der Herzoge von Meklenburg über die Lieze; der neustädter Vertrag von 1492 ist das letzte Zeugniß für das wohlbegründete Recht der meklenburgischen Fürsten.

Am 4. Oct. 1494 verweigerte der Bischof Otto von Königsmark den Herzogen die Zahlung der Landbede 3 ) durch die Bewohner der ehemaligen amelungsborner Klosterdörfer, weil sie den Herzogen und ihrem Vater, nach Aussage der Verpflichteten, nicht entrichtet sei; und doch war durch den Vertrag von 1445 die Bedezahlung ausdrücklich eingeräumt. Dies war um so auffallender, als der Herzog Magnus einige Zeit vorher in Gegenwart des Markgrafen Friederich von Brandenburg im Dorfe Dranse vor allen Bauern die Urkunde vom J. 1445, nach welcher den Herzogen von Meklenburg "Dienst, Bede und alle Obrigkeit" zustand, hatte verlesen lassen 4 ); diese Handlung war als eine sichere Erfüllung des neustädter Vertrages von 1492 zu Gunsten der Herzoge von Meklenburg zu betrachten.


1) Vgl. v. Raumer a. a. O. S. 334.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XX.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXI.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXII.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 141 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Nun mischten auch die Kurfürsten ihre Hände ins Spiel. Im J. 1494 nahm sich der Kurfürst Johann des havelberger Domkapitels an und beschwerte sich auf dessen Klage bei den Herzogen über die Schatzung der "vier Dörfer auf der Lieze". Die Herzoge antworteten am 27. Dec. 1494, daß sie das Stift Havelberg nicht über Recht und Billigkeit zu beschweren, sich aber auch nichts nehmen zu lassen gedächten, was ihnen rechtmäßiger und billiger Weise zustehe 1 ). Da verhehlte der Kurfürst, nachdem er nun einmal in die Sache hineingezogen war, seine wahre Meinung nicht, und erklärte 2 ) am 26. Nov. 1495 in sehr scharfem und heftigen Tone, daß die Dörfer Dranse, Berlin und Sevckow "in seinem Kurfürstenthum lägen"; es sei ihm also fremd zu hören und unleidlich zu dulden, daß des Stifts Havelberg arme Leute von den herzoglichen Vögten mit Steuern belegt würden, und müsse auf die Abstellung unbilliger Beschwerung dringen; übrigens sei er von Gottes Gnaden selbst so statthaft, daß den Seinen nicht Noth sei, irgend jemand für Schutz und Schirm Steuer zu zahlen. Hieraus geht hervor, daß die Bischöfe und Kurfürsten damals die Abgaben an Meklenburg höchstens nur für ein "Schirmgeld" auszugeben Lust hatten.

Damit waren die Herzoge von Meklenburg abgefunden und hatten factisch die Lieze verloren. Zwar machten sie noch hin und wieder Anstrengungen zur Behauptung ihrer Landesherrlichkeit, z. B. im J. 1497, als sie als Landesherren die Befreiung der Bewohner des Dorfes Schweinrich von Diensten zum Bau des Kirchthurmes und der Befestigung zu Witstock 3 ) forderten, und wiederholt im J. 1529, als die Herzoge beim Umsichgreifen der Reformation von dem katholisch gesinnten Bischofe Busso II. von Alvensleven die Landbeden von den "ohne alle Mittel in ihrem Fürstenthume gelegenen Dörfern" Dranse etc. . begehrten 4 ). Aber die Herzoge erhielten nichts; man lehnte ab und temporisirte.

Daneben waren schon die Streitigkeiten wegen der kampenschen Klostergüter, namentlich der Kotzer Haide, mit der Stadt Witstock ausgebrochen, Streitigkeiten, deren Verhandlung ganz ungewöhnliche Massen von Papier verlangten und welche erst im J. 1802 beigelegt wurden. Die Streitigkeiten wegen Dranse schliefen fast ganz ein und von der Lieze war gar nicht mehr die Rede; nur hin und wieder wurden sie noch bei den witstocker Streitigkeiten berührt.


5) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXVI.


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXIII.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXIV.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXV.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXVI.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 142 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

Nach dem Tode des letzten katholischen Bischofs Busso II. im J. 1548 und der Durchführung der Reformation und Säcularisirung wurden die Tafelgüter der Bischöfe von Havelberg eingezogen und bald darauf (1571) mit den Domainen verschmolzen 1 ). Von dem J. 1548 an war also an eine Wiedergewinnung der Herrschaft über die Lieze gar nicht mehr zu denken.

Die Leistungen von den ehemaligen amelungsborner Klosterdörfern bestanden aus Hand= und Spann=Diensten bei der Ackerbestellung des Amtes Wredenhagen, aus Anfuhr von Bau= und Brennholz eben dahin, aus Holzfällen, aus Entrichtung von Geldbede, Rauchhühnern, Ablager=Brot u. s. w. Diese Leistungen wurden 1557 2 ) und 1654 3 ) wiederholt verzeichnet, und können mit dem alten Ackerregister aus dem 14. Jahrh. und den späteren Leistungen an das Amt Zechlin 4 ), zu welchem die Dörfer gelegt waren, verglichen werden; die brandenburgische Herrschaft forderte freilich Befreiung der Unterthanen, aber - nur für sich die Leistungen. Die Leistungen von den 6 untergegangenen Dörfern 5 ) hatten die meklenburgischen Herzoge schon im 15. Jahrh. einbüßen müssen 6 ). - Noch einmal kamen bald nach dem Regierungsantritt des ausgezeichneten Herzogs Johann Albrecht im J. 1548 und nach der Theilung des Landes mit seinem Bruder Ulrich im J. 1557 bei Gelegenheit der witstocker Verhandlungen die Ansprüche an Dranse, vorzüglich durch die Bemühungen des ausgezeichneten meklenburgischen Kanzlers Johann von Lucka, wieder zur Sprache 7 ), jedoch ohne Erfolg, da die "Disputation verschoben" ward. Endlich wurden noch im J. 1654 die von dem Amte Zechlin zu leistenden Abgaben von den Dörfern, welche seit 1637 gar nicht mehr entrichtet waren, verzeichnet 8 ).

Damit hört das Andenken an die amelungsborner Klosterdörfer und die Lieze auf. Man stritt noch fast 200 Jahre wegen der witstocker Grenzen, über deren Localität eine Handzeichnung des Kanzlers Johann von Lucka willkommene Aufklärung giebt 9 ), aber die Herrschaft über den Klosterhof Dranse war und blieb vergessen und bei Brandenburg.


1) Vgl. V. Raumer a. a. O., S. 334, und Riedel a. a. O. I, 2, S. 425 - 26, und I, 1, S. 392.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXVIII.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXX.
4) Vgl. Riedel a. a. O. I, 1, S. 451 flgd.
5) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXVII.
6) Nach dem Erbregister des Amts Zechlin v. J. 1574 mußte der Schulze zu Dranse mit zwei Aeltesten seines Dorfes drei Male im Jahre in Wredenhagen das Landgericht mit verrichten helfen.
7) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXIX.
8) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXX.
9) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXXI.