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Inhalt:

Jahrbücher

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde,

aus

den Arbeiten des Vereins

herausgegeben

von

Dr. G. C. F. Lisch,

großherzoglich=meklenburgischem Archivar und Regierungs=Bibliothekar, Aufseher der großherzoglichen Alterthümer= und Münzensammlung zu Schwerin,
auch
Ehren= und correspondirendem Mitgliede der geschichts= und alterthumsforschenden Gesellschaften zu Stettin, Halle, Kiel, Salzwedel, Voigtland, Leipzig, Sinsheim, Berlin, Kopenhagen, Hamburg, Breslau, Würzburg, Riga, Leiden, Regensburg, Meiningen, Lübeck, Cassel, Christiania und Reval,
als
erstem Secretair des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde.


Dreizehnter Jahrgang.


Mit vier Steindrucktafeln und zwei Holzschnitten.


Mit angehängtem Jahresberichte


Auf Kosten des Vereins.

Vignette

In Commission in der Stillerschen Hofbuchhandlung zu Rostock und Schwerin.


Schwerin, 1848.

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Gedruckt in der Hofbuchdruckerei in Scjhwerin.      

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Inhaltsanzeige.


A. Jahrbücher für Geschichte. Seite.
   I. König Kruto und sein Geschlecht, vom Archiv=Secretair Dr. Beyer zu Schwerin 1
  II. Meklenburgs deutsche Colonisation, vom Pastor Boll zu Neu=Brandenburg 57
             Anhang: Ueber die Heimath der Colonisten Meklenburgs, vom Archivar Lisch 113
 III. Geschichte der Besitzungen auswärtiger Klöster in Meklenburg, vom Archivar Lisch
      Geschichte der Besitzungen auswärtiger Klöster in Meklenburg, vom Archivar Lisch 116
      1) des Hofes Satow 122
      2) des Hofes Dranse 135
 IV. Geschichte der Heiligen=Bluts=Kapelle im Dome zu Schwerin, von demselben 143
   V. Zur Geschichte des Landes Röbel, von demselben:
      1) Verpfändung des Landes Röbel seit 1362 188
      2) Elisabeth, Gemahlin des Fürsten Bernhard III. von Werle 192
      3) Die solzowsche Linie der Familie Hahn 194
      4) Lehnschulzen im Lande Röbel 194
  VI. Des Herzogs Carl Leopold Kammer=Präsident Luben von Wulffen und die Erbverpachtung, von demselben 197
 VII. Ueber Tagebücher des Herzogs Carl Leopold, von demselben 235
VIII. Miscellen und Nachträge, von demselben:
      1) Der wendische Götze Goderac und der H. Gotthart 242
      2) Verleihung der Burg Lenzen an die Grafen von Schwerin 243
      3) Ueber das Burglehn zu Lenzen 244
      4) Der Ritterkaland zu Sternberg 248
      5) Ueber die in Folge des Landfriedens vom Jahre 1291 zerstörten Raubburgen und die Burgen Walerow und Neuhaus 249
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Seite
      6) Ueber das rostocker Patriciat 254
      7) Zur Geschichte der Reformation in Friedland 259
      8) Ueber des Archivars Chemnitz meklenburgische Chronik und Dienstverhältnisse, vom Archivrath Dr. Schmidtr zu Wolfenbüttel 264
  IX. Urkunden=Sammlung:
       A. Urkunden des Klosters Amelungsborn 269
       B. Urkunden der Heil. Bluts=Kapelle zu Schwerin 313
       C. Urkunden des Landes Röbel 326
       D. Vermischte Urkunden 338
B. Jahrbücher für Alterthumskunde.
   I. Zur Alterthumskunde im engern Sinne.
       1) Vorchristliche Zeit.
          a) Zeit der Hünengräber 357
          b) Zeit der Kegelgräber 367
                   Mit 1 Holzschnitt.
          c) Zeit der Wendengräber 380
          d) Alterthümer gleichgebildeter europäischer Völker 385
          e) Alterthümer außereuropäischer Völker 387
       2) Mittelalter 388
       3) Neuere Zeit 391
  II. Zur Ortskunde 392
 III. Zur Baukunde des Mittelalters 412
          Die Kirche zu Reknitz, vom Archivar Lisch 412
          Zur Geschichte der Kirche zu Doberan, von demselben 418
 IV. Zur Geschlechts= und Wappenkunde 429
          Ueber die Familie von Stavenow, von demselben 429
                   Mit 1 Holzschnitt.
          Ueber das Wappen der Familie von Oertzen, von demselben 433
                   Mit 4 Steindrucken.
  V. Zur Rechtskunde.
          Ueber weltliche Geschäfte in den Kirchen und auf den Kirchhöfen, vom Archiv=Registrator Glöckler zu Schwerin 435

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Inhalt:

A.

Jahrbücher

für

Geschichte.

 


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I.

König Kruto

und

sein Geschlecht.

Eine historische Untersuchung über die Abstammung des großherzoglich=meklenburgischen Fürstenhauses,

vom

Archiv=Secretair Dr. W. G. Beyer zu Schwerin.


D er Stammbaum unsers hohen Fürstenhauses, dessen Geschichte die Geschichte unsers Volkes ist, zumal in der ältern Zeit, ist mit Recht von allen frühern Historikern als ein wichtiger Gegenstand ihrer Forschung betrachtet worden. Aber nicht alle haben sich bei dieser Untersuchung, welche das persönliche Interesse des Landesherrn so nahe zu berühren schien, diejenige Unabhängigkeit zu bewahren gewußt, welche der Würde der Wissenschaft geziemt, und freilich hat auch die vorurtheilsfreie, unabhängige Forschung nicht immer die Anerkennung auf dem Throne gefunden, wie zu unsrer Zeit. Die Gelegenheit zu schmeicheln, lag zu nahe, als daß man der Versuchung bei der sichern Aussicht auf einen günstigen Erfolg hätte widerstehen können. So entstand der berühmte Stammbaum des Rathes Nicolaus Marschalk (1521), welcher das Geschlecht unserer Fürsten, mit dem selbsterschaffenen Könige Anthyrius und dessen Amazonen=Gattin zur Zeit Alexanders des Großen 300 Jahre vor Christi Geburt beginnend, in einer ununterbrochenen Reihe berühmter Ahnen bis auf seinen Herrn, den Herzog Heinrich den Friedfertigen herunter führte, - freilich immer noch bescheiden genug zu einer Zeit, wo manche adelige Geschlechter ihren Ursprung durch die Arche Noahs hindurch bis zu den Pforten des Paradieses nachzuweisen wußten.

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Zwar äußerten schon Andreas Mylius (1571) und Peter Lindenberg (1596) behutsame Zweifel an der Wahrheit wenigstens eines Theiles der Entdeckung unsers gelehrten Rathes, die aber bei ihren Nachfolgern unbeachtet blieben. Höchstens wagte man, wie Latomus (1610) und Chemnitz (1683), einzelne allzusichtlich unechte Zweige des künstlich aufgeputzten Baumes auszuschneiden; daß aber dieser selbst überall nicht in dem festen Boden der Geschichte, sondern allein in der Phantasie seines Entdeckers wurzele, das sah man nicht, oder wollte man nicht sehen, vielmehr galt derselbe in unserm Vaterlande volle 200 Jahre hindurch für ein unantastbares Heiligthum. Im Auslande dagegen hatte schon Heinr. Bangert (1659) seine Stimme gegen dies Unwesen erhoben, und als im Anfange des vorigen Jahrhunderts auch Spener und Schurzfleisch dagegen auftraten, da fing man endlich auch in Meklenburg an, in seinem Glauben wankend zu werden, obgleich noch Thomas († 1717) mit unerschütterlicher Treue daran festhielt. Josua v. Beehr († 1729) hat das Verdienst, unsere Geschichte zuerst gründlich von diesen Auswüchsen befreiet zu haben; ihm schloß sich David Franck (1753) mit Entschiedenheit an, und seitdem hat denn der Marschalk'sche Stammbaum nur noch als einer historischen Curiosität Erwähnung gefunden.

Zunächst zwar traf das Verbannungsurtheil der historischen Kritik nur die rein mythischen oder aus den Annalen der Vandalen und Heruler usurpatorisch in unsre Geschichte eingedrungenen Könige, wogegen alle seit Karls des Großen Zeit gelegentlich erwähnten obotritischen Fürsten und Könige der Wenden unbedenklich als ächte Ahnen des jetzt regierenden Fürstenhauses anerkannt wurden. Bald aber ging man weiter und forderte auch hier den historischen Beweis des genealogischen Zusammenhanges. Bis auf Niclot hinab, in der Mitte des 12. Jahrhunderts, ließ sich dieser Beweis ohne Schwierigkeit und mit vollkommner Sicherheit urkundlich führen. Hier aber stieß man an, da das Geschlecht des letzten Königs der Obotriten aus slavischem Stamme, Heinrichs, des Sohnes Gottschalks, nach dem ausdrücklichen, unverwerflichen Zeugnisse Helmolds, mit seinem Enkel Zwinike um 1126 erloschen war 1 ). Daraus folgt indeß noch nicht das Erlöschen der ganzen Dynastie, vielmehr lebte nach eben diesem Zeugnisse Helmolds noch ein Neffe Heinrichs, Pribislav, Fürst der Wagrier, welcher nach dieser Bezeichnung unbedenklich als ein Sohn des 1172 gefallenen Buthue, eines ältern Sohnes Gottschalks, anzuerkennen ist. Somit schien also wenigstens die


1) Helmoldi chron. Slavor, I, c. 48 fin.: defecitque stirps Henrici in principatu Slavorum, mortuis scilicet filiis et filiorum filiis.
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Möglichkeit zu bleiben, daß auch Niclot eben dieser oder irgend einer andern Nebenlinie des alten Königshauses angehöre, und wirklich führt schon Ernst v. Kirchberg in seiner meklenburgischen Reimchronik (1378) beide Fürsten, Pribislav und Niclot, als Brüder, Söhne des Buthue, auf.

Allein die Art und Weise, wie Helmold, der Zeitgenosse, die beiden Fürsten, die er persönlich kannte, in die Geschichte einführt, zwingt den unpartheiischen Forscher, auch diese Annahme unbedingt zu verwerfen; denn indem er den Pribislav ausdrücklich als Brudersohn Heinrichs, den Niclot aber in einem und demselben Satze unmittelbar daneben nur nach seiner damaligen politischen Stellung als majorem terrae Obotritorum bezeichnet, ohne sich auf seine Abstammung einzulassen 1 ), stellt er beide ganz augenscheinlich in einen directen Gegensatz, welcher an ein verwandtschaftliches Verhältniß beider überall nicht, am wenigsten aber an ihre Bruderschaft denken läßt. Kirchberg aber giebt eine bloße Paraphrase der Worte Helmolds 2 ), und kann also gegen diesen nicht als Zeuge gelten. Zwar bezieht er sich grade in Bezug auf die Abstammung der beiden Fürsten auf mündliche Tradition, oder doch auf die Meinung seiner Zeitgenossen (horet me), allein diese ist nach Verlauf von 250 Jahren, in welchen die gesammten öffentlichen und Privat=Verhältnisse des ehemaligen Obotritenreiches eine völlig neue Grundlage gewonnen hatten, nicht mehr als historische Quelle anzuerkennen. Die Behauptung Kirchbergs ist aber überdies schon der Zeit nach fast unmöglich, denn Buthue starb 1072, Niclot aber fiel im Jahre 1161, zwar als Greis, aber doch noch in voller Kraft, nach ritterlicher Gegenwehr in offener Schlacht und sein Bruder


1) Helm. c. 49: Post haec transiit Kanutus in terram Wagiroram, - - - - et sociavit sibi in terra Holzatensium omnem virum fortem, fecitque cum eis incursationes in terram Slavorum, occidens et sternens omnes sibi adversantes. Sed et fratruelem Henrici Pribizlaum, et majorem terrae Obotritorum Niclotum duxit in captivitatem, posuitque Sleswich in custodiam, adstringens eos manicis ferreis, quousque pecunia et vadibus redempti ea, quae subjecta sunt, sentirent.
2) Kirchberg c. 50, v. 41 - 48: Der konig quam mit here groz, Des manchir sinen lieb virloz, Vf konig Hinrichs bruderkinde, Zu schaden quam yn dyt gesinde, Der eyne hiez Pribislaus, Der andere hiez Niclotus. Niclot der besaz daz rich, Durch syn alder furstiglich. (Major terrae Obotritorum!!). - Ferner cap. 53, v. 11 - 22: Also Konig Kanut ermordet wart, Den man nante Lawart, Der da hielt geweldichliche In synen tod Obotriten riche. Zu hant czwene brudere daz virnamen , Dy samment an daz riche quamen. Zwey furstentum sy machten, Dar midde daz rich sy swachten. Der eyne Pribislaus, Der andere hiez Niclotus; Sy warin geborin, horet me, Von dem fursten Buthue. Hier liegt Helmold, c. 52, zum Grunde (Vgl. unten S. 20, Rot. 2.) Die beiden letzten Verse sind Zusatz des Kirchberg.
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Lubimar lebte noch 1163. Auch hat kein Zeitgenosse unsers Chronisten die angebliche Sage vernommen, vielmehr steht derselbe völlig vereinzelt.

Unsere einheimischen Genealogien des Klosters Doberan und des alten parchimschen Stadtbuches beginnen den Stammbaum unserer Fürsten einfach mit Niclot 1 ), und weder Albert v. Stade (1256), noch der Franziscaner Lesemeister Detmar zu Lübeck (1385) gehen über den Bericht Helmolds hinaus 2 ). Wenn aber der Bischof Otto von Havelberg in einer Urkunde von 1418 mit Bezug auf alte Chroniken der Klöster Dobbertin und Neuenkamp bezeugt, daß die wendischen Herren aus königlichem Geschlechte stammten 3 ), so ist nicht zu vergessen, daß auch Niclot schon von Helmold regulus genannt wird; übrigens sind jene alten Chroniken schwerlich andere, als die noch jetzt bekannten, und das Zeugniß des Bischofs Otto wird also, - direct oder indirect, - aus Kirchberg entlehnt sein. Nicht uninteressant ist aber, daß weder Hermann Korner († 1438), noch der unbekannte Verfasser der slavischen Chronik, noch Albert Kranz († 1517), noch Reimar Kock († 1569) von dem einfachen, aus Helmold entlehnten Berichte der älteren lübischen Chroniken abweichen, vielmehr war es wiederum unserm gelehrten Rath Marschalk vorbehalten, die Erzählung Kirchbergs zu Ehren zu bringen, welche von nun an bei allen folgenden Schriftstellern zwei volle Jahrhunderte hindurch als sichere historische Wahrheit galt.

Auch in diesem Falle waren es Ausländer, namentlich Köhler und Abel 4 ), welche sich zuerst gegen die Auotorität Marschalks auflehnten; als aber bald darauf auch ein Meklenburger, der Dr. Georg Gustav Gerdes zu Wismar 5 ), diesem Beispiele folgte, fand er sofort in dem Hofrath Jargow einen heftigen Gegner, welcher die neue, zur "Verkleinerung des hochfürstlichen Hauses" gereichende Ketzerei um jeden Preis zu unterdrücken suchte 6 ). Zwar wagte es anfangs der ältere E. A. Rudloff, wenn gleich pseudonym, als Vertheidiger des Gerdes aufzutreten, indem er die Irrthümer Jargows in einer überaus gründlichen und scharfsinnigen Abhandlung widerlegte 7 ), wodurch dieser


1) Jahrbücher XI, S. 10 - 11.
2) Die lübischen Chroniken, herausgegeben von Grautoff, I, S. 28, z. J. 1125.
3) Jahrb. XI, Urk. Nr. LXI.
4) Joh. Dav. Köhler, diss. de Pribislao siue Hinrico, rege Brandenburg. 1724, u. Abel sächsische Alterthümer II, §. 13.
5) Nützliche Sammlung II, S. 214 (1737).
6) J. F. Jargow, gründlicher Beweiß, das Niclotus ein Bruder Pribislai I. gewesen. Klüver, Beschreibung von Meklenb. II. Appendix.)
7) J. P. W., Schreiben eines Ungenannten an seinen Freund in Mecklenburg etc. 4. Wehrburg 1739.
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aber nur zu noch größerer Heftigkeit gereizt ward. In seiner weitläuftigen Antwort, in welcher er zu verstehen gab, daß er seinen Gegner sehr wohl kenne, führte er wiederholt aus, daß es wider den Respect und das Ansehen des herzoglichen Hauses laufe, wenn man den Stammvater desselben "zum bloßen Edelmann creiren, und überdas denselben noch als einen Rebellen und ungerechten usurpatorem der Krone und Länder, so er regieret, angeben, mithin per indirectum seine Nachfolger als injustos detentores ihrer Länder venditiren wolle" 1 ). Dem Gewichte solcher Gründe konnten beide Gegner nicht widerstehen; sie erklärten sich öffentlich für überwunden 2 ).

So war denn Kirchbergs und Marschalks Ansehen einstweilen gerettet, und ihre Ansicht fand nach diesem Siege auch späterhin im In= und Auslande, z. B. bei Nugent 3 ), Gebhardi 4 ), Westphalen 5 ) und selbst bei v. Behr 6 ), treue Anhänger. Aber die Wissenschaft läßt sich eine einmal enthüllte Wahrheit, selbst durch den erzwungenen Widerruf ihrer ersten Zeugen, nicht wieder rauben! Schon Franck 7 ) und nach ihm der jüngere F. A. Rudloff 8 ) kamen auf die Ketzerei des Gerdes zurück und gaben wenigstens die Abstammung Niclots von Buthue auf, wenn gleich sie zum Troste eine noch ältere Abzweigung seines Geschlechts von der obotritischen Königs=Dynastie als möglich und wahrscheinlich annahmen. Die Neuern aber lassen auch diese, durch rein historisches Zeugniß gestützte, bloße Möglichkeit mit Recht auf sich beruhen; ihnen ist unser Niclot nichts, als ein "großer Güterbesitzer" 9 ), "ein kühner Häuptling" 10 ), ein "angesehener Obotrite" 11 ) von unbekannter Herkunft, welcher entweder durch die Wahl seines Volkes, oder durch eigne Macht zur Herrschaft gelangte.

Das Resultat dieses gewiß sehr lehrreichen literarischen Streites war also zunächst nur ein negatives, und dabei würden wir uns, nach der Erschöpfung alles ältern historischen Materials, auch jetzt beruhigen müssen, wenn uns nicht inzwischen durch die Bekanntmachung der ältern isländischen Geschichtsbücher und


1) J. F. Jargow, Antwort eines Freundes in Mecklenburg etc. . Klüver a. a. O. III, App. I).
2) J. P. W, schließliche Erklärung etc. (Gerdes a. a. O. IX, S. 1 - 21, 1743).
3) History of Wandalia, Append. I.
4) Origg. Mecklenb. p. 32 - 33. Origg. Guelf. III, p. 177 - 78.
5) Monum. Ined. II, praef. p. 65 sq.
6) Rer. Mecklenb. Lib. I, p. 83.
7) A. u. N. M. II, c. 27.
8) Gesch. Mecklenb. I, S. 98 u. 99.
9) v. Lützow, Gesch. von Mecklenb. I, S. 91 u. 315 ff.
10) Barthold, Gesch. von Pommern und Rügen II, S. 108.
11) Giesebrecht, Wendische Geschichten II, S. 217.
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Sagen eine neue Quelle eröffnet wäre, mit deren Benutzung eine Wiederaufnahme der Untersuchung günstigern Erfolg zu verheißen scheint. Bevor wir jedoch zu dieser Quelle selbst hinantreten, wird es nöthig sein, daß wir uns zuvörderst die Verhältnisse des Wendenlandes zur Zeit des Niclot, und die zunächst vorhergegangenen Ereignisse, ins Gedächtniß zurückrufen.

König Gottschalk hatte in Folge seines Eifers für die Verbreitung des Christenthums in einem wüthenden Aufstande, welcher sich von den Lingonen aus schnell über alle seiner Herrschaft unterworfenen Slavenstämme verbreitete, am 7. Junius 1066 zu Lenzen den Tod gefunden, und seine unglückliche Gemahlin, die dänische Königstochter Sigrid, war, gemißhandelt und geschändet, mit ihrem jungen Sohne Heinrich in die Heimath zurückgeschickt; an dem Altare des Radigast zu Rethra fiel das ehrwürdige Haupt des Bischofs Johannes; die eben erst erbauten christlichen Kirchen wurden zerstört, ihre Priester ermordet oder verjagt und jede Spur der verhaßten Lehre des gekreuzigten Heilandes vertilgt; selbst über die Gränzen des Wendenlandes hinaus trugen die ergrimmten Heiden Tod und Verwüstung, und Hamburg und Schleswig, die beiden bedeutendsten Städte der christlichen Sachsen diesseit der Elbe, fanden gleichzeitig ihren Untergang; - da erkannte das wendische Volk, daß das schon oft gelös'te und mit Blut bespritzte Band zwischen ihm und dem alten Königsgeschlechte für immer zerrissen sei. Mit entschiedener Zurückweisung der Söhne Gottschalks ward Kruto 1 ), der Sohn des Grinus , einstimmig zum Führer und Oberhaupte erwählt, und selbst Blusso, des erschlagenen Königs Schwager, welcher bisher an der Spitze der Empörung gestanden hatte, ward ein Opfer seiner verblendeten Herrschsucht. Vergebens suchte Buthue, Gottschalks ältester Sohn, den Thron seiner Väter mit sächsischer Hülfe wieder zu erobern; obwohl von einer slavischen, und wie behauptet wird, heidnischen Mutter geboren, betrachteten die Wenden den Sohn des christlichen Vaters und den Freund der Sachsen als Verräther der Freiheit seines Volkes, und waren entschlossen, lieber zu sterben, als das abgeworfene Joch noch ein Mal zu dulden. Zwar gelang es dem Herzoge Ordulph von Sachsen, seinem Schützling einen Theil seines väterlichen Reiches, wahrscheinlich Wagrien, zu er=


1) Früher ward der Name gewöhnlich Krito, in neuer Zeit dagegen nach der Ausgabe Helmolds von Bangert allgemein Kruko geschrieben. Nach der gütigen Mittheilung des Herrn Archivars Dr. Lappenberg, welcher mit einer neuen Bearbeitung der Chronik des Helmold beschäftigt ist, lesen indeß die besten Handschriften weder Crito, noch Cruco, sondern Cruto.
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halten, aber alle Anstrengung, denselben völlig wieder einzusetzen, blieb fruchtlos. Alljährlich bis zu seinem Tode unternahm Ordulph, wohl nur zum Schutze der eigenen Gränzen, einen Heereszug gegen die Wenden, aber stets sieglos ward er endlich selbst zum Gespötte der Seinen. Ja, als sein Sohn und Nachfolger, der tapfere Magnus, im J. 1072 einen neuen Versuch machte, die frühere Ordnung der Dinge wieder herzustellen, erlitten die Seinen eine so vollständige Niederlage, daß Hamburg zum zweiten Male in die Hände der siegenden Wenden fiel, und Buthue mit dem Reste seiner Herrschaft am 8. August vor der Festung Plön selbst das Leben verlor. Kruto aber behauptete sich nicht nur in den wendischen Ländern, sondern begünstigt durch den um eben diese Zeit erfolgenden Ausbruch langwieriger Unruhen im Innern Deutschlands, gelang es ihm, selbst das transalbingische Sachsen seiner Herrschaft zu unterwerfen 1 ).

Wie schmerzlich das christliche Gemüth auch durch den blutigen Gräuel ergriffen wird, der Gottschalks Tod begleitete, wie kränkend auch der Sieg der slavischen Waffen für das deutsche Nationalgefühl sein mag, ja, wie sehr man auch anerkennen muß, daß der Fortschritt des Menschengeschlechtes durch den Untergang der slavischcn Völkerschaften an der deutschen Ostseeküste bedingt war, - die Gerechtigkeit der Geschichte kann dennoch dem jungen Obotritenfürsten einen Ehrenplatz unter den ersten Helden seines Volkes nicht versagen. In den Augen dieses lange gedrückten und gemißhandelten obotritischen Volkes selbst aber mußten die Siege Krutos nothwendig einen tiefen, unvergeßlichen Eindruck hervorbringen. Seit Karls des Großen Zeit waren die Apostel der Religion und der Liebe unsern Slaven nur als die Vorposten der feindlichen Heere erschienen, und für sie war das Christenthum in der That gleichbedeutend mit Sclaverei. Somit ist es begreiflich, daß das alte Königsgeschlecht durch seine Hinneigung zu der neuen Lehre und seine Familien=Verbindung mit den Königen von Dänemark und den Herzogen von Sachsen das Vertrauen seines Volkes verlieren mußte, welches Sachsen, wie Dänen als seine Erbfeinde haßte und dem Glauben derVäter unerschütterlich anhing; ja, es konnte nicht fehlen, daß die Wenden sich allmählig gewöhnten, ihre Könige selbst als Fremde, als die Statthalter ihrer Unterdrücker zu betrachten, durch deren Waffen fast alle zum Reiche gelangt waren und in deren Namen sie die verhaßte Herzogssteuer zu erheben gezwungen waren. Da machte der lange verhaltene Grimm sich


1) Helmold I, c. 22 - 26. - Adam Brem. III, c. 49 u. 50, und c. 53 (bei Pertz M. G. IX, p. 354 - 55 und 361).
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endlich Luft; Gottschalk fiel am Altare der Christen, statt seiner ward Kruto durch die freie Wahl der Seinen zum Throne berufen, und plötzlich gewann alles eine andere Gestalt. Unter dem Schutze der alten heimischen Götter war nicht nur die verlorene Freiheit des Vaterlandes im raschen Siegesfluge wieder gewonnen, sondern der Sieger verstand es auch, die durch die gemeinsame Gefahr zum erstenmale freiwillig vereinigten Stämme dauernd zusammenzuhalten, und über den Trümmern des obotritisch=sächsischen Königreichs erhob sich in erweiterten Grenzen ein nationales Wendenreich, stark im Innern und gefürchtet nach Außen, nicht nur frei und unabhängig von jeglichem fremden Einflusse, sondern selbst den ehemals an die stolzen Feinde gezahlten schimpflichen Tribut von den nun Ueberwundenen zurückempfangend. Ein solcher Zustand der Dinge hatte bisher noch niemals bestanden, und die Regierung Krutos ist unbedingt die glänzendste Periode in der ganzen Geschichte der slavischen Völker dieser Gegend.

Ueber die Herkunft und die frühere Stellung des Kruto haben wir kein ausdrückliches Zeugniß. Helmold nennt ihn wiederholt den Sohn des Grinus; aber wo und unter welchen Verhältnissen dieser Vater gelebt habe, das finden wir weder bei ihm, noch bei einem andern Schriftsteller dieser Zeit. Dennoch pflegt man ihn allgemein als einen Fürsten von Rügen zu betrachten, und gewiß mit zureichendem Grunde. Die Geschichte dieser Insel zu jener Zeit ist zwar durchaus dunkel, so viel aber scheint gewiß, daß das der Insel gegenüberliegende Festland bis zur untern Reknitz und Trebel von alten Zeiten her unter den rügischen Königen stand 1 ); seit also die Kissiner und Circipaner die Herrschaft der Obotriten anerkannten, d. h. seit der Mitte des 11. Jahrhunderts 2 ), grenzte das Gebiet der letztern unmittelbar mit der Herrschaft Rügen. Hier aber war von jeher der Hauptsitz des wendischen Heidenthums, und wie das Ansehen des Oberpriesters in dem berühmten Tempel Swantevits zu Arcona durch das ganze Wendenland reichte, so waren auch die weltlichen Fürsten der Insel, welchen die Slaven ausschließlich die königliche Würde zuerkannten, weithin gefürchtet und geehrt 3 ). Bei dieser Lage der Dinge scheint nichts natürlicher, als daß die Obotriten nach Ermordung und Vertreibung des einheimischen Königsgeschlechtes und der Rückkehr zum Hei=


1) Schon Adam Brem. 66 u. 225 kennt Rhuni an den Ufern der Pene in der Nachbarschaft von Demmin. Ich verweise im Allgemeinen auf Schwartz histor. finium principatus Rugiae, und Fabricius in der Einleitung zu seinem Cod. dipl. Rugiae.
2) Adam Brem. 140. Helm, I. c. 121. Vgl. Giesebrecht II. (S. 98 - 99.
3) Helm. I. c. 2 u. 36.
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denthume sich entweder unmittelbar mit ihren mächtigen heidnischen Nachbarn vereinigten, oder doch einen Sprößling der dort herrschenden Dynastie zu ihrem Oberhaupte erwählten, und nur unter dieser Voraussetzung sind die folgenden Ereignisse erklärlich. Denn Krutos Herrschaft umfaßte nicht nur das gesammte Slavenland, sondern seine Nachkommen fanden auch nach dem Verluste aller obotritischen und liutizischen Provinzen gerade auf Rügen ihre letzte Zuflucht, und behaupteten sich hier als unabhängige und selbstständige Fürsten. An eine Eroberung Rügens durch Kruto ist aber nicht zu denken, vielmehr bezeugt Helmold ausdrücklich, daß das tapfere Inselvolk niemals eine fremde Herrschaft geduldet, wohl aber viele fremde Völker die ihrige anerkannt hätten, und dies bezeugt er gerade bei Erzählung der unmittelbar auf Krutos Tod folgenden Ereignisse, mit sichtbarem Rückblick auf die Stellung eben dieses Fürsten 1 ). Somit dürften wir es als sichere historische Thatsache betrachten, daß die Insel Rügen der ursprüngliche Sitz des krutonischen Geschlechtes gewesen sei und daß dieser Fürst von hier aus durch freiwillige Unterwerfung der benachbarten Stämme sein mächtiges Reich bis an die Grenzen des nordelbischen Sachsens, dann aber auch durch seine Siege darüber hinaus bis an die Küsten des Nordmeeres ausgedehnt habe.

Es war ihm jedoch nicht vergönnt, dieses Reich auf seine Söhne zu vererben. Nachdem Heinrich, Gottschalks jüngerer Sohn, herangewachsen war, suchte er sofort die Ansprüche seines Hauses geltend zu machen. Auf dänischen Schiffen und mit Hülfe heimlicher Anhänger in der Heimath unternahm er mehrere glückliche Raubzüge an die wagrische Küste, die er allmählig weiter, wie es scheint, selbst bis zu den Inseln Rügens, ausdehnte, und zwang dadurch seinen bereits im Greisenalter stehenden Gegner zu einem friedlichen Abkommen. Kruto trat ihm einen Theil seiner Besitzungen, anscheinend in Wagrien, wo auch Buthue sich bis zuletzt gehalten hatte, ab, wogegen Heinrich sich ohne Zweifel seiner Oberherrschaft unterwarf. Kaum aber hatte dieser festen Fuß im Slavenlande gefaßt, als es ihm durch die Ränke der jungen Gemahlin des alten Helden, Slavina, gelang, sich seines, nach der wenig Vertrauen verdienenden Behauptung des treulosen Weibes, auf gleichen Verrath sinnenden Feindes gänzlich zu entledigen. Kruto fiel bei einem Gastmahle, welches sein scheinbar versöhnter Gegner auf Anstiften der Slavina in hinterlistiger Absicht veranstaltet hatte, unter dem Mordbeil eines gedungenen dänischen Sclaven, und Heinrich, im Besitze des


1) Helmold a. a. O.
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Ehebettes des gemordeten Königs, setzte sich mit Hülfe der unterdrückten Sachsen auch in Besitz der zunächst belegenen obotritischen Provinzen.

Auf diese Nachricht erhoben sich mit gerechter Entrüstung alle entfernter wohnenden Slaven im Osten und Süden, und wie vor 27 Jahren, ward auch diesmal ein entschiedener Christenfeind durch einstimmige Wahl auf den erledigten Thron berufen. Dieser säumte auch nicht, sofort mit einem zahlreichen Heere, welchem sich ohne Zweifel auch die Obotriten anschlossen, in Polabien einzudringen. Heinrich vermochte nicht zu widerstehen, sondern floh bestürzt zum Herzoge Magnus von Sachsen, seinem mütterlichen Verwandten, indem er ihm zum Lohne für den erbetenen Schutz Treue und Gehorsam gelobte. Inzwischen waren auch die Stormaren, Dithmarsen und Holsteiner zum Schutze der aufs neue bedrohten Freiheit zu den Waffen geeilt, und Magnus, anscheinend gerade am rechten Ufer der Elbe anwesend, stellte sich persönlich an die Spitze der kampfbegierigen Schaaren. Auf der smilower Haide kam es im Jahre 1093 zur Schlacht, in welcher dieWenden eine entscheidende Niederlage erlitten. So ward noch ein Mal, und wieder durch sächsische Waffen, die Herrschaft des alten verhaßten Königsgeschlechtes hergestellt. 1 )

Den Namen des heidnischen Gegenkönigs nennt Helmold nicht, sein Geschlecht aber kann auch ohne ausdrückliches Zeugniß nicht zweifelhaft sein. Kruto nämlich war, wie wir später erfahren, nicht ohne Söhne gestorben, vermuthlich in einer frühern Ehe erzeugt. Noch aber waren die ruhmvollen Thaten des Vaters im frischen Gedächtniß, und die jedes menschliche Gefühl empörende Art seines Todes mußte nothwendig sein Leben mit neuem Glanze umhüllen, dem Glanze des Märtyrerthums für die Sache seines Volkes. Wenn die Söhne Krutos daher nicht gezaudert haben werden, sich an die Spitze der schnell versammelten kriegerischen Jugend zu stellen, um die Freiheit des Vaterlandes zu retten und zugleich den Tod des Vaters zu rächen, so konnte in diesem Augenblicke auch in der Versammlung der Großen die Wahl des neuen Oberhauptes nicht im mindesten schwanken. Die Schlacht auf der smilower Haide war also sicher nur der Anfang des Kampfes, dessen Helmold freilich erst bei einer spätern speciellen Veranlassung gelegentlich gedenkt, des Kampfes um die Herrschaft zwischen den Geschlechtern Krutos und Gottschalks, welcher erst nach Verlauf von mehr als 50 Jahren mit dem völligen Untergange des letztern endigte. 2 )


1) Helm., c. 34. Ann. Saxo und Annal. Hildesh. ad a. 1093.
2) Helmold, a. a. O., berichtet die Wahl des Gegenkönigs mit folgenden Worten: Audientes ergo universi Slavorum populi, ii videlicet, qui habitabant (  ...  )
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Durch die Niederlage bei Smilow war nämlich zunächst nur der Verlust der obotritischen Gaue entschieden, während die östlicheren Stämme, namentlich Rügen, von welchen die Bewegung ausgegangen war, unter unabhängigen Fürsten aus Krutos Geschlecht die alte Freiheit behaupteten und in ihrer feindlichen Stellung gegen Heinrich beharrten. Ueber die Einzelnheiten des Kampfes in der nächsten Zeit sind wir nicht unterrichtet, aber im Jahre 1110 oder 1111 erschien plötzlich eine rügische Flotte im Hafen von Lübeck, Heinrichs Residenz, nicht zu einem vorübergehenden Raubzuge, sondern zur Eroberung des Landes, indem sie ganz Wagrien und selbst Nordalbingien als ihr Besitzthum betrachteten, wozu sie sich augenscheinlich nur durch die Erbansprüche ihres Königs berechtigt halten konnten 1 ). Heinrich aber fand abermals nur Rettung in der Flucht zu den befreundeten Sachsen, durch deren Tapferkeit er am 1. August einen entschiedenen, in der bedrängten Stadt noch in spätern Zeiten gefeierten Sieg erfocht, und noch heute zeigt man den Hügel, welcher die Leichen der erschlagenen Rügen deckt. Der Muth und die Kraft des Volkes und ihres Fürsten war aber dadurch nicht gebrochen. Schon im folgenden Jahre 1112 fand Waldemar, einer von Heinrichs Söhnen, seinen Tod in dem an der Ostgränze fortdauernden Kampfe, und nun erst beschloß Heinrich, in Verbindung mit dem Grafen Adolph von Holstein, den unversöhnlichen Feind in seinem eignen Gebiete anzugreifen.

Im Winter des Jahres 1113 drang er mit einem unermeßlichen Heere, die schwierigen Pässe an den sumpfigen Ufern der Reknitz und Trebel umgehend, verheerend über die Pene vor


(  ...  ) ad orientem et austrum, quod surrexisset inter eos princeps, qui dicat subjacendum christianis legibus et tributa principibus solvenda, vehementer indignati sunt, conveneruntque omnes una voluntate et eadem sententia, ut pugnarent adversum Henricum, et statuerunt in locum ejus, qui erat christicolis oppositus omni tempore. Der letzte Satz: qui erat (nicht esset) bezieht sich offenbar auf eine bestimmte Person, so daß man fast eine Lücke im Texte vermuthen möchte. Vergleicht man damit c. 25: At illi unanimiter refragari coeperunt, secuti Crutonem, filium Grini, qui erat inimicitias exercens adversus christianum nomen, - so könnte man versucht sein, in dem obigen Satze geradezu "filium Crutonis" zu ergänzen. - Des Streites um die Herrschaft zwischen den beiden Geschleschtern erwähnt Helmold erst bei dem dritten Ueberfalle Lübecks, c. 55. Es kann aber wohl Niemandem einfallen, seine ganz allgemein gehaltenen Worte auf dies eine Ereigniß beschränken zu wollen. Vgl. unten S. 21, Note 2.
1) Helm., c. 36: (Rugiani) ergo, dominationis libidine provocati, venerunt Lubeke, veluti possessuri omnem Wagirensium et Nordalbingorom provinciam. Vielleicht hing schon der unmittelbar vorhergehende Aufstand der Slaven und der Heereszug Lothars, Herzog von Sachsen, über die Elbe im Jahre 1110 hiemit zusammen. Ann. Hil esh. u. Ann. Saxo ad h. a. Wegen der Zeitrechnung verweise ich hier und in andern Fällen im Allgmeinen auf Giesebrechts treffliche Wendische Geschichten.
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und eroberte Wolgast. Hier vereinigte sich, auf demselben Wege heranziehend, das sächsische Heer mit den slavischen Schaaren, worauf Heinrich und Adolph, den gefrornen Bodden überschreitend, in die geheimnißvolle Insel eindrangen, die Sachsen an der Spitze, denn Heinrich wußte sehr wohl, wie wenig er in dem unnationalen Kriege seinen Wenden vertrauen dürfe. 1 ) Hier traf er alsbald auf das rügische Heer; zur Schlacht jedoch kam es nicht. Die Rügen wichen der Uebermacht und versprachen Unterwerfung und Tribut; die Verbündeten aber, ringsum vom Meere umgeben, den Feind im Angesicht und im Rücken, 2 ) kannten die Gefahr ihrer Stellung zu wohl, als daß sie das Anerbieten zurückzuweisen gewagt hätten. Kaum aber hatte das feindliche Heer die Insel geräumt, als die Rügen nicht mehr an die Erfüllung des abgedrungenen Versprechens dachten. So ward schon im folgenden Winter 1114 ein zweiter Feldzug nöthig, der selbst dem Herzoge Lothar wichtig genug erschien, daß er sich persönlich an die Spitze des Heeres stellte. Diesmal wählte man den nähern Weg durch das Gebiet der Circipaner, aber schon hier stellte sich ein slavischer Häuptling, Dumar, mit seinem Sohne dem Herzoge feindlich entgegen und suchte den Durchweg zu hindern. Er ward unterworfen, und zum zweiten Male trug die Eisbrücke ein sächsisches Heer nach der Insel hinüber, deren Fürst nochmals Unterwerfung geloben und seinen Bruder als Geißel stellen mußte. Schon nach drei Tagen kehrte das Heer zurück, weil die Eisdecke unsicher ward. Der Krieg aber dauerte auch in den folgenden Jahren fort, während Lothar durch seine Fehde mit dem Kaiser vom Schauplatze fern gehalten ward, und Heinrich erlebte das Ende desselben nicht. 3 )

Diese Feldzüge setzen außer allem Zweifel, daß die Herrschaft des immer noch ungenannten Inselkönigs sich fortwährend über das ganze Küstengebiet erstreckte, und selbst Circipanien erst 1114, vielleicht nur vorübergehend, unterworfen ward. Heinrich aber fand 5 Jahre nach dieser Zeit, am 26. März 1119, einen gewaltsamen Tod, und alsbald lö'ste sich das durch fremde Hülfe mühsam zusammengehaltene Reich in innerer Zwietracht auf.


1) Helmold, c. 38: Licet enim Slavorum multus esset numerus, Henricus tamen se non credebat eis, eo quod ipse nosset omnes.
2) Ecce mare undique conclusi sumus, hostes ante nos, et hostes post nos, periitque a nobis fugae praesidium, läßt Helmold einen Kundschafter Heinrichs sagen, nicht "rednerisch unwahr", wie Giesebrecht a. a. O., II., S. 199 meint, denn auch der Saum des Festlandes war feindlich.
3) Helm., c. 38, Ann. Corbej. Und Ann. Saxo ad a. 1114. Wegen der Fortdauer des Kampfes insbesondere Helm. 1. 1. in fine: Contigitque ut imperfectis rebus revertenles marina pericula vix evaserint, et non adjecerunt Saxones ultra intrare terrm Ranorum, eo quod Henricus modico supervivens tempore, morte sua controversiae finem dedit.
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Seine Söhne, Suentipolk und Kanut, stritten um die Herrschaft, und als sie endlich, durch die Vermittelung des Grafen Adolph von Holstein ausgesöhnt, eine Theilung beschlossen, da hatten sich inzwischen die meisten, nur mit Widerwillen gehorchenden Stämme dem Joche des verhaßten christlichen Herrschergeschlechtes entzogen 1 ). Zu den abgefallenen gehörten aber, wie die folgenden Ereignisse beweisen, namentlich auch die eigentlichen Obotriten mit den angrenzenden Kissinern, so daß außer Wagrien, dem bisherigen Schauplatz des Bruderkampfes, höchstens noch Polabien zur Theilung übrig blieb, der ganze Küstenstrich aber von Wismar bis an die rügische Grenze an der Mündung der Reknitz außer dem Bereiche der Brüder lag. Von wo diese nationale Bewegung ausgegangen war, wer an der Spitze derselben stand und in dem abgefallenen Gebiete an Heinrichs Stelle getreten war, das sagt uns abermals Niemand, aber nach dem bisherigen Gange der Ereignisse scheint es auch diesmal kaum eines ausdrücklichen Zeugnisses zu bedürfen, um uns den Zusammenhang erkennen zu lassen. Wir sind berechtigt, vorauszusetzen, daß die rügischen Fürsten, welche bei Heinrichs Tode annoch unter den Waffen standen, die Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer seit einem Vierteljahrhundert mit unermüdeter Ausdauer verfolgten Ansprüche auf den Thron ihres Ahnherrn Kruto nicht unbenutzt gelassen haben werden, und wirklich sehen wir sie auch in den nun folgenden Wirren namentlich hervortreten.

Die Versöhnung der feindlichen Brüder war nämlich nur scheinbar. Bald fiel der jüngere, Knud, durch Meuchelmord, allem Anscheine nach durch die Hand oder doch auf Anstiften Suentipolks, welcher nun im alleinigen Besitze des noch übriggeblieben Reiches sich sofort auch zur Wiedereroberung der abgefallenen Provinzen rüstete. Im Jahre 1121 unternahm er zu diesem Zwecke, von dem Grafen Adolph von Holstein, oder nach einer andern Quelle vom Herzoge Lothar selbst unterstützt, einen Heereszug gegen die Obotriten und Kissiner, dessen Erfolg jedoch sehr zweifelhaft scheint, auf jeden Fall aber vorübergehend war. Die Stadt Werle ward erobert und nach fünfwöchentlicher Belagerung auch Kissin zur Uebergabe gezwungen; weiter aber verfolgten die Verbündeten ihren Sieg nicht, sondern kehrten mit Beute und Geißeln, wie es heißt, nach Lübeck zurück 2 ), wo die Slaven bald darauf den Besuch in gleicher Weise erwiederten. Im Jahre 1124 erschien nämlich die rügische Flotte


1) Helmold, c. 46: Filii Henrici - - - intestinis bellis adeo perturbati sunt, ut tranquillitatem temporum et tributa regionum perderent, quae pater eorum armorum virtute conquisierat. Vgl. auch c. 48.
2) Helmold, c. 48 u. Ann. Saxo ad a. 1121.
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zum zweiten Male vor Lübeck, Stadt und Burg wurden durch Ueberfall erobert, und kaum retteten sich die durch den frommen Apostel der Wenden mit Suentopolcks Bewilligung dorthin gesendeten Priester durch eilige Flucht in die benachbarten Wälder, von wo sie zu ihrem Meister nach Faldera zurückkehrten. 1 )

Was hierauf aus den Siegern geworden sei, verschweigt Helmold. Wenn aber nicht Alles trügt, so giebt uns eine andere, bisher nicht verstandene Quelle unerwarteten Aufschluß über den Umfang und die wichtigen Folgen dieses Ereignisses.

Nach einer polnischen, so wie sie uns überliefert ist, allerdings räthselhaften Sage, lebte um diese Zeit an dem Hofe des Herzogs Boleslav von Polen ein Jüngling von vornehmer, wie es heißt, dänischer Abkunft, Piotrek, d. h. Peter, genannt, welcher sich durch hohen Geist, Tapferkeit und strenge Sitten sehr bald die Achtung der polnischen Großen und das volle Vertrauen des Herzogs erwarb. Während seines Aufenthalts in Polen ward der König von Dänemark, Heinrich, durch seinen Bruder, Abel, ermordet, weshalb Peters Vater, Suantoslav, welcher den Schatz des ermordeten Königs in seinem Verwahrsam hatte, den Sohn durch geheime Boten aufforderte, ihm zur Bergung des Schatzes behülflich zu sein, damit derselbe nicht in die Hände des Brudermörders falle. Peter seiner Seits wendet sich an den Herzog, und dieser versammelt sofort im Frühjahr 1124 eine Flotte in den Mündungen der Weichsel, mit welcher sich die Schiffe anderer benachbarter Seestädte vereinigen, und auf welcher der Herzog in Begleitung des Peter nach Dänemark übersetzt. Hier vom Volke als Befreier begrüßt, gelingt es ihm leicht, den Brudermörder aus dem Lande zu jagen und ganz Dänemark zu erobern. Unterdeß hatte Peter mit Hülfe seines Vaters den königlichen Schatz glücklich geborgen, worauf Boleslav die eroberten Städte an die Großen des Reiches zurückgiebt, und nachdem er diese zur Wahl eines andern legitimen Königs veranlaßt hat, nach Polen zurückkehrt. 2 )


1) Helmold, a. a. O. Das Jahr ist nicht angegeben. Vicelin erschien aber erst nach dem erwähnten Heereszuge von 1121 in Lübeck, um die Erlaubniß zur Entsendung einiger Priester, welche demnächst nach Lübeck gingen, dort den christlichen Gottesdienst einrichteten und schon einige Zeit daselbst gewohnt hatten, als die Stadt von den Rügen überfallen ward, zu erwirken. Darüber werden wenigstens drei Jahre verlaufen sein. 1125 aber ward das Kloster zu Faldera gestiftet welches nun Neumünster hieß. Helm., c. 93. AIb. Stad. 1125. Vgl. Giesebrecht II. S. 299.
2) Boguphal († 1253) Chron. Polon., bei Sommersberg rer. Silesiacar. Scr. II, p. 36, und Dlugoss, histor. Polon. (ed. ab Huysen. Lips. 1711) IV. p. 420 sqq. 435. 439 u. V. p. 462. Beider Quelle sind die leider verlornen gesta Pyotrkonis. - Erst nachdem diese Abhandlung zum Drucke fertig war, ward es mir möglich, J. G. Worb's neues Archiv für die Geschichte Schlesiens, (  ...  )
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Daß nun diese Ereignisse nicht in Dänemark vorgegangen sind, wie die Sage meldet, ist völlig klar. In der ganzen dänischen Geschichte kommt kein König Heinrich vor, und der Brudermörder Abel lebte 100 Jahre nach dieser Zeit. Auch weiß keine dänische Geschichtsquelle irgend etwas von einer polnischen Landung, am wenigsten einer fremden Eroberung des Reiches. Dagegen weis't schon der Name des Vaters unsers jungen Abenteurers, Suantoslav, auf ein slavisches Land, als den Schauplatz der Ereignisse hin, und der ermordete König Heinrich ist offenbar kein anderer, als Heinrich der Obotrite. Daß die vorübergehende Erscheinung eines von Dänemark aus, durch den in der Heimath der Mutter erzogenen Sohn einer dänischen Königstochter gegründeten christlich=wendischen Reiches, dessen Krone nach wenigen Jahren wirklich auf Dänemark vererbte, daß diese Erscheinung von dem polnischen Berichterstatter unrichtig aufgefaßt und der König Heinrich als ein dänischer Theilkönig betrachtet wird, scheint sehr begreiflich. In dem weitern Verlaufe der Erzählung aber ist der brudermörderische Zwist der Söhne Heinrichs auf diesen selbst übertragen, die Rolle des Brudermörders aber dem Beschützer Suentipolks, dem Grafen Adolph von Holstein, zugetheilt, welchen Peter allerdings als den eigentlichen Herrn des Landes angetroffen haben wird. Der Name Abel scheint nämlich eine bloße Verwechselung mit der dem Polen unbekannten niederdeutschen Form Alf, oder Alph, zu sein, wie z. B. in den lübischen Chroniken unser Graf Adolph stets genannt wird.

Boleslav war übrigens grade in dem gedachten Frühjahr in seiner Haupstadt Gnesen mit der Ausrüstung des Bischofs Otto von Bamberg zu der Mission nach dem bereits 1121 eroberten Pommern beschäftigt und hat schwerlich selbst an dem Zuge Theil genommen. Dies darf man schon daraus mit Sicherheit schließen, daß nicht er, sondern Peter in dem vollen Besitze des geraubten Schatzes blieb, von welchem er zur Sühne seines Frevels der Sage nach 77 Kirchen erbaute und große Besitzungen ankaufte, so daß Boleslav den nunmehrigen Grafen von Sczryn nicht zu gering achtete, ihn mit einer nahen Verwandten seiner eignen Gemahlin, der Prinzessin Maria, Tochter eines ruthenischen Fürsten, zu vermählen. Auch ist von einer polnischen Flotte um


(  ...  ) worauf ich durch Giesebrecht II, S. 261, Anm. 2, aufmerksam gemacht war, einzusehen. Zu meiner nicht geringen Ueberraschung finde ich daselbst Th. II, S. 39 ff. (1824) im Wesentlichen bereits dieselbe, hier ausgesprochene Ansicht über Peter den Dänen vorgetragen. Der Verfasser macht zugleich auf den Bericht des Mönches Ortlieb aufmerksam, welcher 1140 eine Reise nach Polen machte und den regierenden Fürsten in der Heimath Peters (hier Patricius genannt) als quendam Polonorum tyrannum, also als slawischen, nicht dänischen König bezeichnet. Arsenii Sulgeri Ann. Zwifalt. I. p. 98 - 105.
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diese Zeit sonst nichts bekannt, vielmehr kann dieselbe nur aus pommerschen und rügischen Fahrzeugen bestanden haben, so daß der ganze angebliche polnische Seezug als völlig identisch mit der in dieselbe Zeit fallenden Landung der Rügen bei Lübeck erscheint.

So hätten wir denn in diesem polnischen Berichte ein höchst wichtiges directes Zeugniß, daß der Erfolg dieser Unternehmung gegen Lübeck sich nicht auf die Eroberung und Plünderung der Stadt beschränkte, sondern einen Aufstand der slavischen Bevölkerung der Umgegend zur Folge hatte, welcher mit der Vertreibung Suentipolks und der Einsetzung eines neuen nationalen Königs endete, über dessen Geschlecht und Herkunft nach dem Zusammenhange der Ereignisse kein Zweifel obwalten kann. Wirklich berichten auch die gleichzeitigen deutschen Annalen, in vollkommener Uebereinstimmung hiemit, eine Schilderhebung der Slaven, welche den Herzog Lothar in dem folgenden Jahre 1125 zu einem Heereszuge über die Elbe nöthigte, von dem er jedoch unverrichteter Sache zurückkehrte 1 ). Während dieser Wirren wird denn auch Suentipolk seinen Tod gefunden haben, welchen Helmold unmittelbar nach der Eroberung Lübecks erichtet. Er ward von einem Holsteiner, Daso, erschlagen, und sein einziger Sohn, Suinike, floh, vermuthlich mit dem abziehenden sächsischen Heere, nach Ertheneburg, wo er bald darauf, der letzte aus Heinrichs Geschlecht, gleichfalls einen gewaltsamen Tod fand 2 ).

Unmittelbar nach diesen Ereignissen treten nun Pribislav, Buthues Sohn, und Niclot , der Stammvater unsers erlauchten Fürstengeschlechtes 3 ), als Kronprätendenten hervor. Ersterer, nach Suentipolks und Suinikes Tode der einzige noch lebende Sprößling der alten Dynastie, suchte natürlich die nun auf ihn vererbten Ansprüche seines Hauses geltend zu machen; wer kann daher Niclot, den wir bei seinem ersten Auftreten an der Spitze der Obotriten finden, anders gewesen sein, als ein Sprößling des krutonischen Geschlechtes, welches seit dem Tode seines Ahnherrn von seiner heimathlichen Insel aus in ununterbrochenem Kampfe um die Herrschaft beharrte, neuerdings aber durch die Eroberung der feindlichen Hauptstadt und die Vertreibung Suentipolks seine Anerkennung selbst in Wagrien, der äußersten westlichen Provinz des alten obotritischen Reiches, erzwungen hatte?


1) Ann. Saxo ad a. 1125: Eodem anno dux Liuderus contra Slavos trans Albiam ivit, sed inacte rediit.
2) Helmold a. a. O.
3) Helmold schreibt stets Niclotus; ebenso nennt Arnold, Lubec, seinen Enkel, Wartislavs Sohn, und auch das Chron, Mont. Sereni hat: Nicoloth, Saxo Gram, dagegen: Nucletus, Annal. Bosow.: Niuclat, Chronogr. Saxo: Niuklath, Knytl. Saga; Miuklat, und noch Boguphal: Mikkol und Mykel. Man hielt den heidnischen Namen dem christlichen Nicolaus entspechend.
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Und diese sich so natürlich darbietende Vermuthung scheint durch die Stellung Niclots in der folgenden Zeit vollkommen bestätigt zu werden.

Der Herzog Lothar war bald nach seiner Rückkehr von dem fruchtlosen Heereszuge über die Elbe am 24. Aug. 1125 durch die Wahl der Fürsten zum Oberhaupte des Reiches erhoben, und die Sorgen dieser neuen, schwierigen Stellung, welche ihn namentlich sofort in eine schwere Fehde mit dem Hohenstaufen Friedrich, Herzog von Schwaben, verwickelte, ließen ihn nicht daran denken, die Unruhen im Wendenlande durch bewaffnetes Einschreiten zu unterdrücken. Gleichwohl war der Zustand der Dinge ohne Zweifel höchst bedenklich, da durch die Wiederherstellung des wendischen Reiches unter einem einheimischen heidnischen Fürsten offenbar selbst die sächsischen Provinzen nördlich von der Elbe auf's Neue bedroht waren. Da trat Knud Laward, Herzog von Schleswig, ein Vetter Heinrichs des Obotriten von mütterlicher Seite, neben Pribislav und Niclot als dritter Bewerber um die obotritische Königskrone auf, die ihm Heinrich selbst, mit Uebergehung der eigenen Söhne, zugesichert haben soll, und suchte die Anerkennung des ihm befreundeten Königs nach. Gegen reiche Geldgeschenke erreichte er, was er in diesem Augenblicke wahrscheinlich auch ohne dieselben erreicht haben würde: Lothar setzte ihm selbst die Krone aufs Haupt, und Knud empfing das Reich als Lehn des Königs 1 ).

Nach seiner Rückkehr aus Deutschland machte denn Knud auch sofort Anstalt, sein neues Königreich in Besitz zu nehmen, wobei ihm die Holsteiner, deren Graf Hartung, Adolphs Sohn, grade damals mit Lothar in Böhmen war, bereitwillig halfen. Von dem befestigten Alberg in Wagrien aus beherrschte er bald die umliegende Gegend, und drang dann, alles vor sich niederwerfend, was Widerstand leistete, weiter in das Gebiet der Obotriten vor, wobei seine beiden Gegner, Niclot und Pribislav, das Unglück hatten, in Gefangenschaft zu gerathen. Dieses gemeinschaftliche Schicksal hat bei den Neuern die Meinung erzeugt, als ob diese Fürsten dem Knud als Bundesgenossen gegenüber gestanden hätten; davon aber sagt Helmold kein Wort, und nach


1) Helmold c. 49. Giesebrecht a. a. O. II, S. 216, nimmt an, daß Knud schon vor der Wahl Lothars zum deutschen Könige als König der Wenden gekrönt sei, weil Graf Adolph von Holstein nach Helwold damals nicht mehr gelebt habe, sein Tod aber vor 1125 erfolgt sei. Helmold sagt das aber nicht. Er berichtet den Tod Adolph allerdings nach der Krönung Knuds, aber mit der allgemeinen Zeitbestimmung: in diebus illis, was sehr wohl auf die kurz vorhergegangene Zeit zurückweisen kann. Dagegen nennt er den Lothar ausdrücklich imperator, und die Handlung selbst spricht entschieden gegen Giesebrecht, was dieser auch, S. 217, Not. 1, selbst fühlt.
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Lage der Sache ist vielmehr wahrscheinlich, daß grade der fortdauernde innere Zwiespalt im Wendenlande den Sieg des gemeinschaftlichen Gegners erleichtert haben wird. Sie wurden in Ketten nach Schleswig abgeführt, wo sie wahrscheinlich bis Knuds Tod im Kerker schmachteten; wenigstens gelangten sie nicht früher wieder zu dem Besitz ihrer Herrschaft. Wie weit Knud seinen Sieg verfolgt und die Grenzen seines Reiches ausgedehnt hat, wissen wir nicht; die gelegentliche Aeußerung des Saxo grammaticus, daß derselbe ein Freund des Fürsten Wartislav von Pommern gewesen sei, läßt indeß allerdings vermuthen, daß auch die Kissiner und Circipaner bis zur Reknitz, Trebel und Pene seine Herrschaft anerkennen mußten. Weiter aber ging diese auch sicherlich nicht, und namentlich wußten sich die Rügen auch jetzt die alte Unabhängigkeit unter dem einheimischen Fürstengeschlechte zu bewahren 1 ).

Auch Knuds Reich war nur von kurzer Dauer. Er fiel am 8. Jan. 1131 von der Mörderhand seines Vetters Magnus, Sohnes des Königs Niels, wodurch endlich der Kerker unserer Wendenfürsten geöffnet ward. Auf die Nachricht von Knuds Ermordung unternahm nämlich Lothar noch in demselben Jahre eine Heerfahrt nach Dänemark, um den Tod seines Vasallen und Freundes zu rächen und das Ansehen des Reiches zu erhalten. Magnus rückte ihm mit einem mächtigen Heere entgegen und scheint zugleich die gefangenen Wendenfürsten in ihre Heimath entlassen zu haben, um seinen Feind zugleich im Rücken zu beunruhigen. Hiedurch ward Lothar gezwungen, den Frieden zu bewilligen. Magnus büßte den Mord des Knud durch große Geldsummen und ward dagegen vom Kaiser mit dem erledigten Obotriten=Reiche belehnt. Hierauf wandte sich Lothar gegen die empörten Wenden, welche, leicht besiegt, das Abkommen mit Dänemark anerkennen mußten. Das Land ward zwischen Niclot und Pribislav getheilt, so daß ersterer das alte Gebiet der Obotriten und Kissiner, dieser Wagrien und Polabien erhielt. Beide aber mußten Bürgschaft ihrer Treue stellen und die Verwaltung ihrer Provinzen als dänische Statthalter geloben. So wenigstens scheint sich der Zusammenhang der Dinge aus der Vergleichung der verschiedenen dänischen und deutschen Berichte herauszustellen 2 ).


1) Dies ergiebt sich namentlich aus den Berichten über die Mission des Bischofs Otto. Vgl. Giesebrecht.
2) Saxo Gr. XIV. (ed. Stephan.) p. 242. Helmold c. 50 und die deutschen Analisten. Der Befreiung der beiden Wendenfürsten erwähnt Helmold zwar vorgreifend schon c. 49 bei Gelegenheit ihrer Gefangennehmung und strengen Haft in Schleswig: quousque pecunia et vadibus redempti, ea, quae subjecta sunt, sentirent. Das Nähere berichtet er aber erst c. 52: Postquam ergo mortuus est Kanutus - - rex Obotritorum, successerunt in locum (  ...  )
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Magnus konnte indeß bei den unaufhörlichen innern Unruhen Dänemarks nicht daran denken, seine Oberherrschaft über das Wendenland geltend zu machen, und nach seinem und seines Vaters, des Königs Niels, fast gleichzeitigem Tode, 1135, entbrannte ein neuer Bürgerkrieg, welcher Dänemark an den Rand des Verderbens führte. Indeß scheint die Furcht vor den Sachsen und dem Schwerte des mächtigen Kaisers, welcher um diese Zeit mehrmals persönlich in Nordalbingien erschien und zur Unterdrückung des Heidenthums selbst in den slavischen Ländern sehr bedenkliche Anstalten traf 1 ), so wie die drohende Stellung Boleslavs von Polen an der untern Oder, die wendischen Fürsten noch eine Zeit lang zur Einigkeit gezwungen zu haben. Kaum aber war der Kaiser am 3. Decbr. 1137 und in dem Jahre darauf auch der Herzog von Polen gestorben, als der alte Groll aufs Neue in offenem Kampfe ausbrach und nur mit Pribislavs völliger Vernichtung endete.

Im Sommer 1138 erschien zum dritten Male eine rügische Flotte unter Anführung des Fürsten Race , welcher ausdrücklich ein Nachkomme Krutos genannt wird, um den Pribislav, den Erbfeind seines Geschlechtes, in dessen Hauptstadt Lübeck aufzusuchen 2 ). Die Stadt ward in Abwesenheit des Pribislav von Grund aus zerstört und die Umgegend weit und breit verwüstet. Niclot dagegen, der nächste Nachbar der Rügen, ward in keiner Weise beunruhigt, sondern scheint den Ueberfall Lübecks vielmehr direct unterstützt zu haben. Helmold erwähnt zwar seines Verhaltens überall nicht, aber wie bei den frühern, ähnlichen Ereignissen läßt er auch hier den weitern Verlauf der Dinge überhaupt nur errathen, denn auch Races weiteres Schicksal und der Erfolg seines Sieges wird mit völligem Schweigen übergangen. Der fromme Pfarrherr läßt den vom Teufel besessenen Heiden mit Abscheu auf den Trümmern Lübecks zurück


(  ...  ) ejus Pribizlaus atque Niclotus, bipartito principatu, uno scilicet Wagirensium atque Polaborum, altero Obotritorum provinciam gubernante. Den Ausdruck: ea quae subjecta sunt sentire, gebraucht Helmold noch einmal c. 92 bei Gelegenheit der Einsetzung des Lubimar als sächsischen Statthalters in Werle, und in demselben Sinne begegnet der Ausdruck bei seinem Fortsetzer Arnold. Lubec. II, c. 27. - Des Aufstandes der Slaven im Rücken des kaiserlichen Heeres gedenkt Ann. Saxo ad a. 1131. Daß dies mit der Freilassung des Niclot und Pribislaus zusammenhing und auf des Magnus Anstiften geschah, scheint aus den Verhältnissen zu folgen. Ueber die Belehnung des Magnus mit dem Obotriten=Reiche vgl. Giesebrecht II, S. 335 - 336.
1) Helmold c. 53. Alb. Stad. ad a. 1134.
2) Helm. C. 55. Non multo post venit quidam Race de semine Crutonis cum classica manu, arbitratus se hostem suum Pribizlaum reperturum Lubeke. Duae enim cognationes, Crutonis atque Henrici (rect. Godescalci), propter principatum contendebant. - Der Name Race ist identisch mit Ratislav, Wratislav, Wartislav wie Tece mit Tetislav, Tetzlav.
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und wendet sich mit den fliehenden Priestern zu den geheiligten Mauern Neumünsters; als er sich aber endlich der Vorgänge außerhalb der Klostermauern wieder erinnert, da ist Race und mit ihm zugleich Pribislav völlig verschwunden. Aber die entfesselten Wenden durchstreifen verwüstend das Land im offnen Kriege mit den Sachsen, welche auch unter sich zerfallen um die holsteinsche Grafenwürde streiten, dennoch aber noch im Winter 1138 - 39 ganz Wagrien erobern und selbst Polabien als sächsische Provinz behandeln. Kein Wort verräth uns, wer die Wenden in diesem unglücklichen Kampfe geführt und wie weit sich diese Bewegung erstreckt habe; als aber im folgenden Jahre endlich der Friede unter den streitenden Grafen, Adolph II. von Schauenburg und Heinrich Badewide, hergestellt war, da wurden sofort auch mit Niclot, dem Fürsten der Obotriten, Verhandlungen eingeleitet. Mit seiner Genehmigung wurden Wagrien und Polabien theils zu Holstein geschlagen, theils zu einer abgesonderten Grafschaft erhoben und das verödete Land mit deutschen Colonisten bevölkert, die Ueberreste der Slaven aber auf das Gebiet von Aldenburg und Lütkenburg beschränkt, wo sie forthin, zwar unter sächsischer Oberherrschaft, aber doch mit einem einheimischen heidnischen Fürsten erscheinen, und dieser Fürst war Rochil, gleich Race ein Nachkomme Krutos, ohne Zweifel Races Sohn 1 ).

Dieser Ausgang läßt die Stellung Niclots zu den Rügen und dem dort herrschenden Fürstengeschlechte deutlich genug erkennen. Auch in den folgenden Zeiten findet sich keine Spur, daß die letztern ihre Ansprüche auch auf die unter Niclot stehenden obotritischen Provinzen ausgedehnt hätten, vielmehr ist der fast hundertjährige Kampf der beiden Dynastien mit Pribislavs Fall plötzlich erloschen und fortan herrscht zwischen allen slavischen Stämmen längs der ganzen Küste von Rügen bis zur sächsischen Grenze das vollkommenste Einverständniß. Diese Einigkeit bewährt sich namentlich auf das glänzendste bei Gelegenheit des furchtbaren Kreuzzuges, welcher im Jahre 1148 die Freiheit des Wendenlandes, ja selbst die Existenz des Volkes auf immer zu vernichten drohte. Der Hauptstoß des mächtigen deutschen Heeres, mit welchem der junge Löwe, Herzog Heinrich von Sachsen,


1) Helm. c. 55 - 57; wegen des Friedens mit Niclot insbesondere c. 57, §. 5, und wegen der Slaven in Aldenburg und ihres Fürsten Rochil (princeps terrac, qui fuerat de semine Crutonis) c. 69, §. 15 (1150). - Der später c. 82 u. 83 genannte regulus Pribizlav kann unmöglich noch der Sohn Buthues sein. Die hier geschilderten Ereignisse fallen in das Jahr 1156, Pribislav benimmt sich aber nicht als ein 85= bis 90= jähriger Greis. Vielleicht war er ein Bruder des gleichfalls nicht wieder vorkommenden Rochil.
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nebst den übrigen Fürsten aus dem Norden und Süden Deutschlands zum ersten Male den slavischen Boden betrat, war gegen unsern Niclot gerichtet, welcher bei dieser Gelegenheit die ganze Stärke seines heldenmüthigen Geistes entwickelte. Aber die feindliche Uebermacht war allzubedeutend, und schon sah Niclot, durch das Kreuzheer in seiner Feste Dobbin eingeschlossen und zugleich durch die dänische Flotte vom Meere abgeschnitten, seinem unvermeidlichen Untergange entgegen, da erschien wiederum die wohlbekannte rügische Flotte, aber dies Mal nicht in eroberungssüchtiger Absicht, sondern zum Entsatze des bedrängten Bundesgenossen. Während die dänischen Schiffe im Hafen von Wismar überfallen wurden, machte auch Niclot einen glücklichen Ausfall und erzwang so durch die kräftige Hülfe des befreundeten Inselfürsten einen günstigen Frieden 1 ).

Nicht minder bereitwillig zu schleuniger, erfolgreicher Hülfe zeigte sich der rügische Fürst bei der zweiten Heimsuchung des Wendenlandes durch das vereinigte sächsische und dänische Heer unter Herzog Heinrich und König Waldemar im J. 1161. Niclot hatte seine Burgen Schwerin, Meklenburg, Ilow und Dobbin den Flammen preisgegeben und sich hinter die schützende Warnow in die kissinischen und circipanischen, mit großen Wäldern bedeckten Landschaften zurückgezogen und unternahm von der festen Burg Werle aus glückliche Streifzüge gegen das sächsische Lager bei Meklenburg. Auf einem dieser Züge ließ sich der greise Held durch seinen Kriegsmuth zu weit fortreißen und fiel in einen sächsischen Hinterhalt, wo er nach tapferer Gegenwehr einen rühmlichen Tod fand. Hierauf gaben seine Söhne Pribislav und Wartislav auch Werle auf, brachten ihre Familien zur See in Sicherheit, ohne Zweifel nach Rügen und zogen sich tiefer in die Wälder zurück. Inzwischen war die dänische Flotte, welche bisher bei Pöl im Hafen von Wismar gelegen hatte, weiter nach Osten in die Mündung des Gudakra gesegelt, um die feste Stellung der Wenden im Rücken zu bedrohen, während das sächsische Heer gleichzeitig gegen die Warnow vorrückte. Schon hatten sich beide Heere bei Rostock vereinigt, da ward den bedrängten Wenden nochmals durch eine rügische Flotte Rettung gebracht. Waldemar, die Gefahr erkennend, in dem Hafen von Gudakra abgesperrt zu werden, zog seine Landungstruppen eilig zurück und segelte der feindlichen, in der Mündung des Swölder versammelten Flotte entgegen. Herzog Heinrich, plötzlich von seinem Bundesgenossen verlassen, sah sich nochmals zum


1) Saxo Gr. XIV, p. 254 - 55. - Knytlinga Saga (ed. Rafn) c. 108. - Helmold c. 65.
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Frieden genöthigt, durch welchen dem jungen Wendenfürsten wenigstens das Gebiet rechts von der Warnow gerettet ward 1 ).

Aus diesen Vorgängen erfahren wir zugleich mit Sicherheit, daß die Herrschaft Niclots damals, außer dem eigentlichen Obotritien, auch das ganze Gebiet der Kissiner und Circipaner umfaßte, und ein anderes Ereigniß, welches ins Jahr 1151 fällt, beweiset, daß dies auch schon in früheren Zeiten der Fall war.

In dem dobbiner Frieden hatte Niclot nämlich außer der Annahme des Christenthums für sich und sein Volk ohne Zweifel zugleich die Wiederentrichtung des herkömmlichen Tributes, der sogenannten Herzogssteuer (woywodnizha), geloben müssen. Die erste Bedingung war nach dem Abzuge des feindlichen Heeres leicht vergessen, von der zweiten aber war nicht so leicht abzukommen. Dadurch aber ward seine Stellung zu dem eigenen Volke, welches diese drückende Steuer unter den alten Königen von je her nur mit dem größten Widerwillen gezahlt hatte, gefährdet. In dem gedachten Jahre brach die Unzufriedenheit in offene Widersetzlichkeit aus, indem namentlich die Kissiner und Circipaner die Entrichtung der Steuer entschieden verweigerten. In dieser Verlegenheit wandte sich Niclot, das Ausbleiben des Tributes entschuldigend, nach Lüneburg, wo er gerade zu der Zeit ankam, als Herzog Heinrich zur Wiedereroberung des ihm vom Kaiser vorenthaltenen Herzogthums Baiern eine Heerfahrt nach dem südlichen Deutschland unternommen hatte 2 ). Die Herzogin vermochte indeß den Grafen Adolph von Holstein, sofort mit einem Heere aufzubrechen, um den Aufstand zu unter=


1) Saxo Gr. P. 292 sq. - Knytlinga Saga c. 119 u. 120. Helmold c. 87.
2) Helmold c. 71. In diebus autem, quibus dux aberat, venit Niclotus, princeps terrae Obotritorum, ad dominam Clementiam ductricem Lunenburg, et conquestus est in facie ejus et amicorum ducis, quia Kycini et Circipani paulatim rebellare coeperint et obniti tributis iuxta morem persolvendis. - Böttiger, Geschichte Heinrichs des Löwen, S. 111 flgd., setzt diese Fahrt nach Baiern in das Jahr 1150, aber sicher mit Unrecht. Am 9. Octbr. 1149 ward Vicelin zum Bischofe von Oldenburg geweiht: Helmold c. 73. Darüber entstand Zwist mit dem Herzoge und dem Grafen Adolph, welcher letztere dem Bischofe namentlich den Zehnten vorenthielt. Dieser begiebt sich in Folge dessen zum Herzoge, erkrankt auf der Rückkehr und ist nach seiner Ankunft in Faldera längere Zeit (multum temporis) geschäftsunfähig. Nach seiner Wiederherstellung geht er nach Bremen zum Erzbischofe und zurück nach Faldera, wo er eine Inspectionsreise durch seinen Sprengel macht. Hierauf neue schriftliche Verhandlungen mit dem Grafen und dem Herzoge, endlich eine zweite Reise nach Lüneburg, wo er den Herzog mit der Rüstung zu dem Zuge nach Baiern beschäftigt findet. Helm. c. 69 u. 70. Dieser kann also unmöglich schon im Frühjahr 1150, er kann nicht vor 1151 stattgefunden haben. Zum Weihnachtsfeste dieses letzteren Jahres kehrte Heinrich aber zurück. Damit stimmen überein Epist. Vibald. Nr. 320. 323. 324. Albert. Stadens. 1151. Additam. ad Lambert. 1151. Chron. Stederb. 1151. Vgl. auch Giesebrecht a. a. O. III, S. 46 u. S. 51 flgd.
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drücken, was ihm im Vereine mit Niclot leicht gelang. Die kissinischen und circipanischen Gaue wurden ohne Widerstand verwüstend durchzogen, gelegentlich, gewiß nicht auf Niclots Wunsch, ein berühmter Tempel zerstört und die verweigerte Steuer mit Wucher eingetrieben. Uebrigens erwähnt Helmold später einer Gefangenhaltung Niclots in Lüneburg, aus welcher derselbe erst durch die kriegerische Unternehmung seiner Söhne befreiet ward 1 ). Wäre die Vermuthung begründet, daß dies bei dieser Gelegenheit geschah 2 ), so würde dadurch um so sicherer bewiesen, daß der Aufstand nicht gegen den eigenen Fürsten gerichtet war, sondern gegen die fremde Zinsbarkeit.

Jedenfalls ergiebt sich hieraus mit voller Gewißheit, was für den Fortgang unserer Untersuchung von höchster Wichtigkeit ist, übrigens auch von niemandem bezweifelt wird, daß die erwähnten Landschaften am rechten Ufer der Warnow nicht etwa erst jetzt unter Niclots Herrschaft geriethen, sondern von Anfang an zu derselben gehörten. Bei den freundschaftlichen Verhältnissen unsers Fürsten zu seinen slavischen Nachbaren ist auch jeder Gedanke an eine gewaltsame Erweiterung seiner Grenzen gegen Osten, namentlich nach dem Jahre 1148, von vorne herein zu verwerfen, vielmehr geht aus Allem hervor, daß die großen circipanischen Moore an den Ufern der Reknitz und Trebel, welche seit alten Zeiten die von der Natur selbst gebildete Scheide zwischen den 4 verbündeten luitizischen Stämmen und den Rügen gebildet hatten, auch jetzt von beiden Seiten als Grenze anerkannt wurden, und daß namentlich die Rügen seit dem ersten Auftreten Niclots eine Ausdehnung ihrer Herrschaft über diese Gränze hinaus nicht in Anspruch genommen haben. Daher durfte jener es wagen, sich in dem letzten entscheidenden Kampfe mit Aufgabe der gesammten altobotritischen Länder hinter die Warnow zurückzuziehen, und als seine Söhne, Pribislav und Wartislav, mit ihrem alten Oheim Lubimar, Niclots Bruder, welcher hier (1163) zum ersten und zugleich zum letzten Male genannt wird 3 ), eine Zeit lang ausschließlich auf dieses Gebiet beschränkt waren, ward von slavischer Seite nicht nur kein Widerspruch dagegen erhoben, sondern sowohl Pommern, als Rügen unterstützten die jungen Fürsten nachdrücklich in der Behauptung dieses Besitzes.

Bei Ueberblickung dieser weitläuftigen Erbfolgestreitigkeiten in dem obotritischen Reiche nach Gottschalks Ermordung, deren


1) Helmold II, c. 2.
2) Giesebrecht a. a. O. III, S. 53. Wahrscheinlicher ist diese Gefangenhaltung des Vaters und die Erhebung der Söhne jedoch nach der Versammlung zu Ertheneburg 1156 zu setzen. Helm. c. 83.
3) Helm. c. 92.
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inniger Zusammenhang bisher stets verkannt worden ist, wird man unsern Niclot wohl schwerlich noch für einen bloßen reichen Gutsbesitzer oder obotritischen Edelmann halten wollen, welcher, das Geschick des alten Königshauses benutzend, die Herrschaft an sich zu reißen gewußt hätte. Eben so wenig aber kann er diesem Hause selbst angehört haben, vielmehr ist man zu der Annahme gezwungen, daß er, gleich den Fürsten von Rügen und wahrscheinlich auch den pommerschen Herzogen, dem gleich edlen und berühmten Geschlechte des mächtigen Königs Kruto enstamme. Auf diese hohe Abkunft deutet denn auch Prizlav, Niclots Sohn, sichtlich hin, wenn er sich rühmt: er sei aus einem Geschlechte entsprossen, woran sich kein Slave jemals zu vergreifen wagen werde 1 ). Von einer solchen Heiligkeit und Unverletzlichkeit gerade des rügischen Fürstenhauses selbst bei den Feinden sind uns wirklich mehrere Beispiele aufbewahrt, wogegen sogar obotritische Könige mehr als ein Mal durch die Hand eines Volksgenossen fielen. So hebt Helmold hervor, daß zur Ermordung des greisen Kruto ein dänischer Sclave gedungen werden mußte, und Saxo erzählt von dem Fürsten Jaromar, daß derselbe einst in der Schlacht einen feindlichen Pommern erschossen, worauf dessen Gefährte zwar sofort auf ihn selbst angelegt, sobald er aber den Fürsten erkannt, von Schrecken ergriffen, das Geschoß weggeworfen habe 2 ). Wenn aber Prizlav sich dieses Geschlechtes rühmt, so war das keine eitle Prahlerei, denn er sprach das stolze Wort dem berühmten kriegerischen Bischof Axel (Absalon) gegenüber, welchem seine Verhältnisse genau bekannt waren, und den er deshalb nicht zu täuschen hoffen konnte. Auch hatte König Waldemar selbst die Ebenbürtigkeit dieses Prinzen schon früher anerkannt, indem er ihm die eigene Schwester zur Gemahlin gab, und als dieser demnächst, dem christlichen Glauben gewonnen, dafür aber von dem heidnischen Vater verfolgt, als Flüchtling nach Dänemark kam, den Besitz mehrerer dänischer Inseln einräumte 3 ).

Wenn man sich aber andererseits auf die Worte Helmolds beruft, welcher dem Niclot bei seinem ersten Auftreten den fürstlichen Titel verweigere und ihn einfach als einen Großen des obotritischen Reiches bezeichne, so ist schon von Jargow und später von Rudloff in den oben angeführten Streitschriften nachgewiesen, daß der gebrauchte Ausdruck (major terrae) sehr häufig von


1) Saxo XIV, p. 294: eo enim sanguine oriundus sum, quem nulli Slavorum attemtandi unquam ausus incessit.
2) Saxo Gr. XIV, p. 362.
3) Saxo Gr. XVI, p. 293. Man nimmt gewöhnlich an, daß diese Vermählung erst nach der Flucht des Prizlav nach Dänemark stattgefunden habe. Saxo sagt ausdrücklich das Gegentheil.
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Personen fürstlichen Geschlechtes, und geradezu als gleichbedeutend mit "Fürst" (princeps), kaum aber jemals von dem gewöhnlichen Adel gebraucht wird. Auch scheint die Stellung der Worte darauf hinzudeuten, daß Niclot im obotritischen Reiche nicht mehrere gleichen Ranges neben sich hatte 1 ), und andererseits konnte Helmold sehr guten Grund haben, ihn damals noch nicht König oder Fürst zu nennen. Sein Vater lebte noch, wie wir später sehen werden, und Niclot war also nicht eigentlicher regierender Landesherr, sondern scheint das obotritische Reich, wie dies bei den slavischen Fürsten öfter vorkommt, Namens des Vaters verwaltet zu haben. Ich will gerade nicht behaupten, daß Helmold wirklich so fein unterschieden habe, will man aber den Ausdruck pressen, so ist auch diese Erklärung immerhin möglich. Seine sogenannte wendische Chronik ist im wesentlichen nur eine Geschichte der Ausbreitung des Christenthums unter den Slaven, weshalb er über die politischen Ereignisse und Zustände immer nur mittheilt, was zu seinem nächsten Zwecke gerade nöthig war. Gleichwohl ist er sichtlich mit den Verhältnissen der wendischen Fürsten sehr genau vertraut, so daß allerdings häufig auf ein gelegentlich hingeworfenes Wort und die Wahl des Ausdrucks Gewicht zu legen ist.

Wichtiger ist aber, daß die Nachkommen Niclots das Gedächtniß ihrer Verwandtschaft mit den Fürsten von Rügen, so wie mit den Herzogen von Pommern stets bewahrt haben, und umgekehrt. Dieser Umstand ist auch schon früher nicht unbemerkt geblieben, man erklärte denselben aber aus der, freilich ohne Beweis, vorausgesetzten Verwandtschaft jener Fürsten mit dem alten obotritischen Königshause, und fand darin somit einen neuen Beweis, daß auch Niclot aus diesem Geschlechte stamme. Seit indeß diese Annahme aufgegeben werden mußte, darf ich mich mit größerem Rechte auf jene Beobachtung berufen, um meine Behauptung zu stützen. Hieher gehört namentlich eine Urkunde des Fürsten Witzlav II. von Rügen vom Jahre 1293, in welcher er Herrn Nicolaus von Werle seinen Blutsverwandten nennt und zugleich dessen Consenses zu der betreffenden Verfügung über einen Theil seines Gebietes gedenkt. 2 ) Ferner das Testament eben dieses Fürsten vom Jahre 1302, in welchem er neben seinen Vettern aus einer Nebenlinie des fürstlichen Hauses, Herrn


1) Helmold nennt ihn schlechthin majorem terrae Obotritorum, nicht etwa quendam majorum - etc.
2) Gerdes Sammlung etc. . VIII. S. 696 flgd.: In quorum omnium testimonium, - - ecclesiam Suerinensem presentibus litteris nostris et nobilis viri domini Nicolai de Werle, nostri consanguinei predilecti, qui, dum premissa per nos agerentur, nobis - - - consilio et assensu aderat, sigillorum appensionibus roboratis provide duximus muniendam.
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Tece (Tetzlav) von Putbus und Johannes von Gristow, auch Herrn Heinrich von Meklenburg mit demselben Ausdrucke als seinen Blutsfreund bezeichnet 1 ). Solche Ausdrücke sind nun an sich freilich nicht entscheidend, da der Gebrauch derselben schwankend ist und auch bloße Seitenverwandte durch die weibliche Linie (cognati im Sinne des römischen Rechtes) damit bezeichnet werden; allein eine solche Verschwägerung unserer Fürsten mit dem Hause Rügen im 13. Jahrhundert ist wenigstens bis jetzt nicht nachgewiesen, und die angedeuteten besonderen Umstände, unter welchen die gedachten Ausdrücke in unsern Urkunden in Bezug beider Linien unseres Fürstenhauses zu Meklenburg und Werle gebraucht werden, machen dieselben jedenfalls beachtenswerth.

Hiezu kommt endlich noch das ältere Wappen unserer Fürsten. Von Niclot und seinen Söhnen sind uns leider keine Siegel aufbewahrt. Sein Enkel Borwin I. und dessen gleichnamiger Sohn dagegen führten das bekannte ostwendische Feldzeichen, den Greifen, in ihrem Siegel, welcher bekanntlich auch das Wappen der Herzoge von Pommern bildete. Die Fürsten von Rügen führten dagegen späterhin allerdings nicht diesen Greifen, sondern einen halben über die Mauerzinne hervorragenden Löwen im Wappen. Dieser Löwe hat aber in dem Siegel Witzlavs I., dem ältesten, welches uns überhaupt von einem rügischen Fürsten erhalten ist, eine eigenthümliche Bildung, namentlich eine deutliche dreikrallige Vogelklaue, so daß seine ursprüngliche Identität mit dem pommerschen Greifen nicht zweifelhaft scheint. Der Stierkopf, das jetzige meklenburgische Wappen, begegnet uns zum ersten Male nach der Theilung des Landes unter Borwins I. Söhnen in dem Siegel des Nicolaus, welchem bei dieser Theilung die westlichen, altobotritischen Gaue zugefallen waren, während sein Bruder Borwin II. auch jetzt den alten Greif beibehielt. Eben dieses Siegels bediente sich dann auch die Vormundschaft der Söhne des Letzteren während der gemeinsamen Verwaltung des Landes, wogegen nach vorgenommener Auseinandersetzung der Brüder auch der Stierkopf wieder hervortritt, und zwar auch dieses Mal zunächst in dem westlichen Antheile der Brüder Johann und Pribislav von Meklenburg und Warnow (Parchim), welchen später auch Nicolaus von Werle (Güstrow) folgte, während Borwin von Rostock auch jetzt den Greifen beibehielt, welcher daher noch heute für die Herrschaft Rostock in dem großherzoglichen Wappen erscheint.


1) Gerdes a. a. O. IX. S. 10 flgd. Item domino Henrico domino Magnopolensi dilecto consanguineo meo - - - -, item dilecto consanguineo meo domino Tece de Padbutz, militi honesto etc. Und am Schlusse: Exsecutores hujus mei testamenti et ultime voluntatis ordino et deputo - - - dominos fratres de Pudbutz et dominum Johannem de Gristow milites et meos consanguineos etc.
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Hiernach kann man kaum zweifeln, daß der Stierkopf, welcher auch in wagrischen Städtesiegeln vorkommt, das alte obotritische Feldzeichen war, wie der Greif das der östlichern Wenden, Liutizen und Rügen, und ihres Fürstengeschlechtes. Durch Annahme dieses Wappens bekannten sich daher auch unsere Fürsten zu diesem letztern Geschlechte, bis sich späterhin das alte obotritische Landeswappen, - wenn der Ausdruck erlaubt ist, - d. h. das Feldzeichen der ausgestorbenen Dynastie, wieder geltend machte, und das Geschlechtswappen des neuen Fürstenhauses verdrängte 1 ).

Mit allen diesen aus den bisher zugänglichen Quellen entlehnten Gründen kommen wir indeß über eine, wenn auch noch so wahrscheinliche Vermuthung nicht hinaus. Zur sichern historischen Wahrheit aber wird diese Vermuthung durch das Zeugniß der nordischen Sage.


Unter den isländischen Sagas ist die Knytlinga eine der wichtigsten. Sie enthält eine kurze Geschichte der dänischen Könige von Harald Gormson bis zum Jahre 1186, welches also genau die 6 letzten Bücher der berühmten Geschichte Dänemarks von Saxo Grammaticus umfaßt. Der Verfasser führt aber einzelne Genealogien bis zum Ende des 13. Jahrhunderts hinab und ist also jünger als Saxo, welcher zur Zeit Waldemars II. lebte, und sein 1186 begonnenes Werk um 1208 vollendete. Der Verfasser der Knytlinga hat aber den Saxo augenscheinlich nicht gekannt, wie die zum Theil sehr bedeutenden Widersprüche zwischen beiden beweisen. Wenn daher gleichwohl beide an andern Stellen fast wörtlich übereinstimmen, so erklärt sich das aus der Benutzung derselben Quellen, unter welchen für die ältere Zeit beide die isländischen Sagas und Gesänge der Skalden namhaft machen. Für die jüngeren Zeiten dagegen benutzte Saxo die mündlichen Berichte des Bischofs Absalon, dessen Schreiber er war, und welcher etwa von der Mitte des 12. Jahrhunderts an als Augenzeuge berichten konnte, die Arbeit des Saxo aber nicht mehr selbst gekannt hat. Der Isländer dagegen bezieht sich für diese Zeit gleichfalls auf mündliche Ueberlieferungen und Berichte von Augenzeugen, außerdem aber auf dänische Geschichtsbücher, worunter namentlich der kurze Abriß einer dänischen Geschichte von dem Jüten Suein Akason zu verstehen sein wird. Unter diesen Umständen ist keinem dieser beiden Geschichtswerke ein undedingter Vorzug einzuräumen, vielmehr ist die Knytlinga allgemein als eine wichtige Quelle für die Geschichte Dänemarks anerkannt, nicht bloß zur Ergänzung Saxos, sondern in einzelnen


1) Vgl. Jahrbücher X. S. 6.
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Fällen selbst zu seiner Berichtigung. Im Allgemeinen läßt sich über das Verhältniß beider nur sagen, daß Saxos historische Kenntniß weiter reichte, als die des Isländers, welcher seine Unkunde der Verhältnisse im Innern Europas oft sehr auffallend verräth, mit den ihm räumlich näher liegenden Verhältnissen dagegen völlig vertraut erscheint. Vorzugsweise aber verdienen seine genealogischen Nachrichten, auf welche er gleich allen Isländern den höchsten Werth legt und welche in mehr als einem Falle überraschende Bestätigung erhalten haben, die sorgfältigste Beachtung.

Nach dem Berichte dieser Saga war nun König Niels Sohn, Magnus, mit der Tochter des wendischen Königs Burislaf, Namens Rikissa, vermählt (Magnus Nikolausson æ œgtede Rikissa, en Datter af den vendiske Kong Burislaf; deres Sønner vare Knud og Nicolaus), aus welcher Ehe zwei Söhne, Knud und Nicolaus, stammten 1 ). Zu der Zeit war Knud Laward, Sohn Erichs des Guten, Herzog von Schleswig, welcher am 7. Januar 1131 durch Magnus ermordet ward (c. 92), worauf dessen Bruder, Erich Emun, gegen den Mörder und dessen Vater die Waffen ergriff, in welchem Kampfe beide, Nicolaus und Magnus, 4 Jahre nach Knuds Ermordung (1135) den Tod fanden (c. 97 u. 98). Wieder 4 Jahre später (1139) ward auch Erich Emund ermordet, worauf vier junge Prinzen, alle noch dem Knabenalter nahe, als Thronbewerber auftraten, nämlich Knud, ein Sohn Magnus des Starken und der Rikissa, des wendischen Königs Burislaf Tochter, (Magnus den Stærke Nikolaussøn havde en Søn, som hed Knud, hvis Moder var Rikissa,den vendiske Kong Burislafs Datter), Svend, Erich Emunds Sohn, Olaf, Harald Kesias Sohn, und Waldemar, Knud Haralds Sohn. Die Wahl fiel auf den letztern, Waldemar; da dieser jedoch erst 8 Jahre alt war (er ward erst nach dem Tode des Vaters geboren), so ward Erich Lam während seiner Minderjährigkeit zum Reichsverweser ernannt (c. 104). Olaf suchte zwar mit Gewalt das Reich an sich zu reißen, fiel aber nach vierjährigem Kampfe in der Schlacht (1143), und Erich behauptete sich als König. Nach einer Regierung von 8 Jahren trat er jedoch freiwillig zurück und ging in ein Kloster (1147), worauf Svend, Erich Emunds Sohn, in Schonen, und Knud, Magnus Sohn, in Jütland zu Königen ausgerufen wurden, Waldemar aber, erst 17 Jahre alt, zum Herzoge von Schleswig ernannt ward (c. 106 u. 107).


1) Knytlinga Saga c. 89, nach der dänischen Uebersetzung von C. C. Rafn. Kjöbenhavn 1829. Die von der königlichen Gesellschaft für Alterthumskunde besorgte Ausgabe in der Ursprache habe ich leider nicht vergleichen können.
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Nun beginnt ein vieljähriger blutiger Kampf zwischen Svend und Knud, welcher nur auf kurze Zeit durch einen gemeinschaftlichen Kreuzzug gegen die Heiden unterbrochen wird. Auf Ermahnung des Papstes gehen beide Könige in See, landen im Hafen von Wismar und belagern nach ihrer Vereinigung mit einem deutschen Heere die Festung Dubbin, entzweien sich jedoch bald wieder und segeln nach Dänemark zurück (der bekannte wendische Kreuzzug von 1148). Hier setzen sie den Thronstreit fort, in welchem Waldemar anfangs auf Seiten des Svend steht und mit diesen vereinigt bei Thorsteinstorp auf Seeland einen wichtigen Sieg über Knud erficht. Dieser flieht nach Fühnen, Svend dagegen bleibt den Winter über ruhig auf Seeland. Im nächsten Frühjahr zieht er mit einem neuen Heere nach Jütland. Bei Viborg kommt es zum zweiten Male zur Schlacht, in welcher Svend und Waldemar wiederum Sieger bleiben, und Knud flieht nach Aalborg, von dort nach Kongehella in Norwegen und weiter nach Liudhus. In Gothland trifft er seinen Stiefvater, König Sørkver Kolsøn, welcher mit seiner Mutter Rikissa vermählt war (J Gotland traf han sin Stedfader Sørkver Kolsøn, som da var gift med hans Moder Rikissa), und bittet ihn um Hülfe. Dieser erbietet sich, ihm gegen Abtretung seiner Rechte auf den dänischen Thron eine Landschaft in Schweden einzuräumen, allein Knud verwirft dieses Anerbieten und wendet sich ostwärts nach Garderige (Rußland). Von dort zurückgekehrt, segelt er südlich nach Rostock zu seinen Mutterbrüdern, welche ihm jedoch den Aufenthalt daselbst versagen, aus Furcht, daß er ihr Reich an sich reißen wolle (Derpaa drog Kong Knud øster til Garderige, og derfra igjen; han begav sig da syd til Rostok til sine Morbrødre, men de vilde ikke tillade, at han maatte være der, da de frygtede for, at han vilde fratage dem deres Rige). Knud zieht daher weiter nach Bremen zum Erzbischofe Hartwig und in dessen Begleitung zum Herzoge Heinrich nach Braunschweig, sammelt ein deutsches Heer, mit welchem er in Jütland einfällt, wird aber geschlagen und flieht nach Sachsen zurück. Bald darauf gelingt es ihm zwar, in Friesland einen Aufruhr zu erregen, doch auch dieser wird bald gedämpft, und Knud ist nochmals zur Flucht nach Sachsen zum Herzoge Heinrich in Braunschweig gezwungen (c. 108).

Inzwischen war Kaiser Konrad gestorben und Friedrich war Kaiser. Dieser entbietet beide Gegenkönige zu sich (auf den Reichstag zu Merseburg, Pfingsten 1152), wo er unter Mitwirkung des Herzogs Heinrich und Waldemars einen Vergleich zu Stande bringt, nach welchem Svend zwar König bleiben, seinem Gegner jedoch Seeland abtreten sollte. Nach der Rück=

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kehr beider Könige nach Dänemark verweigerte Svend zwar die Erfüllung des Vergleiches, läßt sich jedoch endlich durch Waldemars Vermittelung wirklich zur Abtretung verschiedener Besitzungen in Jütland, Seeland und Schonen bewegen. Hierauf söhnen sich Knud und Waldemar völlig aus und letzterer vermählt sich mit einer Halbschwester Knuds von mütterlicher Seite, Sophie, einer Tochter des Königs Valadar in Polen (Derefter giftede Kong Knud sin Halfsøster paa mødrene side, Sophie, til Valdemar; hun var en Datter af Kong Valadar af Polineland), nachdem ihr der Bruder den dritten Theil aller seiner Besitzungen als Aussteuer abgetreten hat (c. 109). Den Winter darauf unternimmt König Svend einen Heereszug gegen Schweden, woran Knud und Waldemar aber keinen Theil nehmen, weil König Sørkver mit König Knuds und Sophiens Mutter Rikissa vermählt war (fordi Kong Sørkver var gift med Kong Knuds og Sophies Moder Rikissa.) (c. 110). Svend ward daher sehr mißvergnügt über die Verbindung Waldemars mit ihrem alten Gegner und erneuert zwei Jahre nach Abschluß des Vergleiches den Streit, diesmal jedoch ohne Glück. Wie früher Knud, wird er selber jetzt gezwungen, das Reich zu verlassen und flieht nach Landsberg zum Markgrafen Konrad, welchem er verschwägert war und bei dem er sich 3 Monate aufhält. Unterdeß läßt sich Waldemar statt seiner zum Könige ausrufen. Bald darauf macht Svend mit Hülfe des Herzogs Heinrich von Sachsen einen Einfall in Dänemark, während Knud sich grade in Schweden befand, um seine Braut, König Sörkvers Tochter aus einer frühern Ehe, heimzuholen. Waldemar bleibt jedoch Sieger, und Svend entflieht mit dem Herzoge nach Sachsen. Den nächsten Winter geht er nach dem Wendenlande und setzt mit wendischen Schiffen nach Fühnen über. Neues Zusammentreffen mit Knud und Waldemar; Svend bittet um Frieden; neuer Vergleich und Theilung des Reiches unter die drei Könige. (c. 111 u. 112.)

Bald jedoch spinnt Svend neuen Verrath und beschließt beide Gegner auf einem Gastmahle zu ermorden, auf welchem Knud wirklich den Tod findet. Waldemar jedoch entkommt glücklich, und nun beginnt der letzte Entscheidungskampf, in welchem Svend in der berühmten Schlacht auf der Grahede fällt, neun Jahre nach Erich Lams Tode, ein Jahr nach Knuds Ermordung (c. 113 - 119).

König Knud, Rikissas Sohn, scheint ohne Kinder gestorben zu sein, und seines Bruders Nicolaus wird nach der ersten Erwähnung bei Gelegenheit der Vermählung seiner Mutter überall nicht wieder gedacht. Waldemar dagegen hinterließ aus seiner Ehe mit Sophie, Knuds Halbschwester, zwei Söhne, Knud und

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Waldemar, welche ihrem Vater nacheinander in der Regierung folgten, und drei Töchter, Engelborg, Rikissa und eine dritte ungenannte (c. 127).

Bis hieher glaubte ich den merkwürdigen Bericht der Saga im Zusammenhange mittheilen zu müssen, um dem Leser ein Urtheil zu gestatten. Prüfen wir nun den Gewinn für unsere Untersuchung. Eine völlig neue Erscheinung ist zuvörderst der König Burislav, Vater der Rikissa, der Gemahlin dreier Könige und Ahnfrau einer Reihe nordischer Herrscher. Die Saga nennt ihn einen König der Wenden und bestimmt damit die Lage seines Reiches, auch ohne es zu nennen, deutlich genug. Wendenland (Vindland) ist nach dem isländischen Sprachgebrauche die südliche, den dänischen Inseln gegenüberliegende Küste der Ostsee, wovon die übrigen Slavenländer, namentlich Polen (Polineland), überall und gerade auch in dem hier vorliegenden Berichte der Knytlinga, streng unterschieden werden. Daß aber die letztere den Burislav im Gegensatze zu dem Könige Valadar von Polineland, im vollen Bewußtsein jenes Sprachgebrauches, einen König von Windland nennt, darüber muß jeder Zweifel schwinden durch die Vergleichung der andern Stelle, wo Rostock als der Sitz seiner Söhne bezeichnet wird. An dieser Küste nun bestand zu der Zeit des Königs Niels neben Obotritien und Pommern kein drittes wendisches Reich, als Rügen, dessen um diese Zeit oft gedachter König dem Namen nach bisher völlig unbekannt war, während Knud Lavard als König der Obotriten und die Pommern=Herzoge Wartislav und Ratibor historisch völlig gesichert sind.

So ist Burislav nach der Darstellung der Knytlinga kein anderer, als dieser unbekannte Inselkönig, derselbe, welcher, 1093 nach Krutos Ermordung zum Gegenkönige Heinrichs des Obotriten erwählt, sich nach der unglücklichen Schlacht auf der smilower Haide auf seine heimathliche Insel zurückzog und von hier aus den Kampf gegen Heinrich und sein Geschlecht fortsetzte; derselbe, welcher 1111 eine zweite Niederlage vor Lübeck erlitt, 1112 über Heinrichs Sohn Waldemar siegte, in den folgenden Jahren dem mächtigen wendisch=sächsischen Heere auf der Insel Rügen gegenüberstand und seinen Bruder dem Herzoge Lothar als Geißel stellen mußte; derselbe endlich, welcher 1126 Lübeck erstürmte und an des vertriebenen Suentipolks Stelle zum zweiten Male als König der Obotriten anerkannt ward.

Dieser Burislav, Krutos Sohn, hatte nun nach dem weiteren Berichte der Saga außer jener Tochter Rikissa, der Mutter König Knuds, auch mehrere Söhne, Brüder der Rikissa, welche nach dem Tode des Vaters die Gegend um Rostock beherrschten,

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wo ihr Neffe Knud nach seiner Flucht aus Dänemark vergeblich ihre Hülfe gegen den siegreichen Svend nachsuchte. Die Zeit dieses Ereignisses bestimmt sich genau zwischen der Rückkehr von der Belagerung Dobins im Herbst 1148 und dem merseburger Reichtage im Pfingstfeste 1152. Auf das erste Ereigniß folgten aber zuvor noch die Schlachten bei Thorsteinstorp und Viborg, und dem letzteren ging ein doppelter Einfall in Jütland und Friesland vorauf. So fällt die Landung Knuds bei Rostock in das Frühjahr 1150, vor dem Heereszuge Heinrichs des Löwen nach Schwaben, denn Knud traf ihn noch in Braunschweig. Zu dieser Zeit aber stand die Gegend um Rostock, d. h. das Land der Kissiner und die angrenzende Landschaft in der Richtung auf Bremen, mit voller Gewißheit unter der Herrschaft Niclots, des Fürsten der Obotriten, und die von der Saga nicht genannten Söhne Burislavs, Rikissas Brüder, sind also keine anderen, als unser Niclot und sein Bruder Lubimar.

So findet denn unsere obige Vermuthung, zu welcher der ganze Zusammenhang der Ereignisse unwiderstehlich hindrängte, durch das ausdrückliche Zeugniß der nordischen Saga eine glänzende Bestätigung. Noch indeß dürfen wir uns der Freude über diese Entdeckung nicht hingeben, denn, - um es nur gleich kurz zu sagen, - der Bericht unserer Saga steht in directem Widerspruch mit einem anderen, gleich gewichtigen und glaubwürdigen Zeugniß.

Saxo Grammaticus nämlich erzählt zwar den Gang der Ereignisse in Dänemark im Ganzen völlig übereinstimmend mit dem Verfasser der Knytlinga, nur daß jener überall ausführlicher ist, die Motive der handelnden Personen entwickelt und den Zusammenhang anschaulich zu machen sucht, während sich dieser begnügt, die einzelnen Thatsachen kunstlos in chronologischer Folge aneinander zu reihen. In Einzelnheiten aber weichen beide Berichte oft bedeutend von einander ab, und zu diesen Einzelnheiten gehört namentlich die Vermählungsgeschichte des Magnus. Nachdem dieser Prinz, berichtet Saxo, nach dem Erlöschen des Mannsstammes aus dem Hause des Stenkil, auf den schwedischen Königsthron erhoben war, bewarb er sich durch eine Gesandtschaft um die Tochter des Herzogs Bogislav von Polen. Die Hand der Prinzessin ward ihm zugesagt, und sofort rüstete Niels, sein Vater, eine Flotte aus, um die Braut des Sohnes heimzuholen und zugleich den slavischen König Wartislav (Herzog Wartislav von Pommern), welcher seit langer Zeit mit Dänen und Polen im Kriege gelebt hatte, zu unterwerfen. Die Stadt Orna (Osna, Usedom) ward gezwungen, die Belagerung abzukaufen, worauf

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der König weiter vor Julin ging. Hier vereinigte er sich mit dem Landheere des Bogislav, und ihrer vereinigten Anstrengung gelang es leicht, die Stadt zu erobern. Mit diesem Erfolge zufrieden, trennte sich Niels alsbald von seinem Genossen, um dem harrenden Sohne die Braut zuzuführen. Vergebens bittet Wartislav, erschöpft durch die unerträgliche Verwüstung seines Landes, um Frieden; dessen ungeachtet aber geht die dänische Flotte unter Segel, um bei Strela (der Insel Dänholm, Stralsund gegenüber) Anker zu werfen. Auch hieher folgt Wartislav den Abziehenden, um seine Anträge zu erneuern; Niels sagt den Frieden zu und lockt den Gegner dadurch zu seinem Schiffe herüber, wo der Betrogene gefangen genommen wird. Bald jedoch ändert Niels seinen Entschluß auf die weise Ermahnung des edlen Knud Lavard, eines Freundes Wartislavs, und entläßt den Gefangenen in seine Heimath. Dann kehrt die Flotte nach Dänemark zurück, wo Magnus bei der Stadt Ripen seine Vermählung feiert 1 ).

Nach diesem Berichte war also der Schwiegervater des Magnus kein wendischer König, sondern der wohlbekannte Herzog Boleslav III. von Polen mit dem Beinamen Krzywousty (Schiefmaul), und darnach modificirt sich denn auch die spätere Erzählung der Knytlinga über die Flucht des Königs Knud, Magnus Sohns, nach der Niederlage bei Viborg. Wie die nordische Saga, läßt auch Sapo den Flüchtling zuerst nach Alaburg und weiter nach Liuthusen gehen, wo er sich eine Zeit lang bei seinem Stiefvater Suerco aufhält, welcher nach dem Tode des Magnus Knuds Mutter geheirathet hatte. Anfangs wohl aufgenommen, wird er dem Schwedenkönige, welcher ihm einige Besitzungen zu seinem Unterhalt eingeräumt hatte, doch bald lästig; überdies überwirft er sich mit dem Sohne des Königs, Johannes, welcher sein Unglück verspottet, weshalb er den Entschluß faßt, mit einigen angekauften Schiffen, im Vertrauen auf seinen Oheim und seine mütterliche Verwandtschaft, nach Polen zu segeln. Die Polenherzoge, besorgt, daß Knud Namens seiner Mutter Ansprüche auf eine Theilung des Reiches erheben möchte, versagen ihm den Eintritt in ihre Städte und gestatten ihm nur die Durchreise durch ihr Gebiet zu dem Herzoge Heinrich von Sachsen, von wo er sich weiter zu dem Erzbischof Hartwig von Bremen begiebt (p. 258).

Die Vermählung der Halbschwester Knuds, Sophie, mit Waldemar berichtet Saxo dagegen in Uebereinstimmung mit der Saga, nur daß er den Vater derselben, ohne Nennung seines


1) Saxo Gr. XIII, p. 235.
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Namens und seiner Würde, als einen Ruthenen bezeichnet (p. 226 - 67 u. 277). Auch scheint er abermals auf die polnische Abkunft derselben von mütterlicher Seite anzuspielen, wenn er später die nahe Verwandtschaft des Knud, eines Sohnes Waldemars mit der Sophie, und der Söhne des Herzogs Bogislav von Pommern hervorhebt (p. 384). Bogislavs zweite Gemahlin Anastasia, die Mutter seiner damals noch lebenden Söhne, war nämlich eine Tochter Mieczislavs, Sohnes Bolislavs III. Doch kann diese Verwandtschaft, wenn sie wirklich bestand, und nicht etwa von Saxo blos wegen der vorausgesetzten polnischen Herkunft der Sophie angenommen wird, auch einen anderen Ursprung gehabt haben.

Sehen wir nun nach dieser Gegenüberstellung der beiden Zeugen, auf welcher Seite die Wahrheit ist. Der Gegenstand ist zu wichtig für uns, als daß wir ein genaues Eingehen auf die Einzelnheiten der widersprechenden Berichte scheuen dürften.

Zuvörderst erweckt es gewiß ein gutes Vorurtheil für den Verfasser der Knytlinga, daß er seine Erzählung nicht nur durch Nennung von Ortsnamen bestimmter, als Saxo, zu localisiren weiß, sondern auch die handelnden Personen namentlich aufführt. In ersterer Beziehung ist besonders die Nennung Rostocks, als des Wohnortes der Oheime Knuds hervorzuheben, wodurch der Schauplatz des Ereignisses ganz bestimmt an die wendische Küste verlegt wird. Diese Küste war dem Verfasser aber genau bekannt, wie er bei mehreren Gelegenheiten beweis't, namentlich durch Nennung des Hafens von Wismar bei der Belagerung Dobins, den keine andere Quelle hat, und durch die Schilderung der späteren Wendenzüge des Waldemar, wobei er eine oft überraschend genaue Kenntniß der Oertlichkeit entwickelt. Zu der Annahme, daß die Anknüpfung der Erzählung an diesen bestimmten Ort auf willkührlicher Erfindung des Berichterstatters beruhe, ist aber bei dem einfachen Charakter der Saga überall kein Grund, vielmehr beruht dieselbe sicher auf alter Ueberlieferung.

Ebenso hat nur die Knytlinga den Namen der Gemahlin des Magnus, Rikissa, welcher ohne Zweifel richtig ist, da er seit dieser Zeit wiederholt in den nordischen Reichen vorkommt, und namentlich auch auf eine Tochter aus der Ehe Waldemars mit der Sophie, also eine Enkelin der älteren Rikissa, übergegangen ist. - Nicht minder bemerkenswerth ist die Verschiedenheit in der Benennung des Vaters der Rikissa. Die Saga nennt ihren Wendenkönig stets Burislav (Burisleifr nach nordischer Aussprache); Saxo dagegen giebt dem Polenherzog Boleslav, sicher irrig, den ihm aus der pommerschen Geschichte seiner Zeit geläufigeren Namen Bogislav. Alle drei Namen, welche auch

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in polnischen Urkunden neben einander begegnen 1 ), sind aber durchaus verschieden; man erklärt Bogislav durch Gottesruhm (δεοκλής), Boleslav durch vielberühmt (πολυκλής) und Borislav durch kampfberühmt (πολεμοκλής) 2 ). Allem Ansehen nach hat nun die Knytlinga auch diesen Namen richtig aufgefaßt, da auch ein Sohn der Rikissa, aus der Ehe mit dem Schwedenkönig Sverker, den slavischen Namen Boris oder Borislav führte, augenscheinlich nach dem Großvater, welcher mithin ein anderer war, als Boleslav von Polen. Diese Wahrnehmung ist an sich schon fast entscheidend; es kommt aber andererseits noch hinzu, daß der nicht häufige Name Borislav gerade in dem rügischen Fürstenhause wirklich noch in späterer Zeit urkundlich vorkommt, namentlich bei einem Sohne Wizlavs I., ein Umstand, welcher gewiß Beachtung verdient.

Ferner wird auch der Vater der Sophie, Valadar, nur in der Knytlinga genannt. Die Geschichte der zweiten Vermählung der Rikissa ist indeß in mehrfacher Beziehung dunkel und schwerlich ganz aufzuklären. Saxo nennt Sophiens Vater einen Ruthenen, und wirklich kommt in den russischen und polnischen Annalen ein Fürst von Halicz, Namens Wolodar vor, Zeitgenosse Boleslavs III., welchen man daher um so unbedenklicher für den Valadar der Knytlinga angenommen hat, als das Land Halicz bald zu Rußland, bald zu Polen gerechnet wird, woher es sich erklärte, daß die Saga ihren Valadar als polnischen Fürsten bezeichnet. Allein Sophie war bei der Verlobung mit Waldemar, welche nach der Rückkehr Knuds (1152) stattfand, noch nicht mannbar, weshalb die Vollziehung der Ehe bis kurz vor der Entscheidungsschlacht auf der Grahede (1157) ausgesetzt werden mußte, und auch damals nur durch den Drang der Ereignisse beschleunigt ward 3 ). Sophie kann also kaum vor 1139, muß jeden Falles nach dem Tode des Magnus (1135), d. h. zwischen der ersten und letzten Ehe ihrer Mutter, geboren sein. In diese Zeit setzt Saxo ihre Geburt auch ausdrücklich. Damals aber war Wolodar bereits todt. Möglich ist nun allerdings, daß die Saga, wie Suhm 4 ) annimmt, dessen Sohn Wolodomir mit dem Vater verwechselt; ist man aber einmal zu der Annahme genöthigt, daß der Name unrichtig aufgefaßt sei, so giebt


1) Einen interessanten Belag hiezu giebt die Urkunde von 1296 bei Borbs Neues Archiv II, S. 124, Urk. IV, wo neben dem Herzoge Boleslav von Oppeln unter den Zeugen namentlich auch comes Boguslaus judex Calisien und Borislaus castellanus de Janze auftreten.
2) Vgl, Codex Pomeraniae diplomaticus von Hasselbach, Kosegarten und Medem I, 1, p. 31.
3) Saxo XIV, p. 266 u. 277.
4) Suhm historia af Danmark V, p. 318 u. 551.
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es ohne Zweifel noch andere Combinationen, welche nicht minder wahrscheinlich sind, als die Suhmsche. Doch dies hat auf den Gang unserer Untersuchung überall keinen Einfluß 1 ).

Bei näherem Eingehen auf die Darstellung des Saxo kann ferner keinem unbefangenen Leser der auffallende Mangel an innerem Zusammenhange der Erzählung entgehen, ein Mangel, welcher um so greller hervorsticht, je deutlicher das Bestreben des Schriftstellers ist, seine Berichte überall gehörig zu motiviren und den Zusammenhang anschaulich zu machen: so gleich bei der kriegerischen Brautfahrt des Niels, wo das Benehmen des Pommernherzogs sowohl, als das des dänischen Königs völlig unbegreiflich erscheint. Wartislav, durch die Eroberung Julins und die Verwüstung des Landes erschreckt, bittet demüthig um Frieden. Niels verweigert denselben, geht aber gleichwohl unmittelbar darauf mit der Braut des Sohnes zurück nach Strela an die Küste von Rügen, und Wartislav, dadurch keineswegs beruhigt, läßt das siegreiche polnische Heer unbekümmert am linken Ufer der Odermündung stehen, um den abziehenden Dänen zu folgen und wiederholt um Frieden zu bitten. Das sind innere Widersprüche, welche den Bericht in hohem Grade verdächtigen, und dieser Verdacht trifft grade die Einmischung des Polenherzogs. Nehmen wir mit der Knytlinga an, daß der Brautvater, folgeweise der Bundesgenosse des Niels, nicht der Pole Boleslav, sondern der Rüge Burislav war, so wird alles völlig begreiflich 2 ). Den Rücken frei, folgte Wartislav beobachtend dem abziehenden Feinde, welcher wahrscheinlich nur zur Bergung der Beute und um sich zu erneuertem Angriffe zu sammeln, in Strela, dem Hauptankerplatze der Rügen, wie der dänische Vikinger, anlegte, wie sich das in den späteren, ganz ähnlichen Zügen Waldemars gegen die pommersche Küste mehr als ein Mal wiederholt. Hier kam es zu Friedensverhandlungen, die durch Knud Lavards Vermittelung gelangen, und vielleicht erst bei dieser Gelegenheit ward auch die Verbindung des Magnus mit der Tochter des Burislav beschlossen. Dieser oder ein ähnlicher Zusammenhang ist wenigstens nach Lage der Sache zu vermuthen; gewiß aber ist, so wie Saxo berichtet, kann sich das Ereigniß nicht zugetragen haben.

Noch entschiedener kommt Saxo bei dem Berichte über die Flucht König Knuds zu seinen Mutterbrüdern gegen die nordische Saga in Nachtheil. Hier tritt zuvörderst auch Helmold 3 ) in


1) Vgl. indeß unten S. 47.
2) Die Knytlinga kennt den Heereszug des Niels nach der pommerschen Küste überall nicht; dieses Schweigen beweis't aber nichts gegen die Richtigkeit der Thatsache an sich.
3) Helmold c. 67 u. 69.
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so fern als, Mitzeuge der Saga auf, als er von der merkwürdigen Irrfahrt des flüchtigen Dänenkönigs mitten durch Polen, an den Thoren der verschlossenen Städte vorbei nach dem nordwestlichen Deutschland nichts weiß. Er läßt ihn vielmehr gerades Weges nach Deutschland gehen, und zwar gleich der Knytlinga zunächst nach Bremen zum Erzbischofe Hartwig, und dann erst zum Herzoge Heinrich, während Saxo diese Ordnung umkehrt. Der Weg von Gnesen nach Bremen führt über Braunschweig! Interessanter ist aber die Beobachtung des Benehmens der Oheime, welches beide Hauptzeugen in ganz gleicher Weise durch die Besorgniß motiviren, daß Knud die heimliche Absicht haben könne, sie aus dem Reiche zu verdrängen. Dieser Argwohn war bei dem Obotritenfürsten Niclot wohl begründet. Die Erinnerung an die obotritische Königskrone, welche der Kaiser einem dänischen Prinzen aufgesetzt hatte, so wie an den unglücklichen Kampf, welchen er gegen diesen zu bestehen und in langer, harter Gefangenschaft gebüßt hatte, war gewiß noch nicht in seiner Seele erloschen. Diese Krone aber war demnächst auf den Mörder Knud Lavards, Niels Sohn Magnus, übergegangen, und die Besorgniß, daß der Sohn des letzteren die alten Ansprüche erneuern wolle, war daher vollkommen gerechtfertigt. War doch eben dieser Knud, welcher jetzt angeblich als Flüchtling den Schutz des rostocker Oheims in Anspruch nahm, noch zwei Jahre zuvor in Verbindung mit dem furchtbaren Kreuzheere auf der dänischen Flotte vor Wismar erschienen, um die Vernichtung des heidnischen Fürsten zu befördern, an dessen nahe Verwandtschaft er sich damals nicht erinnerte! Der Bericht der Saga trägt also in jeder Beziehung das Gepräge der inneren Wahrheit, wogegen das Benehmen der Oheime, wenn man sich diese mit Saxo als Herzoge von Polen denkt, durchaus unerklärlich erscheint. Die angebliche Furcht, daß der dänische Flüchtling, welcher in dem von der Küste entfernten Polen doch nur mit geringem Gefolge auftreten konnte, auf die polnische Herkunft seiner Mutter gestützt, nach der Herzogskrone strebe, ist in der That zu lächerlich, als daß irgend jemand daran glauben könnte. Saxo scheint das gefühlt zu haben und sucht die Furcht der Herzoge durch Hinweisung auf die kurz vorhergehenden Unruhen in Polen und die Vertreibung des älteren Bruders zu erklären 1 ). Diese Bemerkung ist nicht zu übersehen. Das Ereigniß, worauf hier angespielt wird, ist historisch begründet. Nachdem Boleslav III. 1138 gestorben war, hatten seine Söhne, Boleslav IV., Mieczislav II. und Kasimir II., ihren älteren Bruder Vladislav, welcher mit


1) Angebat hunc metum recens majoris eorum fratris depulsio.
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einer Schwester des Kaisers Konrad vermählt war, im Jahre 1146 aus dem Reiche vertrieben, angeblich weil er nach der Alleinherrschaft strebte. Saxo zeigt sich also mit den inneren Verhältnissen Polens wohl vertraut; aus den nordischen Quellen hat er diese Kunde nicht geschöpft, vielmehr muß er noch andere ihm über Deutschland zugegangene Berichte zur Erläuterung der einheimischen Geschichte benutzt haben, und wir erkennen in seiner Darstellung deutlich das Bestreben, beide in Einklang zu bringen. Wir werden auf diese nicht unwichtige Entdeckung zurückkommen.

Wenden wir uns nun zur Betrachtung der allgemeinen politischen Verhältnisse der Zeit, so treffen wir auch hier bei der Darstellung des Saxo auf sehr erhebliche Schwierigkeiten, während die nordische Saga nicht nur mit den vorhergehenden und gleichzeitigen Ereignissen im Obotritenreiche, wie wir oben gesehen haben, sondern auch mit den Verhältnissen im östlichen Slavenlande in vollkommenem Einklange steht.

Die Herzoge von Polen hatten schon seit dem Ende des zehnten Jahrhunderts mit wechselndem Glücke eine Reihe verwüstender Kriege gegen Pommern geführt, deren Schauplatz aber lange Zeit hindurch sich nicht über Kolberg hinaus nach Westen erstreckte; dennoch waren sie schon hier mehrmals feindlich mit Dänemark zusammengetroffen, welches an der pommerschen Küste uralte Colonien hatte, namentlich unter Erich (um 995) und Knud (1025). Im Anfange des zwölften Jahrhunderts, als der kühne und kriegslustige Boleslav III. den polnischen Thron bestieg, erneuerte er sofort den alten Kampf und zwar mit größerem Erfolge, als alle seine Vorgänger. Schon im Jahre 1108, als Heinrich noch auf dem obotritischen Throne saß, soll er ein Mal die Oder erreicht haben, wenn gleich er damals wenigstens keinen festen Fuß an derselben zu fassen vermochte, denn in den folgenden Jahren wogte der Kampf wieder hart an der polnischen Gränze und den Ufern der Weichsel, bis eine fromme Wallfahrt des kriegerischen Polenherzogs zur Abbüßung des gegen den geblendeten Bruder verübten Frevels (1113) den Pommern auf einige Jahre Ruhe verschaffte 1 ). Von der anderen Seite dehnte auch Heinrich der Obotrite unter fortdauerndem Kampfe mit den Rügen, wie wir gesehen haben, seine Macht mit sächsischer Hülfe bis in die Nähe der Oder aus und scheint selbst mit den jenseitigen Pommern in ein Bundesverhältniß getreten zu sein. Dadurch ward aber sofort die alte Eifersucht Dänemarks rege, welches namentlich die Inseln in der Mündung der Oder, wo schon in früherer Zeit dänische Vikinger=Colonien bestanden hatten, fast


1) Vgl. über diese Ereignisse Giesebrecht II, S. 161 - 212.
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als dänische Provinz betrachtete. Damals regierte in Dänemark Erich der Gutherzige (Ejegod), welcher schon um 1095 eine glückliche Fahrt in diese Gegend unternommen hatte, nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Rom aber, 1098, auf einem zweiten Zuge den Obotriten nachdrücklich zurückwies, Julin eroberte und das dänische Ansehen in dieser Gegend vollkommen wieder herstellte 1 ). Wahrscheinlich wird er dabei die Hülfe der Rügen nicht verschmähet haben, wodurch aber nach dem Siege die Insel selbst in dänische Zinsbarkeit gerieth 2 ). Die späteren Heerfahrten Heinrichs in die Gegend der Odermündung (Wolgast) und nach der Insel Rügen während der Pilgerfahrt Boleslavs, sind oben geschildert.

Gleich nach Heinrichs Tode tritt Boleslav abermals erobernd in Pommern auf. Im Winter 1120 erscheint er mit einem siegreichen Heere an den Ufern der Oder, überschreitet den gefrornen Strom, erobert Stettin und zwingt den Herzog Wartislav nach der Niederlage der Pommern bei Vadam zur Unterwerfung. In dem folgenden Jahre dringt er, seinen Sieg weiter landeinwärts verfolgend, auf einem verwüstenden Zuge bis an die Ufer der Müritz vor und soll schon 1123 eine Anwartschaft selbst auf Rügen erhalten haben, wie man aus der Nachzahlung eines zwölfjährigen Tributes bei der Bestätigung seiner Belehnung mit Rügen und Pommern durch den Kaiser Lothar, 1135, gefolgert hat 3 ). Zwar haben Andere bei diesen Rügen an die Russen gedacht 4 ), eine Verwechselung, welche allerdings öfter begegnet, allein eine Belehnung über Rußland hat Boleslav schwerlich beim Kaiser gesucht, und die Zusammenstellung mit den Pommern zeigt deutlich genug, wo wir diese Rügen zu suchen haben. Möglich ist aber allerdings, daß der Kaiser nur an das Festland Rügen dachte, und darunter mochte leicht das ganze Küstengebiet bis zur Oder verstanden werden, denn Pommern begann erst jenseit des Stromes. In diesem Falle wurde also der Tribut nur für die nachträgliche Anerkennung des factischen Besitzes nachgezahlt, ohne daß daraus eine frühere Anwartschaft auf erst zu erobernde Provinzen zu folgern wäre. Gewiß aber ist, ganz Pommern und das Gebiet diesseit der Oder bis zur Pene erkannte seit dieser Zeit die polnische Herrschaft an und mußte auf das Gebot des christlichen Herrn, wiewohl mit Widerstreben, bald auch christliche Priester dulden.


1) Saxo Gr. XII. p. 225 und Knytl. Saga c. 73 u. 76. Vgl. auch Giesebrecht II, S. 136 flgd.
2) Saxo I. c. p. 127. Scialmoni vero Candido - - - etiam Rugiae vectigalis a se factae procurationem detulerat.
3) Otto Fris. chron. VII, 19. (et de Pomeranis et de Rugis.
4) Giesebrecht II, S. 358.
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Durch diese raschen Erfolge der polnischen Waffen und die wachsenden Ansprüche des glücklichen Eroberers mußte Boleslav nothwendig in eine entschieden feindliche Stellung gegen Dänemark gerathen, welches seine verjährten Ansprüche auf die eroberten wendischen Provinzen niemals aufgegeben hatte. Wirklich wird auch von den ältesten polnischen Geschichtschreibern das Verhältniß beider Staaten ausdrücklich als ein feindliches geschildert, und doch sollte Niels, Erichs Nachfolger, grade zu dieser Zeit nicht nur um eine polnische Prinzessin für seinen Sohn geworben haben, sondern auch mit einer dänischen Flotte ausgesegelt sein, um das wichtige Julin, woran sich aus alter Zeit so viele Erinnerungen seines Volkes knüpften, mit dänischen Waffen zu erobern und den geängsteten Wartislav völlig zu erdrücken, nicht zur Herstellung der dänischen Herrschaft, sondern um die Früchte dieses Sieges dem polnischen Schwiegersohne zu Füßen zu legen? Es gehört in der That ein starker Glaube an die Unfehlbarkeit Saxos dazu, um einem solchen Berichte Vertrauen zu schenken 1 )!

Auch mit der Chronologie kommen wir bei dieser Darstellung Saxos hart ins Gedränge. Wenn die Heerfahrt des Niels wirklich im Vereine mit Boleslav stattgefunden hätte, so ist sie nothwendig vor der völligen Unterwerfung Wartislavs und der Festsetzung des Siegers auf dem linken Oderufer und den Inseln in der Mündung des Stromes zu setzen, also vor 1121, oder spätestens in den Frühling dieses Jahres selbst, wo Boleslav Stettin eroberte und kampfgerüstet dastand, seinen Sieg zur Unterwerfung des Landes zu benutzen. Dem widersprechen aber andere Angaben. Magnus war nämlich zur Zeit seiner Vermählung schon König von Schweden, und wenn wir auch das Jahr seiner Wahl nicht genau kennen, so scheint diese doch jedenfalls nach 1121 stattgefunden zu haben. Ebenso war Knud Laward, welcher bei den Friedensverhandlungen bei Strela ein Freund des Wartislav genannt wird 2 ), offenbar schon König von Obotritien (1125), denn nur in dieser Stellung konnte er mit dem Pommernherzoge in nähere Berührung kommen; auch war es grade auf der Hochzeit des Magnus, wo dessen Eifersucht gegen Knud zum Ausbruche kam, und diese war eben durch die Stellung des letzteren als Königs der Obotriten geweckt. In eben diese Zeit weis't endlich auch das Alter des ältesten Sohnes aus der Ehe des Magnus mit der Rikissa, denn Knud war 1139


1) Dahlmann Gesch. von Dänemark I, S. 223, hebt gleichfalls das Unpolitische der angeblichen Verbindung Dänemarks mit Polen hervor, meint aber: "Niels hatte keinen Sinn dafür!" Das ist eine harte Beschuldigung.
2) Saxo XIII, p. 235. Itaque efficaci persuasione usus (Canutus) et amicum (Wartislaum) oppressione, et dominum (Nicolaum) infamia liberavit.
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bei dem Tode Erich Emuns, Niels Nachfolgers, noch Knabe oder doch kaum dem Knabenalter entwachsen; bei Erich Lams Tode 1147 dagegen war er bereits regierungsmündig, d. h. 18 Jahre alt 1 ). Er scheint also erst zwischen 1125 und 1129 geboren zu sein, was den Abschluß der Ehe seiner Aeltern nach 1121 vermuthen läßt 2 ).

Alle diese Schwierigkeiten und Widersprüche lösen sich abermals ganz einfach, wenn wir mit der Knytlinga den rügischen Fürsten Burislav als Schwiegervater des Magnus annehmen. Rügen und das obotritische Reich waren durch Boleslavs Eroberungen nicht minder bedroht, als Dänemark. Ein Bündniß des Niels und Knud Laward mit Burislav gegen Polen und den polnischen Vasallen Wartislav war also eine natürliche Folge der Stellung der Völker und durch die Verhältnisse fast zur Nothwendigkeit geworden. Daß Niels dasselbe auch durch eine Familienverbindung zu stärken suchte, ist begreiflich. So erklärt sich die Verlobung seines Sohnes mit der Tochter Burislavs 3 ) und zugleich die gemeinschaftliche Fahrt gegen Julin, wobei auch ein rügisches Landheer von der Pene aus mitwirken mochte, um die polnische Macht über die Oder zurückzuwerfen, eine Unternehmung, die wahrscheinlich 1127 stattfand und vom Könige Lothar selbst unterstützt ward. Nach dem Berichte der Biographen des heiligen Otto, Apostels der Pommern, hatte nämlich Lothar nach der Rückkehr Ottos von der ersten pommerschen Mission (1124) eine Fahrt gegen die Liutizier unternommen, welche ihn in die Gegend von Demmin führte und auf welcher er einen berühmten Götzentempel, vermuthlich zu Rethra, zerstörte. Als hierauf der Bischof im Mai 1128 zum zweiten Male nach Pommern kam, fand er die Bevölkerung dieser Gegend annoch in größter Aufregung. Es waren Partheiungen im Lande entstanden, die zu innern Unruhen, selbst zu offener Empörung gegen den Herzog Wartislav und seinen Lehnherrn, die Beschützer des verhaßten Christenthums, geführt hatten. Als Urheber und Schürer dieser Bewegung läßt der Bericht den ungenannten heidnischen Fürsten


1) Saxo XIII, S. 250, sagt von den vier Thronprätendenten dieser Zeit im Allgemeinen: nondum regno tempestivi fuere, d. h. unter 18 Jahren, wie sich aus der Vergleichung der Stellen über Waldemar ergiebt, welcher 1147, 16 Jahre alt, noch nicht thronfähig war (p. 253), es aber bald darauf, etwa 1149, ward (p. 255). Knytl. c. 104, nennt sie "naesten Börn af Alder", Helmold c. 67: cum adhuc infantuli essent.
2) Die verschiedenen Ansichten Dahlmanns, Bartholds und Giesebrechts über die Zeit des Ereignisses sind eine Folge des innern Widerspruchs in der Erzählung Saxos. Vgl. Giesebrecht II, S. 213.
3) Sollte Niclot schon bei Lebzeiten des Knud die Freiheit wieder erlangt haben, so wird das gleichfalls jetzt geschehen sein, aber auch das Benehmen des Niels gegen ihn nach Knuds Tode tritt nun in ein helleres Licht.
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der Rügen erkennen, welcher namentlich den Stettinern, so lange sie dem Christenthume treu blieben, offen den Krieg erklärt und ihre Schiffe zerstört hatte. Ja an den Ufern der Pene wüthete noch jetzt der Krieg mit einem gleichfalls nicht genannten Feinde, ohne Zweifel eben diesem rügischen Fürsten. Aber auch der Ausrüstung von Schiffen gegen die Dänen wird gelegentlich gedacht und zahlreicher dänischer Gefangenen, sowie umgekehrt edle Pommern in dänischer Gefangenschaft schmachteten. Endlich melden die Berichte auch ausdrücklich die Zerstörung Julins im Jahre 1127 durch eine furchtbare Feuersbrunst, wobei die christliche Kirche, obwohl mitten im Orte gelegen, auf eine wunderbare Weise gerettet sei. Als Ursache des Brandes wird jedoch ein zündender Blitzstrahl angegeben. Diese Einzelheiten, mit dem dänischen Berichte verglichen, lassen den wahren Zusammenhang nicht undeutlich erkennen und bestätigen die ausgesprochene Vermuthung 1 ).

Endlich tritt Saxo auch mit allen polnischen Berichten über die Familienverhältnisse Boleslavs in offenen Widerspruch. Martinus Gallus, ein fränkischer Geistlicher und Zeitgenosse Boleslavs, an dessen Hofe er lebte und dessen Thaten er durch ein Lobgedicht in lateinischen Reimversen zu verherrlichen suchte 2 ), kennt die Verbindung seines Herrn mit Dänemark eben so wenig, als Matthäus Choleva, Bischof von Krakau (1143 - 1166), welcher gleich nach Boleslavs Tode seine prahlerischen Briefe über die Thaten der polnischen Herzoge schrieb 3 ). Beide erwähnen zwar der Familienverhältnisse ihres Herrn überhaupt nur beiläufig, aber eine Vermählung der Tochter des Herzogs mit dem dänischen Thronfolger, von so merkwürdigen kriegerischen Ereignissen begleitet, wie Saxo sie meldet, wäre von unsern Lobrednern nicht übergangen, wenn sie stattgefunden hätte. Geradezu aber widerspricht der 1253 verstorbene Bischof Boguphal von Posen 4 ) und der freilich erst dem 15. Jahrhundert angehörige fleißige Dlugoß, welcher indeß vielfach noch ältere, jetzt verlorene Quellen benutzte 5 ). Nach den Berichten dieser durchaus gaubwürdigen Zeugen ward Boleslav am 20. August 1084 geboren 6 ) und


1) Ich kann hier nur auf Giesebrecht II, S. 299 flgd. verweisen, da eine genauere Ausführung nicht hieher gehört.
2) Martini Galli chron. Polon. Ed. Bantzke. 1829.
3) Die drei ersten Bücher des Chronic. Polon. Vincentii Kadlubkonis bei Dlugoss II, im Anhange, sind bekanntlich von Matthäus Cholleva.
4) Boguphali II. episc, Posnan. Chron. Polon., bei Sommersberg rer. Silesiac. scriptores II. p. 18 sqq.
5) Joh. Dlugossi histor. polon., Lips. 1711.
6) Den Tag hat Mart. Gall. II. c. 1., das Jahr Cosmas Prag. ad a. 1085. Nach Boguphal dagegen starb Boleslav 1138 im 56. Jahre seines Alters. ( A. dmn. MCXXXVIII, etatis sue LVI, unde de hoc cxtant versus ). Das (  ...  )
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folgte seinem Vater Vladislav 1102 in der Regierung des Reiches. Schon im folgenden Jahre, nach Dlugoß am 16. November, vermählte er sich, obwohl erst 19 Jahre alt, mit der Zbislava, Tochter des russischen Fürsten Svantopolk von Kiew, aus welcher Ehe ihm nach der wiederholten, bestimmten Versicherung Boguphals nur ein Sohn, Vladislav, und eine Tochter geboren wurden 1 ). Dlugoß setzt die Geburt des Vladislav in das Ende des Jahres 1104, die der Tochter, hier Svantoslava genannt, genauer auf den 12. April 1106 2 ). Schon im Jahre 1108 starb die Mutter und Boleslav vermählte sich zwei Jahre darauf zum zweiten Male, nach Boguphal mit der Adelheid, Schwester des Kaisers Heinrich IV. 3 ), welche zehn Jahre hindurch unfruchtbar blieb, dann aber noch fünf Söhne gebar. Der Geburt einer zweiten Tochter gedenkt Niemand, wenn gleich auch nicht ausdrücklich gesagt wird, daß sie nicht geboren sei. Für uns ist dies gleichgültig, da ihre Geburt jedenfalls nach 1118 stattgefunden haben müßte, sie also hier ihrem Alter nach nicht mehr in Betracht kommen könnte. Uebrigens war Boleslav nach der sichern Nachricht der Chronik des Klosters Zweifalten in den letzten Jahren mit der Salome, Tochter des Herzogs Heinrich von Berg vermählt, welche ihn überlebte. Es scheint also, als ob die zweite Gemahlin nach zehnjähriger unfruchtbarer Ehe gestorben sei und der Herzog sich später zum dritten Male vermählt habe. Auch dies hat indeß auf unsere Untersuchung keinen Einfluß.

Die erwähnte Tochter erster Ehe aber war späterhin an einen Fürsten von Halicz vermählt. Dies erfahren wir zuvörderst aus völlig sicherer Quelle durch den Bischof Vincenz Kadlubek von Krakau, welcher gegen Ende des 12. Jahrhunderts als Dompropst von Sandomir (1186 - 1208) im Auftrage des Herzogs Kasimir von Polen († 1192), Boleslavs Sohns, die Chronik des Matthäus Choleva fortsetzte. Er erwähnt jedoch dieser Ehe der Schwester seines Herrn nur beiläufig, bei Gelegenheit der zwischen ihren Söhnen, den Fürsten von Halicz, um 1182 ausgebrochenen Streitigkeiten, in welche der Oheim sich einmischte, ohne den Namen, weder der Mutter, noch des Vaters zu nennen 4 ).


(  ...  ) gäbe als Geburtsjahr 1182 ober 1183, je nachdem man den Todestag vor oder nach dem 20. August annimmt. Wahrscheinlich ist indeß LIV statt LVI zu lesen. So wenigstens wird Dlugoß, welcher das Alter des Herzogs zu 54 Jahren angiebt, gelesen haben.
1) Boguph. I. c. p. 30 und 36.
2) Dlug. IV. p. 355 - 360.
3) Boguph. I. c. p. 36. Die erste Vermählung und die Geburt eines Sohnes hat auch Mart. Gall. II, c. 23. 40.
4) Vincentii Kadlubek hist. Polonor. Lib. IV. c. 14 u. 15 (bei Dlugoss II, p. 592 sqq.)
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Ausführlicher ist Boguphal. Nach ihm war die Prinzessin an Coloman, einen Sohn des Königs von Ungarn, vermählt, welchem Boleslav als Brautgabe seiner Tochter die Kastellanei Spiß verschrieb, worüber später Weiterungen mit Ungarn entstanden. Coloman ward durch den Einfluß seines mächtigen Schwiegervaters zum Könige von Halicz erhoben, aber wie es scheint schon nach wenigen Jahren, jedoch nach der Zerstörung Wiliczkas am 6. Febr. 1130 1 ), aus seinem Reiche vertrieben und lebte längere Zeit mit Gemahlin und Kindern an dem Hofe Boleslavs, welcher noch kurz vor seinem Ende einen sehr unglücklichen Heereszug unternahm, um den Schwiegersohn mit Waffengewalt wieder einzusetzen 2 ). Dagegen erzählt Dlugoß schon zum Jahre 1108, daß Boleslav seine erst zweijährige Tochter, welche er hier im Widerspruche mit sich selbst Judith nennt, mit Stephan, Sohn des Königs Coloman von Ungarn, verlobt habe, welcher auch später ihr Gatte geworden sei, wobei gleichfalls der Bestellung der Brautgabe und des darüber später mit Ungarn entstandenen Streites gedacht wird. Eben so kennt auch Dlugoß die Vertreibung der Prinzessin mit ihren Kindern, ihre Flucht zum Vater und dessen vergebliche Versuche zur Wiedereinsetzung der Tochter, nur daß er dies alles nach dem Tode Stephans, ihres Gemahles, setzt und den Schauplatz nach Ungarn verlegt. Offenbar sind diese Nachrichten aus verschiedenen Quellen entlehnt und beziehen sich auf zwei verschiedene Ereignisse, welche schon Boguphal mit einander vermischt zu haben scheint, nämlich erstens die Vermählung der Judith (um 1108) an Coloman von Ungarn (nicht seinen Sohn Stephan), welcher nach ungarischen Berichten zweimal vermählt war, dessen zweite Gemahlin aber unbekannt ist, und welcher 1114 starb, und zweitens die natürlich viel später zu setzende Vermählung der Suantoslava an einen unbekannten Fürsten von Halicz. Jene Judith aber war vielleicht eine Tochter Boleslavs II., Oheims Boleslavs III., welcher, durch seinen Bruder Vladislav vertrieben, nach Ungarn floh, wo er mit Hinterlassung eines Sohnes 1181 verstarb 3 ).

Hieraus ergiebt sich denn wenigstens so viel mit voller Gewißheit, daß Boleslav im Jahre 1121, wo die Vermählung des Magnus und die damit zusammenhangende kriegerische Fahrt seines Vaters gegen Julin, nach den politischen Verhältnissen der Zeit, spätestens stattgefunden haben müßte, wenn der Herzog


1) In unserem Texte des Boguphal steht MCXXXV. VI. Idus Febr., bei Kadlubek dagegen: Idus Febr. 1136. Dlugoß endlich setzt das Ereigniß ums Jahr 1130 und hat also MCXXX. VI. Id. Febr. gelesen.
2) Boguph. I. c. p. 40 sq.
3) Mart. Gall. I. c. 27 und 28, Vita St. Stanisl. c 32.
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von Polen der Brautvater und Bundesgenosse des Niels gewesen wäre, - daß jener also damals überall noch keine mannbare Tochter hatte. Aber auch späterhin kann der dänische Prinz nicht der Schwiegersohn des Polen geworden sein, denn dieser hatte nur eine hier in Betracht kommende Tochter, und deren Gemahl war Magnus von Dänemark nicht, sondern ein russischer Fürst, wie wir, ungeachtet der Zweifel über den Namen und die Herkunft desselben, aus seinen, seiner Gemahlin und seiner Kinder wohlbekannten späteren Schicksalen mit Sicherheit schließen dürfen. - Dagegen findet sich bei den polnischen Schriftstellern umgekehrt eine freilich ziemlich abgerissene und vereinzelt stehende Nachricht von der Vermählung einer dänischen Prinzessin mit einem Sohne Boleslavs III., wobei wir noch einige Augenblicke verweilen müssen.

Dlugoß erwähnt nämlich zum Jahre 1128 einer Versammlung, welche Boleslaus bei Wilun, worunter hier ohne Zweifel Wollin zu verstehen ist, gehalten habe und wo seinem Sohne Vladislav durch dänische Große eine Tochter des Königs von Dänemark mit einer reichen Aussteuer zugeführt sei, worauf die Hochzeit mit großem Aufwande gefeiert und die Dänen mit Geschenken entlassen worden seien 1 ). Das ist gewiß ein merkwürdiges Seitenstück zu Saxos Erzählung! Der Werth der Nachricht an sich ist schwer zu würdigen; vielleicht ist sie aus der Geschichte Peters des Dänen entlehnt, in welchem Falle die Braut keine dänische, sondern eine wendische Prinzessin sein würde; vielleicht ist gar an unsere Rikissa zu denken, die Wittwe des Magnus von Dänemark, so daß das Ereigniß etwa 10 Jahre später, nach 1135, zu setzen wäre. Dies ist aber ohnehin nothwendig, wenn die Erzählung überhaupt auf Wahrheit beruht, da Vladislav nach der frühern eigenen Erzählung des Dlugoß sich schon 1121 mit einer Tochter, richtiger Schwestertochter, des Kaisers Heinrich V. vermählt hatte, die ihm schon in früher Jugend verlobt war und mit der er mehrere Kinder erzeugte. Möglich ist aber allerdings, daß diese um 1138 bereits verstorben war, und Wladislav, welchen sein Vater schon bei Lebzeiten mit der Verwaltung Pommerns betraut hatte, sich in zweiter Ehe mit der Wittwe des Magnus vermählte, welche vielleicht nach der Heimath Rügen zurückgekehrt war. So hätten wir denn in Vladislav, dem ältesten Sohne des Boleslav, den Valadar der Knytlinga, welchen


1) Dlug. IV, p. 429: Boleslaus Polonornm dux notabilibus nunciis ex regno Daniae ad eum transmissis apud Wielun magnificum tenuit conventum, ubi - - filiam regis Danorum adductam filio suo per Barones Danie cum magnifica dote accepit in uxorem, nuptiasque sumptibus profusis celebravit etc.
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sie einen König von Polen nennt, glücklich wiedergefunden, und das würde freilich der bündigste Beweis sein, daß Rikissa keine Tochter Boleslavs III., d. h. Schwester des Vladislav, ihres Gatten, gewesen sei 1 ).

So gewagter Hypothesen bedarf es indeß zur Stützung der von mir verfochtenen Ansicht nicht. Mir kommt es hier überhaupt auf den innern Werth der Erzählung des polnischen Historikers zunächst nicht an, sondern auf ihr Dasein überhaupt. Ich zweifle nämlich nicht einen Augenblick, daß Saro, auf dessen Bekanntschaft mit polnischen Berichten schon oben aufmerksam gemacht ward, diese polnische Sage, die Dlugoß nothwendig aus einer ältern unbekannten Quelle entlehnt haben muß, gekannt habe und lediglich durch die Vergleichung derselben mit der ähnlichen nordischen Sage über die Vermählung des dänischen Prinzen mit einer Tochter des Königs Burislavs zu seiner eigenthümlichen Darstellung des letzteren Ereignisses gelangt sei. Indem er beide Erzählungen zu vereinigen suchte, ließ er sich durch die ähnlich klingenden Namen Burislav und Boleslav, die er für gleichbedeutend gehalten haben muß, zu der Verwandelung des rügischen Königs in einen Herzog von Polen verleiten; das ist die einfache Lösung des Räthsels, die nur dadurch möglich geworden ist, daß uns die nordische Sage durch die Knytlinga glücklicher Weise in ihrer reinen, ursprünglichen Gestalt aufbewahrt ward.


So erscheint denn der Bericht der nordischen Saga nach allen Seiten hin vollkommen gerechtfertigt, und unsere Geschichte ist um eine höchst merkwürdige und bedeutungsvolle Thatsache bereichert: bedeutungsvoll nicht bloß für den nächsten Gegenstand unserer Untersuchung, den Ursprung unsers hohen Fürstenhauses, sondern für die Geschichte der wendischen Völker überhaupt, weil durch sie die gesammten Verhältnisse und Ereignisse der Zeit in einem völlig neuen Lichte erscheinen! Fassen wir nunmehr das Hauptergebniß der ganzen Untersuchung, zugleich zur nähern Erläuterung der beigefügten Stammtafel, noch einmal in kurzer Uebersicht zusammen.


1) Durch diese Annahme erklärte sich übrigens zugleich die Verwandschaft des Königs Knud, Waldemars Sohns, und der Söhne des Herzogs Bogislav von Pommern, durch die Mutter des ersteren, Sophie, Rikissas Tochter, deren Saxo XVI. p. 384 gedenkt. Bogislavs Söhne waren durch ihre Mutter Anastasia Enkel des Mieczyslav, Bruders des Vladislav. War also Sophie, Knuds Mutter, eine Tochter des Vladislav (mit der Rikissa), so war die Verwandtschaft nahe genug. Vgl. oben S. 36. Uebrigens schreiben die polnischen Chronisten die Verfolgung des Grafen Piotrek durch die beleidigte Gattin des Vladislav 1142 noch der Kaisertochter zu. Wäre dabei an Rikissa zu denken, so könnte man grade in diesem Verhältniß die Veranlassung zu der spätern Verstoßung derselben finden.
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Nach der Ermordung Gottschalks also, im Jahre 1066, ward Kruto, ein Sohn des Grinus, König von Rügen, durch die Wahl der Großen des Reiches zugleich zum Könige der Obotriten erhoben und gründete durch glänzende Siege ein neues Wendenreich, von einer Macht und einem Umfange, wie es nie zuvor und niemals nach ihm bestand. Er war zweimal vermählt, zuerst mit einer unbekannten Gattin, und später im schon vorgerückten Alter mit der Slavina, durch deren Treulosigkeit er 1093 den Tod fand. In erster Ehe wurden ihm mindestens zwei, vielleicht vier Söhne geboren, von welchen ihm Burislav in der Regierung des Stammlandes folgte und zugleich von den Obotriten auf den Thron des ermordeten Vaters erhoben ward. Auf der smilower Haide erlag er seinem Gegner Heinrich, Gottschalks Sohne, und dessen sächsischen Bundesgenossen, und ward in die ursprünglichen Grenzen der Herrschaft Rügen zurückgedrängt, von wo aus er den Kampf gegen Heinrich, vermuthlich in dänischer Bundesgenossenschaft, fortsetzte, wodurch aber Rügen selbst gegen Ende des 11. Jahrhunderts in dänische Zinsbarkeit gerieth. Im Jahre 1111 unternahm er einen unglücklichen Seezug gegen Lübeck, siegte dagegen 1112 über Heinrichs Sohn Waldemar, mußte aber 1113 und 1114 wenigstens scheinbar die sächsisch=obotritische Oberherrschaft anerkennen und einen Bruder als Geißel stellen. Nach Heinrichs Tode im Jahre 1119 brachen innere Unruhen im Obotritenreiche aus, indem sein Sohn Suentipolk und Kanut um die Herrschaft stritten, was Burislav anscheinend zur Wiedereroberung der kissinischen und circipanischen Gaue benutzte. Im Jahre 1121 warb er zwar nochmals durch die Sachsen daraus vertrieben, eroberte aber drei Jahre darauf, nach der Ermordung Kanuts durch seinen Bruder Suentipolk, die Hauptstadt Lübeck und vertrieb seinen Gegner aus dem Reiche.

Burislav, dessen Gemahlin unbekannt ist, hatte zwei namentlich bekannte Söhne, Niklot und Lubimar, und eine Tochter, Rikissa. Letztere ward 1127 mit Magnus von Dänemark, nach dessen Tode 1135 mit einem polnischen oder russischen Fürsten Valadar, und später zum dritten Male mit Sverker, König von Schweden, vermählt. Niklot dagegen ward noch bei Lebzeiten seines Vaters, 1125, mit der Verwaltung der neu eroberten obotritischen Provinzen betraut, hatte aber das Unglück, bald darauf in die Gefangenschaft des vom Könige Lothar mit der obotritischen Königskrone belehnten Herzogs Knud Lavard von Schleswig zu gerathen. Erst nach dem Tode Knuds, 1131, gelangte er wieder in den Besitz der obotritischen Herrschaft, wenn auch in sehr beschränktem Umfange, und erhielt sich in derselben, aller gegen ihn heranziehenden Stürme ungeachtet, bis an seinen Tod, 1161.

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Er ist bekanntlich der Stammvater des noch jetzt blühenden großherzoglich=meklenburgischen Fürstenhauses.

Während jener Gefangenschaft Niklots und der Regierung Knuds als Königs der Obotriten, scheint Burislav, nach 1127, gestorben zu sein, worauf anscheinend ein ungenannter Bruder desselben, mit Uebergehung des vielleicht noch minderjährigen Lubimar, die Zügel der Regierung ergriff, ohne Zweifel der Vater der spätern rügischen Fürsten Tetislav und Jaromar, welche von 1162 - 70 als Brüder genannt werden, jener aber ausschließlich im Besitze der königlichen Würde. Seit 1181 - 1218 dagegen erscheint Jaromar als König, und neben ihm ein Bruder Stoyslav, anscheinend Söhne des Tetislav, obwohl man jenen, den Stifter des 1325 erloschenen Geschlechtes der rügischen Fürsten, mit obgedachtem gleichnamigen Bruder des letzteren für identisch zu halten pflegt. Stoyslav ist der Stammvater der Herren von Putbus, während das Haus Gristow von einem Sohne des Jaromar, Barnutha, abgeleitet wird. - Bald nach dem Tode Burislavs tritt nun jener Race, oder Ratislav, als Eroberer Wagriens auf, 1138, und verschwindet dann, worauf nacheinander Rochel, 1150, und Pribislav, 1156, als Fürsten dieses Landes erscheinen. Von Ratislav und Rochel ist gewiß, daß sie Nachkommen des Kruto waren, weshalb man jenen für einen Sohn desselben, den Vater der Fürsten Tetislav und Jaromar gehalten hat; wahrscheinlicher war er ein Enkel des Kruto, entweder Bruder der genannten Fürsten, oder Niklots und Lubimars. Rochel und Pribislav aber werden als Söhne Ratislavs zu nehmen sein. Anscheinend hatte dieser aber noch einen dritten Sohn Nicolaus (Niklot?), welcher eine Zeit lang Statthalter von Schleswig war und 1161 bei Gelegenheit der Plünderung einer bischöflichen Besitzung erschlagen ward 1 ).

Ob auch die spätern Herzoge von Pommern krutonischen Geschlechtes waren oder aus einem älteren Zweige des rügischen Fürstenhauses stammten, ist nicht zu erweisen. Eins von beiden ist aber mindestens in hohem Grade wahrscheinlich, seit man genöthigt gewesen ist, die Abstammung dieser Fürsten von dem alten ostpommerschen Herzogsgeschlechte aufzugeben und Giesebrecht wahrscheinlich gemacht hat, daß Wartislav, der erste historisch sichere Stammvater der westpommerschen Herzoge, mit seinem


1) Saxo Gr. XIV. p. 299. Interea Nicolaus quidam, Razi filius, recenter Sleswicensium satrapa constitutus, cum eorum antistite Esberno inimicitiis vehementer gestis, per summum temeritatis excursum celeberrimum ejus fundum speciosissimo spoliaverat aedificio. Quod cum plaustris devehendum mandasset a militibus Esberni deportationem inhibituris ociditur. Dieser sonst unbekannte Razus kann doch wohl kaum ein anderer sein, als der latinisirte Race des Helmold?
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Bruder Ratibor, kein Pommer, sondern ein Lutizier war. Einen weiteren Anhalt giebt vielleicht die Nachricht, daß Wartislav in seiner Jugend in sächsische Gefangenschaft gerathen und dadurch dem Christenthume gewonnen sei. So könnte er jener Bruder des rügischen Königs gewesen sein, welcher 1114 dem Herzoge Lothar als Geißel gegeben ward, also ein dritter Sohn Krutos, zu welchem dann Ratibor als vierter hinzukäme. Nach wiedererlangter Freiheit im Besitze der Küstenländer zwischen Pene und Oder, als eines Theiles seines väterlichen Reiches, eroberte er dann zugleich einen Theil von Pommern, bis er der Uebermacht Boleslavs von Polen erlag. Für diesen Zusammenhang spricht die schon am Ende des 12. Jahrhunderts bedeutsam hervorgehobene Verwandtschaft des pommerschen und rügischen Fürstenhauses: eine weitere Begründung der Vermuthung wird aber nur möglich werden, wenn auch hier durch die Eröffnung neuer Quellen unerwartet helleres Licht auf diese Verhältnisse geworfen werden sollte.

Auch aufwärts, über den Grinus, Krutos Vater, hinaus läßt sich der Stammbaum dieses mächtigen Königsgeschlechtes mit einiger Sicherheit nicht fortführen. Die Insel Rügen war seit der Auswanderung, oder richtiger Auswerfung, der alten germanischen Bewohner derselben Jahrhunderte hindurch den Blicken der gebildeten Welt entrückt. Erst um die Mitte des 10. Jahrhunderts tritt das slavische Volk, welches nunmehr den Namen des fernen Eilandes trug, als Bundesgenossen des Kaisers Otto des Großen in der Schlacht an der Raxa (955) wieder handelnd in der Geschichte hervor, aber ein Fürst des Volkes wird uns noch nicht genannt. Ein Menschenalter später kennt dann die nordische Sage einen wendischen König Burislav in dem Heere Ottos des zweiten, welcher andererseits an den Mündungen der Oder eine bedeutsame Rolle spielt. Schon Suhm und nach ihm Barthold haben denselben gleich seinem jüngern Namensgenossen für identisch mit dem pommerschen Herzoge Mieczyslav von Polen gehalten, indem sie die Sage zugleich einer Verwechselung dieses mit seinem Sohne Boleslav, dem ersten des Namens, beschuldigen. Giesebrecht hat diese unhaltbare Vermuthung zurückgewiesen; ob aber Burislav zu dem Geschlechte der Könige von Rügen gehörte, wie andere angenommen haben, bleibt völlig ungewiß. Noch nebelhafter ist die Gestalt des riesenhaften wendischen Helden Regbus, welcher nach eben dieser Sage über ein halbes Jahrhundert später vom Könige Magnus dem Guten in der Schlacht bei Lyrskow (1044) erschlagen sein soll, dennoch aber noch im folgenden Jahre in der Schlacht bei Helgenäs kämpfte, und hier ausdrücklich ein Rüge genannt wird. Damit sind wir bereits in dem Zeitalter

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des Grinus angelangt; zur Feststellung des Verhältnisses beider fehlt es aber in den diesseitigen, wie in den jenseitigen Berichten an jeglicher Andeutung, und eben so wenig läßt sich die an sich allerdings nicht unwahrscheinliche, ursprüngliche Stammverwandtschaft des rügischen Königshauses mit den ostpommerschen Herzogen einerseits, und den älteren obotritischen Königen andererseits, ermitteln. Erkennen wir also hier die Grenze historischer Forschung.


Spätere Bemerkung.

Die ungewöhnliche Schreibung des Namens Kruto, statt des bisher üblichen Kruko, oder Krito, scheint annoch einer Rechtfertigung zu bedürfen, wozu ich in der Note 1 auf Seite 8 der vorstehenden Abhandlung keinen Raum fand, da diese selbst in der Handschrift der älteren Schreibung (Kruko) folgte, was erst während des Druckes in der zweiten Correctur abgeändert ward. Herr Archivar Lisch, dessen freundschaftlicher Vermittelung ich auch die Benutzung der älteren polnischen Chronisten aus der königlichen Bibliothek zu Berlin verdanke, hatte sich nämlich inzwischen an den Herrn Archivar Dr. Lappenberg in Hamburg gewendet, und durch die dankenswerthe Mittheilung dieses Gelehrten, welcher seit Jahren eine neue Bearbeitung der Chronik des Helmold für die Monumenta historiae Germanicae von Pertz vorbereitet hat, ward uns sofort die gewünschte Auskunft über die auffallende Abweichung in der Schreibung jenes Namens zu Theil.

Hiernach haben alle von Herrn Lappenberg entweder unmittelbar, oder nach einem Verzeichniß der Varianten benutzten Handschriften die Lesart: Cruto. So namentlich die Pergament=Handschrift in Kopenhagen, spätestens aus dem Ende des 13. Jahrhunderts, in dem Archiv der Gesellschaft für ältere Geschichtskunde VI., S. 576 flgd. als Nr. 1 bezeichnet; ferner die Papier=Handschrift aus dem Ende des 15. Jahrhunderts auf der Stadt=Bibliothek zu Lübeck, welche der Ausgabe des Heinrich Bangert, 1659, zum Grunde liegt (Nr. 2), und eine noch von Bangert benutzte, jetzt verlorene stettiner Handschrift (Nr. 6). Nur einige Male findet sich in Nr. 2 die Lesart Critto, und so lies't auch die editio princeps von Sigmund Schorkel (1556), vielleicht nach einer verlorenen Handschrift (Nr. 10). Auch unser Kirchberg, welcher den Helmold nur handschriftlich benutzen konnte, hat einmal, c. 36, Critto, sonst stets Crito, und diese letzte Lesart findet sich auch bei den meisten übrigen Epitomatoren Helmolds, namentlich Albert von Stade, der lübischen Chronik und Albert Krantz.

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Nur Corner hat Truto, und Bangert Cruco, letzterer vielleicht nach der von ihm benutzten, jetzt verlorenen Rantzovischen Handschrift (Nr. 3).

Demzufolge ist die Lesart Cruto ohne Zweifel die allein richtige, da die Formen Truto und Cruco augenscheinlich auf einer Verwechselung der in alten Handschriften oft so schwer zu unterscheidenden Buchstaben t und c beruhen, aber auch Critto, und das daraus entstandene Crito sichtlich auf Cruto zurückzuführen ist. Dieser letzte Name hat denn auch einen rein slavischen Klang, und ist wahrscheinlich durch das böhmische krutĕ, d. i. gewaltig, strenge, auch grausam oder grimmig, zu erklären.

Den Namen des Vaters schreiben alle Handschriften Grinus (filius Grini). Eben so hat Bangert und Kirchberg (Grines sone, c. XXVI). Nur Albert von Stade (zum Jahre 1167) und Albert Krantz (Vandalia, III, c. 6 u. 7) bieten die Lesart Grimus dar. Die nordische Sage kennt schon einen Slavenfürsten Grimar als Bundesgenossen des Königs Harald Hildetand, während Grim, aus der Stadt Skierum auf Thyle, auf Seiten seines Gegners Ring steht. (Saxo Gr. VIII. P. 144). In historischer Zeit aber wird urkundlich ein ostpommerscher Fürst Grimislav genannt (Cod. Diplom. Pomeran. Nr. 46, von 1178, und Nr. 76, von 1198), wozu auch der Ortsname Grimme zu stellen sein mag. Zur Erklärung des Namens bietet sich das böhmische h r mit tilde mj dar, d. i. donnern, aber auch rauschen, tönen, namentlich auch von der lauten, starken Stimme gebräuchlich. Das böhmische hr entspricht nämlich häufig dem gr anderer Dialecte, daher z. B. polnisch grzmi, es donnert. Die Lesart scheint sich also in mancher Beziehung zu empfehlen; ohne die Auctorität einer Handschrift habe ich jedoch nicht gewagt, sie in den Text aufzunehmen.

In Betreff des hohen Ansehens der rügischen Fürsten im Alterthume ist hier beiläufig noch zu bemerken, daß nach Helmolds Versicherung die Slaven selbst denselben ausschließlich die königliche Würde zuerkannten, indem sie ihnen und ihrem tapferen Volke ein Primat über alle übrigen einräumten 1 ). Daher werden sie denn auch nicht nur von den Schriftstellern, Helmold selbst und Saxo, bis zu ihrer völligen Unterwerfung unter die dänische Oberherrschaft stets Könige (rex) genannt, sondern selbst Kaiser


1) Rani, qui et Rugiani, gens fortissima Slavorum, qui soli habent regem, extra quorum sententiam nihil agi in publicis rebus fas est. I, c. 2, § 12, nach Adam von Bremen; die ausgezeichneten Worte sind aber Zusatz des Helmod. Eben so: Rani - - - primatum praeferentes in omni Slavorum natione, habentes regem etc. I. c. 36.
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Friedrich I. beehrte noch den Fürsten Jaromar mit diesem Titel 1 ). Ihr einheimischer Titel war also vermuthlich krol, während die übrigen Fürsten knezi, kniaze, d. h. Herr, hießen.

Gelegentlich muß ich noch bemerken, daß schon Krantz - was ich früher übersehen habe - die oben S. 12, Not. 2 vermuthete Lücke in der angeführten Stelle des Helmold, c. 34, ganz in meinem Sinne ausfüllt, indem er die Worte Helmolds: et statuerunt in locum ejus, qui etc., so wiedergiebt: alium sibi principem statuentes, de genere Critonis, qui etc. Ob er diesen Zusatz in seiner Handschrift fand, oder nur zur Erklärung nöthig hielt, kann ich nicht entscheiden. Jedenfalls ist es interessant, zu bemerken, daß schon dieser berühmte Forscher den von mir entwickelten Zusammenhang des Ereignisses erkannte.


1) Saxo Gr. XV. P. 371. Rugiae principem Jarimarum, quem pridie compluribus venerationis officiis, insuper regio nomine adulatus fuerat (Caesar) etc.
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Stammtafel
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II.

Meklenburgs deutsche Colonisation

im 12. und 13. Jahrhundert,

von

F. Boll
zu Neu=Brandenburg.


T hatsache ist es, daß, nachdem im Laufe des 12. Jahrhunderts in den slavischen Ostseeländern (Meklenburg und Pommern) das Heidenthum, theils durch freiwillige Bekehrung zum Christenthume, theils mit Gewalt war ausgerottet worden, in einem verhältnißmäßig kurzen Zeitraume das Slaventhum dem deutschen Wesen weichen mußte, so daß schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts diese Länder als völlig germanisirt zu betrachten waren; nur in kleineren Bezirken, wo eine isolirte Lage sie begünstigte, erhielten sich noch Jahrhunderte hindurch Slaven mit ihrer angestammten Sprache. Jener schnelle Uebergang vom Slaventhume zum Deutschthume ist allerdings eine sehr auffallende Erscheinung, wenn man erwägt, daß derselbe in Ländern statt hatte, wo nicht etwa, wie in den anstoßenden Marken, ein deutsches Fürstengeschlecht, von deutschen Dienstmannen umgeben, der bezwungenen slavischen Bevölkerung deutsche Sprache, Sitte und Recht einpflanzte, sondern wo Landesherren aus slavischem Stamme blieben und noch Jahrhunderte lang vorzugsweise den Titel "Fürsten der Slaven" führten. Man hat diese Erscheinung zum Theil durch sehr gewagte Hyothesen zu erklären versucht. Die vorliegende Abhandlung will diese nicht etwa widerlegen, sondern läßt sie gänzlich bei Seite gestellt; sie will nur dasjenige sammeln, was gleichzeitige Chronisten und gleichzeitige Urkunden zur Aufhellung dieser Thatsache an die Hand geben, und überläßt es dem Leser, zu beurtheilen, ob das Beigebrachte zur Aufklärung derselben genüge, oder ob man darüber hinaus zu anderweitigen Hypothesen seine Zuflucht nehmen müsse. Wenn sich aber diese Abhandlung zunächst auf Meklenburg beschränkt, so ist die

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Ursache davon diese, daß die pommerschen Geschichtsforscher, welche gegenwärtig die Actenstücke zu dieser Untersuchung im Codex Pomeraniae mit großer Sorgfalt sammeln, bis jetzt noch nicht zu dem eigentlich entscheidenden Zeitabschnitte vorgeschritten sind. Meklenburg dagegen entbehrt zwar leider einer solchen Urkunden=Sammlung, doch haben wir es dem unermüdlichen Eifer unseres Lisch zu danken, daß gegenwärtig gewiß nur wenige Urkunden, welche für Meklenburg in Bezug auf die vorliegende Untersuchung von wesentlichem Einflusse sein könnten, noch nicht veröffentlicht sind. Das Land Stargard habe ich für diese Untersuchung von Meklenburg ausgeschlossen, weil dasselbe während des entscheidenden Zeitabschnittes zur Mark Brandenburg gehörte und unstreitig von hier aus seine Germanisirung erfolgt ist; dagegen habe ich von Pommern das Land Tribsees oder das sogenannte Festland Rügen mit herangezogen, weil es einen Bestandtheil des schweriner Bisthums ausmachte, und grade dieses, wie der Verfolg zeigen wird, für die rasche Ausbreitung der Deutschen im Wendenlande von überwiegendem Einflusse gewesen ist. Eingehen in oft an und für sich unbedeutende Einzelnheiten wird sich übrigens nicht vermeiden lassen, weil nur auf diesem Wege allein die Aufklärung und Feststellung einer auch in allgemeinerer Beziehung wichtigen Thatsache sich gewinnen läßt.


Jahrhunderte lang schon währte der Kampf zwischen Wenden und Sachsen, ohne daß diese den ersteren mehr als eine höchst unsichere Zinspflichtigkeit hätten aufzwingen können; das ihnen zu wiederholten Malen aufgenöthigte Christenthum hatten die Wenden stets wieder abgeschüttelt. Erst das 12. Jahrhundert brachte die beiden Männer hervor, welche von der Vorsehung bestimmt waren, das Heidenthum bei den Slaven zwischen Elbe und Oder mit Gewalt auszutilgen, während bei den Pommern die durch den frommen Bischof Otto von Bamberg ausgestreute friedliche Saat, wenn auch nur langsam, ihre Früchte trug. Der letzte Sachsenherzog aus Hermann Billungs Stamm war im Jahre 1106 gestorben. Von seinen beiden Töchtern entsproßten die Bezwinger der Slaven: Albrecht der Bär, Markgraf von Brandenburg, war sein Enkel, und Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen, sein Urenkel. Dieser war noch ein Knabe, als sein Vater starb, dem Conrad von Hohenstaufen in Gemeinschaft mit Albrecht dem Bären eben eines seiner beiden Herzogthümer (Baiern und Sachsen) entreißen wollte. Auf dem Reichstage zu Frankfurt, Pfingsten 1142, ward endlich der Streit geschlichtet: Heinrichs Mutter vermählte sich wieder mit dem Bruder des Königs, dem Markgrafen

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von Oestreich, und brachte diesem das Herzogthum Baiern zu, der junge Heinrich mußte sich mit Sachsen begnügen. Um diese Zeit begann das Eindringen deutscher Colonisten ins Wendenland. Helmold in seiner Slavenchronik ist ein gleichzeitiger und sehr genauer Berichterstatter über diese Vorgänge; folgen wir daher zunächst lediglich seinen Angaben.

Das jetzige Holstein und Lauenburg war damals schon dem größeren Theile nach von Deutschen besessen; nur die fruchtbaren östlichen Landschaften (Wagrien und Polabien) hatten noch Slaven inne. Heinrichs Mutter, als sie noch für ihren Sohn das Regiment führte, hatte Wagrien, weil sie dem Grafen Adolph von Holstein nicht wohl wollte, für Geld an Heinrich von Badewide überlassen; darüber war zwischen beiden ein erbitterter Kampf entbrannt. Nachdem aber Heinrich der Löwe die Verwaltung selbst übernommen, hatte er die Streitenden dahin verglichen, daß Wagrien an Adolph zurückkam, Heinrich von Badewide aber Polabien als Grafschaft abgetreten erhielt. Weil aber Wagrien durch den Krieg sehr entvölkert war, rief Adolph deutsche Colonisten ins Land: die Gegend von Segeberg und um die Trave ward mit Holsteinern, der darguner Gau mit Westphalen, der eutinische mit Holländern und die Gegend von Süsel mit Friesen besetzt; die Slaven aber behielten die Gegend von Oldenburg und Lütkenburg, so wie den Strich an der Meeresküste (Helmold I, 57). Seitdem schritt die deutsche Colonisation im Wendenlande allmälig immer weiter nach Osten vor.

Die nächsten Jahre stand Graf Adolph in gutem Vernehmen mit seinem Nachbarfürsten, dem Obotriten Niklot, und die deutschen Colonien in Wagrien, von den Slaven nicht beunruhigt, begannen aufzublühen. Als aber im Jahre 1147 die sächsischen Fürsten durch Bernhard von Clairvaux zu einem Kreuzzuge gegen die Wenden sich hatten bestimmen lassen, und nun Graf Adolph sich weigerte, dem Niklot gegen das heranziehende Heer der Kreuzfahrer Beistand zu leisten, ergrimmte Niklot, fiel in Wagrien ein und verwüstete die Colonien der Westphalen und Holländer gänzlich; die Holsteiner verschonte er, die Friesen widerstanden ihm tapfer. Die Anstrengungen des Kreuzheeres, das nunmehr ins Wendenland eindrang, hatten übrigens bekanntermaßen keinen großen Erfolg. Man begnügte sich damit, daß die Slaven sich die Taufe gefallen ließen; als das Kreuzheer ihr Land wieder verlassen hatte, kehrten sie alsbald zum alten Heidenthume zurück, Niklot aber söhnte sich mit dem Grafen Adolph wieder aus. Erzbischof Hartwig von Hamburg faßte indeß jetzt den Plan, im Slavenlande drei ihm untergebene Bisthümer, zu Oldenburg, zu Ratzeburg und zu Meklenburg, einzurichten.

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Inzwischen starb Conrad von Hohenstaufen, im Jahre 1152, und sein Brudersohn, Friedrich Rothbart, folgte ihm auf dem deutschen Königsthrone. Mit diesem stand Herzog Heinrich auf dem besten Fuße, seitdem er in Italien Friedrich wesentliche Dienste geleistet hatte: Friedrich gab ihm nicht nur das Herzogthum Baiern zurück, sondern - ein ganz ungewöhnlicher Fall - verlieh ihm auch das Ehrenrecht der Investitur über die drei slavischen Bisthümer. Zu Oldenburg in Wagrien war bereits das seit 84 Jahren durch die Slaven verwüstete Bisthum wieder hergestellt; im Polabenlande ward jetzt zu Ratzeburg Evermod als Bischof eingesetzt. Bischof Gerold von Oldenburg aber erhielt um diese Zeit (1156) vom Grafen Adolph die Erlaubniß, zu Oldenburg eine sächsische Colonie einzuführen, "und die Slaven wichen zurück, die in den umliegenden Ortschaften wohnten, und Sachsen kamen und wohnten daselbst, und der Slaven wurden allmälig wenige im Lande 1 )."

Herzog Heinrich folgte dem Kaiser im Jahre 1159 abermals nach Italien, nachdem er den Slaven zuvor geboten, Frieden mit den Dänen zu halten und keinen Seeraub gegen ihre Inseln zu üben. Das hatten die Slaven nicht gehalten. Als nun der Herzog im Jahre 1160 aus Italien heimgekehrt war, zog er um die Erntezeit in ihr Land, um ihren Ungehorsam zu züchtigen. Niklot fiel, seine Söhne flohen, der Herzog verheerte das ganze Land. Zuletzt, als Niklots Söhne, Wartislav und Pribislav, des Herzogs Gnade suchten, gab er ihnen zwar den östlichen Theil (Kyssin und Werle) zurück, das Obotritenland aber vertheilte er an seine Hauptleute. Zu Kuscin (Parchim) setzte er den Vogt von Braunschweig, Ludolf, ein; Malchow gab er an Ludolf von Peina, Schwerin und Ilow an Günzel von Hagen; in Meklenburg bestellte er Heinrich von Schaten, der alsbald das Land mit Colonisten aus Flandern besetzte. Zum Bischofe des Obotritenlandes bestimmte er den Berno. "Der Herzog aber befahl den Slaven, die im Lande der Wagrier, der Polaben, der Obotriten und Kyssiner zurückgeblieben waren, daß sie die bischöflichen Abgaben leisten sollten, die bei den Polen und Pommern bezahlt werden, das ist vom Pfluge drei Scheffel Roggen und zwölf Pfennige der gangbaren Münze. Der Scheffel der Slaven aber wird in ihrer Sprache Kuritze genannt, und zu einem slavischen Pfluge gehören zwei Ochsen und eben so viel Pferde. Die Zehnten aber mehrten sich im Lande der Slaven, weil dorthin aus ihren Ländern deutsche Leute zusammenströmten, um das geräumige Land zu bauen, das fruchtbar an Getreide


1) Helmold I, 83: defeceruntque Slavi paulatim in terra.
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ist, bequem durch Reichthum an Weiden, und Ueberfluß an Fischen, Fleisch und allerlei Gütern hat" (Helmold I, 87). Bald darauf berichtet Helmold weiter: "In jenen Tagen war Friede durch ganz Slavien, und die Festen, welche der Herzog durch Kriegsrecht im Obotritenlande in Besitz genommen hatte, begannen von den Völkern der Ankömmlinge bewohnt zu werden, die in das Land gezogen waren, um es zu besitzen; der Vorgesetzte dieses Landes war Günzel, ein tapferer Mann und Freund des Herzogs. Aber Graf Heinrich von Ratzeburg, welches im Polabenlande liegt, führte eine Menge Volks aus Westphalen herbei, damit sie das Land der Polaben anbauten, und theilte ihnen das Land mit dem Meßseile zu; und sie bauten Kirchen und leisteten den Zehnten von ihren Früchten zum Dienste des Hauses Gottes. Und das Werk Gottes ward zu den Zeiten Heinrichs im Lande der Polaben gepflanzt, aber zu den Zeiten seines Sohnes Bernhard ward es völliger ausgeführt" (Helmold I, 91).

Allein die Ruhe war nicht von langer Dauer. Die Söhne Niklots, nicht zufrieden mit dem Lande der Kissiner und Circipaner, trachteten das Obotritenland wieder zu gewinnen. Günzel von Schwerin setzte den Herzog von ihren Plänen in Kenntniß, und dieser kam zu Anfange des Jahres 1163 mit starker Heeresmacht in ihr Land, belagerte Werle und zwang Wartislav, der es vertheidigte, mit vielen edlen Slaven sich zu ergeben. In Werle setzte der Herzog den betagten Bruder Niklots, Lubemar, ein, und führte Wartislav gefangen mit nach Braunschweig; Pribislav aber suchte durch Unterhandlungen den Herzog wieder zu versöhnen.

Da ließ der gefangene Wartislav durch heimliche Botschaft den Bruder zu den Waffen mahnen. Wie sie einst, als ihr Vater zu Lüneburg gefangen saß und Bitten und Gelderbietungen vergebens gewesen, ihn dadurch befreit hätten, daß sie zu den Waffen griffen: so solle er jetzt für ihn thun. Pribislav, als er das vernommen, sammelte heimlich seine Schaaren, erschien vor Meklenburg, dessen Befehlhaber grade abwesend war, erstürmte die Feste, erschlug die flamländischen Männer, die sie inne hatten, und führte Weiber und Kinder gefangen fort. Das geschah am 16. Febr. des Jahres 1164. Dann zogen die Slaven vor Ilow, aber Graf Günzel wies ihren Angriff tapfer zurück. Glücklicher war Pribislav vor Malchow, dessen Mannschaft für freien Abzug die Feste übergab.

Der Herzog entbrannte in Zorn. Bei Malchow - hier ward Wartislav gehenkt - vereinigte er sich mit dem Markgrafen Albrecht; auch König Waldemar war übers Meer zur Bestrafung der Slaven entboten. Voraus hatte der Herzog den

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Grafen Adolph von Holstein, den Grafen Günzel, den Grafen Reinhold von Diethmarsen und den Grafen Christian von Oldenburg gesandt. Diese lagerten bei Verchen am Kummerower See, als die Slaven unter Pribislav und den Pommernherzogen Boguslav und Kasimir beim Grauen des Tages das Lager überfielen. Graf Adolph und Graf Reinhold wurden mit vielen Tapfern erschlagen; aber Günzel und Heinrich sammelten ihre Schaaren, stritten männlich und gewannen das Lager wieder; 2500 Slaven wurden erschlagen, die übrigen flohen. Demmin zündeten sie selbst an und entwichen tiefer in Pommern. Der Herzog folgte ihnen; auch König Waldemar vereinigte jetzt seine Krieger mit ihnen; bis zum Kloster Stolp an der Pene drangen sie vor. Da kamen Boten, daß eine Gesandtschaft des griechischen Kaisers in Braunschweig angelangt sei, und der Herzog kehrte heim. "Sonst würde er wegen des unglücklichen Todes des Grafen (Adolph) seine Kriegsmacht zusammengerufen und die ganze Kraft der Slaven bis zum Ende vertilgt haben, und dem Lande der Pommern gethan, wie er dem Obotritenlande gethan hatte. Das ganze Land der Obotriten und die benachbarten Gegenden, die zum Reiche der Obotriten gehören, waren durch die beständigen Kriege, zumeist aber durch diesen letzten, gänzlich zu einer Einöde gemacht, indem Gott Gnade gab und die Rechte des frommen Herzogs stärkte. Wenn einige letzte Reste von Slaven noch übrig geblieben waren, so wurden sie wegen Mangel an Getreide und Verwüstung der Aecker von so großer Hungersnoth geplagt, daß sie sich gezwungen sahen, schaarenweise zu den Pommern und zu den Dänen zu flüchten, die sich ihrer nicht erbarmten, sondern sie an die Polen, Sorben und Böhmen verkauften 1 )."

Pribislav, aus dem väterlichen Erbe gänzlich vertrieben, baute zwar, in Gemeinschaft mit Boguslav und Kasimar die Feste Demmin wieder, und that von dort häufige Streifen ins Obotritenland. Aber Günzel von Schwerin und Bernhard von Ratzeburg waren auf ihrer Hut; in den häufigen Kämpfen verlor Pribislav so viel an Kriegern und Pferden, daß er endlich nichts mehr unternehmen konnte. Auch wurden die Pommernherzoge der Sache überdrüssig, und so mußte denn Pribislav alle Hoffnung aufgeben, jemals von seinem väterlichen Erbtheile etwas wieder zu gewinnen. Da änderte sich plötzlich die Lage der Dinge


1) Helmold II, 5: Si quae Slavorum extremae remanserant reliquiae, propter annonae penuriam et agrorum desolationes tanta inedia confecti sunt, ut congregatim ad Pomeranos sive ad Danos confugere cogerentur, quos illi nihil miserantes Polonis, Sorabis atque Boemis vendiderunt.
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zu seinen Gunsten. Viele sächsische Fürsten, der Erzbischof von Magdeburg und der Bischof von Hildesheim an ihrer Spitze, hatten sich gegen Heinrich den Löwen verbunden; ihm drohete ein heißer Kampf. "Da nahm der Herzog, nachdem er mit seinen Getreuen deshalb Rath gepflogen (wahrscheinlich im Frühjahre 1167), den Fürsten der Slaven, Pribislav, den er, wie oben berichtet, durch viele Kämpfe aus dem Lande vertrieben, wieder zu Gnaden an und gab ihm das ganze Erbe seines Vaters zurück, nämlich das Land der Obotriten, außer Schwerin und dem, was dazu gehört" (Helmold II, 7).

Pribislav leistete Bürgschaft für seine Treue und legte auch im folgenden Jahre schon einen Beweis seines Gehorsams gegen die Befehle des Herzogs dadurch ab, daß er auf sein Geheiß mit Boguslav und Kasimar in Gemeinschaft den Bischof Berno nach Rügen begleitete, um König Waldemar und Bischof Absalon bei der Unterwerfung und Bekehrung der Insel zu unterstützen. Endlich zum Schluß berichtet Helmold: "Das ganze Land der Slaven, das von der Eider anhebt (welche die Grenze des Dänenreichs ist) und zwischen dem baltischen Meere und der Elbe sich erstreckt, in weiter Ausdehnung bis nach Schwerin, einst durch Hinterhalte furchtbar und fast verödet, ist jetzt durch Gottes Hülfe gleichsam in eine einzige Colonie der Sachsen verwandelt; es werden dort Städte und Ortschaften aufgebaut und es mehren sich die Kirchen und die Zahl der Diener Christi. Auch Pribislav hat seine hartnäckige Empörungssucht abgelegt, weil er weiß, daß es ihm nichts fruchtet, wider den Stachel zu lecken; er sitzt ruhig und zufrieden mit dem ihm überlassenen Theile der Herrschaft, und hat die Schlösser Meklenburg, Ilow und Rostock aufgebaut und in ihren Grenzen die Völker der Slaven eingesetzt. Und weil Räuber unter den Slaven die Deutschen beunruhigten, welche Schwerin und seine Grenzen bewohnen, hat Günzel, der Befehlhaber des Schlosses, ein tapferer Mann und Dienstmann des Herzogs, den Seinigen befohlen, daß, wenn sie Slaven finden, die auf Abwegen umherstreifen, wofür der Anlaß nicht einleuchtend ist, man sie fangen und sofort aufhängen soll: so sind den Slaven ihre Diebereien und Räubereien gelegt."

Hiemit schließt im Jahre 1170 oder 1171 - das Jahr ist nicht entschieden - Helmolds treffliche Slavenchronik. Sie zeigt uns, wie von den slavischen Landen der westliche Theil, Wagrien, Polabien (Ratzeburg), und vom Obotritenlande die Grafschaft Schwerin in durch deutsche Colonisten angebauete Länder übergegangen waren. Für das übrige Obotritenland und die ostwärts anstoßenden Landschaften dagegen weiset sie dieses kei=

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neswegs nach, vielmehr erscheinen diese beim Schlusse seines Werks noch im ausschließlichen Besitze slavischer Herren und einer slavischen Bevölkerung. Wir haben zwar eine ziemlich umfangreiche Fortsetzung seiner Slavenchronik durch Arnold von Lübeck bis zum Jahre 1209. Wie aber dieser seinen Vorgänger überhaupt nicht erreicht, so hat er insbesondere dem wichtigen Gegenstande, um den es sich hier handelt, der fortschreitenden deutschen Colonisation des Wendenlandes, gar keine Aufmerksamkeit geschenkt; er gedenkt ihrer auch nicht mit einem Worte. Wir sind daher von jetzt an lediglich auf die in Urkunden sich darbietenden Spuren derselben gewiesen.

Aus Helmolds voraufgeschickter Darstellung geht als nicht zu bezweifelnde Thatsache hervor, daß auch derjenige Theil des Wendenlandes, der noch im Besitze seiner slavischen Herren und ihrer slavischen Vasallen verblieben war, nur eine sehr spärliche Bevölkerung besaß: Krieg, und zwar Vertilgungskrieg, Hunger und Seuchen hatten furchtbar unter der unterlegenen Nation aufgeräumt. Nicht allein Helmold schildert das Slavenland als durchaus verwüstet und menschenleer, sondern auch Herzog Heinrich selbst, der wohl genau wissen konnte, wie es in diesem Lande, das, wie er es ausdrückt, er mit Schwert und Bogen erobert hatte (quam gladio et arcu nostro conquisivimus), aussah, nennt es in der Bewidmungsurkunde des schweriner Bisthums vom Jahre 1171 einen Ort des Schreckens und wüster Einöde (in loco horroris et vaste solitudinis), eine Bezeichnung, die noch im Jahre 1219 Bischof Brunward von Schwerin ausdrücklich wiederholt (hec terra horroris et vaste solitudinis). Die mangelnde Bevölkerung durch herbeigerufene Colonisten wieder zu ersetzen, war also eine sehr nahe liegende Maaßregel, zumal da die westwärts anstoßenden Landschaften, die Grafschaften von Ratzeburg und von Schwerin, durch deutsche Anbauer theils schon wieder bevölkert, theils noch in Colonisation begriffen waren. Denn allerdings waren auch in diesen Landestheilen noch mancher Orten Slaven unter den deutschen Einwanderern sitzen geblieben, und keineswegs ist es wohl ausschließlich zu verstehen, was Helmold von der Einwanderung der Deutschen in diese Gegenden berichtet.

Vorzüglich aber war es in diesen Landen die Geistlichkeit, welche doppelt Ursache hatte, die Einwanderung deutscher Colonisten und die Verdrängung der Slaven durch dieselben in jeder Weise zu begünstigen und zu betreiben. Schon ihre eigene Sicherheit erforderte es, in einem Lande, dessen alte Bewohner so lange und so hartnäckig der Einführung des Christenthums Widerstand geleistet hatten, eine deutsche Bevölkerung herbei zu ziehen,

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um dadurch der jungen Kirche und sich selbst Schutz und Halt zu geben. Aber auch der weltliche Vortheil kam dabei in nicht mindere Berücksichtigung. Die deutschen Einwanderer leisteten der Kirche den Zehnten; für die Slaven aber hatte Herzog Heinrich nur den bei den Polen und Pommern üblichen Bischofszins festgesetzt, nämlich vom slavischen Haken 3 Scheffel Roggen und 12 Pfennige gangbarer Münze. Der Zehnte der Deutschen übertraf, die slavische Hufe zu 45 Scheffel Aussaat gerechnet, den Bischofszins der Slaven wenigstens um das Doppelte des Werthes. Dieser große Gewinn, welchen die deutsche Bevölkerung bot, bewog die Geistlichkeit gewiß nicht weniger, als jene erste Rücksicht, die Einführung deutscher Colonisten möglichst zu betreiben, ja die slavische Bevölkerung theilweise mit Gewalt auszutreiben und durch deutsche Einwanderer zu ersetzen, und die weltlichen Herren, welche zum Theil die Zehntenhebung, um der Kirche Schutz zu gewähren, von ihr zu Lehn empfingen, boten ihr bereitwillig dazu die Hand.

Zunächst wollen wir nach Urkunden untersuchen, wie diese Verhältnisse im ratzeburger Kirchensprengel sich gestalteten. Dieser begriff das jetzige Sachsen=Lauenburg mit den Vierlanden, von Meklenburg den Klützer Ort, einen großen Theil der Herrschaft Wismar und die Aemter Grevismühlen, Rehna, Gadebusch, Zarrentin, Wittenburg, Boitzenburg, Hagenow, Toddin, einen Theil von Grabow. Eldena und Dömitz, nebst dem hannöverschen Amte Neuhaus: er stand unter der weltlichen Herrschaft des Sachsenherzogs, des ratzeburger Grafen, des Obotritenfürsten, des Grafen von Schwerin und des Grafen von Danneberg über der Elbe.

Wir würden für die gewaltsame Austreibung der Slaven in diesem Sprengel ein sehr frühes Zeugniß haben, wenn die sogenannte Stiftungsurkunde dieses Bisthumes durch Herzog Heinrich vom Jahre 1158 (Diplomat. Ratzeb. Nr. 5, in Westphalen monum. inedit. T. II) ächt wäre, denn schon hier wird der Fall gesetzt: "Nachdem aber durch Austreibung der Slaven das Land wird zehntenpflichtig gemacht sein, soll der gesammte Zehnte dem Bischofe zustehen". Allein diese Urkunde ist eben so wohl ein Werk des Betruges, als das zweite Exemplar der Bewidmungsurkunde des schweriner Bisthumes vom Jahre 1171, und es nimmt mich Wunder, daß dieses nicht schon längst entschieden anerkannt worden ist. Die Verfälschung ist trotz des Siegels, das sie trägt, nur zu handgreiflich: unter den Zeugen erscheinen Gerold, Bischof von Lübeck, und Berno, Bischof von Schwerin, und doch ward erst etwa zwei Jahre später das oldenburger Bisthum nach Lübeck,

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und beinahe zehn Jahre später das meklenburger nach Schwerin verlegt 1 ). Auch der Inhalt selbst verräth die Fälschung deutlich; es heißt darin: "der Zins der Slaven durch alle Grenzen dieser drei Bisthümer (und doch ist nirgends vorher von diesen drei Bisthümern die Rede gewesen!) soll vom Haken sein 3 Maaß Roggen, das Kuritz genannt wird, 1 Schilling, 1 Topp Flachs und 1 Huhn". Allein der anfängliche Slavenzins war nur 3 Maaß Roggen und 1 Schilling oder 12 Pfennige vom Haken; 1 Topp Flachs und 1 Huhn sind erst später hinzugekommen Noch in der Urkunde des Herzogs vom Jahre 1169 (Dipomat. Ratzeb. Nr. 12) wird der Slavenzins vom Haken auf 3 Maaß Roggen und 1 Schilling festgesetzt; erst in der Urkunde von 1174 (Diplomat. Ratzeb. Nr. 15) sagt der Herzog mit denselbigen Worten, wie in der unächten Urkunde von 1158 2 ): "der Zins der Slaven durch alle Grenzen dieser drei Bisthümer (hier ist allerdings von den drei Bisthümern zu Ratzeburg, Lübeck und Schwerin vorher die Rede gewesen) soll vom Haken sein 3 Maaß Roggen, das Kuritz genannt wird, 1 Schilling, 1 Topp Flachs und 1 Huhn." Scheint es nicht, als wenn aus dieser Urkunde die fragliche Stelle in jene unächte sei hinübergenommen?

Aber auch diese unächte Urkunde muß als ein Zeugniß für die gewaltsame Austreibung der Slaven im ratzeburger Sprengel gelten, denn der Fälscher würde derselben nicht erwähnt haben, wenn sie nicht wirklich stattgefunden hätte. Wir haben aber auch anderweitige Zeugnisse dafür aus völlig unverdächtigen Ur=


1) Papst Victor in der Confirmation der 3 slavischen Bisthümer an Erzbischof Hartwig vom Jahre 1160 (Diplomat. Ratzeb. Nr. 7) nennt sie Altenburc, Michelenburc et Raceburc; es muß daher eine Verfälschung der Leseart sein, wenn der Erzbischof selbst (ibid. Nr. 6) vom Lübecker, Ratzeburger und Schweriner Bisthume spricht. In Herzog Heinrichs Urkunde von 1162 (ibid. Nr. 8) zeugen Gerold Bischof von Aldenburg und Berno Bischof von Meklenburg: eben so in der Urkunde des Erzbischofs Hartwig von demselben Jahre (ibid. Nr. 9). Erst des Herzogs Heinrich Urkunde von 1167 (ibid. Nr. 11) handelt von der Verlegungg des meklenburger Bisthums nach Schwerin, und es treten unter den Zeugen Conradus Lubecensis episcopus und Berno Zwerinensis episcopus auf.
2) Der Fälscher der Urkunde ist es sich offenbar bewußt, daß er den schon erhöheten Slavenzins statt des ursprünglichen unterschiebe, denn er läßt den Herzog in der Einleitung der Urkunde sagen: Gentes enim paganas nostro ducatui in Saxonia contiguas, Winedos dictas, a priscis temporibus magni Caroli Deo semper et sanctae ecclesiae rebelles et infestas, postquam tandem magno labore fidei Christianae cervices durissimas submiserunt, saepius ad vomitum idololatriae relapsas hereditario jure hucusque a progentoribus nostris in tributum redactas accepimus, ita tamen ut perfidorum servilia colla etiam nostris temporibus ferro conterere crebrius non destiterimus (auch dieses konnte der Herzog im Jahre 1158 noch nicht mit Recht sagen) ac tributum ob ipsorum nequitiam multo super priora adauximus etc.
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kunden. Wahrscheinlich zu Ende der achtziger oder zu Anfang der neunziger Jahre dieses Jahrhunderts 1 ) stellte der ratzeburger Bischof Isfried zu Hagenow eine Urkunde aus: Graf Heinrich von Danneberg habe ihn öfter darum angesprochen, daß er nichts von der ratzeburger Kirche zu Lehn trage, und gebeten, daß ihm von Allem, was im Lande Jabel und Weningen (die Gegend von der Sude abwärts bis zur Elde und Elbe bei Dömitz) angebaut und bewohnt werde, der Zehnte möge gänzlich überlassen werden. "Nun sind wir dahin übereingekommen, daß wir dem Grafen den gesammten Zehnten, mit Ausnahme des Dorfes Malke und seiner Grenzen, im Lande zwischen der Walerow (später: Rögnitz), Elbe und Elde (also dem Lande Weningen) zu Lehn frei zu besitzen verliehen, und zwar solcher Gestalt, daß, so lange die Slaven dieses Land baueten, der ratzeburger Bischof unverkürzt über alle Slaven seines slavischen Rechtes genieße, wie es in den Privilegien Herrn Heinrichs Herzoges von Sachsen durch das ganze Bisthum über die Slaven ausgesprochen gefunden wird; wenn aber in dieses Land deutsche Colonisten einzögen und den Zehnten gäben, so solle der genannte Graf seines Lehnes genießen und den Zehnten empfangen. Ueber das Land aber, welches zwischen Sude und Walerow liegt (also das Land Jabel), ist also verordnet, daß der genannte Graf binnen zehn Jahren es zehntpflichtig machen soll; wenn er dieses thut, soll er den halben Zehnten desselben Landes zu Lehn haben, die andere Hälfte aber behalten wir uns und unserer Kirche vor, was derselbe Graf Heinrich bereitwillig angenommen und getreulich zu erfüllen versprochen hat." Auf diese Weise war denn der Landesherr selbst dabei betheiligt, die fraglichen Landschaften möglichst bald zehntpflichtig zu machen, d. h. die slavischen Einwohner auszutreiben und deutsche Colonisten, welche den Zehnten gaben, dafür einzuführen.

Etwa die Dauer eines Menschenalters hindurch lassen uns nun die Urkunden über das Schicksal der ursprünglichen slavischen Bevölkerung im Bisthum Ratzeburg gänzlich im Dunkeln, bis das im J. 1230 verfaßte Zehntenregister desselben 2 ) grade hier


1) Die Urkunde hat keine Jahreszahl; Westphalen giebt sie im ratzeburger Diplomatar zwei Male, unter den Jahren 1183 und 1201. Da der Bischof in der Urkunde erwähnt, daß der danneberger Graf coram domino Henrico Saxonum duce sich dem Bischofe wohlgesinnt bewiesen habe, so gehört sie wahrscheinlich in die Zeit, wo Herzog Heinrich, als der Kaiser ins Morgenland gezogen war, aus seiner zweiten Verbannung zurückkehrte (1189) und mit gewaffneter Hand seine verlornen Länder theilweise wieder eroberte.
2) Arndt im Programme der wailand ratzeburger Domschule von 1833 hat einen diplomatisch getreuen Abdruck gegeben.
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uns ein helleres Licht darüber verbreitet, als in irgend einem der anderen ehemaligen slavischen Ostseeländer über diese Verhältnisse sich uns darbietet. Dieses Zehntenregister zählt die verschiedenen Dorfschaften der Länder Ratzeburg, Wittenburg, Gadebusch, Dartsow, Bresen (die Gegend von Grevismühlen bis Wismar), des Klützer=Orts, der Länder Jabel und Wehningen und des Landes Sadelband (die Aemter Schwarzenbeck und Lauenburg) auf und bemerkt bei jeder Ortschaft, wie viel der Bischof daselbst vom Zehnten zu Lehn ausgethan und wie viel er sich offen (frei) behalten habe. Verhältnißmäßig aber nur von sehr wenigen Dorfschaften wird bemerkt, daß sie von Slaven bewohnt würden und hier kein Lehn sei, weil die Slaven nicht den Zehnten, sondern den sogenannten Bischofszins gaben. Unter 125 Ortschaften des Landes Ratzeburg werden nur vier als von Slaven bewohnte aufgeführt, in denen der Bischof kein Lehn zu vergeben habe 1 ). Zwar werden außerdem noch einige Dörfer durch die Benennung "slavisch" von den gleichnamigen deutschen Dörfern unterschieden; da sie aber dennoch als zehntpflichtig aufgeführt werden, so müssen auch sie bereits in den Besitz der deutschen Anbauer übergegangen sein. Den Beinamen "slavisch" hatten diese Dorfschaften behalten, weil beim Beginnen der deutschen Einwanderung die Slaven, ehe sie gänzlich den Deutschen weichen mußten, in diese Ortschaften sich zurückgezogen hatten, die zur Unterscheidung von dem gleichnamigen deutschen Dorfe diesen Beinamen auch noch behielten, nachdem sie längst von den Slaven gänzlich geräumt waren 2 ). Denn bei denjenigen "slavischen" Dörfern, die zur Zeit der Abfassung des Registers noch wirklich von den Slaven bewohnt wurden, bemerkt es das Register auch ausdrücklich, wie die beiden letzten in Note I. aufgeführten Ortschaften beweisen: "zu Slavisch Parketin sind Slaven" und "zu Slavisch Pogatse sind Slaven." - Von den 93 Ortschaften des Landes Wittenburg werden ebenfalls nur noch vier als von Slaven bewohnte angegeben; aber im Lande Gadebusch kommt kein einziges von Slaven bewohntes Dorf mehr vor. Dagegen im Lande Dartsow heißt es noch wieder: "zu Slavisch Erkense sind Slaven, hier ist kein Lehn," und bei Reinwardsdorf wird bemerkt: "auf denselben Feldern ist ein slavisches Dorf, hier ist kein Lehn." Wieder


1) Villa Elisabet tota sclavica est, nullum beneficium est.
Sciphorst Sclavi sunt, nullum beneficium est.
Ad Slavicum Parketin Sclavi sunt, nullum beneficium est.
Ad Sclavicum Pagatse Sclavi sunt, nullum beneficium est.
2) So unterscheidet man noch heutiges Tages Weningen und Wendisch=Weningen, Priborn und Wendisch=Priborn u. a. m.
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häufiger ist die Erwähnung von Slaven bewohnter Dörfer im Lande Bresen mit 74 Ortschaften; von dem ersten derselben heißt es: "Marmotse ist ein Slavisches Dorf; wann Deutsche werden eingezogen sein, soll Wartus 2 Hufen haben, außer denen der halbe Zehnte dem Bischofe offen ist;" von Barnekow, von Slavisch Krankow, von Moritzdorf, von Clitse, von Zscarbuz, von Hermannsdorf, von Konradsdorf, von Vulnusdorf, von Gozwinsdorf und von Kl.=Warnow wird bemerkt, daß in ihnen Slaven und dort kein Lehn sei. In dem fruchtbaren Klützer=Ort aber kommt kein von Slaven bewohntes Dorf mehr vor. Dann werden die Lehen aufgeführt, welche die danneberger Grafen Heinrich und Bernhard vom Bischofe in Besitz hatten: "In dem Lande, genannt Jabel, das zwischen der Sude und Walerow liegt, wann dieses von Deutschen wird angebaut sein, sollen die Grafen von Danneberg die Hälfte des Zehnten vom ratzeburger Bischofe haben, die andere Hälfte soll dem Bischofe offen bleiben; mittler Zeit aber, während die Slaven noch dort sind, soll der Bischof allein durch dieses ganze Land des slavischen Rechtes genießen, denn die Slaven sollen vom Haken 3 Maaß Roggen, das Kuritz heißt, 1 Topp Flachs, 1 Huhn und 1 Schilling geben; von diesen soll der Pfarrpriester den dritten Scheffel und 2 Pfennige haben 1 ). Im Lande Weningen aber, welches zwischen der Walerow, Elbe und Elde liegt, sollen dieselben Grafen den ganzen Zehnten vom Bischofe haben." Endlich war auch das angrenzende Land Dirtzinke (der Darsing, das jetzige hannöversche Amt Neuhaus) noch von Slaven bewohnt, "wo der ratzeburger Bischof seines slavischen Rechtes genießen soll, wie es oben beschrieben ist."

Auch unter den Enkeln jenes Grafen Heinrich von Danneberg, der sich einst gegen Bischof Isfried verpflichtet hatte, diese Gegend durch Einführung deutscher Colonisten zehntpflichtig zu machen, war es also noch nicht zur Ausführung dieser Maaßregel gekommen. Die Ursache davon ist nicht schwer zu errathen. Der fragliche Landstrich von der Sude herab bis Dömitz ist eine so traurige Sandwüste, daß deutsche Colonisten sich nicht zur Anbauung desselben entschließen konnten. So blieben denn in diesem sandigen Winkel unseres Landes, durch die Unfruchtbarkeit des Bodens geschützt 2 ), die Slaven unangetastet, und erhielten


1) Diese Bestimmung hatte schon Herzog Heinrich in der Urkunde von 1174 getroffen, wo es nach Angabe des Slaven=Zinses weiter heißt: Ex his habebit sacerdos parochialis duos nummos et tertium modium, und gleichlautend in der unächten Urkunde von 1158.
2) Ganz dieselbe Erscheinung bietet der sandigste Theil der Lausitz und Hinterpommerns (Cassubien) dar.
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sich hier einzig und allein in Meklenburg noch Jahrhunderte lang in ihrer Volksthümlichkeit. Noch Marschalk bezeugt im J. 1521 (Annal. Herulor. et Vandalor. I, 4, bei Westphalen I, 175), daß die Bewohner der Jabelhaide 1 ) - so hieß bis zu Ende des 17. Jahrhunderts der Landstrich zwischen Sude und Rögnitz (Meklenb. Jahrb. I, 7) - noch zu seinen Zeiten ihre wendische Sprache und meist auch wendische Gebräuche beibehalten hätten 2 ). Mit ihnen benachbart erhielten sich durch gleich ungünstige Bodenverhältnisse geschützt, am linken Elbufer in den lüneburgischen Aemtern Danneberg und Lüchow, am längsten die Wenden mitten unter den Deutschen: noch im vorigen Jahrhunderte sprachen sie ein verderbtes Wendisch, und Reste dieser Sprache sollen dort noch jetzt vorhanden sein 3 ).

Wenden wir nun unsere Betrachtung zu dem eigentlichen Slavenlande, demjenigen Theile Meklenburgs, der durch Herzog Heinrichs von den Umständen gebotenen Entschluß unter die Herrschaft seines angestammten Fürsten zurückgekehrt war: so war zwar mit Pribislav der nach so langen blutigen Kämpfen noch übrige Rest der alten slavischen Bevölkerung in seine frühere Heimath zurückgekehrt; aber eben die so sehr geschmolzene Zahl des slavischen Volksstammes führte hier, wenn auch allmähliger, zu denselben Resultaten, wie sie der westliche Theil des alten Wendenlandes uns bereits gezeigt hat. Die Bevölkerung Slaviens war auch wohl schon früher, ehe die letzte traurige Katastrophe über dasselbe hereinbrach, keineswegs besonders stark gewesen. Dies lag schon in der Lebensweise der alten Slaven. Der Ackerbau hatte bei ihnen nicht den Vorzug vor den übrigen Nahrungszweigen, sondern sie trieben ihn wohl nur grade so viel, als unumgänglich nothwendig war. Viehzucht und Jagd in den großen Wäldern und Brüchen, die das Land bedeckten, Fischerei in den zahlreichen Gewässern des Landes sagte ihnen mehr zu; wo sie die Seeküste nahe hatten, war Seeraub ihr Lieblingsgewerbe; Ackerbau ward wohl nur auf den kleineren, vom Walde freien Landstrecken betrieben: ihr Ackergeräth (der Haken) war leichter, als der deutsche Pflug und eignete sich nur zur Bearbeitung des leichteren Bodens, ihr Hufenmaaß (15 Morgen) nur halb so groß, als das deutsche, und nur den vierten Theil so groß, als das der Flamländer. Daher konnte ihnen statt des deutschen Zehnten nur


1) Die Benennung Jabelhaide kommt schon im J. 1318 vor, wo Herzog Rudolph von Sachsen den von der Schulenburg die Güter bestätigt, welche sie hier gekauft hatten. Riedel, Codex A. V, 290.
2) Von ihren wendischen Gebräuchen berichtet Marschalk I. c. I, 9 bei Westphalen I, 195. und verständlicher in der Reimchronik I, 14, bei Westphalen I, 574.
3) Meklenb. Jahrb. VI, 64 flgd.; I, 8 und II, 178.
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ein weit geringerer Bischofszins aufgelegt werden, der ihnen zu entrichten aber dennoch schwerer fallen mochte, als dem deutschen Bauern der Zehnte. Die verheerenden Kriege Herzogs Heinrich hatten vollends den Ackerbau der Slaven ruinirt: ihre Dörfer waren niedergebrannt, ihre Erndten vernichtet worden. Wie es in dem verheerten Lande aussah, bezeichnet der Herzog selbst sehr deutlich, wenn er es, wie oben bemerkt, einen Ort des Schreckens und wüster Einöde nennt. Die Reste der Slaven, welche in ihrer alten Heimath saßen, zogen sich ganz in die Wälder zurück, und trieben das, was wir in Urkunden mit dem Ausdrucke Wald=Bau (cultura silvestris) bezeichnet finden, d. i. Viehzucht, Jagd und Fischerei.

Daß die slavische Nation allmählig selbst wieder erstarke, konnte nicht abgewartet werden, denn wer sollte das Land schützen? Slavien würde ein Spiel seiner Feinde geblieben und seine Bevölkerung vielleicht gänzlich ausgerottet sein. Sollte das Land dem Anbau wiedergegeben werden, sollte es zugleich im Stande sein, mit Erfolg gegen seine Anwohner sich zu vertheidigen, so war nur ein Mittel übrig, eben das, welches die westlichen Landestheile bereits wieder bevölkert hatte: fremde Anbauer mußten ins Land gezogen werden. Und wer konnten diese anders sein, als Deutsche, namentlich Sachsen? Aus den benachbarten slavischen Ländern die mangelnde Bevölkerung wieder durch Slaven zu ergänzen, war nicht ausführbar. Die südwärts anstoßenden Marken waren ebenfalls durch Krieg und die ihn begleitenden Uebel zu einer unzureichenden Bevölkerung herabgesunken; Pommern war einerseits durch die Polen und andererseits durch die Dänen furchtbar mitgenommen, und seufzte noch fortwährend unter König Waldemars Geißel. Die Dänen waren die alten Erbfeinde der Slaven zur See. Slavien war nun einmal ein dem Sachsenherzoge unterthäniges Land geworden: also durch Sachsen, die schon bis Schwerin vorgedrungen waren, die mangelnde Bevölkerung zu ersetzen, war die Maaßregel, die am nächsten lag und von den Umständen selbst geboten ward. Wir dürfen deshalb unsere slavischen Fürsten nicht anklagen, daß sie der Macht der Verhältnisse gewichen sind und durch eifrige Betreibung (sedula promotione, so nennen sie es selbst in den Urkunden) deutsche Einwanderer, nach dem Zeugnisse der Urkunden sowohl Geistliche, als Kriegsleute (milites, später: der Adel), sowohl Bauern als Handwerker, ins Land gerufen und dadurch ihre eigene Nation allmählig verwischt haben. Sie konnten nicht anders handeln, als sie gehandelt haben.

Daß die zusammengeschmolzene slavische Bevölkerung nicht im Stande sei, das Land gehörig wieder anzubauen, wird in

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Urkunden ausdrücklich als die Ursache dieser Maaßregel angegeben. Sie hätten Colonisten von nah und fern herbei gerufen, um das wüste und unwegsame Land dem Anbau wieder zu geben, erklären die Fürsten gradezu in einer Zeit, wo sie noch größtentheils nur von Edlen ihres Volkes umgeben waren. Nothwendig muß also diese Maaßregel, wohl gewesen sein. Woher sie diese neuen Anbauer des Landes herbei gerufen haben, sagen uns die Urkunden freilich nicht, in denen sie nur überhaupt als Deutsche bezeichnet werden. Aber die Sprache sagt es uns deutlich genug, welche bald durch sie im Wendenlande die herrschende ward: es ist die niedersassische Mundart, welche damals von der Elbe an bis zu den westlichen Gränzen Westphalens hin allgemein gesprochen ward. Aus diesen Ländern haben im zwölften und dreizehnten Jahrhunderte die Länder längs der südlichen Küste der Ostsee bis nach Preußen hin zum großen Theile eine neue Bevölkerung erhalten: bis in die neu erbaueten Städte Preußens ist das Stadtrecht von Soest und Magdeburg vorgedrungen. Sachsen und besonders Westphalen hatten in jenen Jahrhunderten verhältnißmäßig nur wenig von verheerenden Kriegen gelitten: so war denn ihre Bevölkerung so angewachsen, daß sie den verödeten, jetzt dem Christenthume eroberten Slavenländern eine neue Bevölkerung geben konnten.

Uebrigens ist diese sächsische Einwanderung in Meklenburg nicht rasch erfolgt, wenn sie auch schon früh, unter Pribislav, begonnen hat, wenigstens lange nicht mit der Schnelligkeit, mit welcher Helmold das Land von der Eider bis nach Schwerin in eine sächsische Colonie sich verwandeln sah. Auch waren die Umstände nicht der Art, daß diese Einwanderung schnell hätte vor sich gehen können. Das Sachsenland ward bald selbst durch Herzog Heinrichs Uebermuth mit Verwirrung und Krieg erfüllt. Zwar machte im J. 1181 seine Verbannung dem ein Ende; aber Heinrich kam wieder und der Kampf entbrannte aufs neue. Inzwischen hatte sich auch im Slavenlande zwischen Pribislavs Sohne Borwin und seinem Brudersohne Niklot Krieg entzündet: er führte die Unterwerfung des Slavenlandes unter Waldemars Sohn Kanut herbei. Mit dem Ende des Jahrhunderts entbrannte der Kampf um die deutsche Krone zwischen Herzog Heinrichs Sohn Otto von Braunschweig und dem Hohenstaufen Philipp, zwischen dem Markgrafen von Brandenburg und dem Dänenkönige um die Oberherrschaft Pommerns. König Waldemar von Dänemark trat später gegen Kaiser Otto auf die Seite des jungen Friederich von Hohenstaufen, der ihm dafür das Slavenland förmlich überließ. Seine Macht schien hier für immer befestigt, als nach wenigen Jahrren die kühne That des Grafen Heinrich von Schwerin ihm

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ein Ziel setzte, und der Tag von Bornhövd der dänischen Herrschaft im Slavenlande für immer ein Ende machte.

Erst in den späteren Jahren Heinrich Borwins, des Vaters, scheint die sächsische Einwanderung ins Wendenland recht in den Zug gekommen zu sein, wenigstens sprechen aus diesen Zeiten urkundliche Belege dafür. Natürlich kamen die Einwanderer nicht auf einmal zu Tausenden herbei, sondern fast noch ein ganzes Menschenalter hindurch, bis gegen die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, dauerte der Zuzug. Urkunden bezeichnen diese Zeit als "die neue Anpflanzung" (novella plantatio) des Wendenlandes, spätere sprechen von der "ersten" oder "anfänglichen Anpflanzung und Ausradung" (prima oder primaeva plantatio et radicatio) 1 ). Ohne Härte gegen die Reste der slavischen Bevölkerung ging es dabei nicht ab. Die Deutschen verachteten die besiegten Slaven und mochten mit ihnen nicht beisammen wohnen. Die Slaven mußten weichen, oder wurden mit Gewalt ausgetrieben: so entstanden die gleichnamigen Dorfschaften Deutsch N. und Slavisch N., wofür später, als die slavische Bevölkerung sich völlig in die deutsche aufgelös't hatte, zum Theil die Bezeichnung Groß und Klein N. gebräuchlich ward. Begünstigung der deutschen Einwanderer vor den Slaven machte sich wohl wie von selbst, da die deutsche Bauernwirthschaft den Waldbau der Slaven so offenbar übertraf. Eine gewaltsame Auflehnung der Slaven gegen die deutschen Eindringlinge kommt nur ein Mal vor, und zwar gleich Anfangs, als das Heidenthum bei den Slaven noch nicht überwunden war, und auch von dieser Seite ihr Haß gegen die christlichen Einwanderer genährt ward.

Was aber den Deutschen bald durchaus das Uebergewicht über die Slaven sicherte, war die Erbauung deutscher Städte. Zwar hatte Pribislav die alten wendischen Burgen Meklenburg, Ilow und Rostock wieder hergestellt; auch pflegte sich unter dem Schutze solcher befestigten Plätze eine zahlreichere Bevölkerung des Handels und Verkehrs wegen anzusiedeln 2 ). Aber größere befestigte Städte kannten die Slaven wohl eigentlich nicht; diese


1) Urk. Heinrichs und Johanns von Werle vom 12. Nov. 1276 in Lisch Meklenb. Urk. I, 155: sicuti [vasalli nostri] a nobis a novella plantatione (bona ipsorum) sub feodo - susceperunt. - Urk. des Nicolaus von Werle vom J. 1285 in den Hahnschen Urk. I, 113: vasalli nostri omni jure, quo patres et progenitores eorum a novella plantatione usi fuerunt, - fruantur. Ungedruckte Brodasche Urk. vom J. 1342, N. 1: ea integritate et libertate qua sepedicti famuli ipsorumque parentes et progenitores prenominata bona a primeva plantacione et radicacione - in verum pheudum possiderunt. - Ungedruckte Brodasche Urk. vom J. 1500, N. 39: jus patronatus quod habuimus (fratres condicti Camptzen) antea a prima plantacione usque in presentem diem.
2) Die sogenannten slavischen suburbia.
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sind im Wendenlande erst von den deutschen Einwanderern erbauet worden. Zum Theil machte sich wohl die Sache wie von selbst. Die Häfen von Rostock und Wismar zogen der Schifffahrt und des Handels wegen Ansiedler herbei: so hatte Rostock schon eine deutsche Bürgerschaft, als Heinrich Borwin ihr im J. 1218 das lübische Recht verlieh, und so wird Wismar schon früher (1211) als Hafenplatz erwähnt, ehe von einer Stadt dort die Rede ist. Dagegen, um in einer weniger durch ihre Lage und natürliche Beschaffenheit sich empfehlenden Gegend Städte anzulegen, mußten von fern und nahe ausdrücklich Einwanderer dazu berufen werden: das sagen uns die Stiftungsbriefe (oder deren Bestätigungen) dieser Städte, von Parchim, Plau, Goldberg und Grabow. Wenn man erwägt, welchen Einfluß überhaupt die Städte auf die Bevölkerung des sie umgebenden platten Landes üben, so wird man nicht bezweifeln, daß grade diese deutschen Städte im Wendenlande der deutschen Nationalität in Sprache und Sitten bald ein entschiedenes Uebergewicht über die Reste der slavischen Bevölkerung geben mußten. Ein eigentlicher Handwerkerstand war wohl unsern Wenden eben so fremd, als er noch zu Anfange des vorigen Jahrhunderts unter den rein slavischen Nationen war, denen er zum Theil mit Gewalt mußte aufgedrungen werden. Dieser ward mit seinem Innungswesen jetzt durch die Deutschen im Wendenlande eingeführt. Sie, die sich als die Sieger und Herren betrachteten, duldeten keine Slaven unter sich; noch zu Anfange des vorigen Jahrhunderts mußte, wer in eine Handwerkszunft wollte eingeschrieben sein, durch Zeugnisse erhärten, daß er nicht "wendischer Art" 1 ) sei. So kam das slavische Wesen völlig in Verachtung und Unterdrückung.

Bei Besetzung des platten Landes mit deutschen Colonisten und bei der damit verbundenen Unterdrückung der slavischen Bevölkerung und ihrer allmähligen gänzlichen Verschmelzung mit den Deutschen hat die einwandernde deutsche Geistlichkeit, besonders die von ihr gegründeten Klöster, große Thätigkeit entwickelt. Namentlich war es der in der schweriner Diöcese vorherrschende


1) Westphalen I, praef. p. 120: Pertinet huc (zu den Beweisen, zu welcher Schwäche und Verachtung die slavische Nation bei uns herabgesunken) formula hodieque in litteris natalitiis tyronum opificiariorum requisita, quod non sint Slavicae, sed, ingenuae et Teutonicae nationes. - Franck III S. 86: "Es wollten auch die Deutschen keine Wenden zu ihren Hanwerken und Zünften lassen, wie aus alten Geburtsbriefen zu ersehen, darinnen es noch immer heißt, daß der aufgedungene Lehr - Pursch nicht wendischer Art sei, welche Weise zu schreiben in Holstein noch beibehalten wird. Die aber dennoch von den Wenden ein Handwerk trieben, wurden durch das Beiwort Wend von den Zunftmäßigen unterschieden, daher es noch jetzo zu Barth in Pommern welche giebt, die man Wend=Schlächter nennt, so in Lübeck Quinckers heißen." Solche Wendschlächter kommen auch in den Statuten des rostocker Rechts zum Jahre 1330 vor (Vgl. Vom Ursprung der Stadt Rostock S. XLVI).
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Cistercienser=Orden, der durch seine besondere Einrichtung in dieser Hinsicht eine bedeutende Rolle gespielt hat.

Der eigentliche Verkündiger und Begründer der christlichen Religion in den meklenburger Landen war Berno, der erste schweriner Bischof. Kaiser Friederich in der am 1. Januar 1170 zu Frankfurt erlassenen Bestätigung des schweriner Bisthums (Lisch, Meklenb. Urk. III, 19) rühmt, wie "ein geistlich armer Mönch, Namens Berno, allein mit dem Glauben Christi gewaffnet, und durch die Vollmacht und den Segen des Papstes Adrian gekräftigt, zu dem Heidenvolke jenseit der Elbe, das unter dem Fürsten der Finsterniß in der Finsterniß des Unglaubens und des Götzendienstes beschlossen war, als der erste Prediger zu unsern Zeiten gegangen sei." Die dem Berno dazu vom Papste Adrian IV. (von 1154 - 1159) ertheilte Vollmacht bestimmt ungefähr die Zeit, wann er sein Werk begonnen. Seit 1162 erscheint er in Urkunden als Bischof von Meklenburg, im J. 1167 war bereits durch Herzog Heinrich sein Bischofssitz von Meklenburg nach Schwerin verlegt. Berno war vordem Mönch im Cistercienser=Kloster Amelungsborn an der Weser gewesen 1 ): diesem Kloster und dessen Mutterkloster Campen am Rhein, so wie überhaupt dem Orden von Cistertium, ward durch Bischof Berno und seinen Nachfolger Brunward die Hauptrolle bei der Pflanzung und Befestigung des Christenthums in den meklenburger Landen, und damit zugleich auch bei Beförderung der deutschen Einwanderung zugetheilt 2 ). Ein Blick auf die besondere Einrichtung dieses Ordens wird uns dies Verhältniß sogleich klar machen.

Der heilige Robert hatte im Jahre 1098 die Regel von Cistertium (Citeaux, in der Diöcese von Chalons, 5 Stunden von Dijon) gegründet, und Papst Paschalis im Jahre 1100 sie bestätigt. Diese Regel war so ungemein strenge und nahm die Mönche so ausschließlich in Anspruch, daß man, um den Klöstern, welche sie befolgten, ihren Unterhalt zu sichern, auf eine anderweitige Auskunft bedacht sein mußte. Deshalb ward im Jahre 1114 zu Cistertium beschlossen, "daß die Mönche mit Erlaubniß ihres Bischofes weltliche Conversenbrüder (auch Laienbrüder genannt) annehmen sollten, die wie sie gehalten und als Diener besoldet werden sollten, weil sie nicht wußten, wie sie ohne diese Hülfe Alles nach der Vorschrift der Regel würden genau beobachten können. Sie faßten überdies noch den Entschluß, von


1) Kirchberg c. 102: "Berno der bischof - der dar vorne - zu Amelungisborn eyn monich waz". Auch Leuckfeld in praef. Chronol. abbatum Amelunxborn. giebt an, daß Berno ein professus in diesem Kloster gewesen sei (Schröder Wismar. Erstlinge, S. 56).
2) Man vgl. die folgende Abhandlung über die Besitzungen des Klosters Amelungsborn in Meklenburg. - D. Red.
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der Wohnung der Menschen weit entlegene Ländereien, Weinberge, Wiesen, Holzungen, Gewässer zur Anlegung von Mühlen und des Fischfanges wegen, Pferde und andere zur Nothdurft des Lebens nöthige Thiere anzunehmen, und wenn sie wegen des Ackerbaues Vorwerke anlegen würden, so sollten die Conversenbrüder, und nicht die Mönche, die Aufsicht über selbige haben, weil die Mönche nach der Regel nur in ihrem Kloster wohnen dürfen. Sie wollten dem heiligen Benedikt nachahmen, der seine Klöster weder in Städten, noch in Dörfern, sondern an abgelegenen Oertern erbauet hatte, und, wie er, nur 12 Mönche mit dem Abte in jedem Kloster haben 1 )." Diese Einrichtung, und besonders der Eifer, mit dem der Orden die Anbauung wüste liegender Ländereien betrieb, Mühlen, Kalk= und Ziegelbrennereien, Gerbereien und dergleichen anlegte, verschafften ihm eine ungemein rasche Ausbreitung, so daß er in den ersten funfzig Jahren seines Bestehens bereits an 500 Abteien zählte. Ein besonderes Vorrecht ertheilte Papst Innocentius im Jahre 1132 dem heiligen Bernhard, der diesem Orden angehörte, noch dahin, daß er die Cistercienser für die Aecker, namentlich die novalia oder Radeländer, welche sie mit eigener Hand oder auf ihre Kosten baueten, von aller Zehntenleistung gänzlich befreit sein sollten 2 ).

Von Chistertium aus waren zunächst vier Tochterklöster gegründet, die mit der Mutter die Leitung des gesammten Ordens theilten, nämlich La Ferté, Pontigni, Clairvaux und Morimond. Das letztere, im Jahre 1115 in der Champagne an der Grenze von Lothringen gestiftet, gründete nach wenigen Jahren (1121) das berühmte Kloster Campen am Rhein (im cölnischen Amte Rheinberg, zwischen den Herzogthümern Cleve und Meurs und


1) Fleurys Kirchengeschichte nach der deutschen Uebersetzung IX, 512.
2) Der Cistercienser Orden beschränkte späterhin selbst auf einem General=Convente, um bei der großen Ausbreitung des Ordens durch seine Zehntenbefreiung die Pfarrkirchen nicht zu sehr zu beeinträchtigen, dieses Privilegium dahin, "daß künftighin von den Brüdern dieses Ordens keine Besitzungen gekauft werden sollen, von welchen den Kirchen die Zehnten gebühren, wenn nicht etwa für neu zu gründende Klöster. Und wenn ihnen solche Besitzungen sollten durch den frommen Eifer der Gläubigen übermacht oder für neu zu gründende Klöster angekauft werden, so sollen sie andern zu bauen überlassen werden, von welchen den Kirchen die Zehnten geleistet werden sollen." Diese Bestimmungen bestätigte Papst Innocenz im Jahre 1215 (Decret. Gregor. Lib. III. Tit. XXX, c. 34. Als man aber diese Bestimmungen Nachtheil des Ordens auch auf die novalia anwenden wollte, erklärte im Jahre 1219 Papst Honorius, daß die seit der Zeit des Concils angebaueten oder noch anzubauenden novalia des Ordens mit der Zehntenleistung durchaus nicht zu belasten seien (Urk. im nov. Cod. Dipl. Pomeran. I, 278). Est autem novale, erklären die Institutionen des canon. Rechts Lib. II. Tit. XXVI, sehr genau, ager nunc primum proscissus et nuper ad culturam redactus, de quo quod aliquando cultus fucrit memoria non exstat. Man giebt novale durch Neubruch oder Neurent, wiewohl am besten mit Westphalen monum, ined. II, praef. p. 76, durch Radeland.
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der niederländischen Provinz Geldern), welches seine Tochterstiftungen über das nordwestliche Deutschland, Dänemark und längs der Ostseeküste hin bis Lievland verbreitete. Von hier aus war schon gegen Ende des Jahres 1130 auf dem Auersberge, einer mäßigen Anhöhe in der Nähe der Weser, das Kloster Amelungsborn angelegt worden. Den ungemein wichtigen Einfluß dieser beiden Klöster auf unser Wendenland werden die folgenden Untersuchungen darthun.

Sollte das Christenthum in diesem Lande, welches bis dahin so hartnäckig im Heidenthume verharrt hatte, festen Fuß fassen, so war die Anlegung von Klöstern dazu das zweckmäßigste Mittel: man könnte sie die Citadellen der katholischen Christenheit nennen. Von allen geistlichen Orden eignete sich wohl keiner durch seine eigenthümliche Einrichtung mehr dazu, um in dem durch blutige Vertilgungskriege verödeten Wendenlande sich festzusetzen, als der von Bernhard von Clairvaux jetzt zu seiner größten Blüthe erhobene Orden von Cistertium. Der Bischof des für die Kirche jetzt eroberten Wendenlandes gehörte demselben an: es war natürlich, daß er alsbald darauf bedacht war, Klöster seines Ordens innerhalb seiner Diöcese anzulegen.

Dem Gestade der Ostsee nahe, zu Doberan, wo bisher heidnische Gräuel getrieben waren, bestimmte Berno den Herrn des Obotritenlandes, Pribislav, ein Kloster Cistercienser=Ordens zu gründen: im Jahre 1170 führte von Amelungsborn aus Abt Conrad den ersten Convent dort ein 1 ). Wäre der Stiftungsbrief dieses Klosters aufbehalten: so würden wir ohne Zweifel darin auch diese Bestimmungen antreffen: daß es den Klosterbrüdern erlaubt sein solle, Leute jedes beliebigen Volks und Handwerks in ihre Güter herbeizurufen und einzusetzen, so wie daß dieselben von allen Diensten, welche die andern Unterthanen den Vögten und Amtleuten des Landesherrn zu leisten verpflichtet wären, sollten befreit und allein dem Kloster zu Dienstleistungen sollten verbunden sein. Denn diese Bestimmungen werden wir von nun an fast in allen Stiftungs= und Bestätigungsbriefen der Klöster dieses Ordens antreffen; ein späterer Bestätigungsbrief des doberaner Klosters wird noch insbesondere darthun, daß schon Pribislav die genannten Berechtigungen diesem Kloster verliehen hatte. Sollte die einwandernde deutsche Geistlichkeit unter den halb mit Gewalt zum Christenthume bekehrten Wenden eines Theils ihres Lebens und Eigenthums sicher sein, andern Theils die ihnen verliehenen, meistens verwüsteten Güter gehörig anbauen und benutzen können, so mußten sie dieselben mit Bauern ihrer eigenen Nation besetzen


1) Meklenb. Jahrb. II, 15.
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können, und dazu gaben ihnen die erwähnten Bestimmungen das Recht.

Wie die noch übrige slavische Bevölkerung gegen die neue Religion und ihre Priesterschaft gesonnen war, that sich bald in einem sehr traurigen Ereignisse kund. Ihr Fürst Pribislav war todt, Herzog Heinrich bereits vom Kaiser geächtet und mit dem Erzbischofe von Magdeburg und dem Bischofe von Halberstadt in einer erbitterten Fehde begriffen: als die dem Götzendienste noch immer anhangenden Wenden in der Nacht des 10. November 1179 das Kloster zu Doberan überfielen, seine sämmtlichen Bewohner - gegen 78 an Zahl - erschlugen und das Kloster völlig zerstörten 1 ) Auf die Nachricht davon entbrannte der Abt Johann zu Amelungsborn von heiligem Eifer: er übergab sein Amt und führte selbst zum zweiten Male vom Mutterkloster einen Convent nach Doberan. Unter diesen Umständen erforderte es die Sicherheit der Klosterbrüder unumgänglich, mit deutschen Colonisten sich zu umgeben, und eine Urkunde legt auch alsbald Zeugniß ab, daß sie es gethan haben. Nikolaus, Fürst der Slaven, der Sohn des bei Malchow erhenkten Wartislav, ertheilte zu Rostock am 8. April 1189 dem nunmehr wieder hergestellten Kloster Doberan zwei Privilegien 2 ); in dem zweiten heißt es: "wenn die Leute ihres Hauses (Klosters) oder die Deutschen in ihren Dörfern eine Beschädigung erleiden würden, so sollen die Thäter mit dem Handbeil gerichtet werden;" und weiterhin werden erwähnt: "ihre Leute, die Gewerbetreibende sind, Pelzer, Schuster, Handelsleute, oder von anderen Gewerben." So brachten die deutschen Geistlichen zuerst deutsche Handwerker und Gewerbe in das Wendenland.

Ostwärts hatte Bischof Berno seinen Sprengel bis gegen Demmin hin über Circipanien (d. i. das Land zwischen Pene, Nebel, Reknitz und Trebel) ausgedehnt, welches damals unter der


1) Doberaner Genealogie in den meklenb. Jahrb. XI, 12 und II, 19; Kirchberg, Cap. 115; Schreiben des Abtes Everhard von Amelungsborn in den meklenb. Jahrb. VI, 177, und Heinrich Borwins Urk. im Diplomat. Doberan. bei Westphalen T. III, Nr. 3.
2) Im Diplomatar Doberan. bei Westphalen T. III, Nr. 1 und 2. Beide Urkunden, die ältesten unserer angestammten Fürsten, sind hier datirt: VI Idus Aprilis, anno ab incarnatione Domini MCXC, indectione VII, tempore Clementis Pape, regnante Friderico imperatore. Doch bemerkt Westphalen in der Vorrede S. 142, daß beide Urkunden in den Originalen die Jahreszahl 1160 trügen, welche Jahreszahl er aber, als offenbar falsch, nach der Bestimmung der Urkunde: tempore Clementis Pape (der von Anfang des Jahres 1188 bis zum 25. März 1191 auf dem päpstlichen Stuhle saß) in 1190 corrigirt habe. Herr Archivar Lisch hat mir auf meine Anfrage mitgetheilt, daß beide Urkunden in den Originalen offenbar die Jahreszahl M°C°IX° darböten, in neueren Zeiten aber die IX mit blasserer Dinte in LX corrigirt sei; seiner Ansicht nach sind in beiden Urkunden die Zehner ausgefallen: M°C°[LXXX]IX°, womit dann nicht bloß das tempore Clementis Pape, sondern auch die siebente Indiction stimmen würde.
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Landeshoheit des Herzogs Kasimar von Pommern=Demmin stand. Bei dem slavischen Burgort Dargun war die erste Capelle vom Bischofe geweiht worden. Die hier ansässigen slavischen Barone (so nennt sie die Urkunde), die Gebrüder Miregrav, Monik und Gotimar, gaben mit Bewilligung Herzog Kasimars ansehnlichen Grundbesitz her, um hier ein Kloster Cistercienser=Ordens zu errichten: im Jahre 1172 zog der erste Convent von dem Kloster Esrom aus Seeland her dort ein. Als Herzog Kasimar im Jahre 1174 die Stiftung des Klosters förmlich bestätigte, erklärt er: "Auch thun wir kund -, daß wir den vorgenannten Brüdern von Dargun freie Macht und vollkommene Freiheit gegeben haben, zu sich zu rufen und einzusetzen, wo sie wollen in dem Besitzthume der vorgenannten Kirche von Dargun, Deutsche, Dänen, Slaven oder Leute jedes beliebigen Volkes und Handwerkes, und die Handwerke selbst zu üben, Pfarrkirchen zu erbauen und Priester einzusetzen, sowie eine Schänke (taberna) zu halten, wie sie wollen, nach dem Brauche unseres oder des deutschen und dänischen Volkes. Auch lassen wir dieselben Leute, welche sie herbeirufen und einsetzen werden, frei von aller Auflage unserer Barone und aller, die ihnen und uns dienen, und von allem Dienste, der uns und ihnen nach dem Brauche unseres Volkes gebührt, nämlich von Erbauung der Burgen, Anlegung der Brücken und Ausbesserung beider, und von aller Heerfahrt, also daß sie niemanden irgend ein Dienst schuldigen, außer Gott und dem Kloster 1 )." Es ist diese die einzige Urkunde, welche einem Kloster ausdrücklich die Wahl zwischen deutschen, dänischen ober slavischen Bauern für seine Güter läßt: man sieht, das Schicksal der slavischen Bevölkerung in dieser Gegend war damals noch nicht enschieden.

Längere Zeiten hindurch schweigen nun die Urkunden über das Schicksal der alten einheimischen Bevölkerung, oder richtiger gesagt, es sind keine Urkunden vorhanden, welche uns Auskunft darüber geben könnten. Erst seit dem ersten Jahrzehent des dreizehnten Jahrhunderts mehren sich die Zeugnisse, welche einerseits die gewaltsame Austreibung der slavischen Einwohner, andererseits das fortwährende Einwandern deutscher Colonisten darthun.

Im Jahre 1210 schloß der Bischof von Lübeck wegen der vor dem wismarschen Hafen belegenen, zu seinem Sprengel gehörigen Insel Pöl einen Vertrag mit Heinrich Borwin, dem Fürsten des alten Obotritenlandes. In der betreffenden Urkunde erklärt der Bischof 2 ): "Wir wollen durch gegenwärtige Schrift kund thun, daß auf einer gewissen Insel unserer Diöcese, Pule


1) Lisch, Meklenb. Urk. I, 11. Codex dipl. Pomeran. ad. A.
2) Diplomat. Doberan. Nr. 4.
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genannt, die bis dahin von Slaven bewohnt war, da wegen der Armuth und geringen Anzahl der Leute dieses Volks, welche sie zu bebauen nicht im Stande waren, Fürst Heinrich von Meklenburg deutsche Colonisten versammelte, und er sich für diese hartnäckig widersetzte, daß uns nicht der rechtmäßige Zehnte, das ist die zehnte Garbe, bezahlt werden dürfte: so haben wir, in Betracht, daß es nicht sicher sei, mit dem zu streiten, der die große Menge auf seiner Seite hat, dafür gehalten, lieber in Frieden nachgeben zu müssen, und damit wir einiges im Wege der Güte erreichten, anderes aufopfern zu müssen geglaubt. Deshalb haben wir, auf den Rath des Herrn schweriner Bischofes Brunward und des Abtes Gottfried von Doberan, so wie unsers Capitels, von den Zehnten jener Insel, die von den deutschen Colonisten einkommen, die Hälfte dem genannten Fürsten zu Lehn überlassen, und derselbe wird dahin wirken, daß wir von der andern Hälfte den rechtmäßigen Zehnten fördersamst erhalten."

Auch in der Grafschaft Schwerin war die deutsche Einwanderung noch fortwährend im Gange: dieses beweiset eine Urkunde, durch welche im Jahre 1217 die Grafen Günzel und Heinrich von Schwerin und Graf Nicolaus von Halland dem Johanniter=Orden das Dorf Zülow (Sülsdorff) zum Geschenk machten. 1 ) Sie sagen darin, daß sie dem Orden das gedachte Gut mit eben der Freiheit und eben den Grenzen überlassen haben, welche sie den deutschen Anbauern zuvor bestimmt haben, die daselbst von ihnen eingesetzt werden sollen.

Fürst Pribislav hatte zwar, nachdem er durch Herzog Heinrich in sein väterliches Erbe wieder eingesetzt war, die urbs Rostock, wie sie Helmold nennt, wieder aufgebaut: aber unter urbs ist nach dem Sprachgebrauche jener Zeiten nicht eine Stadt, sondern nur ein befestigter Platz (Burg oder Schloß) zu verstehen. Die eigentliche Stadt Rostock verdankt erst seinem Sohne Heinrich Borwin ihre Gründung: am 24. Juni 1218 stellte dieser die Urkunde aus, wodurch er zur Erbauung dieser Stadt Vollmacht ertheilt und sie zugleich mit lübischem Rechte begnadigt. Bemerkt nun auch die Urkunde nicht ausdrücklich, daß eine deutsche Stadt hier solle gegründet werden, so geben doch die Worte der Urkunde an die Hand, daß die Bewohner derselben von auswärts kamen 2 ), und es ist dem früheren Bürgermeister dieser Stadt, Heinrich Nettelbladt, wohl nur gänzlich beizustimmen,


1) Meklenb. Jahrb. I, 201.
2) Vom Ursprunge der Stadt Rostock etc. Anlage I.: Rozstoc oppidum divina prosperante clementia delegimus astruendum. Ut vero predicti loci excultores, eum securius appetentes pace firma, libertate fulciantur omnimoda etc.
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wenn derselbe in seiner trefflichen Monographie: "Von dem Ursprunge der Stadt Rostock Gerechtsame etc. .," Rostock für eine von Deutschen gegründete Stadt erklärt: die acht Rathmänner der Stadt, welche in der genannten Urkunde mitzeugen, tragen sämmtlich deutsche Namen.

In demselbigen Jahre 1218 bestätigte auch Heinrich Borwin "Fürst der Meklenburger und Kysssiner" die Privilegien des Cistercienser=Klosters zu Doberan. Hier heißt es denn ausdrücklich in der Urkunde 1 ): "Wir thun auch kund, daß wir den vorgenannten Brüdern freie Macht gegeben haben, zu sich zu rufen und einzusetzen, wo sie wollen in dem Besitzthum der vorgenannten Kirche, Leute jedes beliebigen Volks und Handwerks, so wie diese Handwerke auch zu betreiben. Auch lassen wir die Leute, welche sie herbeirufen und einsetzen werden, frei von jeder Auflage der Grafen, Vögte und Richter, von Erbauung der Burgen, so wie von Erlegung der Schosse und Zölle, und von aller Heerfahrt, so daß sie niemandem zu einer Dienstleistung verpflichtet sind, außer allein Gott und dem Kloster." Als im folgenden Jahre 1219 seine Söhne, Heinrich von Rostock und Nikolaus von Meklenburg, die schon mit dem Vater die Herrschaft theilten, auch ihrerseits diesem Kloster seine Privilegien bestätigten, erklären sie ausdrücklich, daß ihr Großvater Pribislav festgesetzt habe, daß, gemäß der dem Cistercienser=Orden verliehenen Freiheit, nicht allein die Brüder des Klosters selbst, sondern auch die zur Colonisirung ihrer Besitzungen herbeizurufenden Leute von allem ihm (dem Pribislav) zustehenden Rechte sollen frei und ledig sein 2 ). Diese Worte liefern einen hinreichenden Beweis für unsere Behauptung, daß diesem Kloster schon bei seiner Gründung durch Pribislav das Recht der Colonisation müsse beigelegt worden sein.

Inzwischen hatte Heinrich Borwin in seinen Landen, unfern der Burg Ilow, bereits ein zweites Cistercienser=Kloster für Nonnen dieses Ordens zu Parkow (d. i. Sonnenkamp) gegründet. Nachdem es hier, wie Kirchberg angiebt, schon ins achte Jahr bestanden, fand man es aber angemessener, im Jahre 1219 das Kloster unter dem Namen Sonnenkamp nach Kusczin zu verlegen. In der Stiftungsurkunde sagt Fürst Borwin, daß er diesem Kloster seine Güter zu demselben Rechte verliehen habe, wie das Kloster Doberan seine Güter besitze, also auch mit dem Rechte, Colonisten jedes beliebigen Volkes in seine Güter herbeizurufen. Wichtiger


1) Diplomat. Doberan. Nr. 5.
2) Diplomat. Doberan. Nr 6: non solum ipsos fratres, verum eciam ipsorum homines in possessionum suarum coloniam revocandos ob omni jure sibi debito liberos esse statuit et immunes.
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jedoch für unsern Zweck ist Bischof Brunwards Bestätigungs=Urkunde von demselben Jahre, worin es heißt: "Wir, um dem lobenswerthen Beginnen solcher frommen Fürsten nachzuahmen, da wir die zweite Stelle inne haben, wo der erste Bischof dieser Kirche, unser ehrwürdige Vorfahr Berno, die Götzenbilder ausgerottet hat, dem wir in der selbigen Arbeit nachgefolgt sind, in Erwägung, daß diese Freiheit 1 ) deshalb verliehen sei, damit dieses Land des Schreckens und wüster Einöde desto leichter mit Bewohnern versehen und das rohe Volk durch die Einwanderung Gläubiger zum Glauben überredet werde: so kommen wir zur Anregung ihres frommen Eifers in dem, worin wir es können, zu Hülfe und verleihen ihnen, was uns vom Zehntenrecht aus ihren Gütern und Vorwerken zuwachsen könnte, wenn sie auf ihre Kosten und durch ihre Arbeit den unbebaueten Wald werden ausgeradet haben 2 ), welches für neu zu gründende Klöster zu thun das lateransche Concil gestattet hat."

Nicht minder sprechend für unsern Zweck ist eine andere Urkunde dieses Bischofs aus demselben Jahre 1219, wodurch er dem St. Johannis=Kloster zu Lübeck die Hälfte des Zehnten aus den Dörfern Krempin und Schmakentin verkauft. Im Eingange derselben erklärt der Bischof 3 ): "Da nach der Pflicht unseres Amtes wir gehalten sind, Sorge zu tragen für alle Kirchen: so muß nothwendig, wo die Ernte groß und der Arbeiter wenig sind, die Liebe sich auch auf die Auswärtigen erstrecken, damit, wenn einer des andern Last trägt, wir Genossen haben an der Arbeit und am Trost. Deshalb, da einem großen Theile nach unsere Diöcese wegen der Barbarei der Slaven unbebauet war, und die Fürsten unseres Landes nicht nur Kriegsmänner und Ackerbauer (milites et agricolas), sondern auch Ordens=Geistliche herbeizogen, um den neuen Weinberg des Christenthumes anzubauen" u. s. w.

Um dieselbige Zeit etwa ist auch der Stiftungsbrief der Stadt Parchim durch Heinrich Borwin den Sohn zu setzen 4 ), der ebenfalls für unsern Zweck sehr bemerkenswerthe Stellen enthält. Der Eingang der Urkunde lautet 4 ): "Wir Heinrich Borwin von Gottes Gnaden Herr von Rostock - thun


1) Von der Vogtei=Gerichtsbarkeit, der Bede, der Kriegsfolge und anderen Diensten.
2) Incultam silvam a novalibus exstirpaverint. Lisch, meklenb. Urk. II, 6.
3) Lisch, meklenb. Urk. III, 63.
4) Früher setzte man diese Urkude nach Chemnitzs Vorgange in das Jahr 1218. Hr. Dr. Beyer (meklenb. Jahrb. XI, 46 Anm.) ist der Meinung, saß sie einige Jahre später ausgestellt sei, da Heinrich Borwin II. allein ohne seinen Bruder Nikolaus handle, der zwischen 1224 und 1226 starb, und diese Gegend eigentlich zu dem Antheile des Nikolaus gehört habe.
4) Früher setzte man diese Urkunde nach Chemnitzs Vorgange in das Jahr 1218. Hr. Dr. Beyer (meklenb. Jahrb. XI, 46 Anm.) ist der Meinung, saß sie einige Jahre später ausgestellt sei, da Heinrich Borwin II. allein ohne seinen Bruder Nikolaus handle, der zwischen 1224 und 1226 starb, und diese Gegend eigentlich zu dem Antheile des Nikolaus gehört habe.
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kund, daß wir von der göttlichen Erbarmung begünstigt und durch unsere fleißige Betreibung das Land Parchim, ein wüstes und unwegsames Land, ein Land dem Dienste der bösen Geister ergeben, christlichen Anbauern überlassen haben, sowohl von fernen, als von benachbarten Gegenden sie einladend. Auch haben wir in derselben Landschaft eine Stadt erbaut" u. s. w. 1 ) Dann folgen die Gerechtsame, welche er der Stadt Parchim verleiht, und hier heißt es gegen das Ende: "Wenn jemand sterben sollte, dessen Söhne bei Lebzeiten des Vaters ihre Güter nicht empfangen haben: so sollen ihnen die Güter gewährt werden, die ihre Väter von der Heidenzeit und dem Wald=Bau her besessen haben." Der Sinn dieser Worte kann wohl nur der sein, daß die Söhne dann alle Güter empfangen sollen, welche ihre Väter besessen haben, seitdem das Heidenthum und der Wald=Bau hier ein Ende genommen. Schwieriger ist zu bestimmen, was unter dem Ausdruck cultu silvestri, den ich durch Wald=Bau wiedergegeben habe, zu verstehen sei, Clemann und frühere erklärten ihn durch Hain (Opfer)=Dienst, und bezogen ihn auf den bei den Slaven gebräuchlichen Götzendienst in Wäldern. Doch dies ist wohl irrig; vielmehr ist wohl die Lebensweise der durch die Vertilgungskriege Herzogs Heinrich so sehr zusammengeschmolzenen slavischen Bevölkerung damit bezeichnet, die sich in die Wälder zurückgezogen hatte, und hier von Jagd, Fischerei, Viehzucht und spärlichem Ackerbau an lichten Waldstellen sich nährte. Vielleicht lies't das noch erhaltene Original dieser Urkunde auch deutlicher 2 ): a paganismo et cultura silvestri, wie in der Bestätigung dieser Urkunde vom Jahre 1238 3 ) und in andern Stiftungsbriefen diese Formel beständig lautet.

Ein noch deutlicheres Zeugniß von dem traurigen Schicksale der besiegten slavischen Bevölkerung legt um diese Zeit eine Urkunde aus dem entlegensten Theile der schweriner Diöcese ab. Dieser war das Land Tribsees oder das sogenannte Festland Rügen, welches sich jenseit der Reknitz bis zum Rykflusse bei Greifswald hin erstreckte. 4 ) Auch hier war in Folge der ver=


1) Cleemanns Chronik von Parchim S. 94.
2) Cleemanns Lesung der parchimschen Urkunden ist keineswegs genau, wie aus Herrn Dr. Beyers Abhandlung in den meklenb. Jahrb. XI. an mehreren stellen erhellt.
3) Meklenb. Jahrb. XI, 237.
4) Daß in dieser weiten Ausdehnung das Land Tribsees zu nehmen sei, zeigen die Verhandlungen, als im Jahre 1325 das rügensche Fürstengeschlecht ausstarb, und der schweriner Bischof oberlehnsherrliche Ansprüche darauf geltend machte. Vgl. die vielen diese Angelegenheit betreffenden Urkunden bei Gerdes S. 696 flgd. z. B. 703: terra Tribbuses, que etiam vulgariter terra Ruyanorum nuncupatur.
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heerenden Kriege (König Waldemar hatte grade diese Gegenden in den siebenziger und achtziger Jahren des zwölften Jahrhunderts vorzugsweise arg mitgenommen) die slavische Bevölkerung sehr schwach geworden, und die Vortheile des bessern Anbaues des Landes durch deutsche Colonisten sprangen so sehr in die Augen, daß man sich entschlossen hatte, deutsche Anbauer herbeizurufen. Am 24. November 1221 stellte zu Tribsees Fürst Witzslav eine Urkunde aus 1 ), worin er bekennt: "daß als für die deutschen Anbauer gehandelt ward, welche das Land Tribsees bewohnen, über den Zehnten, welcher auf deutsche Weise entrichtbar dem schweriner Bischofe zusteht, der Herr Bischof und ich dieser Gestalt übereingekommen sind, daß ich Witzslav dem schweriner Bischofe ein Dorf mit 12 Hufen in dem vorgenannten Lande überließe. - - - Dafür hat der Herr Bischof von 120 Hufen den ganzen aufkommenden Zehnten mir zu Lehnrecht gewährt. Auch soll der Herr Bischof gehalten sein, von dem übrigen Theile desselben ganzen Landes den Schulzen eines jeden Dorfes mit dem Zehnten einer Hufe von seinem Antheil zu belehnen. Von allen andern Hufen durch das ganze oft genannte Land, soll die eine Hälfte des Zehnten zur Nutzung des Bischofes kommen, der übrige Zehnte ist mir zu Lehn übertragen. Ueberdies, wenn die Waldungen und der Raum wüster Einöde (locus vaste solitudinis), wo früher kein Dorf gelegen war, nachdem die Bäume weggehauen und das Gestrüpp ausgeradet worden, werden zum Ackerbau gebracht worden sein, so sollen zwei Theile des Zehnten auf mich kommen, und der dritte Theil auf den Herrn schweriner Bischof. Auch sei allen kund, daß wenn der Herr Bischof und ich werden das Land mit dem Meßseil ausgemessen haben, was wir dann an Land gewonnen haben, unbeschadet der vollen Zahl der einem jeden Dorfe angewiesenen Hufen, davon wollen wir den Zehnten gegenseitig theilen. Uebrigens hat der Herr Bischof von der Abgabe der Slaven, die Biskoponitza heißt, nämlich derer, welche den Deutschen, die jene Aecker bebauen, gewichen sind, aus dem andern Theile des Schlosses Tribsees, den dritten Theil des Zehnten mir zu Lehnrecht überlassen. Von denen aber, die noch mit den Deutschen wohnen, soll der ganze Zehnte zur Nutzung des genannten Herrn Bischofs kommen. Wenn aber der ungünstigste Fall eintreten sollte, was Gott verhüte, daß das berührte Land in seinen frühern Zustand zurückkehrte,


1) Codex Pomeran. I, 310, mit Kosegartens trefflichen Bemerkungen. Lisch, mekl. Urk. III, 69.
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so daß nach Vertreibung der Deutschen, die Slaven wieder das Land zu bewohnen anfingen: so sollen sie den Zins, der Biskopunitza heißt, dem Bischofe gänzlich bezahlen, wie vordem."

Der befürchtete Fall, daß die Deutschen durch die Wenden wieder möchten vertrieben werden, trat freilich nicht ein; vielmehr die Herbeiziehung deutscher Anbauer zur weitern Urbarmachung des Landes nahm auch hier ihren Fortgang. Davon zeugt eine andere Urkunde, welche Fürst Witzslav am 8. November 1231 ausstellte 1 ). Er übertrug durch dieselbe "dem Cistercienser=Orden zu Handen des ehrwürdigen Mannes Herrn Arnold, Abtes zu Campen, zur Erbauung einer Abtei desselben Ordens" in der Umgegend von Richtenberg, wo demnächst das Kloster Neuenkamp sich erhob, drei Dörfer und 300 Hufen Waldes auszuraden (trecentos mansos nemoris exstirpandos). Ausdrücklich bestimmt die Urkunde wieder: "Wir haben auch den vorgenannten Brüdern die Macht gegeben, zu sich zu rufen und einzusetzen, wo sie wollen in dem Besitzthume der vorgenannten Kirche, Leute jedes beliebigen Volkes und Handwerks, und diese Handwerke zu betreiben, mit Ausnahme unserer Unterthanen, welche sie nicht anders als mit unserer Bewilligung herbeirufen dürfen. Auch lassen wir die Leute, welche sie herbeirufen und mit denselben dienenden Brüdern (den Conversen oder Laienbrüdern des Ordens) einsetzen werden, und die übrigen, welche in den Gütern der Kirche wohnen, frei von allem Rechte und aller Auflage der Grafen, Vögte und Richter, von Erbauung der Burgen, so wie von Beitreibung der Schosse und Zölle, so daß sie niemandem irgend eine Dienstleistung schuldig sind, außer allein Gott und dem Kloster. Jene Clausel, daß die Mönche in ihre Güter nicht Witzslavs eigene Unterthanen ohne seine Erlaubniß herbeirufen sollen, läßt vermuthen, wie schwach bevölkert sein Land im Ganzen noch sein mußte. Unter den Zeugen der Urkunde ist übrigens Bischof Brunward von Schwerin der erste: vielleicht hatte er diese Schenkung an das Mutterkloster von Amelungsborn vermittelt.

Abt Arnold von Campen aber scheint bei seiner Anwesenheit im Wendenlande - vielleicht auf einer Visitations=Reise der von Campen abstammenden Klöster in Norddeutschland - überhaupt die Fürsten Slaviens zur Dankbarkeit gegen sein Kloster, von dem aus sich das Christenthum und größere Cultur in ihren Landen verbreitet, gestimmt zu haben. Am 28. De=


1) Dreger Cod. Pomeran. P. 146.
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cember 1232 verlieh Güstrow Herr Nikolaus von Rostock (oder von Werle, wie er sich später nannte) "den Brüdern der Campenschen Kirche Cistercienser=Ordens" 50 Hufen mit dem See Kotze (dem Mönchssee bei Wredenhagen), mit allen Freiheiten und Immunitäten, gemäß den Privilegien der doberaner Kirche; Abt Gottfried von Doberan ist der erste Zeuge 1 ). Aber auch das amelungsborner Kloster, die eigentliche Mutter der schweriner Diöcese, sollte nicht leer ausgehen. Am 10. August 1233 stellte Herr Nikolaus von Rostock eine mit der vorerwähnten gleich formulirte Urkunde aus, wodurch er den "ehrwürdigen Brüdern der amelungsborner Kirche Cistercienser=Ordens" 60 Hufen am See Drans (in der Prignitz südwärts an die Campenschen Klostergüter grenzend) übermacht, ebenfalls nach den Privilegien der doberanschen Kirche zu besitzen. Zu verstehen ist hierunter das Recht fremde Colonisten in diese Güter herbeizuziehen, und die Befreiung derselben von den sonst üblichen Unterthänigkeitslasten, wie denn eine zweite, unter demselben Datum ausgefertigte Urkunde 2 ) wieder ausdrücklich festsetzt: "Auch haben wir den Brüdern der genannten Kirche die Macht gegeben, zu sich zu rufen und einzusetzen, wo sie wollen in der vorgenannten Besitzung, Leute jedes beliebigen Volkes und Handwerks und dieselbigen Handwerke zu üben. Auch lassen wir die Leute, welche sie herbeirufen und einsetzen werden mit denselben dienenden Brüdern, und die übrigen, welche in diesen Gütern wohnen, für beständig frei und unbelästigt von allem Vogtei=Rechte und von allen Auflagen der Grafen und der unser Recht ausübenden Vögte und Richter, von Erbauung der Burgen, wie von jeder Beitreibung der Schosse und Zölle und von aller Heerfahrt, so daß sie niemandem irgend eine Dienstleistung schuldigen, außer allein Gott und dem amelungsbornschen Kloster. Ueberdies haben wir auch den Brüdern derselben Kirche die richterliche Gewalt über alle, die ihnen dienen, und die Anbauer und die übrigen, die in ihren Gütern wohnen, in jeder Sache gegeben".

Indeß hatten auch schon die Vorfahren des Herrn Nikolaus von Werle dem Kloster zu Amelungsborn sich dankbar bewiesen: dies erhellt aus einer Urkunde, welche Nikolaus im J. 1244 zu Röbel ausstellte 3 ). Er erklärt darin, daß sein Vater Heinrich von Werle und sein Großvater Heinrich Borwin der Kirche zu Amelungsborn, "darum weil die Brüder dieser Kirche


1) Riedel, Cod. A. III, 340 Schröder, Pap. Meklenburg ad A.
2) Riedel, Cod. A. I, 445, 446.
3) Diplomat. Doberan. N. 19. - Vgl. die folgende Abhandlung. D. Red.
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die ersten Vertilger der Götzenbilder im Wendenlande gewesen 1 ), gewisse Güter zu Satow (südwärts von Doberan, auf dem halben Wege zwischen Neu=Bukow und Schwan) verliehen hätten. Nun hatte das Kloster den Zehnten in den satowschen Gütern von Bischof Brunward gegen das Dorf Wokrente eingetauscht; es war aber seit längerer Zeit zwischen dem Abte von Amelungsborn und den benachbarten Gutsbesitzern Streit über die Grenzen von Satow gewesen, den Nikolaus von Werle im J. 1244 durch seinen Truchseß Heinrich Gamm hatte entscheiden lassen. Aus den in der Urkunde aufgeführten Grenzbestimmungen geht hervor, daß die Conversen zu Satow noch dabei beschäftigt waren, das Land umher durch Ausraden urbar zu machen (novellare), und die Grenzbestimmungen wurden so getroffen, daß sie dabei nicht etwa zu weit greifen möchten.

In den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts muß die Urbarmachung des Landes, das Herbeiziehen fremder Colonisten und theilweise Verdrängen der Slaven in vollem Gange gewesen sein. In derselben Gegend, wo Nikolaus von Werle den Klöstern Campen und Amelungsborn Güter verliehen, südwestlich von der Müritz, erhielt damals auch das Kloster Doberan 50 Hufen von ihm angewiesen, nämlich bei Zechlin. Diese Schenkung muß schon vor 1237 statt gefunden haben, denn am 14. Februar 1237 verlieh schon Bischof Brunward von Schwerin dem Kloster Doberan den Zehnten von den 50 Hufen, welche Herr Nikolaus von Werle dem Kloster im Lande Turne zu Zechlin geschenkt habe 2 ). Die Schenkungsurkunde selbst aber ward erst am 29. December 1243 zu Güstrow durch Nikolaus von Werle ausgefertigt 3 ). Natürlich enthält sie wieder die Bevollmächtigung zur Berufung fremder Colonisten, nur noch mit dem Zusatz: "ob sie entweder durch ihre eignen Conversen oder durch andere weltliche Leute denselbigen Grund und Boden anbauen wollen, darüber haben wir ihnen völlig freie Macht gegeben. Auch sollen die Leute jedes beliebigen Volks und Handwerkes, welche die Brüder der vorgenannten Kirche herbeirufen werden, Vollmacht haben, diese Handwerke in der vorgenannten Besitzung auszuüben" u. s. w. Dieselbe Zusatz=Clausel ertheilte Nikolaus von Werle 14 Tage später zu Röbel auch dem Kloster Amelungsborn für seine Güter zu Drans 4 ).


1) Se primos exstirpatores ydolorum in Slavia fecerunt.
2) Diplomat. Doberan. N. 12.
3) Diplomat. Doberan. N. 18.
4) Riedel, Codex A. I, 448.
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Die Befugniß, fremde Colonisten in ihre Güter herbeizurufen, würden wir ohne Zweifel in den Stiftungsbriefen der beiden andern Cistercienser=Klöster der schweriner Diöcese, Dobbertin (vor 1226) und Rühn (1233), enthalten finden, wenn diese Stiftungsbriefe noch erhalten wären. Jedoch ein Paar für unsern Zweck sehr sprechende Stellen bieten uns noch die Urkunden des Klosters Sonnenkamp dar. Am 5. Januar 1235 schenkte Bischof Brunward diesem Kloster in allen Gütern, welche, demselben durch Heinrich Borwin und seine Erben verliehen worden, "alles, was uns an Zehnten von den Dörfern und Vorwerken der Klosterjungfrauen zuwachsen kann, wenn sie auf ihre Kosten und mit ihrer Arbeit den unbebaueten Wald werden ausgeradet haben (incultam silvam a novalibus exstirpaverint 1 ). Am 21. Mai 1236 erklärt derselbe Bischof: "auf Anhalten unsers geliebten Herrn Adam, Propstes zu Sonnenkamp, haben wir unser Dorf Bobelin, welches wir für unsern Zehnten in Boidewitzdorf von Herrn Johann von Meklenburg durch Tausch besessen haben und das wir wegen der Verwüstung der Slaven, die von dort vordem ausgetrieben waren 2 ), an Ackerbauer, um es anzubauen, auszuthun mehrere Jahre lang nicht im Stande waren, der heiligen Versammlung der Dienerinnen Christi im Kloster Sonnenkamp freigebig verliehen, um es beständig zu besitzen".

Ein nicht minder deutliches Zeugniß für jene Zustände legen denn endlich die uns aus jenen Zeiten noch aufbehaltenen Stiftungs= oder Bestätigungsbriefe mehrerer Städte ab. Im J. 1235 erklärten zu Plau die Gebrüder Johann, Heinrich, Nikolaus und Pribislav von Werle: "wir thun kund, daß von der göttlichen Erbarmung begünstigt unsere Väter seeligen Andenkens durch fleißige Betreibung das Land Plau christlichen Anbauern überlassen haben, dieselben sowohl von fernen, als von nahen Gegenden zu sich einladend. Sie haben in derselben Provinz auch eine Stadt erbauet" u. s. w. 3 ). Nun folgen die Rechte, welche der Stadt verliehen worden und welche jetzt von den Ausstellern der Urkunde bestätigt werden; auch hier kommt, wie in den parchimschen Rechten, die Bestimmung vor: "Wenn jemand sterben sollte, dessen Söhne bei Lebzeiten des Vaters ihre Güter nicht empfangen haben, so


1) Diplomat. Soliscamp. N. 7.
2) Diplomat. Soliscamp. N. 9.: propter vastationem Slavorum inde quandoque ejectorum
3) Westphalen IV, 928.
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sollen ihnen alle die Güter gewährt werden, die ihre Väter und deren Vorfahren von der Heidenzeit und dem Waldbau her (a paganismo et cultura silvestri) besessen haben". Hier zeigt das eingeschobene: "und deren Vorfahren", welches in dem parchimschen Stiftungsbriefe nicht steht, daß man jetzt schon um ein Menschenalter weiter von der Heidenzeit entfernt war, und nur noch theilweise die Väter sie gesehen haben mochten. Ganz derselben Formel bedient sich Pribislav von Parchim, als er einige Jahre später (1238) dieser Stadt ihre von seinem Vater ihr verliehenen Rechte bestätigt: "Jedermann thun wir kund, daß von der göttlichen Erbarmung begünstigt unsere Väter seeligen Andenkens durch fleißige Betreibung das Land Parchim christlichen Anbauern überlassen haben, dieselben sowohl aus fernen, als nahen Gegenden einladend, in derselbigen Provinz eine Stadt erbauet haben u. s. w. 1 ). Dann werden wörtlich die parchimschen Rechte aus der oben angeführten Urkunde wiederholt, nur daß in dem Artikel von dem Erbtheil der Söhne, wie schon bemerkt, nicht "cultu", sondern "cultura silvestri" steht. Mit völlig gleich lautender Eingangsformel ist auch die von Pribislav im J. 1248 ausgestellte Bestätigung der von seinen Vätern der Stadt Goldberg verliehenen Rechte 2 ): "Jedermann thun wir kund, daß von der göttlichen Erbarmung begünstigt unsere Väter seeligen Andenkens durch fleißige Betreibung das Land Parchim christlichen Anbauern überlassen haben, dieselben sowohl aus fernen als aus nahen Gegenden einladend, in derselbigen Provinz die Stadt Goldberg erbauet haben" u. s. w., wie denn auch die Stelle: "welche ihre Väter von der Heidenzeit und dem Waldbau her (a paganismo et cultura silvestri) besessen haben," grade so, wie in der vorerwähnten Urkunde lautet. Zu diesen Zeugnissen kommt denn endlich noch der Stiftungsbrief von Grabow hinzu, in welchem die Eingangsformel zwar anders lautet, weil die Urkunde von einem andern Landesherrn ist ausgestellt worden, aber die Beweiskraft dieselbe bleibt. Am 2. Januar 1250 stellte zu Grabow Graf Volrad von Danneberg eine Urkunde aus, worin es heißt: "Wir - thun kund, daß wir, nach reiflicher Ueberlegung und nach gepflogenem Rath un=


1) Meklenb. Jahrb. XI, 236.
2) Diese Urkunde theilt nach einer Copie, welche in dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts aus einem Transsumte dieser Urkunde vom Jahre 1317 entnommen ist, mit v. Kamptz, Civilrecht der Herzogthümer Meklenburg II, 127. Statt: civitatem construximus Goltberch, ist offenbar: civitatem construxerunt Goltberch, zu lesen, wie das folgende: jura ergo, quae tunc ab eis data sunt, nunc a nobis testimonio confirmantur, deutlich an die Hand giebt, nicht aber daraus zu folgern, daß Goldberg erst von Pribislav erbaut worden sei.
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serer getreuen Ritter und Vasallen, zur Vertheidigung und zum Schutz unserer Lande und zur Stärkung und Vermehrung unserer Herrschaft, eine Stadt Namens Grabow in den Grenzen und Scheiden unsers Landes gegründet und an dem Fluß Elde erbauet haben, und von fernen Gegenden und den Enden der Welt die Christgläubigen zur Besitznahme der genannten Stadt Grabow herbeigerufen haben" 1 ).

Die im Voraufgehenden beigebrachten urkundlichen Zeugnisse thun meiner Meinung nach zur Genüge dar, daß im zwölften und dreizehnten Jahrhunderte mehrere Menschenalter hindurch in Meklenburg, sowohl in den Städten, als auf dem platten Lande, Einwanderung von Deutschen (und zwar dem Mehrtheil nach von Niedersachsen) stattgehabt hat, so daß mit der Zeit die Zahl der deutschen Einwanderer so sehr anwuchs, daß die Ueberbleibsel der alten slavischen Bevölkerung unter den eingewanderten Deutschen gänzlich verschwinden und ihre Nationalität sich in die der Deutschen völlig auflösen mußte. Slavien ward ein deutsches Land, nur der Name blieb. Befördert und beschleunigt ward der Untergang der slavischen Bevölkerung allerdings auch dadurch, daß man nicht anstand, wie die voraufgehenden Zeugnisse ebenfalls beweisen, die Slaven mit Gewalt aus ihren alten Wohnsitzen zu vertreiben. Völlig ausgerottet sind sie freilich nicht, aber ihre immer geringer werdende Anzahl hat sich mit der Zeit unter der immer anwachsenden Menge der deutschen Bevölkerung gänzlich verloren. Erwähnung der noch hin und wieder übrigen Slaven ist in den Urkunden äußerst selten 2 ). Das allmählige Verschwinden der Slaven unter den immer mehr überhand nehmenden Deutschen giebt ebenfalls in den Urkunden sich uns deut


1) Vgl. v. Kamptz meklenb. Civil=Recht II, 341: a remotis partibus et mundi climatibus Christifideles ad possessionem dicti oppidi Grabow vocavimus.
2) Einige wichtigere Stellen der Art will ich hier vorläufig sammeln. Im Jahre 1254 verglich sich vor dem Grafen Gunzel von Schwerin sein Vasall Ritter Detlof von Reventlow mit den schweriner Domherren wegen des Zehnten in seinen wendischen Dörfern, den man Biscopnitza nenne: "ein jeder Wendt, der zwei Ochsen hat, soll geben 2 Scheffel Rogken grosser Masse, die sie Curiz nennen, und 10 Pfenninge und 1 Top Flachs"; es war also noch der alte Bischofszins an dem nur der 1 Scheffel und die 2 Pfenninge für den Pfarrpriester fehlen, (Meklenb. Jahrb. VI, 25. Anm.). Im Jahre 1256 verglich sich das Kloster Doberan mit dem Ritter Johann von Havelberg wegen des durch die Anlegung der Mühle zu Zechlin seinem Dorfe Repente zugefügten Schadens: Johann von Havelberg soll die Beschwerden der Wenden des genannten Dorfes beschwichtigen (Diplom. Doberan. N. 32.). Noch im Jahre 1285 macht sich Graf Helmold von Schwerin, als er das Dorf Lositz bei Uelitz an das Kloster Reinfelden verkauft, anheischig, "alle Wenden und Bauern, die jetzt dieses Dorf bewohnen." daraus vertreiben." (Meklenb. Jahrb. I, 7. Anm.).
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lich zu erkennen, nämlich in den Zeugen, welche die Urkunden der Fürsten Slaviens während dieses Zeitraums aufführen. In den Urkunden Nikolaus I., Heinrich Borwins I. und seiner Söhne Heinrich Borwin II. und Nikolaus II. sind die slavischen Namen der Zeugen vor den deutschen Namen noch überwiegend; in den Urkunden der vier Söhne Heinrich Borwins II. ist dies Verhältniß durchaus umgekehrt. Die slavischen Namen verschwinden in denselben rasch und fast gänzlich; nur einzelne bald kenntlich heraustretende Landestheile zeichnen sich in der Bewahrung slavischer Namen aus. Des Interesses wegen, welches der Gegenstand hat, verzeihe man es mir, wenn ich aus den mir zu Gebote stehenden Urkunden der genannten Fürsten die sämmtlichen Laienzeugen 1 ) hier folgen lasse, um dadurch meine Behauptung gleichsam augenscheinlich darzuthun.



1) Die im Nachfolgenden aufgeführten Zeugenreihen sind nach den Ouellen des großherzoglichen Archivs von mir revidirt, wenn sie alten, unzuverlässigen Drucken entnommen waren; es ist dies jedes Mal durch "[Berichtigt]" angezeigt.          G. C. F. Lisch.
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Laienzeugen aus den Urkunden Nikolaus I., Heinrich Borwins I. und seiner Söhne Heinrich Borwins II. und Nikoaus II.

1189, am 8. April, zu Rostock: Nicolaus Slavorum princeps verleiht dem Kloster Doberan das Vorwerk Wilsne zu demselben Rechte, zu dem sein Vaterbruder Pribislav dem Kloster alle seine Güter verliehen, Zeugen: Henricus Buruwe princeps de Michelenburc, Sirizlaf Recis, Wolcouiz 1 ), Uencegur, Rademir, Bruno de Chubanze, Gerardus Prelle. (Diplom. Doberan. Nr. I. in Westphalen Monum. ined. III. - Gerardus Prel auch Diplom. Dargun. N. 2.) [Berichtigt. L. ]

1192: Henricus Burewinus Magnopolitanorum et Kyzenorum princeps bestätigt die Verleihungen seines Vaters Pribislav an das Kloster Doberan. Zeugen: Slavi Venciko, Woywoto, Martinus, Damascho, Paliz, Gusiz, Vriz. (Diplomat. Doberan. Nr. 3.) [Berichtigt. L. ]

1210: Vergleich zwischen Bischof Dietrich und Heinrich Borwin wegen des Zehnten von der Insel Pöl. Zeugen: de laicis Heinricus Damasc slauus, Uffo et frater eius Jerdagh. (Diplomat. Doberan. Nr. 4.) [Berichtigt. L. ]

1218: Henricus Burewinus Magnopolitanorum et Kyzenorum princeps bestätigt die Privilegien des Klosters Doberan. Zeugen: Johannes de Snakenburch, Rawelinus, Sziso slauus, Lodewicus. (Diplom. Doberan. Nr. 5.) [Berichtigt. L. ]

1218, am 24. Juni: Borwinus dominus Magnopolensis stiftet die Stadt Rostock - dominacionis nostre majoribus tam Slauis quam Theutonicis presentibus, episcopo nostro Brunwardo videlicet viro religiosissimo interposito, Thetleuo de Marlowe, Jordano, Hermanno capellano, Zlauteich, Janeke, Heinrico Gamma, Wartis, Johanne de Snakenburgh, Raulino, Hinrico Grubone, Hughone abbate de Doberan


1) Die Namen auf - viz sind meistens Patronymica, wie noch heute bei den Russen, z. B. Petrowitsch=Peters=Sohn.
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universalique conventu ibidem, Stephano sacerdote, Dummemaro, Pribolo, Bizprawe, Thoma, Aluerico preposito, Hermanno de Rodenbeke, Heinrico Holtzato, Nacono, Janike Germeritz, Wentslawo, magistro Woltero de Bucoe, ejusdem opidi consulibus Heinrico Fabro, Heinrico Pramule, Hermanno, Rodolfo, Ludero, Bertramo, Wyzelo, Lamberto, Bodone, Heinrico Lantf. (Vom Ursprunge der Stadt Rostock, Anlage I.) [Berichtigt. L.]

1219: Borwinus Magnopolitanus dominus verleiht dem Michaelis=Kloster zu Lüneburg das Dorf Cesemow. Zeugen: de laicis Janick, Stoyzlavitz, Zlavotech, Neopra, Heinricus, Jermeriz, Thidericus de Godebuz, Johannes de Snakenborg. (Meklenburg. Jahrb. II, 291. VI, 172.)

1219: Heinricus Burwinus princeps Slavorum gründet das Kloster. Sonnenkamp. Zeugen: de laicis Thetlevus de Godebuz, Ludolfus de Ganzowe, Heilardus de Vifle, Heinricus Holtsatus, Raulinus, Dummamir, Wartis, Pribus, Zise, Nacon, Newoper, Janich, Merezlaf. (Diplomat. Soliscamp. Nr. I. in Lisch mekl. Urk. II. )

1219: Heinricus de Rozstock und Nicolaus de Magnopoli bestätigen die Privilegien von Doberan. Zeugen, laici: Janic Stoizlauiz, Zlautech, Henricus Gamme, Jordanus miles de Wrle, Weiuuote, Niwoper, slavi, Eilardus advocatus de Godebuz, Thidericus miles de Netsen. (Diplomat. Doberan. Nr. 6.) [Berichtigt. L. - Im Originale steht bei den Namen dort ein Punct, wo hier ein Komma steht. L.]

1222, am 7. Juni: Borewinus Magnopolensis dominus stiftet das Gotteshaus St. Antonius zu Templin. Zeugen: laici Niewopre, Theodericus dapifer, Heinricus Holtzate, Theodericus de Dibawe, Petrus de Griwole, Baroldus de Lubowe, Hermannus Niclot. (Rudloff Urk. Lieferung Nr. 2.) [Berichtigt. L.]

1222, am 8. Juli, zu Ratzeburg: Henricus senior Borwinus Magnopolensis und seine Söhne Heinrich und Nicolaus errichten einen Vertrag mit dem ratzeburger Bischofe. Zeugen: Reinfridus, Otto Albus, uterque Reinboldus (ratzeburger Vasallen), Volmarus, Eilardus de Godebutze, milites, Conradus advocatus, Hermannus dapifer. (Diplomat. Ratzeb. Nr. 32.)

1223, am 29. December (rege Dacorum Waldemaro captivato) zu Meklenburg: Borchwinus dominus Magni-

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polensis verleiht dem havelberger Domcapitel das Dorf Gartz. Zeugen: de laicis Theodoricus dapifer, Henricus Soltwedel, milites. (Rostocker Nachr. Beil. von 1824, S. 165.)

1226, am 3. Juni, zu Güstrow: Henricus dominus de Rozstock stiftet das Domcapitel zu Güstrow. Zeugen: laici Buriwinus pater meus, Heinricus comes de Zuerin, Johannes Ztoyzlaf, Johannes de Snakenborch, Heinricus Gamme dapifer curie, Jordanus, Heinricus Grubo, Baroldus, Engelbertus, Lippoldus. (Thiele, Domkirche zu Güstrow, Anl. A.) [Berichtigt. L.]

1226, am 11. August, zu Rostock: Burwinus dominus Magnopolensis bestätigt die Stiftung des Domkapitels zu Güstrow. Zeugen: laici carissimus filius noster Heinricus fundator ecclesie predicte, Reinbertus de Clodene, Thidericus Paganus, Yo, Henricus Gambe. (Thiele, Domkirche zu Güstrow, Anl. B.) [Berichtigt. L.]

Laienzeugen aus den gemeinschaftlichen Urkunden der Söhne Heinrich Borwins II.

1226, am 15. Februar, zu Lübeck: Johannes, Nicolaus und Heinrich, Gebrüder, Herren von Rostock, ertheilen der Stadt Lübeck Zollfreiheit. Zeugen: dominus Thetleuus de Godebuz, Johannes de Snakenburch, Heinricus Gamme, dapifer, Sigebodo de Holthorp, Brunwardus de Butzowe, Heinricus cognatus domini Thetleui, Bernardus advocatus, Conradus advocatus. (Lübecker Urk. Buch I, Nr. 33.)

1227, am 3. December, zu Güstrow: Johannes, Nicolaus, Heinrich und Pribislav, Gebrüder, Herren von Meklenburg, schenken dem Johanniter=Orden 60 Hufen im Lande Turne. Zeugen: laici Zlawotech de Malegowe, Gotimerus et Johannes frater suus de Havelberch, Unizlaus castellanus de Robole, Heinricus Gamba dapifer, Jordanus, Heinricus Grubo, Baroldus, milites, castellani de Guztrowe (Meklenb. Jahrb. II, 215).

1228, am 25. October, zu Güstrow: Dieselben bestätigen der Stadt Güstrow das schwerinsche Recht. Zeugen: Gampa dapifer, Jordanus, Heinricus Grubo, Baroldus, Conradus, castellani de Guztro, Bruno, Hinric. Advocatus, Johannes Cocus, Arnoldus Sagittarius, Fr. Daniel institor, cives in Guztrow. (Besser, Beiträge zur Gesch. von Güstrow, S. 243, berichtigt.)

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1230, am 30. October: Vertrag zwischen Johann von Meklenburg, Nicolaus von Rostock und ihren Brüdern einer= und dem Grafen Günzel von Schwerin andererseits: Testes et promissores: Bernadus comes de Dannenberch, d. Johannes Magnopolensis et Nicolaus d. de Roztoch, Alardus Gans, Thetlephus de Godebuz, Johannes de Snakenborch, Thetlephus iuvenis, Wernerus de Netelenborch, Petrus de Gansethorp, Unizlaus, Johannes de Balisen, Egkehardus Hane, Otto Bersarius, Otto Bawarus, Salomon, Johannes de Crupelin, Heinricus de Roma, Nicolaus de Brusevitz, Godescalcus nepos d. Thetiephi, Johannes de Bulowe, Conradus de Suinga, Jordanus de Poterowe. (Lisch, Han'sche Urk. I, 8.)

1231, am 28. November, zu Rostock: Johann und Pribislav von Meklenburg und Nicolaus und Heinrich von Rostock bestätigen die Privilegien von Doberan. Zeugen: Heinricus comes Ascharie, Thetlephus de Godebuz, Johannes de Snakenburg, Heinricus Gammo dapifer, Brunwardus castellanus de Marlowe, Heinricus de Ungerede, Bertrammus castellanus de Roztoch, Gerhardus dapifer, Sygebodo de Holthorpe, Godefridus de Bulowe, Hermannus et Gunterus fratres, Heinricus Wargus, milites. (Diplomat. Doberan. Nr. 7.) [Berichtigt. L.]

Aus Urkunden von Johann und Pribislav gemeinschaftlich oder Johann allein.

1229, am zweiten Pfingsttage: Johann von Meklenburg über den Bau von 4 Capellen zu Parchim. Zeugen: Ditlevus de Godebuz, Godofridus de Bulowe, Hanno (I. Nanno) de Lensyn. (Cleemann, Chronik von Parchim, S. 108.)

1229, bei Wismar: Johann von Meklenburg bestimmt die Grenzen von Wismar. Zeugen: d. Brunwardus et d. Detlevus iuvenes, Helias Ritzo, Hermannus de Dortmunde, Enghelbertus monetarius, Hermannus Vorrad et suus gener Didericus, Johannes Pinguis, Gherwinus de Buckowe, Leuerus, Tedolfus Halfpape, Clemens et Gherwinus monetarii, Conradus et Marquardus, Hermannus et Titmarus. Item testis d. Alardus Gans et d. Gherardus de Snakenborg, Conradus de Suinga, Hinricus Warguswitz, Bernardus de Pole, Hermannus de Rodenbeke, Sigebodo de Holtdorp. (Schröder, Wismar. Erstlinge, S. 69.)

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1231, am 29. April, zu Ilow: Johann und Pribislav von Meklenburg verleihen das Dorf Nakunstorf, welches das Kloster Sonnenkamp a quodam nostro fidele Woltzic gekauft, an dieses Kloster. Zeugen: Gerardus dapifer, Godefridus de Bulowe, Johannes de Bulowe, Heinricus Holzatus, Gerardus de Malin, Heinricus Boidevitz, Johannes Boidevitz, Heinricus Warsussevitz (Diplomat. Soliscamp. Nr. 3.)

1231, am 9. Juli, zu Neuburg (Ilow): Johann von Meklenburg verleiht die Kirche zu Goldberg dem Kloster Dobbertin. Zeugen: Gerardus dapifer, Gerardus de Malin, Godefridus de Bulowe, Gunterus advocatus de Bucowe, Nicolaus de Brusevitze, Eggehardus Gallus. (Lisch, Hahn'sche Urk. I, 11.)

1232, am 11. Februar: Johann von Meklenburg verleiht an den Bischof von Schwerin 10 Hufen in Bobbin. Zeugen: Gerardus dapifer, Fridericus de Clodrem, Heinricus de Zwerin, Conradus de Suinge, Godefridus de Bulowe, Heinricus Wargussevitz, Tessemarus frater eius. (Diplom. Soliscamp. Nr. 5.)

1236, am 5. August (Februar?), zu Sonnenkamp: Vertrag zwischen Bischof Brunward und Johann von Meklenburg gegen Pommern=Demmin. Mitgelober Johanns von Meklenburg: Thetlevus de Godebuz, Godefridus dapifer, Sygebodo de Holthorpe, Conradus de Suinge, Thydericus de Dybowe. Ekkehardus Gallus, Johannes de Multzyan, Johannes de Babyse, Wernerus Yazeke, Thetlevus de Regccedo(z), Bertoldus Pycht, Nicolaus Polen. (Lisch, Meklenb. Urk. III, 83.)

1236, am 12. Mai, zu Gadebusch: Johann von Meklenburg bestätigt das Kloster Rehna. Zeugen: fratres nostri d. Nicolaus de Werle, Borewinus d. de Roztoc, Thetlevus de Godebuz, Godefridus dapifer, Gerardus Lepel, Volcwinus de Langvedele, Theodoricus de Dybowe, Johannes de Bulowe. (Meklenb. Jahrb. X, 205.)

1237, am 6. September, zu Gadebusch: Johann von Meklenburg verleiht dem Kloster Rehna die Kirchen zu Rehna und Wedendorf. Zeugen: Thidlevus de Godebuz, Godefridus et Johannes fratres de Bulowe, Volcquinus de Lancwedele, Godescalcus camerarius, Rembernus de Stoven, Theodericus de Dibowe, Ludeke Hardenacke, Heinricus et Theodericus fratres, filii eius, Segebodo de Holthtorp, Burchardus Lupus, Ekehardus Gallus, militis. (Lisch, Hahn'sche Urk. I, 17.)

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1238 circa: Johann von Meklenburg bestätigt dem Kloster Rehna das Dorf Roxin. Zeugen: Gerhardus dapifer, Thetlevus de Godebuz, Godefridus de Bulowe et frater suus Johannes, Volcquinus de Lancwedele, Rembernus et frater suus Corvus de Stove, Godescalcus de Degowe et frater suus Eckehardus Gallus, Buno et frater suus Hiddo, Hinricus et frater suus Ethelgerus. (Hahn'sche Urk. I, 24.)

1239, am 28. April: Johann von Meklenburg befreiet das Kloster Dargun von allen Lasten aus dem Dorfe Cantim und von 4 Hufen zu Starsow. Zeugen: Gerardus dapifer, Conradus de Zuinga, Johannes de Mulsan, Bernardus, Hermannus de Hakenstede. (Diplomat. Dargun. Nr. 24.)

1239, am 13. Juni: Johann von Meklenburg verleiht dem Kloster Dargun alle Freiheiten im Dorfe Covnim und von 8 Hufen in Starsow. Zeugen: Gerardus dapifer, Heinricus, Bertoldus de Emlendorf. (Diplom. Dargun. Nr. 25.)

1240, am 28. Juni, zu Meklenburg: Johann von Meklenburg verleiht dem Kloster Sonnenkamp den Hof Sellin. Zeugen: Bernardus de Walia, Ecquardus Gallus, Volsegho, Thidericus Clawe, Fredericus de Isenhagen, Reimbernus Scalip, milites nostri, frater Raven, Wedeghe, Conradus de Sture, Fredericus de Lubowe, Reinardus de Lu, Olricus de Lu, Johannes, Heidenricus, Hermannus, Henricus de Lu, milites Christi. (Diplom. Soliscamp. Nr. 11.)

1245, am 16. Mai: Johann von Meklenburg vereignet dem Kloster Doberan das Dorf Kartlow. Zeugen: milites Guntherus aduocatus et frater suus Hermannus, Borchardus Lupus, Nycolaus Reschinkel. (Diplom,.Doberan. Nr. 20.) [Berichtigt. L.]

1246, am 27. Mai, zu Meklenburg: Johann von Meklenburg verleiht den Bürgern von Riga im Hafen von Wismar dieselbe Freiheit, die sie zu Lübeck genießen. Zeugen: d. Godofridus de Bulowe, d. Johannes frater ejus, d. Johannes de Walie, d. Thidericus Klawe, d. Olricus frater ejus, Ludeke de Hamme telonearius noster, Heinricus de Tremonia, die Rathmänner von Wismar und einige Bürger von Riga. (Schröder, Wismar. Erstl. S. 71.)

1248, am 26. November [VI. Kal. Dec.], zu Meklenburg: Johann von Meklenburg bestätigt den Verkauf des Dorfes Bekervitz und 2 Hufen in Gögelow durch Herrn Burchard Wulf an das Kloster Reinfelden. Zeugen: Godefridus de Bulow et Johannes frater eius, Godescalcus Prene et Heinricus frater eius, Volquinus de Langwedele, Theodoricus Clawe,

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Ludolphus de Plucekowe et Egkehardus frater eius. (Schröder, Papist. Meklenb. S. 632.) [Berichtigt. L.]

1252, am 8. November, zu Ratzeburg: Johann von Meklenburg bestätigt den Verkauf des Dorfes Karstan an das Domkapitel zu Lübeck. Zeugen: milites Godefridus et Johannes fratres de Bulowe, Theodericus et Arnoldus Clawen, und einige lübecker Bürger. (Diplom. Soliscamp. Nr. 14.)

1253, am 19. Juni, zu Meklenburg: Johann von Meklenburg verleiht dem Heil. Geist=Hause zu Wismar 2 Hufen in Metenstorp. Zeugen: Bernardus de Walie, Hinricus dictus Pren et frater suus Godescalcus, Alvericus de Prozeka, Benedictus de Rodenbeck, milites nostri. (Schröder, Papist. Mekl. S. 652.)

1256. am 2. August, zu Wismar: Johann von Meklenburg verleiht dem Bischofe von Ratzeburg das Patronatrecht über die Kirchen im Klützer=Ort. Zeugen: Alvericus de Barnekow, Theodoricus de Clave, Volkero (Volceco?), Vredebernus, milites. (Schröder, Papist. Meklenb. S. 660.)

1257, am 25. März, zu Schloß Wismar: Johann von Meklenburg bezeugt, daß der Ritter Hermann und seine beiden Brüder Eckhard und Johann, Knappen, alle Söhne des Ritters Albert von Buch, der rothe (rufus) zubenannt, gewisse Güter zu Buch nach dem Tode des Vaters an das Kloster Doberan verkauft haben: Zeugen: milites Heinricus dei gracia iunior dominus Magnopolensis et noster filius, Bernardus de Walia, Everhardus de Calsowe, Arnoldus Clawe, Thidericus Moltike, Gerhardus Kytelhoth, Tymmo Holthzatus, item Albertus noster filius, adhuc servus. (Diplom. Doberan. Nr. 36.) [Berichtigt. L.]

1260. am 7. März, zu Wismar: Johann von Meklenburg bestätigt das Privilegium seines Großvaters Heinrich Burewin für das Bisthum Ratzeburg. Zeugen: Ludolphus Hardenakke, Hermannus de Modentin, Theodoricus Clawe, Albericus de Barnekowe, milites. (Schröder, Pap. Meklenb. S. 679.)

1260, am 26. September: Johann von Meklenburg bestätigt den Kauf des Dorfes Vinekendorf durch die Stadt Wismar, Zeugen: Ludolfus Hardenack, Bernhardus de Walie, Alvericus de Barnekow, Benedictus, Thidericus et Arnoldus Klawe, Everhardus Kalsowe, Otto de Swinga, Johannes et Fridericus Molteke, Otto de Revetlo, Conradus et Albertus Dotenberg, Heinricus Gesewitz, Godfridus de Plote, Fredebernus Huskummer, Hermannus de Rodenbecke, Olricus de Blucher, milites nostri, die

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Rathmänner von Wismar etc. (Schröder, Papist. Meklenb. S. 1027.) [Der in dieser Urkunde und in den folgenden Urkunden von 1261 und 1262 genannte Henricus Gesewitz ist richtig gelesen: Gesewitz, Gezeviz, auch Jesewiz, Der Name ist bis in das 16. Jahrhundert häufig - und gewöhnlich - falsch gelesen, bald Gesenitz, bald Geseritz, bald Gerevitz u. s. w. Die Familie hieß Jesewitz, war auf Bolland und Neu=Karin angesessen und starb um 1515 aus; nach dem Abgange derselben wurden die von Oertzen von der roggower Linie im Jahre 1515 mit den Gütern belehnt. L.]

1261, am 18. October, zu Wismar: Johann von Meklenburg und sein Sohn Heinrich vereinbaren sich mit der Stadt Lübeck wegen Zerstörung des Schlosses Dassow. Zeugen: milites dominus Ludolphus de Dybowe noster dapifer, Aluericus de Barnekowe, Theodericus et Arnoldus Clawe, Benedictus de Rodembeke, Otto de Suinga, Marquardus de Indagine, Volceko; insuper: Gerhardus de Indagine, Willekinus de Stadis, consules Lubicenses. (Lübecker Urk. Buch I, S. 237.)

1261 (?): Johann von Meklenburg bestätigt die Verleihung von 3 Mark jährlicher Hebung durch den Ritter Johann von Werthen an das Heil. Geist=Haus zu Wismar. Zeugen: milites d. Ludolphus Hardenake, Bernhardus de Walie, Thidericus et Arnoldus Klawe, Alvericus de Barnekowe, Benedictus de Rodenbeck, Thimmo Holsatus, Gherardus Metzeke, Otto de Swinga, Henricus Gese[v]iz. (Schröder, Pap. Meklenb. S. 695.)

1262, am 29. September, zu Wismar: Johann von Meklenburg und sein Sohn Heinrich geloben der Stadt Lübeck, daß zu Dassow und von da an bis Grevesmühlen kein Schloß wieder erbaut werden solle. Zeugen: Otto de Swinga dapifer noster, Bernardus de Walie, Aluericus de Barnekowe, Benedictus de Rodenbeke, Theodericus et Arnoldus Clawe, Gerhardus et Hartwicus Mezeke, Johannes Molteko, Heinricus Gezeviz, Marquardus de Indagine, Conradus et Albertus Dotenberg, Volzeco. (Lübecker Urkundenbuch I, S. 245.)

1262, am 13. December, zu Wismar: Johann von Meklenburg und sein Sohn Heinrich bekennen, daß Arnold von Tremonia das Dorf Boydewinestorp von ihnen gekauft habe. Zeugen : Bernhardus de Walie, Albericus de Barnekow, Otto de Swinga, Thidericus et Arnoldus, Benedictus, Gherardus Metzeke, Volceke, Timmo Holzatus, Hart-

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wicus advocatus noster, milites, et Gutjarus, Henricus de Zwerin. (Schröder, Pap. Meklenb. S. 701.)

1263, am 1. Mai: Johann von Meklenburg, mit seinen Söhnen Heinrich und Albrecht, bekennt, daß er einen Camp bei Wismar an das Heil. Geist=Haus daselbst verkauft habe. Zeugen: Otto de Swinga, Helmoldus de Plesse, Alvericus de Barnekowe, Benedictus de Rodenbecke, Conradus Pren, Thidericus et Arnoldus Clawe, Gherardus et Hartwicus Mezeke, Conradus Dotenberge, milites, und viele wismarsche Bürger. (Schröder, Pap. Meklenb. S. 707.)

Aus Urkunden von Pribislav allein.

1240: Pribislav von Parchim verkauft der Stadt Parchim das Dorf Bicher. Zeugen: Arnoldus de Molendino et Hanno (Nanno?) de Lensyn et Hermannus Cnut, milites, und die Rathmänner von Parchim. Cleemanns Chronik von Parchim, S. 221.)

1241: Pribislav von Parchim verleiht dem Kloster Dargun das Dorf Dargebant. Zeugen: laici Johannes de Snakenbur, Nycolaus de Hamburch, Bernardus et Hermannus de Hakenstede, et ceteri castrenses. (Diplomat. Dargun. Nr. 28.)

1247, zu Schwerin: Pribislav von Parchim vergleicht sich mit Graf Günzel von Schwerin wegen der Grenzen der Länder Ture und Brenze. Zeugen: Nanno de Lencin, Wedikinus, Martinus et Gherardus de Malin, Arnoldus de Molendino, Hinricus de Hagenowe, milites. (Meklenb. Jahrb. XI, 238.)

1249, am 20. September, zu Parchim: Pribislav von Richenberg verleihet einem Priester die Burgkapelle zu Parchim. Zeugen: Nanno de Lentsin, Arnoldus et Bernardus de Molandino, Theodericus Berser, Johannes de Redekestorp, Iwanus et Nicolaus fratres de Belowe, Gerardus et Martinus fratres de Malyn, Heinricus et Segebodo fratres dicti de Holtdorp, milites, Gerardus Kuesel. (Meklenb. Jahrb. XI, 239.)

1253, am 14. Februar, zu Wismar: Pribislav von Richenberg vereignet dem Kloster Doberan das Dorf Zolchelin. Zeugen: milites Widekyndus de Walsleve, Martinus de Malin, Theodericus dictus Berser, Ywanus de Belowe, Gerhardus de Leisten, Henricus de Rolsted. (Diplom. Doberan. Nr. 28.)

1256, zu Sternberg: Pribislav von Richenberg verbessert die Pfarre zu Wahmkow. Zeugen: d. Hermannus Brushaver

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et suus frater Arnoldus, d. Henricus de Rolstede, d. Henricus de Holtorp. (Meklenb. Jahrb. XI, 244.)

Aus Urkunden Borwins III. von Rostock allein.

1237, am 15. Februar, zu Rostock: Borwin von Rostock bestatigt die Privilegien von Doberan. Zeugen: milites Thitlevus de Godebuz, Johannes de Snakenburg, Heinricus Gamme, Nicolaus dapifer, Walterus de Penz, Baroldus, Heinricus Grube, Bernardus de Wygenthorpe. (Meklenb. Jahrb. X, 43.)

1240, am 15. October: Borwin von Rostock schenkt dem Kloster Dargun 1 Hufe in Levin. Zeugen: Thidericus de Buren et frater suus Johannes, Jerezlaus et frater suus Johannes, Heinricus de Ragen advocatus noster. (Diplom. Dargun. Nr. 27.)

1241, am 24. April, zu Wismar: Borwin von Rostock verleiht dem Kloster Dargun die Kirche zu Levin. Zeugen: milites d. Johannes de Snakenburch, Lippoldus de Kalend, d. Jo. et Th. milites et fratres de Bure. (Diplom. Dargun. Nr. 30.)

1243, am 12. September, zu Rostock: Burewin von Rostock schenkt dem Kloster Doberan zwei Salzpfannen zu Sülz. Zeugen: laici, milites Theodericus dapifer, Johannes de Snakenborch, Rubin. Meklenb. Jahrb. XI, 271.)

1244, am 13. Juni: Borwin von Rostock tauscht Güter mit dem Kloster Dargun. Zeugen: Hinricus de Warborch, Rutgerus, Lyppoldus, Jerezlaus et Johannes frater suus, militis. (Diplom. Dargun. Nr. 32.)

1247, am 19. Februar, zu Rostock: Burewins von Rostock Verleihung an das Kloster Doberan. Zeugen: laici, milites Johannes de Snakenburch, Godefridus dapifer, Georius de Jorike, Heinricus de Scharnin, Johannes de Bune, Johannes de Sweden, Gerhardus Bertrami filius, (Diplom. Doberan. Nr. 22.) [Berichtigt. L.]

1248, am 22. März: Burewins von Rostock Verleihung an das Kloster Doberan. Zeugen: milites Johannes de Snakenburch, Godefridus dapifer, Georgius de Jorike, Johannes Bune, Gotan (alias: Gottanus Morder 1268, 1275), Darguzlaf, Heinricus dapifer, Johannes de Sweden. (Diplom. Doberan. Nr. 23.) [Berichtigt. L.]

1250, am 1. Februar, zu Rostock: Burwins von Rostock Verleihung an das Kloster Doberan. Zeugen: Darizlauus, Johannes de Szverze, Johannes Buno, Wolterus de Go-

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rowe, milites, Sileuus tunc advocatus in Rozstoc. (Diplom. Doberan. Nr. 26.) [Berichtigt. L.]

1250, am 25. August, zu Rostock: Borwin von Rostock stiftet die Stadt Cröpelin. Zeugen: advocatus noster d. Johannes de Zwertze, d. Zegherus, milites nostri. (Rudloff, Urk. Lieferung, Nr. 12.)

1252. am 19. Februar: Borwin von Rostock tauscht Kaland vom Kloster Dargun ein. Zeugen: d. Lippoldus, Eggehardus, Conradus de Rensowe, Heinricus de Warborch, Jeroslaus et frater eius Johannes, milites. (Diplom. Dargun, Nr. 44.)

1252, am 20. März: Borwin von Rostock bestätigt die Privilegien der Stadt Rostock. Zeugen: Johannes de Snakenburgh, Godefridus dapifer, Johannes aduocatus, Gottanus, Johannes de Bune, Georgius de Jork, Florinus, Wolderus Gherardus filius dapiferi Bartrammi, Rotgerus, Heinricus de Warborgh, Dargeslaus, Johannes de Swecia, Segerus, Jerezlaus, die Rathmänner von Rostock etc. . (Diplom. Doberan. Nr. 27.) [Berichtigt. L.]

1252, am 14. September, zu Rostock: Borwin von Rostock überträgt dem Kloster Dargun 3 Hufen zu Penkow, welche Johann von Bune bis dahin zu Lehn getragen. Zeugen: d. Godefridus, d. Heinricus de Dudinge, d. Georgius de Jorc, d. Otto de Ghicowe. (Diplom. Dargun. Nr. 45.)

1252, am 24. September, zu Rostock: Borwin von Rostock verleiht dem Kloster Dargun die Freiheit, zu Sülz Salz zu sieden. Zeugen: d. Heinricus de Dudinghe, d. Georrius de Jorck, milites, Otto de Ghikow, famulus. (Diplom. Dargun. Nr. 46.)

1262, am 18. Juni, zu Rostock: Borwin von Rostock und seine Söhne Johann und Waldemar bestimmen, daß zu Rostock nur ein einiger Rath und ein Gericht sein sollen. Zeugen: milites d. Gottanus, d. Johannes de Cropelyn, d. Hinricus Duding, d. Thimmo de Domechowe, d. Johannes de Bune, d. Johannes de Zwercze, d. Johannes de Oldenburg et d. Welvinghus frater suus, d. Retis, d. Plussecow, d. Elerus de Lewitzow, d. Hinricus de Caland, d. Zegere, d. Johannes de Swecia, d. Ernestus de Penetz, d. Emeko de Cetyn. (Ungnade, Amoen. dipl. S. 12.)

1262, am 17. Mai, zu Kaland: Borwin von Rostock begabt den Altar Mariä in der Kirche zu Kaland mit 7 Hufen, de quibus nos unum dedimus in villa Ghorez, prepositus H. unum in Lellekendorp, quem emit de d. Roth-

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gero, item R. unum in eadem villa, d. Jo. de Bune unum in Kemeric, d. Jo. Vozinc unum in eadem villa, quem emit contra Jo. de Bune, d. H. de Warborch unum in Doliz, domina M. de Rensow unum in Daleviz, domina M. de Bure unum punt siliginis in castellania sua. Zeugen: d. H. Magnopolensis, Tidericus Clawe, Lippoldus de Kalant, Johannes de Bune, Volcic, Hinricus de Warburch, Hinricus Rothgeri, Bertoldus de Latcop. (Diplom. Dargun. Nr. 56.)

1264, am 12. October: Borwins von Rostock Verleihung an die Stadt Rostock. Zeugen: d. Helf miles dni. Regis(?), d. Darmyslaus, d. Wolderus de Conowe, milites, Silews advocatus noster. (Westphalen. mon. ined. IV, 939).

Aus Urkunden von Nikolaus von Werle allein.

1232, am 30. December, zu Güstrow: Nikolaus von Rostock verleiht dem Kloster Campen 50 Hufen. Zeugen: Heinricus Gamba, Conradus dapifer, Heinricus Grubo, Bartholdus, Johannes de Crupelin, milites de Guztrowe, Gotimerus (de Havelberch) et Johannes frater suus, Zlautech (de Malchow), Jacobus, nobiles, Robertus de Bralin, Heinricus Dargazh, Gerhardus Scouko advocatus de Robole. (Riedel, Codex A. III, 340.)

1233, am 10. März, zu Güstrow: Nikolaus von Rostock verleiht dem Kloster Amelungsborn 60 Hufen. Zeugen: Heinricus Gamma, Conradus dapifer, Heinricus Grube, Heinricus de Dudingin, Johannes de Crupelin, milites de Guztrowe, Gutimerus et Johannes frater suus, Zlautech, Jacobus, Robertus de Bralin, Heinricus Dargaz, Gerardus Scoke advocatus de Robole. (Riedel, Codex A. I, 446.)

1235, am 14. März, zu Güstrow: Nikolaus von Rostock verleiht der Stadt Malchow schwerinsches Recht. Zeugen: Henricus Gamba, Baroldus dapifer, Jordanus, Henricus Grubo, Bernardus de Wientorp, milites, und Bürger von Güstrow und Malchow. (Rostocker Nachr. Beil. von 1827, S. 110.)

1235, am 29. April: Nikolaus von Werle verleiht dem Kloster Sonnenkamp 14 bebauete und 20 unbebauete Hufen zu Punek, desgleichen 6 Hufen zu Bryzelaz a Slavo quodam Thessitze nomine comparatos. Zeugen: Conradus de Sconewolde, Johannes Danus, Jordanus de Sabene,

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Baroldus de Guzsterov, Heinricus de Zyarnin, Heinricus de Insula, milites. (Diplom. Soliscamp. Nr. 8.)

1236, am 7. April, zu Güstrow: Nikolaus von Rostock bestätigt der Stadt Malchin das schwerinsche Recht. Zeugen: Hinricus Gamba, Baroldus dapifer, Hinricus Grubo, Jordanus, Unizlaus, Otto Barinus (Bawarus?), milites, und Bürger von Güstrow und Malchin. (Grund der Steuerfreiheit, 1742, S. 133.)

1237, am 6. März: Nikolaus von Werle verleiht dem Domkapitel zu Güstrow das Dorf Lüssow. Zeugen: laici Zamburius dux Pomeranie, Baroldus dapifer, Johannes de Snakenborch, Jordanus, Henricus Grubo, Bernardus de Wiendorp. (Thiele, Güstrow. Domkirche, Anl. E.) [Berichtigt. L.]

1238, am 25. Mai, zu Güstrow: Nikolaus von Rostock bestätigt die Stiftung des Domkapitels zu Güstrow. Zeugen: laici Baroldus dapifer noster, Gotemarus, Vnizlaus, Heinricus Dargats, Otto Suleske, Gregorius, Venceko, Tribimer, Gidvirgute, Yo, Ratis. (Thiele, Güstrow. Domkirche, Anl. D.) [Berichtigt. L.]

1240, am 12. August: Nikolaus von Werle bestätigt dem Kloster Dargun die Dörfer Gilow und Benitz. Zeugen: Hinricus Gamba dapifer, Hinricus Grubo, Johannes de Snakenborch, Bernardus de Wigendorp, Baroldus, Jordanus. (Diplom. Dargun. Nr. 26.)

1241, am 18. Januar, zu Güstrow: Nikolaus von Rostock verleiht dem Kloster Eldena 50 Hufen. Zeugen: Gunzelinus comes de Zuerin, Everhardus de Molendino, Luderus de Bluchere, Theodoricus Scakmann, milites de Zuerin, Unizlaus, Jerozlaus, Heinricus Dargatz, Johannes de Havelberch, Geroldus de Peccatle, milites de Robole, Heinricus Grubo, Bernardus de Wienthorp, Ekkehardus Gallus, Gerardus Metzeke, Heinricus Fulmen, Theodoricus de Ganzowe. (Mekl. Jahrb. II, 216.)

1242, am 17. Juni, zu Güstrow: Nikolaus von Rostock schenkt den Johannitern einige Aecker zu Mirow. Zeugen: Unizlaus, Jarozlaus, Heinricus Dargats, Johannes de Havelberch, castellani de Robele, Heinricus Fulmen, Albertus de Antiqua Villa, Johannes de Duzcin, Gerardus Scoke tunc advocatus. (Mekl. Jahrb. II, 218.)

1243, am 6. Juni: Nikolaus von Werle und Herr zu Güstrow schenkt dem Kloster Doberan 10 Drömt Korn in Kl. Zwizow. Zeugen: milites Vnizlaus, Gerozlaus, Ber-

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nardus de Wigendorpe, Johannes de Hauelberch. (Diplom. Doberan. Nr. 16.) [Berichtigt. L.]

1244, am 29. December, zu Güstrow: Nikolaus von Werle und Herr zu Güstrow verleiht dem Kloster Doberan 50 Hufen im Lande Turne. Zeugen: milites Vnizlaws, Gerozlaws, Johannes de Havelberch, Heinricus Dargaz, Henricus Grubo, Bernardus de Wigendorp, Otto Bawarus, Geroldus advocatus in Robele. (Diplom. Doberan. Nr. 18.) [Berichtigt. L.]

1244, zu Röbel: Nikolaus von Werle und Herr zu Güstrow über die Grenzen der Satowschen Güter des Klosters Amelungsborn. Zeugen: Heinricus et Johannes filii nostri, milites Vnizlaus, Gerozlavs, Johannes de Hauelberch, Heinricus Dargaz, Heinricus Grubo, Robertus de Brelin, Geroldus aduocatus, Otto Bersere, Otto Bawarus, Arnoldus de Nova Ecclesia. (Diplom. Doberan. Nr. 19.) [Berichtigt. L.]

1244, zu Röbel: Nikolaus von Werle und Herr zu Güstrow bestätigt dem Kloster Amelungsborn seine Güter. Zeugen: Heinricus et Johannes filii nostri, milites Vnizlaus, Gerozlavs, Johannes de Havelberch, Heinricus Dargaz, Heinricus Grubo, Robertus de Brelin, Geroldus aduocatus, Otto Bersere, Otto Bawarus, Arnoldus de Nova Ecclesia. (Riedel, Codex A. I, 447.)

1248, zu Güstrow: Nikolaus von Werle gestattet den Bürgern zu Güstrow die Abbrechung der Neustadt. Zeugen: comes Mauricius (de Spegelberg), filii mei Henricus et Johannes, d. Grubo, d. Bernardus de Wigendorp, d. Albertus de Holdendorp, d. Johannes filius dni. Baroldi, d. Echehardus de Anchere, d. Marquardus de Goudenbuche, Bertoldus Kolhaze advocatus, u. s. w. wahrscheinlich Bürger zu Güstrow. (Mekl. Jahrb. X, 206.)

1249, am 31. October, zu Röbel: Nikolaus, Herr von Güstrow, verleiht dem Kloster Doberan das Dorf Zechlin mit 75 Hufen. Zeugen: nos Nycolaus et duo filii nostri domicelli Heinricus et Johannes, Heinricus Grvbo et filius eius Henricus, Arnoldus de Nienkerken, Otto Bersarius, Geroldus de Peccatle, Stephanus prepositus, Johannes de Hauelberch, H. Dargaz, Jerezlaus, Vnizlavs, Ekbertus de Mirowe, Wernerus capellanus, H. aduocatus, Harnith. (Diplom. Dober. Nr. 24; Nr. 25, eine Urkunde von demselben Datum über denselben Gegenstand, mit denselben Zeugen.) [Berichtigt. L.]

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1254, am 1. Mai, zu Röbel: Nikolaus von Werle bezeugt, daß er die eine Hälfte und Herr Jersclaus, Castellan zu Röbel, die andere Hälfte des Sees Sclopen dem Kloster Doberan überlassen habe. Zeugen: domicelli Henricus et Johannes, d. Geroldus de Peccatle, d. Arnoldus de Nova Ecclesia, d. Johannes de Hauelberge, d. Vnizsclaus, Harnith dictus Bere et fratres sui, Henricus advocatus in Robole. (Diplom. Doberan. Nr. 29.) [Berichtigt. L.]

1256, am 1. Mai (oder 1250, am 26. April?), zu Röbel: Nikolaus Herr von Güstrow bekennt, daß die Streitigkeiten zwischen dem Kloster Doberan und dem Ritter Johann von Havelberg, als Besitzer des Dorfes Repente, wegen der Mühle zu Zechlin durch die Schiedsrichter Herrn Heinrich Dargatz, Herrn Otto Bersere, den Bruder Johann von Drans und den Bruder Werner geschlichtet seien. Zeugen: d. Henricus de Mynda, Arnoldus miles de Noua Ecclesia, Werslaus, Vnizlaus, Rembertus advocatus. (Diplom. Doberan. Nr. 32.) [Berichtigt. L.]

1257, am 6. Januar, zu Güstrow: Nikolaus von Werle verleiht dem Kloster Dargun die Kratzburger Güter. Zeugen: Unizlaus, Jerezlaus, Johannes de Hawelberghe, Arnoldus de Nigenkerke, Lodewicus Cabolt, Johannes de Cropelin, Ludolphus Rone, milites. (Mekl. Jahrb. II, 285.)

1261, am 21. Januar, zu Röbel: Nikolaus von Werle, bestätigt der Stadt Röbel das schwerinsche Recht. Zeugen: milites Arnoldus de Nova Ecclesia advocatus in Robel, Johannes de Havelberg, Otto Bersarius, Hermannus Zwichtcop, Geroldus de Peccatle, Unitzlaus, famuli Ludekinus de Tzwerin, Hinricus de Havelberge, Harnith Bere, Hildebrandus de Coniat, Hinricus de Tzernove. (Ungnaden, Amoen. dipl. S. 7.)

1263, am 28. Februar, zu Röbel: Nikolaus von Werle bestätigt der Stadt Penzlin das schwerinsche Recht. Zeugen: Arnoldus de Nova Ecclesia, Henricus de Peccatele, Harnidus Ursus, Johannes de Havelberge, Magorius advocatus in Robele, Adam marschalcus. (Franck, altes und neues Meklenb. ad a.)

1266, am 14. April, zu Wismar: Nikolaus von Werle, mit seinen Söhnen Heinrich und Johann, bestätigt die Privilegien von Wismar. Zeugen: Johannes de Kropelin, Arnoldus de Nigenkerken, Johannes Barold, Machorius de Zene,

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Nicolaus Hane, Hinricus Grube, milites, u. s. w. wahrscheinlich wismarsche Bürger. (Hahn'sche Urk. I, 39.)

1270, am 11. März, zu Güstrow: Nikolaus von Werle Verleihung an die Stadt Güstrow. Zeugen: milites Johannes Barold, Johannes Kaboldi, Magorius de Cene, Hinricus de Flotow; famuli Hinricus advocatus in Gustrow, Wescelus marschalcus, Ludekinus Holsatus, Olricus de Bardenflet, und die Rathmänner von Güstrow. (Westphalen IV, 941.)

1270, am 20. April, zu Güstrow: Nikolaus von Werle Verleihung an die Stadt Lage. Zeugen: de riddere Hinricus van Vlotow unse advocat van Robele, Wedekind Beehr; denstknechte Hinricus unse advocate to Güstrow, Conradus Claviger binnen Güstrow etc. (Rudloff, Urk. Lieferung, Nr. 23.)

1270, am 25. September, zu Röbel: Nikolaus von Werle bestätigt den Johannitern zu Mirow ihre Güter. Zeugen: H. advocatus dictus Thakalange, Remerus de Stocflit, Jo. de Cropelin, Priscebure et frater suus, Harnet Bere, Wideghe Bere, Gotemerus de Ritsoe, Ludekinus de Swerin, milites. (Meklenb. Jahrb. II, 220.)

1272, am 1. August, zu Güstrow: Nikolaus von Werle bestätigt dem Kloster Sonnenkamp seine Güter. Zeugen: milites Mauricius comes de Spegelberghe, Johannes de Crupellin, Gherardus Ketelhot, Albernus de Butzowe, Nicolaus Hane, Henricus de Spegelberghe, Johannes et Henricus fratres de Kaboldisdhorpe, Adam; famuli Hinricus advocatus in Guzstrowe, Wescelus marscalcus, Conradus Claviger, Wlvingus et Johannes fratres de Oldenburg. (Diplom. Solisc. Nr. 24.)

1272, am 17. December, zu Güstrow: Nikolaus von Werle Verleihung an die Stadt Teterow. Zeugen: milites Johannes de Cropelin et filius suus Gerardus, Fredericus de Dechow, Musteke, Conradus Berchane, Nicolaus Gallus advocatus in Gustrow; famuli Wescelus marscalcus, Conradus Clawe. (Lisch, Hahn'sche Urk. I, 43.)

1273, am 30. Januar, zu Güstrow: Nikolaus von Werle bestätigt der Stadt Parchim ihre Rechte und Privilegien. Zeugen: milites Fridericus de Dechowe, Nicolaus Gallus advocatus in Guzstrowe, Johannes Koz advocatus in Parchem, Segebodo de Holtdorp; famuli Wescelus marscalcus, Conradus de Brochusen, Thetlevus Wackerbart. (Lisch, Hahn'sche Urk. I, 44.)

1273, am 10. April, zu Plau: Nikolaus von Werle Verkauf an das Kloster Dargun. Zeugen: Guncelinus comes

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de Zwerin et filius suus, d. Woldemarus de Rostock, Heinricus Grubo, Nicolaus Gallus, Heinricus de Vlotowe, Bordeko, Heinricus de Colonia, Johannes Cabolt, Hermannus Coze, milites. (Lisch, Hahn'sche Urk. I, 45.)

1273, am 23. April: Nikolaus von Werle bestätigt dem Kloster Broda seine Güter. Zeugen: milites Henricus Lucho, Henricus de Vlotowe, Bernardus de Peccatel, Hermannus de Langenvurde, Nicolaus de Stralendorpe, Misnerus, Jacobus de Brelin, Priceburius et Johannes filii dni. Jeroslai, Henricus et Bertoldus fratres de Havelberge; famuli Weselus marscalcus, Lanbertus advocatus in Penzellin. (Meklenb. Jahrb. III, 219.)

1273, am 29. April, zu Röbel: Nikolaus von Werle Verleihung an die Johanniter zu Mirow. Zeugen: milites Henricus de Vlothowe advocatus in Robele, Nicolaus Gallus advocatus in Guzstrowe, Johannes Koz advocatus in Plawe, Misnerus, Fredericus Brusehavere, Bertoldus de Havelberge, Henricus Kabolt, Ludolphus de Zwerin, Gerardus et Hermannus de Crimun, Bertoldus de Danbeke, Priseburius et Johannes frater suus. (Meklenb. Jahrb. II, 224.)

1273, am 12. Mai, zu Güstrow: Nikolaus von Werle über die plauer Mühlen. Zeugen: milites comes Moricius, Henricus Luche, Nicolaus Hane, Magorius de Cene, Johannes Koz; famuli Weselus marscalcus, Willekinus kamerarius, Olricus de Bardenvlet. (Lisch, Hahn'sche Urk. I, 49.)

1273, am 5. August, zu Güstrow: Nikolaus von Werle bestätigt dem güstrowschen Domkapitel seine Privilegien und Güter. Zeugen: milites Heinricus de Cremun, Johannes de Antiqua Civitate, Nicolaus Gallus advocatus in Gustrowe, Johannes Coz advocatus in Plawe, Marquardus Coz frater suus, Jordanus et Gherardus fratres dicti de Cropelin, Johannes de Belin, Otto de Revetlo, Herbordus advocatus de Gnogen, Heinricus de Ludorpe; famuli Wiscelus marscalcus, Olricus de Bardenvlete, Conradus de Brochusen, Henricus de Siwan. (Lisch, Hahn'sche Urk. I, 51.)

1273, zu Gnoien: Nikolaus von Werle verleiht Herrn Martin von Brussekow das Dorf Vorwerk. Zeugen: Fredericus de Dechowe, Bernardus de Hakenstede, Hermannus de Musteke, Herbordus advocatus in Gnogen, Nicolaus Friso. (Diplom. Soliscamp. Nr. 25.)

1273, am 12. September, zu Röbel: Nikolaus von Werle Versicherung an die Johanniter zu Mirow. Zeugen:

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milites Henricus advocatus in Robele dictus de Vlotowe, Ludolphus de Zwerin; famuli Olricus de Bardenvlet, Willekinus camerarius, Bertrammus de Malechowe minor advocatus in Robele, Henricus minor advocatus in Wesenberge. (Meklenb. Jabrb. II, 226.)

1274, am 13. Januar, zu Röbel: Nikolaus von Werle Verleihung an das Kloster Amelungsborn. Zeugen: Heinricus de Vlotow advocatus noster in Robele, Heinricus de Havelberge, Johannes [de] Decow (?), Theodericus de Osten, Priscebur, Johannes de Belin, Harnit, Lippoldus, Johannes de Cruchere, Bertoldus de Havelberge, Johannes Kabolt, Heinricus Kabolt, Zabel de Redigesdorpe, Zabel de Plawe, Yo. advocatus in Wistoke, milites; Buckeslawe filius dni. Barnami, Willekinus camerarius, Olricus de Bardenvlete, Lambertus de Pinzelin, Johannes filius Unizlai, Heinricus de Rorbeke, Hermannus de Havelberge. (Riedel, Codex Ag I, 448.)

1274, am 24. Februar, zu Güstrow: Nikolaus von Werle Verleihung an das Kloster Doberan. Zeugen: milites duo Nicholaus Gallus, Johannes Molteko, Heinricus antiquus advocatus, Johannes de Brunswich. (Lisch, Hahnsche Urk. I, 58.)

1274, am 12. März: Nikolaus von Werle Lehnbrief an die Gebrüder Bernhard und Heinrich von Peckatel über ihre Güter in der Vogtei Penzlin. Zeugen: Hinricus de Vlotowe, Gherardus de Antiqua Villa, Nicolaus de Brusevitze, Olricus de Bardenvlet, Willekinus camerarius, Hermannus de Smarzenow, Lambertus de Rozenhagen, Hermannus Sagittarius. (Meklenb. Jahrb. X, 209.)

1274, am 6. Mai, zu Güstrow: Nikolaus von Werle Verleihung an das Kloster zum Heil. Kreuz in Rostock. Zeugen: milites Reimbernus de Stocvlete, Henricus Luche, Henricus Grube, Nicolaus Gallus advocatus in Gustrowe, Jordanus et Gerardus fratres dicti de Cropelin, Johannes Baroldi, Adam Spottegile. (Lisch, Hahn'sche Urk. I, 59.)

1274, am 5. Juni, zu Röbel: Nikolaus von Werle Vertrag mit dem havelberger Bischofe. Zeugen: Henricus de Vlotowe advocatus in Robele, Johannes Owman ( ? ), Ludolfus de Swerin, Henricus et frater eius de Holtdorp, Prizbur et frater eius, Sabellus de Redichsdorp, Sabellus de Plauwe, Yo advocatus in Wistock, Hermannus de Plawe, Rodolfus de Boyster, Johannes

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de Stendal, Johannes de Gantecow, Henricus de Wodenswege, (Riedel, Codex A. II, 261.)

1274, am 25. August: Nikolaus von Werle verkauft den Düsterwald an die Neustadt Röbel. Zeugen: milites Reimbernus de Stocvlet, Henricus Cabolt, Ludekinus de Swerin. Henricus de Vlotow advocatus de Robele, Henricus et Sigebodus dicti Holtorpe, Prizeburius et frater suus; famuli Ulricus magister coquinae, Wernerus Cabolt, Ulricus Claviger, Hermannus de Havelberge. (Rudloff, Urk. Lieferung Nr. 28.)

1274. am 15. December, zu Güstrow: Nikolaus von Werle bestätigt die Privilegien des Klosters Dobbertin. Zeugen: milites Ludolfus Moltsan, Nicholaus Gallus, Heinricus de Vlotowe, Heinricus de Colne, Heinricus de Cremun, Henricus Luche, Johannes Coz, Johannes Megedetrost, Machorius de Cene, Johannes de Belin; famuli autem Bernardus de Belin, Henricus Claviger. (Hahn'sche Urk. I, 60.)

1275, am 28. Juni: Nikolaus von Werle Verkauf an das Kloster Dobbertin. Zeugen: milites d. Hermannus Coz et d. Marquardus Coz et d. Johannes Coz, et d. Nicolaus Friso, et d. Nicolaus de Brusevitz, et d. Johannes de Duzcin, et d. Hinricus Caboldus, et d. Walterus de Malechowe, et d. Johannes de Belin, et d. Bertoldus de Dambeke, et d. Gherardus de Cremun; famuli Heince de Prescentin et Bernardus de Belin. (Rudloff, Urk. Lieferung Nr. 32.)

1275, am 17. August, zu Gnoien: Nikolaus von Werle Verkauf an das Domkapitel zu Güstrow. Zeugen: milites Heinricus de Cremun, Heinricus Grubo, Nicolaus Gallus advocatus in Gustrowe, Hermannus Musteke, Bernardus de Hakenstede, Herbordus advocatus de Gnogen, Johannes de Lypen, Heinricus de Vlotowe, Godefridus Luche; famuli Olricus Bardenvlete, Willekinus camerarius. (Hahn'sche Urk. I, 65.)

1275, am 1. October, zu Güstrow: Nikolaus von Werle und seiner Söhne Verleihung an das Kloster Sonnenkamp. Zeugen: Gerardus Ketelhot, Johannes de Belin, Heinricus de Vlotowe, Nicolaus de Bruzeviz, Johannes de Duscin, Gunterus de Lewezowe, Heidenricus Babbo, Thanquardus Gustevele, Conradus Berkhane, Nicolaus Ruce. (Diplom. Soliscamp. Nr. 27.)

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Das Ergebniß dieses Zeugenverhörs stellt sich deutlich genug heraus. Die unter Heinrich Borwin I. und seinen Söhnen noch so häufigen slavischen Namen der edlen Geschlechter des Landes verschwinden unter seinen Enkeln, welche die Herrschaft Slaviens überkamen, als mit der bornhövder Schlacht für das Wendenland ein neuer Zeitabschnitt eintrat, sehr bald immer mehr unter den deutschen Namen der Adelsgeschlechter. Schwerlich darf man annehmen, daß auch der wendische Adel von seinen angestammten Fürsten mit Gewalt sei ausgetrieben worden und dem deutschen Adel habe Platz machen müssen. Viel wahrscheinlicher ist, daß der wendische Adel durch Annahme deutscher Namen und der Benennung nach dem Stammlehn mit dem deutschen Adel sich völlig gleichgestellt hat und dadurch für uns von demselben ununterscheidbar geworden ist. Vielleicht von dem einzigen Geschlecht der von Havelberg ist die slavische Abkunft mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Diejenigen Geschlechter dagegen, welche auch die slavischen Namen behalten, beschränken sich bald auf eine bestimmte Gegend. In den westlichen Landestheilen verschwinden sie bald gänzlich: Johann von Meklenburg, obwohl ihn selbst das Volk "Knese Janeke von Ilow" zu nennen pflegte 1 ), hat kaum noch einen Edlen slavischen Namens in seiner Umgebung, eben so der Anfangs mit ihm abgetheilte Pribislav von Parchim. Etwas häufiger sind die slavischen Namen im Rathe Borwins von Rostock. Am zahlreichsten bleiben sie unter den Vasallen des Nikolaus von Werle, dessen Landestheil auch vorzugsweise den Namen Land zu Wenden behielt. Im Süden seines Gebietes, in dem von den großen Seeen abgegrenzten sogenannten stuerschen Winkel, wo gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts von den Werlern das Schloß Wenden (Wredenhagen) erbaut ward 2 ), scheint sich das wendische Wesen am reinsten erhalten zu haben. Die Castellane von Röbel sind es, die durch ihre Namen vorzugsweise als slavische Geschlechter sich kund geben: Zlawotech von Malchow, Gotemar und Johann von Havelberg, Unislav, Jeroslav, und Heinrich Dargatz. Jeroslavs Söhne waren Pritzbur und Johan: hier begegnen wir noch im Jahre 1333 rein slavischen Namen in Jerslav von Walow, Pritzbur von Kargow, Pritzbur und Dubeslav von Kelle, und den Brüdern Pritzbur von Poppentin 3 ). Die Pritzbur und die Nachkommen des Castellans von Güstrow Heinrich Gamba (Gamm) möchten die einzigen Adelsgeschlechter unsers Landes


1) Detmar'sche Chronik z. J. 1261.
2) Lisch, Hahn'sche Urk. I, 113.
3) Schröder, Pap. Meklenburg S. 1129.
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sein, deren slavische Abkunft bis jetzt mit Sicherheit anzunehmen ist. Andere lassen sich als von Westen her einwandernde deutsche Geschlechter mit ziemlicher Bestimmtheit verfolgen. Welche aber von den übrigen alten Adelsgeschlechtern unsers Landes mit Wahrscheinlichkeit für slavischen Geblütes zu achten sind, muß das Vorliegende freilich unentschieden lassen. Wann einst in Meklenburg so viel Interesse an seiner eigenen Geschichte wird erwacht sein, daß man seine sämmtlichen Urkunden - sei es auch nur bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts - sammelt, dann wird sich auch diese Untersuchung auf den Punct führen lassen, wohin sie mit einiger Sicherheit allein noch gelangen kann.

Neubrandenburg, den 22. März 1847.

F. Boll.     

 


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Anhang.

Ueber die Heimath der Colonisten Meklenburgs,

von

G. C. F. Lisch.


E s ist schon häufig die Frage aufgeworfen, aus welchen Gegenden vorzüglich bei der Germanisirung Meklenburgs am Ende des 12. Jahrh. die Colonisten nach Meklenburg gerufen seien. Für manche Gegenden und Gewerbszweige läßt sich dies mit ziemlicher Bestimmtheit beantworten. Nach dem Dialekt werden z. B. die Warnemünder dänische Colonisten sein (vgl. Meklenburg in Bildern, II, S. 61); nach den Urkunden des Klosters Dargun mochte man ebenfalls Dänen in das Gebiet des Klosters gerufen haben, da es diesem freigestellt ward, auch dänische Colonisten einzuführen (vgl. Meklenb. Urk. I, S. 10, 11 und 24), das Kloster zuerst von dem seeländischen Kloster Esrom gegründet ward (vgl. das. S. 115, S. XIV und die dänischen Chroniken des 12. Jahrh.) und in dem Klostergebiet die jütische Geldbuße von 8 Schillingen für Diebstahl galt (vgl. das. S. 52 und 54 und Lappenberg in Götting. Gel. Anz. 1838, St. 124, S. 1235 flgd.). Die Grafen von Schwerin mögen aus ihren Erbgütern (vgl. Mekl. Urk. III, S. 63), manche geistliche Stiftungen mögen aus den Gütern ihrer Mutterklöster Bauern ins Land gerufen haben. Die Meier oder Kuhwirthschafter werden aus Holland gekommen sein, da sie noch heute "Holländer" genannt werden.

Dies gilt aber nur für einzelne Gegenden des Landes. Es ist noch immer die Frage, woher die Hauptmasse der Colonisten kam. Wenn man Deutschland in Beziehung auf diese Frage aufmerksam durchforscht, so möchte sich diese dahin beantworten lassen, daß die Hauptmasse der Colonisten aus Westphalen, namentlich aus den Grafschaften Mark und Ra=

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vensberg einwanderte. Es giebt in ganz Deutschland wohl keine Gegend, in welcher alle Gebräuche und Sitten so sehr mit denen des meklenburgischen Landvolkes übereinstimmten, als es im Innern Westphalens der Fall ist, namentlich wenn man aus dem Süden und Westen Deutschlands kommt; man betritt dann plötzlich ein ganz anderes Land. Hier finden wir ganz die meklenburgischen Bauerhäuser mit dem Giebel und der Scheurendiele wieder; hier werden selbst in neuen Häusern auch noch keine Schornsteine gebauet, um die viel besprochenen Schinken bequemer räuchern zu können, zu denen plötzlich auch das schwarze Brot erscheint. Hier treibt der Bauer den Haken mit Ochsen im viereckigen Doppeljoche und arbeitet die langen Ackerstriche in Stücken von dreieckigem Queerdurchschnitte auf, wie es noch heute der Bauer in der Prignitz an der meklenburgischen Grenze thut, während in Süddeutschland der Ochse mit der Stirne schiebt oder, wie das Pferd, im Kummt geht. Die kurze, breite, dicke Sense und die Sichel des Südens verschwinden plötzlich und statt dieser Geräthe tritt die lange, schmale, dünne Sense (Hakensense) mit den beiden Haken zum Niederlegen des Korns ein. Das Sielengeschirr der Pferde ist in beiden Ländern ganz gleich. Hier geht der Bauer in dem weißen linnenen Kittel. Was aber vorzüglich entscheidend ist, die Sprache ist in beiden Ländern gleich; es soll im Kleveschen eine Gegend geben, in welcher genau die meklenburgische Aussprache des platten Dialekts herrscht, welcher sich z. B. bedeutend von dem nahen köllnischen Dialekt unterscheidet, den man in unserer Zeit schon mitunter auf dem obern Mittelrhein hört. Dazu kommt, daß unter den meklenburgischen Bauern, namentlich in den Colonistendörfern mit der Zusammensetzung - hagen, der Familienname Westphal sehr verbreitet ist. Beachtenswerth ist noch, daß der klevesche und märkische Bauer in Meklenburg sein Heimathland wieder fand: es giebt in Deutschland wohl kaum zwei Länder, welche in der Bodengestaltung so viel Aehnlichkeit mit einander haben, als das innere, ebenere Westphalen und Meklenburg, wenn man die eigenthümlichen Seen in Meklenburg übersieht. Kurz, der Meklenburger wird sich im innern Westphalen, und nur hier, fast ganz in seiner Heimath fühlen.

Erklären läßt sich diese Einwanderung aus Nordwestphalen vielleicht auch dadurch, daß nicht fern von dieser Gegend das Kloster Alten=Camp lag, das Mutterkloster der deutschen Cistercienserklöster, also auch in gerader Filiation der Klöster Amelungsborn und Doberan.

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Es würde daher von großer Wichtigkeit sein, wenn Jemand, der Meklenburg kennt, zur Vergleichung das innere Westphalen nach Wohnung, Acker= und Hausgeräth, Nahrung, Kleidung, Sitte, Sprache in Untersuchung zöge. Ich glaube nicht, daß man in Westphalen nach dem Heimathlande des meklenburgischen Bauern lange zu suchen brauchte; es würde nur einer scharfsichtigen Beobachtung und Vergleichung bedürfen. Ich war wenigstens im höchsten Grade überrascht, als ich, im Herbste des J. 1846, von dem Cölnischen her in diese Gegend kam und hier plötzlich meklenburgische Gegenden sah und meklenburgische Sitten in den oben angeführten Grundzügen wahrnahm.

Besonderes Augenmerk würde auf die weibliche Volkstracht zu richten sein. Die eigenthümliche Tracht der sogenannten Bistower Bäuerinnen in der Gegend von Rostock und Doberan habe ich nur im Klettgau am südlichen Schwarzwalde, im sogenannten Vorderwalde bis nach Schaffhausen hinab, wieder gefunden, wo die Bäuerinnen die schwarze Farbe, den faltigen Rock, die hochrothen Strümpfe u. s. w. tragen; der Kopfputz allein weicht etwas ab.

Vorzüglich aber verdienen die bäuerlichen Verhältnisse ein tieferes Studium. Bekanntlich besitzen die westphälischen Bauern Grundeigenthum. Die meklenburgischen Bauern sind aber erst in den letzten drei Jahrhunderten zu ihrem jetzigen Zustande herabgekommen; im Mittelalter hatten unsere Bauern eine ganz andere Stellung. Man müßte daher die Verhältnisse unserer Bauern im Mittelalter aus den Urkunden erforschen und dieselben mit der historischen Entwickelung der westphälischen Verhältnisse vergleichen. Es läßt sich kaum annehmen, daß die aus Westphalen gekommenen Colonisten aus dem Stande eines Eigenthümers in die Leibeigenschaft sollten getreten sein. Ohne Zweifel blieben sie in ihrer neuen Heimath in ihren gewohnten Rechtsverhältnissen.

 

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III.

Geschichte

der

Besitzungen auswärtiger Klöster

in Meklenburg,

von

G. C. F. Lisch.


Geschichte
der Besitzungen des Klosters

Amelungsborn.

D as Hauptstreben der Eroberer der deutschen Wendenländer im 11.und 12. Jahrh. ging dahin, diese Gegenden, welche seit Jahrhunderten das unverrückte Augenmerk der deutschen Kaiser gewesen waren, deutsch zu machen, deutsche Eigenthümlichkeit und Gewohnheit auf ihre Bewohner zu übertragen, ein Werk von großer Bedeutung, welches auch nach der endlichen Eroberung in unglaublich kurzer Zeit durchgeführt ward. Vorzüglich mußten mehrere geistliche Stiftungen zu diesem Zwecke dienen, vor allen die Ritterorden und die Klöster, und unter diesen wieder von den geistlichen Ritterorden besonders der Johanniterorden und die Cistercienserklöster 1 ). Meklenburg verdankt beiden


1) Ueber die Cistercienserklöster hat der Herr Geheime=Ober=Regierungs=Rat von Raumer in von Ledebur's Allgemeinem Archiv für Geschichtskunde des preußischen Staats, Bd. VIII, 1832, S. 305 flgd. eine so vortreffliche Abhandlung geliefert, daß ich oft nichts Besseres thun kann, als seine eigenen Worte mitzutheilen. - Man vgl. über die Cistercienserklöster im Allgemeinen und in Meklenburg im Besondern auch die voraufgehende Abhandlung II von F. Boll, Ueber Meklenburgs Colonisation, oben S. 75 flgd.
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größtentheils die ganze, wenn auch sehr späte Umwandlung in ein deutsches Land.

"Als die Kreuzzüge begannen, war der Benedictinerorden in gewisser Weise verfallen und entsprach nicht mehr dem Zwecke einer Verbreitung des Christenthums über heidnische Völkerschaften; zum Theil war er in Luxus versunken, zum Theil gelehrten Bestrebungen hingegeben, überhaupt aber mehr der Theorie, als dem Leben zugewendet. Daher entstand mit dem Ende des elften Jahrhunderts, den Kreuzzügen gleichzeitig, der Orden der Cistercienser, dessen ältestes Kloster Citeaux bei Dijon in Burgund im J. 1098 gestiftet wurde. Der neue Orden nahm zwar ebenfalls die Regel des heiligen Benedict an, allein er ergab sich weder der Gelehrsamkeit, wie die Benedictiner, noch einer bloßen Aszetik, wie die spätern Bettelmönche, sondern seine Richtung war eine mystisch=practische, und ganz besonders widmete er sich dem Landbau."

"Der Cistercienser=Mönch war eine Zusammensetzung aus Bauer, Oekonom und Geistlichem. Von jeher zeichnete sich der Orden durch Häuslichkeit und Arbeit, durch Beförderung alles Nützlichen und durch eine weise Oekonomie aus. Bücherabschreiben war den Mönchen nur gegen eine besondere Erlaubniß des General=Capitels gestattet, eben so verbieten die ältesten Institutionen von Cisterz, daß die Mönche von fremdem Schweiß oder Verpachtung ihrer Güter leben sollten, sie befehlen ihnen vielmehr, ihren Unterhalt durch eigner Hände Arbeit zu beschaffen. Die Oekonomie der Cistercienser auf ihren Höfen oder Vorwerken (curiae, grangiae) war daher eine Art Musterwirthschaft für den Landbau des Mittelalters, die Mönche trieben Weinbau, legten ländliche Fabriken 1 ) an, zogen Wasserleitungen, beschäftigten sich sogar mit ökonomischen Experimenten, und oft berief der Adel Cistercienser=Mönche, um seine verfallenen Güter wieder in Aufnahme zu bringen. Auch Handwerke, zumal die, welche mit dem Landbau im Zusammenhang stehen, beförderten die Cistercienserklöster. - - Besonders trug die dem Cistercienserorden eigenthümliche Einrichtung der Conversen zur Beförderung eines selbstthätigen Ackerbaues bei. Diese Conversi (Conversbrüder) waren dem


1) V. Raumer a. a. O. S. 310, Not 6, fragt, wo die Glashütte gelegen haben möge, welche das Kloster Doberan schon 1273 angelegt habe. Nach einer doberaner Urkunde vom J. 1273 in Westphalen Mon. ined. III, p. 1514, besaß das Kloster Doberan damals unter seinen Gütern auch die Güter Glashagen und Glashutten. Beide liegen eine halbe Meile südlich von Doberan: Glashagen noch unter diesem Namen, Glashütten unter dem Namen Hütten, im 16. Jahrh. schon: Hof. zur Hütten. G. C. F. Lisch.
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Orden affiliirte Laien, jedoch von den Laienbrüdern anderer Mönchsorden unterschieden, eine Art Halbmönche mit besonderer Tracht, zum Gehorsam und zur Ehelosigkeit ohne geistliche Gelübde verpflichtet. Sie säeten und pflügten selbst, ja es finden sich Beispiele, daß sie Müller auf den dem Kloster gehörigen Mühlen 1 ) waren. Mehrere solcher Cünversbrüder lebten auf einer grangia (Hof) unter einem magister curiae (Hofmeister), auch rector genannt, welcher meist ein Mönch war, auch selbst ein conversus sein konnte. - - Daß die Cistercienser=Mönche von jeher von selbstgebautem Gute zehntfrei waren, beförderte ihren Trieb zur Landwirthschaft nicht wenig. - - Die Cistercienser bildeten zuerst unter allen Mönchsorden eine förmliche Congregation aller ihrer Klöster; regelmäßig visitirte das Mutterkloster die Tochter 2 ), und das General=Capitel - - - erhielt stete Aufsicht über das Ganze. - - - Bald erkannten die Großen, wie geeignet der Cistercienserorden zur Bekehrung und Aufnahme eines neu eroberten heidnischen Landes sei, und im zwölften Jahrhundert wurde es ordentlich Mode, Klöster dieses Ordens zu stiften, ganz besonders in den wendischen Ländern Meklenburg, der Mark Brandenburg und Pommern".

"Die Errichtung der Landklöster mit einem beträchtlichen Grundbesitz gehört fast ohne Ausnahme der ältesten Zeit nach der ersten Eroberung des Landes an, späterhin sind meist nur Bettelklöster in den Städten gestiftet, welche dem Landesherrn nichts, nicht einmal das Obdach, kosteten. Wahr ist es, daß den ältesten Klöstern bei Einführung des Christenthums beträchtliche Landstrecken überwiesen wurden, allein sie werden in den Urkunden mehrentheils als wüste, ungebaute Striche (deserta) voller Sümpfe und Wälder geschildert; der Werth des Geschenks war also so groß nicht, im Gegentheil machten die Mönche das Ganze dem Landesherrn erst nutzbar 3 ). - - - Nach wenigen Menschenaltern stand die einem Cisterzienser=Kloster geschenkte Wüstenei als ein blühender Landstrich voller deutscher Dörfer da; ohne diese Klöster würde die Mark Brandenburg dem heutigen Ungarn gleich geblieben sein, wo deutsches


1) In Meklenburg besaßen die einheimischen und auswärtigen Cistercienser=Klöster bei weitem die meisten Mühlen in den Landstädten, außer den Dorfmühlen auf ihren eigenen Landgütern. G. C. F. Lisch.
2) Vgl. Jahrb. VII, S. 284 flgd.
3) In Meklenburg besteht ein großer Theil der großen, fruchtbaren und blühenden Domainen aus den säcularisirten und wieder heimgefallenen Gütern des Cistercienser Ordens, auf welchen ein sehr tüchtiger Bauernstand aus alter Zeit erhalten ist. G. C. F. Lisch.
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Wesen nur in den Städten herrschend geworden, das Landvolk asiatisch geblieben ist. In spätern Zeiten ist den Klöstern wenig geschenkt worden. Wollte man freilich die vielen Urkunden, in denen von Schenkungen die Rede ist, für eitel Liberalität halten, so würde des Geschenkten eine große Masse herauskommen, allein es zeigt sich bei genauerer Lesung bald, daß es lauter Appropriationen sind, d. h. das Kloster hatte einem fürstlichen Vasallen ein Stück Land abgekauft und der Landesherr erließ die darauf haftenden Lehndieste. - - Wo ja reine Schenkungen vorkommen, ist es ein Ersatz für Schäden. - - Umgekehrt ergiebt sich bald, wie schon in der frühesten Zeit - - die Landesherren in ihren Nöthen stets auf die Stifter recurrirten, so daß man nicht zu viel sagt, wenn man behauptet, daß sie fast fortwährend gebrandschatzt wurden. Es wäre unbegreiflich, wie die Klöster den beständigen Anforderungen und der öfters gradezu angewandten Gewalt genug thun, wie sich die meisten sogar in einem blühenden Zustande erhalten konnten, wenn nicht zwei Umstände das Räthsel löseten, nämlich einmal die Selbstbewirthschaftung der Klostergüter von Oekonomen, - - sodann die Naturalienwirthschaft."

Es ist nun höchst merkwürdig, die Filiation, gleichsam den Stammbaum zu verfolgen, in welchem sich die Cisterzienserklöster von Cisterz aus über ganz Deutschland verbreiteten, und hat dies eine gewisse Aehnlichkeit mit der Gründung der Städte, welche, von Cölln als einer gemeinsamen Wurzel ausgehend, in zwei Stämmen, Magdeburg und Lübeck, sich allmählig in unendlich viele Aeste verzweigten. Eines der vier ältesten Töchterklöster von Cisterz ist das 1115 gestiftete Kloster Morimund in Lothringen". Im Jahre 1122 wurden Cistercienser aus Morimund in das neugestiftete Kloster Alten=Kamp am Rhein berufen. Schon im Jahre 1130 errichteten Mönche von Alten=Kamp das Kloster Amelungsborn an der Weser bei Holzminden. Amelungsborn stiftete im Jahre 1170 das Kloster Doberan, von welchem wieder viele Klöster gestiftet wurden, in Meklenburg nur das bedeutende Mönchskloster Dargun im Jahre 1172; zwar machten auf die Mutterschaft dieses Klosters auch die Mönche des seeländischen Klosters Esrom Anspruch, im Jahre 1258 versicherte aber das General=Capitel des Ordens dem Kloster Doberan die volle Paternität über das Kloster Dargun (vgl. Meklenburg. Urk. I, Nr. LII).

Nicht allein das Schwert, vorzüglich der muthige Glaubenseifer und die standhafte Rastlosigkeit des Bischofs Berno zu Meklenburg (seit 1167 zu Schwerin), desApostels der Obotriten, verschaffte dem Christenthume dauernden Eingang in Me=

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klenburg. Es war ein großes Glück für Meklenburg, daß Berno ein Cistercienser=Mönch, aus dem Kloster Amelungsborn, war, da für die Eigenthümlichkeit des Landes keine Art von Cultur besser paßte, als die, welche die Cistercienser ihm geben konnten: noch heute stehen unzählige Einrichtungen auf dem Grunde, den Berno gelegt hat. Im Jahre 1164 bewirkte er die Taufe des letzten Wendenfürsten Pribislav; Pribislav stürzte auf dem fürstlichen Hofe Doberan 1 ), später Alt=Doberan, der alte Hof Doberan, jetzt Althof genannt, die Götzen und gründete in demselben Jahre 1164 an derselben Stelle ein christ!iches Gotteshaus. Neben diesem stiftete er im Jahre 1170 das Cistercienser=Kloster Doberan und besetzte es durch Vermittelung Berno's mit Mönchen des Klosters Amelungsborn. Doberan ward also das älteste Kloster Meklenburgs und als solches und durch seine innere Kraft die glanzvollste geistliche Stiftung im Lande; noch heute zeugt die wunderherrliche Kirche, welche bis in unser Jahrhundert hinein die vorzüglichste Ruhestätte der Landesfürsten aller Linien ward, mit ihren vielen und seltenen historischen Denkmälern für die Größe der Stiftung. Nach dem Tode Pribislav's, am 30. December 1178, erhoben sich die Wenden noch einmal in schnaubendem Grimme gegen das Christenthum, verwüsteten am 10. November 1179 den jungen Weinberg des Herrn und erschlugen hier zu Alt =Doberan 78 Bewohner des Klosters. Im Jahre 1186 stellte Pribislav's Sohn Borwin das Kloster Doberan wieder her, verlegte es in das Dorf Doberan, dahin, wo noch heute die Kirche steht, und bevölkerte es wieder mit Mönchen des Klosters Amelungsborn; um das Jahr 1190, kurz vor dem Tode Berno's, ward der sichere Grund zu der erneueten Stiftung gelegt und seitdem mit seltener Kraft an der Blüthe des Klosters gearbeitet.

Meklenburg verdankte also dem Kloster Amelungsborn, welches ohne Rast um das blühende Tochterkloster Doberan bemüht war, den besten Theil seiner Bildung. Dessen war sich das Kloster Amelungsborn auch stets ewusst und daher stand es auch immer in der engsten Verbindung, nicht allein mit dem Kloster Doberan, sondern auch mit den meklenburgischen Fürsten. Als die Herzoge von Meklenburg bei dem innern Verfall der Klöster auch das Kloster Doberan visitiren und reformiren wollten, schrieben der Abt und Convent von Amelungsborn am 21. Junius 1502 einen sehr merkwürdigen Brief 2 ) an die Fürsten: "ihr erbliches Stift Doberan dürfe nur von ihnen visitirt


1) Vgl. Jahrb. II, S. 13 flgd.
2) Gedruckt in Jahrb. VI, S. 177 flgd.
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werden; ihre Väter hätten es zu Althof gegründet, die meklenburgischen Fürsten hätten es ihnen übergeben und sie hätten es mit großem Blutvergießen und bittern Martern gewonnen; sie hätten den Christenglauben im Wendenlande gemehrt, das geistliche Leben zu Doberan gefördert mit großer Anstrengung im Bau und im geistlichen Leben; deshalb hätten sie auch das Wappen der Fürsten von Meklenburg an dem Gewölbe über dem Hochaltare ihrer Kirche befestigt, zum Zeichen, daß sie ewig mit den meklenburgischen Fürsten sollten verbrüdert sein." Bei einer so innigen Verbindung feierten denn auch die Brüder von Amelungsborn die Gedächtnißtage der ältesten meklenburgischen Fürsten, deren Sterbetage sie in ihrem Todtenbuche 1 ) verzeichnet hatten.

Daher hatte das Kloster Amelungsborn auch die gerechtesten Ansprüche auf die Dankbarkeit der Fürsten, um so mehr, da das Kloster den größten Eifer in der Beaufsichtigung des Tochterklosters bewies, indem es nicht nur die jährlichen Visitationen mit gewissenhafter Sorgsamkeit ausführte, sondern auch in jeder Noth und bei jeder Irrung demselben mit Rath und That beistand; noch am 21. Junius 1502 schreibt der Abt von Amelungsborn: "er sei in 5 Jahren 4 Male mit großer Aufopferung in Doberan gewesen, um alle Dinge mit eigenen Augen zu erkennen, und er hoffe, daß er nichts versäumt habe, wie auch seine Vorfahren zu Doberan alles mit Gewissenhaftigkeit und in der Furcht Gottes ausgeführt hätten."

Diese Dankbarkeit bewiesen denn auch die Fürsten Meklenburgs in vollem Maaße. Sie schenkten dem Kloster Amelungsborn die Dörfer Satow und Dranse, welche das Kloster bald zu Haupthöfen umschuf und mit andern bedeutenden Besitzungen durch seinen Landbau vermehrte.


1) Die auf Meklenburg bezüglichen Gedächtnißtage in dem amelungsborner Rekrologium sind von dem Herrn Archivrath Schmidt zu Wolfenbüttel mitgetheilt in Jahrb. III, S. 36.
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1.
Der Hof Satow.

Der Fürst Borwin I. (1179 † 1227) schenkte, unter Zustimmung seiner Söhne, dem Kloster Amelungsborn das Gut (praedium, bona) Satow, Die Urkunde über diese Schenkung ist verloren gegangen und auch in den hinterbliebenen Diplomatarien des Klosters nicht enthalten; die Zeit der Schenkung kann also nicht bestimmt angegeben, jebdoch ziemlich genau begrenzt werden. Die Schenkung geschah unter Zustimmung der Söhne Borwins, welche erst seit dem Jahre 1218 die Regierung mit ihrem Vater theilten; der Bischof Brunward von Schwerin bestimmte im Jahre 1224 die Größe der Pfarre Satow: zwischen beide Zeitpuncte fällt also die Schenkung von Satow, wahrscheinlich ungefähr in das Jahr 1219, nachdem der Fürst im J. 1218 die Besitzungen des Klosters Doberan bestätigt und im J. 1219 das erste und vorzüglichste Cistercienser=Nonnenkloster Sonnenkamp oder Neukloster neu errichtet hatte. Im J. 1301 hatte das Kloster Amelungsborn Satow über 70 Jahre besessen. Die Schenkung durch den Fürsten Borwin I geht nicht nur aus mehreren späteren Urkunden 1 ), sondern auch aus der Aufzeichnung in dem aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammenden Todtenbuche des Klosters Amelungsborn hervor:

IV non. Febr obiit Borwinus princeps Slauorum, qui contulit ecclesie nostre grangiam et indaginem Satowe, cum decima, a venerabili episcopo Zvirinensi Brunwardo pro villa Wukernte mutata, que simul cum omnibus appenditiis, de maturo hincinde fratrum consilio, permutatione cum filia nostra Doberanense inita, in duarum sartaginum saline in Lunenborch reditus sunt redactae.
Non. Junii obiit Henricus, Burwini principis Slauorum filius, cuius consensu Satowia est collata.
IV kal. Oct. obiit Nycolaus, filius Burwini principis Slauorum,


1) Vergl. Urk. Sammel. Nr. I, II u. V.
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(und irrthümlich ist durch Verwechselung dieses Nikolaus mit seines Bruders Sohn Nicolaus, wahrscheinlich später, hinzugefügt:)
qui monasterio nostro grangiam Drans cum stagno adiacente donauit, porro decimam LX mansorum Brunwardus episcopus Zvirinensis, reliquas vero omnes decimationes ad dictam grangiam pertinentes Wilhelmus episcopus Haueibergensis largiter contulerunt.

Satow war zur Zeit der Schenkung ein Ort des Grauens und wüster Wildniß ("locus horroris et vastae solitudinis" 1224) und wahrscheinlich Domaine, daher Landgut (praedium) genannt, oder herrenloses Gut, vielleicht ein ehemaliges heidnisches Heiligthum, um so mehr, da ein alter Ort in der Nähe, welcher bei der Gründung der Colonie zur Pfarre Satow gelegt ward, den Namen Radegast führte; es liegt beinahe zwei Stunden südlich von Doberan und eine Stunde südöstlich von Parkow (bei Neubukow), wo früher das auf der Domaine Kussin im J. 1219 wieder aufgerichtete erste Nonnenkloster Sonnenkamp (Uebersetzung des wendischen Wortes Parkow), später Neukloster, gestanden hatte. Nach der politischen Eintheilung lag Satow im Lande Schwan 1 ). Die Gegend von Satow mag zur Zeit der Schenkung wild gewesen sein, wahrscheinlich ganz mit Urwäldern von Laubholz bedeckt; jetzt ist die Gegend unendlich reizend und fruchtbar. Kirche und Pfarre liegen auf einer bedeutenden Anhöhe, von welcher man eine wahrhaft entzückende, meilenweite Aussicht hat; die nächsten Umgebungen bieten einen herrlichen und mannigfaltigen Wechsel von Berg und Thal, Laubwaldung und Wasser, Feld und Wiese.

Der Fürst Borwin schenkte dem Kloster Amelungsborn aber nicht allein den Besitz von Satow, sondern verlieh ihm auch die Befreiung von beschwerlichen Lasten, namentlich von den geistlichen Zehnten, welche der Fürst von dem Bischofe von Schwerin zu Lehn trug; der Bischof Brunward ließ sich von dem Fürsten dadurch abfinden, daß er von diesem die an Satow grenzende fürstliche Domaine Wokrent zum Tausch nahm und dem Fürsten sogleich wieder zu Lehn gab. Vielleicht daher, weil Wokrent unter der bischöflichen Oberlehnsherrlichkeit stand, mag es gekommen sein, daß die von Vieregge auf Wokrent, welche übrigens außerdem Lehnsbesitz im Bisthume Schwerin hatten, späterhin Marschälle des Bisthums waren 2 ). Der


1) Vgl. Urk. Nr. Samml. Nr. VIII u. XII.
2) Eine Familie von Wokrent, deren Stammvater Hermann von Wokrent gleich mit dem Gute belehnt ward, scheint schon am Ende des 13. Jahrh. ausgestorben zu sein. - Bekannt ist die rostocker Patricierfamilie von Wokrent.
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Bischof Brunward von Schwerin bestätigte 1 ) diese Zehntenschenkung noch bei Lebzeiten Borwins, wahrscheinlich gleich nach der Schenkung des Gutes Satow im J. 1219, weil die Brüder von Amelungsborn die Gründer des Glaubens und die Vertilger der Götzen im Wendenlande ("auctores fidei et exstirpatores ydolorum in Zlauia") seien.

Sogleich legten die Brüder die Hand an die Christianisirung und Germanisirung des Ortes und an die Colonisirung der Gegend. Schon im J. 1224 stand die Kirche 2 ). Von allen Klosterbauten zu Satow ist nichts weiter übrig geblieben, als die Kirche, welche Zeugniß giebt, daß ihre Gründung gleich nach der Schenkung begonnen sein muß, weil der Chor noch ein hübsches, im Rundbogen gewölbtes Fensterpaar hat, das Schiff aber im Uebergangsstyle vom Rundbogen zum Spitzbogen aufgeführt und in den Gewölben durch einen Kreis geschlossen ist; die Zeit des Ueberganges läßt sich in Meklenburg aber ziemlich genau durch das Jahr 1220 bestimmen, wenn wir die ältesten Giebel der Kirchen zu Neukloster (1219) und zu Güstrow (1226) zu Rathe ziehen. Das Schiff der Kirche zu Satow hat eine Pforte (um 1224), welche der südlichen Pforte des Domes zu Güstrow (um 1228) ganz gleich und dabei eigenthümlich ist, nämlich mit rechtwinklig in die Wulste gesetzten, zugespitzten Scheiben verziert; diese Verzierung ist außerdem in Meklenburg nicht beobachtet, findet sich jedoch noch an einer Rundbogenpforte des alten Domes zu Lund 3 ).

Im J. 1224 bestätigte der Bischof Brunward von Schwerin dem Kloster Amelungsborn die Größe des Kirchsprengels 4 ) von Satow, welche von Borwin und seinen Söhnen bei der Stiftung bestimmt war, und damit zugleich das Patronatrecht, welches der Besitzer des Hofes Satow immer besaß und das im J. 1301 ausdrücklich auf das Kloster Doberan überging; es sollten nämlich der Kirche eingepfarrt sein: außer Satow, zwei Dörfer: Radegast und Rederank, und vier Hagen: Gerhards=Hagen (Gerdeshagen), Wendisch=Hagen, Marquards=Hagen (Markshagen) und Iken=Hagen (Miekenhagen) 5 ). Die beiden Dörfer Radegast und Rederank waren


1) Vgl. Urk. Samml Nr. I. - Die Entdeckung und Mittheilung der wichtigen, alten amelungsborner Urkunden verdanken wir der Güte und wissenschaftlichen Theilnahme des Herrn Archivrats Dr. Schmidt zu Wolfenbüttel.
2) Die Beschreibung der Kirche zu Satow ist Jahrb. X, S. 309 gegeben.
3) Vgl. Jahrb. XI, S. 421.
4) Vgl. Urk. Samml Nr. II.
5) Die schon im 16. Jahrh. vorkommende Form Mikenhagen ist ohne Zweifel aus einer Abkürzung aus der Form to deM oder tôM Ikenhagen entstanden, wie eine alte Form Marpeshagen aus to deM Arpeshagen, Drewskirchen aus to der Oediskirchen, Tôr Oeskirchen.
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ohne Zweifel alte, wendische Dörfer; die 4 Hagen aber waren sicher schon neue Colonien zur Ausrodung des Waldes (Hagen), und wahrscheinlich mit Sachsen besetzt, mit Ausnahme von Wendisch=Hagen, dessen Name dafür spricht, daß die Mönche von Amelungsborn neben den Einwanderern auch die Wenden zur Cultivirung anhielten.

Im Wesentlichen besteht der Pfarrsprengel von Satow noch jetzt aus den bei der Stiftung ihm zugewiesenen Dörfern und Gütern: Satow, Radegast, Rederank, Gerdshagen, Miekenhagen, Steinhagen und Horst. Bei der Kirchen=Visitation 1599 enthielt die Pfarre: Hof und Dorf Satow, Hof und Dorf Radegast, Dorf Rederank, Dorf Gerdeshagen, Hof und Dorf Marxhagen, Hof und Dorf Miekenhagen und Horst. Es sind also in neuern Zeiten abgegangen Marxhagen und Wendisch=Hagen, hinzugekommen Steinhagen und Horst. Marquardshagen oder Markshagen, im 15. Jahrh. im Besitze der Preen 1 ), deren altes Lehn Rederank war, war altes Lehn der Raben mit einer liegenden halben Lilie im Schilde und einem Raben mit ausgebreiteten Flügeln auf dem Helme. Noch im J. 1730 bestand der Meierhof Markshagen, jedoch nur als Pertinenz von Rederank. Wendischhagen ist wahrscheinlich früh in der Feldmark Satow, da auch Satow späterhin einen Hagen hatte, untergegangen, nachdem hier die Wenden zeitig germanisirt waren; das Dorf erscheint nur in der Stiftungsurkunde und wird später nie wieder genannt; auf der großen schmettauschen Charte steht bei Miekenhagen, nach Rosenhagen hin, ein Wendenholz gezeichnet. Horst war 1599 nur ein "Haus in der Horst also genannt"; vielleicht ist es die Hohehorst, welche 1244 zwischen Satow und Püschow lag. Steinhagen erscheint nur als neuere Pertinenz von Radegast.

Nachdem die Hauptgeschäfte geordnet und die nothwendigsten Bauten vollendet waren, ging es an die Urbarmachung der Wälder und Felder und die völlige Einrichtung der ganzen Wirthschaft. Der Priester und Mönch Stephan zu Satow (Stephanus monachus et sacerdos in Satowe) war es, der die ganze Colonisirung leitete; noch in den Jahren 1235 und 1236 war er bei dem Bischofe Brunward auf dessen Residenzen Warin und Bützow 2 ) und nahm hier nächst dem Abte von Doberan die erste Stelle ein, stand sogar vor dem Domdechanten von Güstrow. Er sammelte zu Satow Conversen des Ordens, um ihn in der Ausführung des Werkes zu unterstützen; im J. 1244 werden "des Klosters Amelungsborn Conversen


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XVIII.
2) Vgl. Meklenb. Urk. II, S. 16 u. 19.
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zu Satow" (conversi in Satovia) 1 ) ausdrücklich als Repräsentanten der Besitzung genannt.

Bald erscheinen denn auch die Besitzungen geordnet: sie umfaßten, außer der Pfarre, den Hof Satow, wo der Hofmeister (curiae magister, grangiarum magister, provisor) mit den Conversen wohnte, das Dorf Satow und die Mühlen ("cum molendinis" 1301, vergl. 1350); außerdem wird noch ein Hagen Satow genannt (am 27. März 1330 und 18. Oct. 1422), es muß aber unentschieden bleiben, ob hiemit das Dorf Satow oder das schon früh untergegangene Dorf Wendischhagen gemeint ist. Sowohl die Wirthschaft zu Satow, als überhaupt der Verkehr der amelungsborner Mönche war so bedeutend, daß sie, wie die Mönche von Doberan, schon im J. 1288 einen Hof 2 ) in der Stadt Rostock besaßen; in dem ältesten rostocker Stadtbuche ist zum J. 1288 folgendes Protocoll aufgezeichnet:

Ludolfus Dame vendidit Hermanno Bůc VI marcarum redditus in hereditate sua angulari tota descendente ad curiam monachorum de Satowe.

Im J. 1233 schenkte der Fürst Nicolaus von Werle, Borwins I. zweiter Enkel, dem Kloster Amelungsborn 60 wahrscheinlich noch nicht bebauete Hufen am See Dranse bei Witstock, auf denen das Kloster einen zweiten Haupthof Dranse aufführte, welcher mit seinen Gütern im zweiten Abschnitte besprochen werden soll. In demselben Jahre schenkte der schweriner Bischof Brunward dem Kloster die Zehnten 3 ) von diesen Hufen und zwar durch Beförderung des "Herrn Stephan" ("domino Stephano hoc negotium promovente"), unter welchem wohl kein anderer zu verstehen ist, als der rührige Priester und Mönch Stephan von Satow.

Ungefähr um dieselbe Zeit wird es gewesen sein, als derselbe Fürst Nicolaus I. von Werle dem Kloster Amelungsborn zwei Hufen in Wildeshufen bestätigte, welche sein Vater demselben geschenkt hatte; er bezeugt in der sehr merkwürdigen und wichtigen Urkunde: sein verstorbener Vater Heinrich (Borwin II.) von Werle habe, unter seiner geziemenden Zustimmung, für das Seelenheil seiner selbst und seiner Mutter Christine, seines verstorbenen Großvaters Borwin (I.) und seines Oheims Nikolaus, zum Gottesdienst zwei Hufen in


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. V u. VI.
2) Die Cistercienser=Mönche hatten in der Regel Höfe in allen Städten, in deren Nähe sie Landgüter oder in welchen sie Mühlen besaßen.
3) Vgl. Riedel Cod. Dipl. Brand. I. S. 447.
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Wildeshusen dargebracht und dieselben der freien Bestimmung der Einsiedlerin (sororis reclusae) Christine zu Satow überlassen, um wöchentlich eine Messe für die Lebenden und eine für die Gestorbenen dort lesen zu lassen, wo es ihr angemessen erscheinen werde 1 ). Daraus, daß das Kloster Amelungsborn diese Urkunde besaß, läßt sich schließen, daß dieser Besitz mit der Verpflichtung zu den Seelenmessen früher oder später dem Klosterhofe Satow übertragen ward. Die Urkunde ist in dem Diplomatarium leider ohne Datum; es lassen sich aber alle Zeitpuncte aus den Umständen ziemlich genau bestimmen. Die Schenkung der zwei Hufen wird wahrscheinlich im Anfange des J. 1226 geschehen sein, da Heinrich Borwin II. am 4. Junii 1226 starb und seine noch sehr jungen Söhne, welche noch einige Zeit lang alle unter Vormundschaft standen, unter dem Beirath der Landesräthe schon im Anfange des J. 1226 ihre Zustimmung zu Regierungshandlungen ihres Vaters und Großvaters gaben 2 ); da aber Nikolaus I. von Werle ausdrücklich der Zustimmung zu der Schenkung seines Vaters erwähnt, so kann diese schwerlich in eine andere Zeit fallen, als in die erste Hälfte des J. 1226. Die Ausstellung der Urkunde über die Schenkung in Wildeshusen wird aber in die ersten Zeiten nach dem Tode der Borwine (1226 und 1227) und der Landestheilung (1229) und in die ersten Zeiten der Volljährigkeit des Fürsten Nikolaus fallen; möglichst früh muß die Urkunde gestellt werden, da Nikolaus sich noch Fürst von Wenden (princeps Slaviae) nennt und das Andenken an die Todesfälle in der fürstlichen Familie nach der ganzen Fassung der Urkunde noch im frischen Andenken gewesen zu sein scheint, jedoch auch nicht zu früh, da Nikolaus schon allein handelnd auftritt und bereits volljährig gewesen sein muß 3 ). Die Urkunde wird also im Jahre 1232 ausgestellt worden sein.

Diese Urkunde ist auch dadurch merkwürdig, daß sie die bisher unbekannte Gemahlin des Fürsten Borwin II., Christine, nennt; freilich wissen wir bis jetzt nicht, aus welchem Fürstenhause sie stammte, aber es ist einstweilen doch etwas gewonnen. Vielleicht war sie sogar die Schwester Christine, welche nach derselben Urkunde als Einsiedlerin (reclusa) zu Satow lebte, ein Beweis für das große Vertrauen zu den amelungsborner Mönchen, daß bei ihnen eine Einsiedlerin in der Wildniß, die erst eben gelichtet ward, Zuflucht suchte. Auch des Fürsten Johann von Gadebusch Tochter wird 1353 als Wittwe eine Religiose (religiosa, Rudloff, M. G. II, S. 103) genannt.


1) Vgl. Urk. Nr. III.
2) Vgl. Jahrb. X, S. 8 - 10; vgl. S. 16.
3) Vgl. Jahrb. X, S. 8 - 16.
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Es fragt sich, wo Wildeshusen gelegen habe, da in Meklenburg kein solcher Ort mehr existirt, auch nicht in früheren Zeiten in den Archiven je vorkommt. So viel scheint man annehmen zu können, daß es in der Nähe von Satow 1 ) gelegen habe. Wilsen bei Doberan wird nicht gemeint sein, da dieses schon sehr frühe in der Form Wilsene vorkommt und dieser Name wendisch zu sein scheint. Wahrscheinlich lag Wildeshusen, welches seinen Namen wohl von einer Ansiedelung in der Wildniß trug, an der Grenze der Feldmark Satow. Vielleicht waren die geschenkten 2 Hufen in Wildeshusen diejenigen, welche am 1. Nov. 1304 das Kloster Doberan von dem "Geistlichen (Hofmeister) des Heiligen=Geistes=Hagens" zu den Feldern des Hofes Satow erworben hatte 2 ). Heiligengeisteshagen, welches östlich an Satow grenzte, heißt jetzt Heiligenhagen 3 ) und trug seinen Namen von dem Heiligen=Geist=(Hospitale) zu Riga, dem das Gut gehörte, jedoch wohl noch nicht im Jahre 1244, da damals noch Bölkow und Lukow östlich an Satow grenzten. Der Heilige=Geist zu Riga veräußerte Heiligengeisteshagen im 15. Jahrhunderte. Heiligengeisteshagen wird also in alten Zeiten, ehe es in den Besitz des Heiligen=Geistes zu Riga kam, einen andern Namen geführt haben. Wahrscheinlich hieß Heiligengeisteshagen früher Wildeshusen, um so mehr, da am 4. April 1350 zwischen Satow, Heiligengeisteshagen und Püschow ein Feld lag, genannt das Streitfeld 4 ), welches die in Frage stehenden 2 Hufen gewesen sein können, da sie vielleicht streitig waren, weil man nicht wußte, ob man sie, der Abgaben wegen, zu Heiligenhagen oder zu Satow ziehen sollte.

So fleißig und umsichtig aber auch die amelungsborner und doberaner Mönche wirthschafteten und ordneten, so hatten sie doch fortwährend, trotz aller Privilegien, mit allerlei Anfechtungen zu kämpfen: die Forderungen der Fürsten und der Nachbaren nahmen kein Ende; die allerfreiesten geistlichen Güter wurden dennoch ohne Ende und Maaß in Anspruch genommen.

Nachdem die Landestheilung völlig durchgeführt war, bestätigte der Fürst Nikolaus von Werle im J. 1244 dem Kloster Amelungsborn den freien Besitz der Güter Satow 5 ), da


1) Riedel, welcher diese Urkunde ebenfalls von dem Herrn Archivrath Schmidt mitgetheilt erhielt, läßt sie in Cod. Dipl. Brand. I, S. 449, ohne Erörterung unter den Urkunden des Klosterhofes Dranse abdrucken. Hiezu fehlt es aber an aller Veranlassung.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. IX; vgl. Nr. XI.
3) Vgl. Jahrb. IX, S. 401.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. XIII.
5) Vgl. Urk. Samml. Nr. V und VI.
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diese im Lande Schwan lagen, welches damals noch zur Herrschaft Werle gehörte; der Fürst bestätigte dem Kloster den Besitz der Güter "mit allen Zugehörungen und Nutznießungen, mit allen Freiheiten und Gerechtigkeiten, frei von aller Belästigung der Beamten und Richter, von Burgen= und Brückenbau, von Steuern, Zöllen und Kriegsdiensten, so daß die Bewohner der Güter keinem andern verpflichtet sein sollten, als Gott und dem Kloster Amelungsborn, weil sich die Brüder des Klosters als die ersten Vernichter der Götzen im Wendenlande gezeigt hätten." Zu gleicher Zeit bestimmte der Fürst die Grenzen von Satow, zu deren Regulirung er seinen Truchseß Heinrich Gamm abgeordnet gehabt hatte. Die Grenzen waren namentlich zwischen dem Kloster und Jordan von Savene, Hermann von Wokrent und Judith von Neuenkirchen auf Radegast streitig gewesen. Wir kennen freilich diese Personen und deren Familien und Besitzungen nicht mehr, da die Namen und Besitzungen der Vasallen in den ältesten Zeiten äußerst dunkel sind; ohne Zweifel aber waren die genannten Personen, unter diesen auch eine Frau, benachbarte Gutsbesitzer. Vermuthlich für denselben Ritter Jordan ward im Kloster Amelungsborn alljährlich am 20. Sept. eine Gedächtnißfeier zur Dankbarkeit für seine Wohlthaten gehalten, indem es in dem amelungsborner Memorienbuche 1 ) heißt:

XII. Kal. Octob. Eodem die pro Jordano milite et uxore sua de Slavia, qui cenobio nostro multa beneficia inpenderunt, in piscibus tantum servitur.

Aus den über diese Grenzbestimmung ausgestellten merkwürdigen Urkunden 2 ) geht hervor, daß damals die Grenzen der zu Satow gehörenden ungeheuren Wälder sich viel weiter erstreckten, als jetzt, so weite Strecken die Mönche damals auch schon urbar gemacht hatten. Damals wurden die Grenzen gegen Süden mit Wokrent und Radegast bestimmt. Nach den andern Seiten hin war den Conversen die Urbarmachung ohne bestimmte nahe Grenze erlaubt, gegen Osten hin bis zu den Grenzen der Dörfer Bölkow und Lukow, gegen Norden hin bis gegen Püschow; diesen Raum hatten sie schon zum großen Theile ausgerodet; gegen Westen hin theilten sie ihre Gerechtigkeiten mit den Bewohnern des Dorfes Karin in den Wäldern auf einem bedeutenden Raume, auf welchem jetzt mehrere Landgüter liegen. Es erhellt aus diesen Bestimmungen, daß noch damals sehr weite


1) Vgl. Jahrb. III, S. 36.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. V und VI.
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Gegenden unangebauet waren und man diese den nächsten Klöstern in so weit überließ, als sie dieselben mit eigenen Kräften cultiviren konnten, und so lange sich nicht andere Leute fanden, welche die Cultivirung übernahmen.

Bei der Abschließung des Vertrages wohnten zu Satow wenigstens: der dirigirende Priester und Mönch Stephan, der Gründer der Colonie, der Gastmeister Heinrich, der Hofmeister Hermann und zwei Conversen: Hermann Wise (Sapiens), wahrscheinlich aus dem rostocker Patrizier=Geschlechte, und Engelbert.

Eine feste Gestalt erhielten die Felder von Satow erst gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts war es ein Hauptgeschäft der landesherrlichen Verwaltung, die Felder zu vermessen, theils um jetzt den Besitzern bestimmte Größen und Grenzen versichern zu können, theils und vorzüglich um das Hufenmaaß für die Erhebung der Abgaben (Beden) zu erforschen, und die Radelandshufen (Ueberschlag) herauszubringen, welche im Laufe der Zeit den tragfähigen Boden der Güter vermehrt hatten. In dieser Zeit kommt es nun sehr häufig vor, daß die Klostergüter von der Vermessung befreiet und ihnen ihre Besitzungen maaßlos versichert wurden, vorzüglich weil sie abgabenfrei waren. So versprach der Fürst Heinrich von Werle am 6. März 1287 dem Kloster Amelungsborn, daß, obgleich durch die fürstlichen Beamten die Felder von Satow vermessen seien, es dennoch dieselben ohne Bestimmung der Hufenzahl besitzen und in der Folge nie eine Vermessung der Felder erleiden solle 1 ), - ein Versprechen, welches eben so wenig gehalten ward, als das Versprechen der Abgabenfreiheit.

Nun hätte man glauben sollen, daß dem verdienten Kloster der Besitz von Satow ungeschmälert zu Nutzen gekommen wäre. Aber weit gefehlt: die Plackereien fingen jetzt erst an. Es war durch die Confirmations=Urkunden bestimmt, daß die Brüder zu Satow die Besitzungen völlig frei haben und keinem andern, als "Gott und ihrem Kloster" verpflichtet sein sollten: aber es war nicht ausdrücklich bestimmt, daß die Felder von Satow frei von Beden (Contributionen) seien, und es scheint fast, daß keine Freiheit gewährt ward, wenn sie nicht wörtlich und ausdrücklich ausgesprochen war. Daher mußte das Kloster von den Gütern Satow Bede zahlen, welche um so sicherer entrichtet werden mußte, als sie einem Privatmanne zur Erhebung überwiesen war 2 ). Ward nun in der Folge auch dem besitzenden Kloster wiederholt


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. VII.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. IX u. X.
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der völlig freie Besitz versichert, so mußte doch im J. 1422 schon wieder "Ueberbede" entrichtet werden 1 ): kaum war eine neue Last abgewälzt, so mußten sich die geistlichen Güter schon wieder zur Uebernahme anderer Lasten verstehen.

Drückender als die Geldabgaben, waren aber die Ablager: das Recht der Fürsten, in den Klosterhöfen Herberge zu nehmen; dies hatte freilich seinen guten Grund darin, daß die Fürsten bei den schlechten Wegen und den mangelhaften Herbergen in den kaum gegründeten Städten Bequemlichkeit und gebildeten Umgang nur auf den Klosterhöfen finden konnten, so lange sie noch nicht in jeder Stadt eigene Schlösser hatten, welche häufig doch nicht ausreichten; aber die Last der Aufnahme war für die Klöster immer sehr bedeutend, namentlich wenn man bedenkt, mit welchem ungeheuren Reitergefolge die Fürsten damals zu reifen pflegten. So ward denn auch Satow als ein Klosterhof betrachtet, auf welchem gutes Ablager zu finden war. Und wirklich finden wir aufgezeichnet, daß die Landesfürsten zu Satow Hof hielten; so war z. B. am 8. Septbr. 1320 der Fürst Heinrich der Löwe auf dem Hofe zu Satow 2 ) und im Mai 1330 ward der edle Jüngling Johann von Plate, Schildknappe des Fürsten Albrecht, auf dem Hofe zu Satow durch einen Conversen vergiftet 3 ).

Endlich waren die häufigen Kriege und Fehden für die Klosterhöfe im höchsten Grade drückend, da sich häufig die Kriegsvölker verwüstend und zehrend auf ihren Besitzungen umhertrieben, weil die Fürsten oft auf den Klosterhöfen Schlachtplane machten und Frieden und Bündnisse schlossen; und dies mochte oft Satow treffen, da es unweit der Grenze vieler Landestheile lag, der Herrschaften Meklenburg, Werle, Rostock und des Bisthums Schwerin. Besonders drohend für Satow ward der Fall des Fürstenhauses Rostock und der Eingriff des Königs von Dänemark in die politischen Angelegenheiten der Wendenländer. Der letzte Fürst von Rostock, bezeichnend Nikolaus das Kind genannt, hatte sich, da er sich nicht zu rathen wußte, dem Könige Erich von Dänemark in die Arme geworfen, welcher sich auch im J. 1300 persönlich in den Besitz des Landes Rostock setzte. Zwar wurden durch die Friedensverhandlungen und Schlüsse vom 22. Julii und 1. Aug. 1301 einstweilen die Kriegsstürme beruhigt; aber der Fürst Nikolaus von Werle mußte das Schloß und das halbe Land Schwan an den König abtreten und dadurch für immer verloren geben. Hiedurch ward die Stellung des Klosters


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XVI u. XVII.
2) Vgl. Jahrb. VIII, S. 264.
3) Vgl. Jahrb. VII, S. 284 flgd.
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Amelungsborn für den Hof Satow natürlich sehr gefahrvoll. "Weil die Güter so sehr entfernt von dem Kloster lagen und das Kloster fast gar keinen Nutzen von denselben hatte, jedoch so bedeutenden Schaden abzuwenden wünschte", so kam es, in Voraussicht trüber Zeiten, schon am 2. Febr. 1301 dahin, daß das Kloster Amelungsborn, unter Zustimmung des Vater =Abtes von Alten=Camp, das Dorf und den Hof Satow mit dem Kirchenpatronat und den Mühlen gegen zwei Salzpfannen in der Saline zu Lüneburg an das Tochterkloster Doberan vertauschte 1 ) und diesem allen möglichen Schutz gegen jeden Anspruch versicherte, da alles Gut des Ordens Gemeingut sei; dabei ward festgesetzt, daß das Andenken der Geber und Wohlthäter stets unvermindert in den Klöstern Amelungsborn und Doberan gefeiert werden solle. Die beiden Salzpfannen zu Lüneburg hatte das Kloster Doberan 1233 und 1262 von den Herzogen von Braunschweig erworben.

Seit dieser Zeit blieb das Kloster Doberan im Besitze von Satow, welches in der Nähe des Klosters und dessen zahlreicher Landgüter lag.

Das Kloster Doberan strebte nun im Laufe der Zeit mit allen Kräften darnach, die auf dem Gute Satow ruhenden Lasten abzuwälzen, wie es sich überhaupt durch eine musterhafte, solide Wirthschaft auszeichnete.

Wenn auch das Kloster Amelungsborn für Satow von allen Lasten befreiet war, so waren dennoch im Laufe des 13. Jahrh. die Felder vermessen und Bedenabgaben auf die Hufen des Dorfes gelegt, wenn auch die Aecker des Hofes frei sein mochten. Die Erhebung dieser Beden war an den Ritter Friederich Babbe veräußert; die Babbe wohnten im 14. Jahrh. auf Siemen, an die Pfarre Satow grenzend, und waren außerdem Lehnleute der Bischöfe von Schwerin. Am 1. Nov. 1304 überließ dieser Friederich Babbe dem Kloster die Beden 2 ) von den Bauerhufen des Dorfes Satow, von den zwei Hufen auf der Dorffeldmark, welche das Kloster von dem Hofmeister des rigaschen Heiligengeist=Hospitals zu Heiligenhagen erworben hatte, und von allen Aeckern des Dorfes Satow, welche das Kloster unter eigenem Pfluge hatte. Am 27. März 1330 bestätigten des Ritters Friederich Babbe Sohn Conrad und Enkel Friederich (Vicke) diese Ueberlassung der Beden 3 ), indem sie ihren vermeinten Ansprüchen an die Bede des "Dorfes oder Hagens" Satow entsagten.


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. VIII.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. IX.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. X.
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Bald darauf ward auch der Streit zwischen dem Kloster und dem Ritter Zubislav von Püschow (oder Putzekow) geschlichtet. Die von Püschow wohnten im 14. Jahrh. auf den an die Pfarre grenzenden Gütern Püschow und Lüningshagen. Das Kloster klagte gegen den Ritter Zubislav von Püschow und seine Söhne Johann und Zubislav (oder Zubbeke) über einen Schaden von 30 Mark rostock. Pf. wegen eines Pferdes und dreißig Schweine, der Ritter dagegen klagte über das Kloster wegen Verletzung der Grenzen zwischen dem Hofe Satow und dem Dorfe Püschow. Am 1. Junii 1335 ward der Streit dahin verglichen 1 ), daß das Kloster seinen Ansprüchen auf Entschädigung entsagte, der Ritter mit seinen Söhnen dagegen dem Kloster die alten Grenzen versicherte, namentlich dort, wo die Felder des Hofes Satow, des Dorfes Püschow und des Heiligen=(Geistes =) Hagens zusammenstießen, und diese Grenzen genau bezeichnete.

Es war bei dieser Unterhandlung eine zahlreiche Zeugenschaft aus der Umgegend versammelt, unter diesen namentlich der Conversbruder und Hofmeister Bernhard von Satow und der Pfarrer Dethard von Satow, so wie auch der Pfarrer Hermann Klein von Retschow.

Am 4. April 1350 bestätigte der Knappe Subbeke oder Zubislav von Püschow diese Grenzbestimmung, nachdem er volljährig geworden war, wie sein verstorbener Bruder Johann sie früher verabredet gehabt habe 2 ).

Am 17. Jan. 1386 wurden auch die Grenzen zwischen Satow und Wokrent regulirt und dabei von Otto Vieregge auf Wokrent dem Kloster Doberan ein Acker Namens "Mönchhals" abgetreten 3 ).

Je fleißiger aber die Mönche wirthschafteten und Acker urbar machten, desto eifriger forderten die Landesherren Abgaben. Am 13. Jan. 1350 bewilligten die Herzoge Albrecht und Johann von Meklenburg, zu deren Gebiet die Vogtei Schwan jetzt bleibend geschlagen war, daß das Kloster Doberan beliebig Aecker zu dem Hofe oder zu dem Dorfe Satow legen könne und daß die Felder beider Güter zusammen stets nur für 20 Hufen gerechnet und nie wieder gemessen werden sollten 4 ); die beiden Fürsten bestätigten dem Kloster zugleich alle Freiheiten und Rechte über Satow, wie sie dem Kloster Amelungsborn von den Fürsten von Werle verliehen und verbrieft worden seien, und versicherten


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XI.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XIII.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. XV.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. XII.
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demselben alle Eigenthumsfreiheiten, mit Ausnahme der allgemeinen Landwehr gegen feindliche Ueberfälle, zu welcher die Bewohner für 20 Hufen verpflichtet sein sollten.

Nach der Landestheilung vom J. 1352 erschöpfte der Herzog Albrecht seine Güte und versicherte am 24. Febr. 1353 dem Kloster "alle und jede Beden und die obere und niedere Gerichtsbarkeit über den Hof und das ganze Dorf Satow" 1 ), indem er zugleich alle früheren Privilegien bestätigte und sich und seinen Nachkommen kein Recht an den Gütern vorbehielt.

Aber es dauerte nicht lange, so war schon wieder "Ueberbede" zu bezahlen. Nachdem der Herzog Johann III. am 16. Oct. 1422 gestorben war, bestimmte dessen hinterlassene Wittwe, die Herzogin Katharine, am 18. Oct. 1422 zu Doberan die von ihrem verstorbenen Gemahle dem Kloster Doberan vermachte jährliche Hebung von 12 lüb. Mk. Pf. aus der "Ueberbede des Gutes Satow" 2 ) zu Gedächtnißfeiern und Seelenmessen für ihren Gemahl auf dessen Sterbetag, den 16. October (St. Gallen), jährlich, obgleich das Gut Satow dem Kloster mit allem Herrenrechte gehörte. An demselben Tage bestätigte auch des Herzogs Johann Vetter, der Herzog Albrecht, für sich und als Vormund der Kinder seines Vetters, dieses Legat "aus dem Hagen und Gute zu Satow" 3 ).

Ungefähr um jene Zeit als am 26. August 1433 die Grenzen zwischen Rederank und Püschow am püschower See regulirt wurden 4 ), war Hermann Hofmeister zu Satow.

Hiemit hören die besondern Nachrichten über Satow, insoferne sie ein bedeutenderes geschichtliches Interesse haben, gänzlich auf.

Im Jahre 1552 bei der Säcularisirung des Klosters Doberan ging Satow mit den übrigen Gütern des Klosters zu den Domainen über.


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XIV.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XVI.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. XVII.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. XVIII.
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2.
Der Hof Dranse.

Ueber den amelungsborner Klosterhof Dranse sind von v. Raumer in v. Ledebur's Allgem. Archiv VIII, 1832, S. 316 flgd., und von Riedel in dessen Cod. Dipl. Brandenb. I, 1838, S. 443 flgd., sämmtliche alten Urkunden mitgetheilt und verarbeitet; es bedarf deshalb hier nur eines kurzen Ueberblicks, um die Verhältnisse des Klosters Amelungsborn zu den Fürsten der Wendenländer aufzuklären.

Am 10. März 1233 schenkte der Fürst Nicolaus von Werle 1 ), unter Zustimmung seiner Gemahlin Judith und seiner Brüder Johann, Heinrich und Pribislav, da die Landestheilung damals noch nicht völlig ausgeführt war, den See Dranse mit 60 an diesem See liegenden Hufen, zu denselben Freiheiten und Gerechtigkeiten, mit welchen das Kloster Doberan seine Güter besaß. Diese Hufen, so wie alle später zu dem Haupthofe des Klosters zu Dranse gehörenden Güter des Klosters lagen in dem Lande Lieze 2 ) (auf der Lieze, dem Liezländchen, zwischen Witstock und Mirow), welches in alten Zeiten zu dem Fürstenthume Werle gehörte. Die Bischofsgewalt über dieses Land war schon früh, sicher seit dem Jahre 1229 3 ) zwischen den Bischöfen von Schwerin und Havelberg streitig. Daher schenkte noch im Jahre 1233 der Bischof Brunward von Schwerin dem Kloster Amelungsborn die Zehnten von diesen 60 Hufen, aber schon im Jahre 1242 erneuerte der Bischof Wilhelm von Havelberg diese Schenkung, obgleich erst am 16. December 1252 die Streitigkeiten zwischen beiden Bisthümern geschlichtet wurden 4 ). Im Jahre 1244, an demselben Tage, an welchem der Fürst Nicolaus von Werle dem Kloster Amelungsborn das freie Eigenthum


1) Diese Urkunde ist gewiß der erste Act der Schenkung, und nicht, wie v. Raumer noch a. a. O. S. 321 will, nur eine Bestätigung eines längst vorhandenen Besitzstandes. Grade in diese erste Zeit nach der Landestheilung fallen viele geistliche Stiftungen, und verhältnißmäßig nur wenige sind viel älter. Die Cultur der Ländereien begann erst in diesen Zeiten, frühestens im Jahre 1216, nach dem letzten Aufstande der Wenden, und grade jetzt bedurften die Fürsten der Cistercienser. Alle frühern Colonisationen waren nur Versuche und Anfänge.
2) Ueber das Land Lieze vgl. Jahrb II, S. 92 flgd.
3) Vgl. Mekl. Urk. III, Nr. XXI.
4) Vgl. das. Nr. XL.
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und die Grenzen von Satow versicherte, bestätigte er dem Kloster das Eigenthum und die Freiheiten der 60 Hufen am See Dranse und bestimmte zugleich die Grenzen dieses Landgebietes bis zu Rederank, Schweinrich, Schildbrok und Bale, und gab dem Kloster die Erlaubniß, entweder durch eigene Leute oder durch herbeigerufene Colonisten das Land nach Gefallen zu cultiviren und zu benutzen.

Wahrscheinlich war der Raum, den diese 60 Hufen einnahmen, damals noch unbebauet und wüst, da kein Dorf genannt wird und nach andern Urkunden diese Gegenden weit umher mit dichten Wäldern bedeckt waren. Im Jahre 1251 wohnte jedoch schon der Hofmeister Randiko zu Dranse 1 ).

Bald aber erblicken wir auf diesem Raume eine Menge von Dörfern, welche entweder das Kloster aus Wald und Weide aufgebauet oder durch Ankauf zu den 60 Hufen erworben hatte; es fehlt aber jede Nachricht über den Erwerb und die Entstehung dieser Dörfer, Zunächst ward ein Wirtschaftshof angelegt und Dranse genannt; hier wohnte der Hofmeister, welcher mit den Conversen das Ganze leitete. Nach spätern Urkunden waren die zu dem Klosterhofe Dranse gehörenden, neben einander liegenden Güter folgende:

Hof Dranse, Dorf Dranse, Schweinrich, Gr. Bale, Kl. Bale, Schild mit der Schilder Mühle, die Kule=Mühle, Gr. Raderank, Kl. Raderank, Sewikow, Zempow, Uchtorp, und dazu ein Hof in der Stadt Witstock.

Die erstgenannten, zunächst an und nicht weit von dem See Dranse gelegenen Dörfer, von denen Hof und Dorf Dranse nur 32 Hufen umfaßten, sind ohne Zweifel auf den zuerst geschenkten Hufen aufgebauet, die andern wohl erst später erworben.

Zu diesen zusammenhangenden Gütern erwarb das Kloster Amelungsborn noch einige angrenzende Besitzungen.

Am 13. Januar 1274 verkaufte der Fürst Nicolaus von Werle dem Kloster das Eigenthumsrecht des an Dranse grenzenden Dorfes Kl. Berlin, jetzt Berlinchen genannt, welches das Kloster von dem Ritter Harnit 2 ) Beer und dessen Söhnen und Brüdern, die dasselbe zu Lehn trugen 3 ), gekauft hatte.


1) Vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. I, 2, S. 366, Nr. VII.
2) . Der Vorname Harnit kommt in der Familie Beer häufig vor und ist derselben eigenthümlich; er ist daher nicht durch Hartwig zu interpretiren, wie Riedel a. a. O. S. 449 vermuthet.
3) Die im Lande Stargard ausgestorbene Familie Beer, mit den drei Schwanenhälsen im Schilde, war in diesen Gegenden seit alter Zeit ansässig. Im Jahre 1353 verlieh der Herzog Johann von Meklenburg=Stargard dem Henning Beer (  ...  )
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Schon am 26. Mai 1239 hatte der Fürst Nicolaus von Werle dem Kloster Amelungsborn die Mühle zu Priborn 1 ) für gewisses Geld, welches der Fürst dem Kloster zu zahlen schuldig war, in Erbpacht gegeben, um eine jährliche Pacht von 4 Wispel Roggen und 4 Wispel Gerstenmalz, so wie unter der Bedingung der Metzenfreiheit für den Fürsten und die Seinigen. Am 17. März 1291 brachten aber die Fürsten von Werle diese Mühle wieder an sich 2 ), indem sie für dieselbe um 220 Mk. Pf. dem Kloster Amelungsborn und im besondern den Brüdern zu Dranse einen Hof mit 4 Hufen zu Solzow, ferner 1 Hufe zu Vipperow mit dem vierten Theile des Sumpfsees und der Hälfte des Rekegewässers, so wie 5 Hufen in Priborn, welche Besitzungen die Fürsten von dem Knappen Heinrich von Rorbek gekauft hatten, verkauften und dem Kloster das Eigenthumsrecht an 4 Hufen in Soltzow, welche der Bürger Tidemann Priborn zu Röbel von Heinrich von Rorbek gekauft hatte und die von diesem Vasallen früher genutzte Fischerei auf der Müritz überließen; endlich verkauften die Fürsten dem Kloster zugleich das Eigenthumsrecht der obern Mühle zu Schilde beim Dorfe Bale,

Diese Besitzungen des Klosters Amelungsborn im Lande Röbel werden nicht weiter genannt; wahrscheinlich veräußerte sie das Kloster bald wieder, da grade diese Güter im Jahre 1410 an die Familie Hahn kamen und Soltzow seit dieser Zeit das Hauptgut einer Hahn'schen Hauptlinie bildete 3 )

Das Kloster erhielt für die Güter des Haupthofes Dranse schon früh andere Landesherren. Im Jahre 1276 verlor das Fürstenhaus Werle das Land Lieze an die Markgrafen von Brandenburg und besonders an die Linie von Brandenburg=Stargard, von denen es in den Kriegen im Anfange des 14ten Jahrhunderts mit dem Lande Stargard an die Fürsten von Meklenburg kam, welche es von Brandenburg im templiner Frieden 1317 zugesichert und im Jahre 1329 zu Lehn erhielten 4 ). Durch die Landestheilung von 1352 kam die Lieze im besondern an das Herzogthum Meklenburg=Stargard. - Im Jahre 1362 kam auch das Land Röbel als Pfand von dem Fürstenhause Werle


(  ...  ) das Obermarschallamt des Landes Stargard und legte dazu als Diensteinkommen alle fürstlichen Gefälle von der "ganzen Lieze"; vgl. Jahrb. II, S. 93 und 292, und VII, S. 280; vgl. Boll Gesch. des Landes Stargard I, S. 149.
1) Vgl. Urk. Samml. Nr. IV, aus dem amelungsborner Diplomatarium. Diese Urkunde war Riedel nicht bekannt geworden.
2) Vgl. Riedel a. a. O. Urk. VIII, S. 450. - Am 9. Oct. 1302 verpfändeten die Fürsten von Werle diese Mühle; vgl. Rudloff Urk. Lief. Nr. LXIII.
3) Vgl. unten zur Geschichte des Landes Röbel.
4) Vgl. Boll Gesch. des Landes Stargard I, S. 81 flgd.
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an das Land Meklenburg, und im Jahre 1368 im besondern an die Linie Meklenburg=Stargard, welche es im Anfange des 15. Jahrhunderts als Eigenthum erwarb 1 ). - Mit dem Aussterben des Fürstenhauses Werle im Jahre 1436 ging überdies das ganze Fürstenthum Werle an die Herzoge von Meklenburg über.

Das Kloster Amelungsborn fand jedoch in der Bewirthschaftung des Hofes Dranse mit den dazu gehörenden Dörfern, deren Ausdehnung wir vorzüglich durch ein Ackerregister (bei v. Raumer und Riedel a. a. O.) kennen lernen, seine Rechnung nicht. Theils waren die Güter nicht besonders ergiebig und von dem Kloster viel zu weit (an 40 Meilen) entfernt, als daß sie gehörig hätten beaufsichtigt werden können, theils waren sie, an einer im Mittelalter sehr belebten Straße zwischen Brandenburg und Meklenburg gelegen, den Kriegszügen und den häufigen Raubzügen und Privatfehden so sehr ausgesetzt, daß sie im Anfange des 15. Jahrhunderts in 40 Jahren gar keinen Ertrag geliefert hatten und sich die 4 auf dem Hofe lebenden Brüder nicht mehr erhalten konnten, ja sogar 400 Gulden Schulden gemacht hatten. Deshalb entschloß sich das Kloster im Jahre 1430 2 ), sämmtliche Güter an das Bisthum Havelberg zu verkaufen. Die Güter lagen den reichen Bischöfen von Havelberg, welche seit dem Ende des 13. Jahrhunderts zu Witstock zu residiren pflegten, sehr gelegen. An die Güter des Klosterhofes Dranse stießen im Westen die witstocker Tafelgüter des Bischofs und im Osten grenzten an dieselben Güter die weiten Besitzungen von Zechlin, welche das Bisthum schon im Anfange des 14. Jahrhunderts von dem Kloster Doberan erworben hatte. Durch den Kauf des Hofes Dranse kam nun das Bisthum Havelberg in den zusammenhangenden Besitz aller Landgüter von Witstock östlich bis an die meklenburgisch=stargardische Grenze. Am 11. April 1430 verpflichtete sich der Bischof Curt von Havelberg zur Bezahlung des Kaufgeldes von 1300 rhein. Gulden für diese Güter und zur Uebernahme der auf denselben ruhenden Schulden und Lasten, am 11. Mai 1430 ertheilte der Abt Guido von Morimund, als Generalreformator des Cistercienser=Ordens, zu dem Verkaufe seine Erlaubniß und am 24. Junius 1431 stellte das Kloster


1) Vgl. unten zur Geschichte des Landes Röbel.
2) Es mag in neuen Wirthschaftsgrundsätzen der Cistercienser=Klöster gelegen haben, daß sie zu jener Zeit die meisten ihrer entfernten Besitzungen veräußerten; im Jahre 1436 verkaufte das Kloster Alten=Kamp seinen Hof Kotze mit dessen großen Ländereien an die Stadt Witstock; im Jahre 1433 verkaufte das Kloster Michaelstein seinen Hof Rosin mit den dazu gehörenden Gütern an das Kloster Doberan (vgl. Jahrb. XII, S. 13).
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Amelungsborn den förmlichen Verkaufsbrief aus über seine Güter:

"up der Lytze belegen twischen Wisteke und Myrow, nomeliken de hoffstede to deme Drantze, dat dorp to deme Drantze unde de dorpere Swynreke, Sevekow, beyde Bale, beyde Roderanke, Zempow, Uchtorpe, Luttiken Berlin unde den zee to Groten Berlin, de Kulemollen, den Schild unde Schildermolen".

Aus allen bisher bekannt gewordenen und andern Urkunden geht ohne Zweifel hervor, daß das Land Lieze ursprünglich zum Lande Werle, demnächst zur Herrschaft Meklenburg=Stargard gehörte; fast das ganze Land war in den frühesten Zeiten an geistliche Stiftungen verliehen und von diesen zum größern Theile an das Bisthum Havelberg übergegangen. Da die Güter alle fast ganz frei von weltlichem Einflusse waren, so regierte über dieselben ein so einflußreicher Kirchenfürst, wie der Bischof von Havelberg war, der mitten in diesen Gütern residirte, fast unbeschränkt und kam sehr oft in Versuchung, keinen Herrn über sich zu erkennen. Auch wegen der amelungsborner Klostergüter kam es bald zum Streite 1 ) zwischen dem Bischofe und den Herzogen von Meklenburg. Dieser Streit ward am 6. März 1445 dahin geschlichtet 2 ), daß der Bischof von Havelberg anerkannte, daß diese Güter "in der Herrschaft und den Landen der Herren von Meklenburg lägen", und daß "die Herzoge von Meklenburg von diesen Gütern Dienst, Bede und Landding (oberste Gerichtsbarkeit) und den Zoll zu Dranse behalten sollten, wie diese Fürsten und (namentlich) die Besitzer des Schlosses Wredenhagen seit langen Zeiten diese Gerechtsame besessen hätten"; der Bischof verpflichtete sich auch, die von dem Kloster Amelungsborn ausgelieferten Urkunden in gutem Verwahrsam zu halten, um mit denselben die Herrlichkeiten der Herzoge schützen zu können. - Zu gleicher Zeit ward auch eine Vereinbarung über die von dem Kloster Alten=Kamp an die Stadt Witstock veräußerten Güter geschlossen, wenn freilich ohne rechten Erfolg für die Zukunft, da diese Güter Veranlassung zu endlosen Streitigkeiten in der Zukunft wurden.

Schon im J. 1460 kam es zwischen dem kräftigen, kriegerischen Bischofe Wedege Gans von Putlitz und den Her=


1) Vgl. v. Raumer a. a. O. S. 333; vgl. Riedel a. a. O. I, 2, S. 415.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XIX; vgl. Riedel a. a. O. 1, 2, S. 372.
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zogen von Meklenburg zu einer Fehde wegen der Güter um Witstock 1 ).

Die ehemaligen amelungsborner Klostergüter geben nun einen werthvollen Beitrag zu der Geschichte der Territorial=Vergrößerung der Mark Brandenburg, welche sich an den Grenzen durch Besitznehmen und Behalten nicht wenig vergrößerte. So kamen auch die Herzoge von Meklenburg um die Lieze, ohne daß sie recht wußten, wie.

Durch das Aufheben und Zerstören der Dörfer wurden die landesherrlichen Gefälle nicht wenig geschmälert, - wenn die Hauptdörfer nicht deren Lasten übernahmen, was in der Regel nicht geschah. Dazu waren die Dienste nach weiten Höfen hin sehr unbequem und wurden daher oft nicht geleistet.

Der milde Bischof Busso I. von Alvensleven ließ sich mit den Herzogen auf Unterhandlungen an, da diesen seit Bischofs Wedege Zeit Abbruch an ihren Gerechtsamen geschehen war; am 12. Aug. 1492 traten beide zu Neustadt zusammen 2 ) und beredeten, daß sie zu Wredenhagen zusammenkommen und Urkunden und Zeugenaussagen entscheiden lassen wollten; auch wollten sie dann sich die Urkunden über die gegenseitigen Ansprüche an Arnsberg und Penzlin, so wie an Putlitz und Witstock vorlegen. Der Bischof Busse starb aber schon am 12. Oct. 1493 und damit erstarb factisch auch die Herrschaft der Herzoge von Meklenburg über die Lieze; der neustädter Vertrag von 1492 ist das letzte Zeugniß für das wohlbegründete Recht der meklenburgischen Fürsten.

Am 4. Oct. 1494 verweigerte der Bischof Otto von Königsmark den Herzogen die Zahlung der Landbede 3 ) durch die Bewohner der ehemaligen amelungsborner Klosterdörfer, weil sie den Herzogen und ihrem Vater, nach Aussage der Verpflichteten, nicht entrichtet sei; und doch war durch den Vertrag von 1445 die Bedezahlung ausdrücklich eingeräumt. Dies war um so auffallender, als der Herzog Magnus einige Zeit vorher in Gegenwart des Markgrafen Friederich von Brandenburg im Dorfe Dranse vor allen Bauern die Urkunde vom J. 1445, nach welcher den Herzogen von Meklenburg "Dienst, Bede und alle Obrigkeit" zustand, hatte verlesen lassen 4 ); diese Handlung war als eine sichere Erfüllung des neustädter Vertrages von 1492 zu Gunsten der Herzoge von Meklenburg zu betrachten.


1) Vgl. v. Raumer a. a. O. S. 334.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XX.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXI.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXII.
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Nun mischten auch die Kurfürsten ihre Hände ins Spiel. Im J. 1494 nahm sich der Kurfürst Johann des havelberger Domkapitels an und beschwerte sich auf dessen Klage bei den Herzogen über die Schatzung der "vier Dörfer auf der Lieze". Die Herzoge antworteten am 27. Dec. 1494, daß sie das Stift Havelberg nicht über Recht und Billigkeit zu beschweren, sich aber auch nichts nehmen zu lassen gedächten, was ihnen rechtmäßiger und billiger Weise zustehe 1 ). Da verhehlte der Kurfürst, nachdem er nun einmal in die Sache hineingezogen war, seine wahre Meinung nicht, und erklärte 2 ) am 26. Nov. 1495 in sehr scharfem und heftigen Tone, daß die Dörfer Dranse, Berlin und Sevckow "in seinem Kurfürstenthum lägen"; es sei ihm also fremd zu hören und unleidlich zu dulden, daß des Stifts Havelberg arme Leute von den herzoglichen Vögten mit Steuern belegt würden, und müsse auf die Abstellung unbilliger Beschwerung dringen; übrigens sei er von Gottes Gnaden selbst so statthaft, daß den Seinen nicht Noth sei, irgend jemand für Schutz und Schirm Steuer zu zahlen. Hieraus geht hervor, daß die Bischöfe und Kurfürsten damals die Abgaben an Meklenburg höchstens nur für ein "Schirmgeld" auszugeben Lust hatten.

Damit waren die Herzoge von Meklenburg abgefunden und hatten factisch die Lieze verloren. Zwar machten sie noch hin und wieder Anstrengungen zur Behauptung ihrer Landesherrlichkeit, z. B. im J. 1497, als sie als Landesherren die Befreiung der Bewohner des Dorfes Schweinrich von Diensten zum Bau des Kirchthurmes und der Befestigung zu Witstock 3 ) forderten, und wiederholt im J. 1529, als die Herzoge beim Umsichgreifen der Reformation von dem katholisch gesinnten Bischofe Busso II. von Alvensleven die Landbeden von den "ohne alle Mittel in ihrem Fürstenthume gelegenen Dörfern" Dranse etc. . begehrten 4 ). Aber die Herzoge erhielten nichts; man lehnte ab und temporisirte.

Daneben waren schon die Streitigkeiten wegen der kampenschen Klostergüter, namentlich der Kotzer Haide, mit der Stadt Witstock ausgebrochen, Streitigkeiten, deren Verhandlung ganz ungewöhnliche Massen von Papier verlangten und welche erst im J. 1802 beigelegt wurden. Die Streitigkeiten wegen Dranse schliefen fast ganz ein und von der Lieze war gar nicht mehr die Rede; nur hin und wieder wurden sie noch bei den witstocker Streitigkeiten berührt.


5) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXVI.


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXIII.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXIV.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXV.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXVI.
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Nach dem Tode des letzten katholischen Bischofs Busso II. im J. 1548 und der Durchführung der Reformation und Säcularisirung wurden die Tafelgüter der Bischöfe von Havelberg eingezogen und bald darauf (1571) mit den Domainen verschmolzen 1 ). Von dem J. 1548 an war also an eine Wiedergewinnung der Herrschaft über die Lieze gar nicht mehr zu denken.

Die Leistungen von den ehemaligen amelungsborner Klosterdörfern bestanden aus Hand= und Spann=Diensten bei der Ackerbestellung des Amtes Wredenhagen, aus Anfuhr von Bau= und Brennholz eben dahin, aus Holzfällen, aus Entrichtung von Geldbede, Rauchhühnern, Ablager=Brot u. s. w. Diese Leistungen wurden 1557 2 ) und 1654 3 ) wiederholt verzeichnet, und können mit dem alten Ackerregister aus dem 14. Jahrh. und den späteren Leistungen an das Amt Zechlin 4 ), zu welchem die Dörfer gelegt waren, verglichen werden; die brandenburgische Herrschaft forderte freilich Befreiung der Unterthanen, aber - nur für sich die Leistungen. Die Leistungen von den 6 untergegangenen Dörfern 5 ) hatten die meklenburgischen Herzoge schon im 15. Jahrh. einbüßen müssen 6 ). - Noch einmal kamen bald nach dem Regierungsantritt des ausgezeichneten Herzogs Johann Albrecht im J. 1548 und nach der Theilung des Landes mit seinem Bruder Ulrich im J. 1557 bei Gelegenheit der witstocker Verhandlungen die Ansprüche an Dranse, vorzüglich durch die Bemühungen des ausgezeichneten meklenburgischen Kanzlers Johann von Lucka, wieder zur Sprache 7 ), jedoch ohne Erfolg, da die "Disputation verschoben" ward. Endlich wurden noch im J. 1654 die von dem Amte Zechlin zu leistenden Abgaben von den Dörfern, welche seit 1637 gar nicht mehr entrichtet waren, verzeichnet 8 ).

Damit hört das Andenken an die amelungsborner Klosterdörfer und die Lieze auf. Man stritt noch fast 200 Jahre wegen der witstocker Grenzen, über deren Localität eine Handzeichnung des Kanzlers Johann von Lucka willkommene Aufklärung giebt 9 ), aber die Herrschaft über den Klosterhof Dranse war und blieb vergessen und bei Brandenburg.


1) Vgl. V. Raumer a. a. O., S. 334, und Riedel a. a. O. I, 2, S. 425 - 26, und I, 1, S. 392.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXVIII.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXX.
4) Vgl. Riedel a. a. O. I, 1, S. 451 flgd.
5) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXVII.
6) Nach dem Erbregister des Amts Zechlin v. J. 1574 mußte der Schulze zu Dranse mit zwei Aeltesten seines Dorfes drei Male im Jahre in Wredenhagen das Landgericht mit verrichten helfen.
7) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXIX.
8) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXX.
9) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXXI.
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IV.

Geschichte

der

Heiligen=Bluts=Kapelle

im

Dome zu Schwerin,

von

G. C. F. Lisch.


A n Namen knüpft sich das Gedächtniß außerordentlicher Thaten und Begebenheiten, an Namen hängt Segen oder Fluch des Menschengeschlechts. Und wie nach der Weisheit der Vorsehung diesem oder jenem Menschen ein größeres Feld für die öffentliche Wirksamkeit angewiesen ward, so trägt mancher Ort eine reichere Erinnerung an bedeutungsvolle Ereignisse. Es giebt Orte, welche Denktafeln gleichen, auf denen die Hauptbegebenheiten der Weltgeschichte Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch niedergeschrieben sind; mag auch der Menschen Thun und Treiben, Glaube, Wissen, Kunst und Sitte sich wandeln, an ihnen wiederholen sich immerfort die Handlungen, welche den Gang der Geschichte und ihre Wendepuncte bezeichnen, und immer wieder netzen Thränen des Schmerzes und der Rührung den Boden, auf dem unsere Väter geweint haben. Die Verehrung des Volkes und seine Ueberlieferungen reden oft lauter, als alle Schriften, für die Bedeutsamkeit von Orten, welchen die Geschichte den Stempel der Heiligkeit aufgedrückt hat.

In Meklenburg aber ist wohl kaum eine Stelle so reich an bedeutungsvollen Erinnerungen, als die Heilige=Bluts=Kapelle im Dome zu Schwerin. An sie knüpfen sich die bedeutsamsten Begebenheiten aus der Geschichte des Landesbisthums und der Landeskirche, des gräflichen und des fürstlichen Regentenhauses und des ganzen Volkes fast sieben Jahrhunderte hindurch. Was

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hier geschehen ist, war oft der Grundstein oder der Schlußstein eines ganzen geschichtlichen Gebäudes, war oft eine Handlung, welche die Thatenreihe einer ganzen Vergangenheit und eine neue Zukunft versinnbildlichte. Wie jetzt das Volk mit Wehmuth und Begeisterung die geweihete Stelle betritt, so hat es hier schon oft gestanden mit vollem Herzen und ernstem Blick, aber auch freudig die Augen nach oben gerichtet.

Jahrhunderte hindurch hatte das große deutsche Kaiserreich gerungeun das kleine, aber gewaltige Volk der westlichen Wenden, aus welchem das meklenburgische Fürstenhaus stammt, für deutsche Bildung und den christlichen Glauben, auch für seine eigene Macht zu gewinnen; aber selbst Männer wie Karl der Große und Otto der Große konnten das Riesenvolk nicht dauernd bändigen, wenn auch die nordische Mission unter ihrer eigenen Obhut stand. Selbst in den vernichtenden Kreuzzügen, welche der Sachsenherzog Heinrich der Löwe gegen das ihm mitverliehene Land unternahm, konnte das Kriegsgeschrei des Volkes nur augenbicklich durch Blut erstickt werden; denn hätte nicht Gattenliebe und tiefere Einsicht den Fürsten Pribislav dem christlichen Glauben zugeführt, so würden auch die größten Anstrengungen des Löwen keinen dauernden Erfolg gehabt haben, da nach seinem und Pribislavs Tode das Obotritenvolk mit Erfolg wieder zu den Waffen griff, um das alte Reich wieder aufzurichten. Und es konnte wohl nicht anders sein; denn fast vier Jahrhunderte hindurch hatten die Wenden die Liebe nur im Schwerte kennen gelernt und in ihren Beglückern nur Unterdrücker sehen können: natürlich, daß sie das ganze Bekehrungsgeschäft nur als Knechtungs= und Raubzüge betrachteten und betrachten konnten. Was aber der Gewalt nicht gelang, das erreichte die aufopfernde Ausdauer des Geistes; denn so roh war die kräftige Natur der Obotriten nicht, daß sie nicht den höhern und edlern Geist erkannt und aufgenommen hätten. Der Bischof Berno von Meklenburg und Schwerin, der Apostel der Obotriten, war der Mann, dem sich ein Volk beugte, welches keinem fremden irdischen Herrscher gehorcht hatte.

Schon bald nach dem Jahre 970 war zu Meklenburg eine Kirche zu Ehren des Apostels Petrus gegründet und bei derselben ein Nonnenkloster gestiftet, in welches selbst des Fürsten Mistav Billung Tochter Hodica gebracht und bald zur Aebtissin des Klosters erhoben ward. Bald ward jedoch das Kloster wieder aufgehoben und kurze Zeit nach dem J. 1012 unter dem Fürsten Miccislav auch die Kirche zerstört, wie denn alle übrigen Pflanzstätten des Christenthums im Obotritenlande ein gleiches Schicksal hatten. Zwar gewann unter dem Fürsten Gottschalk das Christenthum

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wieder den kräftigsten Schutz in den Obotritenländern: zu Meklenburg waren drei geistliche Stiftungen, und um das J. 1052 ward durch Betrieb des mächtigen Erzbischofs Adalbert ein Bisthum zu Meklenburg errichtet und dem Schotten Johann anvertraut; aber um das J. 1066 wurden die Verehrer des Christenthums, unter denen der Fürst Gottschalk und der Bischof Johann, in einer furchtbaren Empörung durch Blut erstickt und die christlichen Stiftungen zum zweiten Male ausgerottet.

Seit den deutschen Kaisern aus dem sächsischen Hause hatte sich die Zinsbarkeit der Wenden in eine Oberherrlichkeit oder Lehnsherrlichkeit der sächsischen Herzoge über die Wendenländer ausgebildet, welche jedoch bald wieder erlosch. Als nun im J. 1147 das Kreuz gegen die Ungläubigen gepredigt und alle Welt von der Schwärmerei durch die Kreuzpredigten zum Gelobten Lande hingerissen ward, die Sachsen jedoch keinen Theil an diesen verderblichen Zügen nahmen, da hielt es der kriegslustige Herzog Heinrich der Löwe von Sachsen für zeitgemäß, einen Kreuzzug gegen die Wenden predigen zu lassen, um unter der Kirchenfahne das Schwert zur eigenen Erwerbung der Länder schwingen zu können. Was in diesen blutigen Kriegen das Wendenvolk fast ein Vierteljahrhundert hindurch gelitten hat, ist der Welt bekannt und für den Heldenmuth des Volkes bewundernswerth; der Ausgang ist eben so bekannt: die endliche Bekehrung der Obotriten und zugleich der Fall des Löwen, ihres bittern Feindes. Die günstige Gelegenheit des wendischen Kreuzzuges glaubte der Erzbischof Hartwig von Bremen nicht unbenutzt vorbeigehen lassen zu dürfen, um die zur Unterjochung bestimmten Länder für seinen Sprengel wieder zu gewinnen. Er richtete daher im J. 1150 die seit lange unbesetzten wendischen Bisthümer zu Oldenburg, Ratzeburg und Meklenburg wieder auf und bestellte im J. 1154 den Emmehard zum Bischofe von Meklenburg. Jedoch fehlte es bei dem hartnäckigen Widerstande der Obotriten an einem sichern Orte, an Gemeinden und an Versorgung für den Bischof, und Emmehard scheint gar nicht zum Besitze seines Bisthums gekommen zu sein.

Sein Nachfolger war Berno, ein Cistercienser=Mönch aus dem Kloster Amelungsborn, unweit der Weser, ein Mann von dem heiligsten Eifer und der aufopferndsten Thätigkeit, welcher als der erste meklenburgische Bischof von Schwerin betrachtet wird. Als der Herzog Heinrich der Löwe im J. 1161 seinen großen, zweiten Kreuzzug gegen Wendenland eröffnete, brannte der letzte Wendenkönig Niklot, seine Festen Meklenburg, Schwerin, Dobin (bei Hohen=Vicheln) und Ilow nieder und zog sich auf seine Burg Werle (bei Schwan) zurück, wo er bei einem

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Ausfalle den Heldentod fand und das Heidenthum seine letzte Stütze verlor. Durch diesen Fall war die Kraft des Obotritenvolkes gebrochen, wenn es auch späterhin noch lange durch Aufstand und Widerstreben die wohlgemeinten Anstrengungen der Landesfürsten für die Bildung des Volkes zum großen Theile vereitelte und Christenthum und deutsche Sitte nur sehr langsame Fortschritte machten. Heinrich der Löwe legte sogleich im J. 1161 tapfere Dienstleute mit Besatzungen auf die heidnischen Burgwälle, um durch Vertheilung einer großen Macht an verschiedene Stellen die Kraft des viel geprüften Volkes zu schwächen. Auf den Burgwall von Schwerin, wo jetzt noch das Residenzschloß steht, setzte er seinen Statthalter, den tapfern Ritter Gunzelin von der Hagen, welcher hier eine Burg nach deutscher Weise erbauete und sie zur Hauptstütze der deutschen Macht in den Wendenländern erhob; auf den Burgwall Meklenburg setzte er den Edlen Heinrich von Schaten.

Zu gleicher Zeit konnte Heinrich der Löwe seinen Lieblingswunsch erfüllt sehen: er stellte im J. 1161 das Bisthum Meklenburg wieder her und verordnete den Mönch Berno zum Bischofe von Meklenburg. Jetzt erhob dieser unerschrockene, kluge und aufopfernde Apostel der Obotriten das bisher für unmöglich Gehaltene zur Wirklichkeit: er stürzte die Götzen bis zum Vorgebirge Arkona hinauf, taufte die Heiden und predigte den Glauben, gründete Kirchen und Klöster, lichtete durch seine Cistercienser=Mönche die Wälder, daß die Sonne den Boden beschien, und führte Bildung jeder Art in die Hütten ein. Im J. 1164 hatte er die Freude, die Taufe des Fürsten Pribislav und die Gründung des ersten christlichen Gotteshauses außerhalb der wendischen Burgwälle zu Alt=Doberan, jetzt Althof, zu sehen und hier eine Stätte für das große Kloster und die Hauptbildungsanstalt des Landes vorzubereiten. Im J. 1166 ward Pribislav wieder in sein Erbe eingesetzt, Gunzelin zum Grafen von Schwerin erhoben und die Stadt Schwerin gegründet, welcher Heinrich der Löwe sein Siegelbild, nämlich sein eigenes Reiterbild, zum Wappen verlieh.

Jetzt machte die Bildung rasche Fortschritte. Berno fühlte, im Hinblick auf die gewaltigen, erhabenen Dome des christlichen Deutschlands und die um dieselben gegründeten großartigen Bildungsanstalten, daß der Burgwall von Meklenburg in dem weiten, feuchten Sumpfe und die schutzlos gelegene, kleine Ortschaft vor der Burg seinen Schöpfungen keine große Ausdehnung gestattete. Er verlegte also im J. 1167 den obotritischen Bischofssitz von Meklenburg nach Schwerin, unter die treue, ritterliche Obhut des Grafen Gunzelin. Und so erhielten deutsche Bildung

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und Christenthum durch Grafschaft, Stadt und Bischofssitz in Schwerin die festeste Stütze im Obotritenland. Der Grundstein war zwar gelegt, der Ausbau ging aber noch langsam, da es noch an allen Vorbereitungen zur Ausführung großer Plane fehlte. Im J. 1170 gründete Berno das gefeierte Mönchskloster Doberan, Cistercienser=Ordens, die Hauptquelle der Bildung für das Land, die Ruhestätte der Fürsten aller Linien. Die Anfänge zur Verbreitung des Lichts werden nur klein gewesen sein und die jungen Pflanzungen vorzüglich in der persönlichen Wirksamkeit der Männer Gottes ihre Hauptpflege gefunden haben.

Berno hatte mehrere Jahre lang die Bewidmung seines Bisthums nicht erreichen können. Erst am Tage nach dem Feste der Geburt Mariä, am 9. Septbr. 1171, brachte er es dahin, daß der Herzog Heinrich der Löwe das Bisthum Schwerin bewidmete 1 ) und mit den ihm ausgesetzten 300 Hufen und andern Freiheiten und Gerechtigkeiten begnadigte: dies geschah zu Schwerin durch den Herzog Heinrich den Löwen in Gegenwart der Bischöfe Evermod von Ratzeburg und Berno von Schwerin, der Fürsten Pribislav von Meklenburg und Casimir von Pommern, der Grafen Gunzelin von Schwerin, Bernhard von Ratzeburg, Heinrich von Ravensberg, Otto von Bentheim, Conrad von Regenstein, Hermann von Lüchow und vieler anderer hochgestellter Männer geistlichen und weltlichen Standes, welche alle dem Bischofe Berno Dank und Ehre zollten, am Tage der Grundsteinlegung 2 ) der Domkirche. Daher ward auch an diesem Tage (9. Sept.) alle Zeiten hindurch das Kirchweihfest gefeiert und daher auch noch in den letzten drei protestantischen Jahrhunderten bis zum Jahre 1846 ein Jahrmarkt 3 ) gehalten, welcher unter dem Namen Kirmeß mit dem Kirchweihfeste verbunden zu sein pflegte; noch im vorigen Jahrhunderte fiel der erste Markttag auf Mariä Geburt, in den neuesten Zeiten war freilich der Jahrmarkt schon vom 9. Sept. auf den 19. Sept. verlegt.


1) Die Dotations=Urkunde ist abgedruckt und erläutert in Lisch meklenb. Urk., III, Nr. III, und im Vorworte.
2) Die Bewidmungsurkunde vom 9. Sept. 1171 ist datirt:

Acta sunt hec V° idus Septembris in dedicatione ejusdem ecclesiae anno incarnationis MCLXXI°.

Die Gründung (dedicatio) ist von der Einweihung (consecratio) so unterschieden, daß unter Dedication die Anweisung des Ortes für den Bau einer Kirche, unter Consecration die Bestimmung des vollendeten Gebäudes mit allen Geräthen zum Gottesdienst verstanden wird.
3) Am 4. Dec. 1846 wurden die fünf Jahrmärkte Schwerins auf drei beschränkt; dabei ward der Kirchweihjahrmarkt auf der Altstadt am 19. Sept aufgehoben, wahrscheinlich weil demselben der für die Landbewohner günstiger gelegene Jahrmarkt auf der Neustadt am achten Tage nach St. Gallen (16. Oct.), dem herkömmlichen Umzugstermine auf dem Lande, zu bald folgte.
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Freilich war am 9. Sept. 1171 der Grundstein zu der Kirche gelegt; aber man würde sehr irren, wenn man glauben wollte, ein so großes und erhabenes Werk sei seiner Vollendung rasch entgegengeführt; dazu fehlte es damals noch viel zu sehr an kunstgeschickten Händen, und die Geschichte fast aller großen Kirchen giebt den unumstößlichen Beweis, daß diese aus vielen, sehr verschiedenen Theilen zusammengesetzt sind und Jahrhunderte gebrauchten, ehe sie zu der Gestalt gelangten, in welcher wir sie heute bewundern. Daß der jetzt noch stehende Dom nicht das Gebäude sei, in welchem 1167 und 1171 Gottesdienst gehalten ward, geht unbezweifelt aus dem Umstande hervor, daß damals noch durchaus der Rundbogen im Baustyl herrschte, der Dom zu Schwerin aber im strengen Spitzbogenstyl erbauet ist. Der Rundbogenstyl erhielt sich aber in Meklenburg noch lange und erscheint in einzelnen Anklängen noch 50 Jahre später; der Spitzbogenstyl beginnt in Meklenburg im Uebergangsstyle erst mit dem Anfange der mittlern Geschichte, welche mit dem Anfange der Landestheilung im J. 1229 ihren Anfang nimmt. Wahrscheinlich stand in der Nähe des jetzigen Domes ein anderes, kleines Gebäude, welches vor der Vollendung des großen Baues zum Gotteshause diente. Hierauf scheinen die alten Fundamente und die alten, zum Rundbogenstyle passenden Säulenkapitäler zu deuten, welche oft in der Nähe des Domes gefunden sind. Vielleicht war jene älteste Kirche die Kapelle 1 ), welche auf der Südostseite des Domes, zwischen diesem und dem Markte stand, im 16. Jahrhundert nicht mehr benutzt und im J. 1693 von der Dom=Structurei für das Baumaterial abgebrochen ward. Vielleicht war aber diese Kapelle auch nur eine Tauf=Kappelle oder eine Neben=Kapelle zu irgend einem andern Zwecke, wie z. B. neben der Marienkirche zu Wismar noch zwei solcher Kapellen stehen; denn gewöhnlich baute man nach dem ersten Plane an derselben Stelle immer fort: man erweiterte und erhöhete häufig auf den alten Fundamenten und ward oft in Jahrhunderten mit dem Bauen nicht fertig.

Das älteste Gebäude war ohne Zweifel im Rundbogenstyle aufgeführt und vielleicht ungefähr nach dem Plane des Domes


1) In einer urkundlichen Nachricht, Registracio tercii servicii vom J. 1515, heißt es:

"continuando per forum ad dextrum latus et iterum incipiendo a domo angulari apud ecclesiam ad orientem uel pretereundo forum piscium usque ad parvam capellam in cimiterio,"

und in Dan. Clandrians Verzeichniß der schwerinschen Urkunden:

Rodolphus Bischof zu Zwerin giebt 40 tage Ablaß denjenigen, die Marien=Kirche vff dem Kirchhofe zu Zwerin besuchen vnd alda opfern werden. Datum 1412 die beate Praxedis virginis."

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zu Ratzeburg angelegt. Wir besitzen eine Abbildung dieser ältesten Kirche in dem uralten großen Siegel des Dom=Capitels 1 ); hier sehen wir die Kirche von der Westseite ganz in dem Grundplane des noch stehenden Gebäudes, aber durchweg im Rundbogenstyle gewölbt. Diese bildliche Darstellung giebt zugleich einen Fingerzeig, saß man den ersten Bau von Westen her begonnen habe. Der westlichste Theil des Langschiffes, welcher jetzt den Thurm trägt, hat auf der Abbildung ein Hausdach, und der Thurm steht auf dem Kreuzschiffe als rundbogige Kuppel.

Mit dieser Wahrnehmung stimmt denn auch der noch stehende Bau völlig überein. Der älteste Theil des ersten Domes ist ohne Zweifel das Thurmgebäude, an dessen Westseite man noch klar den alten Bau erkennen kann: man sieht noch deutlich die alte Wölbung der rundbogigen Pforte, welche zu einer hohen Spitzbogenpforte ausgebrochen ist; man sieht noch deutlich, wie aus den zwei schmalen Fenstern über der Pforte, welche auch auf dem Siegel dargestellt sind, ein großes Spitzbogenfenster gemacht ist; und über diesen Fenstern steht noch der Rundbogenfries, der hier offenbar die Ringmauern unter einem Giebel oder einem Dache schloß. Wir erkennen also in dieser Wand noch heute den alten westlichen Giebel der Kirche, wie er auf dem ältesten Capitel=Siegel abgebildet ist. Die Seitenschiffe sind augenscheinlich im 14. Jahrhundert agesetzt. Eine ganz gleiche Erscheinung bietet die St. Georgen Kirche der Stadt Parchim 2 ) (gegründet um das J. 1220), indem auch hier ein ganz gleich construirtes Gebäude, welches jetzt ebenfalls den Thurm trägt, in die Kirche dergestalt aufgenommm ist, daß auch noch im Innern der jetzigen Kirche der Rundbogenfries erhalten ist.

Der Bau der jetzigen Kirche wird mit dem Anfange bessrer Zeiten, wahrscheinlich mit dem J. 1222, nach dem alten Grundplane begonnen sein. Nun traf es sich aber, daß grade damals der Rundbogenstyl seine Endschaft erreicht hatte und der Spitzbogenstyl in seiner ersten Entwickelung lag, welche die Zeit des Uebergangsstyls genannt wird, da dieser Styl noch die kurzen und engen Oeffnungen des Rundbogenstyls, aber schon die zugespitzten Gewölbe des Spitzbogenstyls hat, Eigenthümlichkeiten, welche sich auch an dem Westgiebel des Thurmgebäudes wahrnehmen lassen.

Man begann darnach den großen Bau mit der Aufführung des hohen Chors. Daß das Hauptschiff des Chors der älteste


1) Man vgl. die Abbildung des Siegels in Jahrb. VIII, Lithogr T. I, Fig. 3, und das. S. 29.
2) Vgl. die Beschreibung in Jahresber. VIII, S. 108.
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Theil des Baues ist, dafür zeugen die einfach und ernst gewölbten obern Fenster und die schwachen Strebepfeiler zwischen den Fenstern; für eine neuere Zeit zeugen jedoch schon der vielseitige Chorschluß und die weite Oeffnung der Fenster. Bald darauf wird denn auch der Bau des Schiffes in Angriff genommen sein.

Es war am Tage des Heiligen Vitus, d. 15. Junii, des J. 1248, als der Dom so weit gediehen war, daß der Bischof Wilhelm (1247 - 1249), der fünfte Bischof von Schwerin, ihn dem Gottesdienste übergeben und einweihen konnte. Wir besitzen diese Nachricht sowohl aus einem Berichte des Rectors Hederich 1 ), als aus einem Urkundenberichte des Archivars Chemnitz, welcher sagt: "Im selbigen Jahre 1248 am Tage Viti hat Wilhelmus der fünfte Bischof zu Schwerin im ersten Jahr seiner Regierung die Thumkirche daselbst im Beisein der dreien Bischöfe zu Verden, Lübeck und Camin zum ersten geweihet, und zum Gedächtniß der Weihung von dem zum bischöflichen Tische gehörenden Einkommen den Zehnten von 11 Hufen Landes im Dorfe Robertstorf zu einer ewig währenden Präbende gegeben." Den Tag des H. Vitus wählte man, weil dieser Heilige, in dankbarer Erinnerung an den Bischof Berno und dessen Heidenbekehrung, zu Schwerin in besonderem Ansehn stand: am Tage des Sanct Vit hatte nämlich der kluge Berno nach dem Sturze des Svantevit auf Arkona die Rugianer getauft 2 ), er hatte, die Namensähnlichkeit benutzend, ihnen für ihren Svantvit den Sant Vit gegeben! Daher ward auch am Tage des H. Veit der Kirchweihtag gefeiert und bis auf die neuesten Zeiten auf der Altstadt ein Jahrmarkt gehalten 3 ). Daß von den älteren Geschichtschreibern wiederholt gesagt wird, der Bischof Wilhelm habe den Dom "zuerst" geweihet, bezieht sich wohl darauf, daß, wie unten auseinandergesetzt werden wird, späterhin noch eine Weihung folgte.


1) Die Urkunde über die Einweihung ist verloren gegangen. Wir besitzen die Nachricht über die Einweihung nur aus des schwerinschen Rectors Hederich Inhaltsverzeichnisse des großen, im 14. Jahrh. angelegten Urkunden=Buches des Bisthums Schwerin; Hederich sagt nämlich:

Wilhelmus episcopus Suerinensis eligitur 1248. Templum Suerinense primus consecrat in die S. Viti, in memoriam primae dedicationis ex mandato Henrici fundatoris

Vgl. Lisch Meklenb. Urk. III, S. 93. Es wird die Einweihung hier richtig eine Consecration genannt.
2) Nach der interessanten Urkunde des Kaisers Frirderich I. vom 2. Jan. 1170 in Lisch Meklenb. Urk. III, S. 20:

quia geus Ruyanorum - - verbo predicationis flecti noluit, - - maximo ydolo eorum Szuentevit destructo, in die beati Viti martiris inuitos ad baptismum coegit.

3) Am 4. Dec. 1846 ward dieser Jahrmarkt auf den Mittwoch nach Johannis verlegt, also ungefähr 14 Tage weiter hinausgeschoben, und zugleich der am Tage Philippi und Jakobi (1. Mai) auf der Neustadt gehaltene Markt aufgehoben.
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Wenn nun auch der Dom sicher am 15. Junii 1248 zur Benutzung eingeweihet ward, so ist doch damit keinesweges gesagt, daß er damals schon in seiner jetzigen Gestalt vollendet gewesen sei; vielmehr ward noch lange an demselben fortgebauet und geändert. Jedoch war im J. 1248 ohne Zweifel die Ausdehnung und die Grundform bestimmt, und daher werden die voraufgehenden Auseinandersetzungen genügen, um die Geschichte der Heiligen=Bluts=Kapelle in ein helleres Licht zu setzen. Die Heilige=Bluts=Kapelle ist die östlichste Kapelle hinter dem Hochaltare in der mittleren Abtheilung des vielseitigen Chorschlusses an dem Umgange hinter dem hohen Chore.

Der ruhmwürdige Graf Heinrich I. von Schwerin zog im J. 1219 zu einer Kreuzfahrt in das Heilige Land. Der Graf mochte sich schon längere Zeit zu diesem Zuge gerüstet haben, da er mit seinem Bruder Gunzelin II. in den nächsten Jahren vor demselben mehrere fromme Stiftungen gründete, namentlich im J. 1217 dem "überseeischen Hospitale" des Johanniter=Ordens das Dorf Sülstorf schenkte 1 ) und dadurch die Johanniter=Comthurei Craak gründete. In demselben Jahre schenkten beide Brüder der Domkirche zu Schwerin die Dörfer Rubow und Medewege 2 ) zur Stiftung einer neuen Domherrnstelle, deren Besitzer namentlich von den Einkünften des Dorfes Medewege täglich in dem Dome zu Schwerin in der Kapelle, in welcher ihr Vater und ihre Brüder begraben lagen, eine Seelenmesse lesen sollte; am 3. Mai 1218 bestätigte der Bischof Brunward von Schwerin diese Stiftung und ordnete im besonderen die Einkünfte des damaligen Priesters jener Kapelle, welcher auch für seine Lebenszeit den vierten Theil der in dieser Kapelle dargebrachten Opfer genießen sollte 3 ). Aus diesen Urkunden geht also hervor, daß diese Kapelle schon von dem ersten Grafen von Schwerin, Gunzelin I., zur Begräbnißkapelle seines Hauses erwählt war und schon im J. 1218 in einem besonderen Ansehen stand, da sie reich beschenkt ward und nennenswerthe Opfer erhielt. Daß diese im J. 1218 erwähnte Begräbnißkapelle der Grafen von Schwerin die spätere Heilige=Bluts=Kapelle sei, geht aus den von Zeit zu Zeit auf einander folgenden Bestätigungen und Berufungen unwiderleglich hervor.

Die Kapelle besaß wahrscheinlich schon vor der Einführung des Heiligen=Blutes in dieselbe, einen heiligen Schatz. Denn am 29. Junii 1220 verlieh der Papst Honorius III. für die "neue Pflanzung",


1) Vgl. Jahrb. I, S. 201.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXXII; auch gedruckt in Lisch Meklenb. Urk. III, S. 59.
3) gl. Lisch Mekl. Urk. S. 61.
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die "junge Braut Christi" zu Schwerin, in welcher das "Sacrament unsers Herrn Jesu Christi nach dem frommen Glauben aufbewahrt" ward, auf Bitten des Grafen Heinrich, des "festen Vertheidigers der römischen Kirche", allen denen, welche am Grünen Donnerstage und an Christi Himmelfahrtsfeste die Kirche in frommer Andacht und mit Gaben besuchen würden, vollkommenen Ablaß, - denen, welche am Tage des Heiligen Veit und an den Festen Mariä Geburt und des Evangelisten Johannis, der beiden Schutzpatrone des Domes, in der Kirche fromme Andacht verrichten würden, Ablaß des dritten Theiles ihrer Sünden, und so fort für andere Feste mehr reichen Ablaß 1 ). Diese Bulle ward in der Folgezeit für die Heilige=Bluts=Kapelle in Anspruch genommen und wiederholt, namentlich am 22. Junii 1301, am 14. Junii 1479 und am 28. Sept. 1506, von den Päpsten bestätigt. Dieser Ablaßbrief ward ausdrücklich für ein im J. 1220 schon im Dome befindliches Heiligthum gegeben; würde sie für das Heilige=Blut, welches erst im J. 1222 dargebracht ward, verliehen sein, so würde dessen ohne Zweifel genauer und bestimmter Erwähnung geschehen. Vielleicht aber gab der Papst dem Grafen den Ablaßbrief schon im voraus zugleich mit der Anweisung auf das im gelobten Lande zu erwartende Geschenk des Heiligen=Blutes, welches der Cardinal Pelagius wohl nicht ohne Bewilligung des Papstes weggeben durfte. Der Graf Heinrich erhielt diesen Ablaßbrief ohne Zweifel in Rom auf seiner Durchreise nach dem Gelobten Lande.

In Palästina gewann nun der Graf Heinrich von Schwerin, welcher "dem Heiligen Lande zu Hülfe einem Kreuzzuge gegen die Heiden" sich angeschlossen hatte, mit großen Mühen und Kosten von dem Cardinale Pelagius, welcher dort apostolischer Legat war, "das in einen Jaspis eingeschlossene Blut unsers Herrn", also eine Art Gral 2 ), mit der Bedingung, diesen unvergleichlichen Schatz in einer Kirche bei einem Convent von Geistlichen niederzulegen, damit das Heiligthum ohne Unterbrechung verehrt werden könne. Da nun der Graf Heinrich zu der Kirche zu Schwerin eine besondere Zuneigung trug, weil "in ihr sein Vater und seine Brüder begraben lagen", so übergab er am Grünen Donnerstage in Gegenwart vieler Geistlichen und Weltlichen, welche der Andacht wegen her=


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXXIII, auch gedruckt in Lisch Meklenb. Urk. III, S. 65.
2) Man kann den Werth dieses Heiligen=Blutes am besten erkennen, wenn man bedenkt, daß die erhabensten Blüthen romantischen Epos jener Zeit sich um die Bewahrung des Heiligen Grals, Sanct Grals (sanguis regalis, des königlichen Blutes), einer wunderbaren Krystallschale mit dem Blute Christi, drehen.
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beigeströmt waren, dem Bischofe Brunward für den Dom das Heilige=Blut, welches in Processsion mit Gesängen und der größten Freude empfangen ward. Der Bischof aber bestimmte, daß fortan der Grüne Donnerstag für die ganze Geistlichkeit und das Volk des ganzen Bisthums Schwerin ein Festtag sein und der Jahrmarkt, welcher bisher am Grünen Donnerstage gehalten worden sei, am Tage vor diesem Feste 1 ) gehalten werden solle; es sollten ferner alljährlich an Christi Himmelfahrtsfeste alle Priester des Landes Schwerin mit ihren Reliquien und Beichtkindern zum Dome in Schwerin wallfahrten, wo dann dem ganzen Volke das Heilige=Blut zur Verehrung gezeigt werden solle; auch am Tage Kreuzeserhöhung solle das Heilige=Blut gezeigt, an jedem Freitage von dem Convent der Domkirche eine Messe vom Heiligen Kreuze gelesen werden. Der Bischof verpflichtete sich, für sich und seine Nachfolger, bei jeder Jahresfeier am Grünen Donnerstage persönlich den Dienst bei dem Heiligen=Blute zu verrichten und sich nur in unumgänglichen Nothfällen von einem anderen Bischofe, und wenn auch dieser nicht zu haben sei, von dem jedesmal anwesenden höchsten Prälaten des schweriner Domes vertreten zu lassen. Ueber die an den drei Festtagen bei Zeigung des Heiligen=Blutes geschenkten Opfergaben ward so bestimmt, daß ein Drittheil zum Bau eines Klosters, ein anderes Drittheil zum Unterhalt der Domherren, das dritte Drittheil in den nächsten drei Jahren zur Anschaffung von Büchern, von da aber zur Custodie, d. h. der Bauverwaltung des Domes, verwandt 2 ) werden solle. Dies alles bestimmte 3 ) der Bischof Brunward von Schwerin an demselben Grünen Donnerstage, welcher im J. 1222 auf den 31. März fiel, in Gegenwart des Abtes Matthäus von Doberan, des Dom=Propstes Hermann von Hamburg (ehemaligen zum Bischofe von Schwerin Erwählten und wahrscheinlich Grafen von Schwerin), des Dom=Propstes Conrad von Lübeck, des Kloster=Propstes Alverich von Sonnenkamp oder Neukloster, des Domherrn Friederich von Hildesheim (eines Bruders der Grafen


1) Nach der Reformation, im J. 1558, bestimmte der Herzog Johann Albrecht I. die Verlegung des Jahrmarktes auf den Montag vor Grünen Donnerstag ("Montag nach Palmarum"), weil durch die Abhaltung zu einer Zeit, wo man das Leiden und Sterben Christi zu bedenken habe, Uebelstand und Aergerniß angerichtet werde. - Die spätere Verlegung auf den Donnerstag vor dem Grünen Donnerstage, wahrscheinlich aus demselben Grunde, läßt sich nicht nachweisen. Durch die Bestimmung vom 4. Dec. 1846 ist dieser Jahrmarkt am Donnerstage vor dem Grünen Donnerstage beibehalten.
2) Nach dem Inventarium von 1537 - 1551 hatten damals die drei Schlüssel zu dem Heiligthume und dessen Schatze: der Rath der Stadt Schwerin, der Dom=Thesaurarius und der Kirchenbaumeister.
3) Vgl. Urk. Samml. XXXIV, auch Lisch Mekl. Urk. III, S. 72.
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von Schwerin und nachmaligen Bischofs von Schwerin), lauter Prälaten der vorzüglichsten, zu der Bildung des Landes im engern Verbande stehenden Stiftungen, so wie des Dom=Capitels von Schwerin und vieler anderer Zeugen.

Das Heilige Blut war ein in einen Jaspisstein 1 ) sorglich aufbewahrter rother Tropfen, oder, nach dem Glauben jener Zeit, ein Tropfen des Blutes Christi, welcher sich, so sagte man, jeden Freitag in der Todesstunde des Erlösers in drei Theile scheide 2 ) und an den Gläubigen hohe Wunder thue. Der Ruf von dem seltenen Kleinode und dessen Wunderthätigkeit durchflog bald die Länder nah und fern, wie die Kunde von den kühnen Thaten des Gebers, des Grafen Heinrich, welcher am 6. Mai 1223 den gewaltthätigen König Waldemar von Dänemark und dessen Sohn aus dem eigenen Lande gefangen nach Schwerin führte und endlich die dänische Macht brach, Europa in Erstaunen und Bewegung setzte. Aus allen Ländern strömten die Gläubigen herbei, Erleichterung zu finden, und dem Dome flossen Gaben aller Art zu; der König Ludwig IX. der Heilige von Frankreich sandte etwa um das Jahr 1260 dem Bischofe Rudolph (1249 - 1262), bald nach der Einweihung des Domes, einen Dorn von der Dornenkrone Christi 3 ) und der Erzbischof Johann V. von Riga verehrte 1396 dem Dome ein Stück vom Kreuze Christi 4 ) mit einem Ablasse.

Nachdem wegen des Heiligen Blutes zahllose Opfergaben auf den Altar gelegt wurden, ging es auch mit dem Bau der Domkirche rasch weiter und schon im J. 1248 konnte dieselbe eingeweiht werden. - Auch das zum Bau eines Klosters bestimmte Drittheil der Opfer war hinreichend, bald ein Kloster aufzuführen. Schon im J. 1236 war ein Franziskaner= oder Grau=Mönchen= oder Barfüßer=Kloster, das einzige in Schwerin,


1) Nach der Urkunde vom 31. März 1222: "dominicus sanguis in jaspide " diligentissime conservatus". Nach andern Nachrichten war es ein Krystall, in welchem das H. Blut, wie der Gral, aufbewahrt war. Nach dem Inventarium von 1537 - 1551 war es aber noch ein Jaspis.
2) Wie noch heute das Blut des H. Januarius zu Neapel.
3) Nach dem Inhaltsverzeichnisse des im 14. Jahrh. angefertigten großen Capitelbuches:

Ludouicus rex Francie confert ecclesie Suerinensi per Rudolphum episcopum spinam sancte corone domini.

4) Nach demselben Capitelbuche:

Johannes archiepiscopus Rigensis mittit ecclesie Suerinensi de ligno sancte crucis ad concedendas indulgentias.

Dan. Clandrian giebt eine Regeste der darüber redenden Urkunde:

"Johannes Erzbischoff zu Riga hat vff Dietrich von Funffhausen, Canonici zu Zwerin, Bitte von dem heiligen Holtze, so in der Rigeschen Kirche ist, ein Stuck der Kirchen zu Swerin bei demselben vberschicket, die es besuchen werden, vff 40 Tage ablaß vertrostet. Datum in Thoreyda 1396 sabbato post ascensionis domini."

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gegründet und im J. 1287 die Kirche zu demselben vollendet, da in diesem Jahre in derselben die Gräfin Audacia, des Grafen Heinrich I. Gemahlin, begraben ward. Die Kirche, welche als ein außerst schönes Bauwerk gerühmt wird, ward im J. 1554 zerstört und im J. 1557 ganz abgebrochen, um die Steine zu dem neuen Schloßbau zu benutzen; - im J. 1848 werden sie zum dritten Male bei dem neuen Schloßbaue zum Theil wieder vermauert! - Bei weltlichen Gebäuden ist in Meklenburg nicht immer von den Steinen auf das Alter der Gebäude zu schließen, da manches neuere Gebäude aus alten Klöstern aufgeführt ist. - Nach der Vollendung der Klosterkirche fiel das zum Bau derselben bestimmt gewesene Drittheil der Opfer beim Heil. Blute an den Bischof zurück.

Ueber hundert Jahre lang erfahren wir von dem Heiligen Blute nichts weiter, als die ruhige und sorgsame Fortentwickelung und Pflege des Instituts, welches sich fortwährend neuer Gaben zu erfreuen hatte. Da der berühmte Graf Gunzelin I. und mehrere seiner Kinder schon in den Jahren 1218 und 1222 in der Kapelle begraben lagen, so ist es mehr als wahrscheinlich, daß auch der Graf Heinrich I. und sein Bruder Friederich, welcher 1237 - 39 Bischof zu Schwerin war, daselbst begraben wurden und daß überhaupt die Heilige=Bluts=Kapelle die Hauptbegräbnißstätte der Grafen von Schwerin ward, wenn sich auch annehmen läßt, daß Glieder der Grafen=Familie auch in der Klosterkirche beigesetzt wurden. Von den alten Begräbnissen und den Gebeinen der Grafen von Schwerin ist aber überall jede Spur verschwunden.

Wenn auch der Dom im Jahre 1248 zur Benutzung hingegeben und geweihet werden konnte, so war der damals eröffnete Dom doch keineswegs das Gebäude mit den vielen hohen Fenstern und den äußern Schwebebogen, welches jetzt fertig dasteht; vielmehr hat die Kirche im Laufe der Zeit sicher bedeutende Erweiterungen erfahren. Es leidet nämlich keinen Zweifel, daß das Mittelschiff, das Kreuzschiff und die Seitenschiffe erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in ihrer jetzigen Gestalt angebauet wurden. In dem Geiste und dem Reichthume dieser Zeit lag die Aufführung der hochstrebenden Spitzbogen=Dome, und nicht wenige Kirchen haben sich eine Umgestaltung ihres Wesens gefallen lassen müssen. Es war der Bischof Fiederich II. von Bülow (1365 - 1375). welcher das Bisthum aus dem hundertjährigen Verfall seiner Verwaltung wieder aufrichtete und während der höchsten Entwickelung der deutschen Kunst des Spitzbogenstyls auch dem schweriner Dome im Wesentlichen seine jetzige Gestalt gab. Er baute nämlich die Seiten=

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schiffe 1 ) an den Dom, also das, was dem Gebäude einen großen Theil seiner Eigenthümlichkeit verleiht. Den Beweis dafür giebt sein Familienschild aus Messing, welcher über jeder der beiden Hauptpforten des südlichen Seitenschiffes befestigt ist. Die Wappenschilde sind jedesmal Zeichen des Bauherrn. So ließ sich z. B. der Erbauer eines jeden Theils der vor kurzem abgebrochenen Bischofsburg zu Warin, in Uebereinstimmung mit den Urkunden, an den angebrachten Wappenschildern erkennen. Wir haben ein Bauwerk zur genauen Vergleichung mit dem schweriner Dome, nämlich die bischöflich=schwerinsche Collegiat= Kirche zu Bützow, welche ebenfalls im Jahre 1248 erweitert und erst unter dem Bischofe Friederich II. in der Zeit von 1364 - 1375 vollendet ward. Dieser Bischof ließ diese Kirche ebenfalls bedeutend erhöhen und urkundlich an ihr einen neuen Chor mit polygonischem Chorschlusse und Umgang erbauen 2 ); deshalb ließ er an jedem äußern Strebepfeiler dasselbe v. bülow'sche Wappen anbringen, welches über den südlichen Pforten des schweriner Domes steht. Ein gleiches Schicksal erlitt der Dom zu Lübeck; von dem alten Rundbogenbau Heinrichs des Löwen aus dem 12. Jahrhundert steht nichts weiter mehr, als das innre Schiff; die Seitenschiffe sind im jüngern Spitzbogenstyle angebauet, und den Chor ließ der Bischof Heinrich von Bokholt (1317 - 1341) anbauen und brachte ihn ungefähr im Jahre 1335 zur Vollendung. Dieser Chor des lübecker Domes hat nun wieder die größte Aehnlichkeit mit dem Chore der Kirche zu Bützow. Es erging dem Dome zu Schwerin, wie der ihm ähnlichen Klosterkirche zu Doberan, welche ebenfalls zwei Male geweihet ward: einmal am 3. October 1232 (die consecrationis ecclesiae), als sie im Uebergangsstyle fertig war, und das zweite Mal ebenfalls von dem Bischofe Friederich II. am 4. Junius 1368, als ihr Umbau und ihre Einrichtung vollendet war (consecratio ecclesiae bene fundatae et edificiis perfectae) 3 ); beide Tage waren von der Gründung (dedicatio) völlig verschieden. Den Anbau der Seitenschiffe in der Zeit von 1365 - 1375 beweiset auch der Bau des links an der südöstlichen Pforte angebaueten Dom=Archives oder " Capitel=Hauses", welches nach glaubwürdigen


1) Daß zur Zeit des Bischofs Friederich II. an dem Dome stark gebauet ward, scheint durch urkundliche Nachrichten, wie folgende, außer Zweifel gesetzt werden zu können.

"Daniel der Steinhauer quitirt die Baumeistere der Kirchen zu Zwerin, daß er wegen Meister Peter Petzels Steinmetzen die bedingten 231 Mk. lüb. empfangen, anno 1380".

Nach Dan. Clandrians Verzeichniß der schwerinschen Urkunden.
2) Vgl. Jahrb. X, S. 304 flgd.; vgl. damit Jahrb. VIII, S. 5 flgd.
3) Vgl. Jahrb. X, S. 409 und 414.
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Nachrichten, zur Zeit der Anfertigung der großen Stiftsmatrikel, von dem Bischofe Friederich II. erbauet ist und mit dem Seitenschiffe in Mauerverband steht 1 ).

Einen fernern Beweis für den jüngern Bau der Seitenschiffe des Domes, wenn nicht der Styl schon deutlich genug redete, giebt endlich auch der Kreuzgang. Der Kreuzgang des Domes ist nicht alt. Es würde aber auffallend sein, daß ein so altes, wohlhabendes Stift keinen so alten Kreuzgang hätte, wie z. B. die Dome zu Ratzeburg und Lübeck, wenn nicht der Bau der Kirche den Bau des Kreuzganges hinausgeschoben hätte: die Kirche war lange Zeit hindurch nicht vollendet und deshalb ward auch kein Kreuzgang an dieselbe gelehnt. Wahrscheinlich ist das nördliche Seitenschiff etwas älter, als das südliche, und daher konnte man mit dem Bau des Kreuzganges auch eher beginnen, als das südliche Seitenschiff in Angriff genommen ward. Im Jahre 1328 stand nach einer Urkunde der Kreuzgang noch nicht, sondern an der Stelle desselben ein Kalkhaus; es ward jedoch die Absicht ausgesprochen, hier ein Schlafhaus (dormitorium seu refectorium) zu bauen. Es wird also wohl nicht lange darnach das Schlafhaus 2 ), der westliche Theil des Kreuzganges, welcher jetzt den Hörsaal des Gymnasiums und Dienerwohnungen enthält, erbauet sein. Nach der Vollendung der Seitenschiffe ließ im Jahre 1392 der damalige Dom=Schatz=meister Bernhard von Plessen 3 ) das Speisehaus oder das Refectorium, den östlichen Theil des Kreuzganges, welcher jetzt die Lehrzimmer des Gymnasiums enthält, an das Seitenschiff


1) Links an der südöstlichen Pforte des Domes steht eine schmale Seitenwand des "Capitelhauses", welche dicht neben der Pforte rechtwinklig in den Mauerverband des südlichen Seitenschiffes übergeht. In dieser Mauer haben einige Mauersteine in der 9ten Steinschicht von unten eingegrabene Zeichen, ähnlich den Steinmetzzeichen. Gleich links steht auf dem 4ten Steine von der Ecke die Bezeichnung [VII 7], auf dem 8ten Steine weiter in derselben Mauer die Bezeichnung [8 VIII 8] und unter diesem Steine ein Stein mit VIII; weiter über die Ecke hinaus an der Wand des Seitenschiffes [9], vorher am Strebepfeiler, der in der Ecke steht, auf einem Steine in einer Schicht höher, zwei Male [IX]. Dies sind wahrscheinlich Bezeichnungen für den Stand der Maurer beim Bau. Die römischen Ziffern tragen unverkennbar den Charakter der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die Verfertigung fällt sicher in eine Zeit, wo die arabischen Ziffern eingeführt wurden, also in dieselbe Zeit; daher setzte man noch beide Arten neben einander. - Dies sind die einzigen alten Schriftzeichen, welche in den Ziegeln des Domes bisher haben entdeckt werden können. - An den Thurmpfeilern des südlichen Kreuzschiffes stehen mehrere Namen, welche aber ungefähr im 16. Jahrhundert eingegraben sind.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXXIX.
3) Bernhard v. Plessen war schon im Jahre 1375 Domherr zu Schwerin (vgl. Lisch Urk. zur Gesch. des Geschl. Maltzan, II, Nr. 304) und starb im Jahre 1414, er liegt in der nordwestlichen Kapelle des Chorumganges, also neben dem Refectorium, begraben (vgl. Hederich Schwerin. Chronik S. 18), jedoch ist sein Leichenstein nicht mehr zu finden.
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lehnen 1 ). Der Bau des nördlichen Theils des Kreuzganges, des überwölbten Straßenganges, welcher in seinen obern Räumen jetzt die Bibliothek des Gymnasiums aufgenommen hat, ward erst unter dem Bischofe Werner (1458 - 1473) im Jahre 1463 in Angriff genommen 2 ) und unter dem Bischofe Conrad (1482 - 1503) vollendet 2 ).

Alle diese Umstände reden dafür, daß die Seitenschiffe des Domes gegen das Ende des 14. Jahrhunderts vollendet wurden. Und damit war der Dom noch nicht fertig: das Mittelschiff war noch nicht gewölbt. Dies mußten die Stralsunder um das Jahr 1430 wölben lassen, um sich aus dem Banne für die in einem Aufruhr im Jahre 1407 verbrannten Priester zu lösen 3 ). Die Baukunst war schon im Verfalle, als dies geschah; man sieht es an der leichtfertigen Ueberdachung der obern Fenster des Schiffes, welche bei der Wölbung des Mittelschiffes, statt mit einem Spitzbogen, mit einem stumpfwinkligen Dreieck überwölbt sind.


1) Ueber dem Eingangsthore zu dem Refectorium, dessen Gewölbe bei einer neuen Einrichtung der Lehrzimmer im Jahre 1834 ausgenommen wurden, stand, an der innern Seite, folgende alte Inschrift:
ANNO MCCCXCII
PRAESENS REFECTORIUM
PER DOMNUM BERNHARDUM
DE PLESSEN EST FORMATUM.
RENOVATUM
ANNO 1775
ANNO 1787
ANNO 1801. AO. 1818
ANNO 1833.
2) Nach dem von Dan. Candrian angefertigten Inhaltsverzeichnisse der schweriner Dom=Urkunden:

"Wernerus Bischoff zu Zwerin giebt den Personen des Capittels, so einen Vmbgang an der Kirche zu bawen angefangen vnd allen, so dazu helffen, 40 Tage Ablaß, anno 1463 sabbato ante dominicam Judica".

An der östlichen Durchgangsthür ist an der Außenwand des Bischofs Conrad Loste Wappen, in Stein gehauen, eingemauert.
2) Nach dem von Dan. Candrian angefertigten Inhaltsverzeichnisse der schweriner Dom=Urkunden:

"Wernerus Bischoff zu Zwerin giebt den Personen des Capittels, so einen Vmbgang an der Kirche zu bawen angefangen vnd allen, so dazu helffen, 40 Tage Ablaß, anno 1463 sabbato ante dominicam Judica".

An der östlichen Durchgangsthür ist an der Außenwand des Bischofs Conrad Loste Wappen, in Stein gehauen, eingemauert.
3) Hederich sagt in seiner schwerinschen Chronik S. 19:

"Die Wort am Ende des Gewelbes über der Orgel nach dem Glockenthurm lauteten also:
Jesus Maria. Dit Welffte ist vollenbracht von den pennigen der Sundischen, tho der Söhne der dreyer Prester halven, de se unschuldigen up ehren Marck vorbrennen lehten.
"Diese Worte seyn im 1560 Jahr, da die neue Orgel gebauet, mit Faren und andern gemelden überstrichen worden."

In Johann Berckmans (Stralsundischer Chronik, S. 7, wird berichtet:

"In 22 Jaren musten se dat gelt vthgeuenn Doctor Lowen tho Rostog woll bekannt, datt welffte im Dome tho Schwerin buwen. Dar steit noch hutiges dages mit grotenn rodenn bockstauenn angeschreuenn:
Dith hebben de Sundeschen mothen buwen, datt se de papenn vorbrantt haddenn."

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Die Bauten an der Domkirche während des 14. Jahrhunderts werden nun auch ohne Zweifel Einfluß auf die Heilige=Bluts=Kapelle gehabt haben. Wahrscheinlich war die architektonische Bildung des Umganges hinter dem Hochaltare in ältern Zeiten anders gestaltet, in den ältesten Zeiten wohl halbkreisförmig, darauf vielleicht dreiseitig. Stammte der jetzt noch stehende Bau aus der ersten Anlage, aus der Zeit der Dedication der Kirche (1171), so würde die Altartribüne halbkreisförmig ausgebauet sein, wie an den Kirchen zu Ratzeburg, Vietlübbe und Lübow, und mit einer halben Kuppel gewölbt sein, wie zu Ratzeburg und Lübow. In den darauf folgenden ersten Zeiten des Uebergangsstyls gab man dem Chore, welcher als ein eigenes, kleines Gebäude an die Ostseite der Kirche angesetzt ward, eine vierseitige Gestalt; die Mauer hinter dem Altare bildete also eine grade, rechtwinklig angesetzte Wand. Erst später schloß man die Altarseite dreiseitig, im 14. Jahrhundert vielseitig. - Bei dem Anbau der Seitenschiffe des schweriner Doms in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird nun auch der jetzige, spitzbogige Umgang hinter dem Chore erst seinen vielseitigen polygonischen Schluß und die Heilige=Bluts=Kapelle dadurch eine größere Ausdehnung erhalten haben. Eine Hindeutung hierauf giebt auch die von dem oben genannten Dom=Schatzmeister Bernhard von Plessen am Ende des 14.Jahrhunderts, gleich nach Vollendung der Seitenschiffe und des Refectoriums, ausgeführte neue Einrichtung und Ausschmückung der Heiligen=Bluts=Kapelle, welche wohl nach einem Umbaue vorgenommen ward. Hederich berichtet in seiner schwerinschen Chronik S. 18, zu dem Jahre 1400:

"Um diese Zeit (1400) ist die Capell des H. Bluts "mit den gemählden der Graffen zu Schwerin 1 ) sambt den donationibus, damit sie die Kirche zur Ehre Gottes von ihren Landgütern belehnet, von Bernhard von Plessen, des Stiffts Thesaurario und Baumeister, verzeichnet worden, da er kurtz zuvor 1392 zunegst dem Chor auch das Refectorium, itziger Zeit der Schulen Auditoria, gebauet, wie er dann zum Gedächtniß diese Worte an das Gewelbe in den einen Creutzgang nach der Kirchen schreiben lassen: A n mit Querstrich o MCCCXCII praesens Refectorium per Bernhardum de Plessen est for-


1) Ungefähr um dieselbe Zeit, im J. 1394, ließen die Rostocker in der Marien=Kirche unter der Kanzel ein Wandgemälde über die Vertheidigung ihrer vor Stockholm eingefroren gewesenen Schiffe ausführen. Vgl. Franck A. u. N. M. VIII, S. 52.
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matum. Er ist gestorben 1414 und liegt zur rechten des Chors gegen Nord=Osten begraben; den Stein hat man in Hertzog Christoffers Begräbniß auffnehmen müssen".

Das Andenken an die Heilige=Bluts=Kapelle war im 19. Jahrhundert völlig verwischt; man kannte weder den Namen, noch die Stelle derselben, ja der historische Sinn war so sehr abgestumpft, daß weder die Begebenheiten der Reformation in Schwerin, noch die großen Handlungen des Herzogs Johann Albrecht I. bekannt waren und Theilnahme fanden. Dazu kam, daß später die sogenannte Restauration des Domes die Denkmäler in der Kapelle bedeckte. Nach einer langen, für die Würde des Gottesdienstes nicht sehr empfänglichen und in verkehrter Kunstrichtung befangenen Zeit mochte die Säuberung der Kirchen allerdings nöthig sein. Auch die Restauration des Domes zu Schwerin, deren Hauptzweck "die Hebung des Gottesdienstes durch Verschönerung der Kirche" war, ward am 23. Februar 1811 beantragt. Da verhinderte der russische Feldzug, während dessen die Kirchen zu Futtermagazinen und Lagerplätzen benutzt wurden, einstweilen den Angriff des Unternehmens; desto eifriger betrieb man es sogleich nach Ueberwindung dieser schweren Zeit in den Jahren der größten patriotischen Aufregung. Seit dem Jahre 1813 wurden die Vorbereitungen eingleitet und im Jahre 1815 ward durch den Landbaumeister Barca zu Ludwigslust die Restauration ausgeführt, welche die freilich schon sehr des Schmucks entkleidete Kirche so nüchtern machte und mit dem geschmaklosen Gestühle füllte, auf dessen Fortschaffung man jetzt eifrig bedacht ist 1 ). Bei dieser sogenannten Restauration, bei welcher manche sogenannte "Kleinigkeiten und viel störender Zierrath 2 ) aus der papistischen Zeit", unter diesen die Chorstühle der Domherren, fortgeschafft, auch der Fußboden der Kirche in gleiche Fläche gelegt ist, ward auch die Heilige=Bluts=Kapelle mit einer rothbraunen, schwarz und weiß besprenkelten Farbe übertüncht, einer Decoration, welche zu der Würde des Ortes und der weißen Marmortafel mit der vergoldeten Inschrift schlecht genug stand. Im J. 1830 entdeckte ich unter dieser Tünche einige regelmäßige Umrisse in dem Kalkübersatz der beiden Seiten=Wände und nach Wegwischung der Tünche Malereien unter derselben. Forschungen im Archive


1) Die Zeit der Rehabilitirung des griechischen und römischen Baustyls im Anfange dieses Jahrhunderts eben so viel Nüchternes und Mageres in die Welt gebracht, als die voraufgehende Rococo=Zeit alles mit ungeschickter Ueberladung überfüllt hat; beides zu entfernen, hält oft schwer genug.
2) Dabei ist freilich leider manches alte Kunstwerk ganz entfernt und spurlos verschwunden.
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überzeugten mich bald, daß hier die Wandgemälde der Heiligen=Bluts=Kapelle verborgen seien. Ich veranlaßte daher im J. 1840, während der Vorbereitungen zum Musikfeste, nach sorgfältiger Prüfung der Art der Malerei, die Abwaschung der Wände, und es traten 8 mehr oder minder gut erhaltene, lebensgroße Bilder hervor, in denen 6 Grafen von Schwerin und 2 Herzoge von Meklenburg zu erkennen waren. Die von dem Dom=Thesaurarius Bernhard von Plessen um das Jahr 1400 mit Bildern gezierte Heilige=Bluts=Kapelle war also wieder entdeckt. In den Bildern waren der Herzog Albrecht II. (1363 - 1412), König von Schweden, ohne Zweifel auf den ersten Blick sicher und nach den Wappen der Herzog Johann II (1392 - 1417), unter welchen die Ausschmückung der Kapelle ausgeführt war, so wie nach den Wappen die Grafen von Schwerin zu erkennen. Es wurden nun im Archive zu Schwerin die beiden folgenden Verzeichnisse der Bilder entdeckt: das eine, Nr. I, welches aus dem alten Capitelbuche entlehnt ist und in der Abschrift wohl aus dem 15. Jahrh. stammt, nennt 6 Grafen von Schwerin und wiederholt 2 Grafen (Heinrich I und Helmold II) um 8 Personen herauszubringen; das andere Verzeichniß, Nr. II, aus einem Heberegister des 16. Jahrh. führt die 8 Personen richtig auf, nimmt aber auf die Bilder keine Rücksicht, sondern führt Schenkungen und Bilder in 11 Nummern auf, bei deren Zusammenziehung jedoch 8 Personen herauskommen. In alten Zeiten hatten die Bilder Unterschriften mit den Namen und Thaten der Personen gehabt, da Hederich 1 ) eine derselben mittheilt; durch einen neuern plump aufgetragenen Kalkputz, waren dieselben aber völlig vernichtet.

Die beiden folgenden Verzeichnisse stimmen nun auch mit der Geschichte des Heiligen=Blutes vollkommen überein.


1) Hederich sagt in seinem Index annalium ecclesiae Suerinensis, einem Inhaltsverzeichnisse der verloren gegangenen großen Stiftsmatrikel:

"Henricus I - - confert in Wittenforde ad erigendam capellam in Schelmone, fundatam circa annum 1238 (?); testatur idem iuscriptio ad effigiem ipsius in capella "sanguinis dominici."

Die Inschriften konnte v. Westphalen zum Theil noch lesen, da er in Mon. Ined. III, p. 1705 berichtet:

"Effigies VIII comitum Sverinensium in aedicula sancti sanguinis depictae, additis inscriptionibus, quarum tamen reliquiae saltem supersunt",

und dann die Bilder beschreibt.
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I.
Verzeichnis der Graffen von Schwerin, so in der heiligen Bluts Capell abconterfeiet sein im thumb zu Schwerin.

Aus dem 15. Jahrhundert.

1, [1] Comes Gunselinus (I) senior (1166 - 1187).

2, [4] Comes Heinricus (I) (1190 † 1228) sanguinem domini nostri Jesu Christi diligentissime conservavit, quem a domino Pelagio S. R. E. cardinali suis meritis obtinuit, praesentavit Brunwardo episcopo Suerinensi anno 1222 nono kal. Aprilis.
    [2] Comes Heinricus (I) fundavit capellam in Schelmone (1228).

3, [6] Comes Gunselinus (II) († 1221), filius Helmoldi (?), villam Medewege (1217) et Bandenisse (1220) dedit.

4, [3] Comes Gunselinus (III) (1228 † 1274) dedit XI mansos in Plathe (1249), Zcittekow (1251), Bralstorf (1262) cum omni iure.

5, [5] Comes Helmoldus (II) (1274 † 1299) vicariam in Gnevenhaven et vinum per totum comitatum dedit (1283).
    [8] Helmoldus praebendam in Rubow.

6, [7] Comes Hinricus (III) (1332 † 1332), filius Helmoldi, lumen ante altare Catharine dedit.


*) Von den Ziffern bezeichnen die arabischen Hauptziffern , die Zahl und Folge der Bilder, die in [ ] eingeschlossenen Ziffern die Zahl und die Reihenfolge der Absätze in den Originalen; in ( ) sind die Ziffern der Regentenfolge und die Jahreszahlen der Schenkungen hinzugefügt.

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II.

Aus dem 16. Jahrhundert.

1, [7] Comes Helmoldus (I) senior († 1190).

2, [6] Comes Hinricus (I) sanguinem domini nostri Jesu Christi in iaspide diligentissime consecravit, quod a domino Pelagio cardinali sanctae Romanae ecclesiae suis meritis obtinuit, praesentatum Brunewardo episcopo Szwerinensi anno domini MCCXXII nonas kalendas Aprilis.
    [8] Comes Hinricus (I) sanguinem portans capellam in Schelmone fundavit.

3, [3] Comes Guncelinus (II), filius Helmoldi (?), villam Medewege et villam Bandenisse dedit.

4, [9] Comes Guncelinus (III) de XI mansis in Plate, Citkowe, Bralstorpe cum omni iure dedit.

5, [2] Comes Helmoldus (II) vicariam in Gnevenhagen, vinum per totum comitatum dedit.
    [5] Comes Helmoldus prebendam in Rubowe dedit.

6, [4] Comes Hinricus (III), filius Helmoldi, lumen ante altare Katherine dedit.
    [11] Comes Hinricus (III) vicariam in Brotlyn (1322), refectionale et mansos pro memoria dedit.

7, [10] Albertus (II) (1363 † 1412) dei gratia Szweorum Gotorumque rex, dux Mechapolensis, comes Suerinensis.

8, [1] Johannes (II) (1392 † 1417), dux Megapolensis, comes Szwerinensis, Rostock, Stargardiae dominus.

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Nach dem historischen Charakter der Personen und der Aufeinanderfolge in diesen Verzeichnissen stellten die Bilder folgende Personen dar:

4) Graf Heinrich I.       4) Graf Gunzelin I.
3) Graf Gunzelin III. 3) Graf Gunzelin II.
2) Graf Helmold II. 2) Graf Heinrich III.
1) Herzog Johann II. 1) König Albrecht II.
links rechts
von dem Beschauer.

Bei dem Werthe dieser Gemälde nicht nur für die Geschichte des Domes, sondern auch für die Kunst= und Sittengeschichte, beschloß der hochselige Großherzog Paul Friederich die Restaurirung der Bilder und ließ dieselbe durch den verstorbenen Maler Fischer im Sommer des J. 1841 unter meiner Leitung ausführen.

Als nach dem Tode seines unvergeßlichen Vaters der regierende Großherzog Friederich Franz II. die Heilige=Bluts=Kapelle im J. 1842 wieder zur Begräbnißgruft für das Fürstenhaus wählte und angemessen auszustatten beschloß, wurden bei der Beisetzung des hochseligen Landesherrn die Bilder einstweilen durch eine Decoration verhängt. Bei der Vollendung der Gruft und der Bekleidung der Wände mit Granitplatten im J. 1847 mußte der Kalkputz und mit diesem die bildliche Darstellung abgeschlagen werden. Die Bilder wurden jedoch zuvor in mehrfachen Größen durch den Hofmaler Schumacher durchaus getreu und schön copirt und diese Copien im großherzoglichen Archive niedergelegt.

Bei dieser Gelegenheit ward aber eine überraschende Entdeckung gemacht. Bei dem Begräbnisse des Herzogs Johann Albrecht I. war an die Hinterwand der Kapelle eine große weiße Marmortafel mit einer Inschrift auf den Herzog befestigt. Als diese Tafel im J. 1847 abgenommen und in eine benachbarte Kapelle versetzt ward, fanden sich unter einem jüngern Kalkputz auf dieser mittlern Hinterwand noch 4 Bilder von gleicher Größe, den andern ähnlich. Diese Bilder waren schon sehr zerstört, jedoch waren die Personen noch deutlich zu erkennen. Die beiden äußersten Figuren trugen die gräflich=schwerinsche Fahne und den quergetheilten Schild der Grafen von Schwerin; die mittlere Figur links trug eine Krone, die mittlere rechts den bezeichnenden rothen Mantel, wie der König Albrecht. Hieraus dürfte sich der Schluß ziehen lassen, daß die 8 Bilder an den Seitenwänden nicht mehr die erste Malerei, sondern Copien von ältern Bildern waren, welche früher in anderer Ordnung standen und bei einer neuen Einrichtung auf eine andere

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Stelle übertragen wurden. Dazu stimmt denn auch wohl, daß die Bilder, so sehr sie auch den alten Charakter trugen, in neuerer Oelmalerei ausgeführt waren, und daß sich in den Wappen einige aus neueren Zeiten stammende heraldische Hypothesen fanden, wie z. B. die Anbringung eines ringhaltenden Armes auf dem Schilde des Grafen Heinrich III. von Schwerin, der zweiten Figur rechts zunächst bei dem Könige Albrecht. Ueberdies war an vielen Stellen eine doppelte Conturenzeichnung in schwarz zu erkennen, und hiedurch wird jedenfalls wenigstens eine Restauration in älterer Zeit wahrscheinlich.

Durch Hülfe dieser alten Bilder und der über dieselben vorhandenen Verzeichnisse läßt sich nun in Grundlage der glücklicher Weise noch geretteten Urkunden eine ziemlich genaue Darstellung der Verfassung und des Einkommens der Heiligen=Bluts=Kapelle geben.

Schon am 2. Juli 1217 schenkten die Grafen Gunzelin II. und Heinrich I. dem Domkapitel zu Schwerin die Dörfer Rubow und Medewege 1 ), um mit den Hebungen aus diesen Dörfern eine neue Domherrenstelle zu gründen, deren Besitzer außer seinen gewöhnlichen Diensten täglich eine Seelenmesse in der Kapelle, in welcher die Grafen von Schwerin begraben lagen, lesen sollte; am 3. Mai 1218 ordnete der Bischof Brunward diese Schenkung 2 ). Dieser Dienst in der Kapelle, welche bald darauf das Heilige=Blut aufnahm, gehörte nicht zur Verherrlichung des Heil=Blutes und wird mit der Zeit wohl ganz aufgehört haben.

Am Grünen Donnerstage den 31. März 1222 brachte der Graf Heinrich I. der Kapelle das Heilige Blut dar und der Bischof Brunward bestimmte ein Drittheil der Opfergaben für die Domherren; denn diese mußten ohne Zweifel damals den Dienst bei dem Heiligthume verrichten, da der Bischof festsetzte, daß an den Tagen, an welchen dasselbe dem Volke gezeigt ward, der ganze Convent in der Kapelle Messe lesen, ja der Bischof selbst an jedem Grünen Donnerstage bei dem Gottesdienste gegenwärtig sein solle. Der ungewöhnlich reiche Ablaß 3 ), welchen der Papst Honorius III. schon im voraus am 29. Junius 1220 der Kapelle ertheilt hatte, vermehrte die Opfergaben sicher bedeutend. Am 16. April 1228 schenkten der Graf Heinrich I. und seine Gemahlin Audacia dem Kloster zu Stade eine jährliche Hebung von 9 Scheffel Erbsen aus dem Dorfe Bellahn in Verehrung des von ihm dargebrachten Heiligen


1) Vgl. Lisch Mekl. Urk. III, Nr. XIII.
2) Vgl. das. Nr. XIV und unten Urk. Samml. Nr. XXXII.
3) Vgl. Lisch Meklb. Urk. III, Nr. XVI und unten Urk. Samml. Nr. XXXIII.
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Blutes 1 ), vielleicht um das Ansehen des Heiligthumes auch nach außen hin zu heben und die Wallfahrten zu befördern. Ueberdies richtete der Graf in und bei Schwerin alles ein, was zu einer vollständigen katholischen Begehung der Feier des Heiligen Blutes gehörte. So hatte er auch einen Jerusalemsberg zur Procession eingerichtet auf der letzten Höhe der Vorstadt am ostorfer See, vom Schießhause bis an den See, wo später der Jägerhof stand; dieser Berg sollte nach des Grafen Ausmessung von der Stadt oder der Heiligen=Bluts=Kapelle eben so weit sein, als der Berg Golgatha von der Stadt Jerusalem: die Höhe war von dem Grafen mit Wein 2 ) bepflanzt und in diesem Zustande noch im J. 1531 erhalten.

Bei dem Zudrange der Gläubigen und der Vermehrung der Geschäfte des Dom=Capitels mochte den Domherren der Dienst in der Heiligen=Bluts=Kapelle beschwerlich fallen und das Grafenhaus dessen Vernachlässigung fürchten. Daher befestigte der Graf Gunzelin III. den täglichen Gottesdienst in der Kapelle und stiftete am 23. October 1274 eine Vikarei 3 ) zur Ehre des Heiligen Blutes mit dem Eigenthum der Pächte aus 10 Hufen des Dorfes Brötelin, jetzt Prötlin in der Mark Brandenburg, südlich von Grabow gelegen, welches damals zur Grafschaft Schwerin gehörte; dabei legte er dem jedesmaligen Vikar die Pflicht auf, die Gedächtnißtage der Glieder der Grafenfamilie zu feiern. Im J. 1322 verkaufte der Knappe Gerhard von Gartow dem beständigen Vikar Heinrich Frese an der Heiligen=Bluts=Kapelle und dessen Nachfolgern zu diesen 10 Hufen eine "Schneidelkuh", d. h. das Recht eine Kuh zur Weide anschneiden (jetzt anschreiben) zu lassen, und des Grafen Gunzelin III. Enkel, der Graf Heinrich III., empfing am 20. November 1322 die Auflassung dieses Verkaufes 4 ). Diese in Brötelin fundirte Vikarei ist bis zur Reformation immer die Hauptstütze der Kapelle gewesen 5 ). Am 22. Junius 1301 gab der Papst Bonifacius VIII. einen neuen Ablaß für diejenigen, welche die Kirche jährlich am


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXXV. Am 6. März 1327 bestätigte der Graf Gunzelin VI. diese Schenkung; vgl. Urk. Samml. Nr. XXXVIII.
2) Auch das Dom=Capitel hatte schon im 13. Jahrhunderte zwei Weinberge auf der Schelfe, an der jetzigen Bergstraße oder dem Stephansberge. Der Weinstock war bekanntlich eine heilige Pflanze im "Weinberge des Herrn", wie die christliche Kirche sehr häufig genannt wird. Noch gegenwärtig grünen Reben an dem ehemaligen Jerusalemsberg, obgeich dort nur ärmliche Wohnungen stehen.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXXVI.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXXVII.
5) Bei der Visitation am 21. Aug. 1553 wird berichtet:

"Capella cruoris Christi. In des heiligen Bluts Capelle ist ein Altar. Comites Swerinenses fundatores. Redditus sunt in villa Brötelyn."

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Feste der Himmelfahrt Christi von der ersten Vesper bis zur zweiten besuchen würden, und dem Dom=Capitel die Befugniß, dann sieben Priester zum Beichtehören abzuordnen.

Im J. 1341 stiftete das Dom=Capitel ein ewiges Licht aus den Hebungen des Dorfes Crempin, welches das Capitel von dem Kloster Eismar gekauft hatte 1 ).

Außer der Restaurirung und Ausschmückung der Kapelle am Ende des 14. Jahrh. Durch den Dom=Thesaurarius Bernhard von Plessen erfahren wir nun bis zum Anfange des 16. Jahrh. von der Heiligen=Bluts=Kapelle nichts weiter, als daß der Papst Sixtus IV. am 14. Junii 1479 auf Bitte der Herzoge Albrecht, Magnus und Balthasar unter Bestätigung des alten Ablasses neuen Ablaß für diejenigen verlieh, welche die das Heilige Blut bewahrende Kirche an den Festen der Geburt Mariä und der Gründung (dedicationis) der Kirche besuchen würden.

Den ersten Stoß erlitt die Heilige=Bluts=Kapelle durch die "Marterung des Heiligen Sacramentes" durch die Juden zu Sternberg im J. 1492 und durch dessen Verehrung in der daselbst erbaueten Heiligen=Bluts=Kapelle. Dieses neue Heiligthum that viele bis dahin unerhörte Wunder, und Sternberg ward auf kurze Zeit einer der berühmtesten Wallfahrtsorte. Daß dadurch das "Heilige Blut" zu Schwerin bedeutend leiden mußte, ist klar;.jedoch hatte das Dom=Capitel weislich dafür gesorgt, daß ein Drittheil der sternberger Opfergaben an die Domkirche zu Schwerin fallen solle 2 ).

Um aber das Heilige Blut zu Schwerin nicht zu sehr sinken zu lassen, erwirkte der schweriner Dompropst und nachmalige Bischof Peter Wolkow, damals päpstlicher Secretair, von dem Papste Julius II. am 28. Sept. 1506, unter Bestätigung des alten Ablasses, neuen Ablaß für den Dom zu Schwerin für alle diejenigen, welche die Kirche an den Festen Mariä Geburt, Aller Heiligen, Petri und Pauli und der Kirchweihe (dedicationis) besuchen würden.

Die vollständige Verfassung der Heiligen=Bluts=Kapelle ergiebt sich nur aus den Visitationen bei der Aufhebung der Kapelle. Die Kapelle hatte einen beständigen Vikar (vicarium perpetuum), welcher die Hebungen aus Brötelin genoß. Außerdem besaß die Kapelle noch Lehen für zwei Priester für außerordentliche, jedoch feste Dienste, welche ihre Hebungen aus dem Zoll


1) In der über das 1339 angekaufte Gut erlassenen Anordnung des Bischofs Heinrich vom J. 1341 wird fundirt

"lumen perpetuum ante locum, in quo in ipsa ecclesia Suerinennsi preciosus sanguis Christi reconditur."

2) Vgl. Jahrb. XII, S. 228 flgd.
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der Stadt Grevismühlen und der Casse der Stadt Hagenow bezogen; über diese Hebungen besitzen wir keine Nachricht. Ferner waren vier Horisten mit einem "Gesellen" angestellt, welche täglich die sieben Zeiten von dem Leiden Christi zu singen hatten; diese hatten keine festen Einkünfte, sondern wurden, jeder mit 10 Mark jährlich, von den Herzogen aus der Hand besoldet. Auch über diese Anordnung ist keine Stiftungsnachricht bekannt geworden; vielleicht ward sie von dem Herzoge Magnus gegründet.

Aus dieser Darstellung geht hervor, daß die Bilder in der Heiligen=Bluts=Kapelle nicht die gräflichen Wohlthäter der Kapelle allein, sondern auch des Domes überhaupt darstellten. Als Wohlthäter der Kapelle sind bei den Bildern nur aufgeführt der Graf Heinrich I. und der Graf Heinrich III., welchem dazu irrthümlich die Stiftung der Vikarei aus Brötelin und der schon von dem Grafen Gunzelin II. (1217) gestifteten Lampe vor dem Katharinen - Altare 1 zugeschrieben ist. Denn die aufgeführten Schenkungen der Dörfer Medewege 1 (1217) und Bandenitz 2 ) (1220) durch den Grafen Gunzelin II., die Schenkungen in Plate (1249), Zittow (1251) und Bralstorf (1262) durch Gunzelin III. und die Stiftungen in Grevenhagen durch Helmold II. 3 ) (1283) kamen dem Dome überhaupt zu gute. Der Graf Gunzelin III., der Stifter der Vikarei aus Brötelin, ist gar nicht aufgeführt, und der Graf Gunzelin I. (oder Helmold I.) und die Herzoge Albrecht und Johann sind nur als historisch=merkwürdige und gleichzeitig lebende Personen aufgenommen.

Es dauerte aber nicht lange, so konnten weder eifrige Predigten, noch päpstliche Bullen die Menschen mehr zur Verehrung des Heiligen Blutes heranlocken. Die Reformation vernichtete jeden "Götzendienst" im Lande. Zwar war Schwerin grade nicht einer der ersten Orte in Meklenburg, in denen die lutherische Lehre gepredigt ward, weil die Stadt nur eine Kirche hatte und diese im Besitze eines bischöflichen Dom=Capitels und einer sehr zahlreichen niedern Geistlichkeit war, welche an 48 Altären den Gottesdienst verwaltete; aber für eine bischöfliche Stadt ward Schwerin früh genug lutherisch. Der Herzog Heinrich der Friedfertige von Meklenburg=Schwerin beförderte, trotz des Widerstrebens seines Bruders Albrecht von Meklenburg=Güstrow, die lutherische Lehre aus Ueberzeugung mit Nachdruck, wenn auch mit Vorsicht und Mäßigung, und sein Sohn, der junge, gebildete schweriner Bischof


1) Vgl. Lisch Mekl. Urk III, Nr. XIII und XIV.
1) Vgl. Lisch Mekl. Urk III, Nr. XIII und XIV.
2) Vgl. Das. Nr. XVII.
3) Vgl. Rudloff Urk. Lief. Nr. XLII.
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Magnus war von dem größten Abscheu gegen den Trug und Schein der katholischen Geistlichkeit erfüllt. Schon im J. 1526 hatte der Herzog den lutherischen Prädicanten Martin, den Oberländer, aus dem sächsischen Erzgebirge gebürtig, nach Schwerin berufen; dieser mußte sich jedoch darauf beschränken, das Evangelium vor dem Stadtthore in der Kapelle des St. Georgen=Hospitals oder unter den Linden des Rosengartens zu predigen. Aber im J. 1529 berief der Herzog den Magister Egidius Faber, aus Ungarn gebürtig, von Wittenberg zum Hofprädicanten und Geschäftsführer für die in der Ausbildung begriffene lutherische Kirche seines Landes. Dieser feurige Mann, ein so ächter Schüler Luthers und ihm so ähnlich im Ausdruck seiner Worte, wie wenige Andere, griff sogleich die papistische Abgötterei mit Muth und Schärfe und allen Waffen einer empörten Seele an. Schon im J. 1533 erschien von ihm, zu Wittenberg gedruckt, das zornerfüllte Buch: "Vom falschen Blut und Abgott im Thum zu Schwerin, mit einer schönen Vorrede Doctor Martin Luthers, widder die Lugen prediger, so mit erlogenem Heiligen blute und erdichten Mirakeln das volck verfüren von Gottes worte," ein höchst merkwürdiges Buch, ganz in Luthers Geist und Weise verfaßt. So heißt es z. B. darin: "Das Blut Jhesu Christi ist von art und natur krefftig genug widder die sunde, helle, tod, teuffel, wellt etc. . Darumb weil der Bapst dis blut mit seinem Ablas beschmeisset, bezeuget er widder sich, das er ein bube in der haut ist, mit allem seinem anhang, und da mit nicht der seelen seligkeit, sondern seinen nutz suche. Aber der Teuffel sucht etwas anders, Nemlich gedacht er, Wolan, ich wil zu Schwerin einen trödelmarck auffrichten und etwan für geben eine farb, wie da sey Christus blut, das der Bapst mit Ablas mild und reichlich sol bestetigen, das gemeine, einfeltig, ungelert volck vom glauben auf werck und eigen verdienst zu füren, und heuffet zulauffe mit gelt, silber, golt, weitzen, koren, flachs, butter etc. ., meine müssige seubeuch zu mesten, bis das ich sie schlacht und abthue, mein reich mehre und Christus reich schweche und besetze, denn ich bin ein Fürst der wellt, ich wil keinem frembden vergönnen in meinem reich zu herschen etc. . Das aber der Teuffel des syns ist, findest du ein warzeichen bey dem blut, Nemlich, Eine grosse wag hangen, dar auff die krancken so hülffe begeren zu finden bey dem blut, sich wegen lassen, und nach dem gewicht ires leibs "von den gütern, der sie am meisten vermögen, opffern müssen, unangesehen du werdest gesund odder nicht. Es gehe die weil den armen, elenden, krancken, wie es wölle, sol die heilosen, geistlosen veter nichts irren, da sehen sie nicht auff, on allein

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auff iren Baal, das ist auff den Bauch, dar auff all ir Gottes dienst gericht ist, der gilt bey in mehr, denn Christus ir erlöser, So vol ablas ist dis blut, das nicht allein den bilgeram, sondern den Pfaffen geholffen wird, und da durch trost finden, Es mag wol heißen ein wunderlich blut, weil es so mild, krefftig und gnadenreich ist, und die heiligen, wirdigen veter so frölich macht, des der teuffel wol lachen möchte" u. s. w.

Zu derselben Zeit redete nicht minder kräftig gegen das Heilige Blut zu Sternberg 1 ) der dortige Reformator Faustinus Labes, den Egidius Faber mit aller Kraft zu stützen und anzufeuern suchte.

Zwar beschwerte sich am 20. Nov. 1533 das schweriner Dom=Capitel bei dem Herzoge Heinrich: "Der predikanten eyn Egidius Faber hefft vpp dat hillige blodt, welcker von dusser loffliken fursten vorfaren in der kerken Zwerin gebracht, eyn schandtbock gemakett, dar inne he datt capitel personen der kerken ahngript myt schme unde schandtworden." Aber der Herzog antwortete hierauf ächt lutherisch: "So vil das Buch belangt, so Egdius Fabri uff das hillige Bluth zu Swerin hat außgehen lassen und dar in das Capittel mit schmehe und schandtworten angegriffen haben sol, hieruff erbieten sich seine fürstliche gnadt, wo imandts beweisen wirdt, das etwas ungotlichs und der heiligen schrifft nicht gemeß in selbien Buch geschrieben ist, oder deshalben mit Ern Egidien sich underreden wolte, sol er dartzu gestattet werden, und wo er Er Egidium mit der warheit und heyligen schrifft deßhalb seinen Irthumb antzeigen und überwynden wirt, wil sein f. g. Ern Egigium gepurlicher weise darumb wissen zu weysen."

Die Männer Gottes erreichten auch sehr bald ihr Ziel vollständig: die Wallfahrten zum Heiligen Blute hörten auf. Schon um Ostern 1532 hatte der Capellan zu Sternberg geklagt, daß dort bei dem Heiligen Blute kein Opfer mehr komme.

In dem Jahre 1538 ließ zu Schwerin das Dom=Capitel ein Inventarium der in der Kapelle zuletzt aufgehefteten Weihgeschenke aus edlem Metall aufnehmen und dasselbe im J. 1542 revidiren 2 ).

Da nun aber das Heilige Blut im Dome zu Schwerin in der That um alles Ansehen gekommen war und der Besuch der Kapelle aufgehört hatte, so ließ der Herzog Heinrich um Johannis 1540 durch seinen Küchenmeister Paschen Gustävel die in fürstlichem Solde stehenden Horisten=Priester der Heiligen=Bluts=Kapelle


1) Vgl. Jahrb. XII, S. 244 flgd.
2) Vgl. das Inventarium von 1537 - 1551 im Anhange.
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auf Michaelis d. J. kündigen 1 ) und dabei den Befehl ergehen, daß das Singen und Lesen in der Kapelle fortan gänzlich aufhören solle.

Die mit stehenden Hebungen gegründeten Hauptstellen bestanden freilich fort. Noch am 12. October 1540 präsentirte der Herzog Albrecht dem Capitel zu Schwerin zur Commende in der Kapelle des Heil. Blutes seinen Hof=Capellan Johann Jorden 2 ) und nach der Visitation vom Jahre 1553 waren noch Domherren im Besitze der Pfründen 3 ).

Es werden aber bald nach dem Jahre 1540 die Wallfahrten zu dem Heiligen Blute aufgehört haben, da im Jahre 1542 die drei Schlüssel zu demselben nicht mehr in den Händen der drei berechtigten Behörden waren, sondern beim Sacristan in der Gerwekammer (in der Sacristei) lagen 4 ).

Es wird hier am rechten Orte sein, eine Schilderung 4 ) der Heiligen=Bluts=Kapelle, wie sie beim Aufhören des katholischen Kirchendienstes eingerichtet war, zu geben. An den beiden Seitenwänden standen die acht gemalten, lebensgroßen Bildnisse der fürstlichen Wohlthäter der Kapelle und des Domes. Im Hintergrunde an der Mittelwand stand hinter einer ewigen Lampe der Altar, und auf demselben ein silbernes, vergoldetes Christusbild, welches die beiden Arme zum Preise der Auferstehung ("ad gloriam resurrectionis") empor streckte und an der Stelle des Herzens einen Jaspis trug, welcher das Heilige Blut enthalten sollte. Daneben stand ein Marienbild in rothem Sammetmantel. Zu den Seiten des Altars waren zwei seidene Tücher aufgehängt, auf welche die Weihgeschenke aus edlem Metalle, wie silberne Beine, Arme, Augen, Herzen, aufgeheftet waren. Die Kapelle war mit einem hohen Gitter verschlossen; am Eingange stand der "Block" für die Opfergaben.

So lange der Herzog Heinrich der Friedfertige lebte, ward jedes Aufsehen und jeder Schein von Gewaltthätigkeit vermieden. Kaum hatte er aber am 6. Febr. 1552 die Augen geschlossen, so griff der junge, geistreiche und hochgebildete Herzog Johann Albrecht I die Sachen mit ungewöhnlicher Kraft an und führte eine völlig


1) Vgl. den Brief von 1540 im Anhange. Der hier genannte Paschen war Paschen Gustävel, fürstlicher Küchenmeister und Amtmann, welcher von dem Herzoge Heinrich bei den Säcularisirungs=Geschäften viel gebraucht ward. So führte er das Geschäft der Säcularisirung der Johanniter=Priorei Eixen aus; vgl. Jahrb. I, S. 58,und V, S. 219. Vielleicht waren die 30 Mark Orbör aus Hagenow, welche ihm, nach Jahrb. I, S. 58, Not. 1, im J. 1527 verliehen wurden, die Einkünfte einer Commende, welche nach dem Verzeichniß von 1553 zur Heiligen=Bluts=Kapelle gehörte.
2) Nach Dan. Clandrians Verzeichniß der schwerinschen Stiftsbriefe Fol. 202 b.
3) Vgl. im Anhange das Verzeichniß der Altäre vom J. 1553.
4) Vgl. das Inventarium von 1537 - 1551 im Anhange.
4) Vgl. das Inventarium von 1537 - 1551 im Anhange.
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neue Zeit über Meklenburg herbei. Vorzüglich aber weihte er sich zunächst fast ganz der Ausbildung und Befestigung der lutherischen Kirche. Zuerst und sogleich "reformirte er den Dom zu Schwerin mit Abschaffung päpstlicher Abgötterei und ordnete darin zwei reine Lehrer des heiligen Evangelii" 1 ), den bisherigen lutherischen Prädicanten (1539 und 1547) Joachim Kükenbieter und den Hofprediger (1549) Ernst Rottmann, des Herzogs "lieben Beichtvater", zu Dompredigern. Sofort nach dieser Anordnung ließ der Herzog durch Joachim Kükenbieter, Paschen Gustävel und andere das Christusbild aus der Kapelle nehmen, den Stein ausbrechen und im Feuer ausbrennen 2 ). Das Lehn mit den Einkünften aus Hagenow, welches bis dahin Paschen Gustävel besessen hatte, verlieh jetzt der Herzog dem Prediger Joachim Kükenbieter.

Dann beschloß der Herzog Johann Albrecht, die Heilige=Bluts=Kapelle, welche doch immer große historische Bedeutung hatte, zum fürstlichen Begräbnisse einzurichten und sich hierin von dem Kloster Doberan zu wenden, dessen Ende am 7. März 1552 erfolgte. Er gab Befehl zur Anrichtung eines Grabgewölbes: die erste Leiche, welche dieses aufnahm, war die des Herzogs Heinrich des Friedfertigen. In demselben Monat März 1552 ließ der jüngere Bruder des Herzogs Johann Albrecht, der Herzog Ulrich, als Postulat des Bisthums Schwerin, alle silbernen Bilder, Gefäße und die besten Meßgewänder aus dem schweriner Dome nach seiner Residenz Bützow führen 3 ), wo sie zu Gelde gemacht wurden. Hiemit und mit dem Bau des Begräbnißgewölbes verschwand, mit Ausnahme der Wandgemälde, jede Spur von der Verehrung des Heiligen Blutes.

Kaum hatte Johann Albrecht nach seines Oheims Heinrich Tode die nothwendigsten Regierungsmaaßregeln genommen, als er schon im Anfange des Monats März zur "Rettung des deutschen Vaterlandes Freiheit und zum Schutze der reinen Religion" den übrigen Fürsten des Lochauer Bündnisses mit seinem Bruder Georg, dem Prinzen Wilhelm von Braunschweig und 600 Reitern zuzog, nach der muthvollen Erstürmung der Ehrenburger Clause durch den Prinzen Georg, mit den Verbündeten den Kaiser Carl V. auf dem denkwürdigen Zuge durch Tyrol jagte und am 26. Mai zu Passau zu den bekannten Friedensverhandlungen zwang. Leider ward der Prinz Georg ein Opfer dieses Feldzuges: am 20. Julius riß ihm bei der Belagerung von Frankfurt eine Kanonenkugel das rechte Bein fort und tödtete


1) Vgl. Hederich Schwerin. Chron. S. 34.
2) Vgl. Hederich a. a. O. und den Bericht vom 7 März 1583 im Anhange.
3) Vgl. des Iventarium von 1537 - 1551 im Anhange.
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in Folge dieser Verwundung den jungen, heldenmüthigen Fürsten. Am 7. August 1552 nahm die Fürstengruft unter der Heiligen=Bluts=Kapelle seine Leiche auf.

Auch der weise, hochherzige Herzog Johann Albrecht I. fand im J. 1576 seine Ruhe in der von ihm erbaueten Gruft und ihm folgten in dieselbe seine ungewöhnlich edle Gemahlin Anna Sophia und seine beiden Söhne Johann und Sigismund August.

Nach der Beisetzung ließ der Herzog Johann seinem Vater eine Inschrift auf einer weißen Marmortafel in der Kapelle aufrichten; dieselbe ist jetzt in der südlichen Neben=Kapelle an der Mittelwand befestigt. Außerdem stand in frühern Zeiten an der Mittelwand der Heiligen=Bluts=Kapelle noch ein "Epitaphium" 1 ), welches ohne Zweifel eine Reliefwerk war; es ist seit langer Zeit spurlos verschwunden. Vielleicht war es zum Gedächtniß der Herzoge Heinrich und Georg 2 ) von dem Herzoge Johann Albrecht errichtet In einem Dom=Inventarium vom J. 1663 heißt es: "Hinter dem Chor hinterm Altar eine fürstliche Begräbniß, darüber ein großes steinernes Epitaphium 1 ), worauff in Persohnengröße 2 fürstliche Persohnen auf den Knien sitzen, für sich einen Helm oder Sturmhaube vnd 2 Handtschue habende, vnd ist zwischen denselben in der Höhe ein Crucifix, vnd an den seiten 8 Persohnen gemahlet, Vmb derselben ein gitterwerck, so vnten mit Steinen gemauret vnd oben Meßing, dafür 2 Thüren, davon die eine doppelt mit Hängen vnd Schlössern versehen, vnd lieget für der einen Thür zum eingange des Kellers ein Leichstein, woran 4 eiserne Ringe. (Die andere an der Nordenseite, worüber ein Monumentum aufgerichtet, darauff 2 fürstliche Persohnen Menschengröße auf den Knien, so Hertzog Christoff vnd dessen Gemahlin sein sollen etc. .").

Mit der Erbauung der Fürstengruft unter der ehemaligen Heiligen. Bluts=Kapelle im J. 1552 begann für die Stelle derselben eine zweite Periode in ihrer Geschichte. Ein Bericht über dieselbe wird jetzt nicht geringere Theilnahme in Anspruch nehmen, als die Geschichte des "Heiligen Blutes".

Eine beim Bau der neuen Fürstengruft 1845 - 1847 angestellte genaue Untersuchung vermag die neuere Geschichte dieser merkwürdigen Stelle in ein ganz helles Licht zu setzen.


1) Die frei stehenden Bildsäulen des Herzogs Christoph und seiner Gemahlin in der nördlichen Seiten=Kapelle werden in demselben Inventarium zum Unterschiede ein "Monumentum" genannt.
2) In der Renterei=Rechnung vom J. 1557 heißt es: "40 Thaler dem Bildschnitzer, "auf das Epitaphium vor H. Jürgen seligen 10, vnd 30 für das Bilde Charitas in bein geschnitten, am 3 Augusti, Schwerin".
1) Die frei stehenden Bildsäulen des Herzogs Christoph und seiner Gemahlin in der nördlichen Seiten=Kapelle werden in demselben Inventarium zum Unterschiede ein "Monumentum" genannt.
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Schon vor der Erbauung der Fürstengruft vom J. 1552 hatte der Herzog Heinrich der Friedfertige seine zweite, im J. 1524 gestorbene Gemahlin Helena von der Pfalz hinter dem Altare beisetzen lassen. Ueber ihrem Grabe ließ er ein schönes Epitaphium mit einer Inschrift und den meklenburgischen und pfälzischen Wappen errichten, welches der berühmte "Rothgießer Peter Vischer" in Erz gegossen hatte 1 ); dieses Epitaphium war bis zum J. 1845 an der Rückwand der Altarmauer befestigt. Da im J. 1524 noch kein Grabgewölbe unter der Heiligen=Bluts=Kapelle war, so wird die Fürstin vor dem Heiligen=Bluts=Altare, in dem Umgange, unter dem Epitaphium, nach alter Weise in die Erde begraben sein. Daher sagt auch Hederich 2 ) ganz richtig: "1524. Frau Helena wird in die Thumkirche hinder dem Chor unter des vermeinten heiligen Bluts Capel in die Erde gesetzt". Durch den Ban der Fürstengruft im J. 1552 und durch die vielen ausgemauerten Begräbnisse, welche die Einwohner Schwerins in den folgenden Jahrhunderten in dem ganzen Umgange dicht bei einander machen ließen, wie die Aufgrabung des ganzen Grundes hinter dem hohen Chore im J. 1845 zeigte, ist aber die Ruhe der Herzogin schon in ältern Zeiten gestört und von ihren Gebeinen keine Spur mehr gefunden.

Beim Bau des neuen Altars im J. 1846 ist das bronzene Epitaphium an den südlichen Pfeiler des Umganges neben der Pforte befestigt und ihr in Glas gemaltes Wappen in das gegenüberstehende Fenster der südlichen Chorkapelle eingesetzt; dieselbe Kapelle nahm zugleich die Marmortafel zum Andenken des Herzogs Johann Albrecht I. und die beiden herrlichen Messingplatten von den Gräbern der schweriner Bischöfe aus der Familie v. Bülow auf, welche bis dahin vor dem Altare lagen.

In der nördlichen Chorkapelle, unter den beiden Bildsäulen des Herzogs Christoph und seiner Gemahlin, ruht in einem ausgemauerten Begräbnisse der Herzog Christoph. Die Leiche liegt in einem zugelötheten zinnernen Sarge; der äußere Sarg von Holz ist zerfallen. In demselben Grabgewölbe ist die Princessin Anna Sophia, des Herzogs Johann Tochter, im J. 1648 beigesetzt; ihr großer, mit Sammt beschlagener, hölzerner Sarg trägt die Inschrift:

V. G. G. A. S.
H. Z. M. F.
ANNO
1648

1) Vgl. Jahrb. des Vereins III, S. 159.
2) Vgl. Hederich Schwerin. Chron. S. 26.
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(d. i. Von Gottes Gnaden Anna Sophia Herzogin Zu Meklenburg Fräulein Anno 1648).

Von den Leichen der Grafen von Schwerin ist längst jede Spur verschwunden. Es fand sich bei der Aufgrabung des ganzen Umganges hinter dem Chore auch nicht die geringste Spur von alten Begräbnissen, da der ganze Raum von ausgemauerten Grüften neuerer Zeit gefüllt war.

Die im J. 1552 erbauete Fürstengruft nahm genau den Raum unter der Heiligen=Bluts=Kapelle ein und konnte grade 6 Särge für Leichen erwachsener Personen neben einander fassen: es standen jedoch 7 Särge in der Gruft, da die beiden hintersten Särge auf einander gestellt waren. Und 7 erwachsene fürstliche Personen sind auch nach den Acten und sonstigen Nachrichten in dieser Gruft beigesetzt. Es fanden sich in der Gruft keine andere Spuren von Nachrichten, als folgende Reste einer Inschrift, welche mit lateinischen Unzialen des 16. Jahrh. neben dem Eingange auf die Wand gemalt war:

VICKE BVLOW - -       - -OFFER VON BERREN
MATHIAS VEREGG - - - - - -
DIETRICH MO - - - - - -
OTTO MO. T.. N - - ALBRECHT - - BAW
CVRT SE - - - MEISTER. 27. IAR

Diese Inschrift läßt sich noch nicht in allen Theilen erklären. Wahrscheinlich ward sie beim Bau der Gruft im J. 1552 verfertigt, da der Landrath Dietrich Mo[ltzan] auf Grubenhagen um diese Zeit wirkte.

Die Särge standen in der Reihenfolge, in welcher sie beigesetzt waren, und diese Reihenfolge war der vorzüglichste Anhaltspunct zu ihrer Erkennung. Es fanden sich die Leichen folgender fürstlichen Personen, mit deren Ermittelung und Umsargung ich im J. 1845 Allerhöchsten Ortes betrauet war:

1) Herzog Heinrich der Friedfertige († 6. Febr. 1552); die Leiche lag in einem zerfallenen hölzernen Sarge und zeigte nichts weiter, als das ziemlich große Gerippe.

2) Herzog Georg († 20. Julii 1552); die Leiche war in einem hölzernen Sarge in ungelöschten Kalk 1 ) gepackt, da sie im Sommer von Frankfurt a. M. nach Schwerin gebracht ward; da der Sarg zerfallen war, so erschien der Inhalt desselben als eine feste Kalkbank, in welcher die Gebeine lagen. Dem rechten Oberschenkelknochen fehlte das untere Drittheil; das Ende


1) "Unctus tamen et conditus deductus fuit ad majorum suorum sepulturam," heißt es in Arnoldi Vita Mauritii elect. Saxon. in Mencken script., nach Krey's Beitr. Bd. II, S. 50.
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des Knochens war zersplittert; die Unterschenkelbeine mit dem Fuße lagen zusammengetrocknet in dem Sarge. Es ist also das abgeschossene Bein zu der Leiche in den Sarg gelegt worden.

Diese beiden Särge standen im Hintergrunde der Gruft auf einander; der Sarg des Herzogs Georg, als der schwerere, stand unten.

3) Herzogin Anna († 1567), Herzogs Albrecht des Schönen Gemahlin, Tochter des Kurfürsten Joachim von Brandenburg, Mutter des Herzogs Johann Albrecht I. Es war in dem zerfallenen Sarge nichts weiter vorhanden, als ein kleines, ohne Zweifel weibliches Gerippe.

Diese drei ersten Särge waren einfache, hölzerne Kisten mit plattem Deckel und eisernen Ringen.

Dann folgten zwei gleich ausgerüstete hölzerne Särge mit spitzem Deckel, neben welchen noch Blechtafeln mit den gemalten meklenburgischen und brandenburgischen Wappen lagen; diese Särge bargen die Leichen des Herzogs Johann Albrecht I. und seiner Gemahlin Anna Sophie.

4) Herzog Johann Albrecht I. († 1576). In dem sehr langen Sarge lag die Leiche in ein grobes, linnenes Tuch, das ",Leichentuch", gewickelt, in Kräuter gepackt und noch sehr gut erhalten. Beim Oeffnen des Sarges waren die bekannten Züge des gefeierten Fürsten auf den ersten Blick erkennbar; sein schmaler und kurzer, bräunlicher Lippen= und Kinnbart saß völlig ungestört. Die Leiche war ungewöhnlich lang; sie maß vom Scheitel bis zu den Fersen 7 Fuß 1 Zoll hamburger Maaß: dies stimmt ganz zu den Bildern des Herzogs, welche ihn alle in einer sehr bedeutenden Größe darstellen.

5) Herzogin Anna Sophie († 1591), des Herzogs Johann Albrecht I. Gemahlin, des Herzogs Albrecht I. von Preußen edle Tochter. Die Leiche war in jeder Hinsicht ganz so bestattet, wie die ihres Gemahls, und wohl erhalten; sie war sehr klein, 5 Fuß 2 Zoll hamburger Maaß vom Scheitel bis zu den Fersen, und ganz ungewöhnlich fein und zierlich, vorzüglich an Händen und Füßen: namentlich waren die frei stehenden Füße ohne gleichen klein.

Diese fünf Leichen zeigten keine Spur von Kleidung oder Schmuck und man sah nur die der Reformationszeit eigenthümliche und rührende Verachtung alles Irdischen im Tode: ein ganz schlichter, hölzerner, mitunter wohl mit Leder benagelter Sarg und ein grobes, linnenes Laken zur Umhüllung waren selbst für Fürsten genug. Hier war wahr gemacht, was der letzte stargardische Herzog Ulrich in der Todesstunde († 1471) ausrief:

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"O Gott, wie hat man gekämpft und gerannt um vier Bretter und ein Leinengewand".

Die beiden hierauf folgenden Särge der Söhne des Herzogs Johann Albrecht waren von Zinn, mit plattem Deckel.

6) Herzog Johann († 1592) lag in einem zugelötheten, dünnen zinnernen Sarge, welcher in einem hölzernen Sarge stand. Der zinnerne Sarg, welcher nicht geöffnet ward, hatte die gravirte Inschrift:

I. H. Z. M.
1592.

7) Herzog Sigismund August († 1600). Die Leiche lag in einem hölzernen Sarge, welcher in einem großen, starken zinnernen Sarge stand. Der platte Deckel des zinnernen Sarges war zum größern Theile gestohlen; der übrig gebliebene Rest enthielt aber von der gravirten Inschrift noch die Worte

- - - - MEGAPOLENSIUM etc.
- - - - NOVEMBRIS: HORA: II:
- - 5 SEPTEMBRIS: CIRCITER:
ANNO: 1600.

Diese Leiche war schon in schwarzer Hoftracht von Sammt und Seide auf seidenen Kissen in den Sarg gelegt.

Nach diesen Beobachtungen ruhen in der Gruft die nächsten Stammältern des jetzt regierenden Fürstenhauses aus der Zeit der Reformation, die Fürsten der Reformation in der Kirche und im Staate. In Beziehung auf die Familienverhältnisse kann man die Gruft die Familiengruft des Herzogs Johann Albrecht I., des bedeutendsten Fürsten Meklenburgs, nennen; denn es ruhen 1 ) in ihr


1) In den Mon. ined. III, p. 1704 - 5, sagt v. Westphalen irrthümlich, daß auch der Herzog Ulrich unter der Heiligen=Bluts=Kapelle liege und der Herzog Johann Albrecht in einem kupfernen Sarge ruhe:

"Sub qua ("heilige Bluts=Capelle") reliquiae ducis Jo. Alberti quiescunt in sarcophago cupreo, ibidem et ossa aliorum principum Megapol. sexus utriusque recondita sunt. Et inter haec episcopi et ducis Ulrici I, Nestoris dicti, qui obiit a. 1590. d. XIV Martii".

Der Herzog Ulrich ist mit seiner Familie bekanntlich in der Domkirche zu Güstrow begraben; die Gruft führt jetzt den Namen Dormitorium Ulricianum.
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Stammtafel

Hiemit war die Gruft gefüllt, jedoch ward sie ungefähr hundert Jahre später noch ein Mal benutzt, indem sie in sehr drückender Zeit die in den Jahren von 1641 - 1655 jung gestorbenen 5 Kinder des Herzogs Adolph Friederich I. aufnahm, deren Särge auf die großen Särge gestellt wurden; es wurden hier folgende fünf Prinzen und Prinzessinnen beigesetzt:

1) Bernhard Sigismund, † 1641, 3/4 Jahr alt;
2) Auguste, † 1644, 3/4 Jahr alt;
3) Adolph Ernst, † 1651, 2 Monate alt;
4) Heinrich Wilhelm, † 1653, 1/2 Jahr alt;
5) Philipp Ludwig, † 1655, 3 1/2 Jahre alt.

Ein trauriges Denkmal des viel geprüften, wackern Herzogs Adolph Friederich!

Zwei hundert Jahre waren verronnen, seit die Landesherren zuletzt die Todtenbahre zur Heiligen=Bluts=Kapelle begleitet hatten, die Thränen, welche den Entschlafenen geweiht wurden, waren längst getrocknet und sogar ihr Andenken bei dem Volke längst verschwunden, als in einer großen und glücklichen Zeit ein unerwartetes Ereigniß die Herzen aller Meklenburger tief ergriff und die nassen Augen wieder auf die Gruft Johann Albrechts lenkte: der vielgeliebte Großherzog Paul Friederich starb unerwartet nach fünfjähriger Regierung am 7. März 1842 in der vollen Kraft seines Lebens und der Fülle seiner anregenden und beglückenden Thätigkeit. Er hatte gewünscht, unter seinen Schwerinern zu ruhen. Noch im Sommer 1840 hatte der freundliche Herrscher unter den Vorbereitungen zum Musikfeste die Säuberung des Doms, den er mit einem höhern Thurme zu zieren ge=

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dachte, betrieben, und die Restaurirung des Monumentes auf dem Grabe des Herzogs Christoph veranlaßt, und darauf die Restaurirung der bei dieser Gelegenheit wieder entdeckten Wandgemälde in der Heiligen=Bluts=Kapelle am 12. März 1841 angeordnet, wohl nicht ahnend, wie bald Er seine Ruhe an dieser Stelle finden sollte.

In verehrungsvoller Betrachtung der segensreichen Wirksamkeit Seines erlauchten Vaters für das Vaterland und besonders für die Stadt Schwerin, wohin derselbe wieder die Residenz der Landesherren verlegt hatte, und in richtiger Würdigung der geschichtlichen Bedeutsamkeit des Domes zu Schwerin erwählte der jetzt regierende Großherzog Friedrich Franz II., welcher in einem Alter von 19 Jahren die schweren Schritte zum Throne hatte lenken müssen, Allerhöchstselbst die Heilige=Bluts=Kapelle wieder zur Begräbnißstätte für das großherzogliche Haus und traf solche Anordnungen zur Einrichtung dieser Kapelle, welche ihrer Bedeutung und dem Andenken seines heimgegangenen Vaters würdig waren, und zugleich zur erhebenden Ausschmückung 1 )der herrlichen Kirche. Es ward das untere Grabgewölbe, in welcher die Familie des Herzogs Johann Albrecht I. und die fünf Kinder des Herzogs Adolph Friederich I. lagen, bedeutend, und so viel es der alte Bau gestattete, erweitert und um zwei damit zusammenhangende, weite Gewölbe, zu beiden Seiten des Mittelgewölbes, vermehrt. Die alten fürstlichen Leichen, welche unter der Heiligen=Bluts=Kapelle standen, wurden in Folge Allerhöchsten ehrenden Auftrages durch mich ganz in derselben Weise, wie sie bestattet gewesen waren, umgesargt und nach Vollendung der Gewölbe am 3. Novbr. 1845 wieder in die Mittelgruft an dieselbe Stelle gesetzt, wo sie gestanden hatten. Die drei Fenster der Heiligen=Bluts=Kapelle wurden, unter Leitung des Cabinets=Raths Prosch, mit Glas=Gemälden geschmückt, welche der großherzogliche Glasmaler Gillmeister zu Schwerin vortrefflich ausführte. Die meisterhaften Cartons dazu lieferte der berühmte Maler Cornelius zu Berlin. In Beziehung zu der alten Geschichte der Kapelle und mit Hindeutung auf ihre neueste Bestimmung steht im Mittelfenster, gegen Osten, als Schlußstein des Christenthums, der zum Himmel fahrende Erlöser, dessen Bild auch in alten Zeiten auf dem Altare unter dem Fenster gestanden hatte ("in gloriam resurrectionis"), und zu beiden Seiten in Verklärung die Mutter Maria und der Evangelist Johannes, welche auch die


1) Die nähere Würdigung und Darstellung der neuen Ausschmückung der Heiligen=Bluts=Kapelle muß einer besonderen Darstellung überlassen bleiben. Hier sollte nur der geschichtliche Verlauf kurz angegeben werden.
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alten Schutzheiligen des Domes waren. In den beiden Seitenfenstern stehen zu beiden Seiten zunächst am Mittelfenster die Apostel Petrus und Paulus, als Repräsentanten des neuen Testaments, zu äußerst Moses (neben Petrus) und Jesaias (neben Paulus), als Repräsentanten des alten Testaments. Diese Fenster waren zu Weihnacht 1845 vollendet. Die Baulichkeiten wurden unter der Leitung des Hofbauraths Demmler und des Bau=Conducteurs Willebrand ausgeführt. Die Wände der Kapelle, von denen die alten Bilder abgeschlagen werden mußten, von denen jedoch mehrere durchaus getreue Copien im Archive niedergelegt sind, wurden mit großen, auf der großherzoglichen Schleifmühle zu Schwerin geschliffenen Platten von meklenburgischem Granit und Verzierungen aus Bronze bekleidet. Der vertiefte Boden der Kapelle ward mit schwarzen und weißen Marmorplatten belegt. Endlich ward die Kapelle wieder durch das alte, treffliche Messinggitter, welches passende neue Verzierungen erhalten hatte, geschlossen. Im Sommer des Jahres 1847 war der ganze Bau vollendet und der Sarg des hochseligen Großherzogs Paul Friederich wieder in die also würdig ausgestattete Kapelle gesetzt.

Im Einklange mit dieser Ausrüstung ließ der Großherzog Friederich Franz vor der Kapelle auch einen neuen Hochaltar bauen, dessen großen Schrein der Tischlermeister Christiansen zu Schwerin ausführte. Das ausgezeichnete Gemälde, die Kreuzigung Christi darstellend, ist von dem Hofmaler G. Lenthe d. J. Der Altarbau ward zu gleicher Zeit mit den Gemälden vollendet.

Dies ist die Geschichte der Heiligen=Bluts=Kapelle, so ernst und bedeutungsvoll, wie kaum die Geschichte einer andern Stelle im Vaterlande, geweiht dem wehmüthigen Andenken des Volkes für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und wie die Kapelle vor 600 und vor 300 Jahren die Wendepuncte der Geschichte bezeichnete, so steht sie jetzt wieder bezeichnend am Anfangspuncte einer neuen, großen Zeit.


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Anhang.

Nr. 1.

Die Horisten=Priester der Heiligen=Bluts Kepelle im Dome zu Schwerin bitten die Herzoge von Meklenburg, da ihnen ihr Dienst von dem Herzoge Heinrich aufgekündigt ist, um Erklärung über ihre Fernere Stellung.

D. d. 1540 (um Johannis).

Durchluchtigenn, hochgebornen Fursten, gnedigen heren. Iwen furstliken gnaden ßynt vnnse gantz willige, gehorsame denste mitt allem flite vorahn bereit. Gnedigen fursten vnnde heren. Alse vnser armen prester twe tho twen malen I. f. g. heren bruders des eynen kokemester Paschen alhir to Schwerin vmme vnse jarbetzoldinge, wo wy beth an her vth I. f. g. dhomkercken hilligen bludes capellen, dar inne men dagelicks die VII tide van lydende Christi singt, erlanget, ahngesproken vnnd mhonden, hefft he vns dusse anthwort gegeuen, dat wy beth up Michaelis dusses XL jars scholden vnnse dingk wachten, dar vor wolde he vns datt nhastendige mittem bedageten tzolde alles bethalen, ouers darnha vth sunderligen beuhell ßins g. h. hertogen Hinrichs tho Megklenborch etc. . scholden wy vns ßodans capellen singens vnnd lesens henuorth gentzlich entholden etc. . Gnedigenn fursten vnnd heren, wyle gedachten hilligen bludes capellen ceremonien von I. f. g. hochmilder gedechtnisse vorfaren tho langen jaren von grauen tho fursten beth vp dusse tidt, dar tho wy arme diener prester verordenet, im schwange gegangenn, wolden wy als denne vndertheniges bitts vnnd begerendes von I. f. g. (dennes sampt vnnd besunderen belanget) gnediglick belernet ßyn, wo wy vns in gemelter ahnkunde, schwere vngnade tho vorhuden, furder hebben vnnde regiren schollen. Datt bringt I. f. g. by godt vnuorgenglich lon, by iderm christgelouigen priß, ehr vnnd loff. Dar neffenst willen wy armen prester ßodans wedder vmme by deme

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suluigen neffenst vnserm innigen gebede vorschulden vnnd vordenenn.

                             I. f. g.

vndertenige capellan                    
hilligen bludes capellen prester
im dhome tho Tzwerin.     

Den durchluchtigen, hochgebornen fursten vnnd heren, heren Henrichen vnnd heren Albrechten, hertogen tho Megklenborch, fursten tho Wenden, grauen tho Tzwerin, der lande Rostogk vnnd Stargardt heren, vnsern gnedigen heren vndertheniglich.

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin.


Nr. 2.

Verzeichnuß
der Thumbhern zu Schwerin
einkommen.


Thezaurarius

Er Nikolaus Kopke coram adest.

Vicaria in Brotelin. Fundatores Guncelinus cum filio Henrico, comites Swerinenses.
Patroni et collatores principes Megapolenses.

Rustici annuos redditus soluentes hii qui sequuntur

mit Dienstgelde.
Clawes Rauen  IIII    gulden    VIII    ßl.
Achim Heise IIII    gulden VIII    ßl.
Hans Stöhppelrauen           IIII    gulden VIII    ßl.
Achim Tide II    gulden IIII    ßl.
Achim Gude II    gulden IIII    ßl.
Achim Molman II    gulden IIII    ßl.
N. Molmhan II    gulden IIII    ßl.
21   fl. 16 ßl.

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Nr. 3.

Inventarium sacrarum rerum
ad cultum diuinum cathedralis ecclesie
Tzwerinensis atque ad alios usus
eiusdem ecclesie spectantium
et pertinentium
per Andream Bekerher dicte ecclesie
capituli schribam
sub anno 1537 - 1551.


- - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

In capella Cruoris Christi.
(1542.)

Item ein suluern verguldet saluatoris bilde, dat syne beiden hande ad gloriam resurrectionis vphelt vnde wiset eynen Jaspis in der brust gewracht hebbende, dar inne (wo men glofflick daruon schrifft vnde secht) dat blodt Christi entholden, daruor drie grote heldenn schlote gelegen, der suluen wandages dat eyne die Stadt to Tzwerin, dat ander die Dhombs Thesaurarius, dat drudde der kerken bwmester geschlaten, vpt lateste bym sacristen in der Gerwtkamer alle drie befunden. Anno vt supra (1542).

Wes in die capella cruoris Christi geoffert is Anno vt supra 1538 ok wo folgt beschreuen worden et presentibus verbis est:
Int erste vp eynen syden doeck gehefftet ist:

Eyne grote sulueren plate, dar inn des hilligen blodes gewonlike Bilde gestekenn.

Item noch drie geringer vherkantede suluern stucke
Item I wit herte mit viff kleinen von binnen.


*) Anmerkung des Schreibers:
Anno 1552 de mense Marcii Hertogh Ulrich to Mekelnburch der kerken Tzwerin postulaten hefft alle dusse kelcke mit allen subern bilden, cappen, die besten vnd ohre bretzen, und die besten casulen nha Butzow furen laten, in der Gerwekamer to Tzwerin, affuit Pentze Henning probst, doctor Drachstedt, Hermann Mundt et Andreas Bekerher.

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Ein grot suluern bhen vnde I kleyner.
Ein klein suluern arm.
Noch III suluern oge.
Item II suluern kleyne herte.
Item II witte kleine knops.
Item I klein suluern hillige bludts bilde.
Item ein herte innen verguldeter plate.
Noch 31 verguldete spengeken klein vnde groter.

Vp eynem andern blawen doke gehefftet:

Item IX suluern herte engeliker grote.
Item noch 21 vornemste suluern stucke.
Noch 1 grot verguldet herte.
Item IIII par ogen.
Item 44 verguldete spangen vnde spengeken.
Noch I suluern ringeken vnde knopken.
Noch ein verguldet platken, dar vp I cruce.

Vp Marien roden sammats Mantell.

In der suluen Cappellen gebrucklich gehefftet:

XIII Junckfern bindeken.
III chorallen schnor, die I ein suluern ringeken, die ander I suluern ringk mit eynem Jacob in suluer gefatet hefft.
En suluern verguldet span, darup VI knopken.
Noch I suluern verguldete krone mit VI lilien mit II stenken, ethliker mathe geströfflich schamphirt.
Item benedden II parlete byndekenn.


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Nr. 4.

Vorzeichnus
der Altar
und
derselbigenn zugehorigen Lehen
im Thumb zu Swerin
21 Augusti Anno 1553.


1. Capella cruoris Christi.

In des heiligenn Bluts Capelle ist ein Althar

Comites Suerinensis Fundatores,
Principes Megaloburgenses collatores.

Er Nicolaus Kopke Thumbher zu Swerin presens est possessor.

Redditus sunt in villa Brötelyn, wie oben vortzeichnett.

Das ander Lehen hat Er Munth gehatt, die borunge sindt

In telonio Greuismolens.
Vaciert nun, die brieue vnd jura daruff ligen in der Geruekammer

Die furstenn habenn zun horis, so in der Capellen gesungen wordenn, alle Jar auß der handt was geben lassenn.

Der horisten sindt viere gewesen vnd ein geselle, der horisten hat jeder jerlich X marck vnd der geselle funff marck bekommen.

Die licht vnd lampen seint aus dem offertorio aus den becken vnd stockenn getzeuget wordenn.

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
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39. In sacello clauso Sanguinis Christi collatores principes Megapolenses.

Er Jochim Kukenbieter pastor Swerinensis possessor redditus sunt situati in Hagenow.

Hat die Register vbergeben.


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Nr. 5.

Bericht was vor Nachrichtung vns vom heiligen Blut vnd dessen ankunfft bey der Kirchen zu Schwerin vorhanden vnd vns daruon sonsten bewust.

D. d. Schwerin. 1583. März 7.


Comes Henricus sanguinem domini nostri Jesu Christi in jaspide diligentissime conseruauit, quod a domino Pelagio sanctae Romanae ecclesiae cardenali suis meritis obtinuit, praesentat Brunwardo episcopo Schuerinensi anno domini 1222, II calendas Aprilis.

Das offergelt, welchs daruon gefallen, ist in 3 theil getheilet worden, Ein theil ist kommen in des hern Bischoffs Cammer, Ein theil ist vnter die Personen des Capittels getheilet, Das vbrige ist zur Structur der Kirchen gelegt worden.

Des fnde ich hieruon kein schrifftliche nachrichtung, allein was die alten Vicarien berichten, viel weniger ist es zu finden, was es ein Jhar wol muge getragen haben, Dan es ist auff allen offerfesten, der jehrlich 3 als auff Natiuitatis Mariae, Ascensionis Domini vnd Die Corporis Christi gehalten worden sein, also balte ausgetheilet vnd darin jeder theil geburet verordenet, das kein sonderliche Register daruber gehalten worden, doch ists eine gemeine sage, das es ein grosses soll jherlich getragen haben.

Das folgende Jhar nach Hertzogk Hinrichen hochmilder gedechtnus dottlichem abgange, als Hertzogk Johan Albrecht etc. . den Thumb ingenommen, hat her Kükenbieter, Paschen Gustefhell vnd andere das bilt, darein das heilige Blut vorwaret gewesen, aus der Kirchen gethan etc. . darmit dan diesse Walfart aufgehorret.

Von der Sternebergischen Walfart hat der Bischoff oder Capittel zu Schwerin nichts gehabt, sondern ist alles daselbst zum Sterneberge zu der Structur gelegt vnd verordenet worden, daran auch die Clerisey daselbst ettwas soll gehabt haben.

Der auch E. f. g. neben diessem ferner zu wissen begereten, was nicht allein ausserhalb, sondern auch innerhalb Stiffts vnd Furstenthumb Meckelenburgk in vorschienen, jedoch gedencklichen Jharen dem Stiffte Schwerin abgangen, soll I. f. g. solches auff derselben gnedigs erfurderent vndertheniglich mitgetheilet werden, Dan I. f. g. in diessen vnd anderen vnterthenige vnd gehorsamb

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Dienste zu erzeigen, bin nicht allein ich, sondern auch ein gantzes ehrwurdiges Thumb Capittell schuldig, willich vnd erbottich.

Datum Schwerin Montagk nach Reminiscere Anno 83.

Ottho Wackerbartth
Capitularis daselbst.

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin. Unter der Unterschrift steht von des herzoglichen Raths Niebur Hand:

(Otto Wackerbarth) hat diessen extract aus des capittels in Schwerin matricull in v. g. h. hertzogen Vlrichen zu Meklenburg Cantzelei eingeschicket im martio ao. 1583.

 

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V.

Zur Geschichte des Landes Röbel,

von

G. C. F. Lisch.


Verpfändung des Landes Röbel seit 1362.

U nter dem Titel "Mecklenburg=Warensche Händel 1362" führt Rudloff in seiner Mecklenb. Geschichte II, S. 451, einige abgerissene, vereinzelte Thatsachen auf, ohne dies Mal eine "pragmatische" Entwickelung nachzuweisen. Es ist freilich noch nicht möglich, das ganz zu leisten, was Rudloff vermissen läßt; aber es werden einige reichhaltigere Andeutungen aus den Original=Urkunden des schweriner Archivs den nicht unwichtigen Zusammenhang und Verlauf in ein helleres Licht zu setzen vermögen und zugleich Aufklärungen über Gegenstände geben, deren Erforschung von besonderem Interesse ist.

Seit dem Tode der ersten Stifter der vier wendischen Fürstenhäuser des jetzigen Meklenburgs strebte die ältere Linie von Meklenburg (des Landes der Obotriten) stets nach einem Einflusse über die andern Linien. Die Linie Parchim=Richenberg gab schon in der ersten Generation ihr landesherrliches Recht auf und starb schon in der zweiten Generation im J. 1315 aus; die Linie Rostock erlosch zu gleicher Zeit im J. 1314. Meklenburg errang Rostock ganz und einen bequem gelegenen Theil von Richenberg. Das Fürstenhaus Werle wehrte sich lange, denn die beiden kräftigen Fürsten Nikolaus I. und Nikolaus II. übten in den schwierigsten Zeiten der ältern Geschichte Meklenburgs eine geistige Suprematie im ganzen Lande; als aber Nikolaus II. im J. 1316 gestorben war und fortwährende Landestheilungen das Land und die oft schwachen Fürsten schwächten, war der Einfluß Meklenburgs auf Werle nicht mehr abzuwenden.

Schon im J. 1320 waren in Folge der Kriege mit den Brandenburgern die Schlösser und Vogteien Plau und Krakow

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an Meklenburg verpfändet. Dieselben Länder waren von den Brüdern Nikolaus III. von Werle=Güstrow und Bernhard III. von Werle=Waren für 6000 löthige Mark wieder dem Herzoge Albrecht verpfändet und das Land Waren für die Zinsen ("vor de renthe") zum Pfande gesetzt.

Im Laufe der Zeit war die Schuld des Fürsten Bernhard gewachsen. Dazu kam ein anderes für die Fürsten von Werle ungünstiges Ereigniß. Wahrscheinlich in Folge des Krieges um den Erwerb der Grafschaft Schwerin, welcher bis in das Land Plau gespielt war, werden sich mehrere Vasallenfamilien des Fürstenthums Werle=Waren gegen ihren Landesherrn und den Herzog Albrecht von Meklenburg zu Felde gelegt haben, vorzüglich die von Flotow auf Stur, welche in diesen Gegenden nicht allein reich begütert waren, sondern auch (seit 1354) den vielbesprochenen Pfandbesitz des Landes Malchow und "Briefe auf Röbel und Wredenhagen" hatten. Es wird in einer über die Verpfändung von Röbel ausgestellten Urkunde vom 30. Junii 1362 auf einen "Krieg" angespielt, der damals in dem Lande Röbel geführt war, indem der Herzog Albrecht den Bewohnern dieses Landes verspricht, daß sein Vetter Bernhard von Werle ihnen die Urkunden erneuern solle, welche sie etwa in dem damaligen Kriege ("in desme kryghe") verloren hätten. Daß die von Flotow auf Stur in jenen Gegenden die Hauptgegner in diesem Kriege waren, geht aus mehrern Urkunden hervor, mit denen die Geschichte dieser Händel beginnt. Durch diese und andere Ereignisse, durch welche der Herzog dem Fürstenthume Werle wohl zur Hülfe hatte springen müssen, war die Schuld des Fürsten Bernhard von Werle an Meklenburg auf 1500 Mark kölnischen Gewichts, 6000 Mark lübisch und 106 lübische Mark angewachsen. Hiefür verpfändete Bernhard von Werle dem Herzoge Albrecht im J. 1362 Schloß und Land Röbel; das Verpfändungsgeschäft ward im Laufe des Jahres durch mehrere Urkunden regulirt.

Diese Verpfändung von Röbel und ihre Folgen sind für die meklenburgische Geschichte von ungewöhnlicher Wichtigkeit geworden, jedoch bisher wenig beobachtet.

Schon am 9. März 1362 schloß der Fürst Bernhard von Werle mit dem Herzoge Albrecht von Meklenburg einen Burgfrieden für die Burg Wredenhagen; Bernhard setzte den Yo von Grambow, Albrecht den Dethlof von Scharfenberg, jeden als Vogt, auf die Hälfte des Schlosses. - Am 10. März (des donredaghes vor sente Gregorius daghe) 1362 ward folgende Hauptvereinbarung 1 ) getroffen: der Herzog Albrecht


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XL.
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entsagte den Zinsen auf die Pfandsumme für Plau, welche auf das Land Waren angewiesen waren, und überließ dem Fürsten Bernhard das Land Waren wieder ganz frei; ferner zahlte der Fürst Bernhard dem Herzoge ein Viertheil der plauer Pfandsumme mit 1500 löthigen Mark, wogegen dieser die Länder Plau und Krakow zum brauchlichen Pfande behielt; endlich sollte der Herzog für seine übrigen Ansprüche Schloß und Land Röbel auf nächsten Johannis zum Pfande erhalten. Jedoch sollte der Herzog die Forderungen des Claus von Plasten, dem Waren und Penzlin verpfändet waren, befriedigen und dann von demselben das Schloß Röbel, welches ihm von beiden Fürsten zu treuer Hand übergeben ward, in Empfang nehmen.

Hierauf beurkundete der Fürst Bernhard am 11. März 1362, daß er die Briefe, die er den beiden Andreas und dem Thideke von Flotow, Vettern, und ihren Erben auf die Schlösser Röbel und Wredenhagen gegeben habe, nicht halten, sich auch mit ihnen und ihren "Freunden" nicht "sühnen und tagen" wolle 1 ), es sei denn auf Rath des Herzogs Albrecht, und daß er diesem gegen die Flotow mit Leib und Gut nach bestem Vermögen behülflich sein wolle. - An demselben Tage übernahm Claus von Plasten das Schloß Röbel unter den angeführten Bedingungen. - Am 23. Junii 1362 empfing der Herzog Albrecht die 1500 löthigen Mark auf die plauer Pfandsumme. - Am 30. Junii 1362 wies der Fürst Bernhard die Einwohner des Landes Röbel an den Herzog Albrecht und die Stadt leistete demselben Huldigung. - An demselben Tage stellte der Herzog dem Fürsten Bernhard und den Einwohnern des Landes Röbel Reverse auf alle ihm gemachten Bedingungen und auf alle Gerechtigkeiten aus, die sie besitzen möchten. - In dem Reverse vom 30. Junii 1362 verpflichtete sich der Herzog Albrecht auch, die Burgmänner des Fürsten Bernhard bei ihren in dem Lande Röbel zu dem Burgdienste von Wredenhagen liegenden Gütern zu lassen, und ein Schloß in der Stadt Röbel zu bauen. - Der am 9. März 1362 geschlossene Burgfriede ward aber nicht gehalten: Yo von Grambow war darin von Claus von Plasten gefangen genommen und außerdem waren mit andern werleschen Vasallen, namentlich den Blücher und Kosboth, Streitigkeiten entstanden; am 18. Oct. 1363 legten aber die beiden Fürsten alle Streitigkeiten bei, versprachen auch einander, die beiderseitigen Vasallen nicht gegen die Fürsten in Schutz zu nehmen, und hoben den wredenhagenschen Burg=


1) Der Canzler Caspar von Schöneich in der ersten Hälfte des 16. Hahrh. schreibt hiebei auf den Rand: "Seltzam clausel."
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frieden auf; zugleich versprach der Fürst Bernhard, dem Herzoge Albrecht zu seinem bevorstehenden Zuge, nach Schweden,

"tu desser reyse, de wy willen dôn ôuer sê,"

20 rittermäßige Vasallen ("man myt helmen") zu "leihen".

Am 12. Juli 1363 hatten die Schwiegersöhne des Grafen Otto von Fürstenberg die Güter im Lande Röbel, welche der Graf und seine Kinder besaßen, an den Herzog Albrecht von Meklenburg abgetreten 1 ).

Dieser Pfandbesitz des Landes Röbel ward aber für die Herzoge von Meklenburg der Grund zur völligen Besitznahme des Landes noch vor dem Aussterben des Fürstenhauses Werle.

Im J. 1366 setzte der Herzog Albrecht Schloß, Stadt und Land Röbel den von Flotow zum Pfande 2 ). Diese wurden jedoch wieder abgelöset, als am 17. Julii 1376 der Herzog Albrecht den Pfandbesitz des Landes Röbel auf seinen Bruder Johann übertrug, wodurch der eigentliche Besitz dieses Landes auf die Linie Meklenburg=Stargard überging, wenn auch das Haupt=Pfandrecht bei Meklenburg=Schwerin blieb.

Die meklenburgischen Rechte an Röbel wurden bald darauf dadurch vermehrt, daß der Fürst Bernhard dem Herzoge Albrecht am 9. März 1376 die geistlichen Lehne im Lande Röbel und am 26. Febr. 1377 die zweite Hälfte von Wredenhagen abtrat.

Am 10. Aug. 1391 verpfändeten die Herzoge von Meklenburg=Stargard, die Brüder Johann, Ulrich und Albrecht, unter Zustimmung ihres Bruders Rudolph, für 3100 Mark lüb. Pf. den Vettern Philipp und Hans Grambow auf Sietow 3 ) das Land Röbel; diese Afterverpfändung wird bald eingelöset sein, da die Pfandverschreibung cassirt im großherzoglichen Archive zu Schwerin aufbewahrt wird.

Endlich mußte der Fürst Christoph, um sich aus der Gefangenschaft zu befreien, in welche er in dem Kriege seines Vetters Balthasar von Werle mit den Herzogen von Meklenburg gerathen war, nicht nur ein schweres Lösegeld zahlen, sondern auch das Land Röbel für immer an Meklenburg abtreten: am 8. März 1416 überließ der Fürst Christoph von Werle den Herzogen Johann und Ulrich (von Meklenburg=Stargard) und Johann und Albrecht (von Meklenburg=Schwerin) und ihren Erben und Nachkommen Land und Stadt Röbel und Schloß Wredenhagen für ewige Zeiten, und am 20. Febr. 1418 versicherte er


1) Vgl. Maltzan. Urk. Samml. II, S. 173.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLI.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLIV und Maltzan. Urk. Samml. II, S. 524.
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den Herzogen Johann und Albrecht den ewigen, unablöslichen Pfandbesitz von Röbel, unter der Clausel:

"vnde wy edder vnse eruen scholen, noch willen en edder eren eruen desse vorscreuene stad vnde land Robele nummer afflozen,"

und bestätigte an demselben Tage den Herzogen das am 9. März 1376 ihnen abgetretene Patronat der geistlichen Lehne im Lande Röbel.

Diese ewige Verpfändung war freilich nicht von langer Dauer, da im J. 1436 das Fürstenhaus Werle ausstarb und dessen Länder als Eigenthum an Meklenburg fielen.


Elisabeth, Gemahlin des Fürsten Bernhard III. von Werle.

Bei der ersten Verpfändung des Landes Röbel an den Herzog Albrecht von Meklenburg im J. 1362 und in Folge derselben wird wiederholt der Leibgedingsgüter der Gemahlin des Fürsten Bernhard von Werle, Elisabeth, gedacht, da diese Güter stets von der Verpfändung ausgenommen wurden. In der Haupturkunde vom 10. März 1362 tritt der Fürst Bernhard von Werle dem Herzoge Albrecht das Land Röbel pfandweise ab, mit Ausnahme der Leibgedingsgüter seiner Gemahlin Elisabeth:

"behaluen (ausgenommen) uses wyues lifghedingh, als den hof to Gnewe, dat dorp to "Cernowe 1 ), Semsin, Solsowe, Wypperowe des wy dar hebben, Meltze, Bokholte vnd souen houen de wy dar hebhen to "Priborn."


1) Das Dorf Zarnow ist schon früh untergegangen. Es lag an den Grenzen der Stadtfeldmark Röbel, zwischen dieser, von einer Seite, und den Gütern Solzow und Zilow, von der andern Seite, oder an der Stadtfeldmark Röbel zwischen Solzow und Gneve. In der Bestätigung der Privilegien der Stadt Röbel vom J. 1261 werden die Grenzen der Stadtfeldmark folgendermaßen beschrieben: "Termini ciuitatis Robele: ad terminos villarum adiacentium Gnewe, Zilowe, Zernowe, Kuszecowe, Nedebowe, Wakestowe" etc. Das auf Zarnow in der Reihe folgende Dorf Kussekow lag ebenfalls noch zwischen Solzow und Röbel und ist auch schon frühe untergegangen, der Name jedoch in der "Kuskower Feldmark" erhalten (vgl. Lisch Hahn'sche Urk. I, B, S. 112). Zarnow ist ohne Zweifel in der Feldmark Solzow untergegangen. Es gab auch eine Familie von Zarnow (vgl. das Stadt=Privilegium von 1261 in Ungnaden Amoen. S. 7); wahrscheinlich hat auch die bürgerliche Familie Sarnow von diesem Dorfe den Namen, da dieses auch mit dieser Bezeichnung vorkommt.
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Hierauf scheidet auch der Herzog Albrecht beim Antritte des Pfandes am 30. Junii 1362 die genannten Güter von demselben aus:

"ok beholt vnses vedderen wif Elizabet "dar butene den hof to Gnewen, dat dorp to Zarnowe, den hof to Zoltzowe vnde to Vipperowe wat se dar heft, seuen houen to Priborn vnde dat dorp to Meltze."

Und am 18. Oct. 1363 versprach der Herzog Albrecht, das Leibgedinge der Fürstin Elisabeth nicht zu beschweren:

"Vortmer scole wy nicht beweren vnse vedderken vor Elyzabet, vnses vedderen vrouwe, an den hoeuen (Höfen) tu Soltzowe vnde Gnewe vnde an dem andren gude, dat er vnse veddere heft ghegheuen, wor dat licht."

Diese Güter, welche das Leibgedinge der Fürstin Elisabeth bildeten, gehörten derselben aber nicht ganz. So z. B. gehörten dem Kloster Amelungsborn seit dem J. 1291 ein Hof mit drei Hufen zu Solzow, eine Hufe in Vipperow und fünf Hufen in Priborn (vgl. Riedel Cod. Dipl. Brand. I, S. 450 und Lisch Gesch. des Geschl. Hahn, I, B, Nr. LXXII); die von Grambow auf Sietow besaßen 4 Hufen in Semzin (vgl. Lisch Urk. des Gesch. Maltzan II, S. 524). Auch mochten wohl schon früh andere Vasallen einzelne Besitzungen in diesen Gütern haben, wie z. B. die Hahn, welche späterhin die meisten dieser Güter ganz erwarben. Man muß auch bedenken, daß in alten Zeiten jedes Gut nicht allein eine große Anzahl Bauern hatte sondern daß auch der Vasallenbesitz auf demselben oft vielfach zerstückelt war. So viel scheint aber aus den Urkunden hervorzugehen, daß die Fürstin Elisabeth die Haupthöfe zu Gneve und Solzow 1 ), die Dörfer Zarnow und Melz ganz und in den übrigen Dörfern kleinere Besitzungen, Pächte und Dienste hatte.

Von dieser Ausnahme des Leibgedinges von der Verpfändung kam es denn auch, daß sowohl der Fürst Bernhard von Werle fortwährend landesherrliche Gerechtsame über die Leibgedingsgüter ausübte, als auch die Fürstin zu derselben ihre Einwilligung gab. So verlieh der Fürst Bernhard am 25. April 1379 das Schulzenamt zu Melz und die Fürstin Elisabeth be=


1) Der Hof zu Solzow scheint Haupthof und Lieblingsaufenthalt der Fürstin Elisabeth gewesen zu sein, da er an der Spitze der Güter steht; z. B. im April 1361 hielt ihr Gemahl hier Hof: vgl Jahrb. II, S. 273 u. 276. - Der Hof Gneve liegt angenehm an der Müritz; auf der gegenüber liegenden Insel liegt ein Großer und ein Kleiner Schwerin, d. i. Thiergarten.
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stätigte an demselben Tage diese Verleihung 1 ), woraus zugleich hervorgeht, daß beide an diesem Tage noch lebten 2 ).

Die Fürstin Elisabeth lebte, nach dem Tode ihres Gemahls, noch am 10. Aug. 1391 bei der Verpfändung des Landes Röbel an die Grambow, indem ihr Leibgedinge von dieser Verpfändung ausgenommen ward:

"sunder den anvall de vns vnd vsen eruen anvallen mach van der hochgebornen vorstynnen vnde vrowen, de iungheren Berndes eelike husvrowe wesen hadde dem got gnedich sy."

Diese Clausel erklärt sich dadurch, daß in der Urkunde vom 10. März 1362 bestimmt war, daß die Leibgedingsgüter nur so lange von der Verpfändung ausgenommen bleiben sollten, als die Fürstin am Leben sein würde; nach ihrem Tode sollten aber auch diese Güter an die Herzoge von Meklenburg fallen "steruen vnd vallen").


Die solzowsche Linie des Geschlechts Hahn.

Im J. 1410 war die Fürstin schon gestorben, als am 15. Aug. 1410 die herzoglichen Brüder Johann und Ulrich von Meklenburg=Stargard dem Ritter Claus Hahn auf Solzow, die Güter, welche ihnen von der Fürstin Elisabeth "gestorben" waren, zu voller Freiheit erblich verliehen, wie die Fürsten sie ihm schon vorher auf Lebenszeit überlassen gehabt hatten 3 ). Durch diese Verleihung, welche bisher unerklärt gewesen ist, sich aber nach dem Vorgetragenen leicht deuten läßt, ward die im J. 1659 ausgestorbene solzowsche Linie der Familie Hahn, welche schon mehrere Güter im Lande Röbel und die damerowschen Güter bei Plau besaß, in ihrem Güterbesitze abgerundet und fest begründet.


Lehnschulzen im Lande Röbel.

Die in den vorstehenden Zeilen angeführten Urkunden sind auch deshalb von hohem Interesse, weil sie einen doppelten Lehnbrief über ein Schulzenlehn enthalten. Am 25. April 1379 verlieh der Fürst Bernhard von Werle dem Arend Boseke das Schulzenamt in dem Dorfe Melz und an demselben Tage gab seine Gemahlin demselben einen gleichlautenden Lehnbrief, da


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLII und XLIII.
2) Rudloff sagt: "Bernhard III. zu Waren † 1378, nach Jul. 8." Ueber die Lebensdauer der Fürstin Elisabeth giebt er nichts Näheres an.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLV.
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Melz eines ihrer Leibgedingsgüter war. Das Vorkommen der Lehnschulzen oder Freischulzen in Meklenburg ist so merkwürdiger Art, daß über dieselben öfter geschrieben ist; wir besitzen eine umfassende Abhandlung "Ueber die Schulzen=Lehne im Herzogthum Mecklenburg von v. Kamptz in dessen Beiträgen zum Mecklenburgischen Staats= und Privatrecht", II, S. 3, flgd. Das Hauptergebniß aller bisherigen Forschungen ist, daß "seit den ältesten Zeiten insonderheit in der Mark Brandenburg Schulzen=Lehne vorhanden waren" und daß es nur in demjenigen Theil "Mecklenburgs, der unter Märkischer Landeshoheit gestanden, noch jetzt Schulzen=Lehne giebt", d. h. man nimmt an, daß die Schulzenlehne in Meklenburg nur im Großherzogthume Meklenburg=Strelitz ursprünglich und noch gebräuchlich sind, mit Ausnahme weniger, zweifelhafter oder jetzt nicht mehr zutreffender Fälle. Die Sache bedarf jedoch noch einer eigenen, umfassenden und urkundlichen Untersuchung, welche hier nicht geführt werden soll. Abgesehen von dem gegenwärtigen Zustande im Großherzogthume Meklenburg=Schwerin und den Umständen, welche hie und da die Dinge verändert haben mögen, läßt sich so viel mit Sicherheit behaupten, daß in früheren Zeiten die Schulzenlehne sich nicht auf das Land Stargard beschränkten; es läßt sich bis jetzt schon nachweisen, daß die Schulzenlehne im ganzen südlichen Meklenburg gebräuchlich waren. Die Schulzen im Amte Grabow, wahrscheinlich alle, waren Lehnschulzen; jedoch ist auch hier alter märkischer Einfluß bekannt. Aber auch im Amte Lübz lassen sich mehrere Fälle nachweisen; auch hier ist märkischer Einfluß nicht ganz abzuweisen. Endlich aber kommen mehrere Fälle in den Ländern Malchow und Röbel vor, welche nicht unter märkischer Landeshoheit gestanden haben, d. h. kein Theil der Mark Brandenburg gewesen sind; v. Kamptz führt zwei Fälle in dem Lande Röbel, zu Wredenhagen und Wackstow, an.

Zu diesen kommen nun die beiden hier mitgetheilten Lehnbriefe 1 ) vom J. 1379 über das Schulzenamt zu Melz. Diese sind deshalb auch von Interesse, weil sie die ältesten bisher bekannt gewordenen meklenburgischen Schulzenlehnbriefe sind. Daß wir es hier mit einem wirklichen Schulzenlehn zu thun haben, geht daraus hervor, daß dem Arnd Boseke das Schulzenamt erblich verliehen (lêggen, d. h. verliehen, zu Lehn gegeben) wird und dieser zu demselben zwei freie Hufen erhält, von denen die eine ganz frei ist, auch von Pacht, wofür der Lehnträger das zu leisten hat, was die übrigen Schulzen des Landes zu leisten pflegen Die eine freie Hufe war


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLII und Nr. XLIII.
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immer die Schulzenhufe für das Schulzenamt; die Leistungen waren: das Schulzenamt zu verwalten, mit einem Pferde in gewissen Fällen zu dienen, Lehn zu empfangen und Lehnwahr zu leisten, so oft das Schulzengericht "zu Fall kommt etc. ." Jedenfalls sind die beiden Urkunden, welche durch die übrigen Mittheilungen hinreichende Erläuterung finden werden, wichtig genug, um tiefere Forschungen auf dieselben gründen zu können.

Für die Erkenntniß des heutigen Zustandes der landständischen Verhältnisse ist daher die genauere Kenntniß der früheren Entwickelung nicht unwichtig, indem grade aus dem Lande Röbel oder dem Amte Wredenhagen der Dorfschulze von Wendisch=Priborn landständische Rechte in Anspruch nimmt und besitzt. Sind landständische Dorfschulzen die Vertreter einer Bauerschaft, welche ein ehemaliges landständisches Gut eigenthümlich an sich gebracht haben, so dürfte mit dem Erwerb des Gutes nach neuern Ansichten auch die Landstandschaft auf die jedesmaligen Besitzer übergegangen sein 1 ); diejenigen Dorfschulzen dagegen, welche nur als Lehnschulzen die Landtage beziehen zu können behaupten, möchten ein altes Recht schwerlich nachzuweisen vermögen, da mit dem Schulzenamt keine Landstandschaft verbunden war.


1) Vgl. Polit. Pract. Wochenbl. 1847, Nr. 39, und Boll Gesch. des Landes Stargard I, S. 64.
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VI.

Der

Kammerpräsident Luben von Wulffen

und

die Erbverpachtung,

ein Beitrag zur Geschichte des Herzogs Carl Leopold von Meklenburg,

von

G. C. F. Lisch.


N ichts wirft ein so helles Licht auf den viel gedeuteten Charakter des Herzogs Carl Leopold, als sein häusliches Leben und seine Rathgeber und Diener, und ehe man beides nicht durchforscht hat, mag es sehr gewagt sein, ein bestimmtes Urtheil über den Fürsten zu fällen, der allerdings stets in einem ungünstigen Lichte erscheint.

Einen werthvollen Beitrag zur Charakteristik des Herzogs giebt das in Jahrb. X, S. 129 flgd. dargestellte Leben seines Secretairs Christian Ludwig Liscow, des berühmten Satirikers der Deutschen, dessen Dienstverhältniß zu dem Herzoge in den letzten, beschränkten Lebensabschnitt desselben fällt (1735 - 37). So viel läßt sich jetzt schon mit Sicherheit übersehen, daß die meisten, wenn auch nicht alle, vertrauten Diener des Herzogs schlechte, leichtfertige, ungeschickte oder aufgeblasene Menschen waren, die freilich ihre eigene Grube gegraben haben, und daß die wenigen guten und braven Männer fast alle ein Opfer ihrer Festigkeit und Rechtlichkeit wurden.

Eine der merkwürdigsten Erscheinungen in der Regierung des Herzogs Carl Leopold ist dessen Kammer=Präsident Christian Friederich Luben von Wulffen, welcher den Geldmangel seines Gebieters durch allerlei bodenlose Schwindeleien auszufüllen suchte, namentlich durch einen unüberlegten Versuch mit der Einführung

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der Erbverpachtung. Sowohl diese Person, als deren mißlungene Speculationen, so wichtig diese auch für die Geschichte der Domainen und deren Verwaltung sein mögen, sind in unserer Geschichte kaum im Allgemeinen bekannt geworden; und doch knüpft sich grade an diese Person die wichtigste Zeit des Herzogs Carl Leopold. Es wird daher ein aus den Archivquellen geschöpfter, viele Jahre lang vorbereiteter Abriß des Lebens des Kammer=Präsidenten Luben von Wulffen nicht unwillkommen sein, um so mehr, da L. Ranke in seinen so eben und zur Benutzung noch früh genug erschienenen "Neun Büchern Preußischer Geschichte", I, Berlin, 1847, S. 126 flgd. denselben Gegenstand einer ausführlichen Erörterung werth gehalten hat. Ranke hat, nach S. 127, wesentlich aus einer handschriftlichen Darstellung Riedel's über das Erbverpachtungswesen in den preußischen Domainen geschöpft. Da ich einer Veröffentlichung dieser mir bekannten Arbeit seit vielen Jahren vergebens entgegengesehen habe, so kann ich nicht besser handeln, als daß ich Ranke's Darstellung benutze. Es geht mir mit Luben von Wulffen, wie mit Liscow; auch hier bearbeiteten zwei Forscher zu gleicher Zeit denselben Gegenstand in zwei verschiedenen Perioden, ohne es zu wissen, was wiederum zu bedauern war, da beide sich gegenseitig ergänzen konnten.

Ueber die Verhältnisse und Schicksale Luben's vor seiner Anstellung in Meklenburg erhellt aus den Acten der meklenburgischen Archive nichts; dieselben können allein durch die folgenden Auszüge aus Ranke's Schrift aufgeklärt werden. Jedoch können wir uns nicht mit Ranke einverstanden erklären, wenn er in Luben einen "Mann von emporstrebendem Ehrgeiz aber zugleich von einer ächten Ader des Talents für Auffassung umfassender Ideen und Durchführung neuer Einrichtungen" erkennt. Luben von Wulffen war allerdings nicht ohne Naturgaben und Politur, aber als Staatsmann nichts weiter, als ein eitler Aventurier, voll lächerlichen Hochmuthes, der in einem in jeder Hinsicht verächtlichen Privatleben durch eine glänzend aufgeputzte Idee den Einsichtsvollern Sand in die Augen zu streuen und die geldbedürftigen Fürsten durch die Vorspiegelung der Gewinnung unermeßlicher Schätze zu blenden suchte; er war ein ächter Schatzgräber in der Staatsverwaltung und viel zu ungebildet, um seine Talente benutzen zu können.

Ranke erzählt über Luben's Laufbahn im Preußischen Folgendes.

(S. 126.) "Neben der Einführung der Consumtionssteuern hatte sich der große Churfürst mit nicht geringem Erfolge auch der Bewirthschaftung der Domainen gewidmet, und war nach

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mancherlei entgegengesetzten Versuchen doch wieder auf den Pacht zurückgekommen, den man damals in der eigenthümlichen Form, die er hatte, als Arende bezeichnete. Dabei blieb man auch unter dessen Nachfolger stehen,und zwar mit dem besten Erfolg; der Ertrag der Domainen im Magdeburgischen ist von 1683 bis 1702 um mehr als das Doppelte gestiegen.

Indessen war schon Friedrich Wilhelm (S. 127) mit der Methode nicht ganz zufrieden gewesen: der einmal erwachte Geist staatswissenschaftlicher Verbesserungen begnügte sich jetzt mit dem gewonnenen Ergebniß um so weniger, als die Bedürfnisse täglich wuchsen.

Da erhob sich nun aus der Mitte der Administration ein Mann, der sich erbot, von den Domainen, wenn man sie nur anders verwalten wolle, einen viel größern Ertrag herauszuschaffen.

Es war ein früherer Beamter der kurmärkischen Kammer, der in dem Archive derselben auf ältere, anderswo ausgeführte, in das sechszehnte Jahrhundert zurückreichende Plane gestoßen war, Christian Friedrich Luben von Wulffen, ein Mann von emporstrebendem Ehrgeiz, nicht ohne Bezug zu dem innern Krieg entgegengesetzter Intrigue dieses Hofes, aber zugleich von einer ächten Ader des Talentes für Auffassung umfassender Ideen und Durchführung neuer Einrichtungen 1 ).

Im J. 1700, wo alles Neue Anklang fand, trat dieser Mann mit dem Plane auf, die Domainen zu vererbpachten. - - - - (S. 128) Doch waren seine Gedanken nicht allein fiscalischer Art, sie erinnern bereits an eine Agriculturgesetzgebung, die später aus ganz anderen Rücksichten angenommen worden ist. Er wollte die von den Vorwerken und Aemtern abhängigen Bauern der harten Dienste entledigen, zu denen sie den Pächtern verpflichtet waren, und ihre persönlichen Leistungen in ein Dienstgeld verwandeln; er hegte die Ansicht, in Folge der Begründung neuer Bauerstellen werde sich das Land bevölkern, die Jugend sich dem Ackerbau widmen, vielleicht eine große Anzahl von Fremden anziehen. - Vorschläge die dem wohlmeinenden und vorstrebenden Sinne des Fürsten entsprachen. - - Der geheime Staatsrath war nicht dagegen; - - (S. 129) mit großem Eifer nahm Graf Wartenberg die Sache vor die Hand. Nachdem er sich noch anderweit bei kundigen Männern Raths erholt, ward der Be=


1) Vgl. König Berlin III, 184, 267. Bei weitem besser aber unterrichtete mich eine Zusammenstellung aus den Acten, die Hr. Ghr. Riedel unter dem Titel: Generelle Darstellung des Erbverpachtungswesens in den Domainen und dessen Wiederaufhebung unter Friedrich I, verfaßt und mit seltener Bereitwilligkeit mir mitgeteilt hat. Ich wünschte sehr, daß diese Arbeit dem Publicum vorgelegt würde.
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schluß gefaßt, eine von jeder andern Behörde unabhängige Commission, zu der auch Luben gehörte, aufzustellen, welche den Plan ausführen sollte; sie verpflichtete sich ein bestimmtes Mehreinkommen auszubringen. Am 2. April 1701 erschien eine Verordnung, welche die Aemter der Altmark bestimmte, wo der erste Versuch in der neuen Bewirthschaftung gemacht werden sollte; sie verkündigte den Unterthanen Erledigung von der Last des Scharwerkes und forderte die, welche Caution zu stellen im Stande seien, auf, sich zur Uebernahme der Erbpacht zu melden.

Und der Anfang nun, den man in sieben Aemtern der Altmark machte, gewährte den besten Erfolg. - - -

Hier aber erhob sich ein Widerstand, den man in diesem Staate kaum erwarten sollte.

Die beiden Amtskammern, zu Halle und zu Berlin, in der Ueberzeugung, daß sie ihre Pflicht bisher erfüllt und das Mögliche geleistet, waren entrüstet, daß neben ihnen, in ihrem Wirkungskreise, eine von ihnen unabhängige Thätigkeit sich regte, (S. 130) die ihren Begriffen schnurstracks entgegenlief. - - -

- - - Ein lebhafter Schriftwechsel entspann sich; eine Untersuchungscommission ward niedergesetzt, ausführliche Informationen wurden aus den bereits eingereichten Bezirken eingeholt; (S. 131) das Resultat war, daß das neue Verfahren bestätigt und die Absicht, die Erbpacht einzuführen, auch auf alle anderen Provinzen ausgedehnt wurde.

- - Alle Mitglieder der Amtskammern, wie von Halle und Berlin, so auch von Halberstadt, welche sich den Lubenschen Plänen widersetzt hatten, wurden aus dem Dienste entlassen, und nur solche geduldet, die sich dem Verfahren anschlossen. Die Hofkammer, in der Luben jetzt selbst eine Stelle erhielt, übernahm die Durchführung des ganzen Vorhabens. Was bisher mehr ein außerordentlicher Versuch gewesen, ward im Jahre 1704 zum System erhoben.

Hierauf nahm die Sache fürs erste einen ungehinderten Fortgang. - - - - - - - - - -

(S. 132) Schon immer hatte man gegen das ganze System eingewendet, daß ein großer Verlust für den Staat darin liege, wenn man die Ländereien nach dem eben geltenden Preise erblich und also auf immer abtrete; denn nichts sei wahrscheinlicher, als daß sich der Werth im Laufe der Zeit noch sehr erhöhe. Luben zeigte wenig Voraussicht, (S. 133) wenn er erwiederte, seitdem die Schifffahrt nach den beiden Indien eröffnet und der ganze Weltkreis in Verbindung gebracht worden, habe sich der Preis der Dinge schon auf eine unveränderliche Art festgestellt. Eben kam ein junger Mann empor, in diesen Ange=

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legenheiten mitzureden mehr als irgend Jemand befugt, der Kronprinz, der vom Verhältniß des Geldes eine andere Vorstellung hegte; er war überzeugt, daß sich der Werth der Domainengüter unverzüglich noch weit höher steigern lasse, und sah in jenem Verfahren eine Veräußerung, die er nicht dulden dürfe.

- - - - - - - - - - - - - - - - - - -

(S. 135) Wie weit blieben die Resultate hinter den Erwartungen zurück, die man sich einst von diesem Unternehmen gemacht. (S. 136) Die Kammern in einer Art von Auflösung und ihre Cassen in Verwirrung, große Summen verschwunden; nichts von den versprochenen Vortheilen: keine Zunahme der Cultur oder der Volksmenge.

- - - Plötzlich sah man, jedoch allerdings unter Mitwirkung noch anderer Motive, in Hof und Staat eine vollständige Umkehr eintreten; Luben ward abberufen und entfernt, Wittgenstein nach Spandau geschickt, auch Wartenberg, so ungern der König sich dazu entschloß, aus dem Dienst entlassen.

- - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Da der größte Theil der geschlossenen Contracte die königliche Bestätigung noch nicht erhalten hatte, so trug man kein Bedenken, die Erbpacht überhaupt zurückzunehmen.

- - - - - - - - - - - - - - - - - - -

(S. 137) Genug, ein an und für sich bedeutendes Unternehmen scheiterte vollkommen und zog nur Ruin und Verderben nach sich.

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(S. 150) Wir berührten schon, welchen Antheil er (der König Friedrich Wilhelm I.) an dem Falle des Erbpachtsystems hatte; er hielt es für eine seiner dringendsten Angelegenheiten, die bei seiner Thronbesteigung noch in den Händen der Erbpächter befindlichen Domainen sich wieder anzueignen. - - - Der König führte überall die Zeitpacht zurück und genoß das Vergnügen, seine Einkünfte dabei sich noch mehren zu sehen. Man hatte nun erst das Verhältniß der Aussaat zu dem Ertrag nach der Verschiedenheit des Bodens berechnen gelernt und durch die Erfahrung gesehen, was der Acker zu tragen fähig sei. Die Erbpächter, die nun wieder auf Zeit pachteten, trieben einander in die Höhe; aus den königlichen Aemtern soll dabei gegen ein Drittheil mehr aufgekommen sein, als früher; daß die Pächter sich anstrengen mußten, um zu bestehen, beförderte hinwieder die bessere Bewirthschaftung überhaupt.

- - - (S. 152) Die Hofkammer, die an der Erbpachtssache so vielen Antheil genommen, ward aufgelös't und

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eine allgemeine Direction der Domainen eingerichtet, unter welcher sämmtliche Amtskammern standen".


So viel erzählt Ranke. Ganz dieselbe Rolle wie in Preußen spielte Luben von Wulffen, so unglaublich es auch erscheinen mag, zum zweiten Male in dem benachbarten Meklenburg: so blind machte die Geldsucht an dem Hofe Carl Leopolds, daß man die vieljährigen Erfahrungen des Nachbarstaates völlig übersah und sich einen anspruchsvollen Mann auf den Hals lud, welcher mit philantropischen Ideen und Bereicherungsprojecten wichtig that, und dadurch die Menschen wohl aufregte, aber nicht befriedigte.

Die Verwaltung der Domänen war in Meklenburg erst in der Entwickelung begriffen. Vor der Reformation (1552) wurden die Domanial=Gefälle unter der Oberaufsicht des Canzlers, der alles war, oder auch wohl der Fürsten selbst durch den Rentmeister verwaltet. Gewöhnlich waren die meisten Domainen und Hebungen ämterweise verpachtet oder verpfändet. Selbst nachdem durch die Säcularisirung der großen Cistercienser=Feldklöster (seit 1552) die Domainen fast ins unglaubliche vergrößert waren, blieb die Verwaltung im Allgemeinen dieselbe; man nahm wohl einen oder den andern Hofrath zu Hülfe, aber das war auch alles. Die Verpfändung der Aemter dauerte fort. Erst Wallenstein, der innerhalb weniger Wochen in Meklenburg einen Musterstaat schuf, trennte die Verwaltung der Domainen vollständig von allen andern Zweigen der Landesregierung und setzte ein großes, selbstständiges Kammer=Collegium mit einem Präsidenten, einem Director, wenigstens vier Räthen und einem bedeutenden Subalternen=Personale ein. Aber die völlige Reaction, welche nach der Wiedereinsetzung der Landesfürsten eintrat, verwischte jede Spur, welche der Friedländer hinterlassen hatte. Erst am Abend seines Lebens sah der tüchtige Herzog Adolph Friedrich († 1658) ein, daß er für die Verwaltung der Domainen etwas Geregeltes thun müsse: im J. 1653 bestellte er einige Kammerräthe und unter diesen auch den Valentin von Lützow auf Schwechow, bis dahin Amtshauptmann zu Neustadt, zum Kammerdirector, um das "in Confusion eine Weile hero gerathene Cammerwesen in gute Richtigkeit wieder zu bringen", übergab ihm jedoch außerdem noch manches Andere, wie das Schuldenwesen des fürstlichen Hauses, die Hofstaats= und Besoldungs=Ausgaben u. s. w., so daß die Renterei, d. h. die Berechnung der gesammten Einnahmen und Ausgaben, noch mit der Kammer verbunden blieb. Erst unter dem Herzoge Christian I. Louis in der zweiten Hälfte des

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17. Jahrh. erscheint wieder ein vollständiges Kammer=Collegium, welches in die Regierung des Herzogs Friederich Wilhelm in den Anfang des 18. Jahrhunderts überging und hier seine Ausbildung erlangte; bei der Vorliebe dieses Fürsten für Industrie und Jagd war der Geschäftsbetrieb der Domainen=Kammer besonders schwunghaft, indem diese sehr viele neue Anlagen und Einrichtungen anzuordnen und zu leiten hatte. Ueberhaupt bildete sich das ganze höhere Beamtenwesen erst unter dem Herzoge Friedrich Wilhelm vollständig aus.

Christian Friederich Luben von Wulffen, aus der Lausitz stammend, "ein Mann von geringer Herkunft, der aber durch Arbeitsamkeit sein Glück gemacht hatte und solches auch benutzte" 1 ), war ungefähr im J. 1686 in kurbrandenburgische Dienste getreten, da er, nach seiner eigenen Angabe, im J. 1710 über 24 Jahre dem königlich=preußischen Hause in Kammer= und Finanz=Sachen continuirlich gedient" hatte. Bald darauf heirathete er, nach der Ehestiftung d. d. Gehren den 3. März 1688, seine Frau Eleonora Krause, deren Vater zu Lubben am 4. Aug. 1680 sein Testament gemacht hatte. Im J. 1700 trat er mit seinen neuen Finanzplänen im Brandenburgischen hervor und betrieb diese, wie oben nach Ranke geschildert ist. "Luben für seine Person beförderte sein Glück 2 ) und erwarb sich außer einem ansehnlichen Vermögen (1705 schenkte ihm der König 8000 Thaler) die Würde eines Staatsraths und den Adelsstand. Doch machte ihn dieses auch blind. Er verlor die nöthige Vorsicht zu seinem Besten und zwar zu einer Zeit, wo er solche nicht aus den Augen lassen sollte, gerieth auch dadurch in solche Verlegenheiten, die endlich seinen Fall nach sich zogen und vollendeten. Das Unternehmen zeigte sich in seiner völligen Blöße, und da ein Opfer nöthig war, um dafür zu büßen, so mußte solches Luben werden, der deshalb in strenge Untersuchung gerieth, in Ungnade fiel, seines Adels und aller Aemter beraubt und zuletzt gefänglich eingezogen wurde. Beschuldigungen gegen ihn fanden sich in Menge, besonders aber bürdete man ihm auf, daß er 60,000 Thaler, so zum Kammer=Etat gehörig sein sollten, unterschlagen habe. Aus den Untersuchungsacten zeigt sich hinlänglich, daß er ein nachlässiger Mann gewesen sei, der in seinen Dienstgeschäften wenig oder gar keine Ordnung beobachtete, auch im höchsten Grade habsüchtig und stolz war. Hauptsächlich aber scheint die Hauptursache seines Falles die gewesen zu sein,


1) Nach König's noch immer sehr schätzbarem Versuch einer Historischen Schilderung der Residenzstadt Berlin III, 1795, S. 184.
2) Nach König a. a. O. S. 267 und 185.
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daß er ein großes Plus von seinen Projecten versprach und dem Könige schmeichelte, aus den Aemtern große Summen zu ziehen. Und da dies Versprechen nicht erfüllet wurde, so erfolgte natürlich der größte Unwille gegen einen Mann, der mit leeren Hoffnungen geschmeichelt hatte, auf die vielleicht mancher Plan gegründet war." "Den 12ten Februar 1708 fand man im Dom in dem Klingebeutel einen Zettel 1 ), worauf geschrieben stand:

"O Koenig merck! III sindt gotlose Buben,
Von Hamrath, Hülsemann, von Luben."

Ohnerachtet der vielen Klagen und Beschwerden gegen das Erbpachtwesen, welche aus den mehrsten Provinzen des königlichen Staats unaufhörlich erschollen, erhielt sich doch sein angerichtetes Unwesen bis zum Jahre 1711, in welchem endlich der berühmte Fall des Oberkämmerers Grafen Kolbe von Wartenberg, desgleichen des Obermarschalls Grafen von Witgenstein auch den seinigen nach sich zog."

Hierauf mußte er, nach seiner Angabe, "nachdem er in preußischen Diensten, wie bekannt, viele Tausende verloren, bis ins fünfte Jahr ohne Bedienung und Verdienst mit schweren Kosten herumreisen." Endlich ging er nach Wien,

Hier lernte ihn der meklenburgische Oberhofmarschall Freiherr von Eichholtz kennen, welcher seit seiner Bestallung im J. 1713 († 3. Dec. 1732) vieljähriger, erfahrner und offener Minister und Gesandter der meklenburgischen Herzoge in Wien war. Dieser machte ihm schon im J. 1713 den Antrag, in die Dienste des Herzogs Friederich Wilhelm zu treten; Luben erklärte sich dazu bereit, obgleich er zu Wien "bereits in Commissionibus gebraucht wurde, wie solches denen kays. Ministris, absonderlich des Ertzbischoffs in Böhmen Fürstl. Gnaden, des obristen Hofcantzlers Herrn Grafen von Sinzendorff und obristen Canzlers Herrn Grafen Schlickens Excell. Excell., auch andern hohen H. Ministris bekannt" sein sollte. Der Herzog Friederich Wilhelm war zur Herstellung seiner Gesundheit grade nach Schlangenbad gereiset; Eichholtz wollte hier den Herrzog besuchen und mit diesem über die Bedingungen reden; daher bat er Luben, sich einstweilen in keine andere Unterhandlung wegen einer Anstellung einzulassen. Der Herzog starb aber zu Schlangenbad am 31. Julii 1713 und Eichholtz blieb fast ein Jahr lang von Wien entfernt. Als Eichholtz dahin zurückkehrte, hatte Luben von Wulffen noch keine Anstellung gefunden, Eichholtz aber den Auftrag erhalten, ihn


1) Vg. König a. a. O. S. 188.
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zur Annahme einer Anstellung bei dem Herzoge Carl Leopold zu vermögen; Luben war scheinbar ein Mann für diesen Herzog, da er ihm eben so glänzende Vorspiegelungen machte, wie seine übrigen zahlreichen Goldmacher, Der Herzog versprach ihm, "ihn zum Chef der Domainen=Kammer zu machen und dasjenige reichen zu lassen, was sein Antecessor gehabt" habe. Luben fand sich veranlaßt, diese Anerbietungen "dann doch nicht abzuschlagen," da er all das Seinige verzehrt, kein Geld in der Tasche und noch obendrein 700 Rthlr. Schulden gemacht hatte. Der Herzog, der sich goldene Berge versprechen mochte, sandte einen seiner Dienstbeflissenen, den Hof=Intendanten Walter, nach Wien, um sich genauer nach Luben zu erkundigen und im günstigen Falle mit ihm abzuschließen.

Julius Walter war einer von den wenigen, welche bis zum Tode im Dienste des Herzogs blieben, indem sie sich zu Allem hergaben. Walter war, nach einer gleichzeitigen Erzählung, der Sohn eines Schneiders und Laquaien der Prinzessin Maria Elisabeth von Meklenburg, Decanissin von Gandersheim, zuerst Dienstjunge eines Kammerdieners, dann Kammerdiener, endlich, am 21. Febr. 1715 Kammerrath und bald darauf, als Julius von Walter, Geheimer=Kammerrath, Hof=Intendant und Ober=Post=Director, ein "homme sans honneur, der Prügel annimmt, wenn es dem Herzoge beliebt und sich zu allem gebrauchen läßt". Eine andere gleichzeitige Schilderung sagt von dem Herzoge: "Gegen gemeine Leute, insonderheit sein mancipium den Walter, der sein rechter Sclav und gar nicht seiner so mächtig wäre, als der Hr. Klinge die Welt überreden wolle, sei er allezeit gnädiger, als gegen die Leute von alter Herkunft und Geschlecht". Walter starb am 21. Nov. 1729 zu Güstrow als Diener des Herzogs Carl Leopold.

Eichholtz und Walter unterhandelten nun mit Luben und versprachen ihm baldige Entscheidung des Herzogs welche sich aber vom Anfang Junii bis in den September 1714 verzögerte; zu einer Reise zum Herzoge nach Rostock konnte Eichholtz ihn nicht bewegen. Endlich schloß Eichholtz mit Luben ab und streckte ihm 500 Fl. Reisegeld vor, worauf Walter, der inzwischen wieder nach Wien gekommen war, ihn mitnahm. Luben reis'te vorauf nach "seinem Gute in der Nieder=Lausitz," wo er acht Wochen auf Walter wartete, welcher ihm dann nach Rostock voraufging. In Rostock mußte Luben von Wulffen 14 Tage "incognito" sich aufhalten und endlich "bei finsterer Abendzeit heimlich" zum Herzoge kommen, welcher an den ihm gemachten Bedingungen änderte, wozu er "sich endlich nolens volens resolviren mußte, da er einmal die weite Reise zurückgelegt, durch

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den langen Aufenthalt in Wien und die Reise viel Kosten aufgewandt und seine hohen Patronen in Wien durch seine schleunige Abreise sich zuwider gemacht habe."


Sobald Luben von Wulffen um Weihnacht 1714 oder Neujahr 1715 in Rostock angekommen war, galt es sowohl ihm, als dem Herzoge als Hauptsache diejenigen Personen zu verdrängen, welche ihren Speculationen entgegenstehen könnten. Daher auch ohne Zweifel die Heimlichkeit, mit welcher Luben "14 Tage lang bei Nacht und Nebel" mit dem Herzoge incognito verhandelte.

Die gefährlichste Person für Luben von Wulffen war ohne Zweifel sein Vorgänger im Amte, der bisherige Kammer=Präsident Dietrich Joachim von Plessen auf Cambs c. p. Brahlstorf etc. ., Torgelow c. p. Schlön, Schmachthagen, Gemekenhagen etc. ., Buchholz etc. ., welcher vorher Landrath gewesen und noch von dem Herzoge Friederich Wilhelm am 16. August 1712 zum Geheimenrath und Kammer=Präsidenten ernannt worden war. Dieser war also zugleich meklenburgischer Landstand, als solcher unumgänglich in die Streitigkeiten des Herzogs Carl Leopold mit der Ritterschaft, welche so eben mit Heftigkeit entbrannten, verwickelt und als früherer Landrath und bisheriger Kammer=Präsident mit der Verfassung und den Zuständen des Landes vertraut. Er hatte in den Jahren der Aufregung und Bedrängniß dem Vaterlande mit Mannhaftigkeit und Aufopferung gedient, viele diplomatische Reisen im Lande und ins Ausland gemacht und wichtige Aufträge ausgerichtet, auch seinen Credit zur Aushülfe in Geldnöthen benutzt: er hatte zur Aufbringung der russischen Exactionen bedeutende Summen vorgeschossen und über 13,000 Rthlr. an Vorschußgeldern und rückständigem Gehalt zu fordern 1 ). Im November 1714 hatte er die Rechnung aufgemacht und vorgelegt: er war von nun an dem Herzoge in vieler Hinsicht eine unangenehme Erscheinung: er war ein fester Mann, Landstand, Gläubiger und kein Gold= und Plusmacher, wie Luben. Der Herzog setzte seine Geheimen=Räthe zu einer Commission ein, welche die Forderungen des Kammer=Präsidenten prüfen sollten; am 11. Jan. 1715 forderte v. Plessen eine be=


1) Am 31. März 1711 hatte er mit dem Herzoge Friederich Wilhelm auch einen Contract über die Lieferung von 10,000 Faden Buchen=Brennholz, von seinen Gütern binnen 12 Jahren, à Faden 1 Rthlr., zu liefern, zum Behufe des neu angelegten Salzwerke zu Sülten ("bei Brüel im Amte Tempzin") abgeschlossen. Unter dem Herzoge Carl Leopold gerieth aber diese Sache gleich in Stocken; trotz aller Mahnungen ward kein Holz abgeholt. (Ueber diese Saline vgl. Jahrb. XI, S. 160 flgd.)
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glaubigte Abschrift des Commissions=Protokolls. Am 15. Jan. 1715 erhielt Luben von Wulffen seine Bestallung als Kammer=Director. Der Herzog hatte sich über diesen Mann und dessen Anstellung gegen von Plessen nichts merken lassen; dieser ignorirte wiederum die ganze Machination völlig. so wie der Herzog mit Luben von Wulffen einig geworden war, schickte er seinen Geheimen Rath Grund uff der Worth zu von Plessen, damit derselbe diesem mündlich "Vorstellung wegen resolvirter Veränderung in der Kammer" machen möge. Hierauf forderte von Plessen am 19. Jan. 1715 schriftlich des Herzogs "schriftlichen "Befehl, wohin die Meinung mit seiner Person forthin gehe," die Revision der Kammer=Rechnungen seit seiner Amtsführung und die Liberirung des Kammer=Collegii, die Bezahlung seines Vorschusses und die Bestimmung seines rückständigen Gehaltes, welches er für sein erstes Dienstjahr versuchsweise auf 2000 Rthlr. gestellt habe. Trotz aller schriftlichen und mündlichen Anforderungen erhielt von Plessen keinen Bescheid, weder über seine Stellung, noch über seine Forderungen; Luben von Wulffen bemächtigte sich der Kammer=Verwaltung, von Plessen ward völlig ignorirt, dagegen machte dieser nie die entfernteste Anspielung auf jenen. Vergebens trug von Plessen beschwerend vor, es sei allen "bekannt, wie justitia causae sowohl, als raison und la manière d'agir dergleichen ungnädiges und unverdientes Verfahren gegen einen Ministre von seinem Charakter und der mit solcher Treue und Eifer gedienet, wohl allerdings nicht permittiren könnten." Enlich trat am 26. März 1715 eine Commission, bestehend aus den Geheimen=Räthen von Petkum und Grund uff der Worth, unter Zuziehung des Kammer=Directors Luben von Wulffen (!) und des Kammerraths und Landrentmeisters Storm, mit dem Kammer=Präsidenten von Plessen zur Unterhandlung zusammen. Die Commission erkannte in dem Protocolle die Forderungen des Präsidenten als richtig, verabredete mit demselben zur Wiedererstattung seiner Vorschüsse mit den Zinsen 6 Termine bis Johannis 1716 und "fand für gut, daß dem Herrn Kammer=Präsidenten von Plessen danächst ein gnädigster hochfürstlicher Abschied ertheilet werde."

Am 27. März 1715 ward nicht allein die herzogliche Anerkennung des Protocolls entworfen, sondern auch der Abschied für den Kammer=Präsidenten, nachdem dessen "domesticq Umstände und bei deßen mehr und mehr zunehmenden famille erforderte Wahrnehmung seiner privat Angelegenheiten demselben hinderlich zu sein scheinen wollen, der von ihm bisher in hochfürstlichen Diensten verwalteten, ohnedem sehr mühsamen function ferner in Unterthänigkeit abzuwarten," indem der Herzog

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ihn von aller jemals desfalls an ihn zu machenden Ansprache entband und versicherte, daß er "mit dessen bei bisheriger Verwaltung seiner Function Ihro und dem hochfürstlichen Hause Meckelburg mit aller Treue und Sorgfalt geleisteten unterthänigen Diensten gnädigst zufrieden sei." Von Plessen zog sich nun auf seinen Landsitz Cambs zurück, hatte jedoch noch nicht am 14. Mai die Ausfertigung seines Abschiedes; erst am 20. Junii, nachdem der erste Zahlungstermin nicht eingehalten war, ward von dem Geheimen Rath von Wolfrath und dem Kammer=Dircetor Luben von Wulffen in Gegenwart des Kammer=Präsidenten dessen Forderung noch einmal aufgerechnet und am 21. Junii 1715 das ganze Verfahren vom Herzoge ratificirt. Der Herzog war froh, daß er den Kammer=Präsidenten los war; schon im J. 1715 äußerte er gegen Walter, "wenn er seine Gnade behalten wolle, so solle er des Herrn von Plessen müssig gehen." Die Anerkennung der Schuld hatte von Plessen freilich; aber Geld erhielt er nicht, weder Capital, noch Zinsen. Er schloß sich von dem Kampfe der Ritterschaft gegen den Herzog nicht aus und verweigerte im J. 1718 die von dem Adel geforderte Unterschrift des Reverses, daß er an den Handlungen des Engern Ausschusses der Ritterschaft weder Antheil habe, noch nehmen wolle, worauf auch seine Güter mit Sequester belegt wurden.

Wiederholt, aber vergeblich, forderte er sein Geld. Als sein Sohn Helmuth am 6. Sept. und Georg Nicolaus Gutzmer am 20. Oct. 1718 in seinem Auftrage auf Beförderung seiner Angelegenheit antrugen, erwiderte von Petkum jenem: "er dürfe nichts von dem Begehren derjenigen, so nicht unterschrieben, dem Herrn das allergeringste vortragen, wolle aber sein Herr Vater den Revers unterschreiben, so versichere er alles ihm zu verschaffen, was er nur verlange"; und diesem: "die Bezahlung werde nicht erfolgen, dafern der Herr Geheime Rath den Revers nicht unterschreibe, zumalen das Principium bei Hofe fest stehe, daß, weil der Engere Ausschuß die bekannten Schriften allezeit nomine des ganzen Adels herausgebe, also deren jedes Individuum für ein Rebell, dessen Leib, Ehr und Gut verlustig wäre, geachtet würde, wer nicht per subscriptionem des bewußten eidlichen Reverses sich davon purgirete." Der Herzog erklärte freilich dem von Plessen auf eine schriftliche Anforderung am 17. Febr. 1719, daß er ihn, "sobald nur durch Gottes Gnade die Krieges troublen passiret sein würden," befriedigen werde; aber von Plessen, welcher im J. 1721 unter den Deputirten der Ritterschaft war, wartete vergeblich auf Zahlung und starb am 23. Sept. 1734 zu Neukloster.


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Luben von Wulffen hatte am 15. Jan. 1715 seine Bestallung erhalten als herzoglicher "Rath und Kammer=Director der Geheimen=Kammer und Renterei," mit einem Jahresgehalt von 1000 Rthlrn. nebst Mahl und Futter auf 4 Pferde, und da er "versicherte, daß er die Finanzen und Domainen in vielen Stücken ohne Bedrückung der Unterthanen, Fürstenthum und Lande, sondern vielmehr mit Aufnahme derselben auf ein ansehnliches mit der Zeit verbessern könne und wolle," so versprach ihm der Herzog in der Bestallung auf Lebenszeit einen Antheil von fünf Procent an dem aus seiner Verbesserung entspringenden Gewinn.

Der Herzog mochte aber Lubens Ruhmredigkeit selbst nicht recht trauen; er hatte ihn an Gehalt und Rang bedeutend tiefer gestellt als seinen Vorgänger, und die Tantième von fünf Procent war ihm ohne Zweifel nur in Aussicht gestellt, um seiner Windbeutelei durch ein großes Gehalt nicht Thür und Thor zu öffnen; auch alle Sporteln, welche damals noch einen ansehnlichen Theil des Einkommens der Beamten bildeten, waren ihm entzogen, da er so sehr auf scharfe Berechnung hielt. Sein erstes Auftreten war eben so prahlerisch, als Unheil verkündend. Der Geheime=Rath J. P. Schmidt giebt aus gleichzeitigen Ueberlieferungen folgende Schilderung von seinem Amtsantritt.

"Selbst Herzog Carl Leopold waren zuletzt nicht für die Projecte des Luben von Wulffen portiret, und sogleich bei der ersten Audience hatten sie schon wahrgenommen, daß er ein weitläuftiger Kopf sei. Er kam von Berlin aus nach Rostock, und wie er schon drei Wochen vor seiner Ankunft vier wohl mondirte Laquais voran geschickt hatte, so war der Auflauf des gemeinen Mannes bei seiner persönlichen Ankunft sehr stark, um diesen neuen Herrn kennen zu lernen, der ihnen aber sogleich possierlich vorkam, weil er mit einer ungewöhnlich großen Alonge=Peruque herausgeputzet war. Als er bei dem Herzoge sofort das erste Mal viel Rodomontaden von seiner Verbesserung der Einkünfte machte, nach welchen er dieselben mit 300,000 Rthlrn. vermehren wollte, gab ihm der Herzog zur Antwort, sie hielten viel auf Leute, die wenig versprächen und vieles erfülleten, und möchten nicht gern über weitläuftige Discourse sein. Nachhin als der Hof nach Schwerin ging und dieser neue Kammer=Präsident das erste Mal zur Kammer gehen wollte, hütete er sich nicht für die Stufen, die von der Gallerie zu dem Vorzimmer der Kammer herunter gehen, sondern vermeinte, à plein pied fortmarchiren zu können, daher er erbärmlich fiel und sich über das ganze Gesichte die Haut verletzte. Er lief also mit seinem blutigen

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Gesichte nach des Herzogs Cabinet, klagte Ihroselben sein betrübtes Schicksal und das böse omen, was er daraus schöpfen müßte, daß ihm das malheur grade da er sein Directorium das erste Mal hätte antreten wollen, begegnet wäre. Der Herzog fertigte ihn aber kurz ab mit den Worten, es thäte ihm leid um den Zufall; er sollte nur wieder hinüber gehen und arbeiten, sich dieses aber zu einer Warnung von Gott dienen lassen, daß er alle Zeit auf jeden Schritt und Tritt und auf sein ganzes Verfahren, so oft er zur Kammer ginge, genaue Achtung zu geben schuldig wäre."

Er machte sich bei seinem Auftreten so lächerlich, daß er selbst grobe Beleidigungen und Neckereien erdulden mußte. Im Junii 1715 war es bei der Hoftafel zwischen ihm und einem Geheimen=Commerzien=Rath Bonnier zu einem ehrenrührigen Wortwechsel, in welchem beide sich gegenseitig den Titel "Canaille" an den Hals warfen, gekommen, so daß selbst das Geheime=Raths=Collegium diese Sache aufzugreifen für nöthig fand. Im Aug. 1716 waren der Obrist=Lieutenant von Meklenburg 1 ), der Major von Paland und die Capitains von Meklenburg, von Buggenhagen und von Adlersheim bei dem Kammerjunker Bestuschof, der mit Luben von Wulffen zu Rostock in demselben Hause wohnte, zu Gaste gewesen, und hatten am späten Abend und in der Nacht durch Musik und Lärmen den Kammer=Director so sehr turbirt, daß er den ganzen Vorfall der Regierung zur Ahndung melden zu müssen glaubte; er zeigte an, die Tumultuanten hätten vor seinem Schlafzimmer blasen und pochen, Mobilien und Kugeln die Treppe hinunter werfen, an seine Thür schlagen lassen etc. . Die Officiere nahmen den von Luben von Wulffen geschilderten Hergang in Abrede und kamen mit einem leichten Verweise und einer Warnung davon. Dergleichen Vorfälle konnten aber den Fremdling nicht in der Achtung heben, selbst wenn er unschuldig gewesen wäre; jedenfalls wird sein Benehmen solche Kränkungen provocirt haben, und daraus läßt sich schließen, wie leichtfertig man ihn behandeln mochte.

Als Luben von Wulffen sein Amt antrat, war die Kammer=Verwaltung durch die Ungunst der Zeit freilich rasch in Verfall gerathen; aber Luben von Wulffen bemühte sich auch nicht, sie durch gründliche Mittel zu verbessern.

Der Kammer=Präsident von Plessen war in Ungnaden entlassen.


1) Am 17. Junii 1717 erwirkte Luben von Wulffen wieder die Niedersetzung eines Militairgerichts gegen den Obrist=Lieutenant von Meklenburg; Veranlassung und Ausgang dieses Streites sind nicht bekannt.
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Obgleich früher das "Kammer=Collegium aus 5 bis 6 Räthen bestanden hatte," fand Luben von Wulffen nur 2 active Kammer=Räthe vor: Varenius und Storm.

August Varenius war ein alter, fleißiger Diener des herzoglichen Hauses. Schon im Febr. 1693 ward er Kammer=Secretair, im Mai 1703 Kammer=Rath mit Sitz und Stimme im Collegium, jedoch mit Beibehaltung des Kammer=Secretariats. Weil er sich, nach J. P. Schmidt's Aeußerung, mit einem so "weitläuftigen Menschen," wie Luben von Wulffen war, nicht vertragen konnte, so forderte und erhielt er seine Entlassung am 7. Oct. 1716 und nahm eine Anstellung in Osnabrück.

Storm war früher Landrententmeister und ward am 20. April 1712 zum Kammer=Rath ernannt, jedoch mit Beibehaltung des Landrentmeister=Amtes, zu welchem er später noch das Ober=Kriegs=Commissariat erhielt. Er ward bei der allgemeinen Verabschiedung der Räthe im Frühling des J. 1719 entlassen.

Mit Storm zugleich ward zum Kammer=Rath ernannt und später zugleich aus dem Dienst entlassen der am 27. März 1711 zum Ober=Bau=Director bestellte Leonhard Christoph Sturm, welcher bei seiner erneueten Bestallung zum Kammer=Rath und Bau=Director am 7. Sept. 1715 "aus erheblichen Ursachen von der "Session im Kammer=Collegium dispensirt" ward.

Einen andern alten Diener, den ehemaligen Land=Cassier Christian Schultze, welcher am 17. Mai 1700 zum Kammer=Rath ernannt war, suchte Luben von Wulffen zu beseitigen, um so mehr, da er auch Amtmann des Domainen=Amtes Schwerin und als solcher hier hinreichend beschäftigt war. Er erscheint mit der Zeit immer weniger in der Kammer, fungirte jedoch noch am 10. Nov. 1719 als Kammer=Rath. Er starb am 18. Febr. 1724 zu Dummerstorf bei seinem Schwiegersohn, dem Amtmann Müller.

Walter war zwar auch Kammer=Rath, aber eigentlich nur dem Titel nach und des Herzogs unmittelbarer Bedienter, so daß er als Kammer=Rath gar nicht in Anschlag zu bringen ist.

Luben von Wulffen hatte also während des größeren Theils seiner Amtsführung in der That nur einen Rath zur Seite, den Rentmeister Storm, welcher jedoch an seiner Landrentmeisterei und sonst genug Arbeit hatte. Es lag ohne Zweifel in Lubens Absicht, nicht nach Collegen zu streben, da Leute seiner Art gerne im Trüben fischen und sich aller Mitarbeit und Mitaufsicht zu entledigen suchen. Bei seinem Abgange beklagte er sich darüber, daß "er die große Arbeit fast allein verrichten müssen, da bei seiner Zeit im ersten Jahre Varenius sofort abgegangen sei und Storm, wie er Ober=Kriegs=Commissarius geworden,

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auch vorher, bei dem Commissariat meistentheils, desgleichen bei den Belagerungen sein müssen."

So stand die Sache, als Luben von Wulffen die Verwirklichung seiner Projecte angriff. Zu gleicher Zeit trat die größte Verwirrung im Lande ein, welcher ein Mann, wie Luben, und auch die übrigen Räthe des Herzogs nicht mit Erfolg zu begegnen vermochten.

Am 15. Jan. 1715 hatte Luben von Wulffen seine Bestallung erhalten, und schon am 19. Febr. 1715 übertrug er seine in Preußen verunglückten Projecte auf ein ihm wildfremdes Land: er bot Erbpacht feil. Aber das ganze Unternehmen scheiterte und mußte von vorne herein scheitern, da "bei der ganzen Operation der Vererbpachtung unverkennbar die möglichst zutreffende Veranschlagung von der größten Wichtigkeit ist" 1 ), Luben aber die Sache ohne alle Vorbereitung angreifen wollte; dazu kamen die Armuth, der Druck unzähliger Lasten und die Unsicherheit des Besitzes, welche grade damals jede bedeutendere Unternehmung in Meklenburg unmöglich machten.

Bei den geschilderten Personal=Verhältnissen konnte aber Luben von Wulffen seine Pläne nicht mit seiner alleinigen Kraft ausführen. Er veranlaßte also den Herzog, am 26. April 1715 einen "eigenhändigen Specialbefehl" mit "vollkommener Instruction" an die Kammer zu erlassen, daß diese zur Untersuchung und Einrichtung der Aemter und deren Verpachtung erfahrne Commissarien anstellen solle. Aber "es wollte sich zuerst niemand gern dazu gebrauchen lassen," jedoch fand und bestellte die Kammer bald zu Verpachtungs= Commissarien den Friederich Sebastian Flüger, welcher studirt hatte und viele Jahre Beamter gewesen war, und den Benedix Burghardi. Beide erhielten keine feste Besoldung, sondern waren auf Diäten angestellt: Flüger auf 1 Rthlr. und Burghardi auf 32 Schill. täglich; außerdem nahmen sie von den Pächtern 2 Procent "Anweisungsgelder" und der erste Commissair 2 Rthlr. und der zweite Commissair 1 Rthlr. Diäten. Neben diesen beiden Commissairen war der Commissair Schumacher in Kammer= Angelegenheiten beschäftigt. Von diesen


1) Vgl. Vollbrügge, Das Landvolk im Großherzogthume Meklenburg=Schwerin, eine statistisch=cameralistische Abhandlung, Güstrow bei Opitz, 1835, S. 41 flgd. Vollbrügge sagt S. 13 flgd.: "Höchst merkwürdig ist die Procedur, welche in "dieser Angelegenheit in der preußischen Monarchie im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts stattfand. - - Die ganze Operation war aber übereilt vorgenommen und unzweckmäßig ausgeführt, - - Im Anfange des vorigen Jahrhunderts traf jedoch auch in Meklenburg Herzog Carl Leopold einige Einleitungen, einen Theil der Domanial=Pachtungen zu verkleinern und an Erbpächter hinzugeben. Das Project kam aber nicht zur Ausführung wegen der eintretenden innern Unruhen." - Grade diese Verhältnisse sind es, welche gegenwärtig hier aufgeklärt werden sollen.
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Männern ward gesagt, "wenn der Kammer=Director sie, die alle Arbeit thun müßten, nicht hätte, so würde er wenig ausrichten." Diese Commissarien blieben bei den Verpachtungen bis zum August 1718 beschäftigt; als nun Lubens und zugleich des Herzogs Gebäude zu wanken anfing, wurden sie ohne Lubens Vorwissen von der Regierung zu Ober=Administratoren der eingezogenen Güter des "rebellischen" Adels bestellt.

Früher geschahen die Verpachtungen "nur auf der Kammer, ohne Termin, so wie sich der eine oder der andere dazu meldete," nachdem die in einem Jahre zur Verpachtung kommenden Güter vorher im Kalender angezeigt waren; gewöhnlich wurden die alten Pächter gelegentlich wieder angenommen, wenn sie das geben wollten, was andere geboten hatten. Luben von Wulffen führte für die Domainen=Verpachtungen zuerst den Zuschlag auf Meistgebot und bestimmte Verpachtungstermine ein, welche durch Patente publicirt wurden. Die Termine wurden nach Lubens alter Weise auf den einzelnen Pachtstücken abgehalten, damit sich die Pachtliebhaber von deren Beschaffenheit überzeugen könnten.

Am 6. Febr. 1715 erschien unter des Herzogs Namen und Unterschrift ein großes Patent, nach welchem sehr viele Höfe, Mühlen, Ziegeleien, Krüge, Zölle, Fischereien, Rohrwerbungen etc. ., die Johannis außer Pacht fallen würden, in Terminen zwischen 21. März und 2. Mai "an den Meistbietenden öffentlich auf der Kammer von neuem verpachtet werden sollten," mit dem Hinzufügen, daß wenn von der Kammer mit den Pächtern wegen der "Arrende" abgeschlossen sei, der Herzog sich die Approbation durch eigenhändige Unterschrift des Contracts vorbehalte. Es wurden also die Hauptpachtstücke nur zu Zeitpacht ausgeboten. Es ward jedoch in einem Nachsatze freigestellt: 1) daß die Mühlen mit allen Gerechtigkeiten an diejenigen, welche am meisten bieten würden, "absonderlich an die Städte und Gemeinden (um nicht der Müller Discretion und Streitigkeiten unterworfen zu sein), für das Erbrecht um ein baares und zureichendes Kaufgeld, und 2) auch die Mastungen den Dörfern und Gemeinden beständig überlassen werden sollten."

Diesem Patente folgte am 19. Febr. 1715 ein zweites, etwas verworrenes Patent, nach welchem einige "Meierhöfe zu Erbpacht ausgeboten wurden, dergestalt, daß, falls sich bei der bevorstehenden Verpachtung nicht Pächter finden sollten, welche solche ohne Dienste der Unterthanen in Pacht nehmen wollten, der Herzog gewilligt sei, dieselben beständig zu verpachten und darauf Freileute anzusetzen, wenn sich Leute finden sollten, welche die Gebäude und Inventarien nach dem

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taxirten Werth baar bezahlen und die Felder mit mehrern Nebenpächtern, Freileuten und Einwohnern besetzen wollten, um die Unterthanen von der beschwerlichen Diensteslast und Leibeigenschaft zu befreien, von den jeder, der dazu Belieben trage, absonderlich aber Bauersleute, welche gute Wirthe und Vermögens seien, einen beständigen und festen Sitz erblich erwerben könne, besonders um für sich und seine Erben das in Freipacht habende Stück zu verbessern und in hauswirthlichen Stand bringen zu können;"zugleich ward vor Leuten gewarnt, "welche sich unterstehen sollten, die Unternehmer davon abzuhalten und ihnen davon widrige Meinungen beizubringen, und das Vertrauen ausgesprochen, daß sich niemand an dergleichen Geschwätze kehren, sondern jeder seine eigene Wohlfahrt vorziehen und die Abrathenden zur gebührenden Bestrafung anzeigen werde."

Diese Patente hatten aber keinen Erfolg, da theils die Vorbereitungen zu mangelhaft, theils die Zeiten zu drückend waren. Es erschien daher am 2. April 1715 ein neues Patent, in welchem der Herzog aussprach, daß die von seinen Beamten und den ihnen zugeordnet gewesenen Commissarien eingezogenen Nachrichten so unzulänglich seien, daß man daraus keine richtigen Anschläge für die neue Einrichtung der Aemter und Güter habe machen und daher mit den erschienenen Pachtliebhabern zu keinem völligen Schluß habe kommen können, daß er daher einige Glieder der Kammer in die Aemter senden werde, um mit den Beamten und Commissarien an bestimmten Terminen vom 29. April bis 25. Junii die Verpachtungen, entweder in Zeitpacht oder in erblicher Freipacht, an Ort und Stelle zu überlegen und bis auf fürstliche Approbation ins Werk zu bringen.

Die ganze Operation verunglückte aber fast gänzlich: auf Erbpacht ging, mit Ausnahme der Scharfrichter, Niemand ein, und die Zeitpacht warf nicht den gehofften Gewinn ab. Freilich war, außer der in dem Bildungsstande begründeten Abneigung gegen Neuerungen, die Ungunst der Zeit hauptsächlich Schuld daran, daß die Erwartungen des Herzogs getäuscht wurden. Die Unterthanen waren schon einige Jahre hart mitgenommen und in den nächsten Jahren steigerte sich die Verwirrung bis zum allerhöchsten Grade: der kleine Krieg im Innern und der nordische Krieg mit den Requisitionen der Russen vernichteten jede Sicherheit; dazu kamen schlechte Ackerbewirthschaftung, Mißwachs, Viehsterben und Sturm und der gänzliche Mangel an Capitalien im Lande, und aus der Fremde wollte kein bemittelter Mann sein Vermögen preisgeben und nach Meklenburg ziehen. Endlich hatte der Herzog für die neuen Contracte viel zu harte Bedingungen

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gestellt, als daß sie jemand zu erfüllen besondere Neigung hätte haben können. Bei der Erbpacht und Befreiung von der Leibeigenschaft war es allein auf Geldschneiderei abgesehen. Die Leute sollten nicht allein die Erbstandsgelder und die Gebäude und Inventarien nach hohen Taxen bezahlen, sondern auch was mit der Erbpachtung wesentlich verbunden und keinesweges unerhörte Menschlichkeit war, ihre Freiheit theuer erkaufen. Aber es fand sich kein Mensch, der Geld und Lust hatte. Bei der Zeitpacht wurden von den Cautionsgeldern, welche unter Lubens Verwaltung bis auf 60,000 Rthlr. gestiegen waren, den Pächtern keine Zinsen gezahlt und die Capitalien wurden verbraucht, ohne daß bei des Herzogs Charakter und nahem Sturze Aussicht auf baldige und überhaupt auf Wiedererstattung war, die Pächter mußten große Massen von Korn für einen geringen Preis liefern und die ",Bedingungen wegen des casus fortuitus waren äußerst hart": die Pächter sollten allen und jeden Verlust durch Mißwachs, Wind= und Hagel=Schaden, Mäusefraß, Viehsterben, Frost und aus eigener Verwahrlosung entstandener Feuersbrunst allein zu tragen "festiglich verbunden" sein, - ohne Aussicht auf Remission und ohne Sicherung durch Assecuranzen, welche nicht bestanden; nur die durch Kriegsverheerung des Landes, Pestilenz und Feuer vom Himmel erlittenen "großen" Schäden wollte die Kammer tragen. Daher kam es, daß Luben von Wulffen während seiner Amtsführung in vier Jahren die Einnahmen des Herzogs nur um etwa 13,000 Rthlr. hatte vergrößern können. Endlich, als sich der Herzog so sehr getäuscht sah, verweigerte er in der letzten Zeit der Lubenschen Kammer=Verwaltung in seinem Starrsinn die Unterschrift der Contracte, so daß über 200 Contracte bei ihm ohne Unterschrift lagen!

Die Vererbpachtung der Landgüter verunglückte, wie gesagt, gänzlich; allein die Scharfrichter wurden, nach einem Patent vom 30. Jan. 1715, auf Erbpacht gesetzt. Dise armen Leute, welche damals noch in so tiefer Verachtung standen, mußten sich zur Erhaltung ihrer Existenz wohl alles gefallen lassen. Sie wurden aber auch übermäßig gedrückt; das Reisen nach Schwerin und Rostock, da Hof, Regierung und Kammer bald dort, bald hier waren, nahm kein Ende und erschöpfte die Beutel der Leute völlig. Man zerrte an dem nicht schwierigen Geschäfte hin und her, um nur das Project durchzusetzen; in der Kammer selbst entstanden abweichende Meinungen und Debatten über viele einzelne Puncte, und der Advocat Dr. zur Nedden war so kühn, sich der Scharfrichter anzunehmen und viele Ausstellungen an den Bedingungen zu machen, worüber der Kammer=Director in nicht geringen Zorn gerieth. Endlich nach vier Jahren hatte Luben

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von Wulffen sein Meisterstück fertig und die Frohnereien zur Erbpacht gebracht.

Die Frohnereien sind bis heute die einzigen Erbpachtungen aus älterer Zeit und das einzige Denkmal, welches Luben von Wulffen hinterlassen hat. Glücklicher Weise setzte er in den ungünstigen Zeiten seine nur auf den nächsten Gewinn berechneten Pläne nicht durch. Bekanntlich hat man in neuern Zeiten wieder angefangen, aus höhern staatswirthschaftlichen Rücksichten die Erbpacht schrittweise und mit Behutsamkeit in Anwendung zu bringen, so viele Gegner sie auch zählen mag.

In den Jahren 1715 und 1716 war Luben von Wulffen nicht allein mit den Verpachtungen, sondern auch mit dem Einmarsch der Russen, mit der Einholung des Czaars Peter des Großen und der neuen Gemahlin des Herzogs, der russischen Prinzessin Catharina Iwanowna, vollauf beschäftigt. Bei solchen Gelegenheiten zeigte er sich denn auch von der glänzendsten Seite, wie er "bei der Bewirthung Ihrer Zarischen Majestäten considerable Dienste leistete und ein Ansehnliches dabei menagirte." Er hatte bei dieser Gelegenheit auch den Prinzen Kurakim, die Herren von Schleunitz und von Tolstoy und die Gräfin von Königsmark zu Gaste gehabt und einige Wochen offene Tafel für alle Fremden gehalten.

Am 20. August 1716 überreichte die Kamnner (Luben und Storm) dem Herzoge ein gedrucktes Formular zu den neuen Zeitverpachtungen der Domainen, welches die angeführten harten Bedingungen für die Pächter enthielt und zugleich in Ermangelung einer Kammer= und Amtsordnung interimistisch den Beamten statt einer Instruction dienen sollte, mit der Versicherung, allen möglichen Fleiß anzuwenden, daß die Leute auf die darin enthaltenen Puncte eingehen möchten.

Jetzt stand Luben von Wulffen auf dem höchsten Gipfel seines Glücks in Meklenburg. Am 1. Oct. 1716 erhob ihn der Herzog "in Ansehung seiner bei der fürstlichen Kammer als Director bisher treu geleisteten und noch ferner also zu prästirenden Dienste zum wirklichen Geheimen Rath und Kammer=Präsidenten" und übertrug ihm dabei zugleich die "Mitbeobachtung des Kriegs=Commissariats"; da auch der Herzog wahrgenommen, wie der Kammer=Präsident Luben von Wulffen mit dem ihm verschriebenen Gehalt nicht auskommen könne und vieles von dem Seinigen zugesetzt habe," so versicherte der Herzog ihm, "bis sich die Zeiten hinwieder ändern," eine Zulage von 500 Rthlrn. - Die Tantième von 5 Procent trug freilich nicht viel ein.

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Als nun die Schwindler immer höher in der Gunst des Herzogs stiegen und der zum ersten Geheimen Rath erhobene Minister von Petkum mit seiner Intrigue den Herzog und den ganzen Hof beherrschte, so nahm der tüchtige Canzler von Klein 1716 - 17 seine Entlassung.

Der 1. Oct. 1716 war für Luben von Wulffen verhängnißvoll: an diesem Tage ward er Geheimer Rath und Kammer=Präsident und an demselben Tage forderten seine Commissaire Flüger und Burghardi über ihre Handlungsweise eine Untersuchung, deren Ergebniß dem Präsidenten selbst den Untergang bereitete. Luben hatte viele Widersacher, namentlich in den Geheimen=Räthen v. Petkum, Schöpfer und Schaper, "mit denen er sich, wie er sagte, wegen ihrer weitläuftigen Anschläge und Vornehmen nicht vereinigen konnte, vielmehr öfter überworfen hatte;" aber selbst in der Kammer sah er später seinen einzigen wirklichen Collegen, den Kammerrath Storm, als den "Author seines Unglücks" an. Am 16. Julii 1716 hatte der "Geheime" Kammer=Director mit den Kammerräthen Schultz und Storm eine Kammersitzung, in welcher zu Protocoll genommen ward, am 4. Julii sei im Regierungs=Collegium zur Sprache gebracht, daß die zur Verpachtung verordneten Commissarien sich von den Pächtern über die ihnen umsonst gereichte Beköstigung Rechnungen und außerdem noch eine Discretion hätten geben lassen, und es daher nothwendig sei, diese Angelegenheit genauer zu untersuchen. In Grundlage dieses ihnen mitgetheilten Protocolles beschwerten sich die Commissaire Flüger und Burghardi bei dem Herzoge unmittelbar über Verläumdung und baten, unter Zurückweisung jeder Beschuldigung, dringend um Betreibung der Untersuchung und um Anzeige des Denuncianten, was ihnen auch der Geheime=Rath von Wolfrath, unter dem Versprechen voller Genugthuung, versicherte. Der Herzog decretirte hierauf am 13. Oct. 1716: Diese Sache wird Unserer fürstlichen Regierung zur gründlichen Untersuchung und fernerer Verordnung gnädigst und ernstlichst "committirt." Da aber die Sache keinen Fortgang nahm, so baten die Commissaire am 20. Jan. 1717 um Beschleunigung und um das versprochene feste Gehalt, um allen Vorwürfen entgehen zu können. Im Februar 1717 stellte die Regierung (v. Petkum, v. Wolfrath, Schöpfer, Schaper und Duve) Untersuchungen an; es wurden mehrere Pächter unter dem Versprechen der Verschwiegenheit abgehört und das Verhör wandte sich sehr bald auch auf das Verfahren des Kammer=Präsidenten. Die Pächter waren aber ziemlich discret. Der Amtmann Müller von Meklenburg sagte aus, der Kammer=Präsident, mit dem er wegen Erstattung der Kriegsschäden unterhandelt habe, habe zwar weder Geschenke, noch

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Versprechungen von ihm angenommen, aber vor zwei Jahren zwei Pferde für 90 Rthlr. von ihm gekauft, für welche er kein Geld, sondern eine Anweisung auf das Gehalt des Präsidenten erhalten habe: aber - Gehalte wurden nicht gezahlt. Der Amtshauptmann de Bruyns oder Bruhn von Neu=Bukow sagte aus, der Commissair Flüger, der bei ihm in Geschäften gewesen sei, habe einen Brief von dem Kammer=Präsidenten erhalten, in welchem dieser ihm in den härtesten Ausdrücken vorgeworfen habe, daß er auf den Aemtern liege und ausschweife, Diätengelder nehme, Anleihen negotiire und allerlei schändliche Dinge mehr treibe, worauf der Commissair ihm wieder geantwortet habe, es könne ihm "kein ehrlicher Mann etwas Böses nachsagen" und es möchten "andere wohl mehr courtoisiren", als er: er fordere daher Anzeige des Verläumders; der Amtshauptmann Bruhn sagte ferner aus, des Commissairs Lebensweise und Geschäftsführung sei untadelhaft gewesen. Aber der Zollverwalter Wüsthof von Dömitz gab zu Protocoll, daß er dem Kammer=Präsidenten für die Erlangung seines Dienstes 40 Ducaten, die er lange Zeit nicht habe nehmen wollen, und dessen Sohne eine silberne Taschenuhr geschenkt habe; auch habe ihm der Kammer=Präsident vorgeworfen, daß er zu andern Räthen gehe, mit dem Bemerken: "er sei Chef von der Kammer, und möchte er auch sehen, wie ihm andere helfen könnten." Dieses Protocoll forderte der Herzog ein. Eine Anklage über Bestechung war daher bei den höchsten Landesbehörden actenkundig geworden.

Jedoch dauerte es noch eine Weile, bis man das Maaß der Beschwerden gefüllt hatte. Am 21. Jan. 1718 erhielt die Kammer Befehl, die Original=Verpachtungs=Protocolle und die projectirten Pachtcontracte an den Herzog einzusenden und dann weitere Verordnung zu erwarten, und am 5. Febr. 1718 befahl der Herzog der Kammer, "daß sie von nun an conjunctim "mit den Geheimen=Räthen von Petkum, von Wolfrath, Schöpfer und Schaper sammt und sonders alle Aemter, Domainen und Stücke, wo einige Revenüen von kommen und fallen können, reguliren, die Contracte revidiren, nach Umständen neue Contracte schließen und alsdann die Contracte sammt den gehaltenen Protocollen zur herzoglichen Ratification ohne einigen Zeitverlust vorlegen sollten, bei Vermeidung der herzoglichen Ungnade." Damit war die Selbstständigkeit und die - Ehre des Kammer=Präsidenten Luben, und auch der Kammer, so lange er ihr vorstand, aufgehoben. Aber Luben hatte zu wenig Ehrgefühl, als daß er diese Amtskränkung tief hätte empfinden sollen: er blieb auf seinem Posten. - Schon vorher war auf Storms Betrieb

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der "Kammer anbefohlen, sich gar nicht mehr in die Renterei=Sachen zu meliren."

Das war aber noch nicht das Schlimmste, was ihn drückte: er lebte auch im größten Unfrieden mit seiner Frau, welche ihm im April 1718 weglief und nach Berlin ging. Auf persönlichen Antrag Lubens erhielt der meklenburgische Gesandte in Berlin, der Geheime=Rath von Habichtsthal, am 26. April 1718 den Befehl, dahin zu wirken, daß die Frau entweder auf gütliche Vorstellungen zurückkehre, oder durch "justizmäßige Mittel" zur Rückkehr veranlaßt werde. Die Eheleute hatten zwar schon lange in Zwietracht gelebt; aber den Ausbruch des häuslichen Unfriedens zum öffentlichen Scandal veranlaßte der Streit um den Rest ihres beiderseitigen Vermögens. Er hatte, nach seiner Angabe, in den Jahren 1698 und 1703 achtzehn im Magdeburgischen liegende Berg=Kuxe, welche 1718 an 900 Rthlr. jährlich eintrugen, gekauft und dieselben im J. 1703 seiner Frau zur Versicherung ihrer eingebrachten 2000 Rthlr. Ehegelder verschrieben, da nach Bergrecht Kuxe nicht verpfändet werden konnten; er hatte die Ausbeute bis zum J. 1710 gegen seine Quittungen eingenommen, als er aber aus preußischen Diensten entlassen ward, wahrscheinlich die Papiere und die Einnahme seiner Frau übergeben. Die Frau dagegen behauptete, daß ihr die Kuxe eigenthümlich gehörten und daß sie nur den Ertrag derselben zu ihrer Aller Erhaltung, besonders aber zu den Studien ihres Sohnes, auch ein Gewisses zur Tilgung der Schulden hergegeben habe, worüber ein ordentlicher Contract aufgerichtet sei. - Die Frau kehrte zwar diesmal zurück; aber dadurch ward das Verhältniß nicht besser, vielmehr steigerte sich der Unfriede zu einer offenen Feindschaft.

Mit dem Ende des J. 1718 ließ der Herzog "einige Ungnade gegen den Kammer=Präsidenten blicken"; dieser versicherte, er wisse nicht, was den Herzog dazu bewogen habe, es sei denn die Anfeindung der Geheimen=Räthe v. Petkum, Schöpfer und Schaper. Als der Horzog im J. 1718 die Güter des renitirenden Adels in Besitz nehmen wollte, ließ er alle Beamten und Pensionarien, auch andere Bediente ohne Wissen des Kammer=Präsidenten zu sich verschreiben und von denselben einen Eid nehmen, daß sie "Niemanden von den expediendis et ipsis committendis etwas sagen, noch sich bei dem Kammer=Präsidenten, wie sonst gebräuchlich, angeben und besuchen dürfen," woraus Luben richtig schloß, daß er zu keinem geheimen, noch zu anderm angestellten Rathe mehr gezogen werden solle.

Kurz vor dem Einrücken der Kreis=Truppen im Februar 1719 ließ der Herzog den Kammer=Präsidenten Luben von

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Wulffen und den Kammerrath Storm zu sich fordern und eröffnete ihnen, daß er den Amtmann Gottfried Faber zu Neustadt und den Forstmeister Philipp Gutzlaf Töppel zu Güstrow zu Kammerräthen 1 ) bestellt habe, sie sich also des Kammerwesens bis auf weitere Verordnung zu enthalten hätten; wenn wichtige Kammer=Affairen vorfallen sollten, werde der Herzog sie fordern lassen. Luben von Wulffen antwortete: "Des Herrn Wille geschehe", beklagte sich aber, daß er sich in des Herzogs Diensten gänzlich ruinirt habe. Luben enthielt sich von der Zeit an der Kammer gänzlich, "frequentirte jedoch den Hof nach wie vor, speisete auch bei Sr. Hochfürstl. Durchlaucht, wenn offene Tafel gehalten ward, und hatte einige Male bei dem Herzoge particuliere audientz," in welcher er um Bezahlung seiner Forderungen bat, jedoch Vertröstung auf bessere Zeiten erhielt, das beständige Trostwort des Herzogs Carl Leopold. Sogleich nach dem Einmarsch der Kreis=Truppen ließ der Geheime=Rath von Petkum dem Luben von Wulffen "intimiren, daß er sich des hochfürstlichen Hofes enthalten solle." Und hiemit hatte Luben von Wulffen das Ende seiner Laufbahn erreicht. Man hatte ihn zwar nicht des Dienstes entlassen, man sagte nur, er dürfe nicht mehr zur Kammer und zu Hofe kommen. Vorzüglich beschwerte er sich über Petkums "Falschheit": dieser habe die "Hand überall in den Affairen mit haben, das Directorium allein führen und sich durch Geschenke, die er überall gefordert und genommen, bereichern wollen; er habe die neuen Kammerräthe nebst andern Leuten bei sich zu Gaste gehabt und öffentlich sich berühmet, daß er Serenissimo angerathen, mit der Kammer solche Veränderung zu machen, und die Leute vorgeschlagen, die Kammersachen auf einem andern Fuße zu tractiren, worauf Faber und Töppel sich bedankt und öffentlich gestanden, daß sie es einzig und allein ihm zu danken hätten." Luben sprach aus: "v. Petkum habe ihm zu verschiedenen Malen in faciem gesagt, daß er nicht eher ruhen wolle, als bis er ihn ruinirt habe, wie er alle ehrlichen Diener, auch Schöpfer und Schaper, verkleinert, angegeben und fälschlich belogen habe."

Jetzt stürzte das ganze Gebäude des Herzogs Carl Leopold zusammen. Er floh vor den Executions=Truppen 1719 nach Prenzlau (März), Demmin (Mai), Goldbek (Mai-Julii), Dömitz (Aug.), wo er bekanntlich Residenz hielt und sein Leben beschloß. Ihm folgte seine ganze Regierung, die er aber aus seinem Dienste entließ und aus Geldmangel entlassen mußte.


1) Die Kammerräthe Faber und Töppell erhielten ihre Bestallung am 19. Oct. 1718.
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Am 25. Febr. 1719 ging der erste Geheime=Rath von Petkum nach Berlin. Edzard Adolph von Petkum war ein böser Mensch und zum Theile Schuld an den vielen Leiden, welche Carl Leopolds Regierung über Meklenburg brachte. Er war aus Ostfriesland, früher Reichshofrath, schon vor 1706 in des Herzogs Carl Leopold Diensten, und am 8. April 1706 auch zum Geheimen=Rath des Herzogs Friederich Wilhelm ernannt; darauf ward er am 3. Mai 1715 erster Minister. Er kam nach Carl Leopolds Fall wieder nach Rostock, ging am 23. Julii 1720 auf seine "Güter in Ostfriesland," nach seinen Briefen nach Schloßfeld, kam aber bald wieder nach Rostock, wo er Frau und Kinder zurückgelassen hatte und starb hier 2. Mai 1721.

Mit dem Herzoge flohen die anderen Geheimen=Räthe Schöpfer und Schaper, welche ihrem Herrn stets dienstbeflissen waren, und von Wolfrath, der in jeder Hinsicht aufrichtiges Mitleid verdient; Grund uff der Worth, seit 17. Jan. 1713 Geheimer=Rath, hatte, als der Herzog zu Gewaltmaßregeln schritt, am 28. Aug. 1715 um Entlassung gebeten und war im J. 1719 gestorben.

Schöpfer, Schaper und von Wolfrath wurden bei der Abreise des Herzogs in Ungnaden entlassen.

Schöpfer, ein tüchtiger Jurist, aber Knecht seines Herrn, der Ritterschaft im höchsten Grade verhaßt, starb am 13. Sept. 1719 zu Allstadt unweit Eisleben, in der Nähe seines Bruders, der zu Eisleben Prediger war.

Schaper, vorher des Herzogs Friederich Wilhelm Leibarzt, ein "aufgeblasener Mensch," starb am 11. Jan. 1721 zu Rostock.

von Wolfrath, früher Legationsrath, seit 1705 (zugleich mit dem Canzlei=Rath und Kammerjunker von Eichholz) Regierungsrath, ein ehrenhafter, tüchtiger, fleißiger, uneigennütziger, sehr einfacher Regierungsbeamter, "die Leutseligkeit selbst", war vielleicht der einzige gute Mensch unter den anhänglichen Räthen des Herzogs Carl Leopold, ein Mann, der immer seinen graden Weg gegangen war und viel gearbeitet und gewirkt hatte. Daher und wegen der beabsichtigten Heirath mit seiner nur zu berüchtigt gewordenen Frau (Anfang Oct. 1719), des Herzogs Brudertochter und späteren Maitresse, ließ er sich verleiten, sogleich wieder in dessen Dienste zu treten, um wegen beschuldigter Verschwörung sein unschuldiges Haupt am 6. Sept. 1723 dem Schwerte des Scharfrichters zu bieten: ein schwarzer Flecken auf dem Bilde des Herzogs, welcher nie abzuwaschen ist. Von dem mit ihm angeklagten Cabinets=Secretair Scharff, welcher vor der Hinrichtung im Gefängnisse starb, war es "bekannt, daß er von Jugend auf stets ein böses Herz gehabt" hatte.

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In der Folge war der Herzog Carl Leopold fast ganz in den Händen der abscheulichen Wolfrath und des Archivars Tiedemann, eines schlechten und gemeinen Menschen.

Dies sind die Persönlichkeiten in der Staatsregierung, neben welchen der Herzog Carl Leopold und Luben von Wulffen sich bewegten, und die grade kein vortheilhaftes Licht auf die Regierung des Herzogs werfen.

Luben von Wulffen erhob nach seiner Absetzung zunächst bei dem Herzoge selbst Klage über seine Forderungen. Er beschwerte sich, und wohl mit Recht, darüber, daß er großen Aufwand habe machen müssen und dagegen wenig Einnahme gehabt habe: er habe ein sehr beschwerliches Amt gehabt, zwei Häuser und Haushaltungen, in Rostock und Schwerin, viele Dienstboten und Equipagen halten müssen; dagegen habe er ein sehr geringes Gehalt und, außer der Tantième von fünf Procent, weder Sporteln, noch andere außerordentliche Einnahmen gehabt. Er hatte sich daher in Schulden vertieft, seine besten Sachen versetzt und stand am Rande des Verderbens. Gehalt war ihm in zwei Jahren nicht bezahlt, also hatte er mit Recht 3000 Rthlr. zu fordern. Die fünf Procent Tantième hatte er nie erhalten; da er die Kammereinkünfte um 13,057 Rthlr. jährlich verbessert haben wollte, so berechnete er die Tantième auf 2387 Rthlr. 12 ßl. Auch die Zinsen auf die Cautionsgelder brachte er als Domainenverbesserung in Anschlag. Außerdem berechnete er Gehalt und Tantième noch einige Termine weiter, da er keinen schriftlichen Abschied erhalten hatte, sich also noch immerfort als in Dienst stehend betrachtete, brachte noch einige kleinere Forderungen in Anrechnung und glaubte auf Zinsen von den jährlichen Rückständen Anspruch machen zu können. Er berechnete seine Forderungen im Ganzen auf ungefähr 7500 Rthlr., brachte aber 1997 Rthlr. in Abrechnung, welche er aus dem warnemünder Zoll erhoben hatte. Er berechnete, daß er, ohne den Verlust seiner verpfändeten Mobilien und seine Schulden in Anschlag zu bringen, zu seiner vollen Einnahme noch an 3500 Rthlr. zugesetzt habe. Außerdem beschwerte Luben sich bitter darüber, daß er in den letzten Jahren keinen Contract zur Ansicht habe erlangen können, er also nicht wisse, wie sehr sich die Kammereinnahmen verbessert hätten und wie hoch er seine Tantième anschlagen könne, ferner darüber, daß alle Rentere=Bedienten, welche unter seinem Collegen Storm standen, im höchsten Grade widerspenstig gegen ihn gewesen seien, so daß er nie eine Rechnung gesehen habe.

Der Herzog ließ seine Forderungen von dem Commissair Schumacher revidiren. Dieser berechnete den Mehr=

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ertrag der Kammereinnahmen nicht nach den in den Contracten aufgeführten Pachtsummen, sondern nach der baaren Geldeinnahme, indem er alle Verluste, nicht gezahlte Pachtgelder und die Schäden in Abzug brachte und dadurch die ganze Summe der Tantième auf 936 Rthlr. herunterrechnete. Ferner forderte Schumacher für den Herzog 1118 Rthlr. Zinsen für Cautionsgelder, welche nicht in den bestimmten Terminen eingegangen seien, 1569 Rthlr. Diäten und andere Gefälle, welche des Präsidenten subdelegirte Commissaire Flüger und Burghardi genommen, aber dem Präsidenten zur Last geschrieben wurden, weil er Tantième erhalte, also auch die von ihm angeordnete Arbeitshülfe tragen müsse, und anderes mehr. Kurz, Schumacher rechnete in einer General=Bilance heraus, daß Luben von Wulffen dem Herzoge noch 1288 Rthlr. 11 ßl. schuldig sei.

Luben von Wulffen bat unablässig dringend bei dem Herzoge, bei Wolfrath und Scharff in zahlreichen Briefen um sein Geld, machte immer neue Berechnungen, in denen er seine Gehalts= und Procentgelder immer weiter fort berechnete, erhielt aber nicht einen Schilling, hat auch nie etwas erhalten, da er bald darüber wegstarb. Er hatte sich zuletzt auch an die kaiserliche Commission gewandt, ja am 30. Julii 1720 ein kaiserliches Vorschreiben erwirkt: alles vergebens.

Endlich vernichtete ihn Familienleiden, welches er freilich selbst verschuldet hatte, völlig. Luben's Charakter wird aus dem hier erzählten Lebenslaufe ohne Zweifel klar erkannt werden können. Er war leichter Natur. Vorzüglich charakterisirte ihn Aufgeblasenheit, die ihm bei seinem ersten Auftreten schon lächerlich machte. Trotz seiner unbedeutenden Einnahme hielt er dennoch zwei vollständig eingerichtete Wohnungen, in Schwerin und Rostock, 1 Hofmeister bei seinem Sohne, seinem einzigen Kinde, 12 Dienstboten mit doppelten Livreen für 6 Bedienten, und 2 Equipagen mit 2 Carossen, 6 Geschirren, 1 prachtvollen Geschirre und 1 Geschirr für 6 Pferde auf die Reisen. Der Oberhofmarschall von Eichholz, der ihn engagirt hatte und genau kannte, schrieb aus Wien am 28. Oct. 1719 an Scharff: "Ich gestehe zwar und bin darin mit Ew. Hochedl. eins, daß nemlich des Herrn von Luben particuliere conduite nichts tauget und vielfältiger justen critique unterworfen sei; allein dadurch hat er sich selbsten geschadet, hingegen Serenissimo nicht im geringsten, viel weniger dieselben um einen Heller übervortheilet, so er auch nicht hat thun können, weil er nichts unter den Händen gehabt." Uebrigens rieth Eichholz, "ihn nicht so ganz und gar zu verstoßen, denn wenn er mal contant abgehen sollte, so würde er unfehlbar nach Wien gelaufen kommen und

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neues Zetergeschrei verursachen, mithin den ohnedem fast unzählbaren numerum der querulanten wider Serenissimum vermehren helfen; es sei nicht bei der ehrbaren Welt, viel weniger bei dem allmächtigen Gott zu justificiren, einen ehrlichen Mann, der auf guten Glauben in Herrendienste eingetreten und vielleicht gar dadurch anderweitiges Glück verabsäumet habe, de but en blanc auf bloßes Angeben boshafter Gemüther von sich zu stoßen, denselben weder das verdiente Lohn, noch den gebührenden Abschied zu geben, sondern erstlich in der Ungewißheit alles das Seinige verzehren machen, und endlich dahin necessitiren, daß er von selbsten verlaufen und solchergestalt seine Forderungen an den Nagel hängen müsse. Wann nun Herr von Luben und andere mehr auf eben diese in der Welt nicht erhörte Art verstoßene hohe und niedrige fürstlich meklenburgische Bedienten sich zu Ihrer Kaiserl. Majestät Füßen würfen, so möge doch jeder ohne praeoccupirung um Gottes Willen urtheilen, was solches bei diesem Monarchen und bei dem ganzen kaiserlichen Hofe für impressiones machen müsse; Gott möge wissen, was für Berichte hierüber, wie imgleichen über vielfältige andere dergleichen passirte wunderliche demarches hier eingelaufen, folglich eine große Ursache mit seien, daß Serenissimi damaliger Nothstand, man mag auch dieses vorstellen, wie man will, hier mit so kaltsinnigen Ohren angehöret, als indifferenten Augen angesehen werde."

Lubens Privatcharakter war so anstößig, daß selbst das Pasquill, welches freilich damals stark Mode war, ihn nicht verschonte. Der Geheime=Rath J. P. Schmidt hat aus den handschriftlichen "Mémoires des B. von B. über einige Geschichten, so sich von Anno 1716 bis 1721 zugetragen, und über das fürstlich=meklenburgische Ministerium, Anno 1722," folgende Epigramme mit nachstehender Einleitung hinterlassen:

"Der Herr Luben von Wolffen ist ein alter Mann, für diesem in Preußischen Diensten gestanden, darinn er aber seine Sache so übel gespielet, daß er auf Befehl des hochseel. Königs in Preußen bald wäre gehangen worden. Er ist kein Staatsmann. Er will aber ein desto größerer oeconome seyn und hat die Gewohnheit an sich, die Erde zu beriechen und zu schmecken, weil er aus dem Geruch und dem Geschmack von der Fettigkeit oder Magerkeit derselben urtheilen will. Der Herzog hat ihm die Ehre gethan ihn zum Cammer=Präsidenten zu machen."

"Das Epigramma, so auf den Hrn. Luben gemacht worden, lautet, wie folget:

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A LUBEN, vanum quaeso, retro lege nomen,
   Jam NEBULA est, recte! Nomen et omen habes.
Post lucem nebula, post nubila jubila fient,
   Planctus post plausus, post bona fata mala.
O LUBEN caveas, ne retro verba legantur,
   Nam audis NEBULO, nomen et omen habes.
Ne tamen mireris, quod tua facta retrorsum,
   Nunc retro legitur nomen et hocce tuum.
A WULFEN dictus, neque sic absque omine dictus,
   Asper eras olim carniferusque LUPUS.
Jam feralis hiems instat, quo captus es, eheu!
   Cum lupis ulula, cum quibus esse cupis.
Non audis forsan, Luben, haec verba lubenter,
   Credo, sed auriculos arrige quaeso tuos:
Qui, quae vult, fecit, quae non vult, audiat ille,
   Digna malis fatis sunt tua facta tuis.

"Das folgende Epigramma ist auch bekannt":

"Luben, der das Bulen pflegt und das Lieben hoch zu achten, Auch die Dames erblich all wollte vor sich erblich pachten, Mit dem hat es nun ein End, ob der Anfang gleich war klein. Wer will künftig, sagt mir doch, von euch Erbepächter sein?

Die Bedrängniß stieg endlich zum Aeußersten; am 14. Jan. 1720 schrieb er aus Rostock an den Cabinets=Secretair Scharff: Geben Sie mir doch, wann Sie Zeit haben, zuweilen Nachricht und helfen mir aus meiner großen Noth; ich habe so viel nicht, daß ich Brot kaufen und meine für 10 Thaler bei dem Amtmann zu Stavenhagen auf meiner Reise versetzte Uhr wieder einlösen kann;" und an den Geheimen=Rath v. Wolfrath schrieb er an demselben Tage: "Je ne trouve aucun amys, qui me veut assister suivant son pouvoir et sa conscience, comme un prochain envers un autre."

In dieser äußersten Noth entlief ihm seine Frau zum zweiten Male im Anfange des J. 1720. Sie war zwar im J. 1718 zu ihrem Manne zurückgekehrt, aber der Unfriede zwischen beiden Eheleuten ward täglich größer, so daß er am 27. Nov. 1719 den Herzog bat; den Geheimen=Rath v. Wolfrath, den Regierungsrath Duve und den Burgemeister Tielcke, "welche zugleich seiner Frau gute Freunde seien", zu beauftragen, ihren Zwist zu untersuchen und sie, wenn möglich, zu vergleichen; der Herzog erfüllte seinen Wunsch und verbot auf seinen Antrag zugleich der Frau, vor ausgemachter Sache bei 500 Rthlr. Strafe nicht von Rostock zu reisen. Die Frau ließ sich aber auf nichts ein, sondern ging im Januar 1720 davon und nach Berlin und

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nahm zugleich ihre Papiere und besten Sachen mit sich. Auf die fortgesetzten Klagen des Mannes schrieb die Frau am 25. Jan. 1720 an den Herzog: ihr Mann habe mit Gewalt verlangt, ihm die ihr eigenthümlich zustehenden Kuxe abzutreten; da sie sich aber dessen geweigert, so habe er sie auf das härteste behandelt und vor vielen Leuten, sebst vor Laquaien prostituirt, ja er habe sich nicht gescheut, "ihr auf öffentlicher Straße mit einem gräßlichen Geschrei ihr Eingebrachtes vorzuwerfen und ihr zu imputiren, sie hätte ihm das Seinige gestohlen." Sie fügt hinzu: "Mein tägliches Tractement bestand in continuirlicher Verdrießlichkeit und den empfindlichsten Schimpfreden, wobei ich meines Lebens nicht sicher gewesen, maßen er sich des Teufels verschworen, mich, wann ich ihm nicht freie Disposition überlassen wollte, zu erstechen, und ist er mir wirklich mit bloßem Degen zu Halse gelaufen, da aber der Sohn noch das Unglück abgewendet." Da es nun auch bekannt sei, daß "er durch seine Brouillerien und üble Aufführung sich außer allem Stand gesetzet, seiner Familie auch nur das liebe Brot zu schaffen", so habe sie ihrer Angelegenheit halber nach Berlin abreisen müssen, wo auch die Sache ausgemacht werden müsse, da das objectum der Zwistigkeit in preußischen Landen gelegen" sei.

Luben klagte zwar beim Herzoge weiter und stellte bei dem meklenburgischen Consistorium eine Desertionsklage an; damit erhielt er aber kein Geld, da seine einzige und letzte Hülfsquelle, der Kuxen=Ertrag, in den Händen seiner Frau war, die weder erscheinen, noch herausrücken wollte. Er erwirkte zwar ein herzogliches Vorschreiben an die magdeburgische Kammer, die den Mann ja genau kannte, damit er "mittlerweile nicht crepire"; aber alles umsonst.

Sein Sohn war im preußischen Soldat geworden, darauf freilich wieder losgekauft, damit er studiren könne, hatte aber ein ehrloses Frauenzimmer geheirathet und das Weite gesucht.

Zuletzt schlug der endlos langmüthige von Wolfrath dem ehemaligen Freunde vor, er solle nach Brandenburg gehen, um durch Verfolgung des Rechts gegen seine verlaufene Frau seine Ehre zu retten, und überhaupt etwas für sich zu erlangen suchen; aber er hatte kein Geld zur Reise. Zuletzt schrieb er an von Wolfrath aus Rostock am 24. Julii 1720, am Tage nach der Abreise des Ministers von Petkum, der doch noch einen "großen Wagen voll von seinen besten Sachen mitnehmen konnte." Da Lubens Gläubiger zu hart drängten, so lief er selbst weg und ging wieder nach Berlin, von wo er noch am 11. Mai 1721 einen Brief an v. Wolfrath schrieb.

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Am 11. Novbr. 1721 starb seine Frau und am 21. desselbn Monats er selbst in Berlin.

Der gleichzeitige Kammer =Archivar J. G. Segnitz hat in einer handschriftlichen Chronik über das Ende Lubens folgende Nachricht hinterlassen:

"1721. d. 21. Nov.

Der Herr Luben von Wulffen, welcher bei hochfürstl. meklenb. Hause Cammer=Präsident gewesen, und wegen übeler Aufführung und daß er seine Function nicht recht verwaltet, sondern wegen der Erbverpachtung und andere Neurigkeit zu introduciren das gantze Land verdorben, dimittiret, auch mit seiner Frau immer in Streit und Uneinigkeit gelebet, welche dann genöthiget worden, ihne zu verlassen und sich nach Berlin zu begeben, hat er sich endlich auch, da er zu Rostock viele Schulden gemacht und seine Habseligkeiten, so er alles schon versetzet gehabt, verconsumiret, aus Noth nach Berlin begeben, alwo er sich sehr bemühet nach einem Dienst, wie er aber daselbst bekant, auch wegen seiner übelen Aufführung der König ihm nicht begehret, zudem sein eintziger Sohn ihm auch viel Herzeleid gemacht, indem derselbe sich von Sr. Königl. Maytt. zu Preussen zum Musquetier hat machen lassen, wovon ihm seine Eltern wieder losgekauft und Studirens halber nach Halle gesandt, wozu er aber keine Lust, sondern daselbst eine H . . . gefreiet, welches seiner Mutter sehr zu Herzen gegangen und darüber sich so viel gegrämet, zumalen sie nur das einzige Kind, auf welches sie all ihr Hoffnung gesetzet, ist selbige endlich bettlägerig geworden und ihren Beichtvater den Herrn Präpositus Reinbeck verlanget, um das heilige Abendmahl zu erhalten; wie nun derselbe auf ihr Verlangen gekommen, hat er ihr das Gewissen ziemlich geschärfet und ihr zugeredet, daß sie sich doch mit ihrem Liebsten vorhero aussöhnen möchte, ehe sie solches hohe Werk empfinge und der liebe Gott sie aus dieser Sterblichkeit wegnehme, worinnen sie sich denn keinesweges hat zuwidergeleget, sondern bereit dazu gewesen, haben sie nach ihm hingesandt, wie er aber nirgends anzutreffen gewesen und sie immer schwächer geworden und an Kräften sehr abgenommen, hat sie zu dem Praeposito gesagt, sie wolle dieserwegen ihren Liebsten um 14 Tage vor Gottes Gerichte citiren, daß er ihr fälschlich nachgeredet, als hätte sie mit ihrem eigenen Hofmeister geh . . .t, und die Advocaten wären auch viel Schuld daran, daß sie in Uneinigkeit gelebet, und darauf verlanget sie nun des andern Morgens um 10 Uhr das heilige Abendmahl; wie nun der Tag als der 11. Nov. (1721) kommt und der Prediger um die

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bestimmte Zeit das heilige Abendmahl geben will, ist sie eine Stunde vorher gestorben. - Wie solches ihr Mann erfähret, bekümmert er sich sehr und nimmt es gar wohl zu Herzen, so gar, daß er von Tag zu Tag immer schwächer wird, und da er merket, daß sein Ende nahe und nicht lange mehr leben wird, verlanget er auch den Präpositus Reinbeck, welcher denn kommt zu ihm und fraget, was sein Anbringen sei, als ersuchet er dem Praeposito, nachdem er ihm alles vorher erzählet, wie er bis dato in der Welt gelebet, allen denenjenigen um Verzeihung zu bitten, welche er beleidiget, daß sie es ihm doch vergeben möchten, er wäre niemand feind und wollte seinen Beleidigern alles gerne vergeben, und seine creditores könnten alle von seinem Nachlaß befriediget werden und sollte keiner dabei zu kurz kommen, damit sie ihm nicht nachfluchten, und darauf verlanget er auch des andern Morgens als um 9 Uhr den 21. Novembr. (1721) auch das heilige Abendmahl, worauf der Praepositus bereit ist, dasselbige ihm zu geben, und auch um die bestimmte Zeit sich einstellet, aber sehr erschrickt, wie er siehet, daß derselbe schon das Zeitliche gesegnet und gestorben ist. Gott behüte einen jeden Menschen doch für solchen Leben und Wandel und mache ein recht bereit, wenn die Erscheinung unsers liebsten Heilandes Jesu Christi sich nahet, auf daß wir sanft und selig in Jesu einschlafen können."

Dies ist die erbauliche und traurige Geschichte eines Rathgebers und Dieners des Herzogs Carl Leopold; in seinem, wie in vieler seiner Genossen Leben spiegelt sich klar und deutlich die beklagenswerthe Zeit, deren Nachwehen Meklenburg noch heute nicht überwunden hat!


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Beilage Nr. 1.

Bestallung des ehemaligen preußischen Kammer=Director Luben von Wulffen zum meklenburgischen Kammer=Director.


Von Gottes Gnaden Wir Carl Leopold Hertzog zu Mecklenburg, Fürst zu Wenden, Schwerin und Ratzeburg, auch Graff zu Schwerin, der Lande Rostock und Stargard Herr etc. .

Urkunden und bekennen hiemit, daß nachdem Uns des gewesenen Königl. Preußischen Geheimen=Hoff=Kammer=Rahts und Cammer=Directoris des Hertzogthumbs Magdeburg Christian Friedrich Luben von Wulffen besondere Qualitäten und in Finantzien, Domainen, Cammer=, Hoffstaats=, Commercien=, Schiffahrt=, Bergwerk= und anderen dergleichen Sachen erlangte Wissenschafften und hiebevor dem Königl. Preußischen Hause in die 24 Jahre getreu und nützlich geleistete Dienste, wie auch, daß Er ein Mann sey, welcher Sich weder durch Geschencke oder anderen privat Absichten verblenden und von den Seinem Gnädigsten Herrn geleisteten Eydes= oder anderen Pflichten durch nichtes abwendig machen laße, dabey verschwiegen wäre und allemahl ohne Ansehen der Person, Sein Ambt treulich verrichtete, noch sonst wegen besorgenden Haßes, Neides und Verfolgung willen, Seines gnädigsten Herren hohes Interesse versäumete, vor Anderen unterthänigst angerühmt worden, Wir selbigen in solcher Consideration, und weilen Er von Selbst eine besondere unterthänigste devotion, vor Unsere hohe Fürstl. Person und Dienste ergebendlich verspühren laßen und dahero die Ihme sonsten wol anderwertig angetragene Dienste in solchem egard zurücke gesetzet hat, ja gar die Zeit Seines Lebens nunmehro gäntzlich entschloßen, Uns Alleine treue und unterthänigste Dienste, mit Auffsetzung Guhtes und Bluts zu leisten, indeme Er von Unserer Fürstl. Gnade und Clementz versichert ist, daß Wir treue und redliche Dienere wol belohnen und Uns derselben gnädigst annehmen, Sie wieder Ihre Feinde schützen, Niemand ungehöret und unverschuldet beleidigen laßen, sondern vielmehr nach Befinden ihrer Unschuld, denenselben gebührende Justice verschaffen laßen, auch dergestallt gegen Unsere getreue Dienere gerecht und erkändtlich erzeigen, damit also dadurch dieselbe umb so mehr auffgemuntert werden, nicht allein in ihrer Treue zu continuiren, sondern auch Sich ümb so mehr befleißigen, ihre Treue und Eyfer thätig vor Anderen zu erweisen, verständiget

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worden, zu Unserem Raht und Cammer=Directorem Unserer Geheimbten Cammer= und Renterey in Gnaden auff= und angenommen; Thun auch solches hiemit und Krafft dieses dergestalt und also, daß Uns und Unserem Fürstl. Hause, Er jeder Zeit getreu, gehorsamb und gewärtig seyn, in allen obbenandten Cammer=, Domain - und Finantzien - Sachen, nach Seinem besten Wißen und Gewißen, auch äußersten Vermögen Unser hohes Interesse überall suchen und befordern, Schaden und Nachtheil hingegen abwenden, noch zugeben, daß dergleichen von denen Ihme untergebenen Cammer=Bedienten, Beambten oder sonsten Jemanden verursachet werde, sondern Jedermänniglich zur Treue, Redlichkeit, Fleiß und Sorgfalt anmahnen, auff deren Thun und laßen gute Acht haben, Unsere Cammer= und Finantz - Sachen, auch Aembtere und Domainen, mit Fleiß untersuchen, Verordnungen und Rescripta, nach besten Wißen und Gewißen angeben und außfertigen, Unsere der Cammer abzulegende, in Specie die General-Renterey=Rechnungen, fleißig examiniren, darüber nach Befinden Seine Notata machen, diejenige, die von importance sind, Uns zur gnädigsten decision unterthänigst vortragen, die übrigen aber nach dem Cammer=Reglement collegialiter abthun, auch über die einlauffende Berichte nicht allein der Gebühr von Unseren Cammer=Räthen votiren lassen, jährlich von jedem departement, Ambte und anderen Einkünften eine accurate und particulier - Bubrique von Einnahme und Außgabe vorläuffig verfertigen, sondern auch Uns Monahtlich einen exacten Cammer=Extract, waß von vier Wochen zu vier Wochen eingekommen und außgegeben worden, Uns Selbsten unterthänigst zur Hand stellen, mithin daraus einen general provisionellen Estat aller Unserer Einkünffte und Außgaben verfertigen und selbigen zu Unserer gnädigsten Approbation gehörig abwarten, und darüber Seine Pflichtmäßige Vorstellungen thun, wie eine jede Uns zugehörige domaine und andere Stücke der Einnahme ohne Beschwer Unserer Unterthanen verbeßert, dadurch Unsere Fürstenthümere, Lande und Einwohnere in beßerem flor und Auffnahme gebracht, wie ein oder ander Stücke, ohne Abgang Unserer Fürstl. Hoheit und Etat, in der Außgabe bestmöglichst mesnagiret und verbeßert werden könne, über Unsere bereits vorhandene, oder noch zu ertheilende Cammer=, Hoffstaats=, Zoll=, Licent -, Aembtere=, Jagd=, Mühlen=, Schäffer= und anderen Ordnungen fest und unverbrüchlich halten, und von denen Ihme Untergebenen halten laßen, auch dahin sehen, daß ein jeder seiner Bestalluug und Instruction gemäß sein Ambt getreulich verrichte, auch auff Unsere Cammer =Archiv, damit alle documenta und Geheime Estats und Landes=Angelegenheiten zur ordent=

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lichen Registratur gebracht und nichtes davon entdecket noch entwand werde, gute Ordnung und Auffsicht zu beschaffen, daß von Niemanden, wer er auch seye, ohne Vorbewust Seiner aus der Cammer etwas genommen, noch dergleichen außerhalb einige expeditiones geschehen mögen, und alldiejenige Stücke, so von Unseren domain und Pertinentien biß hieher entwand, oder von Jemand unrechtmäßiger weise beseßen, genutzet und gebrauchet worden, wieder zu Unserem Estat und Cammer gebracht, die mit Schulden behafftete domainen, Stücke und Aembtere, wieder eingelöset, die übel administrirte oder zu gering verpachtete Aembtere und deren Pertinentien auff einen beßeren Fueß gesetzet, alle geschehenen Malversationes getreulich untersuchet und geahndet, folglich Unser Interesse in allen auffs genaueste beobachtet werde, auch übrigens in allen sich also erhalten solle und wolle, wie es einem redlichen, treuen, auffrichtigen und erfahrnen Cammer=Directori cygnet und gebühret, und worzu Ihn von Uns Ihme vor und nach zu ertheilen seyende gnädigste Instruction und Ordres verweisen und verbinden werden. Daferne Er auch von Unseren Fürstl. Mecklenb. Hauses Estat und Landes=Geheimnißen etwas erfahren oder Ihme anvertrawet werden möchte, solche ohne expressen gnädigstem Befehl Niemanden offenbahren, sondern es biß in seine Sterben=Grube getreulich verschweigen und geheimb halten solle. Dahingegen nun für solche Uns also zu leisten habende getreue Dienste aus obangeführten Ursachen, weil Er Uns und Unserem Fürstl. Hause alleine Zeit Lebens und sonst keinen Anderen getreu und redlich zu dienen, auch Guht und Blut bey Unserer Fürstl. Person und Diensten zuzusetzen und nichtes anders, als Unser wahres Fürstl. Interesse, vor Augen zu haben Sich anheisig gemachet, haben Wir Ihn nicht allein, wie obgemeldet, zu Unserem Raht und Cammer=Directorem der Geheimbten Cammer und Renterey in Gnaden bestellet und angenommen, sondern auch zu Seiner Subsistentz und Außkommen, und damit Er keine verbohtene Wege ümb Geld zu erlangen, eintreten, oder auff eine andere Ihme nicht anständige Arth, Ursache haben dürffte, solches zu suchen, auch daß Er das Seinige nicht dabey zuzusetzen nöthig habe, sondern Sich Standmäßig aufführen könne, Ihme jährlich in zweyen gewöhnlichen Terminen Eintausend Rthlr. Meklenb. Valeur, nebst Futter und Mahl auff vier Pferden, verschreiben, und gegen deßen Quitung gnädigst reichen laßen wollen, und soll solcher Gehalt weilen Er unterthänigst vorgestellet, daß Ihme die anhero Reyse von Wien über 600 Rthlr. gekostet, aus besonderen Fürstl. Gnaden in solcher gnädigsten Consideration vom 1. Juli 1714 seinen Anfang nehmen; Wobey Wir Ihme auch, bey Unserem

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Fürstl. Worte, weilen Wir gnädigst wol wißen, daß derjenige, welcher absonderlich in Cameral - Sachen, Seinem gnädigsten Herrn treu, redlich und ohne Ansehen der Person dienet und gerade durchgehet, auch keine Feindschafft noch Verfolgung achtet, von Jedermann, absonderlich von denenjenigen, so darunter leiden und welchen bey der neuen Einrichtung etwas abgehen möchte, gehaßet, verfolget und verläumbdet wird, gnädigst versprechen und versichern, daß Wir denselben allemahl, wann was wieder Ihme angebracht oder sonst Schuld gegeben werden solte, demselben solches zu seiner genugsamen Verantwortung communiciren, über alles, als ein Gerechtigkeit liebender Herr, Ihn darüber gnädigst vernehmen und also Seiner ungehört keine Ungnade auff Ihn werffen, sondern nach Befinden demselben zulängliche Satisfaction verschaffen wollen. Und da Uns Er auch mehrgedachter Unser Raht und Cammer=Director unterthänigst versichert, daß Er Unsere Finantzen und domainen in vielen Stücken, ohne Bedrückung Unserer Unterthanen, Fürstenthumb und Lande, sondern vielmehr mit Auffnahme derselben, auff ein Ansehnliches mit der Zeit verbeßern könte und wolte, worüber Er Uns dann alle Anweisung unterthänigst vorzustellen hat, und dabey devotest außgebehten, daß Wir Ihme von solcher Verbeßerung Zeit Lebens Fünff pro Centum Zukommen laßen möchten, welches Wir dann demselben solchenfals in Gnaden hiemit versprechen und es also genießen laßen wollen. Zu Uhrkund deßen, haben Wir diese Bestallung Eygenhändig unterzeichnet, mit Unserem Fürstl. Insiegell bedrücken, in duplo außfertigen und zu Festhaltung obigen allen, ein gleichlautendes Exemplar von Ihme Eydlich unterschreiben, besiegeln und in Unserem Cammer=Archivo verwahrlich beylegen laßen. Gegeben in Unserer Residentz und Vestung Rostock, den 9. January, Anno 1715.

Nachdem des Herrn Hertzogs Caroli Leopoldi zu Mecklenburg, Schwerin und Güstro Hochfürstl. Durchl. mich Christian Friedrich Luben von Wulffen obbeschriebener maßen zu dero Rath und Cammer Directorem gnädigst bestellet und angenommen haben; So schwere ich hiermit einen leiblichen Eyd zu Gott und auff Sein heiliges Evangelium, daß ich obigen gantzen einhalt dieser mir also vorgesetzten und gnädigst ertheilten Bestallung in allen seinen puncten und clausulen getreulich, redlich und aufrichtig nachkommen wolle. So wahr helffe mir Gott hier zeitlich und dort ewiglich durch Jesum Christum Amen. Uhrkundlich habe dieses eigenhändig unterschrieben und

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mit meinem angebohrnen Adelichen Petschafft besiegelt. So geschehen Rostock den 15. January 1715.

                    (L. S.)

Christian Friderich Luben von Wulffen.     

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin. Das untergedruckte Siegel des Luben von Wulffen hat einen längs getheilten Schild, rechts mit einem gekrönten Adlerkopf auf drei Querbalken, links mit einem aufgerichteten Wolf, und auf dem Helme einen laufenden Wolf.


Beilage Nr. 2.

Patent des Herzogs Carl Leopold über die beabsichtigte Einführung der Erbpacht in die Domainen.


Von Gottes Gnaden Wir Carl Leopold, Hertzog zu Mecklenburg, Fürst zu Wenden, Schwerin und Ratzeburg, auch Graff zu Schwerin, der Lande Rostock und Stargard Herr, Thun kund und fügen hiermit jedermänniglich zu wissen, nachdem wir gnädigst resolviret, einige Meyerhöffe, wenn sich bei jetzt vorseinder Verpachtung nicht Pensionarien finden sollten, welche ohne Dienste der Unterthanen und nicht, wie bißhero geschehen, da ihnen der Unterthanen Dienste mit angeschlagen und verpachtet worden, in Pacht nehmen wollen, beständig zu verpachten und darauff Freyleute anzusetzen, wann sich dazu Leute finden, welche solche ohne Dienste der gedachten Unterthanen annehmen und die dabey verhandene Wirthschaffts=Gebäude, als Wohnungs=Häuser, Scheuren, Ställe und dergleichen nach den Wehrt und billigmäßigen Taxe, wie sie jetzo im Stande und befindlich sind, wie auch das dabey verhandene Inventarium an Vieh, Aussaat, nebst dem Dünger= und Pflug =Lohn, desgleichen andern Geräthe, so zur Wirthschaft gehörig, ebenfalls nach dem Wehrt baar bezahlen und solche Meyerhöfe, nach deren Situation und Vielheit der Felder und Aussaat, mit mehrern Neben=Pächtern, Freyleuten und Einwohnern besetzen lassen wollen, ümb Unsere getrewe Unterthanen von der bißherigen beschwerlichen Dienstes=Last und Leib=Eigenschafft zu befreyen, wovon einem jeden, wer dazu Belieben trägt und einen beständigen und festen Sitz erblich haben wil, damit er nicht besorgen dürffe, daß er von einem andern über wenig Jahren wieder ausgetrieben und übersetzet werden, sondern vor sich und seinen Erben

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nach Gefallen das in Frey=Pacht habende Stück verbessern und in Haußwirthlichen Standt bringen könne, bey jetzt vorseinder Verpachtung der auff Johannis dieses Jahres Pachtlos seynden Ambtern, Meyerhöffen und andern Pertinentien, vorhero auff Unserer Cammer alhier die Conditiones vorgeleget und zu wissen gethan, auch alsdann mit mehrern davon informiret werden soll, wozu ein jeder, wes Standes er auch sein mag, absonderlich aber Baurs=Leute, welche gute Wirthe und des Vermögens sind, oder sich und ihre Kinder zu Frey=Leute machen und aus der beschwerlichen Leibeigenschafft setzen wollen, so Wir ihnen dabey verschreiben wollen, admittiret und dazu angenommen, auch desfals mit ihnen verbindliche Contracte geschlossen und unter Unser eigenhändigen Unterschrifft und Besiegelung ausgehändiget werden sollen. Weiln sich aber, dem Verlaut nach, einige unterstehen sollen, denn Leuten, so bereits sich zu solchen Pachtungen angegeben und belieben dazu haben, davon wiedrige Meinungen beyzubringen und dieselbe, wegen ihres dabey habenden Eigennutzes, davon abzuhalten; So haben Wir davor männiglich warnen wollen, sich dergleichen ferner zu enthalten, wiewoll Wir zu jedem getreuen Unterthan das gnädigste Vertrauen haben, daß er sich an dergleichen Geschwätze nicht kehren, sondern seine eigene Wollfahrt diesen vorziehen, und Uns diejenige, welche sich dessen unterstehen möchten, anzeigen wird, damit Wir solche Leute, andern zum Exempel, zur gebührenden Straffe ziehen können. Geben in Unserer Residentz, Stadt und Vestung Rostock den 19. Februarii Anno 1715.

Carl Leopold.                (L. S.)

 

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VII.

Ueber Tagebücher

des

Herzogs Carl Leopold

von Meklenburg,

von

G. C. F. Lisch.


D as großherzogliche Geheime und Haupt=Archiv besitzt einen werthvollen Schatz in den zahlreichen Tagebüchern der bedeutenden Herzoge Johann Albrecht I. und Adolph Friederich I. Die Tagebücher des Herzogs Adolph Friederich hat der Herr Schloßhauptmann von Lützow im vorigen Jahrgange dieser Jahrbücher im Auszuge bekannt gemacht. Außerdem besitzt das Archiv noch mehrere Tagebücher und unter diesen einige mit Papier durchschossene Schreib=Kalender aus den Jahren 1716 - 1719, welche dem Herzoge Carl Leopold angehört haben und in welche von dessen eigener Hand hin und wieder Bemerkungen eingetragen sind. Die meisten dieser spärlichen Aufzeichnungen sind aber durchaus werthlos. Am häufigsten ist mehrere Male in jedem Monate, fast wöchentlich, der Buchstabe B (vielleicht: Bad?) eingezeichnet, einige Male auch das Wort: "Damp=Bad". Dann ist am häufigsten die Abreise oder Ankunft verschiedener Hofbedienten angeschrieben, z. B. "Eichholz weg"; "Dien weg"; "Bibow weg"; "Miro weg"; u. s. w. Endlich sind alchymistische Aufzeichnungen bei weitem am häufigsten; z. B. "eingesetzt olium  12 Lot 5 lot öle  1 lot fulmi"; "Der ofe in die glut"; "materie angekom"; "eingesetzt in die Müle"; "Steinfeuer angefangen"; u. s. w.

Von historischer Wichtigkeit sind nur folgende Aufzeichnungen aus dem J. 1716.

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Tagebuch

des Herzogs Carl Leopold von Meklenburg
aus dem J. 1716.

1716     März   7.     Von Suerin.
     - 8. In Vredh. an.
     - 13. Von Vredenh.
     - 19. Ankommen in Dantzig.
  April  19. Capitulat. unterschrieben von Wismar.
     - 22. Car übel worden.
  Mai 1. Von Dantzig weg.
     - 9. In Schwerin kommen.
     - 21. Czaar in Schwerin kommen.
     - 23. Czarin ankommen.
     - 27. Czaar von Schwerin.
  Juni 30. Czaar aus Piremont in Suerin.
  Juli  4. Czaar nach Rostock.
     - 10. Nach Warnemünde der Czaar.
     - 14. Der Czaar über die See.
  Aug. 1. Punta gezeignet mit Stat Rostock.
     - 22. Von Rostock nach Suerin.
  Sept. 19. In Rostock kommen.
  Oct. 27. Von Rostock.
  Nov. 15. Czaar in Schwerin von Lübec.
     - 21. Czaar von Schwerin.
     - 27. Nach Havelbe.
     - 28. Cza. von Hav.
  Dec. 20. Czarin von Schwerin.

 

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VIII.

Ueber Meklenburgs Chroniken und
Genealogien,

von

F. Boll.


E in sehr wesentliches Verdienst um die Geschichte unsers Landes hat sich Herr Archivar Lisch durch die Mittheilung der doberaner und parchimer Genealogie im vorigen Bande unserer Jahrbücher erworben, deren erstere, es ist schwer zu sagen, weshalb eigentlich, so lange der Oeffentlichkeit war vorenthalten worden. Beide Genealogien bieten zwar nicht viele neue, bisher unbekannte Angaben dar, aber sie führen uns auf die erste authentische Quelle derselben zurück, und geben dadurch der Forschung einen festen, sichern Halt. Der erste Theil der doberaner Genealogie ist, wie Herr Archivar Lisch mit durchaus einleuchtenden Gründen dargethan hat, schon um das Jahr 1370 niedergeschrieben, und um dieselbe Zeit etwa die parchimer Genealogie aus jener entlehnt; eine andere Hand hat später, wahrscheinlich im ersten Jahrzehent des funfzehnten Jahrhunderts 1 ), die doberaner Genealogie bis dahin fortgeführt, die parchimer aber noch in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts einen Zusatz erhalten.

Die erste Aufzeichnung der doberaner Genealogie ist also ungefähr mit Ernst von Kirchbergs 2 ) Chronik gleichzeitig: Herr Archivar Lisch macht darauf aufmerksam, daß Kirchberg diese Genealogie wahrscheinlich zu seiner Reimchronik benutzt habe, wenn sie nicht gar während und in Veranlassung seiner Arbeit abgefaßt sei. Kirchberg giebt in der Einleitung an, daß er im


1) S. 22 werden schon Herzogs Ulrich Söhne aufgeführt: diese waren, als der Vater im J. 1417 starb, noch unmündig, und erscheinen noch im J. 1422 in Urkunden nur als "Herzog Ulrichs Kinder", waren also wohl frühestens im ersten Jahrzehent des Jahrhunderts geboren.
2) Nach den Meklenb. Jahrb. II, S. 75, hatten um 1370 die Kirchberge Besitzungen in Loissow, zwischen Mirow und Wesenberg. Auffallend ist, daß Ernst von Kirchberg mit den diese Gegend betreffenden Ereignissen besonders genau bekannt ist: siehe Cap. 173, 175 und 166 pag. 820.
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Jahre 1378 Freitags nach Epiphanien auf Bitten des Herzogs Albrecht sein Werk begonnen habe: er habe nach den lateinischen Chroniken der Römer, Sachsen und Dänen gearbeitet; was er aber hier nicht habe finden können, das habe er aus "manigem munde" erfahren, "so er allir beste mochte." Auf solche mündliche, und zwar sehr umständliche und genaue Ueberlieferung scheint denn auch in der That der wichtigste Theil seiner noch vorhandenen Chronik, welcher die Zeiten Heinrichs des Löwen von Meklenburg begreift, zurückzuführen zu sein: das geben vornehmlich die in diesem Abschnitte häufig vorkommenden sehr genauen Bestimmungen der Localität an die Hand. Leider aber ist sein Werk, wie es bei von Westphalen im 4ten Bande der monumenta inedita nach der einzigen bekannten Handschrift (im großherzogl. Archive zu Schwerin) gedruckt vorliegt, nur verstümmelt auf uns gekommen. Von dem "Herzog Albrechts Buch," auf welches er Cap. 179. verweiset, ist keine Spur mehr vorhanden, und grade bei diesem Zeitabschnitte, welcher für die meklenburgische Geschichte so wichtige Ereignisse begreift, wäre eine ausführliche, gleichzeitige Chronik von unendlichem Werthe. Besonders in der ersten Hälfte enthält die Reimchronik viele Lücken, die nach von Westphalens Meinung durch die in dem von ihm benutzten Manuscripte absichtlich ausgerissenen Blätter entstanden sind; doch trifft dies glücklicher Weise nur Abschnitte, die fast gänzlich nach Helmolds Slavenchronik gearbeitet sind. Der wichtigste Theil des Werkes ist noch erhalten und nur am Schlusse fehlen anderthalb Capitel. Nikolaus Marschalk hat allem Anscheine nach noch den vollständigen Kirchberg zur Benutzung vor sich gehabt 1 ).

Auf Kirchberg als ursprüngliche Quelle geht denn auch meiner Meinung nach die plattdeutsche rostocker Chronik zurück, welche Schröter in den rostocker Anzeigen vom J. 1825 mitgetheilt hat. Nicht allein der ganze Verlauf der zum Theil sehr umständlichen Erzählung stimmt dem Inhalte nach bis in die Einzelnheiten mit


1) Besonders augenfällig ist die Benutzung der Kirchbergschen in der Marschalkschen Reimchronik, in welcher oft die Reime aus Kirchberg entlehnt zu sein scheinen. Statt vieler Beispiele wähle ich nur eins aus dem letzten, nicht mehr vollständig vorhandenen Capitel Kirchbergs:

Der hatte sy virtrieben vür
Mit der Snakenborgir für,
Mit helfe und ouch mit nydes drowe
Herrn Conradis von Rensowe etc. .,

wofür Marschalk Lib. III, Cap. IV reimt:

Schnakenberg und er Conrad Rensau
Die hatten mit Macht und auch mit Drau etc. .

Uebrigens bricht Marschalk hier nicht mitten in der Erzälhung ab, wie jetzt die Kirchbergsche Chronik, sondern führt sie völlig zum Schluß, ein Beweis, daß er noch den vollständigen Kirchberg vor sich hatte.
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Kirchberg überein, sondern auch der Wortausdruck der plattdeutschen Chronik erinnert überall an ihn; nur an ein paar Stellen fügt die plattdeutsche Chronik Angaben hinzu, wofür sie sich ausdrücklich auf die Lübecker (Detmarsche) Chronik beruft. Wenn übrigens Schröter aus den Worten (S. 47): "wor ith ümme den borch hernamals geschenn sy, secht de Cronica nicht, dar ik dit ander uth schreff", folgert, daß die plattdeutsche Chronik von Kirchberg unabhängig sei, weil dieser wirklich weiterhin noch Nachrichten über die Burg mittheile: so scheint mir dies bei der durchgängigen, augenfälligen Uebereinstimmung mit Kirchberg von keinem Gewicht. Der plattdeutsche Bearbeiter, welcher, seiner Mundart und Orthographie nach zu urtheilen, dem Ende des funfzehnten oder Anfang des sechszehnten Jahrhunderts anzugehören scheint, könnte die späteren Angaben Kirchbergs über die Burg bei Warnemünde übersehen haben, oder er hat auch Kirchberg nicht unmittelbar benutzt, sondern eine aus Kirchberg entlehnte Relation vor sich gehabt: für die ursprüngliche Quelle seines Berichtes aber halte ich aus den angeführten Gründen jedenfalls Kirchberg.

Wenn man nun zu den genannten noch die ums J. 1533 verfaßte ribnitzer Chronik des Franziskaner Lesemeisters Lambrecht Slagghert (dessen vollständige plattdeutsche Urschrift unsere Jahrbücher uns recht bald mittheilen mögen!) hinzunimmt: so hat man Alles beisammen, was Meklenburg gegenwärtig an alten einheimischen Chroniken und Genealogien aufzuweisen hat. Freilich wäre dies sehr wenig, wenn es Alles wäre, was man in früheren Zeiten in Meklenburg für die Erhaltung der Geschichte des eigenen Landes gethan hätte. Allein völlig so dürftig war es in dieser Hinsicht doch nicht bei uns bestellt. Herr Archivar Lisch hat im vorigen Jahrgange unserer Jahrbücher eine Urkunde mitgetheilt, welche der havelberger Bischof am 4. Mai 1418 zu Wilsnack an Kaiser Siegmund ausstellte, worin er auf Grund zweier ihm vorgelegten alten Bücher, deren eines dem Kloster Dobbertin, das andere aber nach Neukloster gehörte, den Herren von Werle bezeugt, daß sie aus dem Stamme der alten Könige der Slaven entsprossen wären. Also besaß wenigstens auch das Kloster Dobbertin eine Chronik oder Genealogie, welche die Abstammung der werleschen Herren nachwies.

Meklenburg aber hatte früher deren noch mehrere aufzuweisen, die zum Theil noch vor hundert Jahren vorhanden waren: auf diese hier aufmerksam zu machen, ist der eigentliche Zweck dieser Zeilen. Möglich wäre es doch, daß sie noch irgendwo in Verborgenheit sich erhalten hätten, und daß Vorsteher auswärtiger Archive oder Bibliotheken uns das nachweisen könnten, was wir bei uns selbst freilich wohl vergebens suchen würden.

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Der Canzler von Westphalen kannte mehrere alte meklenburgische Klosterchroniken, von denen ich sonst nirgends eine Nachricht finde. In der Vorrede zum dritten Bande seiner monumenta inedita S. 2 erwähnt er eine zu dem Ende des 15. Jahrhunderts geschriebene doberaner Chronik: auctor Chronici Dobberanensis vetusti exeunte sec. XV conscripti laudat Chronicon quoddam Buschkanuni scriptum a priore quodam in loco vicino, qui dicitur ab aquis salsis, per quem oppidum Sultam Magnopolensem indicat etc. Leider fügt er aber nichts weiter hinzu, als die Berichtigung, daß unter dem Chronicon Buschkanuni wohl das Werk des Joannes Buschkius zu verstehen sei, der um die Mitte des 15. Jahrhunderts Prior des Augustiner=Klosters zu Sült bei Hildesheim war. In der Vorrede zu demselben Bande, S. 1, führt Westphalen auch Annalen des Klosters Sonnenkamp an: monachi Soliscampi in annalibus coenobii Msc. aliique illum (Helmoldum Bosoviensem) vocare satagunt Episcopum Buzoviensem etc., um diesen in Bezug auf die Person des Verfassers der Slavenchronik begangenen Irrthum zu rügen. In der Vorrede zum ersten Bande, S. 89, theilt er ein plattdeutsches Fragment aus der Chronik eines Ungenannten de originibus Ducum Mecklenburgensium mit, die zu Doberan am Sonntage Esto mihi 1541 sei vollendet worden; der Verlust dieser Chronik möchte weniger zu bedauern sein, denn das mitgetheilte Fragment enthält schon Marschalksche Fabeln. Sollten aber jene ältere doberaner Chronik und die sonnenkamper Annalen wirklich noch im Laufe des letzten Jahrhunderts spurlos untergegangen sein?

Das wichtigste unter den alten einheimischen Geschichtsbüchern war vielleicht dasjenige, wovon uns der bekannte lübecksche Chronikenschreiber Reimar Kock (um 1550) Nachricht giebt. Er zählt (bei Grautoff I, S. 458) die gedruckten und ungedruckten Bücher auf, welche er bei Ausarbeitung seiner Chronik benutzt habe. Unter den ungedruckten lateinischen Quellen führt er an erster Stelle auf: "Eine herlicke geschrevene Chronicke in twe Parten, welche Bischop Böddecker van Schwerin hefft laten schrivenn, düsse Bischop licht tho Lübeck in dem Dome begraven. Düsse Chronike hefft my ein Erb. Rath van der Wismar behändiget." Nikolaus Böddecker oder Böttcher, aus einem angesehenen wismarschen Geschlechte entsprossen, ward im J. 1444 Bischof von Schwerin, resignirte im J. 1457 auf das Bisthum und starb zwei Jahre später in der Zurückgezogenheit zu Lübeck. Die auf sein Geheiß verfaßte ausführliche Chronik (denn sie bestand aus "twe parten") würde

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also eine authentische Quelle aus der Mitte des 15. Jahrhunderts sein. Reimar Kock nennt sie eine "herrliche" Chronik, das einzige Mal, daß er eine solche Bemerkung bei den von ihm aufgezählten Büchern hinzufügt: möglich, daß sie sich nur auf die kalligraphische Schönheit der Handschrift bezog. Weiter weiß ich freilich von dieser Chronik, deren Verlust gewiß höchlich zu bedauern ist, nichts zu sagen. Sollte sie vielleicht ihren Weg von Wismar hinüber nach Schweden gefunden haben und dort noch vorhanden sein? Oder war diese, auf Befehl des schweriner Bischofs verfaßte Chronik identisch mit den annalibus ecclesiae Suerinensis 1 ), welche Nettelbladts succincta notitia etc. S. 21 unter den Schriften aufführt, welche die kirchlichen Verhältnisse Meklenburgs in katholischer Zeit behandeln, und bemerkt, daß Wallenstein das authentische Exemplar dieser Annalen aus dem schweriner Archive sich zugeeignet habe? Schmidt in den Zusätzen zu Nettelbladt (Rostocker Anzeigen von 1823, S. 196) giebt dagegen an, daß diese schweriner Annalen mit den übrigen Stiftssachen nach Dänemark gekommen seien.

Die zur Zeit der Wallensteinschen Invasion stattgehabte Entführung des schweriner Stiftsarchives nach Dänemark ist freilich wohl die bedeutendste Einbuße, welche die Geschichte Meklenburgs erlitten hat. Die fleißige Sammlung bischöflich schwerinscher Urkunden und Regesten, welche Herr Archivar Lisch im 3. Bande der Meklenburgischen Urkunden geliefert hat, zeigt deutlich, wie viel wir durch die Entfremdung jenes Archives verloren haben. Neuerdings durch Lisch deshalb in Kopenhagen angestellte Nachforschungen haben nur ergeben, daß das Meiste wahrscheinlich völlig verloren ist. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts besaß der Landrath von Negendank mehrere Folianten mit Abschriften aus dem ehmaligen schwerinschen Stiftsarchive, welche er sich mit großen Kosten aus Kopenhagen verschafft hatte: so berichtet wenigstens der Vorredner zum meklenburgischen Urkunden=Iventar. Sind auch diese als gänzlich verloren zu betrachten?

 

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1) Unter Annales ecclesiae Suerinensis wird im schweriner Archive, nach den darüber erhaltenen Nachrichten und Verzeichnissen, das große Diplomatarium verstanden, welches der Bischof Friederich II. in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts anfertigen ließ und welches nicht allein das Memorienbuch und die Heberegister, sondern auch Abschrift sämmtlicher Urkunden des Stifts enthielt. In Kopenhagen habe ich in allen Archiven und Bibliotheken, so bereitwillig sie mir auch geöffnet wurden, keine Spur von diesem Buche entdecken können.           G. C. F. Lisch.
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IX.

Miscellen und Nachträge.


1.
Der wendische Götze Goderac
und
der Heilige Gotthart.

E s ist in Jahrb. VI, S. 70 flgd. dargelegt, daß der Bischof Berno von Schwerin den neu bekehrten Wenden des Landes Kessin für ihren Götzen Goderac den Heiligen Godehart gab, wie er den Rügianern für ihren Swantevit den Sanct Vit oder Veit unterschob, an dessen Tage auch in Schwerin die Kirchweihe und bis auf unsere Zeit ein Jahrmarkt gehalten ward. Berno ahmte dadurch den Kunstgriff mancher anderer Heidenbekehrer nach, daß er für die gestürzten heidnischen Götzen christliche Heilige mit ähnlich klingenden Namen an die Stelle setzte. Warum führte er hier aber grade den H. Gotthart ein, einen nicht viel bekannten Heiligen, und nicht einen andern Heiligen mit ähnlich klingendem Namen, wie den H. Gerlac, H. Gerhard, H. Gottfried? - Freilich kommt der Name Godehart dem Namen Goderac durch einen merkwürdigen Zufall am nächsten. Aber die Wahl des H. Godehart hat einen ganz besondern Grund: der H. Godehart war ein Heiliger des Stifts Hildesheim. Berno aber war ein Mönch des Klosters Amelungsborn, des Stammhauses der Cistercienser=Mönchsklöster in Meklenburg; das Kloster Amelungsborn lag aber in der Diöcese Hildesheim. Es lag also sehr nahe, daß Berno den Ritus seiner Diöcese in die durch ihn bekehrten Länder einführte. So war auch das Dom=Collegiatstift zu Güstrow nach den Regeln der Kirche Hildesheim gestiftet (vgl. Jahrb. XII, S. 5 flgd.), wenn es auch nicht lange dabei blieb. Ueberhaupt hat das Bisthum Hildesheim seit alten Zeiten immer Einfluß auf die Wendenländer ausgeübt und hier immer in Ansehen gestanden.

Der heilige Gotthart von Bayern ist nicht sehr bekannt. Er ward 1022 Bischof von Hildesheim, starb am 5. Mai 1038

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und ward am 29. Oct. 1132 auf der Synode zu Rheims canonisirt; er war also zu Bernos Zeit am Ende des 12. Jahrh. ein noch junger Heiliger und stand noch in frischem Andenken. Ihm zu Ehren stiftete der Bischof Bernhard (1130 - 1153) zu Hildesheim das ansehnliche S. Godehardi=Kloster, welches jetzt zum Staatsgefängnisse benutzt wird. Godehart's Sarg steht noch als Reliquienschrein in der Kirche zu Hildesheim. Ueber den H. Godehart vgl. Acta Sanctor. Mai (4). T. I, p. 501 - 33; Mabillon Acta sanct. Ord. Bened. T. VI. P. I. p. 395 - 446; Leibnitz Script. Rer. Brunsw. I, p. 482 - 517. Ueber Münzen von ihm vgl. Hannoversche Blätter für Münzkunde III, S. 145.

G. C. F. Lisch.     


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2.
Verleihung der Burg Lenzen an die Grafen von Schwerin.

Die Geschichte des Ortes Lenzen ist häufig Gegenstand der historischen Untersuchung gewesen, namentlich ist dessen Verhältniß zu den Grafen von Schwerin, welche ihn längere Zeit in Besitz hatten, Veranlassung zu angestrengten Forschungen geworden, da dieses Verhältniß die Grundlage der ziemlich bewegten Geschichte des Ortes in seiner Stellung zwischen Brandenburg und Meklenburg bildete. Die Geschichte von Lenzen ist bearbeitet in v. Ledebur Neuem Allgem. Archiv III, S. 206 flgd. und in Riedel Cod dipl. Brand. I, 2, S. 59 flgd.

Nach diesen ziemlich erschöpfenden Forschungen ist die älteste Nachricht über den Ort eine in Gercken Cod. Dipl. Brand. V, S. 78, gedruckte Urkunde vom J. 1252, in welcher von einem Besitze der Stadt Lenzen durch die Grafen von Schwerin die Rede ist, ohne daß man diesen Besitz historisch begründen konnte. In dem im großherzogl. meklenburgischen Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin aufbewahrten sogenannten Repertorium Fabricianum, einem von dem ersten meklenburgischen Archivar Samuel Fabricius im J. 1582 vollendeten Inhaltsverzeichnisse aller Urkunden, welche sich damals im herzoglichen Archive befanden (mit Ausnahme der Urkunden der säcularisirten geistlichen Stiftungen), belehnte der Markgraf Albrecht II. von Brandenburg im J. 1219 den Grafen Heinrich I. von Schwerin mit dem Schlosse Lenzin und allen dessen Zubehörungen, mit der Verpflichtung zum Dienste gegen jedermann, mit Ausnahme gegen den König von Dänmark, dessen gefährlicher Widersacher der berühmte Graf nach

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seinem Kreuzzuge in das Heilige Land (1220 - 1222) ward. Die Urkunde selbst ist nicht zu finden und wahrscheinlich verloren gegangen, da sie nach dem im vorigen Jahrhundert angefertigten Jahresregister des Repertorii Fabriciani damals nicht mehr vorhanden war, jedoch ist die Regeste 1 ) derselben immer noch des Annehmens werth.

G. C. F. Lisch.     


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3.
Ueber das Burglehn zu Lenzen.

Die Schlösser Namens Lenzen oder Lenzke sind von einiger Bedeutung in der vaterländischen Geschichte. Wenn hier auch nur die Erforschung eines bisher unbekannten Burglehns zu Lenzken zur Frage kommen soll, so wird es doch nöthig sein, einige Blicke auf andere Oertlichkeiten gleiches Namens zu werfen.

Bekanntlich hatten die Herzoge von Meklenburg Lenzen mit der Stadt in der Nähe der Elbe im 14.Jahrh., von den Grafen von Schwerin her, zum Pfande und darauf seit 1373 die Prignitz mit Lenzen zu Lehn (vgl. Rudloff M. G. II, S. 489 und 631). Am Ende des 14. und in dem ersten Viertheile des 15. Jahrh. Waren die räuberischen Einfälle aus der nördlichen Mark in Meklenburg an der Tagesordnung und es wurden durch das böse Beispiel selbst viele meklenburgische Vasallen an der südlichen Grenze Meklenburgs von dieser Fehdelust angesteckt. Am Ende des 14. Jahrh. hatten die räuberischen Vasallen der Mark ihr Hauptlager auf der Burg der Stadt Lenzen, welcher die Fürsten eine andere Burg gegenüber gebauet hatten. Im J. 1399 nahmen die Fürsten eine allgemeine Räuberjagd in diesen Gegenden vor und eroberten und zerstörten die Burg Lenzen (vgl. Rudloff M. G. II, S. 545). Noch im J. 1404, Freitag nach divis. apost., vertragen sich die Herzoge von Meklenburg um die Vormark Prignitz und Lenzen.

Wenn man sich auch das ganze Mittelalter nicht als eine einzige, große Raubfehde denken darf, so giebt es doch gewisse Perioden, in denen Selbsthülfe und Gewaltthat überhand nahmen; auch sind nach den Begriffen und Institutionen des Mittelalters angesagte und angenommene Privatfehden nicht als Raubzüge zu betrachten, wenn auch die Hintersassen der Fehdenden deren Streit ausbaden mußten. Als eine Zeit wirklicher Raubfehden ward aber schon früh die Zeit der Raubzüge aus der Prig=


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLVI.
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nitz in der ersten Hälfte des 15. Jahrh. angesehen; und wirklich giebt es aus keiner Zeit mehr Schadensrechnungen über gewaltthätige Beschädigungen, als grade aus dieser Zeit.

Als im Anfange des 16. Jahrh. das Kloster Dargun eine Klage gegen die Maltzan auf Grubenhagen wegen unrechtmäßig von diesen geforderter Dienste und Pächte aus dem Klosterdorfe Gilow durch eine Geschichtserzählung begründete, leitete es diese Darstellung also ein:

Item do men plach to rouende vth der Marcke vnd Priggenitze int lant to Stettin vnd Meckelnborch, ehr die Lentzke gebuwet wart, iss vnse dorp Ghylow gedahn in bescherminge Olrich Moltzane, Wedige Moltzans grotevader, vorschenen by sostich iaren.
Item do die Lentzke gebuwet was vnd dat rouent nableff, wart Olrich Moltzane de bescherminge vorbaden.

In diesen Ausdrücken wird noch fast hundert Jahre später eine Periode der Räuberei als etwas ganz Bekanntes hingestellt. Nach diesen Angaben und vielen andern Zeitbestimmungen in der Klage fällt das Ende der märkischen Raubzeit bis zur Erbauung der ",Lentzke" ungefähr in das Jahr 1445; allerdings ging es damals noch wild her. Mit diesem Bau der Burg Lentzen kann aber die Räuberjagd von 1399 nicht gemeint sein; es bleibt daher die Erbauung dieser Burg zu erforschen.

Die märkischen Raubfehden waren vorzüglich gegen Plau und Röbel hin gerichtet; daher wurden auch die fürstlichen Schlösser in jenen Gegenden in dieser Zeit immer sehr stark befestigt, und manche adelige Geschlechter waren Jahrzehende hindurch im Kampfe begriffen, wie die Linie der Hahn auf Damerow bei Plau. Im J. 1448 ward dem Lüdeke Hahn aus dem bewährten Hause Basedow die Burg Plau anvertrauet; die Hahn auf Basedow spielten zu allen Zeiten des Mittelalters stets eine würdige und große Rolle und verbündeten sich im J. 1467 sogar, von dem Schlosse Basedow nicht zu fehden. Lüdeke Hahn war es, der mit seinem Gelde von 1448 bis 1462 das Schloß Plau aufbauete, von dem noch jetzt sehenswerthe Reste stehen. Er griff den Bau der Burg sogleich an, nachdem ihm im J. 1448 die Vogtei überantwortet war. Zu derselben Zeit baueten die Fürsten die Lenzke. In einer Berechnung der Einnahmen und Ausgaben der Vogtei Plau vom J. 1448 heißt es:

"Item do de heren den Lentzick buweden, do sande ik myneme heren XVI dromet haueren, den schepel vor VIII witte."

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Die um diese Zeit erbauete Burg Lenzke muß also in der Nähe von Plau gelegen haben und wird sicher das Dorf Lenst oder Lenz sein, welches am Einflusse der Elde in den plauer See liegt. Von der Müritz an bieten sich gegen Westen hin durch die große Wasserregion Meklenburgs als Durchgangspuncte von Süden nach Norden hin wohl nur die Eldenburg, Malchow, Lenz und Plau dar. Und grade diese Gegenden waren den märkischen Raubfehden am meisten ausgesetzt.

Ein ganz anderes Lenzen ist aber ohne Zweifel ein Ort, in welchem am Ende des 15. Jahrh. eines Burglehns gedacht wird. Am 28. Mai 1498 hatte ein "Jörg vom Stein von Lyndow" von den Herzogen von Meklenburg ein "Burglehn zu Lenszken" und eine freie Behausung zu Sternberg, welche Henneke Baß (oder Basse oder Bassewitz?) früher gehabt hatte, verliehen erhalten und versprach dafür, die Zeit seines Lebens in den Landen der Herzoge zu bleiben 1 ). Die mit dem Burglehn von Lenzen in Verbindung gebrachte freie Behausung in der Stadt Sternberg deutet darauf hin, daß das Burglehn in der Nähe dieser Stadt lag. Ohne Zweifel ist Lentzke das Dorf Lentzen bei Ruchow, zwischen Sternberg und Güstrow. Dieses Lenzen lag an der Grenze des Landes Sternberg (des nördlichsten Theils des Landes Warnow oder fürstlichrichenbergischen Gebietes), des Landes Werle und des Bisthums Schwerin (Landes Bützow), - oder wenn man alte Völkergrenzen annehmen will, an der Grenze der Länder Warnow und Circipanien (oder Bisdede und Tribedne) und vielleicht des Landes der Kissiner über das Land Bützow her. Im J. 1236 ward als westlichste Grenze des bischoflich=schwerinschen Landes Bützow der See von Lansnizhe, d. i. Lenzen, angegeben (vgl. Mekl. Urk. III, S. 80). Der Name Lenzen für alle Orte gleiches Namens wird vom 14. bis ins 16. Jahrh. gewöhnlich Lentzke geschrieben. Die Fürsten hatten also hier in diesem wichtig gelegenen Dorfe Lenzen in alten Zeiten sicher eine Burg mit Burglehen. Das Dorf Lenzen war von dem Kloster Dobbertin erworben; aber die Landesherren hatten immer besondere Gerechtsame in Lenzen. Die umherliegenden Güter Bolz, Schlowe und Tieplitz gehörten im 15. und 16. Jahrh. den von Restorf. Am 13. Julii 1402 belehnte der Fürst Balthasar von Werle die Brüder Gumpert und Brüning Restorf mit dem Gute Schlowe und mit dem, "was der Fürst hatte an den dorpen Rochow, "Lentzen, Scherbow, idt sy an dem hogesten richte,


1) Vgl Urk. Samml Nr. LVI.
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"bede effte diensthe"; im 16. Jahrh. hatten die von Restorf noch das höchste Gericht in Lenzen.

Es leidet also wohl keinen Zweifel, daß das "Burglehn zu Lentzen" in dem Dorfe Lenzen westlich von Sternberg lag. Eben so hatten die Herzoge von Meklenburg nördlich von Sternberg ein Burglehn zu Sagsdorf an der Grenze zwischen den Ländern Warnow und Meklenburg (Obotritenland?) und in der Nähe der Grenzen des Bisthums Schwerin. Im J. 1506 gaben die Herzoge einem Hans Dhume die Eventualbelehnung mit dem Burglehn zu Sagsdorf (vgl. Jahrb. XII, S. 176 und 384).

Von solchen freien Wohnungen in Sternberg, wie sie nach der hier mitgetheilten Urkunde (anscheinend) mit dem Burglehn zu Lentzen verbunden waren, kamen die auch wohl die Sagen von Wohnhäusern in Sternberg mit landständischen Gerechtsamen (vgl. Jahrb. XII, S. 200 - 203), wie z. B. dem v. pressentinschen Hause) welches früher wahrscheinlich das Haus des Ritterkalandes war (vgl. die folgende Miscelle).

Wer übrigens Jörg vom Stein gewesen sei, ist eben so unbekannt, als wer der andere Burglehnsmann Hans Dhume gewesen sei. Ein Ausländer war er jedenfalls. Er war aus "Lyndow": entweder aus Lindau am Bodensee, da von Lindau, Augsburg und Inspruck aus manche Forderungen an den jungen Herzog Heinrich aus der Zeit, als er in kaiserlichen Diensten stand, gemacht wurden, also ein abgefundener Gläubiger, - oder er war aus dem brandenburgischen Orte Lindow und während der durch das Heilige Blut und die Stiftung des Klosters in Sternberg erregten Bewegung nach Sternberg gekommen.

Noch im J. 1532 verlieh der Herzog Heinrich nach dem Tode des Bürgers Hans Hildebrand zu Schwerin, welcher das Burglehn besessen hatte, die eine Hälfte des "Burglehns zu Lentzken mit allen seinen Pächten, Renten, Fischereien und Zubehörungen" seinem Secretair Caspar Schmidt, Bürger zu Neubrandenburg, namentlich um vor dem Hof= und Landgerichte für die Armen um vermögliche Belohnung und für die Unvermöglichen einstweilen umsonst zu advociren, nachdem der Herzog Albrecht die andere Hälfte seinem Vogte Hans Karsted verliehen hatte.

G. C. F. Lisch.     


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4.
Der Ritterkaland zu Sternberg.

In Jahrb. XII, S. 200 - 203, sind die urkundlichen Hauptangaben zur Geschichte des Ritterkalandes zu Sternberg und die wenigen Nachrichten über ein oft besprochenes Haus in Sternberg, an welchem Landstandsgerechtigkeit geklebt haben soll, mitgetheilt. Der Ursprung sowohl dieser Sage, als der diesem Hause zustehenden Freiheiten war in neuern Zeiten dunkel geworden. Seit der Herausgabe der Jahrbücher XII hat der Herr v. Bülow zu Wahmkow dem Vereine eine Urkunde in deutscher Uebersetzung übergeben, durch welche die Bestimmung dieses Hauses klar wird. Bei nochmaliger Nachforschung findet sich nun aber, daß das lateinische Original dieser Urkunde bereits in Franck A. u. N. M. VII, S. 89 abgedruckt ist. Die von dem Herrn v. Bülow mitgetheilte Uebersetzung, welche sich seit alten Zeiten im Besitze der Familie von Pressentin befunden haben soll, ist augenscheinlich nichts weiter als eine Uebersetzung des Abdrucks bei Franck. Nach dieser Urkunde giebt am 7. Junii 1399 der Dechant Hermann Basepol (nicht Voezdoel, wie bei Franck steht) zu Bützow seine Zustimmung, daß mehrere Vasallen, namentlich die bischöflich=schwerinschen Knappen Nikolaus und Marquard Schade, in Folge der Stiftung des wailand Albert Gägelow, ein Haus in der Ritterstraße zu Sternberg mit gewissem dazu belegenen Acker der Ritter=Kalands=Brüderschaft zu Sternberg zum ewig währenden "Hauptsitze" (caput perpetuum) widmen können. Das fragliche Haus zu Sternberg war also seit 1399 das Ritter=Kalands=Haus.

Hiemit hängt denn auch wohl die in Jahrb. a. a. O. mitgetheilte Nachricht zusammen, daß in demselben J. 1399 die Kalandsherren ihr (bisheriges) Haus an der Ritterstraße an Heinrich Knakenhauer verkauften.

Die Sage von dem landständischen Rechte, welches dieses Haus besessen haben soll, wird wahrscheinlich ganz jung sein, da der sternberger Franck a. a. O. IV, S. 86 nichts davon weiß und nur sagt, daß in der Ritterstraße "die Herren von Pressentin "einen ansehnlichen Platz nächst an dem vormahligen Kloster bis die Straße hinaus haben, welcher keinen Stadtpflichten unterworfen." Franck würde es ohne Zweifel gewußt und gesagt haben, wenn dem Hause noch mehr Rechte zugestanden hätten.

G. C. F. Lisch     


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5.
Ueber die in Folge des Landfriedens vom Jahre 1291
zerstörten lauenburgischen Raubburgen
und
die Burgen Walerow und Neuhaus,
von
G. C. F. Lisch.

Gegen das Ende des 13. Jahrhunderts bewegten außerordentliche politische Ereignisse die ehemaligen Wendenländer. Der Fürst Heinrich I. der Pilger von Meklenburg war seit dem J. 1272 auf einem Kreuzzuge in Egypten gefangen genommen und hatte seine Gemahlin Anastasia als Landesregentin und zwei junge Söhne zurückgelassen; in Rostock saß seitdem J. 1282 der letzte Sproß des rostocker Fürstenhauses, Nikolaus das Kind, schwach, wie sein Name andeutet, unter Curatel auf dem Throne; der Herzog Johann I. von Sachsen=Lauenburg war im J. 1285 gestorben und hatte minderjährige Söhne hinterlassen. Die Hauptstützen waren die Fürsten von Werle und die Grafen von Schwerin, jedoch waren auch hier die Landesherren noch jung, denn vor kurzem waren die alten Herren, der große Fürst Nikolaus I. von Werle im J. 1277 und der edle Graf Gunzelin III. von Schwerin im J. 1274, mit Tode abgegangen und in beiden Ländern herrschte vielfach Landestheilung, Verwirrung und Schwäche. Bei einem solchen Zustande der Dinge waren die Vasallen übermüthig und übermächtig geworden, und wenn auch viele große und edle Männer, wie sie eine neue Staatenbildung zu erzeugen pflegt, in ihren Reihen standen, so gab es doch auch viele, welche, in der Ueberlieferung von alter wendischer Macht und Herrschaft, nach Selbstständigkeit strebten und von ihren festen Burgen die größten Gewaltthaten übten. Dagegen blühte mit unerwarteter Ueppigkeit die frische Kraft der jungen Städte empor, unter denen die Seestädte sehr bald Mächte ersten Ranges wurden. Um der Unsicherheit und dem Unfrieden zu steuern, hatten die Fürsten der Ostseeländer und die Seestädte von Lübeck bis Anklam am 13. Junii 1283 zu Rostock den ersten Landfrieden 1 ) geschlossen, ein für die Stellung der Städte und die ganze Politik Jahrhunderte hindurch wichtiges Bündniß.


1) Gedruckt in Lübeck. Urkundenbuch, I, Nr. 446, S. 403; Lisch Urk. des Geschl. Maltzan I, Nr. 29, S. 65; Lisch Urk. des Geschl. Hahn, I, A, Nr. 44, S. 94.
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Als nun nach vielfachen Beförderungen und Beitritten zu diesem Landfrieden die Fehden und Raubzüge doch nicht aufhören wollten und namentlich in dem Herzogthume Sachsen=Lauenburg, vorzüglich in dem Lande der Passage von der Elbe (Hamburg) nach der Ostsee (Lübeck und Wismar) zwischen den beiden von Norden nach Süden lang hin gestreckten Gewässern des ratzeburger Sees und des Schal=Sees, die Gewaltthaten überhand nahmen, da verbanden sich 1 ) am Neujahrstage 1291 zu Grevismühlen, um den Landfrieden zu stärken, die herangewachsenen Fürsten von Meklenburg, ferner der Fürst Heinrich von Werle, der Graf Helmold von Schwerin und die Stadt Lübeck zur Zerstörung der Burgen: Clokestorpe, Karlowe, Slawekestorpe, Mustin, Borchardestorpe, Linowe und Nannendorpe, an der großen Straße des Verkehrs gelegen, und im Nothfalle gegen die Landesherrschaft von Sachsen=Lauenburg, falls diese sich Repressalien gegen die Vasallen der verbündeten Fürsten und die Bürger der Stadt Lübeck erlauben sollte. Die Verbündeten waren, im Verein mit den Städten Wismar und Rostock, schon im Anzuge: da legte sich der Landesvormund und Statthalter des Herzogthums Sachsen im Norden der Elbe, der Ritter Hermann Ribe, ein ausgezeichneter und gewaltiger Mann, ins Mittel, um das Land der Gefahr zu entreißen; überdies galt der Krieg auch Gliedern und Burgen seines eigenen Geschlechts, welches zu den gefürchtetsten jener Zeit gehörte. Hermann Ribe veranlaßte also den Herzog Otto von Braunschweig, die Grafen Adolph und Gerhard von Holstein und den Grafen Nikolaus von Schwerin=Wittenburg, daß sie mit den verbündeten Fürsten und Städten, zu denen noch die Grafen Bernhard und Nikolaus von Danneberg gekommen waren, am 19. Jan. 1291 zu Dutzow zusammentraten und mit Hermann Ribe, als Repräsentanten des Landes Sachsen=Lauenburg und der lauenburgischen Vasallen, und Reimbern von Karlow, als Bevollmächtigten der bedroheten Burgbesitzer, einen Frieden schlossen, nach welchem die Burgen Clokerstorpe, Karlowe, Slawekstorpe, Mustin, Burchardesdorpe, Linowe und Nannendorpe, ferner Weninghe, Walrowe und Duzowe bis zum 11. Febr., also binnen drei Wochen, von den Besitzern selbst gebrochen und nie wieder aufgebauet, alle Schäden vergütet und alle Gefangenen nach geleisteter Urfehde freigegeben werden sollten. Die Burgen sollten bis auf den Grund abgebrochen und ihre Gräben zugeschüttet und es sollten keine andere Festen an ihrer Stelle wieder aufgeführt


1) Das Bündniß ist gedruckt in Lübeck. Urkundenbuch I, Nr. 571, S. 514.
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werden. Die Erneuerung des wendischen Landfriedens und das Friedensbündniß von Dutzow vom J. 1291 war aber von der allergrößten Wichtigkeit, indem durch diese Verträge das moralische Uebergewicht edlerer Kräfte anerkannt und dem Unwesen im Großen ein Ende gemacht ward. In der That kommt auch ein solches Beispiel in einer so weit verbreiteten, so tief eingerissenen und so mächtigen Fehdeführung und Wegelagerei in der norddeutschen Geschichte nicht wieder vor und der Friede von Dutzow bezeichnet allerdings einen Wendepunct in der norddeutschen Geschichte. Die gefürchteten Burgbesitzer waren vorzüglich aus den weit verzweigten Familiengruppen der Riben, Scharfenberg, Karlow u. a., welche unter sehr verschiedenen Namen vorkommen, z. B. die in diesen Gegenden mächtige Familiengruppe mit dem Stral (Pfeilspitze) im Schilde, unter den Namen: Scharfenberg, Züle, Wolf, Jesow, Zecher, Crumesse, Lasbek, Tralow, Borstel.

Daß in dem dutzower Frieden vom 19. Jan. 1291 die Burgen Weninge und Walrowe mehr genannt werden, als in dem Landfrieden vom 1. Jan. 1291, kam durch den Beitritt der Grafen von Danneberg, in deren Gebiete diesseit der Elbe diese beiden Burgen lagen. Dutzow, die wichtigste von allen Festen dieser Gegend, der Schlüssel der Länder, ward durch den Beitritt mehrerer Landesherren in die Bestimmung hineingezogen, weil das Schloß selbst grade auf der Grenze zwischen dem Herzogthume Sachsen=Lauenburg und dem meklenburgischen Lande Gadebusch lag; die Landeshoheit dieses meklenburgischen Gutes ward daher lange Zeit hindurch angefochten. Eine völlig gleiche Lage und Bedeutung hat das Schloß Wolde an der östlichen Grenze Meklenburgs mit Pommern.

Die Kenntniß der Lage dieser Schlösser, von denen allerdings mehrere mit der Zeit wieder aufgebauet wurden, ist nun begreiflicher Weise von großem Interesse; es ist jetzt möglich, die Lage aller, wenigstens zu großer Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen.

Kloksdorf, Karlow, Schlagsdorf, Mustin und Dutzow bestehen noch heute und sind bekannte Landgüter, zwischen Gadebusch und Rehna, von der einen, und Ratzeburg, von der andern Seite, zwischen dem Südende des ratzeburger und dem Nordende des Schal=Sees.

Burchardesdorf, Linow und Nannendorf lagen westlich von dem Südende des ratzeburger Sees bis an die holsteinsche Grenze, von Mölln bis an die Landstraße von Hamburg nach Lübeck.


1) Gedruckt in Lübeck. Urkundenbuch I, Nr. 572, S 515.

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Borchardesdorf ist das heutige Borstorf, westlich von Mölln, in der alten Parochie Breitenfelde (vgl. Ratzeb. Zehntenregister S. 13).

Linow liegt westlich davon, unter demselben Namen noch heute stehend, früher zur alten Parochie Nusse gehörend (vgl. Zehntenreg. S. 14).

Nannendorf lag wieder westlich von Linow, beide nahe nördlich von Trittau, auf der Grenze zwischen Lauenburg und Holstein, an der Heerstraße von Hamburg nach Lübeck. Die Lage dieser Burg ist in neuern Zeiten genau bezeichnet worden. Als am 8. Nov. 1259 die Grafen Johann und Gerhard von Holstein den Verkauf des Dorfes Elmenhorst an das Dom=Capitel zu Hamburg bestätigten 1 ), beschrieben sie die Grenzen dieses Dorfes also:

Termini uero uille prefate sunt hii: a terminis uille Slamersekede usque ad terminos uille Nannendorp, deinde ad terminos uille Gronewolde, exinde ad terminos ville Luttekense, dehinc ad terminos uille Todendorp,

d. i. also:

von (Slamers) Eichede nach Nannendorp, von hier nach Grünwalde, von dort nach Lüttensee und endlich nach Todendorf.

Die Burg lag daher östlich zwischen Eichede und Grünwalde, also an der Stelle, wo jetzt Gr. und Kl. Schönberg, hart an der holsteinischen Grenze, liegen. Nach dem Landfrieden muß die Burg noch im Lauenburgischen gelegen haben; die im Westen umherliegenden Dörfer gehörten zur lauenburgischen Pfarre Nusse (vgl. Zehntenreg. S. 13-14). Wahrscheinlich gehörte das Schloß der Familiengruppe mit dem Stral im Schilde, da es im J. 1344 dem "Raubritter" Marquard Wulf gehörte, welcher von derselben raubte und fehdete. Später kam das Gut in den Besitz des hamburger Bürgers Dietrich Cosveld, welcher es mit dem Dorfe Schönberg im J. 1391 an den lübecker Bürger Berend Pleskow verkaufte (vgl. Remonstr. Saxo - Lauenb. contra Lubeck in pto. reluit. Mollensis, 1670, append. Litt. N.).

Die Schlösser Wehningen und Walerow lagen in dem Theile der Grafschaft Danneberg diesseit der Elbe, in dem Amte Neuhaus, welches zwar an Meklenburg überlassen, aber nicht abgetreten ist.


1) Gedruckt ist diese Urkunde im Urkundenbuche der Stadt Hamburg, I, Nr. 646, S. 530.
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Die Burg Wehningen, welche erst der Ritter Hermann Ribe gebauet hatte (vgl. Detmar Lüb. Chron. I, S. 165 - 166), ist der bekannte Ort an der Elbe bei Dömitz.

Walerow ist am schwierigsten nachzuweisen. Da sie erst nach dem Beitritt der Grafen von Danneberg zum Landfrieden genannt wird, so wird sie ebenfalls in dem Amte Neuhaus gelegen haben. Wahrscheinlich hatte sie von dem Flusse Walerow, jetzt Rögnitz, welcher das Amt Neuhaus oder die alten Länder Wehningen (Waninke) und Dertzing (Dirtzinke) bespült (vgl. Zehntenreg. S. 25), ihren Namen und lag an diesem Flusse oder nicht weit von demselben. Es ist von dieser Burg unter dem alten Namen nicht weiter die Rede. Es ist aber wahrscheinlich, daß der Ort Neuhaus an der Stelle der alten Burg Walerow liegt. Als nach dem Aussterben der Grafen von Danneberg der Fürst Heinrich von Meklenburg am 1. Aug. 1328 die vier Brüder Sprengel mit dem Dertzing und den Schlössern Zeetze (im A. Neuhaus) und Gresse (nördlich von Boizenburg) in seinen Dienst und Schirm nahm 1 ), versprach er, ihnen eine Burg (Haus=hûs) bei Herzogenfuhrt (hertogenvorde) zu bauen: dieser Name deutet ohne Zweifel auf eine Begebenheit in der Geschichte der Züge des Herzogs Heinrichs des Löwen. Dafür sollten die Sprengel die Schlösser Zeetze und Gresse den Brüdern und Rittern Wipert und Volrath von Lützow zu Handen des Fürsten Heinrich überantworten und das Neue Haus (d. i. die neue Burg) einräumen, so lange bis der Fürst sich mit dem Grafen Johann von Holstein ausgesöhnt habe. Dieses Neue Haus oder neue Schloß (denn Haus [hûs] bedeutet im Mittelalter: Schloß) wird sicher das jetzige Neuhaus sein. Zwar könnte der Ausdruck: neues Schloß, ein neuerbautes Schloß ohne weitere Beziehung bezeichnen; aber es ist wahrscheinlich, daß der Ausdruck, nach der Sprechweise des Mittelalters, im Gegensatze zu einem ältern Schlosse zu verstehen sei. Und daher mag das Neue Haus an der Stelle der alten Burg Walerow aufgeführt sein und den Namen Neuhaus behalten haben. so hätten wir die alte Burg Walerow und den Ursprung des Schlosses Neuhaus an der Herzogenfuhrt im Dertzing zugleich gefunden.

Freilich lag weiter aufwärts, nicht weit von den Quellen der Walerow, bei Picher, auch ein Ort Walerow (jetzt Warlow), nicht weit von der ribenschen Feste Glaisin, und wird in den Urkunden des Kloster Eldena oft genannt (vgl. Rudloff Gesch. der Grafen von Danneberg, S. 38, 32, 42 u. s. w.),


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. LI.
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und es wäre möglich, daß das Neue Haus an der Stelle einer alten Burg Dertzing erbauet worden sei; aber es scheint die obige Annahme doch immer beachtenswerth. Jedenfalls werden wir die Burg Walerow in dem Theile der Grafschaft Danneberg diesseit der Elbe und an dem Flusse Walerow zu suchen haben. Vielleicht klären Untersuchungen an Ort und Stelle einmal mehr auf.


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6.
Ueber das rostocker Patriciat,

von
G. C. F. Lisch.

In Jahrb. XI, S. 169 flgd., ist nachgewiesen, daß zu Rostock während des ganzen Mittelalters ein Patriciat bestand. Es kam dort, wenn von Rostock allein die Rede war, darauf an, die Behauptung aus Origina=Urkunden zu beweisen, was mir augenblicklich nur für Rostock möglich war, wiewohl die Nachweisung auch für Wismar und andere Hansestädte ziemlich nahe lag und auch angedeutet ist. Es leidet aber keinen Zweifel, daß alle Städte, nicht allein die Seestädte und Hansestädte, ein Patriciat hatten. Patricier waren die Nachkommen der Gründer (patres) einer Stadt, diejenigen, welche alle oder doch zum größten Theile aus der Mutterstadt kommend, den Stiftungsbrief und das Stadtrecht brachten, die Feldmark und die Stadtgerechtsame entgegennahmen, die Anlage und Einrichtung der Stadt ordneten und den Rath besetzten. Es ist dies in Jahrb. XII, S. 459 bei der Geschichte der Gründung der Stadt Alt=Kalen und S. 197 bei der Geschichte der Stadt Sternberg angedeutet. Mit der Gründung einer Stadt ging nun nicht allein das Recht, sondern auch die Verfassung der Mutterstadt auf die neue Stadt über; daher lag nicht allein das Patriciat in dem Wesen der alten Stadtverfassungen, sondern es galten auch in allen Städten derselben Verfassung die Patricier überall für rechtlich bevorzugte Geschlechter. Das vorzüglichste Recht der Patricier war die ausschließliche Rathsfähigkeit, dann auch die Siegelfähigkeit (das Recht, Schild und Helm zu führen), die Lehnsfähigkeit (das Recht, Lehngüter zu erwerben) und die Turnierfähigkeit.

Die Sache ist ohne Zweifel klar und gewiß. Wenn erst eine Entdeckung gemacht ist, so findet man sie überall bestätigt und überall Zeugnisse für die Richtigkeit. Die sichersten Zeugnisse aber sind die publicirten und rechtsgültigen Verordnungen des

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rostocker Magistrats. Selbst als die meisten alten Geschlechter der Stadt Rostock längst ausgestorben und durch Geschlechter aus andern Hansestädten zum Theil ergänzt waren, erließ der Rath der Stadt Rostock seine Verordnungen noch immer mit Beziehung auf die Geschlechter, welche höher standen, als selbst die Reichen und die Kaufleute.

In der rostocker Kleiderordnung vom J. 1587 werden die Geschlechter oben an und ihnen "die Burgemeister und andere Söhne der Rathsherren" gleich gestellt; dann erst kommen die Kaufleute und reichern Handelsleute und Häuserbesitzer und die vornehmen Bürger, welche nicht von den "Geschlechtern" sind. Eben so ist der Wortlaut in der Polizeiordnung von 1576. In der Hochzeitsordnung von 1591 werden schon die "vornehmen Bürger" mit den Kaufleuten, Brauern etc. . in eine Classe gesetzt. Eben so werden in der revidirten Hochzeitsordnung von 1617 die Geschlechter mit den Kaufleuten, Brauern, Reichen in eine Classe gesetzt, aber beim "Unterschied der Stände" im "ersten Standt" noch voran gsetzt die Burgemeister und Rathsverwandten, die Doctoren, die von Adel, welche zu Bürgrrecht sitzen, und die Geschlechter, und dann erst folgen die "vornehmen Kaufleute" etc. .

Die folgenden Auszüge werden den Beweis für die Behauptung liefern.

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Von kleidung der Bürgermeister, Rhatspersonen, Secretarien und der, so von Geschlechtern sind.

Die Bürgermeister, Rhatsverwandte vnd andere, so von Geschlechtern sein, mügen der Stadt zu Ehren. vnd ihres standes halben kleider mit Mardern, Wölffen, Fuchsen vnd andern Futter gefütert vnd mit Sammitte verbremet tragen vnd gebrauchen.

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Von Todtenbitterschen vnd Stadtdienern.

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Den Stadtdienern, so der Rhatsverwandten vnd der Geschlechter vnd nicht geringer standes leiche, wie von alters gebreuchlich, alleine hinfort zu grabe tragen mügen, soll ein Taler gegeben werden.

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Polizey Ordnug eines Erbarn Rhats der Stadt Rostock.
Publiciret Anno M. D. LXXVI. Den 14 Aprilis.


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Der erste Theil von Kleidung der Manspersonen.
Titulus I.

Von kleidung der Herrn Bürgermeister vnd anderer des Raths.

I Die Herrn Bürgermeister vnd des Raths, mügen wie von alters alhie gebreuchlich gewesen, jres standes halben vnd der Stadt zum ehren, die besten Röcke mit Mardern gefüttert tragen vnd gebrauchen.

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Titulus II.

Von Kleidung der von den Geschlechtern, vnd der Herrn Bürgermeister vnd anderer des Raths Söhnen, so eines zimblichen wolhabenden vormügens, aber nicht in den Raht gekoren seindt.

II Weil von alters gebreuchlich gewesen, das die von den Geschlechtern vnd der Herrn Bürgermeister vnd anderer des Rahts Söhne, deren Vetere vnd Vorelteren Mardern getragen, wan sie sich befreien, zum besten Kleide einen gewandt Rock mit Mardern gefuttert zeugen vnd gebrauchen mügen, So wollen wirs denselben, die je dieser beschwerlichen zeiten halben gutwillig vnd andern jres gleichen zum gutem Exempel dauon nicht abstehen, vnd sich an geringerm Futter genügen lassen wollen, auch hiemit zugelassen haben.

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Titulus III.

Von kleidung der fürnehmen Bürger, als da sind Gewandschneider , Brawr, Kauffleute, Gastgeber, Seidenkramer, vnd dergleichen, die jre eigene Heuser vnd Erbe haben, oder sonsten in zimblicher narung vnd handeln sitzen.

Djese mügen jhre Rocke mit Füchssen, Wülfen, Rummeneien vnd andern geringen futter futtern, auch den besten gefutterten Rock mit einem striche sammit, zum höchsten zwey finger breit, besetzen lassen.

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Titulus IIII.

Von Kleidung der andern gemeinen Brawer, Kauffleute, Notarien, Kramer, Buchführer vnnd Fürnehmer wohlhabender Schipffer vnd anderer.

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Der Ander Theil.
Von der Frawen vnd Jungfrawen Kleidung.
Titulus I.

Von der Herrn Bürgermeister vnd anderer des Rahts, wie dan auch deren von den Geschlechtern Frawen, so mit Parlen vnd hangendem Laub hiebeuor ausgesteuert worden, Kleidung vnd geschmuck.

I Djese mögen wol tragen krause Mützen, Knuptücher vnd Hauben, jedoch das die Hauben vnd Knuptücher nicht vber ein finger breit vorn ausgenehet seindt. Item Sammitten Hüllen mit Seiden frendel besetzet.

II Also auch Sammittenkragen, die gefutterte kragen aber sollen allein mit Mardern vnd keinem tewrbarerm futter ausgebremet oder ausgeschlagen sein.

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Titulus V.

Von kleidung vnd Zierung der furnehmen Bürgerfrawen, so nicht von den Geschlechtern, vnd doch hiebeuor mit hangendem Laube außgesteuret worden.

I Diese mügen mit den krausen Mützen, Knuptüchern, Hauben, Sammittischen Hüllen, Röcken, kurzen vnd langen Hoicken, Item Sammittischen kragen, des ersten standes Frawen sich gleich verhalten, ausserhalb das ihnen Cammertuch zu den Mützen, Knuptüchern vnd Kragen, wie denn auch Schamlot zu Röcken verbotten.

Eines Erbarn Rahts der Stadt Rostock newe Keiderordnung.
Publicirt anno M. D. LXXXVII, VI Juni.


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I Setzen vnnd ordnen darauff vnnd erstlich, das Braut vnnd Breutgam oder derselben Eltern in oder nach den Verlöbnussen jhren beyderseits Freunden einige Collation oder Gasterey zuthun nicht verbunden sein sollen: Da sie aber dieselben gerne thun vnnd sich selbst mit den vnkosten nicht verschonen wollten, dazu furnemen standes Personen nicht vber Viertzigk, des mittelnstandes, als da sind fürneme Handwercker, nicht vber dreissigk vnnd geringern standes nicht vber zwentzigk - - -

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II Vnd sollen die Hochzeit hinfuro des Mittages oder des Abends dem Obern vnd mitteln, dem geringen stande aber nur des Abends allein zu halten frey gelassen sein, Vnd keiner so

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wol vnsers mittels als fürneme Bürger, Gewandschneider, Kauffleute, Brewer vnnd Hendler vber hundert, mittels standes Personen als da sind Becker, Schuster, Wullenweber, Goldt, Grob vnd Kleinschmide, Seidenkramer, Bötticher, Garber, Schneider, Kürssner, Kannen vnd Grappengiesser, Balbierer, Haken, Leingewandsschneider, Buchbinder, Glaser, Reper, Beutler, Hüter vnd Schnitticher oder Discher vber Sechtzig, vnd des geringen standes vber viertzig Personen, - - - - auff seinem Hochzeitlichen Ehrentage haben, vnnd dem Furnembsten stande nicht vber Zwentzigk, dem mitteln Sechszehen, vnd dem geringsten Zwölff fasse zu speisen zugelassen sein. - - - - -

Reuidierte vnd Vorbesserte Hochzeit vnd Kindelbiers Ordnung eines Erbarn Raths zu Rostock.
Publicieret Anno d. M. XCI. XXIX Augusti.


Von Verlöbnussen.
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Vnd damit auch ein jglicher wissen müge, was für ein vnterscheid der Stende von vns gemeinet sey, So werden im ersten Stande gerechnet, die Herrn Bürgermeistere vnd Rathsverwandten, Syndici, Doctores, die von Adel, so zu Bürgerrecht sitzen, die von Geschlechten, des Raths Oberste Secretarij, so mit zu Rath sitzen, Item vornehme Gewandtschneider, Brawer, Kauffleute vnd Gastgeber, vnd die jhre stehende Renten vnd jährliche Einkunfften vnd Hebungen haben.

Zum andern Stande, die vbrige des Raths Secretarij, vnd Ambtschreiber, des Oberngerichts bestalte Prucuratores, die Vier Gewercke, Seiden, Gewürtz vnnd Eisenkramer, Schiffere, Schneider, Garber, Goldtschmiede, Kürsner, Kannen vnd Grapengießer, Gewandbereiter, Kupfferschmiede, Mahler vnd Conterfeyer, Glaser, Buchführer, Balbierer, Hacken, Bötticher, Leinengewandschneider, Reeper, Beutler, Schwerdfeger, Schnitticher vnnd Fleischer. Zum Dritten alle vbrige Handwercke, Item Boßleute, Schopenbrauwer, Fuhrleute, Treger vnd Taglöner.

Eines Erbarn Raths der Statt Rostock Revidirte Verlöbnuß, Hochzeit, Kindtauffs, Begrebnuß vnd Fewr Ordnungen. Rostock 1617.


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7.
Zur Geschichte der Reformation in Friedland.

Vgl. Jahrb. XII, S. 147 flgd.

In dem letzten Jahrgange der Jahrbücher ist die nicht unwichtige, jedenfalls sehr interessante Geschichte der Reformation in der Stadt Friedland dargestellt. Seitdem sind noch die unten mitgetheilten Actenstücke entdeckt, welche auf die Entwickelung der großen kirchlichen Begebenheit in dem Lande Stargard und überhaupt ein noch helleres Licht werfen und sich enge an die schon mitgetheilten Actenstücke anschließen. Aus diesen Acten, welche in dem ersten Viertheil des Jahres 1526 vor dem competirenden Bischofe von Havelberg verhandelt wurden, ergiebt sich nun Folgendes klarer:

1. Der Aufruhr und die Gewaltthätigkeit gegen die katholische Priesterschaft entstand zunächst durch die lutherische Lehre, welche in Friedland zuerst ein von den Riben zu Galenbek beschützter Augustiner mönch gepredigt hatte.

2. Die weltliche Obrigkeit machte mit den Tumultuanten zuerst gewissermaßen gemeinschaftliche Sache, indem sie auch die Geistlichkeit unter die weltliche Gerichtsbarkeit und zu den weltlichen Stadtlasten zog, ohne der Priesterschaft die Communalvortheile zu gönnen. Dies zeugt für die damals allgemein herrschende Richtung, alle veralteten Institutionen durchaus aufzuheben, oder, wie sich der unten mitgetheilte Bericht ausdrückt, eine "Reformation über den geistlichen und weltlichen Stand zu machen."

3. Man drängte sich in diesem Streben nach Aufhebung der geistlichen Gerichtsbarkeit auch in diese hinein, indem man die Rechte, welche den Geistlichen in Beziehung auf die Errichtung und Ausführung von Testamenten seit alter Zeit zustanden, dadurch zu schmälern suchte, daß man die Testamente und ihre Ausführung in die Willkühr der Laien brachte. Dies gab in Friedland zunächst Veranlassung zur Klage, indem die Riben zu Galenbek das Testament des Pfarrers Arend Tymmermann zu Kosa (und) Broma nicht in Erfüllung brachten, sondern den Nachlaß des Pfarrers mit Gewalt seiner Köchin und deren Kindern zuzuwenden suchten.

4. Jedermann griff zu, wo er der Geistlichkeit Besitz entreißen konnte: Zinsen und Pächte wurden nicht gezahlt und Capitalien und Pachtstücke von den Inhabern als Eigenthum vorenthalten Dies veranlaßte zunächst das Andringen der Geistlichkeit bei dem Bischofe, damit dieser sie auf dem Unterhandlungstage zu Sternberg am 8. April 1526 (vgl. Jahrb. XII,

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S. 242) vertreten könne; hier ward wohl verhandelt und bestimmt, aber nichts erreicht.

G. C. F. Lisch.     


Nr. 1.
Die Testamentsvollstrecker des wail. Pfarrers Arnt Timmermann zu Broma und Kosa beklagen sich über Verletzung der der Priesterschaft in der Propstei Friedland verliehenen Rechte.
D. d.
(1526. Febr.)

Hochwerdige in gotht gnedige furste vnde here. We wol auer velen iaren hir in juwer gestyffte Hauelberch, gelyek we in anderen styfften, yß gewentlyken vnde gebrucklyck, ock recht geholden vnde geweset vnde noch ys, dat en prester heft syn testamente vnde latesten wyllen ordenen vnde setten mogen, alße em des to siner selen selycheit nuttest geducht, welke ordeninge des testamentes ock mydt velen begnadingen der rechte begunstiget vnde sunderlick durch de laueligen heren vnde landesfursten to Megklenborch vnde Stargerde etc. . auer alle prester in der prawestye tho Vredelande begnadet, ock nachgegeuen, dat alle prester yn der prawestie tho Vredelande mogen vnde scholen ere testamente vmbohynderth maken vnde dat iar der gnaden nha deme dode van eren leuen hebben, luth eynes furstlyken breues dem clero yn der prawestye dar auer gegeuen, des hyr by eyne copie ingeslaten yß, alße denne nu ßelege her Arenth Tymmerman, wandages kerckhere to Broma vnde Koße, sin testamente geordenth heft, so kamen de Ryben Hennynck vnde Hinryck tho Galenbeke her vnde steken syck in sodan testamente vnde vorheten vnde reken de nagelatene guder gedachtes hern Arndt Tymmermannes syner kokynnen vnde eren kynderen, dat de dar myth schaffen schollen nha ereme gefalle, vnde leggen dat testamente vnde latesten wyllen gedachtes presters hir hinden, wyllen ock vns testamentarien to der execucion des testamentes nycht gestaden, szo alße se ock wol in mher gesthlyk dynge grypen vnde de heuynghen der ghesthlyken by syck entholden, bydden hyr vmme j. hochwerdyge g., dede aller prester testamente desses styfftes de hogeste executor vnde der geistlyken guder bescharmer yß, j. g. wille vorfogen helpen, dat gedachten Ryben sodan testament vngehinderth laten vnde syck in de dynck der gestliken so wyet alße suste dhon nycht strechken, dar myt eyn ythlike tho deme gennen, dar he to borechtiget ys, mage gestadet werden, dat

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wyllen wy vmme j. hochwerden g. vnses armen vormogens to verdenende stedes wyllen befunden werden.

                              I. g.

vnderdanen            
Testamentarien ßelegen hern
Arnt Tymmermans.     

Nach einer Abschrift im großherzoglich=meklenburg. Geh. u. Haupt=Archive zu Schwerin.

Auf der Rückseite steht von des Canzlers C. v. Schöneich Handt:

Arnt Tymmermans testamentarien 26.

Der in diesem Schreiben angezogene Brief ist eine nicht datirte Urkunde des Fürsten Heinrich von Meklenburg ungefähr vom J. 1325 (1321 - 1328), durch welche dieser der Geistlichkeit der Präpositur Friedland das Gnadenjahr verleiht.


Nr. 2.
Die Priesterschaft der Stadt Friedland beklagt sich bei dem Bischofe Busso von Havelberg wegen der über sie verhängten Behandlung nach weltlichem Rechte und wegen mehrerer ihr zugefügten Gewaltthätigkeiten.
D. d.
(1526. Febr.)

Hochwerdighe in godt gnedighe furste vnnd here. Vnder velen beschwerden vnnd bedrucken, de vns armen juwer g. vnderdanen prestern tho Vredelande dit jar mehr wen ye vorhen weddervaren sint, geuen wy I. g. alse vnsen heren vnnd geistlikenn fursten, deme wy hyr in byllich nytz vorswigen vnnd bergen scollenn, demotichlik etlige dar van tho erkennen, alße:

Dat de wartliken itzunt gherichtewalt auer vns geistlikenn wedder alle rechte vnnd gesette sick vnderstan, ock myt bedellen vor wartlich gerichte heyschen latenn.

Dat wy ock van vnsen geistliken gudern, de wy susth thieggen godt deme hochsten herrn vordienen, ock j. g. alße vnsen geistliken furstenn dar van dhon mothen, hir hen bauen noch wartlike burdenn vndergaen vnnd draghen schollen, neuenst den wartlikenn alle stadtrecht plicht vnnd vnplichte tho dhonde, de wy doch vnser geistlikenn guder, we de wartliken ere, in nodhen tho vorpandende edder tho vorkopende nicht macht hebben; wy warden ock neuenst den wartlikenn tho nuttinghen vnnd ynkamenden der stadt, alße tho vryen holtenn, wyskenn, rorenn vnnd der gelikenn nicht gestadet, vnnd scoldenn dennoch ye likeßere neuenst vnnd mit en alle burdenn vndergann, geduncket gantz beswerlich.

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Die testamentarienn etliker, vorstoruener priester werdenn genottaget, itzunt rekenscop vnnd rede tho geuende den wartlikenn, dy syck vor frunde dar ahn thenn, van den testamenten, dar van alhir tho Wistock, we behorlich, auer velen jarenn rekenscop geschenn vnnd quyttantienn gegeuenn sint, gherade effte die dispositio vnnd executio eynes pristers testaments in andern ordenn wen by deme geistlikenn furstenn tho sokende were, edder eyn testament, dat doch sust vele begnadinghen hefft, nicht macht hebben scolde.

We woll ock vnse g. heren vnnd landesfurstenn tho Megklenburch etc. . alße christlike furstenn vnnd leffhebber der diener gadts tho etlikenn malenn in erer g. stadt Vredelanth der geistlikenn haluenn gescreuenn hebbenn, dat me met en nicht nyges vornhemenn, men vredelich vnnd vnvorweldiget se schale blyuenn lathenn, ßo ys vns doch hyr hen bauenn vele gwalt vnnd vngelymps weddervarenn, alßo dat vnse huser, vynstere vnnd gardenn vns thorethenn sint; wy hebbenn ock, we in andern velen stedenn, eyn gemeyne priesterhuß, de Collation genomet: dat sulffte hebbenn etlike borgere, dede nomlich vnnd deme erßamen rade vormeldet sin, by nachte vns vpgestodt, vnsenn schenkenn dar inne thoslaghenn, vnße byr dar vth getappet vnnd allenn motwillenn dar yn gebruket. Etlike prester sint ock vp dem kerkhaue mit weldigher handt angelopenn, beschympt vnnd vorhonet, dat vnder cristenen ßodans nicht wol themlich were, alle vmme eynes Augustiner monnickes willen der Lutterischen lere anhengych .

Deße vnnd mer beswerdenn, de wy vth erhafftiger noeth vnnd plichte juwer g. nicht berghenn mothenn, wedderfaren vns armenn prester tho Vredelande itzunder mer wen in vhortydenn nicht geschenn, die wyle nu etlike lude hy bynnenn eyne reformation auer geistlich vnde werlich stanth villichte sunder beyderstandes auericheit mytwethenth to makende sick vnderstan, efft de sulfftenn denne wadt gudes vnder sick maken konden, vnd wolde wy woll gedulden, wes ock vor nutticheit dar vth erwasseth muchte, villichte int lichte kamenn, dat me abers vnß alße de diener gades, de godt alleweldig synem gerichte reseruiret, vngemoyet lete, were nicht vmbillich, den wy haddenn gerne vrede, ane welgen wy ock dem almechtighenn nicht woll dienenn konenn, vnnd ys vns sere tho wedderen vnd beswerlich, dat wy alße auer vnße medebroder clagen scollen, yodoch juwer g. vth plichtenn dith nicht vorswigenn mogenn. Bidden j. g. alße vnsen geistlikenn furstenn vnnd herenn, dat de vns hyr ahn vnnd andern bedrucken sthur vnnd gnedichlike hulpe dhon wille.

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Wes ock vnße enthauen tynsere vnnd pechte bedrepet, dar van wy vorhen j. g. ersucht hebbenn, bydden wy gantz demothilick, j. g. vns armenn dar yn by vnsenn landesfurstenn forderinghe don wolle, vnnd so ydt j. g. tho doende were, woldenn vns thon bestenn vppenn mytwekenn in den ostern negest thom Sterneberch vp den vthgescreuenen dach by dem furstenn durch bodescopp effte scriffte gnedichlik hulpe don, dat synt wy alße de gehorßamenn vnderdanen tho vordenende stedes willich.

                               I. g.

Clerus tho Vredenlande.     

Ock g. furste vnnd here vnderstaen sick ethlyke burger, namlich de Kurdeße samp erer moder bynnenn Fredelande, dat se confirmirte benefitia erstorenn vnnd etlike houen, de langest auer genne XX jaren to dem dienste gades gegeuen synt, an sick nemen, vnnd enen her Johan Reberg genomet, vicarien dar tho institueret, entsetten, de wyle de fundation gemeltes beneficii, de se vnderslan vnnd verstoppenn, by en ys etc. .

Nach einer gleichzeitigen Abschrift im großherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin.


Nr. 3.
Der Bischof Busso von Havelberg beschwert sich bei den Herzogen von Meklenburg über die Bedrückung der fried länder Geistlichkeit.
D. d.
Plattenburg. 1526. März 21.

Vnnßer freuntlich dinst vnd was wir sunst mher leibes vnd guts vermugen zu uorne. Hochgebornen fursten, beßonder lieben heren vnd frunde. Wes sich die priesterschaft zw Vredeland gegen vns Liborius Swichtenberge vnd die testamentarien eyns vicarien zw Fridelandt ßeligen ern Arndt Tymmermans halben thun beclagen, werden Ewr Liebden aws inuerwartten iren clageschrieften vernhemen, derwegen fruntlichs vleisses bittend, das ewr liebden einseheen thun wollen, das die gedachte priesterschaft nicht so gar des iren entzsatzt, vber gewontliche begnadung bedrungen vnd beswerth werden mugen, als wir nicht zweifelen ewr liebden thun werden, das die pillikeit gescheen vnd inen begegnen mugen, Ewr L. sich freuntlich vnd gegen gedachte priestere gnediglichen werdenn ertzeigen, das sein wir in

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allezceit zu uerdienen gewilligt vnd geneigt. Datum Plattenborg, mitwochs nach den sontag Judica, anno etc. . XXVI to .

Busso von gots gnaden bestettigter zu Bischoue
zw Hauelberge.                    

Denn hochgebornen Fursten hernn Henrichen vnd hern Albrecht gebruder hertzogen zw Meklenburg etc. . vnßern besonder lieben heren vnd frunden.

(L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburgischen Geh. und H. Archive zu Schwerin, besiegelt mit einem kleinen Ringpetschaft mit dem Wappen der v. Alsvenleben.


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8.
Schreiben des meklenburgischen Archivars Johann Friedrich Chemnitz an den Herzog August den Jüngern zu Braunschweig und Lüneburg,

aus dem herzogl. Braunschw. Landes=Hauptarchive zu Wolfenbüttel
mitgetheilt
vom Archivrath Dr. Schmidt zu Wolfenbüttel.


Durchlauchtigster Fürst, gnedigster Herr!

Das E. Hochfürstl. Durchl. ich mit gegenwertiger Supplic behellige, hette ich unterthenigst umb Vergebung zn bitten, wenn zu Deroselben ich nicht das zuverleßige Vertrawen truge, es würde E. Hochfürstl. Durchl. Dero weitbekanten und höchstberumbten Clementz auch mir genießen laßen, und nicht ungnedigst vermercken, da Deroselben ich meinen schlechten Zustand unterthenigst zu entdecken, Sie umb Dero mildreiche Hülffe zu ersuchen, und Ihr meine unterthenigste Dienste anzutragen mich erkuhne: Dan obgleich etliche iahr in des Furstlichen Meckelnburgischen hauses sowol Schwerinischer als Gustrowischer linien Diensten ich gewesen, und die mir anvertrawte bedienungen nach denen von Gott mir verliehenen gaben und Krefften trewfleißig abgewartet, auch daneben auff gnedigstes Begehren des weiland durchleuchtigsten Fursten und Herrn, Herrn Adolff Friedrichen Hertzogen zu Meckelnburg Christmilden angedenckens meines gnedigsten Fürsten und Herrn aus Dero Fürstl. Schwerinischen Archivo und Bibliothec die Meckelnburgische Historien zusammmzutragen angefangen, und durch Gottes gnade mit großer muehe

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auch Zusetzung meines gesichts mehrentheils volnfuhret, in meinung umb hochgemeltes Fürstl. Hauß mich dadurch verdienet zu machen, und ein stucklein brots vor die meinige zu erwerben: So hat dennoch meine muehesame wolgemeinte arbeit hernegst nicht allein nicht angesehen werden wollen, sondern ich habe auch, anderer wieder verschulden mir geschehenen wiederwertigkeiten zu geschweigen, bei diesen Diensten alle meine bahrschafft und was ich sonsten von dem meinigen nur zuwege bringen können, verzehret, und besorge, weil durch itzige schädliche einquartierung das Land zu Meckelnburg gentzlich ruiniret, und dahero von den debitoren nicht zu erzwingen, ich mit den meinigen möchte noth leiden mußen, dahero solches abzuwenden ich gezwungen worden, wiewol die verenderungen allemahl nicht gerathen, Ihr Durchl. zu Gustrow meinen Dienst zu resigniren, und mich umb andere gelegenheit zu bemuehen. Wan dan ich mich gluckselig schätzen möchte, da in dem Lande, darin mein sehl. Groß=Vater D. Martinus Chemnitius Theologus gelebet, ich die ubrige Zeit meiner walfahrt möchte beschließen können, und mich unterthenigst erinnere, das E. Hochfürstl. Durchl. meinen avum maternum D. Henricum Camerarium in Dero angelegenen Sachen als Rath von haus aus gebrauchen gewurdigt, auch meinem Sehl. Vater D. Martino Chemnitio unzehlig viel gnade unverdienter weise erzeiget, Als habe auch in E. Hochfürstl. Durchl. als ohn das der freyen Kunste einigen und höchsten Patronen hulffreiche arme zu senken mich erkuhnet, nicht zweiffelnde, es werden dieselbige gnedigst geruhen, sich der erwehnten leute enckel und Sohns in gnaden anzunehmen, und da bey ihrer Regierung, oder dero Herrn Sohn Hertzog Rudolff Augustus Fürstl. Durchl einige stelle ledig, mir eine geringe Bedienung, und dadurch den meinen ein stucklein brots gnedigst zu gönnen.

Weil auch E. Hochfürstl. Durchl. wegen der meinem sehl. Groß= und Vatern erwiesene hohe gnade ich zum höchsten verbunden, als werden dieselbe vor dießmahl verhoffentlich damit in gnaden friedlich sein, das, da selbige zu ersetzen mir unmuglich, ich dennoch Sie in tieffster unterthenigkeit mit danckbahren gemuete erkennen, und zu deßen bezeigung E. Hochfürstl. Durchl. itzo ein geringfuegiges papiernes werck, nemlich genealogiam Ducum Megapolitanorum eiusque explicationem, nec non affinitates et cognationes eorundem, als einen auszug meiner gantzen Meckelnburgischen historien offerire, der unterthenigsten hoffnung gelebend, es werde E. Hochfürstl. Durchl. als ein sonderbahrer liebhaber der historischen antiquiteten, und die sampt Dero hertzvielgeliebten Gemahlin meiner gnedigsten

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Fürstinnen und Frawen, und dem gantzen Fürstl. Hause Braunschweig und Luneberg aus dem Fürstl. Hause Meckelnburgk von der spielseiten entsproßen, dieses ihr nicht misfallen lassen, sondern in gnaden auff= und annehmen.

Welches, da ich es erfahren werde, wird mir solches anlaß geben, da es E. Hochfürstl. Durchl. gnedigst beliebet, auch das großeWerck, daran ich etliche iahr gearbeitet, und über zwei rieß papier compress geschrieben in sich begreiffend, mundiren zu laßen, und Deroselben unterthenigst zu praesentiren.

E. Hochfürstl. Durchl. neben Dero hertzvielgeliebten Gemahlin, semptlichen jungen Herrschaft und Frewlein, zu langen leben, guter bestendiger gesundheit, friedsamer Furstlicher regierung, und allen selbsterwunschenden wolergehen der starcken obhuet gottes getrewlich, Dero hochfürstl. gnaden aber mich unterthenigst empfehlende, und verbleibe

Ew. Hochfürstl. Durchl.                               
unterthenigst gehorsambster               
Johann Friederich Chemnitius.

Wolffenbuttel den 25. aprilis 1660.

Der Titel des hiemit überreichten, aus einem Foliobande von 92 Blättern und einem großen Stammbaume bestehenden Werkes lautet vollständig so:

"Genealogia ducum Megapolitanorum, eiusque brevis explicatio, nec non affinitates et cognationes eorundem. Das ist Geschlecht=Register der Hertzogen und aller Furstlichen Personen des uhralten Furstl. Hauses zu Meckelnborgh, neben dessen kurtzen erklärung und anziehung, was Sie verrichtet, oder bey ihren lebezeiten sich zugetragen habe. Wie auch kurtze nachrichtung, an waß vor Kayserl. Königl. Fürstl. und Gräfliche persohnen unterschiedliche der Fürstl. Meckelnburgischen Frewlein ausgesteuret, was vor Herrn von ihnen entsproßen, auch wie Sie sich hinwiederumb befreundet und mit einander befreiget haben. Aus alten bewehrten Scribenten und Historicis auch briefllichen urkunden zusammengezogen, und verfertigt durch Johan Friederich Chemnitzen gewesenen Fürstl. Meckelnburgischen Archivarium und Secretarium zu Schwerin."

 

Vignette
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X.

URKUNDEN - SAMMLUNG.


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A.

Urkunden

über

die Güter des Klosters Amelungsborn.


I. Urkunden über den Hof Satow.


Nr. I.

Der Bischof Brunward von Schwerin überlässt dem Kloster Amelungsborn den Zehnten des Landgutes Satow, wofür der Fürst Heinrich Borwin zu Gunsten des Klosters dem Bisthume Schwerin das Dorf Wokrent abtritt, welches der Fürst von dem Bischofe wieder zu Lehn nimmt.

D d. (1219).

Aus dem Urkunden - Diplomatarium des Klosters Amelungsborn im herzoglich-braunschweigischen Landes - Haupt - Archive zu Wolfenbüttel.


In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Cum paci et quieti eorum, qui se diuino cultui mancipauerint, sub tutela nostra degentium, debito officii nostri prospicere cogamur, maxime tamen fratrum nostrorum in Amelongesborn, qui se auctores fidei et exstirpatores ydolorum in Zlauia fecerunt, quia per eos in nationes gratia spiritus sancti effusa est, dicente propheta annunciabitur generatio uentura, proinde est quod ego Brunwardus Zverinensis episcopus uniuersitati fidelium in noticiam uenire uolo, quod nobilis princeps Zlauie Heinricus Bhvrwinus collato predio predictis fratribus in Amelongesborn, quod wlgo

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uocant Zathowe, cum omnibus appenditus, siluis, campis, pratis, piscationibus, coniuentia filiorum et heredum suorum, ut ad plenvm deuotionis sue consumaretur affectus, commutacionem fecit decime eiusdem predii, dans pro ea in episcopatum uillam hereditatis sue, quam uocant Wocrente, recipiens eandem uillam a nobis feodo, sicut tenuit decimam in Zathowe. In monimentum igitur et firmamentum huius rei tam ego, quam predictus princeps et filii sui sigilli nostri inpressione signauimus hanc paginam, hoc adicientes, ne fratres predictos audeat aliquis in datis bonis aut aliquibus substantiis suis ausu temerario lacessere, et si quis presumpserit, patrie legibus subiaceat, et sit anathema maranatha, hoc est separatus a domino. Amen. (Testes quere in priuilegio.)

Aus dem kleinern Diplomatarium des Klosters Amelungsborn aus dem 13. - 14. Jahrhundert fol. 10. v., mitgetheilt von dem Herrn Archivrath Dr. Schmidt zu Wolfenbüttel.


Nr. II.

Der Bischof Brunward legt zum Sprengel der Kirche zu Satow die Dörfer Radegast und Rederank und die Hagendörfer Gerdeshagen, Wendischhagen, Marquardshagen und Miekenhagen.

D. d. Bützow 1224.

Aus dem Urkunden - Diplomatarium des Klosters Amelungsborn im herzoglich-braunschweigischen Landes - Haupt - Archive zu Wolfenbüttel.


In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Ego Brunwardus dei gratia Zwerinensis episcopus omnibus in perpetuum. Suboriri solet calumpnia multa de gestis hominum, nisi ligwa bonorum virorum testium robur adhibeat aut scriptura. Sciant igitur presentes ac posteri, quod dominus Borewinus cum consensu filiorum suorum ecclesie Satowie, ubi quondam locus erat horroris et uaste solitudinis, in prima loci ipsius fundatione villas subscriptas duas et quatuor indagines assignauit, scilicet Radegoust, Rederanche, Gerardi Indaginem, Scla-

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uicalem Indaginem, necnon Indaginem Marquardi et Indaginem Iken, et ne ville dicte et indagines possint a dicta ecclesia alienari, ut factum suum firmaremus, precibus nos induxit: vt autem quod fecit, ratum manere debeat nullusque infringere audeat uel mutare, auctoritate apostolorum Petri et Pauli et nostra suum factum firmamus, paginam hanc in testimonium eiusdem sigilli nostri caractere roborante. Datum anno gratie M° CC° XX° IIII°, in Buzhiowe.

Aus dem kleinern Diplomatarium des Klosters Amelungsborn aus dem 13. - 14. Jahrhundert fol. 10. v., mitgetheilt von dem Herrn Archivrath Dr. Schmidt zu Wolfenbüttel.


Nr. III.

Der Fürst Nicolaus von Werle bezeugt dass sein Vater Heinrich von Werle (dem Kloster Amelungsborn) zwei Hufen in Wildeshusen zu Seelenmessen für seine Familie geschenkt habe.

D. d. (1232).

Aus dem Urkunden - Diplomatarium des Klosters Amelungsborn im herzoglich - braunschweigischen Landes - Haupt - Archive zu Wolfenbüttel.


Dei gratia Nicolaus princeps Sclauie omnibus hoc scriptum inspicientibus vel audientibus in perpetuum. Presentium exhibitione cum mei sigilli appensione fideliter protestor, quod bone memorie dominus Heinricus de Werle, pater meus, consensu meo, sicut decuit, accedente, mansos duos in uilla Wildeshusen sitos pro remedio sue et matris mee domine Christine anime, necnon pie memorie domini Bůrwini aui mei et patrui mei Nicolai ceterorumque omnium sue stirpis heredum, presentium siue futurorum, deo et sanctis eius obtulit in perpetuum, arbitrio sororis Christine, recluse de Satowia, relinquens, ut singulis septimanis missa una pro uiuis et altera pro defunctis pro iam dictis fidelibus persoluatur, in loco, ubi eidem visum fuerit, ordinare.

Aus dem kleinern Diplomatarium des Klosters Amelungsborn aus dem 13. - 14. Jahrhundert fol. 20, mitgetheilt vom Hrn. Archivrath Dr. Schmidt zu Wolfenbüttel.


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Nr. IV.

Der Fürst Nicolaus von Werle giebt dem Kloster Amelungsborn die Mühle zu Priborn in Erbpacht.

D. d. Röbel 1239. Mai 26.

Aus dem Urkunden-Diplomatarium des Klosters Amelungsborn im herzoglich-braunschweigischen Landes-Hanpt-Archive zu Wolfenbüttel.


Nicolaus dei gratia dominus de Rozstoc omnibus hoc inspicientibus scriptum in perpetuum. Tam ad posterorum, quam presentium noticiam uolumus deuenire, nos de consilio discretorum nostrorum abbati et conuentui de Amelungborn molandinum nostrum in Priborne quiete dedisse perpetuo possidendum ac pacifice tali modo: conuentus prefatus in aqua iam dicta ad placitum suum, quot uoluerit, construet igitur rotas, quod nos wlgariter grint appellamus, ita quod pensa subscripta per nos uel nostros successores nullatenus aucmentetur, nullum uero inpedimentum tam in superiori, quam in inferiori parte dicti molendini propter structuram aliquam habebunt. Fratres iam prefati propterea ut ex hiis melius et commodius sustententur, in piscina molandini liberam ipsis dedimus piscaturam. Insuper si per casum sinistrum, quod deus auertat, obicem molandini seu ipsum molandinum contigerit dissipari, ad hec reparanda terram et ligna, ubi commodius habere poterunt, nullo obstante nostra auctoritate accipiant et adquirant. In eodem autem molandino grana nostra sine mensura, que matta uocatur, nobis nostrisque posteris molere tenebunter. De pensa autem molandini prelibati fratres nobis octo choros, quod wlgo dicitur wichscepel annuatim ministrabunt, cuius annone medietas videlicet quatuor chori est siligo, altera uero pars ordeaceum brasium esse debet, ita ut medietas in festo sancti Michahelis archangeli, reliqua in sancto pascha persoluatur, hoc addito, ut a pecunia libere simus absoluti quam fratribus sepe dictis soluere tenebamur. Ne uero talis ordinatio possit aliquo modo in posterum irritari, dedimus presens scriptum cum subscriptione testium nostri sigilli karactere communitum. Testes huius facti sunt: clerici: Thidericus prepositus Guzstruensis, Nicolaus prepositus de Robele;

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laici: Chothemarus, Johannes de Hauelberche, Vnizlauus, Jarizlauus, Lippoldus Ursus, Otto Bursarius, Thidericus Bursarius et Gerardus Scoke noster aduocatus, Acta sunt anno gratie hec M° CC° XXX° IX°. Datum Robele, VII° kalendas Junii.

Aus dem kleinern Diplomatarium des Klosters Amelungsborn aus dem 13. - 14. Jahrhundert, fol. 34, mitgetheilt von dem Herrn Archivrath Dr. Schmidt zu Wolfenbüttel.


Nr. V.

Der Fürst Nicolaus von Werle bestätigt dem Kloster Amelungsborn das freie Eigenthum der Güter Satow und bestimmt sowohl die Grenzen derselben, als auch die Ausdehnung des Radelandes.

D. d. Röbel. 1244. Jan. - Junii.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


In nomine sancte et indiuidue trinitates. Nycolaus de Werle et dominus in Guztrowe omni generationi, que ventura est, imperpetuum. Cum de multa beneficientia principum progenitorum nostarum diuina fauente clementia in terra Sclauie plurimarum dilatate sint possessiones ecclesiarum, notum facimus vniuersis sancte matris ecclesie filiis, tam presentibus, quam futuris, quod pie memorie pater noster Heinricus de Werle cum patre suo Heinrico Burewino de vnanimi consensu et pia devotione et bona voluntate pro remissione suorum peccaminvm contulerunt venerabili ecclesie Amelungsbornensi, que est Cysterciensis ordinis, Hildensemensis dyocesis, quedam bona Sathowe nuncupata, cum omnibus pertinentiis et vtilitatibus suis in siluis, pratis, pascuis, agris, campis cultis et incultis, in b v ring sco et planis, in stagnis, molendinis, aquis aquarumque decursibus, piscariis, vsuagiis, nemoribus, in viis et semitibus, communibus et priuatis, et omnibus aliis libertatibus et immunitalibus suis, exempta ab omni inquietudine comitum, aduocatorum, iudicum, ab vrbium, pontium, aggerum exstructione,

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necnon et ab exstorsione vectigalium et theloneorum seu etiam qualibet secularis iuris exactione et ab omni expeditione, ita vt nemini quicquam ex debito seruire teneantur in eisdem bonis commorantes, nisi soli deo et Amelungesbornensi monasterio. Predicti uero nobiles progenitores nostri cum ducerentur bono et pio affectu circa ecclesiam supradictam, pro eo quod fratres eiusdem ecclesie se primos exstirpatores ydolorum in Sclauia fecerunt., vt ad plenum deuotionis eorum consummaretur affectus, decimam Satowie a pie memorie domno Brvnwardo, Zwerinensi episcopo, per concambium villule Wokerente prenominate ecclesie similiter optinuerunt, recipientes ipsam villulam ab episcopo eo iure, quo privs tenuerant decimam. Et quia dissensio uertebatur de terminis Satowie longo tempore inter abbatem G. de Amelungesborne et conversos ipsius in Satowia, ex una parte, et Jordanum de Sauene et Hermannum de Wokerente et Juditam de Nienkerken, ex altera, per nostrum dapiferum Heinricum videlicet Gammen in hunc modum distinximus: inter Hermannum de Wokerente et Satowiam usque ad proximum lacum, ubi Henrici opilionis agri finiuntur, primum terminum ordinauimus; deinde inter Satowiam et dominam Jvditam et villam Radegorst ita distinximus, quod totam siluam inter longum lacum cum eodem lacu curie Satowie assignauimus, qui lacus usque ad magnam paludem se extendit. De nouali uero supra ecclesiam curie Satowie sine termino dedimus; pater uero noster pie memorie inter Satowiam et Hermannum de Wokerente ita distinxit, quod ubi magna palus terminatur, ibi de cetero nouellare conuersi de curia non possunt; contulit eciam curie idem pater noster siluam usque ad riuulum, qui Puzecowe dicitur, ad nouellandum et holtmarke communiter et pacifice possidendam inter curiam et villam Bvlchowe; item inter curiam et villam Bvlchowe siluam habebunt communiter et ad nouellandum usque ad riuulum, item inter curiam et villam, que Puzecowe dicitur, totum spatium nouellauerunt fratres iuxta viam, et terminus dilatatur usque ad locum, qui vulgo dicitur Honhorst, qui locus ex integro curie assignatus est; item inter curiam et villam, que Rederanke dicitur, agri curie et silua usque ad

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collem se extendunt et siluam inter curiam et villam Curin cum illis in pascuis et in omni vtilitate fratres Satowie communiter possidebunt; de nouali uero curie supra ecclesiam siluam sine termino Satowie dedimus. Facta est hec distinctio terminorum presentibus et annitentibus de parte nostra, qui huius actionis testes sunt: Heinrico Gammen, dapifero nostro; de parte abbatis: Heinrico hospitali, Stephano, sacerdotibus, Hermanno, magistro curie, Hermanno Sapiente, Engelberto, conuersis; de altera parte: Jordano de Sauene, Hermanno de Wokerente, Judita de Nyenkerken et filio eiusdem cum aliis quam pluribus. Verum quia conueniens esse dinoscitur, bonos filios pia facta patrvm suorum imitari, nos facta progenitorum nostrorum habere rata volumus et inconvulsa et libertatem condonatam super bona prefata firmius a nostris executoribus volumus obseruari, in Christo rogantes, ne quisquam heredum nostrorum vel aliquis iuris eorum executor sepedictam ecclesiam Amelungesbornensem in prefatis bonis et libertate concessa temere perturbare presumat, quia nichil penitus iuris seu cuiuslibet rationis progenitores nostri sibi suorumque successoribus in supradictis bonis decreuerunt retinendum, nisi forte a prefate ecclesie abbate vel eivs dispensatoribus interpellarentur pro iniquorum violentia depellenda. Omnes ergo donationes et libertates superius conscriptas et a progenitoribus nostris sepedicte ecclesie indultas confirmamus, ratum habentes, quod nec aduocatum quemquam de nostris habeant super se vel iudicem in eisdem bonis commorantes, nisi abbatem solum predicti cenobii vel cui abbas vicem pro se commiserit iudicandi. Ne qua ergo inposterum possit oriri dubietas vel calumpnia, que confirmationem, quam fecimus, audeat infirmare, presentem paginam inde conscriptam sigilli nostri appensione ac testium inscriptione sanum duximus robarandum. Testes hii sunt: Heinricus et Johannes, filii nostri; milites: Vnizlaus, Gerozlavs, Johannes de Hauelberch, Heinricus Dargaz, Heinricus Grubo, Robertus de Brelin, Geroldus aduocatus, Otto Bersere, Otto Bawarus, Arnoldus de Nova Ecclesia, Swiderus sacerdos de Siwan et alii quam plures. Datum in Robole anno ab incarnacione verbi M °CC°XL°IIII°, indictione II a , presidente cathedre

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Romane sedis pio papa Innocentio huius nominis IIII to anno pontificatus eius primo.

Nach dem Originale, auf einem grossen Pergament, in einer grossen, kräftigen, schönen Minuskel. An einer Schnur von rother Seide hängt noch des Fürsten Nicolaus I. von Werle erstes, in Jahrb. X, S. 17, mit der Umschrift:

Umschrift

abgebildetes Siegel.

In der Begrenzung des Radelandes ist zwei Mal hinter einander ohne Zweifel ganz klar das Dorf Bulchowe (Bölkow) genannt, während in der folgenden Urkunde aus dem amelungsborner Diplomatarium das erste Mal Lucowe, das zweite Mal Bulcowe steht, was auch wohl richtiger ist.


Nr. VI.

Die Fürsten Nicolaus von Werle und Heinrich (Borwin) von Rostock bestimmen die Grenzen des Hofes und Dorfes Satow und des Radelandes.

D. d. (1244).

Aus dem Urkunden - Diplomatarium des Klosters Amelungsborn im herzoglich - braunschweigischen Haupt - Landes - Archive zu Wolfenbüttel.


Notum sit omnibus presentem paginam inspecturis, quod ego Nicolaus una cum fratre meo Hinrico dicto de Rodestok terminos, de quibus inter abbatem G. de Amelungesborn et conversos ipsius in Satoya, ex una parte, et Jordanum de Sauene et Hermannum de Wokerente et Jvditham de Nienkerken, ex altera, dissensio uertebatur, per nostrum dapiferum Heinricum videlicet Gammen in hunc modum distinximus: inter Hermannum de Wokerente et Satowiam usque ad proximum lacum, ubi agri Heinrici opilionis finiuntur, primum terminum ordinauimus; deinde inter Satowiam et dominam Juditham et uillam Radegorst ita distinximus, quod totam siluam inter longum lacum cum eodem lacu curie Satowe assignauimus, qui lacus usque ad magnam paludem se extendit; de nouali uero curie supra ecclesiam siluam sine termino Satowie dedimus; item notum facimus, quod pie memorie pater noster inter Satowiam et Hermannum de Wokerente ita distinxit, quod

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ubi magna palus terminatur, ibi de cetero nouellare conuersi de curia non possunt. Contulit etiam curie idem pater noster siluam usque ad riuulum, qui Puzecowe dicitur, ad novellandum et holtmarke communiter et pacifice possidendam inter curiam et uillam Lucowe; ita inter curiam et uillam Bulcowe siluam habebunt communiter et ad nouellandum usque ad riuulum; item inter curiam et uillam, que Puzecowe dicitur, totum spacium nouellauerint fratres iuxta uiam, et terminus dilatatur usque ad locum, qui wlgo dicitur Honhorst, qui locus ex integro curie assignatus est. Facta est hec distinctio terminorum presentibus et annitentibus, de parte nostra: Heinrico Gammen dapifero; de parte abbatis: Heinrico hospitali, Stephano sacerdote, Hermanno magistro curie, Hermanno Sapiente, Engelberto, conuersis; de parte altera: Jordano de Sauene, Hermanno de Wokerente, Juditha de Nienkerken et filio eiusdem, cum aliis quam pluribus. Vt autem talis distinctio rata permaneat, presenti eam scripto et nostri appensione sigilli fecimus in perpetuum communiri. Scire etiam facimus, quod inter curiam et curiam, que Rederanke dicitur, agri curie et silua usque ad collem se extendunt, et siluam inter curiam et uillam Curin cum illis in pascuis et in omni utilitate fratres communiter possidebunt.

Aus dem kleinern Diplomatarium des Klosters Amelungsborn aus dem 13. - 14. Jahrhundert, fol. 18, mitgetheilt von dem Herrn Archivrath Dr. Schmidt zu Wolfenbüttel.


Nr. VII.

Der Fürst Heinrich von Werle bestätigt dem Kloster Amelungsborn den Besitz des Dorfes und Hofes Satow ohne Hufenbestimmung und versichert dem Kloster, dass die Felder nie wieder gemessen werden sollen

D. d. Rostock. 1287. März 6.

Nach dem Originale im grossherzogl. Mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Henricus dei gracia dominus de Werle omni generacioni

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in perpetuum. Inter humane condicionis infirma memoriam hominum sic fragilem esse constat, vt nec multitudini rerum, nec longitudini temporis sufficientem se valeat exhibere, vnde et racio docuit et consuetudo didicit, vt fragilitati memorie scripturarum testimonio succurratur. Notum igitur fieri volumus tam presentibus, quam futuris litteras per presentes, quod nos de beneplacito dilectorum filiorum nostrorum Nicolai videlicet et Henrici ceterorumque heredum nostrorum consensu agros et mansos ville ac curie in Satowe iam per nostros nuncios mensuratos domino abbati et conventui in Amelungesburna firmos ac fixos deinceps confirmamus, volentes vt predicti agri in siluis, pratis, pascuis, campis cultis et incultis, in aquis aquarumque decursibus, in viis et semitis, communibus et priuatis, absque certo mansorum numero, cum terminis et intra terminos, quos nunc habent vel ab antiquo habuisse dinoscuntur, firmi ac fixi iugiter perseuerent, ita vt ex nunc perpetuis temporibus numquam mensurari debeant, nec cle mansorum numero conveniri. In huius rei euidenciam pleniorem presentes litteras conscribi fecimus et sigilli nostri munimine roborari. Testes huius actionis nostre sunt fideles et dilecti milites nostri: Gerardus de Cropelin, aduocatus in Guzstrowe, Johannes Moltiko, Johannes Cabolt, Wilkinus camerarius, Henricus de Demen, Heydenricus de Lu, Gerardus de Lenzstowe, item Georgius, aduocatus in Siwan, et Lambertus de Korin, fratres et armigeri nostri, item Henricus dictus Phriso, burgensis in Rozstoc, et alii quam plures fidedigni huic actioni nostre pariter affuerunt. Acta sunt hec anno incarnacionis dominice M °CC°LXXX°VII°, pridie nonas Marcii. Datum in ciuitate Rozstoc per manum magistri Arnoldi, notarii nostri.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer schönen, grossen Minuskel. An einer roth seidenen Schnur hängt des ausstellenden Fürsten schildförmiges Siegel mit dem werleschen Stierkopfe und der Umschrift:

Umschrift

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Nr. VIII.

Das Kloster Amelungsborn vertauscht das Dor- und den Hof Satow mit allen Zubehörungen gegen zwei Salzpfannen in der Saline zu Lüneburg an das Kloster Doberan

D. d. Doberan. 1301. Febr. 2.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Nos frater Baldewinus dictus abbas monasterii in Amelungesborne, ordinis Cysterciensis, Hyldensemensis dyocesis, notum esse volumus presentibus et futuris, quod cum nos et conuentus noster de quibusdam bonis ecclesie nostre videlicet villa Satowe et grangia Satowe in terra Sywan sitis propter nimiam eorundem bonorum ab ecclesia nostra distanciam fructum modicum et vtilitatem quasi nullam deriuari nostro monasterio sentiremus, nos infructuositatis et inutilitatis dampna cupientes declinare et querentes nobis et nostris posteris fructum et vtilitatem ampliorem inposterum ordinare, de tocins conuentus nostri beneplacito, necnon venerabilis patris nostri domini Arnoldi abbatis Campensis consilio et assensv, sicut decuit, requisito pariter et obtento, cvm ecclesia Doberanensi, filia nostra, permutacionem fecimus cum bonis prenominatis, ita videlicet quod ipsam villam Satowe cum patronatu ecclesie eiusdem ville, necnon et grangiam Satowe, simul cum molendinis et stagnis adiacentibus et siluis et aliis omnibus pertinentiis et prouentibus suis, cum emunitatibus et libertatibus, cum omnis proprietatis integritate, sicut nos et ecclesia nostra in Amelungesborne memoratam villam et grangiam cum omnibus attinenciis suis annis amplius quam LXX possederamus, Doberanensis ecclesia ex hoc nunc et in perpetuum libere possideat et quiete, pro quibus bonis venerabilis dominus Johannes abbas monasterii de Doberan et conuentus suus duas sartagines in salina Lvneburg cum omni fructu et reditibus earundem nobis ac monasterio nostro assignauerunt in restaurum libere perpetuo possidendas; nempe cum omnia ordinis ordini sint cummunia, hiis additur, quod si qua per-

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sona, cuiuscumque conditionis sev dignitatis fuerit, bona iam sepe nominata Satowe videlicet post permutacionem istam inter nos et Doberanense monasterium mutuo perpetratam impecierit et improbauerit occasione quorumcumque, in quibus contra cadem bona ante hanc permutationem factam impeticio et improbacio sibi iuste competere videbatur, in eiusmodi causis, si oborte fuerint, nos et ecclesia nostra vna cum venerabili domino abbate Doberanensi et conuentu suo pari lege, communi consilio et auxilio, necnon similibus laboribus et expensis firmiter simul stabimus, donec talis impeticio in iure vel gracia complanetur, et idem nobis ex integro facere tenebitur Doberanense monasterium, si quid simili modo increuerit vel obortum fuerit super duabus illis sartaginibus in salina Lvneburg supradictis. Preterea dicte permutationis ratione memoria eorum, qui predictam villam et grangiam Satowe nostro monasterio donauerunt, non minorabitur, neque deperiet, sed apud ecclesiam nostram Amelvngesbornensem, necnon in ecclcsia Doberanensi ipsorum memoria erit in benedictione perpetuo perseuerans. In cuius rei euidenciam pleniorem presentem paginam inde conscriptam sigilli nostri et venerabilis patris domini Arnoldi abbatis Noui Campi sigilli munimine fecimus insigniri, Testes huius rei sunt: Bertrammus prior, Hermanus svpprior, Johannes cellerarius, Ludolphus de Bremis, Johannes de Hyldensem, Thidericus de Oldendorpe, Johannes Crasceman, Conradus de Amelungessen, Giselbertus camerarius, Conradus de Hyldensem, Alexander, Henricus infirmarius, Johannes de Honovere, Datum Doberan, anno domini M °CCC° primo, Februarii nonas quarto.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer kräftigen Minuskel. An Schnüren aus rother, gelber und grüner Seide hangen zwei kleine, parabolische Siegel mit dem ganzen Bilde eines Abtes, mit dem Stabe in der rechten und einem Buche in der linken Hand vor der Brust:

1) aus grünem Wachs, mit der Inschrift:

Inschrift

2) aus rothem Wachs, mit der Inschrift:

Inschrift

Eine zweite, gleichlautende Original - Ausfertigung, in etwas kleinerer, schärferer Minuskel, hat das erste Siegel verloren.


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Nr. IX.

Der Ritter Friederich Babbe überlässt dem Kloster Doberan die von ihm bisher erhobene Bede des Dorfes Satow, sowohl von den zwei Hufen, welche das Kloster von dem Verwalter von Heiligenhagen erworben, als von allen Ländereien des Dorfes, welche das Kloster unter eigenem Pfluge hat.

D. d. 1304. Nov. 1.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Omnibus, ad quos presens scriptum peruenerit, Fredericus miles dictus Babbe in omnium saluatore salutem. Tenore presencium recognoscimus publice protestantes, quod nos de maturo amicorum nostrorum consilio, precipue dei omnipotentis intuitu, precariam, quam licite de omnibus mansis ville Satowe accipere possumus, de duobus mansis in eadem villa a fratribus ecclesie Doberanensis de clerico Indaginis Sancti Spiritus comparatis et de omnibus eiusdem ville agris, quos idem fratres propriis colunt aratris, liberam ecclesie Doberanensi dimisimus, nec a quoquam iudicamus ipsam vlterius extorquendam. In cuius rei testimonium presens scriptum sigillo nostro duximus muniendum. Testes autem sunt: dominus Mathias de Naxekowe, miles, Euerhardus Berchane, aduocatus Doberanensis, Kanker et plures alii fide digni. Datum anno domini M ° CCC° IIII, in die omnium sanctorum.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer kleinen, stumpfen Minuskel. An einem aus dem Pergament geschnittenen Streifen hängt ein Siegel aus rothem Wachs mit einem schraffirten, aufrechten Sparren, mit der Umschrift:

Umschrift

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Nr. X.

Der Ritter Conrad Babbe und sein Sohn Friederich bekennen, dass sie an die von ihrem Vater und Grossvater Friederich Babbe dem Kloster Doberan abgetretene Bede aus dem Dorfe und Hagen Satow keine Ansprüche zu machen berechtigt sind.

D. d. Doberan 1330. März 27.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Vniuersis Christi fidelibus presencia visuris nos Conradus, miles, et Vicko, filius noster, dicti Babben in domino salutem. Recognoscimus tenore presencium publice protestantes, quod nos et heredes nostri legitimi vniuersi nichil penitus iuris uel possessionis cuiuscunque habeamus uel habituri simus perpetuis temporibus in precaria ecclesie Doberanensis in villa uel indagine, qui Satowe dicitur, presertim cum, estimantes nos aliquid in predicta precaria atttinencie posse contingere, a dominis et fratribus predicte ecclesie simus expediti veraciter per litteras pie memorie domini Frederici Babben militis, patris nostri Conradi et aui Vickonis, filii nostri predicti, quod ipse iam nominatus pater noster predictam precariam iam dicte ecclesie Doberanensi et ipsius fratribus libere et totaliter resignauerit perpetuo possidendam. In cuius testimonium sigilla nostra scilicet Conradi etVickonis presentibus sunt appensa. Testes huius recognicionis sunt: dominus Johannes abbas, Hinricus prior, Conradus cellerarius, Gotfridus magister hospitum, Bertoldus furnarius, in Doberan, et quam plures alii fide digni. Datum Doberan, anno domini M ° CCC° XXX°, feria tercia post dominicam qua cantatur Judica me deus.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer kleinen, scharfen Minuskel. An zwei aus dem Pergament geschnittenen Streifen hangen zwei schildförmige Siegel:

1) mit einem glatten, aufrechten Sparren im schraffirten Felde, mit der Umschrift:

Umschrift

2) mit einem schraffirten, aufrechten Sparren im glatten Felde, mit der Umschrift:

Umschrift

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Nr. XI.

Die von Putzekow (Püschow) auf Püschow vergleichen sich mit dem Kloster Doberan über die Grenzen zwischen Satow und Püschow dahin, dass die alten Grenzen von Satow erhalten und bestimmt werden.

D. d. 1335. Junii 1.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nos Johannes et Zubbeko fratres dicti de Putzekowe, armigeri, presentibus litteris protestamur et notum facimus vniuersis, quod dissencio ac discordia, que inter nos et patrem nostrum dominum Zubbeslaum de Putzekowe militem, parte ex vna, ac inter religiosos viros dominum Conradum abbatem et conuentum monasterii in Doberan, parte ex altera, iam dudum mota et ventilata fuerat, eo quod dicti abbas et conuentus prenominatum militem patrem nostrum pro quibusdam dampnis racione vnius equi ambulatoris et decem porcorum pinguium impeterent, que dampna ad triginta marcas denariorum Rozstoccensium computabant, necnon econuerso idem pater noster ipsos in transgressione terminorum suorum prope campos curie Satowe, prout asserebat, se indebite molestare quereretur: nunc mediante consilio amicorum nostrorum ob salutem anime sepedicti patris nostri in hunc modum ex toto est amicabiliter reformata, videlicet quod supradicti abbas et conuentus dampna suprascripta nobis de bona voluntate sua totaliter remiserunt, nos quoque ipsos terminos distinctionum suarum eis dimisimus, sicut eos habuerunt ab antiquo, promittentes eisdem firmiter per presentes, quod neque nos, neque aliquis heredum aut successorum nostrorum debebimus Doberanensem ecclesiam in bonis suis in Satowe per transgressionem terminorum aliqualiter in perpetuum impedire, sed inter campos ville nostre Putzekowe et campos curie Satowen eadem distinctio terminorum remanebit in perpetuum, que ibidem est et fuit hactenus ac fuisse dinoscitur ab antiquo, videlicet fossatum, quod incipit in angulo campi stritvelt, vbi campi curie Satowen et campi ville Putzekowen ac eciam campi indaginis

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Hilgengeysteshaghen apud riuum conueniunt, et transit per directum usque ad paludem cespitum, per ipsam quoque paludem a directo ad campos curie se aliquatenus declinando, ac eciam a palude per campum adiacentem usque ad riuum, qui supra molendinum in Satowe aquam ducit. Vt autem predicta omnia perpetuo obseruentur inuiolabiliter, vna cum nostris sigillis sigilla discretorum virorum domini Hermanni plebani in Retzekowe et Heynonis de Cysendorpe, Hennighi Pren de Rederanke ac Nicolai de Cysendorpe, Erici quoque Smekeres, armigerorum, presentibus litteris pro cerciori euidencia sunt appensa. Testes insuper, qui vna cum premissis huic facto personaliter affuerunt, sunt viri religiosi: Godfridus de Lubeke, Thymmo magister conuersorum, Conradus magister hospitum, Egbertus de Goslalria, Thidericus vicecustos, sacerdotes et monachi, et fratres Hinricus Pantzekowe in Bolhaghen, Gherardus in Antiqua Curia, Bernardus in Satoua, conuersi Doberanenseses et grangiarum magistri, dominus quoque Dethardus plebanus in Satouia, insuper Marquardus Scoluere, Otto Pape de Cysendorpe, Hinricus subaduocatus abbacie Doberanensis, cum pluribus aliis fide dignis. Datum anno domini M ° CCC° XXX quinto, in octaua ascensionis domini eiusdem Jhesu Christi.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer kleinen, festen, schönen Minuskel. An Pergamentstreifen hangen 7 Siegel, welche, mit Ausnahme des dritten von parabolischer Form, alle schildförmig sind:

1) mit drei Ringen auf einem Griffe zwei Mal gekreuzt oder mit zwei kreuzweise gelegten Ketten, mit der Umschrift:

Umschrift

2) eben so, mit der Umschrift:

Umschrift

3) parabolisch, mit der ganzen Figur eines den Kelch consecrirenden Priesters, mit der Umschrift:

Umschrift

4) mit drei schräge rechts gestellten Sternen im leeren Schilde, mit der Umschrift:

Umschrift

5) mit drei Pfriemen und der Umschrift:

Umschrift
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6) wie Nr. 4, mit der Umschrift:

Umschrift

7) längs gespalten , rechts mit einer halben Lilie, links mit einem halben Adler, mit der Umschrift:

Umschrift

Nr. XII.

Die Herzoge Albrecht und Johann von Meklenburg gestatten dem Kloster Doberan, dass die Aecker des Hofes mit denen des Dorfes Satow nach Belieben vereinigt und zusammen für 20 Hufen gerechnet werden, indem sie für diese Güter das Kloster von der Nachmessung befreien, demselben die alten Privilegien bestätigen und volle Freiheit von allen Lasten versichern, mit Ausnahme der allgemeinen Landesvertheidigung.

D. d. Rostock. 1350. Jan. 13.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Arcive zu Schwerin.


Nos Albertus et Johannes fratres dei gracia duces Magnopolenses, Stargardie et Rozstok domini presentibus recognoscimus et lucide profitemur, quod vt cultus diuini in monasterio Doberan ardencius et deuocius extollantur, sano nostrorum consiliariorum et fidelium ducti consilio et assensu, dicti monasterii abbati et conuentui animo liberali concedimus, donamus et graciose indulgemus, vt agros, qui curie Satowe hucusque adiacuerunt et adhuc adiacent, ipsi ville Satowe congrua pro ipsorum beneplacito segregacione et distribucione apponere possint et applicare, ita videlicet quod agri predicte curie Satowe cum agris predicte ville adiacentibus simul sumpti pro viginti mansis duntaxat computentur, perpetuo maneant et habeantur, nec funiculi aut virge dimensione vmquam deinceps, siue ipsi ville Satowe appositi fuerint, siue aliis hereditatibus in loco, in quo nunc ipsa curia sita iacet,

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siue in alio exstruendis applicati, mensurentur, neque pro pluribus quam pro viginti mansis conueniantur, sed quod dicta bona Satowe ad dictum monasterium Doberan cum omni libertate, proprietate, iudiciis, iuribus et iusticiis, quibus ea dicti monasterii abbas et conuentus hactenus liberius possederunt et in presenti possident, ac eciam omnibus et singulis libertatibus et proprietatibus ac vniuersis condicionibus, que in priuilegiis dominorum de Werle super dictis bonis Satowe editis et confeclis ac dominis abbati et conuentui monasterii in Amelunghesborn traditis et donatis plenius continentur, perpetuis temporibus pertinebunt, que quidem bona et priuilegia pro duabus sartaginibus salinariis in Lunenborch ad ipsum monasterium Doberan translata sunt et incorporata, intra terminos aduocacie nostre Sywan, perpetuo remansura, verumptamen dictorum viginti mansorum cultores ad reprimendum hostiles incursus cum ceteris terrarum nostrarum incolis ad communem terre defensionem debebunt conuenire. In quorum euidens testimonium sigilla nostra presentibus duximus apponenda. Testes sunt fideles nostri: Eghardus de Bibowe, miles, Bertoldus Rode, noster cancellarius, Bernardus Alkun et Hinricus de Bulowe, armigeri, ceterique plures fide digni. Datum Rozstok anno domini millesimo trecentesimo quinquagesimo, in octaua Ephiphanie eiusdem, per manus Johannis Raboden, nostri notartii.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer festen Minuskel. An Schnüren von rother Seide hangen des Herzogs Albrecht grosses und des Herzogs Johann Secret-Siegel.


Nr. XIII.

Der Knappe Subbeke von Putzecow versichtert dem Kloster Doberan die alten Grenzen zwischen Putzecow (Püschow) und Satow.

D. d. 1350. April 4.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Ego Subbeke dictus de Putzecowe armiger tenore presencium recognosco publiceque protestor,

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quod distinctiones terminorum inter Satowe et villam Putzecowe per fratrem meum Johannem bone memorie de meo consensu ante ad quindecim annos cum fratribus Doberanensis monasterii legitime factas, prout in litteris super has confectis lucide continetur, nunc mediante concilio amicorum meorum, de consensu omnium, quorum consensus merito requirendus fuerat, ego ipse, qui tunc, cum frater meus prefatus distinctiones terminorum fecerat, vt michi visum fuit, infra annos legitimos eram constitutus, per memet ipsum nunc denuo approbo et confirmo, ita quod neque ego, neque heredes et propinqui et successores mei debebimus ecclesiam Doberanensem in bonis suis Satowe per transgressionem terminorum aliqualiter inperpetuum inpedire, nec lites aliquas super distinctionibus infrascriptis amplius mouere, sed inter campos ville nostre Putzecowe et campos in Satowe eadem distinctio terminorum remanebit inperpetuum, que ibidem est et fuit hactenus ac fuisse dinoscitur ab antiquo, videlicet fossatum, quod incipit in angulo campi strivelt, vbi campi Satowen et campi ville Putzecowen ac eciam campi Indaginis Hilghengeysteshaghen apud riuum conueniunt, et transit per directum vsque ad paludem cespitum, per ipsam quoque paludem a directo ad campos Satowe se aliqualiter et aliquatenus declinando ac eciam a palude per campum adiacentem vsque ad riuum, qui supra molendinum in Satowe aquam ducit, prout per fossatum in eodem campo existente apercius est distinctum. In cuins rei euidenciam et perpetue firmitatis robur sigillum meum presentibus est appensum. Testes insuper, qui ordinacioni huic personaliter interfuerunt, sunt isti: in primis venerabilis pater dominus Jacobus abbas Doberanensis cum fratribus et dominis suis, scilicet Nicolao de Sarnestorp, Hinrico Meynardi cellerario, Hinrico Zeduar, Petro Mentzen; item dominus Hermannus plebanus in Retzecowe, Henninghus Pren de Rederanke, Vicco etArnoldus fratres dicti Babben, armigeri, et Tidericus Witte de Retzecowe, item frater Ecbertus, conuersus, aduocatus ecclesie Doberanensis, cum aliis pluribus fidedignis. Datum anno domini millesimo trecentesimo

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quinquagesimo, in die beati Ambrosii episcopi et confessoris.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer kleinen, festen Minuskel. An einem Pergamentstreifen hängt ein schildförmiges Siegel mit zwei gekreuzten Instrumenten: drei über einander auf einem Stiele stehenden Ringen, mit der Umschrift:

Umschrift

Nr. XIV.

Der Herzog Albrecht von Meklenburg verkauft dem Kloster Doberan sämmtliche Gerichtsbarkeit des Dorfes Zarnewanz und schenkt und bestätigt demselben Kloster alle Gerichtsbarkeit des Hofes und Dorfes Satow.

D. d. Wismar. 1353. Febr. 24.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nos Albertus dei gracia dux Magnopolensis, Stargardie ac Rozstok dominus recognoscimus tenore presencium coram vniuersis presencia visuris vel audituris publice protestando, quod prehabita deliberacione matura ac fidelium nostrorum consiliariorum accedente consilio pleno et beneplacito religiosis viris dilectis nobis fratribus abbati totique conuentui monasterii Doberanensis, ordinis Cisterciensis, pro centum et sexaginta marcis denariorum Lubecensium nobis in nostros necessarios vsus persolutis et conuersis iuste vendicionis titulo vendidimus, dimisimus et dimittimus per presentes iudicium supremum et infimum, maius et minus, videlicet manus et colli, tocius et integre ville Zarnewanz, prout in suis terminis distinctiuis iacet plenius comprehensa et nos ipsum liberius noscimur possedisse, libere perpetuis temporibus possidendum eciam postquam eiusdem ville iurisdictiones et condiciones, nobis et successoribus nostris in ea nunc et futuris temporibus conpetentes, ad presens nostris aduocatis videlicet domino Johanni Vmmereyzen militi et Godscalko Preen famulo et ipsorum heredibus obligate, libere ad nos deuenerunt,

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iidem dominus abbas et conuentus eiusdem monasterii ipsius ville seruicium curruum et castrense perpetue possidebunt et habebunt, nichil penitus iuris, iusticie, proprietatis et dominii, preterquam precarias, in eadem villa nobis et successoribus nostris reseruato. Insuper damus et approbamus eisdem dominis abbati et conuentui predicti monasterii ob speciale meritum vniuersas et singulas precarias et iudicium maius et minus, supremum et infimum, videlicet manus et colli, curie et integre ville Zatowe, quemadmodum in omnibus suis distinctionibus plenius iacent comprehense, veluti in aliis litteris prioribus super eisdem bonis traditis et confectis lucidius continetur, libere et quiete temporibus perpetuis possidendas et possidendum, nobis et successoribus nostris in eisdem curia et villa et suis singulis attinenciis iuris et iusticie nichil penitus reseruantes, nolentes, presentes litteras nostras litteris prioribus nostris sev nostrorum progenitorum derogare, sed pocius in sue firmitatis robore ac singulis suis clausulis volumus litteras priores antedictas per presentes approbari et conseruari. Ne igitur nostre videlicet vendicio et donacio per nos, nostros heredes et successores sev quoscunque alios infringi quomodolibet valeant, presentes nostras litteras nostri sigilli munimine dedimus firmiter communitas. Testes huius sunt nostri fideles: Johannes de Plesse, Hinricus Stralendorp, Johannes Lutzowe, nostre curie marscalkus, milites, Bertramus Bere, noster cancellarius, Marquardus de Stoue et Bernardus Alkun, noster prothocamerarius, famuli, ceterique plures fide digni. Datum, actum et actitatum Wismarie, anno domini millesimo tricentesimo quinquagesimo tercio, in die beati Matthie apostoli generosi.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer geläufigen Geschäfts - Minuskel. An einer Schnur von rother und grüner Seide hängt des Herzogs Albrecht grosses Siegel.


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Nr. XV.

Otto Vieregge zu Wokrent versichert dem Kloster Doberan den ungestörten Besitz des zum Hofe Satow gehörenden Ackers, Mönchhals genannt, und bestimmt dessen Grenzen.

D. d. 1386. Jan. 17.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Ik Otto Veerheggede de dâr wônet tho Wokerente vnde myne rechten eruen wy bekennen vnde bethûgen ôpenbâr an desseme geghenwardighen brêue, dat alle twîdracht, de dâr heft ghewezen twischen my, mynen eruen vnde de ghêstliken heren den abbet vnde dat couent des munsters tho Dobberan dor zâke willen etlyken akkers, de dâr monnykehals hêd, de dâr hôrd tho deme akkere des hôues tho der Zatow, des wy vns vnderwnden hadden vnde de ghêstliken heren tho Dobberan ane hinderden, na anwyzhinge vnser vrund vormyddelst dêghedynghen vruntliken is ghevleghen vnde gheendeghet an desser wys, dat de vôrbenômede monnykehals, alzo he nu licht vnde van oldinghes heft gheleghen, alzo schal he den vôrbenômeden heren tho Doberan van rechtem rechte vnde rechter wyse vort an hôren, alze he wenthe her tho en heft ghehôrd, vnde ze scholen enn bezitten tho êwighen thîden vredezâm vnde vnbeworn, mit akkere bûwet vnde vnghebûwet, wischen weyde, holt vnde busche vnde wes dâr vppe wasset, an beydent syden, wente tho den enden des wâders, dat den zuluen akker monnykehals vmme vlůt, vnde wat dâr wasset bynnen dem wâtere myner stôwynghe wente tho den schêdesteenen, de wy vruntliken vnderlanges ghelecht hehben, dat ys myn vnde myner eruen; vortmer de Quastedyk schal zynen vtulôte beholden, dâr he ene aldus langhe heft ghehad; ôk hebbe yk des vruntliken vp ên ghedreghen mid den zuluen ghêstliken heren, dat de schêde, de zyk vôre krummede vppe de luchter hand, de schal raarecht vthân tho êwighen thîden van deme ênen steene wente tho dem anderen, vnde wes de Herdershûue heft van anschôte, dat schal ze beholden bed vp den schêdegrâuen. Al desse stukke stede vast tho holdende

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lêue ik vôrbenômede Otto Verheggede mit mynen rechten eruen an gûden trûwen vnde to mêrer bekantnisse zo hebbe ik myn yngheseghel henghet an dessen brêf. De thûgehe desser dingh ys her Hinrik Moltke, myns heren hôuerichter van Mekelenborgh., vnde Thideke Preen, marschalk, de dyt ghedêghedinghet hebben vnde ere inghezeghele mede hebbet vôr dessen brêf ghehenghet, de gheuen vnde screuen is tho Doberan in deme yâre na godes bôrd dritteynhundert yâr an deme zosse vnde achteghesten yâre, an zunthe Peters âuende alzo he vorhôghet ward tho pawese bynnen Rome.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer festen Minuskel. An Pergamentstreifen hangen 3 runde Siegel aus rothem Wachs:

1) mit einem Schilde mit 3 Hifthörnern und der Umschrift:

Umschrift

2) mit einem Schilde mit 3 Birkhühnern unter einem Helme mit einem Pfauenwedel, mit der Umschrift:

Umschrift

3) mit einem Schilde mit 3 Pfriemen und der Umschrift:

Umschrift

Nr. XVI.

Die Herzogin Katharine von Meklenburg bestimmt die von ihrem verstorbenen Gemahl, dem Herzoge Johann, dem Kloster Doberan vermachte jährliche Hebung von 12 lüb. Mk. Pf. aus der Ueberbede des Gutes Satow zu Gedächtnisfeiern und Seelenmessen für ihren Gemahl auf den 16. October.

D. d. Doberan. 1422. Oct. 18.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Wy ver Katherine hertoghinne, ychteswanne hûsvrûwe hertoghe Johannis heren van Mekelenborch zelygher dechtnisse, bekennen vnde bethûghen

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ûpenbâre in desser scryft, dat vnse vôrbenômede lêue here deme ghot gnedych zy an dem lesten wyllen zynes leuendes ghaf an vnser ieghenwardicheit an zyneme testamente dorch heyles vnde sâlicheit wyllen zyner zêle den ghêstliken heren abbete vnde conuente des klôsteres to Dobberan twelf lubesche mark lubescher munte iârlykes gheldes to børende alle iâr an der ôuerbêde vte deme ghûde to der Zatouwe: vôr desse vôrbenômeden twelf lubesche mark gheldes schal de abbet dede is to der tyt in allen sunte Gallen dâghe deme vôrbenômeden conuente dôn ênen ghûden êrliken dênest myt ghûden Wysmerschen bêre vnde scal dat êrbenômede conuent dâr vnsen lêuen vôrbenômeden heren vp den suluen dach sunte Gallen vôrbenômet alle iâr lâten beghâen myt vylien vnde myt zêlemyssen. An desset êrbenômede ghût to der Zatouwe, dat alrêde is vnde tôhôret deme vôrbenômeden ghodeshûze myt alleme herenrechte, hebbe wy na râde vnde myt vulbôrt vnses lêuen vedderen hertoghen Albertes heren to Mekelenborch etc. deme vôrbenômeden abbete vnde conuente ghewyset an de vôrbenômeden twelff lubesche mark gheldes iârlykes vte der vôrscreuenen bêde to bôrende. Des to êner mêreren bewârynghe vnde to tûghe aller vôrbenômeden stucke hebbe wy ver Katheryne vôrbenômet vnse ingheseghele wytliken lâten henghen vôr dessen brêff, de gheuen vnde sereuen is in deme klôstere Dobberan, na ghodes bort vêrteynhundert iâr in deme twê vnde twyntigesten iâre, in sunte Lucas dâghe êwangelisten.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer breiten Minuskel. An einer Schnur von rother Seide hängt der Herzogin Katharine dreischildiges (Secret-) Siegel.


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Nr. XVII.

Der Herzog Albrecht von Meklenburg, für sich und als Vormund der Kinder seines verstorbenen Vetters Johann, bestätigt dem Kloster Doberan die durch das Testament seines Vetters dem Kloster vermachte jährliche Hebung von 12 lüb. Mk. Pf. aus der Ueberbede des Hagens und Dorfes Satow zur Jahresfeier und zu Seelenmessen auf den 16. October für den Herzog Johann.

D. d. 1422. Oct. 18.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Wy Albrecht van godes gnâden herteghe to Mekelenborch, greue to Zwerin, to Rostok vnde Stargarde der lande here bekennen vnde betůghen ôpenbâr an dessem brêue vôr al den yênen, de ene zeen edder hôren lesen, dat vse lêue veddere herteghe Johan dem god gnedich zy gaf vnde heft ghegheuen myt vnsen willen vnde vulbôrd an deme lesten zynes leuendes myt gotliker andacht vnde bekantnysse an zyneme testamente dorch heyles vnde zâlicheyt willen zyner zêle den êrsâmen ghêstliken heren abbete vnde conuente des godeshûs Dobberan twelf lubesche mark lubescher pennynghe iârlikes gheldes, de se alle iâr scholen hebben vnde bôren an deme haghen vnde ghûde to der Zatowe an der ôuerbêde; vôr desse vôrbenômeden twelf mark gheldes schal de abbet, de to der tyd ys, alle yâr yn sunte Gallen dâghe deme êrbonômeden conuente dûn ênen ghûden, êrliken deenst myt vyf ghûden rychten, myt mêde vnde myt Wysmerschen bêre, vnde dat êrbonômede conuent schal vnsen lêuen vôrbonômeden vedderen in deme vôrbonômeden sunte Gallen dâghe alle iâr begân myt gotliker andacht myt vylien vnde myt zêlemyssen. Desse vôrbonômeden ghift vnde ghâue der vôrscreuen twelf lubeschen mark gheldes stedighe wy herteghe vôrbenômet vnde vestighen de vôr vns vnde vôr vnse lêuen vedderen herteghe Johans kyndere vôrbenômet zeligber dachtnisse, der wy to der tyd vôrmunder zynt, vnde wysen vôrbenômeden ghêstliken

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heren abbete vnde conuent an de vôrbenômede bêde vnde ghulde an dem vôrscreuen haghene vnde gûde to der Zatowe alle iâr to bôrende vnde to brûkende sunder yênegherleye wedderstal edder hyndernisse vnser edder vnser eruen. Des to grôter vnde mêrer bewârynghe vnde tůchnysse hebhe wy herteghe Albrecht vôrghenömet vôr vns vnde vôr vnse vôrbenômeden lêuen vedderen herteghe Johans kyndere vnse ingheseghel witliken lâten henghen vôr dessen brêff. Tûghe desser dynk zynt: her Mathias Axcowe, ridder, Hennynk Haluerstat, her Nicolaus Reuentlowe, vnse kentzeler, Hinrik Splyt, vnse trůwen, vnde ander vele bedderuer lûde vnser trûwen man, de lôuenwerdich zynt. Gheuen vnde screuen an den iâren des heren dûsent vêrhundert yn deme twê vnde twynteghesten iâre, yn sunte Lucas dâghe des hilghen êwangelisten.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer dicken Minuskel. An einer Schnur von rother und grüner Seide hängt des Herzogs Albrecht Siegel in rothem Wachs mit dem dreifeldigen Schilde unter dem Helme, mit der Umschrift:

Umschrift

Nr. XVIII.

Das Kloster Doberan und die Preen auf Rederank bestimmen die alten Grenzen zwischen Püschow und Rederank am Püschower See.

D. d. Püschower Grenze. 1433. Aug. 26.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


In nomine domini Amen. Anno natiuitatis eiusdem millesimo quadringentesimo trecesimo tercio, indictione vndecima, mensis Augusti die XXVI a , hora quasi terciarum, in metis, terminis et distinctionibus villarum Putzcow et Rederank in littore stagni, quod vulgariter dicitur Putzcower Zee, Zwerinensis diocesis, pontificatus sanctissimi in Christo patris ac domini nostri domini Eugenii diuina prouidencia pape quarti anno eius tercio, in mei notarii publici testium-

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que infrascriptorum, ad hoc specialiter vocatorum presencia constituti personaliter honorabiles et religiosi viri et domini, venerabilis in Christo pater et dominus dominus Bernardus abbas, Andreas prior, Johannes Hasselbeke bursarius, Johannes Backer nemorarius, Reymarus aduocatus, Petrus prouisor Antique Curie, Hermannus prouisor curie in Satowe, in Dobberan dicte diocesis Zwerinensis professi, adiunctis sibi prefectis et schultetis cum singulis colonis et inhabitatoribus villarum Putzcowe et Lůningheshaghen, parte ex vna, necnon validi viri Ghotschalcus et Gherardus, eius filius, condicti Pr ee en, morantes in Rederank, cum suis prefectis et burgensibus singulis et colonis ac inhabitatoribus villarum Rederank et Marquardeshaghen, pro maxima parte congregatis, parte ex altera, quibus sic, ut premittitur, consitutis antedictus venerabilis pater et dominus dominus Bernardus abbas pro se et nomine sui monasterii Dobbraenensis, animo et intencione eundi, segregandi, percipiendi, notificandi et sciendi ac finaliter et debite designandi veros terminos et distinctiones, metas et contigua et quodlibet seorsum villarum predictarum, incipiendo a stagno supradicto, quod cummuniter et in vulgo dicitur Putzcower Zee versus occidentem, inquisiuit, investigauit et debite absque omni dolo et fraude interrogauit prefatos Godschalcum Pr ee en et eius filium Gherardum Pr ee en singulariter et expresse proponendo, vtrum ipsi aut aliquis eorum in sepedicto stangno aut in ipsius piscaturis seu piscacionibus seu quibusuis fructibus siue emolumentis ac prouentibus eiusdem quidquam iuris, dominei aut proprietatis, tam ciuilis, quam conswetudinarii, haberent seu se habere dicerent, presumerent uel vsurparent, mox viri antedicti Godschalcus et Gherardus condicti Pr ee en simpliciter et non coacti, nec circumuenti, vno ore dixerunt et animo deliberato responderunt, dicentes et affirmantes ac publice recognouerunt, quod huiusmodi stangnum, quod Putzcower Zee nuncupetur, cum omni iure, proprietate et domineo spectaret et pertineret, prout spectat et pertinet plenarie ecclesie beate Marie virginis et monasterio Dobbraenensi absque inpeticione aliqua ipsorum uel alterius eorum siue alterius cuiuscunque, renunctiantes pro se et heredibus suis omnibus vsurpacionibus et inpeticionibus quibusuis, sic quod ipsum

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stangnum et aqua cum suis affluenciis et decursibus ac emolumentis absque vllo inpedimento eorum et heredum suorum in longum, latum et profundum manebit et manere debebit ecclesie Dobbraenensi, quemadmodum eciam distinctiones et termini ipsius stangni in littore eiusdem et margine a predicto stangno versus occidentem incipiendo certis intersignis, videlicet lapidibus et lignis, secundum dicti Ghotschalci, cuius tunc interfuit, proprie racionis iudicium et dictamen, et ad ipsius voluntatem, onerata tamen consciencia, iuxta morem territorii sufficienter sunt et fuerunt de loco in locum, de palude in paludem, in viis et semitis ac finibus huiusmodi villarum antedictarum terminos et veras distinctiones concernentibus, debite significati et desingnati, super quibus omnibus et singulis idem venerabilis pater et dominus dominus Bernardus abbas me notarium infrascriptum publicum requisiuit, petens sibi super hoc vnum uel plura publicum uel publica confici instrumentum uel instrumenta. Acta sunt hec anno, indictione, pontificatu, die, mense, hora et loco, quibus supra, presentibus discretis viris Hermanno Sch ae ar, Johanne Beren et Johanne Bemecowe, laicis dicte Zwerinensis diocesis, testibus ad premissa vocatis specialiter et rogatis.

Et ego Hermannus Giwertze, clericus Caminensis diocesis, publicus imperiali auctoritate notarius, quia huiusmodi questioni, proposicioni, responcioni, impeticioni, renunctiacioni omnibusque aliis et singulis premissis, dum sic, ut premittitur, fierent et agerentur, vna cum prenominatis testibus presens interfui eaque sic fieri vidi et audiui, ideo hoc presens publicum instrumentum propria manu mea conscriptum inde confeci et in hanc publicam formam redegi, quam signo et nomine cum cognomine meis solitis et conswetis signaui in fidem, debite requisitus, omnium et singulorum premissorum.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer sehr flüchtigen, stark abbrevirten Minuskel.


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2. Urkunden über den Hof Dranse.


Nr. XIX.

Der Bischof und das Dom-Capitel zu Havelberg bekennen, dass den Herzogen von Meklenburg von den in deren Landen liegenden Gütern des Klosterhofes Dranse, welche der Bischof von dem Kloster Amelungsborn gekauft hat, Dienst, Bede, Landding und der Zoll zu Dranse gebührt.

D. d. 1445. März 6.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Wy Conrad van gades gnâden bischopp der kerken to Hauelberghe, prâuest vnde gantze cappittel dâr suluest bekennen vnde betûghen vôr vns vnde alle vnse nakômelinge med ôrkunde desses brîues vôr alsweme, dat de êrwerdighen vnde ghestrengen vnde wolduchtighen alle na bescreuen tuschen vns, van eyner, vnde de hôchghebâren forsten vnde heren Hinrik de older, Hinrik de iunger, hertoghen to Meklenborch, to Stargharde vnde Rostok heren, forsten to Wenden, van der anderen syden, van der gûdere weghen, de wy ghekoft hebben van den monneken des clôsters Amelungsborne ghenant, beleghen in der herschopp vnde landen der vôrgnanten heren to Meklenborch, alse nemelken Dransz hoff vnde dorpp med der see dâr suluest, Swinrich, Seuekow, beide Bale, beide Raderanke, Tzempou, Vchtorpp, Lutken Berlin vnde de see to Groten Berlin, de Kulemollen, den Schild vnde der Schildermollen in desser na screuen mâte vnde wîse vorscheiden, vruntliken vntwey ghesprâken vnde dêghedinghet hebben, also dat de vôrgnanten heren to Meklenborch vnde ere nakâmelinge âuer alle de vôrsereuen gûdere vnde dorpere hebben vnde in brûkelker besittinge beholden scho-

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len den dynst, de bêde, dat lantding, wes dâr van vallen mach, vnde den tolle to deme Dranse, also alze van langen tyden vnde iâren vorgangen de b'esitter des slotes Wredenhaghen vnde de vôrgnanten heren nu bette an dessen hûten dach ghehath, beseten vnde ghebrûket hebben, vnde wy êrgnanten here Connrad bischopp tôr kerken Hauelberghe, prâuest vnde cappitel dâr suluest scholen de vôrscreuen dorpere, gûdere hebben, beholden vnde brûken, besitten med allen eren tobehôringen, vrygheiden vnde rechticheiden, akkeren, holten, wâteren, vischerîgen, weiden, weghen, vnweghen, bûwet, vnghebûwet, also alz de monneke vôrscreuen de vôrgnanten gûdere yê vrîgest had vnde beseten hebben, vnde wy scholen vnde willen de vorseghelden brîue, de de vôrscreuen monneke van Amelungesborne ghehad hebben vpp de vôrscreuen gûdere vnde vns vort an gheantwerdet hebben, in trûwer vnde gûder bewâringe beholden, also dat de vôrgnanten heren to Meklenborch, ere eruen, nakâmeli ge edder de eren van der weghen to neyner tyd anghelanged vnde anghesprâken scholen werden vnde dâr van to neyme schâden kâmen. Hyr an vende âuer syn ghewesen de werdighen heren ern Henning Wutenow, prâuest to Hauelberghe, ern Hinrik Cran, prâuest to Vredelande, ern Mathias van Jaghow, ritter, Hennig Warborch, Otto Viregge, Ludeke Warnstede vnde Achim van Pentze, de desse sâken vôrscreuen ghedêdinget vnde vns dâr an beiden dêlen in vorscheiden hebben. Alle desse vôrscreuen stukke to sâmende vnde eyn iêwelk an sik lâuen wy vôrscreuen here Conrad bischopp to Hauelherghe, prâuest vnde cappittel dâr suluest med allen vnsen nakômelingen den vôrscreuen heren hertoghen to Meklenborch vnde al eren nakâmelingen vnuorbrâken in gûden trûwen stede vnde vast wol to holdende sunder arch vnde al gheuêrde. Des to tûghe vnde grôter bekentnisse hebben wy vôrgnanten here Conrad bischopp vnde cappittel vnse ingeseghele heiten hengen nedden an dissen brîff, de gheuen vnde screuen is na Christi ghebôrd vîrteinhundert iâr dâr na in deme vîff vnde vîrtichsten iâre, des sonnâuendes vôr Letare in der vasten.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer für die Zeit ungewöhnlich grossen und dicken Minuskel. An Pergamentstreifen hangen 2 Siegel:

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1) ein grosses, parabolisches Siegel, mit eingelegter grüner Wachsplatte, sehr zerstört, jedoch ist noch so viel erkennbar, dass der obere Haupttheil des Siegels 3 gothische Nischen mit Heiligenbildern, namentlich die mittlere Nische ein Bischofsbild hat, im untern, kleineren Abschnitte knieet der Bischof; rechts von ihm hängt ein Wappenschild mit einem rechten Schrägebalken und einem Zweige, wie es scheint, in jedem Winkel, links hängt der bischöfliche Wappenschild;

2) ein grosses, rundes Siegel mit einer Maria im Brustbilde mit dem Christkinde auf dem Arme, und der Umschrift:

Umschrift

Nr. XX.

Die Herzoge Magnus und Balthasar von Meklenburg und der Bischof Busso I. von Havelberg bereden, dass sie die zwischen ihnen streitig gewordene Ausübung mehrerer landesherrlicher Gerechtsame in den ehemaligen amelungsborner Klostergütern des Hofes Dranse nach Zeugenaussagen bestimmen und bei der Zusammenkunft sowohl über Arensberg und Penzlin, als auch über das Land Putlitz und die Güter der Stadt Witstock nach den Urkunden verhandeln wollen.

D. d. Neustadt. 1492. Aug. 12.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u H. Archive zu Schwerin.


Wy Magnus vnd Baltazar vonn gotts gnâden hertogen to Meckelnburg, fursten to Wenden, grâuen to Zwerin etc. vnd wy Busso van dersuluen gnâden bisschup to Hauelberge bekennen betûgende âpembar vôr alsweme, so alse wy malck andern ichteswelcker twîuerdigen sâken haluen etliker dorper benômliken Dransz hoff vnd dorp mit der zehe, Swinrike. Seuekowe, beiden Bale, beide Raderancken, Tzempow, Vchtorp mit andern gûderen nha innhold etliker vorsegelden brîue, des wy fursten obgnant eynen vnd ôck wy Busso bisschup vôrbenômet der glîken eynen glîkes lûdes hebben tôgeth vnd lesen lâthen, vneyns syn gewesen, in dem wy obgnanten fursten in den gnanten gûdern schôlen hebben dînst,

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bêde, tollen, den lantdingk vnd wes dâr van fallen mach, zo alse van langen tîden vnd iâren die besitter des slotes Wredenhagen vnd die hernn van Meckelnburg gehat, beseten vnd gebrûket hebben na furderm dersuluen brîue lûde vnd innholde, dâr inne vnns denne in vôrtîden vnd noch iegenwordich, zo wy vomeynen, affbrôck geschîen is, syn wy fursten vnd wy Busso bisschup vîlgnant sulcker erringe ôuer eyns gekômen, zo dat wy van den bûren vnd inwôneren der benômden dorpere vnd ôck van vmme sie beseten vnd anderen frômen, êrlicken lûden durch die vnsen schôlen sulckes dînstes, wô vnd wûr die van oldinges mach geschîen wesen, vorfâringe der wârheit dôhen lâthen, vnd wannêr wy fursten denne tôm Wredenhagen kômen kônen, willen wy hern Bussen bischuppe êrgnant zodâns vierteyn dâge touôren vorwitliken vnd tîdt vnd stede by vns tôm Wredenhagen to kômende vorteikenen: wes denne die gnanten bûre vnd inwônere sulcker dorper, ander vmmebesethene offt sus êrlike, frôme lûde mit ehren êheden willen wâr mâken, wô vnd wûr die dînst so van oldinges, alse vôrscreuen, geschîen is, scholen wy vns in beiden sîden dâr ane lâthen benûgen. Wy schôlen ôck vp die sulue tîdt vahn den andern sâken alhîr beandet die lehne andrepende dârsulues nha noidtrofft handell hebben, vnd wy her Busso bisschup vîlgnant schôlen aller brîue, wes wy der hebben môgen Arndesberge vnd Pentzelin belangende wârafftige copien den gnanten fursten tôn handen schicken, vnd wy fursten der glîken ôck aller brîue dat landt to Podlist andrepende copien wedderumme dem gnanten bisschuppe beuâlen. Ock schôlen furder alle twîuerdicheit twischen vns fursten vnd den van Wistock vp die gnanten tîdt vngefurdert die denne nha noidturfft dâr ôck antonehmende anstânde blîuen. Tôr witlicheit sindt disser recesse twe glîkes lûdes begrepen vnd îslikem parte eyn vorantwerdet vnd mit vnsen vpgedruckten ingesegeln vorsegeldt. Geschien vnd gegeuen tôr Nigenstadt, am sondâge nha Laurencii, anno etc. LXXXXII.

Nach dem Originale auf einem halben Bogen Papier. Von den auf rothes Wachs untergedruckten Siegeln ist nur noch das des Bischofs Busso erhalten: mit einem viergetheilten Schilde, im 1sten und 4ten Felde mit dem bischöflichen Wappen, wie es scheint, im 2ten und 3ten Felde mit zwei Querbalken.


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Nr. XXI.

Der Bischof Otto von Havelberg berichtet den Herzogen Magnus und Balthasar von Meklenburg, dass die Bewohner der Dörfer Dranse, Schwinrich, Berlin und Sevekow sich nicht zur Entrichtung der Landbede an die Herzoge von Meklenburg verpflichtet halten, jedoch alle schuldigen Dienste zu leisten willig sind.

D. d. Witstock. 1494. Oct. 4.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Vnnsern willigen dînst vnnde wes wy mehr lêues vnde gûdes vermâgen alle tydt touôrnne. Hôchgebârnne fursten, lêuen herenn. Juwer lêue scrîuen vns togeschicket der van Swinrick, Dransze, Berlin vnde Seuekow haluen, wy de muchten anholden, J. L. de lantbêde, wo sie verplicht sint, sunder lenger vortoch scholden geuen etc., wîders inholdens hebbenn wy vernhâmen vnnde fûgen J. L. fruntlich wêtten, wy de lûde van den dorperen vôrgenant alle iunck vnde olt vôr vns gehat vnde J. L. meyninge ehm vôrgeholden vnde to vorstânde geuen, se ôck furder dâr up verhôret hebben, de vnns alle bericht hebben, em nicht vordencket, se Juwen Lêuen edder J. L. seeligen vâdere iênnige lantbêde gegeuen hebben vnde wenthe hêrtô dâr vmme ny benôdiget sint, sunderen wes se J. L. to dônde verplicht sîn, willen sick alle billich vnde gûdtwillich dâr inne hebbenn: wôrumme bidden wy gâr fruntlich, J. L. de lûde nicht hôger willen beswêren, wen van older hêrkâmende by iuwes szeligen vâders tîden geschên is, vnde se by sodâner frîgheyt vnde rechticheyden, so se by vnnsern vôrfârenn gehat vnde an vns gebracht geweset sint, lâten blîuen vnde anseen vnnse willigen dînste, de wy J. L. stêdes bewîsen mâgen, wôr ahnne wy J. L. dînste vnde gûden willen dôn kânen, sint wy stêdes willich bereyt. Datum Wistogk, ahme sonâbende Francisci confessoris, imme LXXXXIIII ten .

Otto van gots gnaden       
bisscop tho Hauelberghe.

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Denn irluchten hochgebarenn fursten vnde herenn heren Magnus vnnde heren Balthasar gebroderen hertogen to Mekelmburg, fursten to Wenden vnnde grauen to Swerin etc. vnsem gnedigen leuen heren.

(L. S.)

Nr. XXII.

Die Herzoge Magnus und Balthasar von Meklenburg fordern von dem Bischofe Otto von Havelberg, die Bewohner der Dörfer Dranse Schwinrich, Ber1in und Sevekow zur Entrichtung der Landbede an die Herzoge anzuhalten.

D. d. (1491. Nov.)

Nach dem Concept im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Wes wy lêues vnnd gûdes vermôgen alltyd touôren. Erwerdige in godt vâder, besunder gunstige herre vnnd frundt. Iwer lêuen scrîuen an vnns gedân von wegen der von Swynrick, Dranse, Berlin vnnd Seuekow, de landbêde, so wy von en hebben scholen, bolangeende, iuwe lêue sodâne lûde van den vôrbenômeden dorperen alle iunck vnnd olt diesuluen meyninge to vorstände geuen, dâr neuen vorhôreth hebben, iuwer lêuen borichtet, en nicht vordencket, sie vns edder vnnsem heren vâder zeliger iênnige lantbêde gegeuen, ôck newerle dâr umme bonôdiget geworden sint, iuwer lêuen vnnd den bûren in den vôrbenômeden dorperen sunder twyell doch woll bowust ist, wy in iegenwardicheyt des hôchgebôrnnen fursten vnses lêuen ôhemes herenn Frederckes marggrâuen to Brandenburg etc. am nêgesten imme dorpe Dransen vôr alle den bûren dârsulues lesen lêten den hôuetbrêfft, dâr van wy vôrmals iuwer lêuen vnnd deme capittell van Hauelherge eyne wârafftige copye dessuluen to den henden geschicket hebben, inholdende, wy in den êrgenanten dorpperen dînste, bêde, mit alle ôuericheyt hebben schôllen, iuwe lêue vns ôck so nicht antosênde, wôr anne wy nicht recht wêren, alsdenne solkes to vorforderen, iuwe lêue

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furder bidden wy, de lûde nicht hôger boswêren môgen, wen van older hêrkâmen by vnnses heren vâder tyden geschên, vnnd sie by sodâner fryheyt vnnd gerechtichieyt, so sie by iuwer lêuen vôrfârth gehat vnnd an inwe lêue gebracht, blîuen lâten, mit inholde dersuluen iuwer lêuen scriffte hebben wy vornâmen, fûgen iuwer lêuen gûtlick to wêten, dat wy derhaluen ôck mit deme êrwerdigen bisschop Wedegen zeliger dechtnisse, iuwer lêuen vôrfârth, tôr Nienstadt handell gehadt hebben, dâr umme vordrâgen vnnd gûtlick gesleten, also wy na vthwîsinge dessuluen hôuetbrêues vth den vôrbenômeden dorpperen to beholdende, wo anne wy recht sint, bidden dâr umme fruntliken, iuwe lêue mit den lûden so wîd vorfûgen, sie sodânne bêde inôgen sunder furder wedderrede vnnd vortoch geuen vnnd entrichten, dat willen wy gûtwillich vmme iuwe lêue fruntliken vorschulden vnnd vordênen. Datum etc.


Nr. XXIII.

Die Herzoge Magnus und Balthasar von Meklenburg erklären dem Kurfürsten Johann von Brandenburg, dass sie die Bewohner der vier Dörfer auf der Lieze nicht über Gebühr und Recht beschweren, sich aber auch keine Gerechtigkeit entfremden lassen wollen.

D. d. Schwerin. 1494. Dec. 27.

Nach dem Concept im grossherzol.mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Magnus vnd Baltzer von gottes gnaden hertzogenn zw Meckelenburgk etc. Vnnser freuntlich dinst mit vermagenn liebes vnd gûtes zuuorn. Hochgeborner furst, lieber ohem vnd bruder. Ewer lieb schreybenn von wegenn des wirdigenn vnd andechtigenn, vnse lieben besunderen probst vnd gantzen capitel der kirchenn zw Hauelbergk, wie vnser voytt zwm Hagenn ire armleut, so sie in den vier dorffernn auff der Litzenn zw vngepurlichen dinstenn, bede vnnd vber alt herkomen dringen sol vnd sie aus weigerung derselbenn

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hebbenn gepfandt, hebben wir vernomen vnd fugenn dar auff E. L. zw wissen, dasz vns solch furbringenn an E. L. geschehenn von gedachtem probst vnd capitel fast befremdet, vnd ist nit an, wir haben gedachtem vnserm voytt zwm Hagenn beuolhenn, die gedachtenn armenleut zw vnsernn dinstenn, bede vnd anderm laut vnser verschreybung, so wir dar vber habenn, zw haltenn, der wir dan E. L. ein abschriefft hie mit zwschicken, auch offtgemelter probst vnd capitel solcher vnser verschreybung gutt wissen tragenn, in auch der ermeltenn copeyen zwgeschicktt, dar ausz dan E. L. verstenn mag, dasz wir der halbenn vnpillichenn fur E. L. getragen werdenn, dan wir ye nit genaigt sind, dem stifft zw Hauelbergk oder seinen armenleutenn, noch ymant andern beswerung auffzwlegenn wider billigkeit, auch wes wir von rechte vnd billigen habenn sollenn, nit gewildt vns nemen zw lassen, bitende hir vmb E. L. freuntlichs fleiss, vns solchs nit zw uerkerenn, dan woe an das werenn wir E. L. in dem vnd vil merernn zw freuntlicher wilfarung altzeit genaigt, die wir gott dem almechtigenn in langkwirigem gesund beuelhenn. Datum Swerin, am tage Johannis apostoli et ewangeliste, anno etc. im LXXXXIIII.

An marggrauen Johansen churfursten.     


Nr. XXIV.

Der Kurfürst Johann von Brandenburg verlangt auf Klage des Bischofs Otto von Havelberg won den Herzogen Magnus und Balthasar von Meklenburg, die Bewohner der in seinem Kurfürstenthum gelegenen Dörfer Dranse, Berlin und Sevekow mit der Erhebung der Landsteuer nicht zu besschweren.

D. d. Cölln a. d. Spree. 1495. Nov. 26.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Vnnsern fruntlichen dinst mit vormogen liebes vnd gutes zuuorn. Hochgebornenn furstenn, lieben ohemen vnd bruder. Wir sind von wegen des erwirdigenn in got vnsers rats vnd besundern frundes hern Otto bischoff

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zu Hauelberg berichtet worden, wie das sein vnd des stifts armelute in den dorffern Dranse, Berlin vnd Seuikow, so in vnserm churfurstenthumb gelegen, von ewrn ambtleuten bedrangt werden, die stewr, so ir in ewern landen auff die huben gelegt, auch zu geben, das vns zu horen frembd vnd zu dulden vnleidlich, als ir selbs abzunehmen nicht billich were, von deszwegen bitten wir ewer lieb, solch furnehmen by den vnsern durch die ewern zu verschaffen abtzustellen, auff das die armelut aus vnbillicher beswerung furder beklagens nicht vrsach an vns belangen zu lassen haben durffen, wir sind auch von den gnaden gotts selbes so stathaft, das den vnser nicht not sein darff, imandes von schutz vnd schirms wegen vnpflicht zu geben, sein auch der fruntlichen zuuersicht, ir des nicht begern wirdet, dann euch fruntlich dinst zu beweisen sind wir zu thun gneigt. Datum Coln an der Sprew, am dornstag nach Katerine, anno etc. LXXXXV.

Johannes von gotts gnaden marggraue zu Brandenburg, curfurst, des heiligen Romischen Reichs ertzcamerer, zu Stettin, Pomeren, Cassuben vnd der Wenden hertzog, burggraue zu Nurennberg vnd furst zu Rugenn.

Den hochgebornen fursten, vnsern lieben ohemen vnd bruder, herren Magnus vnd herren Baltzarn gebrudern hertzogen zu Meckelmburg, fursten zu Wennden, grauen zu Swerin, der lande Rostock vnd Stargart herren.

(L. S.)

Nr. XXV.

Die Herzoge Magnus und Balthasar von Meklenburg fordern von dem Bischofe Otto zu Havelberg die Befreiung der Bewohner des Dorfes Schwinrich von den Diensten beim Bau des Kirchthurmes und bei der Befestgung zu Witstock.

D. d. Wittenburg. 1497. Aug. 24.

Nach dem Concept im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Vnse fruntliche dînste mit vormôgen liebes vnd gûdes tauôrn. Erwirdige in got vâder, besonder her

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vnd frund. Wir sind in erfârung gekâmen, wûe vnse arme lûde to Swinrick, dâr ôuer wy dat hôgest hebben vnd wat dâr to gehôrt vnd in vnsen landen belegen, einen kerckdorne vnd beuestinge bwen sollen, ôuer olde gewônheide vnd anders dâr vôrmâls gewest by unsen elderen tydenn, vnd wûe woll wy ehne sulckes durch vnse voytt vorbôtten afftostellen vnd by altem hêrkômen blîuen to lâthenn, dan vns sulcke gebwet nicht lîdlich syn will, noch dulden môgenn, hîr vmme is an J. L. vnse gûtlike bede, nach dem die sulffte J. L. ôck etlicke gerechttigkeidt ôuer die sulfften von Swinrick hat, vnderweisenn mochtt, sulckes afftostellen, dan wûe sie furder bwen wurdenn vnd enen wesz dâr ôuer erfhûr, mag J. L. affnemen, wör vmb solches geschee, wellen wy vmbe J. L. gerne vorschulden. Datum Wittenborch, am dâge Bartholomei, anno etc. XCVII mo

An bischoue to Hauelbergk.

An demselben Tage schrieben die Herzoge auch "an die von Witskowe" (Witstock), dass sie den Ihren zu Swinrich an dem "thurn vnd bevestigung" zu helfen verboten hätten, und forderten die Befreiung von diesen Diensten.


Nr. XXVI.

Die Herzoge Heinrich und Albrecht von Meklenburg fordern von dem Bischofe Busso II. von Havelberg die Landbede von den Dörfern Dranse, Schweinrich und Berlin.

D. d. Schwerin. 1529. März 23.

Nach dem Concept im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Vnnse freuntschaft zuuorne. Erwirdiger in got, besunder freundt. Ewer abermals schreybenn, des datum ist Witstock montags nach Oculi, belangendt das euch nicht leidelich, das vnnser lieber brueder vnd wir in den dorffern Sweinrich, Dransz, Seuekow, Berlin etc. die gemeyne, gewonliche Landtbethe entphahen lassen soltenn, haben wir heute dato alhier entpfangen vnnd allenthalbenn seines Inhalts vernommen vnnd so vns denne soliche gewonliche Landtbeth

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durch die Stende vnsers furstenthumbs eintrechtiglich ingerhewmet vnnd die angetzeigten dorffer, der ir euch anmast, ane alle mittel in vnsers brudern vnd vnserm furstenthumb gelegen, vnnd ane das, wen wir gleich vnnser jerliche pechte, dienste, czolle vnd ander gerechtigkeit nicht darin hetten, als wir haben, szo weren sie dennoch zu solicher Landtbethe gleich anderen Seiner lieben vnnd vnseres landes inwonerenn vorpflichtet, So sein wir nicht gemeynt, ist vns auch nynder leidelich, vns durch soliche Ewer mannichfeltige, vnpilliche, mutwillige furnhemen vnnd drewenn vonn solicher vnserer anererbtenn furstlichen obirkeyt zu dringen lassen, sunder wo wir yhe dar ane ferrer mutwilliglich von euch geirret, vns der notturft vnd pilligkeit nach gewonlicher vnd geburlicher weise dar bey zu erhalten, vnnd op Ir vns berurter guter halben in vnnsern lande gelegen zu belangen vorneynt, vns derhalben vor hin furgeschlagenes ordenlichs vnnd gepurlichs Rechtens nach vermoge des heiligen Reichs ordenung zu pflegen erbotten, wie wir des auch noch gneigt, den wir das ewer nicht gesucht, alleine vns mit hulffe des Almechtigen des zu gebrauchen, das vns, wie angetzeigt, von pilligkeyt vnd Rechts wegen zustehet, alles nach antzeigung voriger vnnser Schriffte, nach der lenge der halben an euch gethaen, dar zu wir vns auch hirmit getzogen wollen haben, das wir euch widderumb freuntlicher meynung nicht wolten verhalten. Datum zu Swerin, am dinstag nach Palmarum, anno domini etc. XXIX.

Dem erwirdigenn in got vnnserm besundern freunde, herrn Bussenn, Confirmirten zu Bischoffe zu Havelberg.

Am "heyligen Christtage" 1529 schrieb der Bischof an "Brüning Restorf und Hans Linstow, Vögten zu Wredenhagen", welche mit der Einforderung der Landbede beauftragt waren, mit der Bitte, sie möchten die Dörfer mit Eingriff und Neuerung nicht beschweren, da die Dörfer "des Stifts Grund und Boden und des Bischofs Eigenthum und mit aller Zubehör und Obrigkeit demselben unterworfen seien".


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Nr. XXVII.

Bericht der wusten feltmargken, dauon die vortrege meldung thuen.

1556.

Dye Schwinrigker brauchen Vchtorff.
Dye Transer brauchen beide Raderangk vnd das Munchen feldt.
Dye Seuekauer brauchen Lutke vnd Grose Balen.
Dye Berlinischen brauchen Lutke Berlin.

Nach einer gleichzeitigen Aufzeichnung im grossherzogl. meklenburgischen Geh. und Haupt- Archive zu Schwerin.


Nr. XXVIII.

Vortzeichnus der vier Dorffer Dranse, Berlincken, Sewickow vnd Schweinreich aller ihrer dem Hause Wredenhagenn schuldigen Pecht vnd dinste vnd wes sie sich deswegen ein zeitlang geweigert.

(1557.)

1. Das Dorff Dranse.

Die Pauren daselbst mussen ihren Pflugk Acker auf dem Felde Winterfeldt ierlichen zu Roggen vnd Haffern begaden, hacken, seihen, eggen vnd meyen, fueren das auch auffs hausz Wredenhagen in die Scheune.

Gleichfals fueren sie jerlichen zum hausz Wredenhagen 3 Stuck Bauholtz.

Auch fueren sie zu dreien vnderschiedlichen zeiten jeder mit seinem eigen wagen 3 Tage zum Hause Wredenhagen Küchenholtz, alse auf Martini, Weinachten vnnd Fastelabendt.

Ferrer hauen die Pauren alle Jar einen Tag Fadem- Holtz auff Osternn Vnnd geben zum Hausz Wredenhagenn Geldtbede.

2. Das Dorff Berlincken.

Die Pauren daselbst haben ihre volkommene Acker auf dem Felde Winterfelde ierlichen zu begaden, als zu Roggen, Hafern, Hacken, Seyen, Eggen, Meyen, vnd fueren solch korn inn die scheun zum Wredenhagen.

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Item furen ierlichen zum Haus Wredenhagen 3 stucke Bauholtz. Auch fueren sie auff drey mahlen jeder mit seinem Eigen Wagen 3 Tage Kuchenholtz, alse auff Martiny, Weinachten vnd Fastelabendt.

Auch hauen die Pauren ierlichen jeder ein Tag fadem holtz inn den Ostern.

Auch geben sie zum haus Wredenhagen jerlichen geldtbede.

III. Das dorff Sewikow.

Die Pauren daselbst haben ihren gebuerlichen teil Acker auff dem felde Winterfelde ierlichen zu begaden, alse zum Roggen, Hafern, Hacken, Seyen, Eggen, Meyen, vnd furen solch Korn inn die scheune zum Wredenhagen.

Item fueren auch ierlichen zum haus Wredenhagen 3 stucke Bauholtz.

Auch hauen die Pauren ierlichen einen Tagk fademholtz inn den Ostern.

Auch fueren sie auff drey mahlen jeder mit seinem eigen Wagen 3 tage Kuchenholtz, alse auf Martini, Weinachten vnnd Fastelabendt.

Sie geben auch zum Hause Wredenhagen Geldtbede.

Nach einer gleichzeitigen Ausfertigung im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nr. XXIX.

Der Mecklenburgischen
uff den Anno etc. 57 den 21. Junii
gehaltenen grentztage
angezogenen Gauaminum.

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Zum andern so wehren auch zwischen hochgedachten hertzogen zu Meckelnburgk vnd dem Bischoff zu Hauelbergk sonderliche vortrege aufgericht, die dan clerlich vormochten, so viel die gueter Trans hoff vnnd dorff, Schwinrich, Seuekow, beide Balen, beide Raderangk, Zempow, Uchdorf vnd Lütken Berlin belangen thut, das den hertzogen zu Meckelnburgk daran die dienste, bete vnd das landtgeding bleiben solte, So viel nun die besatzte Dorffer belangen thete, daran hetten die hertzogen zu Meckelburg noch die dienste, zum teil bete

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vnd landtgeding, welchs die Meckelburgische Redte vors höhist vnnd siedist gericht gedeutet vnd angetzogen haben, Desgleichen hätten sie auch noch denn Zoll zu Dransow, Vnd ob wol der vortrag klerlich vormochte, das dieselben Dörffer im hertzogthum Meckelburg gelegen, so wurden doch die Steuren Iren f. g. den Landesfursten vorenthalten, Aber die wusten Veldtmarcken beide Bahlen, beide Raderangk, Zempow, Vchdorf vnd Lutken Berlin betreffend, befinden die hertzog zu Meckelburg, das I. f. g. derselben gerechtigkeit vnd hoheit, weil sie nicht besatzt sein, daran mangeln mussen, vnd das dieselben itzo in wenig iharen ie lenger ie mehr ausgeradet werden, daraus dan erfolgett, das die befelchhaber zu Witstok die hûr von den wusten feldern bis anher zu sich genohmmen, sich dardurch bereichet, vnd dagegen Ihren f. g. die habende gerechtigkeit, hoheit vnd jagt entzogen haben, derhalben ist gebeten worden, das einsehen zu thun, das den hertzog zu Meckelnburgk Ihrer f. g. gerechtigkeit an solchen wusten feldern durch das Raden vnd vorhurn nicht entzogen werden mochte.

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Des andern Puncts halben von wegen der gutter, darumb die hertzogen zu Meckelnburgk mit dem Bischoff zu Hauelbergk irrig stunden, haben die Brandenburgischen gesanten Copeien der vortrege gebetten vnd angetzeigt, das sie von denselben keinen bericht hetten, Derwegen auch solchs nicht gestehen, noch einreumen konten, vnd frist solchs Marggraf Hans Georgen zu berichten gebetten, Darauff inen die Copeien zugestalt vnd weiter bericht gethan wurden, das die Bischoffe zu Hauelbergk auch solcher gutter halben, so im furstenthumb zu Meckelnburgk gelegen, mit 12 Pferden zu dienen vorpflichtet weren, wie solchs in der Lubischen feide geschehen, dauon bericht in den Cantzleien zu befinden, letzlich vor bequem von beiden teilen angesehen, solche disputation der Landtgrentz halben zu uorschieben vnd des Radts zu Witstock andtwordt antzuhören.

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Nach einer gleichzeitigen Abschrift im grossherzogl. meklenburgischen Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin.


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Nr. XXX.

Dem Fürstl. Wittums Ambte Wredenhagen sollen jährlich gegeben werden aus dem Churfürstl. Brandenburgischen Ambte Zechlin.

(1654.)

3 Dr. Rogken vom Ambte Zechlin wegen der feltmarcke Zempow, davon seit Ao. 37 gahr nichtes abgegeben, Facit 51 Dr.

Weiter aus denen Zechelinischen Ambts Dorffern:

Aus Dranse.

3 s. Der Schultze fur einen Kampff Ackers vor Haselau.

3 fl. 18 s. Winther undt Sommer Bede.

14 Gifft Hüner.
16 Ablager Brodt.

Aus Berlinichen .

1 s. 6 Währung Jaspar Meinicke.

2 fl.      Winter Bede.

14 Gifft Hüner.
16 Ablager Brodt.

Aus Rägelien.

Dieses giebet jahrlich 4 Tonnen Roppinisch Bier auf Pfingsten.

Aus Sevekau.

2 fl. Winther undt Sommer Bede.

14 Ablager Brodt.

Hievon ist von Anno 1637 bis Anno 1654 seint 17 Jahre gantz nichtes entrichtet worden, obschon vielfaltiges schreiben undt Clagen desswegen geschehen.

Vber dises haben sie gewissen acker, so iedes torff beim ampt begatten mus, geschihett auch bey weitem nicht.

Nach einer gleichzeitigen Ausfertigung im grossherzogl. meklenburgischen Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin.


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Nr. XXXI.

Bericht der Grenitz mit denen von Wystock.

1556.

Bericht der Grenitz mit denen von Wystock

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B.

Urkunden

zur

Geschichte der Heiligen-Bluts-Kapelle

im Dome zu Schwerin.


Nr. XXXII.

Der Bischof Brunward von Sehwerin ordnet die Einkünfte der Kapelle, in welcher die Grafen von Schwerin begraben werden, zu deren Dienst die Grafen Gunzelin und Heinrich der Domkirche das Dorf Medewege verliehen haben

D. d. Schwerin. 1218. Mai 3.

Nach beglaubigten Abschriften von 1580-1590 im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


B. dei gratia episcopus Zuerinensis. Dilecti nostri G. et H. comites Zuerinenses ad promouendum honorem dei et ad augendum numerum canonicorum in ecclesia Zuerinensi uillam Medewede sub hac conditione quondam ecclesie iam dicte contulerunt, ut canonici Zuerinenses ad petitionem ipsorum et suorum heredum personam idoneam eligerent in concanonicum, qui de rebus illius uille procurandis cum eis in choro Zuerinensi iugiter deseruiret in omnibus officiis diuinis et cotidie post missam priorem sonante prima missam animarum celebraret in capella, in qua patris et fratrum ipsorum corpora sunt tumulata, reseruantes sibi ius aduocatie in eadem uilla et petitionem

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unius equi in ipsa, cum ad expeditionem aliquam faciendam eum necessarium haberent.Postmodum uero coram nobis medietas oblationum de illa capella ad usum dicte persone per comitem H. contra priuilegium canonicorum, quo parrochiam in Zuerin cum omni iure possident, fuit expetita, que, cum comiti denegaretur, canonici de nostro consilio in tantum eius uoluntati cesserunt, ut saluo iure Zuerinensis ecclesie et sine preiudicio priuilegiorum ipsius tantum illi persone, que tunc illa uice ad ministerium memorate capelle erat assumenda, quam diu uiueret, quarta pars oblationum sui altaris relinqueretur; si autem, quod absit, prefatos comites contingat absque legitimis et sui sanguinis heredibus a seculo migrare, uilla prenominata cum omnibus fructibus suis in communem usum cedet canonicorum et persona tunc ministrans illi capelle particeps erit omnium rerum et totius iuris canonici in ecclesia Zuerinensi, tanquam unus ex illis fratribus, qui integra stipendia sunt assecuti, et tunc demum sepefata uilla libera erit penitus et absoluta ipsis canonicis, sicut alie eorum uille, et saluo ministerio, quod capelle et choro debet in perpetuum prouideri, cessabit petitio, quam nunc pro persona eligenda et locanda, sicut premissum est, prenominati comites sibi reseruarunt. Ne ergo in posterum super hoc facto dubitationis scrupulus oriatur, presens scriptum sigilli nostri appensione duximus corroborare. Testes hii aderant clerici: Bruno prepositus Zuerinensis, Conradus prepositus de Dannenberge, Apollonius scholasticus, Laurentius custos, Eylwardus canonicus, Johannes canonicus, Hermannus canonicus; laici: comes Henricus, Fridericus, Bernardus aduocatus, Ludolphus, Ecbertus, Alardus, Reinboldus, Giselbertus, Johannes et alii quam plures. Acta sunt hec anno domini millesimo ducentesimo decimo octauo, indictione sexta, datae in Zuerin quinto nonas Maii, pontificatus nostri anno XXIIII.


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Nr. XXXIII.

Der Papst Honorius III. verleiht der Domkirche zu Schwerin Ablass.

D. d. Rom. 1220. Junii 29.

Nach einem beglaubigten Abdrucke vom J. 1518 im grossherzogl. meklenb. Geh. und Haupt-Archive zu Schwerin.


Honorius episcopus, seruus seruorum dei, vniuersis christifidelibus presentes litteras inspecturis salutem et apostolicam benedictionem. Splendor paterne glorie, qui sua mundum illuminat ineffabili claritate, pia vota fidelium de clementissima ipsius maiestate sperantium tunc precipue magno fauore prosequitur, cum deuota ipsorum humilitas sanctorum precibus et meritis adiuuatur. Cupientes igitur, vt ecclesia Zwerinensis, que noua plantacio extitit, sponsa et mater in ecclesia dei, in qua a christifidelibus sacramentum domini nostri Ihesu Christi pie creditur esse reconditum, congruis honoribus frequentetur et eciam conseruetur, et vt christifideles eo libentius causa deuocionis confluant ad eandem et ad eius conseruacionem manus promptius porrigant adiutrices, qui ex hoc ibidem dono celestis gracie vberius conspexerint se refectos et animarum commodum se sperauerint adipisci, ipsamque nouam sponsam Zwerinensem ecclesiam, eciam ad deuotam ac humilem peticionem nobilis et incliti uiri Henrici comitis Zwerinensis, dilecti filii nostri ac sacrosancte Romane ecclesie strennui defensoris, donis ac dotibus spiritualibus dotare desiderantes, de omnipotentis dei misericordia et heatorum Petri et Pauli apostolorum eius auctoritate confisi omnibus uere penitentibus et confessis, qui dictam ecclesiam in festis uidelicet in cena domini et ascensionis eiusdem domini nostri Ihesu Christi causa deuocionis accesserint manusque porrexerint adiutrices, plenam concedimus remissionem peccatorum; qui uero in festis beati Viti, natiuitatis Marie ac sancti Johannis euangeliste eandem ecclesiam causa promerende gracie uisitauerint, terciam partem remissionum peccatorum et uiginti vnum annos et totidem quadragenas de iniunctis eis penitenciis misericorditer relaxamus;

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eis uero qui in festiuitatibus natiuitatis Christi, circumcisionis domini, epiphanie, purificacionis, annunctiacionis Marie, resurrectionis, inuencionis sancte erucis, penthecostes, Johannis baptiste, Petri et Pauli, Jacobi, Laurencii, assumpcionis Marie, Bartholomei, exaltacionis sancte crucis, Michaelis archangeli, Simonis et Jude, Martini, Cecilie, Catherine, Andree et Thome apostoli quindecim annos; ipsis uero, qui singulis sextis feriis, dominicis diebus dictam ecclesiam deuote uisitauerint, septem annos et totidem quadragenas perpetuis temporibus de iniunctis penitenciis misericorditer relaxamus. Nulli ergo omnino hominum licet, hanc paginam nostre concessionis infringere uel ei ausu temerario contraire; si quis autem hoc attemptare presumpserit, indignacionem omnipotentis dei et beatorum Petri et Pauli apostolorum eius se nouerit incursurum. Datum Rome apud sanctam Mariam maiorem III kal. Julii, pontificatus nostri anno quarto.

Diese Bulle existirt in einem Abdrucke der sämmtlichen Ablass-Bullen des Doms, welchen der Dr. Nic. Marschalcus Thurius um das J. 1518 veranstalten liess; vgl. Lisch Gesch. der Buchdruckerkunst in Meklenb. S. 123, in Jahrb. IV.

Nach einer Bulle des Papstes Sixtus IV. vom 14. Junii 1479 hatte der Papst Honorius III. die vorstehende Bulle gegeben und auch Marschalk vidimirt die Ablassbriefe also:

Quoniam ego Nicolaus Marescalcus Thurins iuris utriusque doctor tantas indulgentias ac remissiones a summis pontificibus Honorio papatercio, Bonifacio octauo ac Sixto quarto clementer datas - - - diligenter perlegi, ipsas ad cunctorum, qui eternam felicitatem desiderant, vtilitatem subscripsi manu mea in fidem ac testimonium verorum originalium.

Die vorstehende Bulle ist also am 29. Juni 1220 gegeben.

Merkwürdig ist, dass in dieser Bulle, schon vor der Darbringung des Heiligen Blutes durch den Grafen Heinrich, von einem in der Kirche aufbewahrten Heiligen Sacramente die Rede ist und der St. Vitus die erste Stelle unter den Heiligen einnimmt. Am St. Vitus - Tage 1169 (?) hatte Bischof Berno den Swantevit auf Arkona gestürzt (vgl. Jahrb. VI, S. 71) und am St. Vitus - Tage 1248 ward die Dom - Kirche zu Schwerin eingeweiht. Der H. Vitus hatte also seit uralter Zeit Bedeutsamkeit in der Geschichte des Bisthums Schwerin.


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Nr. XXXIV.

Der Bischof Brunward von Schwerin bestimmt die Verehrung des Heiligen Blutes im Dome zu Schwerin.

D. d. Schwerin. 1222 (am Grünen - Donnerstage) März 31.

Nach einer Abschrift aus dem 16. Jahrh. im grossherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt - Archive zu Schwerin.


In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Ego Brunwardus dei gracia Suerinensis ecclesie episcopus. Quoniam pia facta mortalium ex uera caritate producta, nisi scripture commendentur, aut obliuionis caligine aut uetustate temporis euanescant, ideo necesse est, ut ea, que apud nos ad laudem et honorem dei acta sunt, successoribus nostris in scripto declaremus; sciant ergo inspectores et auditores presentis pagine, quod dilectus noster comes Henricus Suerinensis, uir nobilis et strenuus, cum ad succurrendum terre sancte contra paganos in transmarinis partibus expeditionem sancte crucis esset aggressus, magnis laboribus et expensis et quam pluribus obsequiis obtinuit, quod cardinalis sancte Romane ecclesie dominus Pelagius uidelicet Albanensis episcopus, cum ibidem apostolice legacionis auctoritate fungeretur, ei dominicum sanguinem donaret in iaspide diligentissime conseruatum, cui dictus cardinalis iniunxit arctissime, ut huius preciosissimi sanguinis incomparabilem thesaurum locaret in ecclesia conuentuali, ubi iugiter diuine laudis officia celebrarentur. Idem uero comes, quia Suerinensem ecclesiam specialiter dilexit eo, quod corpora tam patris ipsius, quam fratrum suorum in ea sepulta fuerint, in coena domini eidem ecclesie in nostra presencia coram multis clericis et laicis dictum sanguinem representauit, quem uniuersus clerus et populus, qui causa deuocionis aduenerat, cum processione religiosa et humili cantu atque summa leticia suscepit. Pro reuerencia igitur dominice passionis et preciosissimi sanguinis, quem in cruce pro nobis Christus effudit, statuimus, ut ex nunc dies illius representacionis, scilicet in coena domini, annuatim ab omni clero

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et populo per totam diocesin Suerinensem celebris habeatur, forum eciam, quod in quinta feria in usu solet haberi, in feria quarta, que coenam domini precedit, precepimus anticipari. In ascensione eciam domini omness sacerdotes prouincie Suerinensis, preter illum de Parlin, cum reliquiis et parrochianis suis in magna deuocione et humilitate ad Suerinensem ecclesiam accederent, in qua toti populo demonstracionem dicti sanguinis precipimus exhiberi. In exaltacione autem sancte crucis, sicut in coena domini, debet idem sanguis demonstrari, statuentes, ut conuentus omni sexta feria, nisi sint nouem lectiones, missam de sancta cruce et septem psalmos cum letania fideliter obseruet. In anniuersario huius sancte solennitatis semper, nisi infirmitas uel euidens necessitas nos excuset, debemus et volumus adesse, uel alius episcopus, qui uicem nostram gerat, si possit haberi, et posteris nostris, ut idem faciant, iniungimus, remissionem peccatorum peregrinis, prout uiderint expedire, misericorditer indulgendo; si uero conuentus copiam episcopi in hac solemnitate non poterit habere; tunc prepositus, decanus, scholasticus uicem nostram gerant cum prelatis et sacerdotibus in episcopatu nostro constitutis. Volumus eciam, ut oblacio, que in supradictis tribus solemnitatibus ipsi dominico sanguini offertur, in tres partes diuidatur, quarum una ad edificacionem monasterii porrigatur, secunda ad usus cedat canonicorum, tercia uero tribus annis ad libros comparandos ecclesie conferatur, quibus transactis ipsa pars custodie sit perenniter deputata Igitur ut ordinacio nostra a posteris nostris rata maneat et inconcussa, presens scriptum sigilli nostri munimine fecimus corroborari, cui eciam sigilla abbatis Doberanensis et capituli nostri et comitis Hinrici iussimus adhiberi. Testes hii aderant: clerici: Brunwardus episcopus, Mattheus abbas Doberanensis, Hermannus prepositus Hammenburgensis, Conradus prepositus Lubicensis, Aluericus prepositus in Campo Solis, Fredericus canonicus Hildensemensis; canonici Suerinenses: Bruno prepositus, Apollonius scholasticus, Laurencius custos, Eilwardus, Johannes, Eustachius, Wernerus, Giselbertus, Hermannus, Matthias,

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Wilhelmus; laici: Wernerus de Louenberg, Hartwicus de Riczerowe, Fridericus de Eueringe, Reinboldus de Driberge, Alardus, Rodolphus de Plote, Engelbertus, Theodericus et alii quam plures clerici et laici. Acta sunt hec anno incarnacionis domini M°CC°XXII°, indictione X. Datum in Suerin II kalendas Aprilis.

Eine alte, nach der Urkunde gemachte Beschreibung des Heil. Blutes, welche in dem grossen, aus dem 14. Jahrh. stammenden Capitel=Buche stand, fügt hinzu:

Sanguis iste (instar guttae in lapide iaspidis diligentissime conseruatus), qui diuersorum populorum concursu hic exquiritur, omnibus sextis feriis uisibiliter in tres partes se diuidit: hora qua dominus noster Jesus Christus in cruce mortem temporalem subiit, cuius gracia hic omnis languor fidelium releuatur, uarietas miraculorum hic ostenditur et uirtutis eius efficacia debilitati sospitas desiderata succedit.


Nr. XXXV.

Der Graf Heinrich von Schwerin und dessen Gemahlin Audacia schenken dem Benedictiner=Kloster vor Stade drei Hufen in Vellahn, welche jährlich 9 Scheffel Erbsen und 12 Schill. hamburg. Pf. zu Säcken für die Versendung der Erbsen zu entrichten haben.

D. d. Schwerin. (1228). April 16.

Nach beglaubigten Abschriften im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Hinricus dei gracia comes Swerinensis necnon Audacia, eiusdem comitis vxor, vniuersis cristifidelibus presentem litteram visuris seu audituris rei geste noticiam cum salute. Ne rerum gestarum memoria in obliuionem transeat futurorum, expedit actus hominum temporales scripturis autenticis memorie commendare. Sciat ergo tam presencium etas, quam futurorum posteritas, quod nos, intuitu dei omnipotentis intemerateque virginis Marie et presertim ob reuerenciam sacri cruoris dominici per nos ibidem oblati, contulimus et donauimus et

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nichilominus conferimus in hiis scriptis et donamus religiosis viris et dominis abbati et conuentui monasterii sancte Marie virginis extra muros Stadenses ac ipsi monasterio, ordinis sancti Benedicti, Bremensis diocesis, tres mansos terre arabilis in villa Velan, terre nostre Wittenburgensis, Ratzeburgensis diocesis, soluentes nouem modios pisorum mensure Boytzenburgensis et duodecim solidos Hamborgensium denariorum, ad comparandum saccos et pro vectura dictorum pisorum, singulis annis in festo sancti Martini sine dilacione persoluendos, cum omnibus suis attinenciis, iuribus et proprietatibus, quibus nos eadem bona hucusque possedimus et nostri progenitores possederunt, ob nostrarum et nostrorum progenitorum animarum remedium et salutem, perpetuis temporibus pacifice et quiete possidendos, hoc adiecto, quod homines dictos tres mansos pro tempore colentes nunci[um] dictorum abbatis et conuentus, quamdiu in solucione dictorum pisorum et denariorum negligentes fuerint uel remissi, tenentur in victualibus prouidere. Ne igitur super hanc nostram donacionem dubietas in posterum oriatur, sed absque contradictione permaneat iugiter inconuulsa, nos presentem paginam conscribi et nostri sigilli fecimus testimonio communiri. Datum in nostro castro Swerin, anno domini millesimo ducentesimo decimo octauo, dominica qua cantatur Jubilate.

Nach zwei beglaubigten Abschriften von zwei verschiedenen Händen aus dem Anfange des 16. Jahrh., beide mit folgender Unterschrift von derselben Hand:

Auschultata et collationata est presens copia per me Henricum Gherdingk, clericum Lubicensem, publicum imperiali auctoritate notarium, et concordat cum suo originali vero de verbo ad verbum, quod attestor manu propria.

In beiden Abschriften steht: "nuncio" statt "nuncium."

Das Jahr der Ausstellung (1218) dieser Urkunde ist ohne Zweifel unrichtig:

1) weil der Graf Heinrich I. von Schwerin das in der Urkunde erwähnte Heilige Blut erst im J. 1222 dem Dome zu Schwerin darbrachte,

2) weil bis in das J. 1227 seine erste Gemahlin Margarethe, seit dem J. 1228 aber erst seine zweite Gemahlin Audacia, noch häufig, bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts hinein, genannt wird.

Das Capitel von den viel besprochenen Gemahlinnen des berühmten Grafen Heinrich gehört zu den allerschwierigsten

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unserer Geschichte und kann hier nicht erörtert, sondern nur in den Resultaten angedeutet werden.

Die Urkunde ist also jedenfalls im J. 1228 ausgestellt.

Auch der Tag der Ausstellung ist vielleicht nicht richtig. Der Graf Heinrich starb im J. 1228; das Kloster Uetersen feierte sein Andenken am 17. Febr., das Michaelis=Kloster bei Lüneburg hatte den Gedächtnisstag eines Grafen Heinrich aus dem 13. Jahrh. auf den 9. Mai eingezeichnet. Wahrscheinlich starb der Graf in der ersten Hälfte des J. 1228.

Abgesehen davon, dass die auswärtigen Klöster mehrere falsche Urkunden für Meklenburg producirt haben, ist die vorstehende Urkunde wohl nicht vom Originale abgeschrieben; die Notare aus dem Ende des Mittelalters nahmen es mit ihren Beglaubigungen und Beglaubigungsformeln nicht mehr so genau, wie die Notare früherer Zeiten, welche häufig auch die Urkunden und deren Siegel beschreiben. Es ist offenbar falsch, dass die von dem Notar beglaubigte Abschrift von dem "Originale" genommen sei, da die Bestätigungsurkunde vom 6. März 1327 ausdrücklich sagt, dass der Graf Gunzelin diese deshalb ausgestellt habe, weil "das Original des Schenkungsbriefes des Grafen Heinrich vor Alter vergangen sei." Es ist also entweder die vorstehende Abschrift nicht von einem Originale, sondern von einer Abschrift oder aus einem Diplomatarium entnommen, oder es hat auch ein untergeschobenes Original vorgelegen. Aus diesen Verhältnissen erklärt sich denn auch die Unrichtigkeit des Datums, welches vielleicht erfunden ist, wenn auch der Hauptinhalt der Urkunde nach einem Diplomatarium richtig wiedergegeben sein mag, obgleich es nicht einleuchtet, warum der Graf dem Kloster zu Stade deshalb etwas schenkte, weil er das Heil. Blut zu Schwerin verehrte.


Nr. XXXVI.

Der Graf Gunzelin III. von Schwerin stiftet mit dem Eigenthum der Aufkünfte von 10 Hufen im Dorfe Brötelin eine Vicarei in der Heiligen=Bluts=Kapelle im Dome zu Schwerin .

D. d. Schwerin. 1274. Oct. 23.

Nach einer beglaubigten Abschrift aus dem 16. Jahrh. im grossherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


In nomine domini Amen. Guncelinus dei gracia comes Suerinensis omnibus hoc scriptum audituris seu uisuris salutem in eo, qui est omnium uera salus. Modernorum obtinuit consuetudo utilis et honesta, ea que

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gerantur ab hominibus pro tempore, ne simul cum tempore pereant, litterarum testimonio perhennari: hinc est quod ad uniuersorum tam presentium, quam futurorum cupimus notitiam deuenire, quod nos de beneuolo ac communi consensu dilectorum heredum nostrorum proprietatem reditus ac prouentus decem mansorum in uilla nostra Brotelyn ad uicariam in ecclesie Suerinensi, in ipsorum terminis et disterminationibus, aquis, aquarum decursibus, agris cultis et incultis, pratis, pascuis, syluis, lignis, nemoribus, uiis, inuiis precariis et exactionibus, secundum quod cum omni iure dicti mansi sunt et fuerunt in distinctu et terminis comprehensi, et cum omni iure, iuditio uasallorum nostrorum, pariter sententia maioris supplicii, uidelicet manus et colli, contulimus perpetuo libere possidere, instituendo ex his reditibus uicariam in honorem sanguinis domini nostri Jesu Christi, in salutem anime nostre ac filii nostri Hinrici et animarum progenitorum nostrorum, et addendo dicte uicarie onus tale, quod qui eidem pro tempore prefuerit, in die anniuersarii dicti filii nostri canonici uicarium seruitium faciet et anniuersarium filii nostri et progenitorum nostrorum peragere debet, dando ad uigilias unam marcam Sundensium denariorum, canonico duplum et vicario simplum. Preterea dicti coloni, qui nunc colunt ipsos mansos, et qui pro tempore fuerint, in futurum ad nullius seruitium preterquam ad seruitium uicarium dicte vicarie sunt astricti, sed ab omni alio seruitio penitus sunt exempti. Vt autem huiusmodi nostre donationis libertas perpetuo stabilis perseueret et a nostris successoribus minime infringatur, presentem paginam sigilli nostri testimonio fecimus robotari. Testes autem huius rei sunt: Richardus dictus de Luneburg, canonicus ecclesie Suerinensis, capellanus noster, Hinricus de Insula, Fredericus de Eueringe, Wernerus de Haluerstadt, milites, Wernerbertus noster notarius, Johannes noster aduocatus et Alexander ciuis Suerinensis et quam plures alii testes fide digni. Datum et actum Suerini anno domini M°CC°LXXIIII°, X° calendas Nouembris.


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Nr. XXXVII.

Der Graf Heinrich III. von Schwerin bezeugt, dass der Knappe Gerhard von Gartow dem Vikar Heinrich Frese und dessen Nachfolgern in der Vikarei in der Heiligen-Bluts-Kapelle zu Schwerin eine Schneidelkuh in den zu dieser Vikarei gehörenden 10 Hufen im Dorfe Brötelin verkauft und aufgelassen habe.

D. d. Neustadt 1322. Nov. 20.

Nach einer beglaubigten Abschrift aus dem 16. Jahrh. im grossherzogl. meklenburg. Geh. und H. Archive zu Schwerin.


Nos Hinricus dei gratia comes Suerinensis protestamur lucide per hec scripta, quod Gerhardus de Ghartowe famulus suo ac suorum heredum nomine uendidit racionabiliter domino Hinrico Frisoni perpetuo uicario in Suerin et uicariis sibi pro tempore in tali uicaria succedentibus unam uaccam, quod habebat annuatim inscidendam in decem mansis uille Brotelyn, ad dictam uicariam spectantibus, pro quinque marcis argenti Brandenburgensis sibi integre persolutis, cuius uacce inscisionem in nostra presencia uirorumque fidelium infrascriptorum, uidelicet Hermanni de Klenow et Luderi Nienkerke, militum, ac Johannis decani Suerinensis et Nicolai uiceplebani in Nienstadt libere pro se suisque heredibus resignauit. In cuius testimonium sigillum nostrum presentibus est appensum. Datum Nienstadt anno domini M°CCC°XXII°, in crastino beate Elisabeth uidue.


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Nr. XXXVIII.

Der Graf Gunzelin VI. von Schwerin bestätigt die von dem Grafen Heinrich I. und dessen Gemahlin Audacia dem Benedictiner-Kloster vor Stade gemachte Schenkung von jährlich 9 Scheffel Erbsen aus dem Dorfe Vellahn.

D. d. Stade. 1327. März 6.

Nach einer Abschrift im grossherzogl mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Uniuersis Christi fidelibus Guncelinus dei gracia comes Zwerinensis salutem in domino sempiternam. Tenore presencium recognos[cimus], quod olim nobilis vir dominus Hinricus comes Zwerinensis et illustris domina Audacia comitissa Zwerinensis, vxor sua, progenitores nostri bone memorie, religiosis viris [dominis] abbati et conuentui monasterii sancte Marie extra muros Stadenses ac ipsi monasterio, ordinis sancti Benedicti, Bremensis diocesis, redditus et proprietatem nouem modiorum pisorum mensure Boyceneburgensis et duodecim solidos Lubicensium denariorum ad comparandum saccos et vecturam dictorum pisorum pro commemoracione et remedio animarum suarum donauerunt in tribus mansis ville Velan in terra nostra Wittenborgensi, Raceborgensis diocesis, in perpetuum libere et integre singulis annis in festo sancti Martini in omni libertate ecclesiastica possidendos, hoc adiecto quod homines dictos tres mansos pro tempore colentes nuncium dominorum abbatis et conuentus eorundem, quam diu in solucione dictorum pisorum et denariorum iidem coloni negligentes fuerint vel remissi, tenentur in victualibus procurare. Hanc igitur donacionem tam piam, quod priuilegia dictorum progenitorum nostrorum vetustate sunt consumpta, rogati per dictos dominos abbatem et conuentum, innouamus et ratificamus et pro nobis et nostris heredibus ex certa sciencia approbamus. In cuius rei testimonium sigillum nostrum de mandato nostro presentibus est appensum. Datum Stadis anno millesimo c c c °XXVII, feria VI a post dominicam Inuocauit, presentibus diseretis viris dominis: Nicolao monasterii sancti Georgii Stadensis et Hinrico Ra-

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meslensis ecclesie prepositis, Bremensis, Gherardo rectore ecclesie in Prizsire, Raceborgensis diocesis predictarum, Heynekino de Bralestorpe marscalco nostro et quam pluribus aliis fide dignis testibus ad premissa.

Nach einerAbschrift aus dem Anfange des 16. Jahrh. von derselben Hand, welche eine Abschrift der Schenkungsurkunde vom (16. April 1228) geschrieben hat.


Nr. XXXIX.

Das schweriner Dom-Capitel verkauft dem schweriner Vikar Rotger, Propst zu Rühn, eine Hausstätte mit dem Kalkhause, unter der Bedingung des Wiederkaufes für den Fall, dass das Capitel ein Refectorium oder Schlafhaus bauen will.

D. d. Schwerin. 1328. Junii 26.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nos Luderus prepositus, Johannes decanus totumque capitulum ecclesie Zwerinensis publice recognoscimus in hiis scriptis, quod matura deliberacione prehabita discreto viro domino Rotchero, preposito sanctimonialium in Rune ac perpetuo vicario Zwerinensi, racione specialis dilectionis, qua ipsum prosequimur, vendidimus et dimisimus aream nostram cum domo, que proprie dicitur Calkhûs, pro viginti marcis denariorum slauicalium ea condicione, que sequitur, possidendam. videlicet quod si nos aut nostri successores ob vtilitatem dicte nostre ecclesie dormitorium seu refectorium edificare decreuerimus, prenominatam aream redimere poterimus ab ipso domino Rotchero uel suis successoribus, saluis sibi edificiis, prefata pecunia, contradictione qualibet non obstante. In cuius rei testimonium sigillum nostrum ad causas presentibus est appensum. Datum Zwerin anno domini M°C°C°C°XXVIII°, in die beatorum Johannis et Pauli.

Auf einem kleinen Pergament, in einer kleinen, scharfen, gedrängten Minuskel, mit dem an einem Pergamentstreifen hangenden kleinen Siegel (ad causas=Sachensiegel) des Dom - Capitels.


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C.

Urkunden

zur

Geschichte des Landes Röbel.


Nr. XL.

Der Fürst Bernhard von Werle verpfändet dem Herzoge Albrecht von Meklenburg Schloss, Stadt und Land Röbel.

D. d. Röbel. 1362. März 10.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Wy Bernt van godes gnâden here to Werle myt vsen rechten eruen bekennen vnde betůghen ôpenbâre in desser yeghenwardighen scrift, dat wy myt dem dorluchteghen vorsten vnsem lêuen vedderen hertoghe Alberte van Mekelenborch, greuen to Zwerin, to Stargarde vnd to Rozstok heren ghedêghedinghet hebben vm Robelle in desser wîs: De gůltde, de wy to Plawe toleghen scůlden vt dem lantde to Warne, de scal vse veddere vnde sîne eruen vs lôs lâten, vnd dat vêrdendêl des gheldes, dâr em Plawe vôr steyt, vnd vôr de anderen pennighe vnd sůluer, de dâr na blîuen, scal dat slot Plawe myt sînen tobehôringhen sîn pant blîuen brůkelken, als vse brêue dâr vp lûden. Vortmer wes Claws van Plasten vs reddelken berekenen mach, dat schal he vs ôk vp dat vôrbenômede slot slân, dâr eme vôr Warne vnde Pentzelin steyt, vnd scal Claws der scůlde vîfhůntdert lôdeghe mark vse veddere hertoghe Albert edder sîne eruen tůsschen hîr vnd sůnte Johannes dâghe to myddensomer vntrichten, vnd wes dârôuer is, dat scal eme vnd sînen eruen vse veddere vôrbenômet na her Hinrikes râde van Stralendorpe mâken, alse dat id reddelk sy, vnd want vse veddere de vîfhundert lôdeghe mark

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Claws van Plasten betâlet heft tuschen hîr vnd sůnte Johannes dâghe vnd in dem anderen gheltde, wat dâr ôuer is, na her Hinrikes râde bewâret is, so scal Claws van Plasten dat vôrbenômede slot Robelle, dat he van vser beyder weghene to trůwer hant inne heft, vsem vedderen hertoghen Alberte van Mekelenborch vnde sînen eruen antwarden sonder vortoch vnd hindernisse to gůde, vnd wy Bernt vnde vse eruen scolen vsen vedderen vôrbenômet vnde sînen eruen dat slot Robelle, stat vnd lant myt al sînen tobehôrnde vorbrêuen, dat se dâr an vorwâret sint, to alme heren rechte vôr de vôrsprôken summen, vs vnde vsen eruen dâr an nicht to beholdende, behaluen vses wyues lîfghedingh, als den hof to Gnewe, dat dorp to Cernowe, Semsin, Solsowe, Wypperowe des wy dâr hebben, Meltze, Bokholte vnd sôuen hôuen de wy dâr hebben to Priborn myt erer tobehôringhen, als se in erer schêde ligghen, de wyle dat se leuen; wêre ôuer dat se storue, êr wy dat slot vnd lant lôseden, so scal dat lîfghedingh an vsen vedderen vnd an sîne eruen steruen vnd vallen to brûkende, also langhe want wy edder vse eruen dat slot vnd lant to Robelle van vsen vedderen lôseden, vnd scholen scheppen hůldinghe der man vnde der borghere vsen vedderen vnd sînen rechten eruen to ênem rechten weddeschatte, also dat he vnde sîne eruen dâr an vorwâret sint. Wortmer wêre dat Claws van Plasten schâden nême edder koste dêde tusschen hîr vnde sente Johnnnes dâghe, de wyle dat he dat slot wâret, de schole wy vsem vedderen vp dat slot vorbrêuen to gheuentde myt der anderen summen to ênem mâle. Vortmer scal vse veddere vnde sîne eruen vse man gheystlik vnd werlik by rechte lâten vnd scal vse brêue holtden, de wy hebben ghegheuen êr desser tîd. Vortmer wêre dat vse veddere edder sîne eruen desse dêghedinghe nicht voltôghen vs vnde vsen eruen tusschen hîr vnd sente Johannes dâghe, so scholen desse dêdinghe nyne macht hebben vnd Claws van Plasten scal vs vnde vsen eruen Robelle wedder antwarden van staden vnde âne vortoch, vnde wy scholen Claws van kosten vnde van schâden nemen, de he deyt bynnen desser tîd to sente Johannes dâgehe. Wêre ôk dat vse veddere hertoghe Albert vôrbenômet edder sîne eruen vs edder vsen eruen desse dêdinghe, de hîr vôr screuen stân, tůsschen hîr vnd sente Johannes dâghe nicht enden vnde voltôghen, so scholen de brêue vnde

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dêdinghe, de vse veddere vnde sine eruen hebben vp Plawe vnd dat lant to Warne, by erer ghantzen macht blîuen vnd vnghemynneret. Al desse dingh, de vôrscreuen sint, stede vnd vast to holtdende sůnder yênnegherleyhe arghelist vnde hulperede lôue wy Bernt here van Wentden myt vsen rechten eruen in gûden trůwen to holdende vsem vedderen hertoghen Alberte van Mekelenborghe vnde sînen rechten eruen an dessem brêue. Tů grôter bekantnisse desser dingh hebbe wy vse hêmelke ingheseghel vôr dessen brêf ghehenghen lâten, gheuen vnde screuen to Robelle na godes bôrt dûsen drêhůntdert iâr an den twê vnde sosteghesten iâre, des donredâghes vôr sente Gregorius dâghe. Tůghe desser dingh sint vse lêuen trûwen Claws van Plasten, Claws Karghowe, Yghe Grambowe vnd Thidericus Wostzterrode vse pâpe vnd ander lûde nôch de tûghes werdich sint etc.

Nach dem im grossherzogl. meklenburg. Geh. u. Haupt - Archive zu Schwerin aufbewahrten Originale, an welchem des Fürsten Bernhard Siegel an einem Pergamentstreifen hängt.


Nr. XLI.

Der Herzog Albrecht von Meklenburg verpfändet an Andreas Flotow d. A. Stadt und Land Röbel.

D. d. Rostock. 1366. Jan. 6.


Allen gůden lûden, de dessen brêf seen edder hôren lesen, den dô wy râtmanne van Robele witlik vnde betůghe an desseme brêue ôpenbâre, dat wy na godes bôrt dûsent iâr drêhundert iâr an deme achte vnde sesteghesten iâre des vrydâghes vôr palmen hebben gheseen vnde hôret lesen des acbaren wolghebôren heren brêf hertoghen Albrechtes van Mekelenborch, greuen van Zwerin, heren tů Rostoch vnde Stargarde begheseghelt myt syneme yngheseghel, nicht ghescâuen, nicht ghedeleghet, gans vnde heyl vnde an neghênen dinghen tů strâfende, van worden tů worden, also hîr na ghescreuen steyt:

Wy Albrecht van der godes gnâde hertoghe to Mekelenborch, greue to Zwerin, to Stargarde vnde to Rostoc

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here, vnde vnse rechten eruen bekennen vnde betůghen ôpenbâre vôr al den, de dessen brêf seen edder hôren lesen, dat wy hebben ghesettet vnde lâten de stat vnde dat lant to Robele olden Drewese Vlotowe vnde synen rechten eruen, myt aller plycht, nůt, gůlde vnde mit alleme rechte, wes dâr nu lôes ys edder lôs werden mach in tokômender tyd, mit weyde, mit wâtere, mit holte, mit wisschen, mit invlôte, mit vtvlôte, myt stouwinghe, myt visscherye, mit dêneste, mit tollen, mit rychte hôch vnde zyd, mit bêde, mit brôke vnde mit scote vnde mit aller anderen tobelâghe, also yt an syner bescêde beleghen ys, vôr vyftehalf dûsent mark lubischer penninghe, de vns redelyken betâlet vnde vntwůren synt, also dat vns ghenôghet, vnde wy edder vnse rechten eruen scolen Drewese edder synen eruen von dessen vôrbenômeden stat vnde lande to Robele nicht afsetten, wy enhebben em edder synen eruen de gantze vôrbenômeden summen êrst berêt vnde betâlet mit rêden penninghen na willen vnde tů gůde to Rostoch edder to deme Sterneberghe edder to Gůstrow edder to Parchym edder to Butzow, wôr yt em edder synen eruen best êuent in der vôrbenômeden steden een. Wêr âuer dat de berêdinghe in vnseme lande scûde, so scole wy de iênen, de de berêdinghe vntfân scolen, leyde[n] vnde velyghen to vnde af; des ghelykes scal ôk Drewes edder syne eruen dôen, oft de berêdinghe sceen scolde in êner der vôrbenômeden steden van deme heren, des yd in syneme lande lycht. Vortmer wêre dat Drewese edder syne eruen vôrbenômet de vorbenômde stat to Robele afghewunen worde, dat got vorbêde, so scolde wy edder vnse eruen em edder synen eruen behulpen wesen mit aller macht vnde mit gantzen trůwen, also langhe went he dat slot weldichlyken an syner wêre wedder heft. Vortmer scal de vôrbenômde Drewes vnde syne eruen desse vôrbenômden pande brůklyken besytten vnde beholen mit al deme, dat dâr tů behôret, nycht vt to nemende edder vns vnde vnsen eruen to beholdende, herschop vnde manschop, orsedênest vnde kerkleen, gheystlik vnde werlik, vnde dat vôrbenômde slot to Robele scal iô to allen tyden vnse vnde vnser eruen ôpene slot syn, to allen vnsen nůden vnde nôden, vt vnde in to rydende, wan yt vns beheghelik ys. Vortmer scal de vôrbenômde Drewes edder syne eruen desse vôrbenômden panden nerghene mede vorbreken edder

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werken, wy nehebben em edder synen eruen desse vôrbenômden summen ganslyken betâlet vnde he edder syne eruen scolen ôk vte deme vôrbenômden slote nemende vorvân edder vorwerken edder nicht vt dôen, he endôet nach vnseme edder vnser eruen hête vnde râde. Vortmer scal de vôrbenômde Drewes vnde syne eruen man, borghere vnde bůr, de in der stat vnde in deme lande to Robele beseten synt, by al deme rechte lâten, dâr se vôre van oldinghes inne ghewesen hebben. Wêre ôk dat de vôrbenômde Drewes edder syne eruen wes lôseden edder kôften nach vnsem edder vnser eruen râde, dat de van Wenden vôre vorsettet hadde, dâr scôle wy ene by lâten, also als dat vôre vorsettet heft ghewesen in deme sůluen landen, also langhe, went wy em vnde synen rechten eruen ere ghelt wedder gheuen, dâr se dat vmme lôset hebben. Alle desse vôrbenômde stůcke stede vnde vast to holdende, dât lôue wy hertoghe Albrecht vnde vnse eruen vôrbenômed deme vôrbenômden Drewese vnde synen eruen vnde to erer hant iuncheren Joachim here te Potlest vnde iunghen Drewese, Henneken vnde Tydeken Vlotowe, Hinricke van Stralendorpe, Vicke Molteken van deme Strytuelde vnde Kersten Bosele, ridderen, Lůder Lutzow, Clawes Hanen vnde Hinric Lewetzowe, knapen, vnde hebben tů tůghe vnse yngheseghel henghen lâten in dessen brêf, de gheuen ys to Rostoch na godes bôrt drutteyn hundert iâr an deme sos vnde sosteghesten iâre, an deme dâghe to twelften.

Dat desse brêf aldůs ys vnde lůt, dat betůghe wy râtmanne to R oe bele mit vnseme yngheseghele, dat vôr dessen brêf ghenghet de ys ghescreuen na godes bôrt dûsent iâr drêhundert iâr an deme achte vnde sosteghesten iâre, des vrydâghes vôr palmen.

Nach dem im grossherzogl. meklenb. Geh. und Haupt - Archive aufbewahrten Original - Transsumte in einer kleinen, etwas flüchtigen Minuskel.

Der Herzog Albrecht von Meklenburg hatte, nach den Original - Concepten der darüber ausgestellten Urkunden, am 30. Junii 1362 Land, Schloss und Stadt Röbel von dem Fürsten Bernhard von Werle zu Pfand genommen (vgl. auch Rudloff Mekl. Gesch. II, S. 451) und sich dabei verpflichtet, sich ohne Zustimmung des Fürsten Bernhard mit Drewes Vlotow nicht zu sühnen und ihm die Briefe nicht zu halten, welche der Fürst Bernhard ihm gegeben habe.


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Nr. XLII.

Der Fürst Bernhard von Werle verleiht dem Arend Boseke erblich das Schulzenamt des Dorfes Melz

D. d. Waren. 1379. April 25.

Nach einer beglaubigten Abschrift aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Wy Berndt van gotts gnâden here tho Werle bokennen âpenbâr in desseme brêue, dat wy vnde vse eruen hebben settet myt berâdeme môde Arnde Boseken vnde szyne eruen to eyneme schulten in deme dorpe Meltze vnde hebben em dat schultampt geuen vnde lêggen em vnde geuen tho deme schultamptte twê hôuen in deme suluygen dorpe Meltze: de eyne hôuen scal he vnde syne eruen hebben fry myt pacht, bêde, hundekorne, weyde, grasz vnde myt aller fryheyth, alsze se licht bynnen erer scheyde, men dâr an beholden wy vns dat hôgeste richte, wâter vnde holt; de andern hôuen scal he vnde syne eruen hebben myt bêde, hundekorne, deynste, weyde, grasz vnde mit aller fryheyth, hyr anne beholden wy vns dat hôgeste rychte, wâter vnde holt, an desser suluygen eynen hôuen lâthe wy em nyne pacht. Hyr aff schal he vnde syne eruen vs vnde vsen eruen dôn, alsze de schulten in den lande plegen tho dônde vnde als ehm behôrt Dyt lâue wy Berndt here tho Werle vôrbenômet vnde vse eruen deme vôrbenômeden Arnde Boseken vnde synen eruen stede vnde vasth tho holdende vnde hebben thu thûghe desser dynck vse ingesegel myt vser wytscaff hengen lâen an dessen brêff, de geuen is tho Warne na gades bôrt druthteygen hundert iâr in deme negen vnde sôuendygesten iâr, in sunte Marcus dâge des hylligen êwangelisten. Hyr ôuer synt wesen: her Johan Bockholt vnde her Gheruen Tetrow, prystere, vse pâpen, vnde Hennynck Lanckow vnde mêr gûder lûde lôenwerdich.

Auschultata et fideliter collationata est hec presens copia per me Petrum Lindemann, publicum Hauelbergensis diocesis clericum coniugatum, sacris apostolica et imperiali auctoritatibus no-

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tarium, et concordat cum suo vero origenali de verbo ad verbum, vt protestor in hiis manu mea subscriptis.


Nr. XLIII.

Die Fürstin Elisabeth, Gemahlin des Fürsten Bernhard von Werle, verleiht dem Arend Boseke erblich das Schulzenamt des in ihrem Leibgedinge liegenden Dorfes Melz.

D. d. Waren. 1379. April 25.

Nach einer beglaubigten Abschrift aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Wy Elzebe van Wenden, van der gades gnâde eyne frouwe van Werle, bekennen âpenbâr in dessem brêue, dat wy hebben settet myt hêthe vnde vulbôrth myns heren her Berndes van Wenden Arnde Boseken vnde syne eruen to einem schulten in deme dorpe tho Meltze und hebben em dat schultampt geuen vnde lêgen ehm vnde geuen tho deme schultampt twê hôuen in deme suluen dorpe Meltze: de êne hôuen schal he vnde syne eruen hebben vryg, myt pacht, bêde, hundekorne, weyde, grasz, myt aller fryheyth, als se lycht bynnen erer scheyde, men dâr ahn beholde wy vs dat hôgeste richte, wâter vnde holt; de anderen hôuen scal he vnde syne eruen hebben myt bêde vnde hundekorne, deynst, weyde, grasz vnde myt aller vryheyth, hyr anne beholde wy vns dat hôgeste richte, wâter vnde holt, an desser suluen ênen hôuen lâte wy em nêne pacht. Hyr aff schal he vnde syne eruen dôn, alse de schulten in den landen plegen to dônde vnde alsz em bohôrt. Dyt lâue wy Elzabe van Wenden vôrbenômet myt vnsen nakâmelyngen deme vôrbenômeden Arnde Boseken vnde synen eruen stede vnde vaste tho holdende vnde hebben thu thûge desser dynck vse ingeszegel myt vser wytscaff hengen lâten an desseni breff, de geuen isz tho Warne na gades bôrth drutheygenhundert iâr in deme negen vnde sôuendygesten iâr, in sunte Marcus dâge des hyllygenn êvangelisten. Hyr âuer szynt weseth: her Gerwen Teterow, her Johan

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Bockholt, prêstere, vse pâpen, vnde Hennynck Lanckow vnde mêr gûder lûde lôuenwerdich.

Auschultata est et fideliter collationata hec presens copia per me Petrum Lindeman, publicum Hauelbergensis diocesis clericum coniugatum, sacris apostolica et imperiali auctoritatibus notarium, et concordat cum suo vero origenali, ut protestor in hiis manu mea subscriptis.


Nr. XLIV.

Die Herzoge Johann, Ulrich und Albrecht von Meklenburg-Stargard verpfänden den Vettern Philipp und Hans Grambow, genannt Prignitz, Stadt und Land Röbel, mit Ausnahme der Leibgedingsgüter der Fürstin Elisabeth von Werle, des wail. Fürsten Bernhard von Werle Gemahlin.

D. d. Bützow. 1391. Aug. 10.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Wy Johan, Vlrick vnde Albrecht van godes gnâden hertoghen to Mekelenborch, to Stargarde vnde to Rostok heren, brôdere, bekennen vnde betûghen ôpenbâr in dessem brêue vôr alle den gênen, de en seen edder hôren lesen, dat wy vnde vse rechten eruen schuldich synt den duchtigen lûden Philippus vnd Hans Grambowe vedderen, anders geheyten Prigghenissen, vnde eren rechten eruen drê dûsent lubesche mark gûder suluerpennighe vnde hundert lubesche mark der suluen munte, de se vns rêde gelênet hebben vnde an vse nůt brûkelken gekômen sint. Vôr desse vôrscreuen summen setten vnde lâten wy vôrbenômeden hertoghen Johan, Vlrick vnde Albrecht desse vôrbenômeden Grambowen vnde eren rechten eruen in dessem ieghenwardighen brêue vnse stat to Robele mit der gantzen vaghedige, dâr de herscap recht an is, vnde mit allem anvalle, sunder den anvall, de vns vnde vsen eruen anvallen mach van der hôchgebôrnen vorstynnen vnde vrouwen, de iung-

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heren Berndes êrlike husvrowe wesen hadde, dem got gnedich sy, to eynem brûkelken pande, also langhe bet wy vôrbenômeden hertogen Johan, Vlrick vnde Albrecht vnde vse eruen den vôrbenômeden Grambowen edder eren eruen gentzliken wedder geuen hebben de drê dusent lubesche mark vnde hundert lubesche mark to eyner tyd vnde eynem mâle an gûden lubeschen penninghen, alz hîr vôrscreuen is, bynnen Robele edder bynnen Wistock, wôr en edder eren eruen dat êuenst kumpt, vnde wy vôrbenômeden hertoghen Johan, Vlrik vnde vse eruen scolen vnde willen in der vôrbenômeden stat vnde voghedige nicht beholden men de lôsinghe, kerklên vnde manscop vnd use ôpene slot to wesende to al vsen nôden, dat schal den vôrbenômeden Grambowen to nênem schâden kômen. Ok so wil wy vôrbenômeden hertogen Johan, Olrick vnde Albrecht, dat desse vôrbenômeden Grambowen edder ere eruen desse vôrbenômede stat vnde voghedige nerghen mede scolen edder konen vorbreken teghen vns edder vse eruen. Wêre ôk dat en desse vôrbenômede stat afgewunnen worde, dat got vorbêde, so scolen vnde willen wy vôrbenômeden hertogen dessen Grambowen edder eren eruen desse vôrbenômede stat vnde voghedige wedder scheppen bynnen dem nêgesten vêrdendel iâres dâr na edder em ere penninghe wedder geuen sunder iênergherleye vortoch edder hulperede. Wêre ôk dat sik iênich man vorvenghe an dessen vôrbenômeden Grambowen, an eren eruen edder an eren vrunden an rôue, an brande, an welkerleye dat scûde, dat scolen se vns vôrbenômeden hertogen kundighen vnde witlik d ue n, dâr scole wy en bynnen den neghesten veerweken lîkes vnde rechtes ôuer helpen. Were ôk dat wy des nicht endêden, so scolen vnde môghen desse vôrbenômeden Grambowe edder ere eruen mit eren vrunden dat wedder d oe n vte desser vôrbenômeden stat vnde voghedige vnde dâr wedder yn sunder iênegherleye brôke ieghen vns vnde vnse eruen. Al desse vôrscreuen stucke vnde artikel to sâmende vnde eyn yslich by sik lôue wy vôrbenômeden hertoghen Johan, Vlrick vnde Albrecht vôr vns vnd vôr vnse eruen vnde vôr vnse nakômelinghe den vôrbenômeden Grambowen vnde to erer truwen hant her Wedeghe Bugghenhagen, Hans Platen vnde Achym Platen, Ebelle vnde Clawes Cunow, Henningh Meelberghe,

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Bruningh Grambowen vnde Clawes Rusen an gûden trûwen stede vnde vast to holdende sunder iênegherleye arghelist edder hulperede. To eyner hôgern bewâringhe vnde to mêrer witscap desser vôrgescreuen dingh so hebbe wy vôrbenômeden hertoghen Johan, Vlrick vnde Albrecht vse yngesigele mit gûdem willen vnde witscap henghen lâten an dessen brêff, de geuen vnde gescreuen is to Butzow na godes bôrt dûsent iâr dâr na in dem en vnde neghentighesten iâre in sunte Laurencius dâge des hilgen mertirers. Tûge desser dingh sint gewest: vse lêue brôder her Rodolff, bischop to Sweryn, vnde vse lêuen getrûwen: Johan van Plesse, Helmolt van Plesse, Reymer Barnekowe, Wedege van Plote, Alerd Tzernin, Clawes R ue se, knapen, vnde her Johan Prouest, kerkhere to Warnemunde, vnde ander gûder lûde genûch de tûges wol werdich synt.

Das Pergament ist in der Mitte durchschnitten und die 3 angehängten Pergamentstreifen sind der Siegel beraubt.


Nr. XLV.

Die Herzoge Johann und Ulrich von Meklenburg-Stargard verleihen dem Ritter Claus Hahn auf Solzow zu freiem, erblichen Lehn die ihnen angefallenen Leibgedingsgüter der wailand Fürstin Elisabeth von Werle, des wailand Fürsten Bernhard von Werle Gemahlin, (die Höfe zu Solzow und Gnewe, die Dörfer Zarnow und Melz und Antheile an Vipperow und Priborn).

D. d. 1410. Aug. 15.

Nach einer beglaubigten Abschrift aus dem 16. Jahrhundert im grossherzogl. meklenb. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Wy Johan vnd Olrich, brôdere, van gades gnâdenn hertoghenn to Meckelenburgh, to Stargarde vnd to Rostock der lande herrenn bekennen vnnd betûgenn âpenbâre ahnn desseme brêue vôr alle den iênenn, de ene zeen oder hôrenn lezenn, dat wy mitt vnsen rechten

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eruenn hebben gegeuen vnd geuenn mit macht desses brêues vnseme lêuen getrewenn deme strengenn manne her Claws Hanen vnnd sînenn rechtenn eruenn dat gûdt vnnd anual, dat vns angestoruen is von der edelen, wolgebôrnen frowen frowe Elzebenn, herrn Berndes êlikenn frowenn, heren to Werle, den godt gnâde, de wy deme zuluen her Claws Hanenn êr hebbenn gegeuen to zîme lîue, also geue wy Johann vnnd Olrich vôrbenômet mit vnsenn eruenn her Claus Hanen vôrschreuen vnd sînen rechtenn eruenn dat vôrbenômede gût to erue to êwegenn tîdenn, alzo her Claws Hanen dat vonn vnser wegen angestoruen is na vthwîsinghe des brêues, den wy ene vppe dat gûdt ghegheuen hebben, vnnd schall dat gûdt brûkelken hebben vnd besittenn mitt sînenn rechtenn eruenn, mit aller freyheitt, rechtigcheitt, thobehôringhe vnnd mit allen rechtenn, alze dat licht binnen sîner schêden ahn doerpern, ahnn hôuen, ahnn hûuen, ahnn acker bûett vnnd vngebhûett, ahn holtenn, ahnn brûcken, ahn buschen, ahnn wischenn, ahnn wâtere, ahnn wâdentôgenn, an vischerîghe, alze de von oldinges dâr iê tho leghenn hebben, ahnn gresingenn, ahn weyden, mitt dîkenn, mit allenn dîkenn gestowet vnnd vngestowett, mitt inulôtenn, mit vthvlôtenn, mitt môlen, molenstedenn, gebûett vnnd vngebûett, vnd mitt allenn wegenn, inwegenn vnnd vthwegenn, vnnd vortt mitt aller vruchtt vnnd nuttigkeitt vnd mitt allen hernn diennste vnd mitt allem rechte vnnd richte, hôgest vnnd sydest, ahn hant vnd ahn halsz vnnd mit allem brôke, die dâr vth velt vnnd vallen mach, vnnd vortt mit aller vriegheitt vnnd rechtigkeitt, wo me de kann nômenn, alze de dâr van oldinges iê to leghen hefft, ghêstlich vnnd werligk, vns vnd vnsenn eruenn vnd nakômelinghen dâr mit alle nicht ahne tho beholdende, wann dat her Claus Hane vôrbenômett oder sîne eruen datt vôrbenômede gûth scholenn von vns vnd von vnsen eruenn tho lêne entpfangenn. Vnnd wy Johann vnd Olrich vôrbenômet schollen vnd willenn her Hanen vôrbenômett vnd zînen eruen des gûdes vôrbenômett êne wêre wesen, alze recht is, vôr alle de iênnenn, de vôr recht kommen willen, vnnd nein voigtt oder ambachtman schal van vnser wegenn ahnn dem gûde bot oder gebêde hebben, men her Hane vnnd zîne

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eruenn schal dat gûdt fry hebben mit aller herschop vnnd eigendûme, alse vuse vôrvâren dat iê fryest besetenn vnd hat hebbenn. Wêre ôck dat dâr gûdt af vorsettet edder mitt vnrechte afgekâmenn whêre, dat mach her Hane vnd zîne eruenn dâr wedder tho lôsenn vnd mitt rechte dâr wedder tho bringenn, vnd dâr schole wy vnnd willenn em tho behulpenn wesenn wit threwen. Wêre ôck datt desse brieff irgenn anne vorsûmett wêre mitt einigerlei stucken edder artickulnn, dat schal her Claws Hanen vnd sînen eruenn tho neinem schâden komenn, wen wy scholenn vnnd willenn em mitt threwenn behulpenn wesenn, dat se by desseme vôrgeschreuen gûde blîuenn. Alle desse vôrgeschreuen stucke tozâmende vnnd ein îewelick artickel bi sich lâue wy vôrbenômede hertoghen Johann, hertoghe Olrich mit vnsenn eruenn her Claws Hanen vnd sînenn rechten eruenn stedte vnnd vhaste to holdende sunder hulperede vnnd arch. Tûghe alle desser vôrgeschreuenn dingk sindt vnse lêuen getrewenn: her Philippus Priggenitze, her Hanns Priggenisse vnnd her Heinrich Paschedach, ridder, Bruningk Grambowenn, Otke Marinn vnnd Tydeke Vriberch, knechte, her Johann Prouest, Arnoldus Boningk vnnd Johannes Wynhusen, vnse schrîuer. Tho hôgher bewâringe hebbe wy hertoghenn Johann vnd hertoghe Olrich vôrbenômett vnse ingezeghele mitt witschop vnnd mitt willenn hebben henghen lâten vôr dessen brêff, de ghegheuen vnd schreuenn is na godes bôrdt vêrteinhundert iâr dâr na ahn den teyen iâre, ahnn vnser lêuen frowenn dâge ehrer hemmelfarth.

Praesens copia correspondet genuino sigillato origenali testor ego Christophorus Scheplitz imperiali auctoritate notarius hac manus meae subscriptione.


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D.

Vermischte Urkunden.


Nr. XLVI.

Der Markgraf Albrecht II. von Brandenburg belehnt den Grafen Heinrich I. von Schwerin mit dem Schlosse Lenzen.

D. d. 1219.

Aus den Regesten im Repertorium Fabricianum des grossherzogl. meklenb. Geh. und H. Archivs zu Schwerin.


Albert der ander Marggraue zu Brandenburg belenet Grauen Heinrichen von Swerin mit dem Schloss Lenchin vnd aller seiner zubehörung, mit solchem beschaide, das ehr solle dem Marggrauen wider iderman, one den kunig zu Dennemarken, gewertig sein, vnd wan der Marggraue würde mit Dennemarken in Vehde geraten, sol der Graue dis Schlos mit dem darbei liegenden Dorffe vnd seiner Zolshebung dem Marggrauen einreumen vor anfange des krigs, solchs wider den kunig zu bevestigen vnd zu gebrauchen, Nach dem krige sol es dem Grauen gegen Herausgebung des aufgewandten bawcostens widerumb eingeantwortet werden. Es sols auch der Graue bei dem alten Zollen bleiben lassen. Datum Soltwedele anno 1219.

Ist lateinisch.

Diese Regeste ist die erste Repertorium Fabricianum.


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Nr. XLVII.

Der Fürst Johann von Meklenburg bezeugt, dass sein Vasall Johann von Wittenburg diejenigen Güter, welche er in Tarnewitz zu Lehn trägt, dem Kloster Rehna geschenkt habe, und bestätigt diese Schenkung unter Befreiung von den fürstlichen Ansprüchen an diese Güter.

D. d. Meklenburg. 1246.

Nach einer alten Abschrift im grossherz. Mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Johannes dei gratia Magnopolensis dominus omnibus hoc scriptum cernentibus salutem in eo, qui est salus omnium. Quoniam ea, que fiunt in tempore, simul labuntur cum tempore, et nisi scriptis et testimonio roborentur, memoriis hominum facillime excidunt et mutantur: vnde notum esse uolumus presentibus et futuris, quod homo noster Johannes de Wittenborch cum consensu et uoluntate nostra contulit claustro Rene ea bona, que in Tarneuiz de nobis in pheodo tenuit eo iure, quo dictus Johannes bona memorata liberaliter de nobis tenuit, libere et quiete perpetuo possidenda. Hanc igitur donationem ob salutem anime nostre et progenitorum nostrorum pie et fauorabiliter admisimus, prefato claustro ius, quod in predictis bonis habuimus, similiter conferendo. Ne autem hec donatio in posterum a nobis uel ab aliquo successorum nostrorum mutari ualeat uel infringi, presens scriptum sigillo nostro in robur perpetuum fecimus communiri. Huius rei testes sunt homines nostri: Godefridus de Bulowe, Bernardus de Walie, Burchardus Lupus et alii quam plures. Actum anno incarnationis domini M ° CC° XLVI° ante capellam nostram Meklenborch.

Aus dem Pergament - Diplomatarium des Klosters Rehna aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Grade von dieser Urkunde fehlt das Original.


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Nr. XLVIII.

Der Fürst Nicolaus II. von Werle bestätigt den Wollenwebern zu Röbel die Privilegien, die sie unter ihm, seinem Vater Johann I. und seinem Grossvater Nicolaus I. besessen haben, namentlich die Freiheit, Tuch zu verschneiden (d. i. nach der Elle zu verkaufen).

D. d. Röbel. 1291. Jan. 6.

Nach dem Originale im Archive der Kirche zu Neustadt Röbel.


Nicolaus dei gracia dominus de Werle vniuersis presens scriptum intuentibus salutem in eo, qui est salus omnium. Que geruntur in tempore, ne simul labantur cum lapsu temporis, poni solent in lingua testium et scripturarum testimonio perhennari. Sciant igitur tam presentes, quam futuri temporis posteri, quod nos, de consensu nostre dilecte matris et de bona nostra voluntate fratrumque nostrorum et de consilio nostrorum fidelium, textoribus lane Robele commorantibus, necnon vniuersis tale opus excercentibus, ut possint licite et libere sine quolibet inpedimento pannum incidere, sicut temporibus nostri aui et nostri patris inciderunt, dedimus licenciam liberam atque largam, et omne ius, quod a primeuo tempore habuerunt, debent ipsi et posteri eorum habere perpetuo, contradictione qualibet amputata; item sicut magistri, quos inter se solent annis singulis eligere, hucusque ordinauerunt de pannis eligendis et reiciendis et omne ius, quod inter se predicti textores habuerunt, quod datum est eis ex parte nostri, debent frui perpetuo tali iure. Vt igitur hec donacio firma et inconwlsa perpetuis temporibus perseueret, presens scriptum predictis textoribus dedimus et id appensione sigilli nostri fecimus communiri. Huius rei testes sunt: domina S., nostra dilecta mater, et milites nostri: dominus Nicolaus Hane, dominus Mathias Ketelhot, dominus Conradus Buno, dominus Bertoldus magister coquine, dominus Yo de Morin, et alii quam plurimi fide digni Datum Robele anno domini M °C.C°. LXXXX° primo, in die ephifanie Domini.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer weiten, cursivischen Minuskel. An einer Schnur von rother Seide hängt des

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Fürsten Siegel mit dem werleschen Stierkopfe, mit Sonne, Mond und Stern in den Schildwinkeln. Von der Umschrift ist noch erhalten:

Umschrift

Das vorstehende Privilegium ist wohl eines der ältesten und vielleicht das älteste Handwerks - Privilegium im Lande, welches dazu noch auf die ersten Zeiten der Städtegründung in Meklenburg zurückweiset. Der Hauptgegenstand dieser Privilegien - Erneuerung ist der Tuchverkauf im Kleinen oder nach der Elle, denn so muss wohl ohne Zweifel der Ausdruck: pannum incidere verstanden werden; der Ausdruck pannum incidere heisst wörtlich: Tuch schneiden, und findet seine beste Erklärung darin, dass die Tuchhändler=Wandschneider (d. i. Gewand - verschneider) hiessen.

Man vgl. übrigens unten die Zunftrolle vom 30. Jan. 1463.


Nr. XLIX.

Heinemann Kint begabt das in der Stadt Röbel erbauete Hospital zum Heil. Geist mit Hebungen aus Kl. Wackstow zur täglichen Haltung von Messen durch den Archidiakonus der Neustadt Röbel und stellt das Hospital unter die gemeinschaftliche Fürsorge des genannten Archidiakonus und der Rathmänner der Stadt Röbel.

D. d. Röbel. 1298. Febr. 19.

Nach dem Originale im Archive der Kirche der Neustadt Röbel.


Johannes dei gracia episcopus Hauelbergensis, Nicholaus dei gracia dominus de Werle, Johannes archidyaconus noue ciuitatis Robole ac consules eiusdem ciuitatis omnibus, ad quos presens scriptum peruenerit, salutem in domino sempiterno. Recognoscimus et presentibus protestamur, quod Heynemannus Kynt, constitutus in nostra secundum nostrum consilium presentia et consensu nostrorum omnium unanimi dotauit, ob remissionem suorum peccatorum, in honorem sancti spiritus, domum sancti spiritus in ipsa ciuitate Robole constructam cum bonis uille dicte Lutteken Wokestowe, de quibus bonis archidyaconus eiusdem ciuitatis duodecim marcarum redditus tollet

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quatuor uicibus anni: in festo Pasche tres marcas, Johannis baptiste festo tres, festo Michaelis tres, festo natiuitatis domini totidem; pro istis igitur redditibus archidyaconus iam dicte ciuitatis Robole in cultum diuinum et omnium sanctorum et in remissionem peccatorum eorum, qui dicte ecclesie uel in domo langwentibus cum suis elemosinis manum porrexerint adiutricem, missam diebus singulis faciet celebrari, feria secunda missam pro defunctis, feria IIII a similiter perpetuo seruaturum. Volumus nichilominus, ut quicquid ad usum seu bonum iam dicte domus in Robole ordinandum fuerit, de consilio et consensu archidyaconi et consulum ciuitatis communi et omnium ordinetur. Preterea si in prenotatis redditibus in Wokestowe archidyaconus sibi deputatis prepeditus fuerit uel indebite expeditus, ipsos redditus manu propria uel per suum famulum faciet inpignorari; nec aliquem aduocatum terre uel suos famulos ad hoc uocabit. Testes huius sunt: prepositus Ruppinensis, Johannes prepositus Kalendensis, Fredericus de Grambowe, Wernerus Man, mililes, Conradus Buno, Nicholaus de Malin, Yo de Morin, milites; prior Johannes Lysen domus fratrum in Robole, prepositus sanctemonialium ibidem; de prepositura Robole sacerdotes: dominus Segelke plebanus de Lezen, Henricus de Dambeke plebanus, Heydenricus de Meltiz plebanus et alii quam plures fidedigni. Volumus etiam, ut omnia suprascripta et ordinata a nostris quibuscumque successoribus nullatenus infringantur. In cuius euidentiam et testimonium sigilla nostrorum omnium prescriptorum presentibus sunt appensa. Datum et actum coram nobis Robole in nostra presentia, in curia domini prepositi Johannis archidyaconi, in die cinerum, anno domini M °.CC°.XCVIII°.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer schönen, grossen, kräftigen Minuskel. Angehängt sind 4 Pergamentstreifen zur Befestigung von Siegeln:

1) fehlt;

2) das Siegel des Fürsten Nicolaus von Werle mit dem werleschen Stierkopfe, mit Sonne, Mond und Stern in den Schildwinkeln; die Umschrift ist undeutlich;

3) ein parabolisches Siegel, queer getheilt durch ein Band mit einer Inschrift von ungefähr 6 Buchstaben:

. . ORD e
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oben mit einem Lamm mit der Siegesfahne (?), unten mit einem Schilde mit einem links gekehrten Wolfskopfe mit offenem Rachen; Umschrift des Siegels:

Umschrift

4) fehlt.
Die Stelle bei den geistlichen Zeugen ist buchstäblich so geschrieben:

Diese Urkunde ist auch gedruckt in Mantzel Bützow. Ruhestunden St. XXIII, S. 26.


Nr. L.

Die Brüder Barthold und Conrad Duding verkaufen ihrem Oheim Duding von Dechow die Aufkünfte von 8 Hufen im Dorfe Kritzkow auf dessen und seiner Frau Lebenszeit.

D. d. 1320. Febr. 2.

Nach einerAbschrift im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Cum dubia incertis versetur vita periculis, necesse igitur et perutile dinoscitur vt actus hominum presencia (et os?) testium stillique memoria roborari. Hinc est quod nos Bertoldus et Conradus fratres vocati Dudinche liquido constare, ad quos presens scriptum vniuersis peruenerit, presentibus ac posteris, nos rite racionabiliterque vnanimi consensu vendidisse honesto militi, nostro awnculo, Dudincho de Dechowe redditus octo mansorum in villa Kritsecowe sitorum, in quibus antedictus miles habebat XXIIII marcarum redditus cum omni vtilitate eisdem mansis adiacente, videlicet pratis, pascuis, lignis, aquis ceterisque proprietatibus, velut nos hactenus eos habuimus et possedimus, prefatos inquam redditus octo mansorum ad tempora vite antedicti militis, nostri awnculi, et sue vxoris pacifice absque vllo seruicio vasallari possidentes. Si vero quisquam prefatum militem aut suam vxorem infra annum et diem in predictis redditibus mansorum, quantum vadit super sex marcas denariorum vsualium, inbrigaret seu infestaret, hoc ipsis vna cum nostris compromissoribus tenebimur secundum exigenciam iuris vasallorum et terre disbrigare; preterea si quisquam hominum aut domini terre prefatum militem aut suam vxo-

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rem sev eorum colonos in predicta villa, quantum currit super sex marcas denariorum, inpignorando impeteret super seruicio sev quoquomodo per vite eorum tempora, hoc dampnum ipsis tenebimur penitus refundere. Quod si non fecerimus, extunc nos nostrique compromissores Gustrowe intrabimus post quindenam cum nobis nunciatum fuerit per dictum militem aut suam vxorem, non exituri, nisi predictis aut eorum subditis dampnum penitus sit refusum. Insuper si memoratum militem aut suam vxorem necessitas ad hoc compelleret, extunc, nobis non obstantibus, ipsi aut alter eorum dictorum mansorum redditus vendere, locare sev obligare poterunt pro ducentis marcis denariorum, velut a nobis sunt mercati. Ceterum predictorum reddituum quatuor marcas denariorum, nobis non contradicentibus, prefatus miles aut sua vxor ad cultum et dei seruicium libere poterunt in elemosina erogare, quas, si nos aut nostri heredes liberare voluerimus, pro quadraginta marcis slauicalium redimere possumus; residui vero redditus de premissis, sepedicto milite et sua vxore mortuis et decessis, nobis nostrisque veris heredibus perpetuo cedent nostro pro herede. In quorum omnium ampliorem et pleniorem confidenciam et efficaciam nos duo in solidum fide promisimus nostrique sunt compromissores: Conradus Speghelberch, Jordanus de Cropelin, Hermannus Hakenstede, milites, Conradus Cropelin, famulus; testes: Hinricus de Dechowe, Nicolaus Hane, Reynoldus et Jo de Barnecowe fratres, milites, Thidericus de Exen, famulus. Sigilla igitur nostra nostrorumque compromissorum predictorum ad cautelam maiorem presentibus sunt appensa. Datum anno domini M ° CCC° XX°, in die purificacionis Marie virginis.

Nach dem in einer festen Minuskel geschriebenen Originale, auf einem schon etwas vermoderten Pergament. An Pergamentstreifen hangen noch 3 schildförmige Siegel:

1) mit einem links gekehrten Helme mit zwei gekreuzten Wedeln, Umschrift:

Umschrift

2) ein gleiches Siegel mit der Umschrift:

Umschrift

3) ein quer getheilter Schild. oben mit rhombischer Schraffirung, unten ganz mit Laubwerk, worin 3 Blätter erkennbar; schraffirt, abgebildet zu Jahrb XI, Lithogr. T I, Nr. 2; Umschrift:

Umschrift

Die andern 3 Siegel fehlen.


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Nr. LI.

Der Fürst Heinrich von Meklenburg nimmt die Brüder Sprengel mit dem Derzing und den Schlössern Zeetze und Gresse in seinen Dienst und Schirm, und verspricht ihnen ein neues Schloss, Neuhaus, zu Herzogenvorde zu bauen.

D. d. Sternberg. 1328. Aug. 1.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


In deme nâmen der heyligen drêvaldichheyt. Wi Henrik van der genâde godes ên herre van Mekelenborch, Stargarde vnde van Rostok allen, de dessen brîf sîn vnde hôren, wi dûn wedlike vnde tvgen dat ôpenbâre in desseme tyegenwordigen brîfe, dat wi vnde vse erfenâmen hebben genômen Gysen, Henrik, Werner vnde Segebanden brûdere de genûmet sint Sprengel in vsen vrede vnde in vsen dînest, se vnde ere erfenâmen, met den Dertstingen, met Ztezte vnde met Gresse vnde met deme gôde, dat dâr to licht, se vnde ere erfnâmen vôr to deydingen al eres rechtes teygen allesweme, vnde scolen en bûwen ên hûs to des Hertogenvorde vp vse kost. Des scolen dê vîr brûdere antwerden Zcezte vnde Gresse hern Wipperte Lutzowe vnde hern Volrade Lutzowe, sînen brûdere, to vser hant vs hern Henrike van Mekelenborch. Dy slote scolen sy holden her Wipperecht vnde her Volrade Lutzowe vnde dat nye hûs, also lange wen wy vs gysônet vnde lîket hebben met graue Johanne van Holtzsten vnde met allen sînen helperen. Vnde van der tîd dat de vîr brûdere hern Wipperte vnde hern Volrade Lntzowen desse slote antwerden, de kost, de sy vppe Gresse hebben vnde drâgen, went dat wy dat orloge angrîpen, dy sal stân vp hern Wernere van Marsow vnde hern Geuarde van den Berche, weder wi de gelden solen eder se: wat de twê dâr vmme spreken, dâr solet by blîuen. Oc orlege wi her Henrik van Mekelenborch tyegen welken heren oder tyegen welken, so sole wy en tyegen ere gôd ander vrede gûd geuen. Wêret ôc dat sy scâden in vseme dînste nêmen, so sole wi en eren scâden an den kleynen perden binnen vîr weken weder lengen, den scâden van den orsen binnen ême vîrdêle iâres vnde de vangene lôsen binnen

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ême haluen iâre. Vnde ôc vorlôre wi desser slote welk, des god nicht enne wille, so nescole wi vs nummer svnen eder dâgen, wi nehebben en ere slote weder geantwerdet oder gegulden, also vser manne twê vnde erer vrunde twê dunket lîk sîn. Vortmer minnen vnde rechtes scal wi van eren wegen weldich wesen vnde solen en des helpen, wâr des en nôd deyt, dat en gescy minne eder recht. To wârheyt vnde to tvge hebbe wi lâten scrîphen vnde geuen dessen brêf, bevestigid vnde beslôten med vseme ingesegele. Tvge, dy dyt gedeydinget hebbe, sint: her Wipprecht Lutzow vnde Thiderik Clawe vnde her Volrad Lutzow, vnde dat desse dry êrlike riddere van vser wegen gedeydinget hebben, dâr hebbe wi vntrûwen vp gelôuet vnde lôuen na volbôrt vser brêfe. Desse brêf is gegefen tôme Sterneberche na godes bôrd dûsent iâr drî hundert iâr vnde in deme achtunttwintichesten iâre, in sante Peters dâge se he vntbunden wart van sînen benden.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer kleinen, engen, steifen Minuskel; das Siegel ist von dem angehängten Pergamentstreifen abgefallen.

In den Verhandlungen über das Leibgedinge der Herzogin Margarethe von Meklenhurg - Stargard, gebornen von Braunschweig - Lüneburg, noch vom J. 1492, heisst es öfter: "dat nigehusz yn dem Dertzsinge."


Nr. LII.

Die Fürsten Nicolaus und Bernhard von Werle belehnen ihren Vasallen Andreas Flotow mit allen Eigenthumsgerechtigkeiten und Freiheiten des ganzen Dorfes Stuer mit der Mühle.

D. d. Dobbertin. 1340. Sept. 29.

Nach einer Abschrift im grossherzogl mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nos Nicolaus et Bernardus fratres dei gratia domicelli de Werle omnibus et singulis praesentia uisuris seu quocunque [modo] percepturis salutem in domino cum noticia ueritatis. Cum expedit, ut de eis, quae de matura hominum deliberatione in tempore disponuntur, non solum apud praesentes memorialis habeatur

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cognitio, uerum etiam apud futuros, ut incommutabili, testium publicorumque instrumentorum fruantur stabili fundamento, ideo tenore praesentium recognoscimus lucidius et testamur, quod nos de bona nostra uoluntate, coadhibito pleno consiliariorum nostrorum consilio et consensu, dilecto nostro uasallo Andreae Vlotouu suisque ueris haeredibus omnes et singulas proprietates, utilitates et libertates totius villae Sture, in nostro territorio iacentis, quas pater noster dominus Johannes dei gratia dominus de Werle foelicis recordationis et nos habuisse dinoscimur, in eundem contulimus et dimisimus et nihilominus conferimus et dimittimus per praesentes, hoc sane adiacentes, quod dictus Andreas et sui haeredes dictas proprietates, libertates et utilitates ipsius villae cum omni iure manus et colli, cum omni praecaria, primaria et secundaria, tam [denariorum, quam] annonae, prout in suis iacet terminis, distinctionibus atque metis, et cum omnibus extentionibus in a[re]is, spaciis, in agris cultis et incultis, pratis, pascuis, paludibus, nemoribus, rubetis, lignetis, aquis, aquarum decursibus et cum molendino et ipsius dominationibus, sine diminutione, exactione, impetitione aliquali, perpetue libere possideant, ita quod sui subditi et cultores ipsius villae ab omni onere vectigalium, peticionum, exactionum, [aedifica]tione vrbium [et] pontium et ab omni inquietudine sint immunes. Vt haec omnia et singula robur perpetuae firmitatis optineant, in testimonium nostra sigilla praesentibus sunt appensa. Datum et actum anno domini M ° CCC° quadragesimo, ipso die Michaelis, in monasterio Dobbertin, praesentibus Johanne Dessin, Johanne Coss, militibus, domino Thiderico, [rectore] ecclesiae Nycopin, nostro cappellano, et quampluribus aliis fide dignis.

Nach einer Abschrift aus dem Anfange des 17. Jahrh., welcher am Ende die Bemerkung hinzugefügt ist:

"Diese der Herren von Werle Lehnbriefe seind von den folgenden Hertzogen von Mecklenburgk confirmiret vnd bestedtiget worden, welche originalia auch vorhanden sein."

Hiemit ist nicht allein der vorstehende, sondern auch der Lehnbrief vom 11. April 1344 gemeint.

Die Abschrift, nach welchem der vorstehende Abdruck beschafft ist, hat mehrere offenbare Unrichtigkeiten und Versehen; so ist z. B. am Ende unter den Zeugen ohne Zweifel rectore (r c mit Querstrich ore) statt Rore zu lesen.


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Nr. LIII.

Der Fürst von Werle belehnt den Andreas Flotow und seine Erben mit den Dörfern Kl.-Stuer mit den Mühlen, Sukow, Satow, mit Ausnahme der dem Vicke Schwerin gehörenden 8 Hufen und der dem Pfarrer zustehenden 3 Hufen, Rogeez, Sanz, Grabow, Wendisch-Massow, mit der Mühle, und Demzin, mit Ausnahme der dem Rath und dem Pfarrer zu Malchin zustehenden Hufen, mit allen Gerichten, Beden und Diensten, mit Ausnahme des Rossdienstes und der Zahlung einer Mark an Demzin.

D. d. Stavenhagen. 1344. April 11

Nach einer Abschrift im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


In nomine domini amen. Johannes domicellus dei gratia dominus de Werle vniuersis presentia uisuris seu audituris salutem in domino. Quoniam acta hominum delet oblivio, ideo necesse est ea testimonio fidelium et literis autenticis perhennari. Noscat igitur reuerenda natio presentium et foelix successio futurorum, quod, matura deliberatione praehabita nostrorumque haeredum pleno consensu atque collateralium nostrorum consilio, dilecto et fideli nostro uasallo Andreae Vlotowen et suis ueris haeredibus ac liberis fratris sui Hennekini et Thiderici causa donationis et seruitii nobis impensi contulimus et dimisimus has uillas: Parvam Stuer cum molendinis, Sukowe, Satowe, exceptis octo mansis Vickonis Schwerin et tribus mansis plebani, uillam Rogatze integraliter, Zantze totaliter, uillam Grabow totaliter, uillam Wendischen Marsowe totaliter cum molendino, uillam Demecin totaliter, exceptis mansis plebani et consulum de Malchin, cum omni iure tam maiore, quam minore, hoc est manus et colli, cum omni precaria denariorum et annonae, quando et quoties ipsas nos petere contigit, cum denariis numnismatis ac cum omni fructuum utilitate et libertate, sicut eas habuimus in lignis, rubetis, nemoribus, paludibus, pascuis, pratis, aquis, aquarum

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decursibus, agris cultis et incultis et adhuc colendis, absque quolibet servitio nobis et nostris successoribus et advocatis ac officialibus faciendo, in perpetuum libere et pacifice possidendas, praeter seruitium dextrarii et seruitium unius marcae de uilla Demecin, quae nobis et nostris haeredibus et successoribus in eisdem uillis reseruamus. Testes huius sunt: Gotfridus de Parchem, Johannes Vos, miles, Iwanus de Belowe, Joachim Rumpeshagen, Hinricus Tesmari et Heino Dargeze, nostri fideles et dilecti, et quam plures alii fide digni. In quorum euidens testimonium sigillum nostrum maius praesentibus est appensum. Datum Stovenhagen anno domini M° CCC° XLIIII°, dominica qua cantatur Quasimodogeniti.

Nach einer Abschrift aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts, von derselben Hand, welche den Lehnbrief vom 29. Sept. 1340 geschrieben hat.


Nr. LIV.

Der Herzog Albrecht von Meklenburg, König von Schweden, empfängt in seinem Hofgerichte die Klage der Ehefrau des Henning von Königsmark gegen Volrath von Züle d. J., auf dem Schlosse zu Boizenburg gesessen, wegen des Brautschatzes, welchen sie seinem Bruder Detlef von Züle in erster Ehe zugebracht gehabt, und dagegen die Eidesleistung der von Zülen, dass der Brautschatz ihr in den Dörfern Vellahn, Gallin, Greven, Wendisch Greven und Grazin landüblich versichert sei.

D. d. Schwerin. 1396. Dec. 15.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Wy Albrecht van godes gnâden der Sweden vnde der Goten koning, hertoghe to Mekelenborch, greue to Swerin, to Stargarde vnde to Rozstock here bekennen vnde betûghen ôpenbâr in dessem brêue vôr all den yênen, de ene seen edder hôren lesen, dat vôr vns vnde

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vôr vnsem sitthende richte heft gewesen de êrbâre vrouwe vor Elzebe hern Hennynghes van Koningemarken hûsvrouwe vnde clâgede to deme iungen Volrade van Tzule, de nv inne heft dat slot Boyzenborch, dat er vôr eren brûdschat, als vôr vefteyn hundert mark lubescher penninghe, de se to synem brôdere Detleue van Tzule mede brochte, do se em gegheuen ward, dat se vôr vns vnde vôr vnsem richte witlik mâket heft, nên lifghedinghe edder weddeschat ghewyset edder worden were, alze er van rechte bôrde. To erer clâghe antworde de vôrbenômede iunghe Volrad van Tzule vnde segde, dat mid dessem nabenômeden gûde: Villan, Gallin, Grepen, Wendische Grepen vnde Granzin, dat se van den von Tzulen heft, were der vôrbenômeden vrouwen Elzeben all dat gescheen, dâr se recht ane is na deme landrechte, vnde dit swôr de vôrbenômede iunghe Volrad van Tzule sulf sôuede mid vpgerichteden vingeren to den hilligen, mid em swôren desse, nabenômeden sesse, alse Volrad van Tzule van Camyn, Hennyke van Tzule van Gudow, Volrad van Tzule van Gudow, Detlef van Tzule van Gudow, olde Heyneke van Tzule to Marsow vnde Herman van Tzule to Marsow, vnde wy Gherd Negendanke, Gherold Hasekop vnde Johan Axkow, riddere, to der tyd bysitthere by vnsem heren deme koninghe in deme richte alse dinglûde, hekennen vnde tûghen, an dessem brêue, dat dit aldus ghescheen is, als hîr vôr screuen steyt, beyde clâghe, antworde vnde êde, vnde hebben des to tûge mid vnses gnedighen heren des koninges ingesegele vnse ingesegele henghen lâten an dessen brêff, de ghegheuen vnde gescreuen is to Zwerin na godes bôrd drutteyn hundert iâr dâr na in deme ses vnde neghentichsten iâre, des sundâghes nêgest na sunte Lucien dâghe der hilgen iuncvrouwen.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer festen, klaren Minuskel. An Pergamentstreifen hangen 4 runde Siegel aus geläutertem, ungefärbten Wachs:

1) das Secretsiegel des Königs Albrecht, wie es in Lisch Meklenb. Urk. II, S. 165, Nr. XCI, beschrieben ist;

2) ein Siegel mit einem rechts gelehnten, quer getheilten Schilde, unter einem Helme mit einem bespornten Beine; Umschrift:

Umschrift
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3) ein Siegel mit einem längs getheilten Schilde, rechts mit zwei Hasenköpfen, links mit einer halben, längs getheilten Rebe, - dem maltzanschen Wappen; Umschrift:

Umschrift

4) ein undeutlich ausgedrücktes Siegel, auf welchem jedoch noch die zwei Scheeren des von axekowschen Wappens zu erkennen sind.

Am 25. Mai 1423 verschrieb der Herzog Albrecht seiner Gemahlin Margarethe, Markgräfin von Brandenburg, zum Leibgedinge ausser Schloss, Stadt und Land Wittenburg unter andern Gütern auch die

"vier dorpp als Villan, Grantzin, Greben vnd Gallin belegen an vnser vogedie czu Boytzenburg"

(vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. II, 3, S. 450) und am 14. Mai 1429 verschrieb die Herzogin Katherine von Meklenburg ihrer künftigen Schwiegertochter Dorothea, Markgräfin von Brandenburg, zum Leibgedinge Schloss, Stadt und Land Wittenburg und

"desse vier nascreuen dorppe alse Villan, Granczyn, Greben vnde Gallyn, beleghen in der vogedien to Boytczenborg, - - also wy de vorbenomden gudere vnde dorpe y vryest gehat vnde beseten hebben."

(Vgl. Riedel a. a. O. II, 3, S. 494.)


Nr. LV.

Der Rath der Stadt Röbel und die Meister des Wollenweberamtes zu Neu-Röbel errichten eine neue Zunftrolle für das Wollenweberamt.

D. d. Röbel 1463. Jan. 30.

Nach dem Originale im Archive der Kirche der Neustadt Röbel.


Vôr alsweme de dessen vnsen âpenen brêff szeen edder hôren lesen, bekenne wy borghermêstere vnde r ae tmanne der st ae t Robel de nu s ye n vnde vnsze nakômelinghe, dat wy myd wolbedachteghen môde, frîghen willen vnde êndracht, van bedes weghen der olderlûde, wêrkmêstere, ghildemêstere vnde meynen kumpânen des wullenwerkes to Nyghen Robel e e ns gheworden synt myd en in deme stôle des râdes vmme beteringhe willen vnser inwâner: Na deme mâle wy hebben de macht vnde priuilegium van den heren, wy vnser st ae t beste môghen seten, szo wille wy, dat e e ns meysters szône myd vns van deme werke vôrbenômet schal gheuen ên punt wasses in de ghilde vôr

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syne lêre, yssed sâke he des beghêret to lerende; ôk schal he dat werk êschen to drên tîden, alsze to drên vêrteyghen nach, dâr schal he mede vort kâmen. Ouer ên ander, de êns meysters kynt nicht enwêre, he wêre van bûten bâren offte bynnen van êrliken, frâmen lûden, êr he wert to ghestedet to lêrende bynnen Robel, szo schal he gheuen in de ghilde twee punt wasses, deme werke ên gr oe t vêrndêl b ee rs, deme mêstere vyeff lubesche mark, Wêret sâke dat werk vornême her nâm ae el, he m ye n nême, ofte vorfôren myd der warde, szo schal de mêster gheuen deme wer[ke] vyeff lubesche mark to brôke, vnde schal wesen twee yâr in der lêre, . . . het nicht, szo dat he myd vnwillen van deme mêstere quême wysselken, me schal em des werkes wegheren. Ok schal he yâr vnde dach ghewandert hebben in der lêre myd bewîsinghe; were deme szo ôk nicht enschêge, he schal dat vorbôten myd êner tunne bêrs. Vnde wen dat werk boghêret ofte êschet, dat schal he dôn bynnen êneme yâre alsze to veer tyden des yâres; yff de êschinghe szo nicht enschêge vnde vorsûmede, szo schal he dat van nygh vp êschen, szo vôrscreuen steyt. Ok schal he van vnberuchteghen, êrliken, frâmen lûden vtghekâmen wesen vnde ghebâren van alle synen v ee rânen, de nicht wendes, nicht lynenwefers, nicht pypers, nicht êghens synt ghewesen, szo syk dat bohôret in ên werk. Des to oe rkunde hebbe wy vnser st ae t ingheszeghel hengen lâten vôr dessen vnsen âpenen brêff, de gheuen vnde screuen ys na der b oe rt Cristi v ee rteyghenhundert yâr dâr na in deme dree vnde szostighesten yâre, des szondâghes vôr purificacionis Marie virginis.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer flüchtigen Minuskel. Das an einen Pergamentstreifen gehängt gewesene Siegel ist abgerissen.

Man vgl. oben das Privilegium vom 6. Jan. 1291.


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Nr. LVI.

Jörg vom Stein von Lindow verpflichtet sich gegen die Herzoge Magnus und Balthasar, sein Leben lang in ihren Landen zu bleiben, nachdem ihm die Herzoge eine freie Behausung zu Sternberg und das Burglehn zu Lenzen verliehen haben.

D. d. Güstrow. 1498. Mai 28.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Ich Jorg vom Steyn von Lyndow bekenne offenlich vnd thun kunt allermenigklich mit diesem briue, als mir die durchleuchtigen, hochgebornen fursten vnd heren heren Magnus vnd Balthasar hertzogen zu Meckelnburg, fursten zu Wennden, grauen zu Swerin, der land Rostock vnd Stargarden etc. heren, meyne gnedigen heren, eyn frey behawsung zum Sternberg belegen, so etwan Hennicke Bass gewesen, gegeben haben, vnd darzu das burgklehen zu Lenszken mit aller seyner zugehore vorliehen vnd verschrieben, alles laut irer gnaden briefe vnd sigell mir daruber behendigt, hierumb so gered vnd versprich ich, den gedachten fursten meyn lebenlang bey iren gnaden vnd in iren gnaden landen zu bleyben, alles in krafft disz, vnd des zu vrkund vnd guter sicherheyt hab ich vorgenannter Jorg vom Steyn meyn eygen insigel an diesen briue thun hencken, der geben ist zu Gustro, auf montag nach dem sontag Exaudi, anno etc. LXXXXVIII.

Nach dem Originale, auf Pergament, in Cursiv. An einem Pergamentstreifen hängt ein rundes Siegel mit einem Schilde mit einem Querbalken, auf welchem rechts ein vielstrahliger, links ein sechstrahliger Stern steht, unter einem Helme mit einem ausgebreiteten Federbusche, auf welchem das Schildzeichen liegt; Umschrift:

Umschrift

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Nr. LVII

Das Kloster Dargun und Claus von Kardorf auf Grantzow setzen sich wegen des Gutes Pennekow auseinander.

D. d. Dargun. 1508. Oct 28.

Nach dem Originale im grossherzogl. mekl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Im iâre dûszent vîffhundert achte, amme dâge Simonis vnd Jude der hillgnn apostell, sint bynnen dem clôster Dargun inn des ernn abbts kemenathnn de êrwerdige er Theodericus, abbt des zulfften clôsters, vnd de êrbâre, wollduchtige Clawes Kerckdorp, erffzetenn to Grantzow, in iegenwerdicheit der werden, êrbâren vnd wollduchtigenn ern Christianus Ane, prawestes tôr Verchen, Jacob Leuetzowes, erffmarschalkes des landes to Wenden, erffzetenn to Schorrentin, vnd Hennyngh Hoben, erffzetenn to Wastkow, persônlich erschênen, hebbenn alle rekenschop der iârliken tynszer, bêde vnd hundekornes, aller herlicheit vnd gerechticheit vnd dynstes haluen, wes Clawes Kerckdorp vnd zyne brôder hebben imme dorpe Pennecow, togebracht vnd ôuergelecht vnnd hebbenn rekende befunden hundert vnd veer mark sundescher wêringe iârlike tynszer, dâr inn affgerekent ist imme tzummen der betâlynge Clawes Kerckdorpe woll betâlet twê dûsent marck, worbâuen will vnd schall de Er van Dargun Clawes Kerckdorpe vp Martini nêgestanstânde dree dûszent vnd twê hundert marck zundesch ganckbârer munte betâlenn; hîr mit isz Clawes Kerckdorpe vull, gantz vnd alle betâlet alle gerechticheit vnd herlicheit, wat nhâmen de men nhômen mach, dênst, bêde vnd hundekorne, wo de brêff dâr vp vorzegellt wîder mitbringet, wes he ifft zyne brôder imme dorpe Pennecow hebben. Desse tzedell isz gegeuen inn eyne gedechtnissze, dath in tokâmenden tîden der wegenn rekenschop to mâkende nycht vonn nôden wert zynn. Des tho ôrkunde isz eyn tzedell vth dem anderen gesnedenn.

Nach dem Originale, auf einem halben Bogen Papier, welcher aus einem Bogen herausgeschnitten ist, ohne Siegel.

 

Vignette
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Inhalt:

B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.

 


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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Zeit der Hünengräber.


Hünengrab von Stuer, Nr. 1.

Bei der Aufgrabung des Begräbnißplatzes von Sukow am plauer See (vgl. unten) waren an einem Nachmittage mehrere Badegäste aus Stuer gegenwärtig. Einige dieser Herren faßten den Entschluß, nach ertheilter Erlaubniß von Seiten des Herrn Gutsbesitzers Hagemeister auf Stuer, eigenhändig einige Gräber zu Stuer zu untersuchen. Ihre erste Unternehmung war, von einem Hünengrabe, das noch unversehrt und mit 2 großen Decksteinen belegt war, den einen Stein abzuwälzen und von oben in das Grab hinein zu graben. Die Kiste war mit mächtigen Steinen umstellt und mit sehr lehmhaltiger Erde angefüllt. In einer Tiefe von 4 Fuß hatten sich Kohlen und Knochenfragmente gezeigt, so wie mehrere gespaltene rothe Sandsteine, auch flache Stücke Granit zum Vorschein gekommen waren; zugleich zeigte sich ein aufrecht stehender, gespaltener Stein, welcher auf eine Abtheilung nahe dem Urboden deutete. Diese Umstände, und daß sie (wie sehr natürlich) keine solche Masse von Urnen, wie sie zu Sukow gesehen hatten, hier vorfanden, bewog sie, mit ihrer Untersuchung inne zu halten und mich davon in Kenntniß zu setzen. - Im Interesse des Vereins erkannte ich die Nothwendigkeit, mich sogleich nach Stuer zu begeben, und während ich die Herren an der Grabstelle belehrte, daß in solchen Hünengräbern hauptsächlich Steinwaffen zu suchen und solche vielleicht aus Unkunde schon mit der Erde hinausgeworfen seien, fand in der frisch ausgeworfenen Erde der hiesige Küster Herr Rubach eine Pfeilspitze aus Feuerstein, ich selbst entdeckte eine noch unten im Grabe liegende und noch einer der Anwesenden fand in dem Auswurfe eine dritte Pfeilspitze, der aber die

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Schaftzunge fehlt. Zugegen waren dabei die Herren: Pastor Mussehl aus Kotelow, Bau=Conducteur Krüger aus Plau, Advocat Lemcke aus Retzow, Wasserarzt Kahl zu Stuer, Küster Lange aus Karbow und Küster Rubach aus Vietlübbe. Darnach schien das Grab noch mehr zu versprechen, und um zugleich auch andere dortige Gräber nicht von unkundigen Händen durchgraben zu lassen, so wie den Steinbrechern zuvorzukommen, welche für Chausseen Steine in der Nähe des plauer Sees und besonders bei Stuer ausbrachen, ließ ich meine Arbeiter von hier dahin gehen und leitete die Aufgrabung selbst für den Verein. - Das Grab hatte innerhalb der Steinsetzung einen Raum von 8 Fuß Länge von Osten nach Westen und 5 Fuß Breite; im Norden und Süden standen 2, in Osten und Westen ein Stein; von den beiden Decksteinen war der westliche abgewälzt. Die sehr lehmhaltige Erde war in der Steinkammer bis an die Decksteine 5 Fuß hoch über dem Urboden angehäuft; im Grabe war über dem Urboden eine Steinsetzung von gespaltenen Steinen 1 Fuß hoch und 2 Fuß vom westlichen Ende queer durch das Grab; in dieser westlichen Abtheilung waren die Pfeilspitzen ausgegraben. - Nachdem die ausgeworfene Erde noch einmal genau untersucht war, ließ ich von Westen aus, weil hier schon bis zum Boden hineingegraben, auch der Deckstein hier abgewälzt war, weiter graben, wobei die Erde in der Tiefe immer lehmhaltiger ward, so daß sie nahe am Urboden beinahe aus reinem Thon bestand. Ganz nach Osten hin zeigten sich Scherben einer Urne ohne Verzierung in einer Höhe von 2 Fuß über dem Boden und etwas darunter Reste eines menschlichen Schädels, dann aber erst, über dem Urboben 3 Fuß vom östlichen Ende in der ganzen Breite des Grabes, eine Brandstelle, die also 3 Fuß breit und 5 Fuß lang war. Diese Stelle war mit kleinen Steinen, besonders ausgeglüheten Feuersteinen bedeckt, bestand aus einer übel riechenden, schmierigen, mit Asche und Kohlen durchmischten Masse und war kaum von der darüber liegenden Thonschicht zu trennen. 1 1/2 Fuß von Osten und eben so weit von Norden lag auf der Brandstelle eine durchbohrte Streitaxt, aus Hornblende, wie Frid. Franc. Tab. I, Fig. 2, und ganz in der nordöstlichen Ecke war eine Urne ohne Verzierung, ganz wie die vorher in Bruchstücken gefundene; sie lag mit der Oeffnung gegen Süden und war fest in Thon gepackt, daß ich sie herausschneiden mußte; ihr Inhalt war thonigte Modererde, stark mit Asche vermischt. Die Urne ist 6 3/4 Zoll hoch, hat eine Basis von 2 3/4 Zoll, eine Bauchweite von 6 1/4 Zoll und eine Oeffnung von 5 Zoll im Durchmesser. - Für Naturforscher die Bemerkung: in der Nähe der Urne hatte eine Kröte

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eine kreisrunde, flache Höhlung ohne Oeffnung, weder seitwärts, noch nach oben; der feste Thon gestattete auch kein Eindringen von Seiten des Thieres; sie lebte, aber zeigte große Unempfindlichkeit beim Berühren und suchte weggestoßen ihr altes Lager immer wieder auf; über die Zehen des rechten Vorderfußes hing lose trockene Haut. Schon früher habe ich in der Tiefe von Kegelgräbern Kröten getroffen; sie starben gewöhnlich innerhalb 24 Stunden. - Nach außen war das Grab zwischen den großen Steinen mit flach gespaltenen, besonders rothen Sandsteinen, welche über einander geschichtet waren, so fest verpackt, daß nichts hineindringen konnte; auch war außerhalb die Erde fast kreisförmig angehäuft, so daß nur die Spitzen der großen aufrecht stehenden Steine sichtbar waren. Diese großen Steine aus festem Granit waren nach innen flach. Weiter fand sich in dem Grabe nichts. Die Lage des Grabes ist südlich von der südlichen Spitze des plauer Sees, auf einer Anhöhe, die sich nach Norden dem See zu abdacht. Einige hundert Schritte westlich liegt ein 7 Ruthen langes Hünengrab.

Vietlübbe, im Julius 1847.

J. Ritter.     

Hünengrab von Stuer, Nr. 2.

Etwa 300 Schritte westlich von dem aufgedeckten Hünengrabe Nr. 1 war ein mit Steinen eingefaßter Hügel von etwas ovaler Rundung, dessen längster Durchmesser von Südwesten nach Nordosten sich erstreckte. Mitten in diesem Hügel lag eine Steinkiste, aus 6 Steinen aufgesetzt und mit 2 Decksteinen belegt. Die innere Länge von Südwesten nach Nordosten maß 7 Fuß, die Breite 4 Fuß; auch war diese Kiste bis unter die Decksteine inwendig mit Sand 6 Fuß hoch gefüllt; die Tragsteine waren von außen 3 Fuß hoch mit Erde angeschüttet. Nach Wegnahme der Decksteine zeigten sich die Fugen der Tragsteine sorgfältig mit gespaltenen rothen Sandsteinen ausgesetzt. Zwischen dem Sande im Grabe zeigten sich keine Spuren von Alterthümern; nur am Grunde waren zwischen einer dünnen Schicht von grobem Kies auch viele ausgeglühete Feuersteine und in der Ecke zwischen der kurzen nordöstlichen und der längeren südöstlichen Seite lag ein schön gearbeiteter, scharf geschliffener Keil aus Feuerstein. Außerhalb der Kammer ließ ich ebenfalls den Hügel untersuchen, aber ohne Erfolg.

Hünengrab von Stuer, Nr. 3.

Oestlich von dem Hünengrabe Nr. 1 liegt ein Hünengrab oder Riesenbett von 7 Ruthen Länge, eingefaßt von mächtigen, aber mehr runden als langen Granitblöcken, auf einer natür=

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lichen Anhöhe. Die innere Breite zwischen den Steinen von Norden nach Süden mißt 10 bis 12 Fuß und ist der Sand verkehrt muldenförmig 3 bis 3 1/2 Fuß über dem Urboden angehäuft. Durch ebenfalls große Granitblöcke war am östlichen Ende eine Länge von 12 Fuß von dem übrigen Grabe zu einer Art Kammer abgesondert, und grade in der Mitte des übrigen längeren Theiles lag queer über dem Grabe ein großer Stein von ungefähr 6 Fuß Länge und 4 Fuß Breite, auf dem oben und zu beiden Seiten queer über eine Rinne 1 Zoll tief und 2 Zoll breit läuft, offenbar künstlich gearbeitet, da sie weichere und härtere Stellen des Granits gleichmäßig durchschneidet. - In dem sorgfältig untersuchten Grabe fanden sich nur hin und wieder Bruchstücke von Urnen, sonst aber weder Spuren von Brand, noch Reste von Knochen; auch keine gespaltene Sandsteine. Ueberhaupt scheinen in den mit bloßem Sande aufgeworfenen Hünengräbern solche Ueberreste der ursprünglichen Bestattung, welche der Verwesung leicht unterliegen, z. B. Holz, nicht gebrannte Knochen u. dgl., selten gefunden zu werden.

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Hünengräber von Stuer, Nr. 4, 5, 6.

Grade östlich von dem vorigen längeren Hünengrabe lagen in einer und derselben Richtung drei Steinkisten, unter einander und von dem Hünengrabe ungefähr 30 Schritte enfernt. Der Bau derselben war ganz gleich. Die längeren, von Norden nach Süden laufenden Seiten waren aus 2 inwendig ziemlich graden Tragsteinen, die kürzeren Seiten aus einem einzigen Steine gebildet; sie schlossen einen Raum von 7 Fuß Länge und 4 Fuß Breite ein; darin waren sie also mit dem Hünengrabe Nr. 2 übereinstimmend, wichen aber dadurch ab, daß sie nicht von Hügeln umgeben waren. Die Decksteine fehlten allen drei Grabstätten. Hier fanden sich allenthalben die gespaltenen rothen Sandsteine, auch über dem Urboden eine Schicht kleiner Steine, mit weißen Feuersteinen untermischt, aber keine Knochen und keine Steinwaffen. In der mittleren dieser drei Kisten war aber 1 Fuß über dem Urboden eine ganze Lage von Urnenscherben, deren innere Seite nach unten lag, mit Sorgfalt gelegt. Es war ganz dieselbe Erscheinung wie in dem Hünengrabe von Moltzow Nr. 4 (Jahrb. X, S. 265), nur daß hier zu Stuer die Urnenscherben durchaus ohne Verzierung und aus grobkörniger Masse bereitet waren. Schließlich bemerke ich noch, daß diese Aufdeckungen nöthig waren, weil hier die Steine, die sich irgend zu Tage liegend zeigen, durch die Arbeiter des Kaufmanns Herrn Daries zu Plau ausgebrochen werden, um zu Chausseebauten verwandt zu werden.

Vietlübbe, im August 1847.

J. Ritter.     

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Hünengräber von Klink.

Beim Bau der Chaussee von Röbel nach Waren wurden auf der Feldmark des Gutes Klink bei Waren sehr viele Begräbnisse aller Art zerstört. Der Gutsbesitzer Herr Kähler konnte nur mit großer Mühe etwas von dem Inhalt der Gräber retten; man vgl. unten bei den Kegelgräbern. Außer mehreren Alterthümern aus Kegelgräbern gelang es ihm auch, einige steinerne Alterthümer zu gewinnen, welche an einer andern Stelle in Urnen gelegen hatten, welche aber alle zertrümmert waren; die Auffindung auf Begräbnißplätzen und in Urnen ist jedoch sicher. Herr Kähler schenkte dem Vereine aus diesem Funde:

eine Streitaxt aus Hornblende, wie Frid. Franc. Tab. XXVIII, Fig. 6, mit erhabenen Streifen facettirt;

einen ganz kleinen Keil aus grauem Feuerstein, nur 2 3/4"lang, 1 1/2" breit und 3/4"dick;

einen vielleicht zu einer Halschmuckperle benutzten Feuerstein, von rundlicher Gestalt und weißgelber Farbe, dem Ansehen nach einem Opal ähnlich und sehr fettig und ganz glänzend, ungefähr 1 1/2" im Durchmesser, von Natur durchaus regelmäßig, aber nicht glatt durchbohrt, ohne Zweifel durch Verwitterung eines eingeschlossen gewesenen Belemniten.

G. C. F. Lisch.     

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Hünengrab von Vietlübbe.

Auf der Feldmark von Vietlübbe, A. Lübz, nicht weit von dem Wege nach Plau, liegen mehrere, zum Theil wohl schon früher durchgrabene und durchsuchte Hünengräber. Eins derselben, welches freilich ohne Deckstein, aber zwischen den aufrecht stehenden Granitpfeilern noch gut mit Erde über dem Urboden angefüllt war, ließ ich, da die Steine zu anderweitigem Zwecke ausgebrochen werden sollten, untersuchen. Unter einer Erddecke von 3 Fuß Höhe zeigte sich eine mit vielen, kleinen, weiß und röthlich ausgeglüheten Feuersteinen belegte und untermengte Brandstelle, aber keine Spur von Urnen. Der Raum zwischen den Steinen betrug 6 Fuß in der Länge von Nordost nach Südwest, in der Breite aber 5 Fuß. Etwa 1/2 Fuß über der Brandstelle fand sich nahe an einem der südlichen, aufrecht stehenden Steine ein etwas hohl geschliffener Keil aus Feuerstein. Weiter fand sich keine Spur von Alterthümern; auch die gespaltenen Sandsteine fehlten.

Vietlübbe, den 17. Junius 1847.

J. Ritter.     

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Hünengrab von Rothenmoor.

Auf dem an Moltzow grenzenden Gute Rothenmoor bei Malchin, an einem Berge an dem Gr. Stüder=See, ward im J. 1847 ein schon zerstörtes Hünengrab abgetragen. In demselben fanden sich nur die von dem Reichsfreiherrn Albrecht Maltzan auf Peutsch eingereichten Scherben von zwei gänzlich zertrümmerten Urnen, welche jedoch dadurch merkwürdig sind, daß sie den zu Moltzow ausgegrabenen, in Jahresber. VI, S. 135 beschriebenen und in Jahrb. X, S. 254 - 256, a. b.c. abgebildeten Urnen an Arbeit, Form und Verzierung völlig gleich sind, namentlich in den zur Verzierung angewandten Gruppen senkrechter Parallellinien, also unzweifelhaft aus derselben Zeit und Werkstätte stammen.

G. C. F. Lisch.     

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Steinalterthümer aus dem Torfmoor von Rogahn bei Schwerin.

Der Herr Gymnasiallehrer Dethloff zu Schwerin hat dem Vereine folgende steinerne Alterthümer geschenkt, welche sämmtlich in dem großen, in der Nähe von Schwerin bei Rogahn und andern Dörfern liegenden rogahner Torfmoor gefunden sind:

1 Keil aus Grünstein, 6 3/4" lang und 1 1/2" dick, von ganz ungewöhnlichen Formen: das Ganze ist überall geschliffen und plattrund abgeschliffen, in elliptischem Durchschnitt; das Bahnende läuft spitzig aus; das Beilende ist 2 1/4" lang und 1" dick stumpf abgeschnitten und geschliffen.

1 Keil aus dunkelgrauem Feuerstein, 7" lang, dünne, platt und breit.

1 Keil aus hellgrauem Feuerstein, 6" lang, 1 1/2" dick in der Mitte.

1 Keil aus hellgrauem Feuerstein, 4" lang.

1 Dolch aus hellgrauem Feuerstein, 8 1/4" lang, mit viereckigem Griff.

1 Dolch aus hellgrauem Feuerstein, 5 1/2" lang, ebenso.

1 Lanzenspitze aus bräunlichem Feuerstein, 4 1/2" lang, mit plattem Schaftende.

1 Pfeilspitze aus hellgrauem Feuerstein, 3 1/2" lang, roh zugehauen.

1 Paar halbmondförmige Messer aus hellgrauem Feuerstein, 5 1/4"und 4 1/4" lang.

1 Paar halbmondförmige Messer aus dunkelgrauem Feuerstein, das eine 3 1/4" lang, das andere zerbrochen 2 1/2" lang.

G. C. F. Lisch.     

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Streitaxt von Kambs.

Der Herr Pächter Krüger zu Kambs bei Wredenhagen lieferte zu der großherzoglichen Alterthümersammlung eine steinerne Streitaxt, welche auf der Dorfstätte von Kambs gefunden ist. Diese interessante Axt ist von gewöhnlicher Form, aus Hornblende, nicht polirt und noch nicht völlig durchbohrt, also noch nicht fertig; die Bohrung des Loches durch die 1 1/2" dicke Axt ist von beiden Seiten geschehen, fast vollendet, indem jedes Loch beinahe 3/4" tief ist, und geht trichterförmig hinein. Die Bohrung ist zwar ziemlich regelmäßig; man sieht es aber deutlich, daß sie mit großer Mühe, vielleicht durch Reibung mit einem steinernen oder hölzernen Pflock durch Hülfe von Sand, bewerksteligt ist, indem der obere Rand der Löcher durch die häufigere Reibung nicht scharf und regelmäßig ist.

Die von dem Vereine mit zuverlässigen Nachrichten gesammelten nicht vollendeten Streitäxte sind alle trichterförmig angebohrt, z. B. die Streitaxt aus dem Hünengrabe von Malchin (vgl. Jahresber. VI, S. 31 - 32), die Streitaxt aus dem Hünengrabe von Lage (vgl. Jahrb. IX, S. 369) und die Streitaxt von Neu=Bauhof Stavenhagen (vgl. den folgenden Bericht); ebenso sind auch die in der großherzoglichen Sammlung befindlichen Streitäxte trichterförmig angebohrt, mit Ausnahme einer einzigen, welche mit einem hohlen Cylinder angebohrt ist und in einem eingeschliffenen Ringe einen Zapfen stehen hat (vgl. Frid. Franc. Erläut. S. 110 - 111).

G. C. F. Lisch.     

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Streitaxt von Neu=Bauhof Stavenhagen.

Der Herr Schornsteinfegermeister Heinroth zu Stavenhagen fand beim Neuen Bauhof bei Stavenhagen eine angefangene Streitaxt aus Hornblende, die er dem Vereine schenkte. Dieses interessante Stück bildet einen regelmäßigen, überall gleich dicken Keil, in der Gestalt eines Bolzens eines Plätteisens oder eines Dreiecks von 7" Höhe und 2 3/4" Basis, ist in der ganzen Breite 1 3/4" dick und überall geebnet; die Bohrung des Schaftloches ist erst von einer Seite begonnen und besteht hier aus einer trichterförmigen oder fast halbkugelförmigen, regelmäßigen Vertiefung von etwa 3/8"; an der entgegengesetzten Seite ist keine Spur von einer Bohrung zu finden (vgl. den voraufgehenden Bericht).

G. C. F. Lisch.     

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Streitaxt von Bützow.

Eine Streitaxt aus Hornblende ward von dem Herrn F. Seidel zu Bützow geschenkt. Sie soll vor mehreren Jahren bei Bützow vor dem rostocker Thore bei dem Armenkirchhofe auf dem Kampe, wo ein Kloster (zuerst die Elisabethkirche, dann das St. Georgenhospital, nach Jahrb. VIII, S. 5) gestanden haben soll, unter Bauschutt tief aus der Erde ausgegraben sein.

Keil aus Hornblende von Bützow.

Ein Keil aus Hornblende, 5 3/4" lang, überall geschliffen und an der Schneide glatt nachgeschliffen, ward gefunden auf dem Freiensteinsberge bei Bützow (vgl. Jahrb. VIII, S. 4, und IX, S. 404) im J. 1845 beim Kartoffelausgraben, und geschenkt von dem Herrn F. Seidel zu Bützow.

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Keile aus Hornblende von Güstrow.

Bei Güstrow wurden im Moor bei Erdarbeiten gefunden und von dem Herrn Ober=Inspector von Sprewitz geschenkt:

1 Keil aus Hornblende, mit spitzigem Bahnende, sehr regelmäßig gearbeitet und an der ganzen Oberfläche stark verwittert, und

1 Keil aus Feuerstein.

Aus der Gestalt dieses Keils aus Hornblende, welcher sich mehr der Gestalt der nordischen Keile nähert, möchte sich schließen lassen, daß die Keile aus Hornblende oder Grünstein, welche in Meklenburg sehr selten gefunden werden, entweder eingeführt oder, was wahrscheinlicher ist, in Kämpfen von Fremden verloren sind; diese Keile sind, so viel bekannt geworden, noch nie in heimischen Gräbern gefunden, während Keile aus Feuerstein in Meklenburg in überaus großer Zahl überall vorkommen; die Keile aus Hornblende, deren die schweriner Sammlungen kaum ein Dutzend besitzen, während die Keile aus Feuerstein zu Hunderten gezählt werden, sind alle einzeln gefunden. Vgl. die nächstfolgende Einsendung.

G. C. F. Lisch.     

Keil aus Hornblende von Güstrow.

Ein Keil aus Hornblende, überall geschliffen, ward gefunden bei Güstrow an der Nebel im Moor bei Anlegung des Bahnhofes und geschenkt von dem Herrn Stadtbuchhalter Scheel zu Güstrow. Der vom Hrn. Ober=Inspector v. Sprewitz eingesandte Keil ist diesem sehr ähnlich, jedoch am Bahnende spitzer. Vgl. die voraufgehende Einsendung.

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Keil von Schwan.

Ein Keil aus Feuerstein, bräunlich, überall trefflich geschliffen, halb durchgeschlagen, gefunden im J. 1845 bei Schwan auf dem Kammerberge unter Steinen, beim Steinsprengen, also wahrscheinlich unter einem Hünengrabe, erworben und geschenkt von dem Herrn F. Seidel zu Bützow.

Im J. 1847 ward zu Mirow, A. Schwerin, beim Ziehen von Gräben, tief im Torfmoor, auf dem Sandboden unter der Torfschicht, durchaus ganz derselbe Keil sowohl an Gestalt, Größe, Färbung, Schleifung etc. . gefunden. Abgesehen von den verschiedenen Perioden innerhalb der Steinzeit scheint aus der verschiedenen Gestalt und Bearbeitungsweise der Keile hervorzugehen, daß die verschiedenen Keile zu verschiedenen Zwecken angewandt wurden.

G. C. F. Lisch.     

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Halbmondförmiges Messer von Retzow.

Auf einem steinigten Sandhügel zwischen dem Hofe und Dorfe Retzow, A. Lübz, wo mancherlei Bruchstücke von Feuersteinmessern häufig vorkommen und eine Fabrik derselben vermuthen lassen, fand der Herr Abvocat Lemcke zu Retzow ein halbmondförmiges Messer aus Feuerstein, welches er dem Vereine zum Geschenke machte.

Vietlübbe, 1847.

J. Ritter.     

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Schleuderstein (?) von Schorssow.

Der Herr Schornsteinfegermeister Heinroth zu Stavenhagen hat dem Vereine einen jener räthselhaften Scheiben oder sogenannten Schleudersteine geschenkt, den er auf dem Felde von Schorssow am malchiner See fand. Der Stein, von röthlichem Hornstein, ist wie gewöhnlich und ganz regelmäßig gestaltet, wie Frid. Franc. Tab. XXVII, Fig. 20; er hat die Gestalt einer dicken, abgerundeten Scheibe von 2 3/4" Durchmesser und 2 3/8" Dicke, an jeder breiten Seite eine runde Vertiefung und um den äußersten Rand eine Rille, in welcher man deutlich eine glatte Ausschleifung durch eine Schnur erkennen kann. An einer Seite sind zwei Sechstheile der convexen Oberfläche neben einander zu zwei ebenen Flächen glatt abgeschliffen; an der andern Seite ist dem einen der beiden Sechstel gegenüber ein anderes Sechstel eben so glatt geschliffen; eben so ist zwischen diesen beiden Flächen die Rille glatt weggeschliffen, so daß der Stein in verschiedenen Zeiten zu verschiedenen Zwecken gebraucht zu sein scheint. - Vgl. Jahrb. XII, S. 405.

G. C. F. Lisch.     

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Wetzstein von Faulenrost.

Zu Faulenrost, südlich von Malchin, wo früher sehr viele Hünengräber gestanden haben sollen und noch einige stehen, fand der Herr Schornsteinfegermeister Heinroth zu Stavenhagen an der Stelle eines zerstörten Hünengrabes einen griffelförmigen Wetzstein, den er dem Vereine schenkte. Der Stein ist aus dunkelbraunem Kieselschiefer, glatt, viereckig, 4 3/4" lang und ungefähr 3/8" dick, auf einer Fläche etwas ausgeschliffen und an einem Ende durchbohrt.

G. C. F. Lisch.     


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b. Zeit der Kegelgräber.


Kegelgräber von Sukow.

Der Herr Gutsbesitzer Zollenkopf auf Sukow am plauer See ließ mir am 11. Mai d. J. melden, daß er beim Ausbrechen von Steinen auf seinem Gute alte Gräber und in denselben schon einige Alterthümer gefunden habe; er habe einstweilen die Leute an einer andern Stelle beschäftigt und lade mich ein, im Interesse des Vereins zu ihm zu kommen. Dieser Aufforderung folgend begab ich mich sogleich dorthin und fand einen Raum von 153 Quadratruthen ganz mit kleineren und größeren kegelförmigen Steinhügeln bedeckt, ähnlich den Plätzen zu Liepen und Vietlübbe; auch die gefundenen Bronzesachen wiesen hin auf die Bronzezeit der Kegelgräber. Da ich wegen der bevorstehenden Festtage nicht sogleich dort bleiben und die weitere Aufdeckung leiten konnte, so verhieß mir der Herr Zollenkopf den Ort in dem gefundenen Zustande, da die nördliche Hälfte noch nicht durchgraben war und nur zwei Gräber offen standen, bis zu meinem Wiederkommen nach dem Pfingstfeste unberührt zu lassen.

Am Tage nach Pfingsten begab ich mich wieder nach Sukow und fand hier das eine Grab, eine Steinkammer von 2 Fuß Breite und 5 Fuß Länge, worin 6 Urnen standen, mit einer Einfriedigung und einem verschlossenen hölzernen Deckel durch Herrn Zollenkopf versehen; er wünschte dies eine Grab und die Urnen ununtersucht zu bewahren, will die Stelle mit Bäumen umpflanzen und einen Stein mit der eingehauenen Inschrift: Germanengräber, aufgedeckt 1847 daneben aufstellen. In die andere offen stehende Steinkiste waren rohe Menschen hineingesprungen und hatten die Urnen zertrümmert; doch war der Inhalt derselben noch unversehrt vorhanden, auch ließen sich die 5 darin stehenden Urnen noch unterscheiden. Es fand sich in denselben an Bronzesachen:

a. eine gebogene, in der Mitte viereckige Nadel, mit einem Knopfe, worauf 4 concentrische Kreise;

b. ein Ring von 1 Zoll innerer Weite.

Es standen noch zu untersuchen 5 größere Hügel; sie hatten einen Durchmesser von 12 bis 8 Fuß; in der Mitte fand sich überall eine Steinkiste von 2 Fuß Breite und 2 bis 6 Fuß Länge. Eine bestimmte Richtung war bei Anlegung dieser

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Steinkisten nicht beobachtet; einige lagen der Länge nach von Nordosten nach Südwesten, andere von Südosten nach Nordwesten und noch andere von Süden nach Osten; doch war eine Seite immer mit kleineren Steinen zugesetzt, welche wahrscheinlich zur Einsetzung späterer Graburnen geöffnet war, und offenbar waren die am entgegengesetzten Ende stehenden Urnen, also die älteren, zusammengeschoben, so daß sie fast alle zerdrückt waren. Die Zahl der Urnen in einer solchen Kiste betrug 1 bis 6. Wo mehrere Urnen standen, fand sich stets eine oder zwei nur mit Asche angefüllt. Alterthümer waren nur in den Knochenurnen, wo sie bald über, bald unter den Knochen lagen. Alle Kisten, mit Ausnahme der, worin die unten erwähnte Schachtel stand, waren unter der Oberfläche des Bodens angelegt; jede Urne stand auf einem kleinen Steine; die Kiste war dann mit mehreren flachen Steinen zugedeckt und gewöhnliche Dammsteine waren einige Fuß hoch darüber angehäuft. Die Kiste, in welcher die Schachtelurne mit 4 anderen Urnen stand, war über der Erde angelegt und unter den Urnen war ein durch die ganze Kiste gelegter Steindamm. - Die Urnen waren von sehr verschiedener Form, Größe und Farbe, doch keine, welche besonders von den sonst in Kegelgräbern beobachteten abweicht. Die größte Urne war von 18 Zoll Bauchweite. Die hellen Urnen waren die haltbarsten. Alle waren mit schalenförmigen Deckeln versehen. Mehrere Urnen hatten am Bauche die Jahrb. XI, S. 363 beschriebene Verzierung von abwechselnd erhabenen und vertieften, schräge rechts laufenden Schwingungen. Die ziemlich gut erhaltenen Urnen sind folgende:

1) eine Schachtelurne, fast viereckig mit abgerundeten Ecken, flachem Boden und aufrechtstehenden Wänden. Die Länge ist 17 1/2 Zoll, die Breite 9 1/2, die Höhe 6 Zoll. Darüber war ein gleichfalls flach und ähnlich geformter Deckel mit senkrecht überfassendem Rande.

2) eine Urne, ähnlich der im Frid. Franc. V, 2 abgebildeten, 8 1/4 Zoll hoch, oben 6 3/4" weit, im Bauche 10", in der Basis 3 1/2" im Durchmesser haltend.

3) eine Urne, wie die Jahrb. XI, S. 356 abgebildete, von 8 1/2" Höhe, 6" im Bauche und 5 3/4" in der Basis weit.

4) eine kleine Urne mit scharfem Bauchrande und 2 durchbohrten Knötchen daran; sie ist 3" hoch, oben 3 1/2", im Bauche 4 1/2", in der Basis 1 3/4" weit.

5) eine Schale, grade wie die übrigen Deckel der Urnen, als Urne benutzt und nur mit Asche gefüllt, hat auf dem Rande schräge eingedrückte Schwingungen und ist mit einem Henkel versehen.

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6) ein schalenförmiger Deckel mit einem Henkel. Die Höhe der Schale ist 4", der Rand im Durchmesser 15 3/4" und die Basis 5" weit.

Die Steinkiste, in welcher die schachtelförmige Urne stand, lag fast in der Mitte des Platzes, etwas nach Südosten abweichend, enthielt 5 Urnen, nämlich 2 Aschen= und 3 Knochengefäße.

In der Schachtelurne lagen folgende Alterthümer aus Bronze:

c. eine Sichel mit rückwärts gebogener Spitze und einem Knoten am hintern Ende; sie ist nur 4 1/2" lang und schwach gerostet;

d. eine Pincette, an den breiteren Flächen nach der Oeffnung mit je 3 Eindrücken von innen nach außen versehen;

e. ein Scheermesser, das untere drathförmige Griffende rückwärts gebogen, wie Frid. Franc. XVIII, 15;

f. ein Doppelknopf.

Eine andere Urne enthielt:

g. einen Ring aus Bronze, inwendig 3/4" weit.

Die dritte Urne enthielt keine Alterthümer.

Ein anderer Hügel enthielt nahe an der Steinkiste, etwas seitwärts eine zertrümmerte Urne mit folgenden Bronzesachen:

h. eine Pfeilspitze mit Schaftzunge, 3" lang, mit edlem Roste bedeckt;

i. die Hälfte einer Heftel, nämlich eine volle, runde Platte (ohne Spiralwindungen) mit gravirten Linien und Halbkreisen verziert, woran ein Zapfen zum Einbiegen der Nadelspitze sitzt, und die Hälfte des Bügels, mit Strichen und Puncten verziert. Die andere Hälfte der Heftel war nicht vorhanden; der Bruch ist alt.

Die Kiste selbst enthielt 4 Urnen, von denen die eine mit Asche, die übrigen mit Knochen gefüllt waren. Nur in einer der letzteren fanden sich aus Bronze

k. eine schon vor der Beisetzung abgebrochene Messerklingenspitze von 2 1/2 Zoll Länge;

l. ein Handring mit umgebogenen Enden, in der Mitte aus gewundenem Drath, wie sonst die Halsringe und goldenen Handringe gearbeitet sind.

Ein dritter Hügel enthielt unter den Steinen nahe an der Kiste die Hälfte eines muldenförmig ausgehöhlten Granisteines. In der Kiste standen 3 Urnen, angefüllt mit Knochen, In der einen Urne war enthalten aus Bronze:

m. eine gebogene Nadel aus viereckigem Drath, unterhalb des Knopfes rund mit einer schraubenförmigen Linie verziert.

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Ein auf der Mitte des Knopfes stehendes Knötchen erscheint als die Fortsetzung der Nadel. Am Rande des Knopfes stehen noch 4 gleiche Knötchen, alle oben kreisförmig verziert

eine Säge, 2 3/4" lang, dünne, an einem Ende mit einem Loche, wie Jahrb. XI, S. 377; die Zähne sind stark abgenutzt, der Rücken ist scharf, wie ein Messer.

n.Der vierte Hügel barg in der Steinkiste ebenfalls 3 Urnen mit Knochen, von denen zwei Alterthümer enthielten, nämlich die eine:

o. eine Nadel von 7 3/4" Länge, mit einem Knoten unterhalb des kleinen Knopfes;

die andere Urne enthielt:

p. eine Sichel, deren Griffende mit dem Knoten fehlt, in der Klinge 5 1/2" lang;

q. ein Scheermesser, fast 3" lang.

Der fünfte Hügel enthielt in seiner Steinkiste 4 Urnen, von denen 3 mit Knochen gefüllt waren. In einer Urne lag über den Knochen

r. eine Nähnadel von 2" Länge, und unter den Knochen

s. eine Messerklinge, 3 1/4" lang;

in einer andern Urne war

t. ein Ring aus Bronze, 1 1/2" im Durchmesser weit.

An mehreren Stellen standen zwischen den Hügeln in der überall wie mit einem Steindamm belegten Erde einzelne Urnen mit mehr oder weniger kistenartig umstellten Steinen. Diese einzeln stehenden Urnen enthielten aber nur Knochen, nie Bronzesachen. In einer solchen einzeln gefundenen, größern Urne stand die oben unter 4 beschriebene kleine Urne. An einer anderen Stelle stand in einer größeren Urne ebenfalls eine kleine, aber zerbrochene Urne, ganz wie die bei Retzow gefundene, Jahrb. XI, S. 363 abgebildete.

Vor meiner ersten Reise nach Sukow war schon gefunden, wahrscheinlich unter ähnlichen Verhältnissen, an Bronzesachen:

u. eine zierlich gearbeitete, grade Nadel, mit edlem Roste und einem oben halbkugelförmig ausgehöhlten Knopfe; sie mißt 5", ist aber gewiß etwas länger gewesen;

v. ein kleiner offener Ring aus Drath;

w. ein nach innen hohler Handring, in 2 Stücken, wahrscheinlich von den Arbeitern durchbrochen;

x. Bruchstücke eines Handringes;

y. eine gebogene Nadel;

endlich

z. Bruchstücke von einem gewundenen Halsringe.

Die Art der Bestattung in Kisten meist unter der Erde, die Form der Urnen, namentlich die Schachtelurne, und der Inhalt

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derselben an Bronzegeräthen zeigte eine große Uebereinstimmung mit den in einer größeren Gruppe zu Zechow bei Neu=Strelitz liegenden Kegelgräbern, von denen einige im Jahre 1845 in meiner Gegenwart von dem Herrn Bibliothekar Gentzen und den unserm Vereine angehörenden Officieren aus Neu=Strelitz aufgedeckt sind; die Bekanntmachung des Fundes hatte der Herr Bibliothekar Gentzen übernommen; so viel ich weiß, ist bis jetzt nichts davon veröffentlicht; - mir fehlen aber die speciellen Notizen zu einer richtigen und genauen Beschreibung.

Schließlich muß ich noch der außerordentlichen Aufmerksamkeit des Herrn Zollenkopf, der, obgleich kein Mitglied unseres Vereines, auf die erste Nachricht von Alterthümern alles Gefundene sammelte und mit den Arbeiten an dem Begräbnißplatze aufhielt, der Bereitwilligkeit, alles noch zu Findende dem Vereine zu überlassen, so wie seine Leute zu meiner Verfügung zu stellen, und der gastlichen Aufnahme, die ich während der ganzen Zeit bei ihm fand, anerkennend erwähnen. Bei solcher Gesinnung überall wäre der Verein an Alterthümern und Erfahrungen schon viel reicher geworden.

Vietlübbe, im Junius 1847.

J. Ritter.     

Nachtrag zu dem Aufgrabungsberichte
über
den Begräbnißplatz von Sukow.

Fast in der Mitte dcs Platzes lag noch, nahe an einem Steinhügel in die Erde versenkt, ein eigenthümlich geformter Stein aus Granit, dessen früherer Gebrauch oder Bedeutung mir nicht erklärlich ist. Er sieht fast aus wie ein Kopf mit Hals und Brust und ist jedenfalls künstlich bereitet, aber anscheinend nur noch ein Bruchstück oder ein Theil von einem größeren Steine. Aus dem Aufgrabungsberichte ließ ich ihn eben deshalb weg, weil ich erst durch längeres Anschauen mich von der künstlichen Bearbeitung fest überzeugen wollte. Sollte er das obere Ende einer Säule, etwa einer roh gearbeiteten Bildsäule sein? Dagegen spricht nur eine ebenfalls durch absichtliche Arbeit oben auf der Rundung angebrachte rinnenartige Vertiefung. Hat der Stein den Zweck gehabt, zu irgend einer religiösen Handlung benutzt zu werden, und da er unter Gräbern lag, vielleicht Bezug auf den Todten=Cultus gehabt, so ist die Zertrümmerung wohl absichtlich beim Wechsel des Cultus zur Zeit der Einwanderung der Wenden oder der Einführung des Christenthums geschehen. Der Bruch ist alt.

Vietlübbe, 1847.

J. Ritter.     

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Begräbnißplatz von Vietlübbe bei Plau.
Vgl. Jahrb. XI, S. 391 flgd.

Dritte Aufgrabung.

E. Mehrere kleinere und größere Hügel gaben keine weiteren Resultate, als von Steinen zerdrückte Urnen mit keinem anderen Inhalte, als Knochenfragmenten und Asche.

F. Ein fast an der westlichen Spitze des Begräbnißplatzes liegender Hügel enthielt gleich am östlichen Rande zwei kleine Urnen von 3 Zoll Höhe, die aber zerbrochen und mit kleinen, feinen Knochen angefüllt waren. In der Mitte des Hügels war, in den Urboden eingesenkt, eine gehenkelte Urne mit abgerundetem Bauche, oben 12 Zoll weit; sie war aber zerbrochen und nicht zu retten. In dieser Urne war, wie sonst die überfassenden Deckel, ein umgestülptes Gefäß mit ganz flachem Boden und senkrechter Wand, 10 Zoll breit und 3 Zoll hoch. In dieses Gefäß waren die Knochen zuerst gesammelt und dann umgekehrt in die größere Urne gestellt, da die Knochen die Ecken des Gefäßes vollkommen ausfüllten und kein Sand, wie sonst immer, hineingedrungen war. Unter den Knochen fand sich:

a. ein Schermesser 1 ), fast ohne Rost, mit durchscheinender Bronze, und

b. ein Pfriemen aus Bronze mit einem Griff aus Knochen, der Griff ist 1 3/4, das Ganze 3 1/4 Zoll lang, das erste bisher beobachtete Beispiel eines Pfriemens mit Griff, da die Pfriemen in Meklenburg bisher stets ohne Griff gefunden sind.

Oberhalb dieser Urne, etwas westlich seitwärts, stand zwischen den Steinen noch eine Urne von 11 Zoll Durchmesser und ebenfalls abgerundetem Bauche; der Inhalt war nur ein wenig Asche.

Vietlübbe, 1847.

J. Ritter.     

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Begräbnißplatz von Dammerow.

Nordöstlich von dem im Herbste 1846 aufgedeckten Kegelgrabe etwa 100 Schritte entfernt waren mehrere unmerklich in Kreisform sich erhebende Stellen, wie oft die früher abgetragenen und dann beackerten Kegelgräber aussehen. Queer über einige Stellen war von Arbeitern aus Wilfen ein Graben in diesem


1) Dieser Fund, in welchem ein Pfriemen neben einem Schermesser lag, scheint wieder darauf hinzudeuten, daß die bisher sogenannten "Schermesser" Arbeitsmesser zu feinern Handarbeiten sind. Vgl. Jahrb. XII, S. 413, Note.            D. Red.
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Frühlinge zur Einfriedigung des Tannenzuschlages gezogen und lag die aufgeworfene Grabenerde voller Steine, Urnenscherben und Knochenreste. Diese Stellen, an der Zahl 5, von denen der größte im Durchmesser 20 Schritte groß war, ließ ich durchsuchen, und es zeigte sich, daß es Begräbnißplätze waren; aber die Urnen waren sämmtlich ohne Sorgfalt eingesetzt, mit runden Dammsteinen rings umgeben, bald einen, bald zwei Fuß hoch über dem Urboden. Die Urnen waren von verschiedener Größe und Form, aber nicht eine konnte erhalten oder zusammengesetzt werden. Außer Knochen war nichts in denselben enthalten. Nach den Urnen zu urtheilen, gehörten diese Begräbnißplätze wohl der Zeit der Kegelgräber an.

Vietlübbe, 1847.

J. Ritter.     

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Kegelgrab von Dammerow, Nr. 2.
Vgl. Jahrb. XII, S. 409.

Oestlich von dem im Herbste 1846 aufgedeckten Grabe lag noch ein Grabhügel von 40 Fuß Durchmesser und 6 Fuß Achsenhöhe, welchen ich, da schon die bisher noch vorhandenen Ringsteine ausgebrochen wurden, im Interesse des Vereins aufdeckte. Es zeigte sich am östlichen Ende bald eine Brandstelle 3 Fuß über dem Urboden; unterhalb der Brandstelle war lauter grober Kiessand, oberhalb Steine, welche bis dicht unter die Oberfläche des Hügels reichten. Um die Brandstelle freizulegen, ließ ich die Steine oben behutsam abnehmen, und hatte nun die Brandstelle eine Länge von 9 Fuß in der Richtung von Osten nach Westen, eine Breite aber von 6 Fuß. Auf der Brandstelle fand sich nichts, aber es zeigten sich die Ränder von zwei Urnen, welche in einer Entfernung von 4 Fuß eingesenkt und mit etwas flachen Steinen umstellt waren. Die östlich stehende Urne war oben 12 Zoll weit und hatte einen scharfen Bauchrand; der Inhalt bestand aus sehr starken Knochenüberresten. Die zweite Urne war etwas kleiner, sonst ganz gleich gestaltet und enthielt kleinere und mürbere Knochen. Leider waren beide Urnen schon durch die darüber gehäuften, 3 Fuß hohen Steine zerdrückt. - Bei Wegräumung des Sandes unterhalb der Brandstelle fand sich weiter keine Spur von Alterthümern. Am südwestlichen Ende des Grabes war noch eine runde, etwa 3 Fuß im Durchmesser haltende Brandstelle auf dem Urboden und lagen daselbst Scherben einer kleinen, feinen Urne. Sonst fand sich im ganzen Grabe nichts.

Vietlübbe, 1847.

J. Ritter.     

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Kegelgräber von Dammerow, Nr. 3 und 4.

Unter den umher liegenden kleineren, schon zerstörten Keggelgräbern schienen 2 noch nicht in der Mitte durchwühlt; weshalb ich sie noch durchgraben ließ. Aber die Arbeit war ohne Erfolg; nur Urnenscherben fanden sich hin und wieder.

Vietlübbe, 1847

J. Ritter.     

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Kegelgräber von Klink.
Vgl. Jahrb. XII, S. 397.

Bei dem Bau der Chaussee von Röbel nach Waren wurden im J. 1847 auf der Feldmark des Gutes Klink bei Waren beim Steinbrechen eine große Menge niedriger Begräbnisse aus der Bronzezeit aufgebrochen und der Inhalt derselben zerstört. Der Gutsbesitzer Herr Kähler auf Klink, welcher dem Vereine schon so häufige Beweise seiner Theilnahme geschenkt hat, erfuhr diese Zerstörung leider zu spät, und kaum war es ihm bei gespannter Aufmerksamkeit und durch Geldversprechungen möglich, etwas zu retten. Er gewann, zum Geschenke für den Verein, folgende Alterthümer, welche jedoch aus verschiedenen Gräbern eines Begräbnißplatzes stammen:

eine große, hellbraune Urne aus gebranntem Thon, ohne Henkel und Verzierungen, von der bekannten Form der Beingefäße aus den Kegelgräbern, ganz wie die in Jahrb. XI, S. 356, oder Frid. Franc. T. V, Fig. 4 und 5 abgebildeten Urnen, 11 3/4" hoch, ungefähr eben so weit im Bauche und 9 1/2" weit in der Mündung, wohl erhalten, mit den zerbrannten Gebeinen eines erwachsenen Menschen gefüllt;

eine kleine hellbraune Urne aus gebranntem Thon, von birnenförmiger Gestalt, ungefähr wie Frid. Franc. T. VI, Fig. 5, jedoch in sanftern Umrissen, 9" hoch, 8" weit im Bauche und 4 1/2" weit in der Mündung, wohl erhalten, mit den zerbrannten Gebeinen eines erwachsenen Menschen gefüllt;

eine unter dem halbkugelförmigen Knopfe doppelt knieeförmig gebogene Nadel aus Bronze, 5 1/2" lang;

eine grade Nadel aus Bronze mit kegelförmigem, vollen Knopfe, halbmondförmig gebogen, um sie in die Urne legen zu können;

ein sogenanntes Scheermesser aus Bronze, wie Frid. Franc. T. XVIII, Fig. 8;

eine kleine Pincette aus Bronze, nur 1 1/8" lang, nur in einer Hälfte vorhanden.

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Ueber andere auf derselben Feldmark gefundene Alterthümer vgl. oben bei den Hünengräbern und unten bei den Wendenkirchhöfen.

G. C. F. Lisch.     

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Kegelgrab von Badegow.

In einem Kegelgrabe zu Badegow bei Crivitz ward eine völlig erhaltene, sehr große Urne mit Knochen, jedoch nichts weiter, gefunden und von dem Herrn Landrath von Barner auf Bülow, Badegow etc. . dem Vereine geschenkt. Die hellbraune Urne hat die Gestalt der kleinen, in Jahrbüchern XI, S. 362, oben zuerst abgebildeten Urne, ebenfalls zwei 1 1/2" weite Henkel auf dem Bauchrande, ist ohne Verzierungen, 12" hoch, 12" weit im Bauche, 8" weit in der Mündung, 5" weit im Boden und ein selten großes, gut erhaltenes und schönes Exemplar.

G. C. F. Lisch.     

Kegelgrab von Jabel.

Zu Jabel, Klosteramts Malchow, ward zusammen gefunden und von dem Herrn Klosterhauptmann von Borck eingesandt:

ein gewundener Halsring aus Bronze und

ein gravirter Armring aus Bronzeblech.

Eine kleine, thönerne Urne,

6 3/4" hoch, mit 2 kleinen Henkeln auf dem Bauchrande in der Mitte der Höhe, angefüllt mit Asche und einigen zerbrannten Knochen, gefunden in einem Kegelgrabe zu Levenstorf, fideicommissarische Ueberweisung des Herrn Erblandmarschalls Grafen Hahn auf Basedow.

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Zwei Menschenschädel,

gefunden im Moor zu Moltzow bei Malchin, geschenkt von dem Herrn Landrath, Reichsfreiherrn von Maltzan auf Rothenmoor, Moltzow etc. . Beide Schädel sind sehr wohl gebildet und haben vollkommen wohl erhaltene, sehr weiße Zähne; die sogenannten Weisheitszähne sind im Durchbrechen begriffen gewesen. Vielleicht stammen diese Schädel aus der Bronze=Periode, da in diesem Moore öfter Alterthümer aus der Bronze=Periode gefunden sind.

G. C. F. Lisch.     

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Bronzeschalen von Kl. Lukow.

Zu Kl. Lukow, nicht weit vom malchiner See, in der Pfarre Grubenhagen, wurden im Herbste des J. 1847 in einem Moore drei seltene Bronzeschalen ohne Rost gefunden, welche der Reichsfreiherr von Maltzan auf Kl. Lukow dem Vereine schenkte. Diese Schalen sind nicht allein durch sich selbst, sondern auch dadurch merkwürdig, daß sie ganz der Schale gleich sind, welche im J. 1844 auf dem 1/2 Meile von Kl. Lukow gelegenen maltzanschen Gute Dahmen gefunden und in Jahrb. X, S. 283,

Bronzeschale

abgebildet und beschrieben ist. Die Hauptmerkwürdigkeit dieses Fundes besteht also darin, daß an verschiedenen Stellen, wenn auch nicht weit von einander, Bronzearbeiten gefunden sind, welche ohne allen Zweifel aus derselben Fabrik stammen, d. h. von derselben Hand getrieben wurden. Diese Gegend scheint der Sitz einer ungewöhnlichen Cultur in der Bronze=Periode gewesen zu sein, da diese Bronzeschalen hier mehrfach verbreitet sind und auf dem Gute Kl. Lukow ein ungewöhnlich großer Burgwall steht, welcher höchst wahrscheinlich in die Bronze=Periode hineinreicht (vgl. Jahresber. VIII, S. 96); auch bei Sagel, dem Burgwalle von Kl. Lukow gegenüber, an der andern Seite von Dahmen, steht ein uralter, mächtiger Burgwall, welcher ebenfalls nicht die gewöhnlichen wendischen Eigenthümlichkeiten hat.

In Beziehung auf die Beschaffenheit der lukower Schalen können wir uns im Allgemeinen auf die in Jahrb. X, S. 283 flgd. gegebene Beschreibung beziehen, da sie der Schale von Dahmen an Metall, Form, Arbeit und Verzierung völlig gleich sind; nur in der Größe und einigen Nebensachen unterscheiden sie sich von der dahmer Schale:

1) die eine Schale, welche wegen der dünnen Austreibung des Bleches leider zerbrochen ist, ist der Schale von Dahmen an

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Größe, Gestalt und Verzierung völlig gleich, nur daß die auf der Abbildung dargestellte Buckelreihe unter dem Rande fehlt;

2) die zweite Schale ist ein wenig kleiner, jedoch in der Gestalt und Verzierung der Abbildung völlig gleich, nur daß die ausgetriebenen Verzierungsbuckeln etwas größer sind und weiter auseinander stehen;

3) die dritte Schale ist zwar in der Verzierung der ersten gleich, aber nur halb so groß, nicht viel größer, als die Abbildung, 4" weit in der Oeffnung und 1 3/4" hoch. Diese kleine Schale ist von äußerster Zierlichkeit und Feinheit und in dieser Beziehung ein neuer Fund; sie ist so zierlich und fein, daß ein wenig Zinn zur Befestigung des abgefallenen Henkels diesem fast das Uebergewicht über die Schale gegeben hat.

G. C. F. Lisch.     

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Hifthorn von Teterow.

Beim Ausmodden eines Sumpfes auf der Feldmark der Stadt Teterow ward ein Hifthorn aus Bronze gefunden, durch den Herrn Inspector Beneke zu Pampow bei Teterow erworben und von diesem dem Vereine zum Geschenke gemacht. Dieses interessante Stück des Alterthums bildet ein Seitenstück zu dem merkwürdigen Hifthorn von Wismar, welches im Jahresbericht III, S. 67 flgd. beschrieben und abgebildet ist; es hat nicht die interessanten Gravirungen des wismarschen Hornes, aber dieselben Verzierungen, und stammt mit diesem ohne Zweifel aus derselben Zeit. Auch hat das teterowsche Horn eine andere Einrichtung, indem es aus Einem Stücke, das wismarsche aber aus drei Stücken besteht und nur zum Beschlage eines natürlichen Hornes gedient hat.

Das Horn von Teterow ist aus Bronze aus Einem Stücke gegossen. Es bildet das Mundstück und den mittlern Theil des Ganzen; die Schallmündung ist aus natürlichem Horn oder Metall angesetzt gewesen, wie die Nietlöcher am Ende beweisen. Das Ganze ist etwas gekrümmt, wie das wismarsche Horn, in grader Richtung 12" lang und am weiten Ende 3" im Durchmesser. In Entfernungen von ungefähr 1 1/4" ist es 9 Male durch zwei neben einander stehende, erhabene Reifen in 9 Felder getheilt; die Reifen sind mit eingravirten Schrägelinien verziert. Die Reifenpaare sind an beiden Seiten durch die bekannten, kleinen, mit Stempeln eingeschlagenen Dreiecke begrenzt; diese einer gewissen Zeit der Bronze=Periode eigenthümliche Verzierung ist durchaus charakteristisch, überall gleich und findet sich öfter. Durch diese Verzierungen steht das teterowsche Horn dem wismarschen

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in der Zeit ohne Zweifel gleich. Hat auch das teterowsche Horn weiter gar keine Verzierungen, so ist es doch im Charakter dem Mundstücke des wismarschen Hornes (abgebildet Lithographie zu Jahresber. III, Fig I.) völlig gleich. Auf dem 7ten Doppelreifen vom Mundstücke und dem 3ten von der Schallöffnung sitzt ein angegossener Ring zur Aufnahme einer Schnur.

G. C. F. Lisch.     

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Grab von Mamerow.

Zu Mamerow, Domanial=Amts Güstrow, ward beim Ausgraben eines Fundaments unter einer nicht besonders hervorragenden Anhöhe eine große Urne gefunden, welche jedoch so weich war, daß sie beim Ausgraben zerfiel. In dieser Urne, welche mit Knochen und Sand gefüllt war, stand eine kleine Urne, ungefähr von der Gestalt der in Jahrb. XI, S. 362, Nr. 1 abgebildeten Gefäße; sie war jedoch im obern Theile auch schon zerbrochen und wird, bei einem Durchmesser von 2 1/2", ungefähr eine gleiche Höhe gehabt haben. Dieses Gefäß ist dadurch interessant, daß es nicht mit grobem, sichtbarem Granitgrus durchknetet, sondern aus einer gleichmäßigen, feinkörnigen, festen, hellgrauen Thonmasse gebildet ist, welche ganz dem Sandstein gleicht; dies ist das erste Beispiel von einer Gefäßbildung ohne sichtbare Granit= oder Kiesmengung, welches in Meklenburg beobachtet ist. Nach genauer Untersuchung und nach Beobachtung durch ein scharfes Vergrößerungsglas besteht jedoch die Masse aus Thon und ganz kleinen Feldspathsplittern. Vielleicht ist dieses Gefäß aber ein fremdländisches, denn auch die Metallbeigabe ist außergewöhnlich. Neben einigen Bronzestreifen lag nämlich ein Beschlag aus reinem Silber, ebenfalls das erste Mal, daß Silber in Urnen von der Gestalt der Kegelgräbergefäße gefunden ist.

G. C. F. Lisch.     

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Riesenurne von Groß=Medewege.

Bei dem Bau der Eisenbahn von Schwerin nach Wismar ward in der Richtung der Bahn im Herbste des J. 1847 bei Groß=Medewege, unweit Schwerin, eine Riesenurne gefunden, welche jedoch so zertrümmert ward, daß nur ein ungefähr 6" hohes und breites Bruchstück vom Oeffnungsrande bis zum Bauchrande gerettet und eingeliefert ward. Diese Urne muß der bei Wittenburg im J. 1839 gefundenen, im Jahresber. V, S. 64, beschriebenen großen Urne ganz gleich gewesen sein. Die

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Oeffnung der Urne wird ungefähr 1 Fuß weit gewesen sein. Die Bauchung ist ungewöhnlich weit, indem sich die Seitenwand fast ganz horizontal an den senkrechten Oeffnungsrand setzt, so daß die Bauchung sicher 2 Fuß weit gewesen sein muß. Die Scherben haben eine Dicke von 1/2 bis 5/8"und zeigen eine alte, mit zerstampftem Granit durchknetete Masse. Die Farbe ist röthlichbraun. Hiernach war diese Urne in jeder Hinsicht den bei Wittenburg gefundenen, im Jahresber. V, S. 64 und S. 62, Nr. 6, beschriebenen Urnen ganz gleich. Was aber diese Urne von Groß=Medewege besonders interessant macht, ist der Umstand, daß sie mit einem Mühlstein aus Granit zugedeckt war, welcher ganz die Gestalt der alten, oft paarweise beisammen gefundenen Mühlsteine hat. Der Stein ist rund, 3" dick, hat 1 1/2 Fuß im Durchmesser, in der Mitte ein rundes Loch von 3" Weite und ist auf der innern Fläche in kreisförmigen Schwingungen und hohl ausgerieben. Dieser Deckstein giebt zu der Vermuthung Veranlassung, daß das Ganze ein Mahlapparat war, indem die untergestellte große Urne dazu diente, das durch die Mühlsteine zerriebene Getreide aufzufangen. (Andere, rohere Steine von ähnlicher Gestalt wurden wohl als Anker gebraucht). Die zweite bei Wittenburg gefundene, im Jahresber. V, S. 62, Nr. 6 beschriebene große Urne war ohne Zweifel ein Schmelztiegel, da nicht allein Schlacken in derselben lagen, sondern auch die Innenwand der Scherben mit schlackiger Masse fest überzogen ist.

G. C. F. Lisch.     


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c. Zeit der Wendengräben.


Wendenkirchhof von Laschendorf.

Auf der Feldmark Laschendorf bei Malchow, welche einen großen Burgwall besitzt, auf welchen die Volkssage die alte Burg Malchow verlegt (vgl. Jahresber. VIII, S. 133), werden häufig Alterthümer aus der Eisenperiode gefunden.

Der Herr Klosterhauptmann von Borck zu Kloster Malchow hat die Güte gehabt, einige auf der Feldmark Laschendorf gefundene, wohlerhaltene Alterthümer an den Verein einzusenden, namentlich:

eine hellbraune Urne, 6" hoch, von der Gestalt wie Jahrb. XII, S. 429, Nr. 2, mit Punctlinien ungefähr wie die Urne Jahrb. XII, S. 432, Nr. 4, jedoch ohne rechtwinklig gebrochene Linien, sondern nur mit horizontalen Linien, abwärts stehenden Spitzen und auf dem Bauche mit senkrechten Linien verziert; der Fundort dieser Urne mit den charakteristischen Verzierungen ist jetzt der südöstlichste, welcher bisher im Lande beobachtet ist (vgl. unten bei Moltzow);

eine runde Schnalle aus Eisen und

ein kleines Messer aus Eisen,

beide Stücke ohne Rost und wohl erhalten.

G. C. F. Lisch.     

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Wendische Urnen von Moltzow.

Zu Moltzow bei Malchin wurden in dem Moderloche, in welchem früher bronzene Spiralcylinder gefunden sind (vgl. Jahr. X, S. 285 - 286), mehrere der charakteristischen Urnenscherben aus der Eisenperiode gefunden. Sie sind schwarz und durch ein laufendes, gezahntes Rad mit Punctlinien verziert. Diese Scherben (vgl. Jahrb. XII, S. 430 flgd.) sind wohl die östlichsten, welche bisher in Meklenburg gefunden sind (vgl. oben bei Laschendorf). Wir verdanken diese Beobachtung dem Reichsfreiherrn

Albrecht Maltzan auf Peutsch.

G. C. F. Lisch.     

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Wendenkirchhof zu Schwiesow.

Nahe bei der schwiesowschen Ziegelei stießen im Sommer 1847 bei den Erdarbeiten der Eisenbahn von Bützow nach Güstrow die Arbeiter auf ein großes Urnenlager, welches in schräger Richtung

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durchschnitten ward. Die Urnen standen mit dem Rande ungefähr einen Fuß tief unter der Erdoberfläche in Reihen neben einander und waren mit kopfgroßen Steinen umpackt. In der von der Bahn durchschnittenen Fläche standen ungefähr 20 bis 30 Urnen, welche, aller Sorgfalt ungeachtet, sämmtlich in Stücke zerfielen; nur eine Urne, welche nicht von Steinen umpackt war, ward ziemlich erhalten gerettet. Die Urnen waren alle mit zerbrannten Knochen gefüllt; andere Alterthümer wurden jedoch nicht gefunden. Nach der durch den Herrn Ingenieur Bölken eingesandten Urne, welche in ihrem untern Theile rauh und nicht mit einer glatten Thonschicht überzogen ist, und mehrern von demselben und dem Herrn Seidel zu Bützow eingesandten Scherben waren die Urnen bräunlich von Farbe und ohne Verzierungen.

Der Herr Friedr. Seidel zu Bützow, welcher die Stelle bald nach der Aufgrabung besuchte, fand dort außer den Scherben noch viele flache, aus Thon gearbeitete Platten, welche wahrscheinlich zu Urnendeckeln gedient hatten, und nicht weit davon auf dem Planum einen muldenförmig ausgehöhlten Granit (wahrscheinlich eine Quetschmühle: vgl. Jahrb. XII, S. 418 flgd.), also auch hier wieder bei einer heidnischen Wohn= und Begräbnißstelle.

G. C. F. Lisch.     

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Wendenbegräbnis von Pampow.

Zu Pampow bei Teterow wurden bei dem Bau des neuen Hofes mehrere Urnen und Alterthümer gefunden, welche auf einen wendischen Begräbnißplatz schließen lassen. Der Verein verdankt folgende Einsendungen und Nachrichten der Güte des Herrn Inspectors Benecke zu Pampow.

Bei der Fundamentirung des neuen Wohnhauses wurden in einem natürlichen Hügel von Sandlehm ungefähr anderthalb Fuß tief folgende Alterthümer gefunden:

eine braune Urne, ohne Verzierungen, angefüllt mit zerbrannten Menschenknochen, auf welchen

eine eiserne Hakenfibel oder Spange lag;

eine schwarze Urne ohne Verzierungen, birnenförmig, 9" hoch, mit einem 3" hohen Halse, ohne Henkel, angefüllt mit gebrannten Menschengebeinen;

eine braune Urne mit sehr kräftigen Verzierungen, völlig zertrümmert;

eine schwärzliche Urne mit einem engen Henkel, ebenfalls zertrümmert.

In einem dünenartigen Sandberge unmittelbar an dem neuen Hofe ward in einer obern Schicht des Hügels

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eine braune Urne mit Knochenresten gefunden; sie ist vollständig erhalten, ist 8" hoch, birnenförmig, ohne Hals mit zwei Reihen eingestochener Verzierungen dicht unter der umgekrämpten Oeffnung.

Alle Urnen sind verschieden und frei geformt und tragen nicht den Character der strengen Eisenperiode des westlichen Meklenburgs.

G. C. F. Lisch.     

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Begräbniß von Klink.

Vgl. Jahrb. XII, S. 397, und oben bei den Hünengräbern und den Kegelgräbern.

Auf dem Gute Klink bei Waren, auf welchem schon häufig Alterthümer aller Art gefunden sind, ward beim Chausseebau eine Urne mit ihrem vollständigen Inhalte gefunden und von der Gemahlin des Herrn Kähler auf Klink dem Herrn von Kardorff auf Remlin überlassen, welcher sie dem Vereine schenkte.

Die Urne hat ganz die Gestalt und Verzierung der in Jahrb. XII, S. 429, Nr. 1, abgebildeten Urne, ist aber ungewöhnlich klein, 3 3/4" hoch und eben so weit im Bauchdurchmesser.

In der Urne lagen:

eine große, breite Schnalle von Bronze, mit breitem Metallheft und Nieten zum Befestigen;

eine kleine, runde Schnalle von Bronze;

ein breiter Beschlag von Bronze, mit Nieten und einem rund gerollten Blech, in welchem noch Holzfasern sitzen:

alle drei Gegenstände mit ziemlich tiefem Rost.

G. C. F. Lisch.     

An einer andern Stelle ward später auf einem Begräbnißplatze unter Urnenscherben eine eiserne Messerklinge gefunden und von dem Herrn Kähler auf Klink dem Vereine geschenkt.

G. C. F. Lisch.     

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Urnen von Granzin.

Am 4. September 1846 ward im hiesigen Hofgarten ein Raum von etwa 18 Fuß Länge und 7 - 8 Fuß Breite zur Anlegung von Spargelbeeten aufgegraben. In einer Tiefe von etwa 2 Fuß und ziemlich in der Mitte dieses Raumes stießen die Arbeiter auf eine große Urne, welche umgestülpt, mit dem Boden nach oben, in der Erde stand. Leider ward dieselbe zertrümmert und die Scherben sind bis auf wenige gleich nachher wieder eingegraben. Der Boden dieser Urne hat nach der Aussage der dabei Anwesenden gegen 7 - 8 Zoll im Durchmesser gehabt, die bauchige Erweiterung dagegen an 12 Zoll. Diese Urne

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bestand aus sehr grobkörniger Masse, war stark mit grobem Feldspathgrus durchknetet und auf der Außenseite nicht mit Thon überzogen. In dieser größern Urne standen neben einander zwei kleinere Urnen, ebenfalls umgestülpt, beide ungefähr von gleicher Größe; eine ward ebenfalls zertrümmert und soll etwas größer gewesen sein, als die andere, welche wohl erhalten ist. Diese letztere Urne ist klein, 4 Zoll hoch, mit scharfem Bauchrande, schwarz und stark mit Glimmerfünkchen durchknetet. Der Form nach sind alle drei Urnen gleich und ohne Verzierungen gewesen. Sie waren nur mit Erde angefüllt. Von einer früheren Erhöhung der Erde war keine Spur sichtbar, eben so wenig von einer Steinkiste; wäre eine solche früher vorhanden gewesen, so wären auch wohl die Urnen bei der Wegräumung der Steine zertrümmert worden.

Granzin, bei Neustadt.

H. Willebrand.     

     Ueber das Brennen und Färben bei Urnen.
Das Umstülpen der Urnen ist öfter beobachtet und meines Wissens noch nicht erklärt. Ich glaube, daß dies zum Zweck des Brennens geschah. Die größere Urne war, nach den Scherben zu urtheilen, außen rauh und hellbraun, gleichfarbig, ohne vom Dampf und Ruß gefleckt zu sein; dagegen war das Innere glatt mit Thon überzogen und von dem Rauch flammig gefärbt. Die kleine Urne dagegen, welche in der größern, zur Zusammenhaltung der Hitze, gestanden hatte und von der Flamme innen und außen gleichmäßig berührt werden konnte, ist innen und außen gleichmäßig schwarz gebrannt. Wenn das Umstülpen auch nicht zum ersten Brande geschah, so geschah es vielleicht zum Brennen und zur gleichmäßigen Färbung des letzten Thonüberzuges.

G. C. F. Lisch.     

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Ueber das Hakenkreuz
oder Thors Hammerzeichen.

Es ist bekannt, daß das Kreuz mit den rechtwinklig gebrochenen Balken Hakenkreuz oder Thors Hammerzeichen sich nicht allein oft auf den nordischen Goldbracteaten, sondern auch auf Alterthümern anderer alter Völker findet: es ist ohne Zweifel ein religiöses Symbol. Deu=

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tungen 1 ) hat L. Giesebrecht in den Baltischen Studien X, 2, 1844, S. 27 flgd. und S. 43 flgd. versucht. Ich will nur sicheres Material sammeln, zugleich für den Raum und die Zeit der Verbreitung.

Bekanntlich trägt eine zu Kothendorf, zwischen Schwerin und Hagenow, in einem Begräbnißplatze aus der ausgebildeten Eisenperiode (einem "Wendenkirchhofe", wie wir hier zu sagen pflegen) gefundene Urne dieses Zeichen drei Mal. Diese Urne ist in Frid. Franc. Tab. XXXIV, Fig. 2, abgebildet.

Ein anderes Mal fand sich dieses Zeichen sehr klar und bestimmt auf der Nadelscheide einer Bronze=Heftel eingegraben, wie sich solche in Frid. Franc. Tab. XXXIV, Fig. 13, und Jahrb. IX, 1844, S. 343, abgebildete Hefteln zu Hunderten in den Wendenkirchhöfen oder Begräbnißplätzen aus der Eisenperiode in Meklenburg finden und deren sicher bezeichnendes Kennzeichen bilden. Diese Heftel ist in dem Wendenkirchhofe auf dem Mahnkenberge bei der Stadt Bützow gefunden und im Besitze des Herrn Friedr. Seidel zu Bützow; diese Heftel ist in Jahrb. IX, S. 393 zur Kunde gebracht und von L. Giesebrecht noch nicht benutzt.

Ein drittes Mal habe ich dieses Kreuz im J. 1847 in der Sammlung vaterländischer Alterthümer gesehen, welche bei der Bibliothek zu Hamburg angelegt und vorbereitet wird. Es steht sehr klar und bestimmt, 4 bis 6 Male, zwischen allerlei Verzierungslinien auf dem Bauche einer schwärzlichen Urne, welche in den Vierlanden gefunden ist und alle Merkmale trägt, daß sie aus der Eisenperiode stammt; wenigstens scheint das gewiß zu sein, daß sie weder der Stein=, noch der Bronzeperiode angehört: sie hat in der Form den Charakter des in Jahrb. XII, S. 438, abgebildeten Gefäßes. Der Fundort ist glücklicher Weise noch aufgezeichnet; ob sich mehr Nachrichten finden, war in kurzer Zeit nicht zu ermitteln. - Diesen Fund zur Kunde zu bringen und einstweilen zu retten, ist der eigentliche Gegenstand dieser Zeilen. Möge es dem Vereine für hamburgische Geschichte gefallen, eine Abbildung dieser Urne und die noch vorhandenen Nachrichten über die Auffindung derselben bald zu veröffentlichen.

G. C. F. Lisch.     



1) Bei dieser Gelegenheit sind wieder die sogenannten Runen auf den bamberger Domlöwen zur Sprache gekommen. Ich habe diese vor dem Portale des Domes zu Bamberg liegenden Löwengestalten, Ornamente in einem Styl, wie sie sich an dem uralten Dome zu Worms in Menge finden, ruhig untersucht, aber in den unregelmäßigen Vertiefungen auch nichts weiter finden können, als was auch andere Leute wohl darin gefunden haben: Wetzstreifen, von Knaben, die hier ihre Messer schleifen, unwillkührlich fabricirt. Mag dies vielleicht auch verboten sein, es war grade einer von den Jungen, welche so gerne ihre Messer schleifen, mit einer solchen Runenfabrication beschäftigt, als ich den Dom umwandelte; die Löwen liegen gar zu bequem an einer Stelle, wo die Knaben ihre Kreuzer in Näschereien unterzubringen Gelegenheit haben. Es gehört eine starke Phantasie und gwichtige Präoccupation dazu, in den Vertiefungen mehr zu finden.
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d. Vorchristliche Alterthümer gleichgebildeter europäischer Völker.


Kegelgräber von Louisenberg
bei Kellinghusen in Holstein.

Auf dem dem Herrn Roß zu Hamburg gehörenden Gute Louisenberg bei Kellinghusen wurden zwei Gräber aufgedeckt, deren bronzene Alterthümer in den Besitz der Fräulein Töchter des Herrn Roß kamen, - von denen sie, durch Vermittelung des Herrn Oekonomen Benecke aus Hamburg, unsers Vereins Mitgliedes, als Geschenke an unsere Sammlungen gingen, und zwar

1) durch Geschenk des Fräuleins Bertha Roß der Inhalt des einen Grabes, nämlich:

ein Schwert aus Bronze, mit Bronzegriff, in drei Stücken mit oxydirten Bruchenden (die Spitze fehlt), höchstens etwa 20" lang, mit zierlichen, erhabenen Linien auf dem Mittelrücken der Klinge geschmückt und mit einem vielfach verzierten Griffe, ungefähr wie Frid. Franc. Tab. XIV, Fig. I, oder Jahrb. IX, S. 330, jedoch mit Queerreifen um den Griff, dem Schwerte von Peccatel, Jahrb. IX, Lithogr. Fig. 5 sehr ähnlich, nur mit massivem Bronzegriff, der aber ganz so, wie dort, verziert ist;

ein Sporn: allerdings ein merkwürdiger Fund. Der Sporn hat lange, dünne Bügel, welche, ohne die Spitze, 5 1/4" lang sind. In diesen Bügel ist, statt der Radstange, ein 1 1/4" langer, kegelförmiger Stachel eingenietet, welcher ganz die Gestalt des in Jahresber. VI, Lithogr. Fig. VI zu S. 148 abgebildeten Bronzesporns hat. Das Metall dieses Sporns ist ebenfalls eigenthümlich: die Bügel sind aus einer Bronze, welche fast ganz die Farbe des Messings hat; der Stachel ist aus etwas mehr rother Bronze und um den mittlern, sich verjüngenden Theil mit einer dünnen Eisenschicht belegt; die äußerste Spitze des Stachels ist wieder ganz von Bronze. Die Bronze ist mit dickem, braunem edlen Rost belegt; die Eisenbelegung ist zum Schaben weich geworden. In Gestalt und Metall weicht dieser Sporn ganz von den heimischen Sporen ab, wie sie im Jahresber. VI, S. 144 - 148 und dazu gegebener Lithographie beschrieben und abgebildet sind. Dennoch soll der Sporn gewiß in dem heidnischen Grabe gefunden sein. Es bliebe für den Fall der Richtigkeit dieser An=

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gabe nur die Annahme übrig, daß der Sporn aus römischen Ländern eingeführt sei, wofür denn auch die in dem zweiten Grabe gefundenen Glasperlen reden möchten. Uebrigens sind die Untersuchungen über Sporen noch nicht so weit gediehen, daß sich schon jetzt sichere Schlüsse aus denselben und über dieselben machen ließen.

2) durch Geschenk des Fräuleins Charlotte Roß der Inhalt des andern Grabes, nämlich:

Bruchstücke von der Klinge und dem Knopfe eines einfacheren Bronzeschwertes;

ein Hütchen aus Bronze, wie Frid. Franc. Tab. XXXIII, Fig. 10;

zwei kleine Doppelknöpfe aus Bronze, wie Hemdknöpfe, ähnlich dem in Jahrb. XI, S. 378 abgebildeten;

ein großer Doppelknopf aus Bronze, ungefähr 1 1/2" im Durchmesser, zerbrochen;

ein kleines Messer aus Bronze, sogenanntes Scheermesser, in viele kleine Stücke zerbrochen, welche zusammen einige Zoll lang gewesen sein mögen;

drei ganz kleine, sehr regelmäßige Glasperlen, von einer dunkeln, unbestimmten Farbe, nicht durchsichtig, ohne Zweifel ebenfalls römischen Ursprunges.

Jedenfalls fordern diese Funde zur genaueren Beobachtung auf, ob nicht die heidnischen Gräber in der westlichen Hälfte Holsteins durch den Seehandel mehr Geräthe römischen Ursprungs bergen, als die Gräber der Ostseeländer.

G. C. F. Lisch.     

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Urne von Nehmten in Holstein.

Der Reichsfreiherr von Maltzan Exc. auf Duchnow in Polen hat dem Verein eine Urne geschenkt, welche derselbe von dem Herrn Hofjägermeister von Kronstern auf Nehmten geschenkt erhalten hat. Die Urne ist zu Nehmten, am plöner See, gefunden, von Thon, mit zerstampftem Granit durchknetet, bräunlich von Farbe, ohne Verzierungen, der Cylinderform sich nähernd, mittlerer Größe und im Charakter der Urnen der Bronze=Periode, wie sie in Jahrb. XI, S. 356 u. 357 abgebildet sind.

G. C. F. Lisch.     


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e. Alterthümer auszereuropäischer Völker.


Bei der Versteigerung des Rödingschen Museums erwarb der Verein zu seiner comparativen Sammlung Nr. 1150 des "Verzeichnisses über das von dem Oberalten Peter Friedrich Röding zu Hamburg hinterlassene Kunst=Museum, welches am 31. Mai 1847 versteigert" ward, ein kleines Beil von Nephrit mit Handhabe von Knochen, mit Sehnen befestigt, von den Sandwichsinseln. Das Beil hat die Form einer kleinen Hacke, ungefähr construirt wie die in Worsaae's Dänemarks Vorzeit S. 10 - 11 abgebildeten Werkzeuge. Der Griff und die Hacke sind von Knochen; beide Stücke sind in einem wenig spitzen Winkel mit Sehnen zusammengebunden, welche durch gebohrte Löcher gezogen sind. In die Markröhre des Knochens ist ein kleiner, geschliffener Keil von grünlichgrauem, durchscheinenden Stein, Nephrit, eingeklemmt und durch dünne Holzpflöcke festgekeilt. Das Griffende ist zum bessern Halten mit gespaltenen Ruthen umflochten.

G. C. F. Lisch.     

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2. Mittelalter.


Mittelalterliche Waffen und Geräthe von Stuer.

Die Frau Domainenräthin Kollmann, geb. von Flotow, zu Grüssow, bewahrte lange Zeit mehrere bei der Burg Stuer gefundene Waffen aus Eisen, welche sie jetzt dem Vereine gütigst überlassen hat. Es sind:

1) ein Streitbeil, welches, ungefähr in Form der gewöhnlichen Beile, aus Eisen leicht und schön gearbeitet, noch deutlich und sicher Spuren von Relief=Verzierungen und von Vergoldung zeigt, nach dem Fundorte zu urtheilen die Waffe eines Ritters von Flotow auf Stuer; nach den Verzierungen zu schließen, ist dieses Beil wirklich ein Streitbeil;

2) ein breites, kurzes Schwert (Rüting?), dessen Klinge 12" lang und 2 1/4" breit ist und dessen Griffzunge 6 Zoll in der Länge mißt;

3) ein grades (Jagd=) Messer mit starkem Rücken, 11" lang;

4) ein eisernes Geräth, ähnlich einer Framea mit Schaftloch oder dem Eisen, welches die Pflüger am untern Ende der Peitsche haben (Plôgstäker); zu letzterem Zwecke ist es aber zu schwer und colossal gearbeitet; es dürfte also eine mittelalterliche Waffe sein;

außerdem

5) eine daselbst gefundene Schnalle aus Zinn mit eiserner Zunge.

Vietlübbe, 1847.

J. Ritter.     

Bei der Burg Strietfeld,

dem Hauptsitze der Familie von Moltke, wurden im Jahre 1847 beim Ausmodden des alten Burggrabens folgende eiserne Alterthümer gefunden, welche der Herr von Kardorf auf Remlin von dem Herrn Kandidaten Koch zu Lage geschenkt erhielt und dem Vereine wieder schenkte:

ein großes Messer mit hölzernem Griffe;

ein nach innen gekrümmtes sägenartiges Werkzeug;

ein großes gabelförmiges Werkzeug;

ein großer Schlüssel.

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Burgplatz von Wolken.

Beim Bau der Eisenbahnbrücke über die Nebel bei Bützow stießen die Arbeiter auf eine mittelalterliche Burgstelle. Bei dem Hofe Wolken, 1 ) unweit Bützow, an dem rechten Ufer der Nebel, zwischen dieser und einer Wiese, liegt eine Anhöhe, der fürstliche Berg genannt, auf welcher das fürstliche Deputatholz gelagert und von hier auf der Nebel und der Warnow nach Rostock transportirt ward. Auf dieser Anhöhe lag ein kreisförmiges Fundament von großen Feldsteinen, ungefähr 24 Fuß im Durchmesser, wahrscheinlich das Fundament eines Thurms.

Beim Abräumen der Steine fanden sich, neben Ziegelstücken, Kohlen und Scherben von blaugrauen Töpfen, 6 eiserne Pfeilspitzen und 3 zerbrochene eiserne Lanzenspitzen. Tiefer hinab standen innerhalb des Ringes tannene Pfähle eingerammt, welche in meiner Gegenwart bloß gelegt wurden. Nahe bei diesem Fundamente ward ein eisernes Dolchmesser mit hölzernem Griffe gefunden, welches der Herr Bauschreiber Becker zu Bützow überlieferte.

In der Nähe dieses Burgplatzes fand sich, 10 Fuß tief unter einem Torflager, in Sand und blauem Thon, ein Henkelkrug aus festgebranntem, gelblichweißen Thon, von welchem leider Rand und Henkel abgeschlagen sind, noch 5 1/2" hoch, mit parallelen Reifen um Bauch und Hals.

Nicht weit von diesem Fundamente 2 ) sollen noch zwei ähnliche Fundamente liegen, welche auch ausgegraben werden sollen.

Bützow, im August 1847.

F. Seidel.     

Auf dem Burgplatze von Wolken bei Bützow sind beim Bau der Eisenbahnbrücke noch folgende mittelalterliche Alterthümer gefunden und von dem Herrn Friedr. Seidel zu Bützow eingesandt:


1) Zu Wolken wohnten im 13 und 14 Jahrh. die ritterlichen Familien Babbe und von Trechow, Vasallen des Bisthums Schwerin, als Burgmänner der bischöflichen Burg zu Bützow.           G. C. F. Lisch.
2) Bei Wolken, in der Nähe von Bützow, in dem Gehölze, welches die Darnow genannt wird, liegt in den Tannen auf einem Berge ein viereckiger Platz, die Festung genannt. Der Platz ist mit Wall und Graben umgeben, durch welche ein Eingang in das Innere führt, und mißt außerhalb des Walles 96 Fuß und innerhalb des Walles 48 Fuß im Quadrat. In der Mitte des Platzes ist eine runde Stelle, welche zwar nicht erhöhet, aber von einem Kreise umfurcht ist. Im Innern liegen an drei Seiten der Umwallung drei Hügel, wie große Gräber, einer 18 Fuß, die beiden andern 12 Fuß lang: sie werden die "drei Gräber" genannt; große Steine sind nicht zu finden.
Der Herr Advocat Reinnoldt, in Bützow gebürtig, erzählt, daß er vor mehr als funfzig Jahren als Knabe viel auf dem Platze gespielt habe. Damals habe man ihn das Studenten=Castell genannt, und man habe berichtet, die Studenten der Universität Bützow hätten den Platz zu ihren Spielen und leiblichen Uebungen so einrichten lassen.
Bützow           F. Seidel.
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1 eiserne Pfeilspitze

1 eiserne Lanzenspitze

1 Henkelkrug von weißem Thon.

Alterthümer von der bischöflichen Burg zu Bützow.

Beim Ausgraben der Fundamente zu einem Anbau an das Criminalgebäude, die ehemalige bischöflich=schwerinsche Residenz, zu Bützow, wurden im Mai 1847, mitten auf dem Schoßplatze, Kohlen, Brandschutt und mehrere zerbrochene Krüge aus blaugrauem, festen Thon, von denen immer nur der untere Theil erhalten ist, und ein kleiner, eiserner Schlüssel aus dem Mittelalter gefunden und von dem Herrn F. Seidel zu Bützow eingesandt. Zugleich schickte derselbe zwei ganz gleiche Bodenbruchstücke mit, von denen das eine im Jahre 1846 unter dem Rathhause mit Brandschutt und das andere vor einigen Jahren unter einem Privathause in der Stadt ausgegraben ist.

Schwert von Hagenow.

Unter dem Mühlendamme zu Hagenow ward ein großes, mittelalterliches, eisernes Schwert gefunden, neben eisernen Sporen, einem Pferdeschädel und eisernen Hufeisen, welches letztere jedoch verloren gegangen ist. Das Schwert, welches der Herr Burgemeister Dr. Bölte zu Hagenow dem Vereine geschenkt hat, hat die Spitze verloren, ist aber in der Klinge noch gegen 38" lang; der Griff ist für Eine Faust bestimmt und 4" lang, der Knopf ist eine starke eiserne Scheibe von 1 1/2" Dicke, die Parierstange einfach und 7" lang.


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3. Neuere Zeit.


Ein Henkelkrug,

ungefähr aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrh., mit Reliefs verziert und hochblau und grau glasurt, vorzüglich schön gearbeitet und erhalten, geschenkt von dem Herrn Klosterhauptmann, Kammerherrn von Borck zu Kloster=Malchow. Dieser Krug ist zu Alt=Schlön, r. A. Stavenhagen, gefunden. Nach der Mittheilung des Herrn Schenkers war früher der Besitz dieses Gutes unter mehrere adelige Familien vertheilt, welche auf verschiedenen Höfen wohnten; auf einer dieser Hofstellen, deren Fundamente zum Chausseebau ausgebrochen wurden, fand sich dieser schöne Krug.

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Ofenkacheln von Pampow.

Zu Pampow bei Teterow wurden zwei grün glasurte Ofenkacheln mit Reliefbildern gefunden und von dem Herrn Inspector Benecke zu Pampow geschenkt.

Die eine Kachel enthält das sehr sauber gearbeitete Reliefbrustbild einer jungen Dame. Auf einem Bande über ihrem Kopfe steht:

. . E. V . POMEREN.

unten auf dem Rahmen die Jahreszahl

1566.

Leider fehlt ein Buchstabe im Anfange, so daß die Person noch nicht sicher hat ermittelt werden können.

Die andere Kachel, welche nur in der obern Hälfte vorhanden ist, hat das Brustbild eines gerüsteten Merkurs mit Flügelhelm und Schlangenstab und über dem Kopfe ein Band mit der Inschrift:

MERCVRIVS 1566.

G. C. F. Lisch.     


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II. Zur Ortskunde.


Zur Topographie der Pfarre Klütz,

von

G. C. F. Lisch.


In Jahrb. XI, S. 403 flgd. sind alte Ortsverzeichnisse der Vogtei Grevismühlen mitgetheilt und durch Anordnung und Bemerkungen erläutert. Solche Ortsverzeichnisse haben nicht allein ein großes historisches Interesse, sondern können auch selbst für die rechtlichen Verhältnisse oft von großer Wichtigkeit werden. Unsere Topographie in ihrer historischen Entwickelung ist aber nicht nur für die älteste Zeit sehr schwierig zu erforschen, sondern nicht weniger für die neueste Zeit, indem im vorigen Jahrhundert sehr viele Veränderungen, wie Aufhebung und Verschmelzung von Dörfern, Gründung neuer Höfe mit neuen Namen u. dgl. vorgenommen sind, ohne daß hinreichend aufklärende Nachrichten über diese Veränderungen hinterblieben wären; sogar die Acten der höchsten Behörden schweigen nicht selten über solche Veränderungen.

Besonders verwirrt und schwierig für die Erforschung stellt sich die Topographie der Pfarre Klütz dar, welche in Jahrb. a. a. O. S. 408 - 411 nicht völlig hat aufgeklärt werden können. Neuere Forschungen an Ort und Stelle und in den Urkunden und Acten lassen jetzt wenigstens die wichtigsten Puncte aufklären. Seit einigen Jahrhunderten hat sich die ganze Physiognomie dieser Pfarre wesentlich verändert.

In den ältesten Zeiten war die Gegend dieser Pfarre mit Wald bedeckt und hieß im 12. und 13. Jahrhundert der Wald Klütz ("silva Clutse"). Um das Jahr 1230 standen in der Pfarre erst die 8 Ortschaften: Klütz, Ober=Tarnewitz, Wendisch=Tarnewitz, Wittenborgerhagen, Rethwisch, Arpshagen, Grundshagen, Pravsthagen. Alt waren hiernach wohl nur die Orte Klütz und Tarnewitz; die 4 Hagen, zu denen bald noch Boltenhagen

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kam, waren wohl auf ausgerodetetem Waldgrunde aufgebauet, wie ihre Namen andeuten, und Rethwisch war auch wohl eine sächsische Stiftung. Vom 14. - 17. Jahrhundert wohnten hier vorzüglich die Familien von Plessen (auf Klütz und Arpshagen) und von Tarnewitz, welche letztere im 17. Jahrhundert ausgestorben ist; auch die Familie Negendank hatte hier Besitzungen. Seit dem 13. Jahrhundert ward die Pfarre durch eine Menge neuer Höfe und Dörfer vergrößert. In den neuesten Zeiten hat die Gründung von Bothmer und die Legung mehrerer alter Dörfer, die Verschönerung und Vergrößerung des Fleckens Klütz und das neu entstandene, ländliche Seebad Boltenhagen der ganzen Gegend eine ganz andere Gestalt gegeben.

Gegenwärtig sind die meisten der Güter, mit denen wesentliche Veränderungen vorgenommen sind, gräflich bothmersche Güter; für die Vergangenheit lassen sich die Güter in 2 Gruppen nach den Familien von Plessen und von Tarnewitz theilen.

1) Bei Klütz werden in alten Zeiten aufgeführt: Arpshagen, Bamberg, Bahlen, Nieder=Klütz, Hof Verden. Von diesen Gütern existiren nur noch: Klütz, Arpshagen, Nieder=Klütz und Hof zum Felde; dagegen ist Bothmer neu entstanden. Diese Güter waren in frühern Zeiten Lehen der Familie von Plessen, welche noch heute in dieser Gegend das Gut Damshagen besitzt.

Klütz, ein Flecken, bestand früher aus sehr vielen Hofstellen, welche zum größern Theile nach vielen umherliegenden Gütern gehörten, jetzt aber mit Ausnahme eines Domanial=Antheils, zu Einem Ganzen vereinigt sind.

Arpshagen ist noch heute ein Hof, wesentlich in seiner alten Lage, durch mehrere Bauerländereien vergrößert. Im J. 1723 kaufte Arpshagen c. p. der Graf Hans Caspar von Bothmer, welcher bei seinem in London am 6. Februar 1732 erfolgten Tode 49 Jahre hannoverscher Minister gewesen war.

Hof zum Felde, altes Lehngut, früher wohl der adelige Wirthschaftshof neben dem Dorfe Klütz, ist jetzt der Wirthschaftshof zu Bothmer; wahrscheinlich ist es der Hof Verden (Curia Verden), welcher im Jahre 1404 genannt wird. Hof zum Felde oder Hakenfelde, wie es auch oft heißt, kommt schon seit dem 16. Jahrhundert vor. Nach einem amtlichen Verzeichniß vom 16. Dec. 1752 war "Hackenfelde oder Hof zum Felde eine Meierei, dabey auch eine Ziegeley angelegt worden."

Bamberg oder Bamborg lag bei Klütz; schon im 16. Jahrhundert waren die Aecker den klützer Bauern eingethan. Im 16. Jahrhundert ging es unter. Nach mündlichen Berichten

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kundiger Bauern der Pfarre lag Bamborch auf dem klützer Felde bei Bothmer. Der am Felde des Hofes Tarnewitz liegende Acker "Brannhof", welcher früher zu Arpshagen gehörte und später zu Christinenfelde gelegt ward, ist vielleicht ein Ueberrest von Bamborch; 1696 gehörte Brandenhof zu Arpshagen und lebte noch 1790 in der Erinnerung.

Bahlen lag zwischen Klütz und Arpshagen. Die frühern Cossatenstellen sind zu Klütz gelegt, der Hofacker ist zu Arpshagen gezogen. Im J. 1752 war "Bahlen, vordem ein Paar Bauerstellen, worauf ein Edelmann gewohnet, ein Dorf von 2 Cossaten." Gegenwärtig steht bei Klütz, zwischen Klütz und Arpshagen nur noch 1 Cossatenhaus, dessen Bewohner in der Umgegend scherzweise der "Bahler Amtmann" genannt ward, obgleich von einem Dorfe Bahlen nicht mehr die Rede ist.

Nieder=Klütz besteht noch jetzt als eine Pertinenz von Arpshagen.

Bothmer ist ein Schloß mit Garten, ohne eigenes Ackerwerk und eigene Feldmark. Es ist um das Ende des ersten Viertheils des 18 Jahrhunderts, wahrscheinlich auf dem Grund und Boden von Hof zum Felde, in einem Morast erbauet, in welchen die Feldmarken von Arpshagen, Hof zum Felde und Klütz, vielleicht ohne scharfe Grenzbezeichnung, zusammenstießen. Es wird in einem amtlichen Berichte vom 16 Dec. 1752 gesagt: "Bothmer, der Sitz des Herrn Graf Bothmer, von dem vormahligen königl. großbrittanischen Staats=Minister Herrn Grafen von Bothmer ganz kostbar erbauet und nach dessen Namen also genennet, als sonsten die Stelle, wo dieses Schloß hingebauet, ein bloßer Morast gewesen."

2) Bei Tarnewitz wurden sonst aufgeführt: (Großen) Tarnewitz, Tarnewitzerhagen , Wittenborgerhagen, Güldenhorn (und Lindenhase ). Jetzt werden nur genannt: Oberhof, Tarnewitz und Tarnewitzerhagen; dagegen ist Christinenfelde neu hinzugekommen. Diese Güter waren in frühern Zeiten Lehen der Familie von Tarnewitz, welche im 17 Jahrhundert ausgestorben ist.

Christinenfelde ist im Anfang des zweiten Viertheils des 18 Jahrhunderts von dem Grafen von Bothmer, dem Erbauer des Schlosses Bothmer, aus den Gütern Tarnewitz und Güldenhorn, welche derselbe im J. 1725 gekauft hatte, gebildet, der Hof mitten zwischen den an einander grenzenden Feldern von Tarnewitz und Güldenhorn aufgebauet und nach der Gemahlin des

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Grafen, Christine, benannt; nach der Ueberlieferung vom Jahre 1790 ward auch ein Acker, der "Brannhof" (das alte Bamborch?), der früher zu Arpshagen gehörte, zu Christinenfelde gelegt. Schon im J. 1732, bei der Besitzergreifung nach dem Tode des Ministers Grafen von Bothmer, war Christinenfelde als Wohnsitz aufgebauet, jedoch wurden die beiden Güter Tarnewitz und Güldenhorn noch getrennt durch eigene Wirthschafter verwaltet. Der amtliche Bericht vom 16 Dec. 1752 sagt: "Christinenfelde ist aus denen beiden adeligen Sitzen Tarnevitzerhof und Güldenhorn angelegt und nach des Herrn Grafen Frau Gemahlin Vornamen Christina, als welcher es zum Wittwensitz destiniret, also genannt worden." Nach den Berichten der tarnewitzer Bauern ist Christinenfelde aber aus Alt=Tarnewitz, Güldenhorn und Lindenhase entstanden. Diese Angabe mag wohl richtig sein, wenn auch Lindenhase als ein selbstständiges Gut in den Acten nicht erwähnt wird; jedoch kommt der Name einige Male beiläufig vor. Christinenfelde umfaßt das Feld von Tarnewitz ganz und den größern Theil des Feldes von Güldenhorn (mit Lindenhase). Die Einrichtung des Gutes Christinenfelde giebt daher den besten Aufschluß über die alten Tarnewitzer Güter, welche sich nun klar scheiden lassen.

Hof Tarnewitz, 1404 und 1519 Groß=Tarnewitz (Major Tarnevitze), 1439 Nieder=Tarnewitz (Neddere Tarnewitze), 1752 Tarnewitzerhof, jetzt in der Tradition noch Alt=Tarnewitz genannt, ist das eigentliche Ritterlehn und der Haupthof Tarnewitz, früher Rittersitz der Familie von Tarnewitz, jetzt in Christinenfelde ganz untergegangen. Nach der Scheide des Bauerdorfes Tarnewitz hin, in Wiesen und Bruch, liegt, jetzt unterm Pfluge, ein Burgwall, auf welchem noch große Ziegel gefunden werden.

Oberhof ist der alte Hof Ober=Tarnewitz, schon 1230 Superius Tarnevitze genannt. Es müssen die von Tarnewitz ihren Hof schon früh in zwei Höfe: Ober= und Nieder=Tarnewitz, getheilt haben. Früher lag Oberhof an dem Bache, wo die Landstraße von Wismar nach Klütz über den Bach geht und neben einem Burgwall noch die Schmiede steht. In neuern Zeiten ist Oberhof ausgebauet und hat eine höhere Stelle, mehr östlich von der alten, erhalten.

Güldenhorn war nach Archiv=Acten des 16. Jahrhunderts "ein Tarnewitzen Lehn" und hatte noch damals einen "Rittersitz", welcher nach der großen schmettauischen Charte südwestlich nahe bei Oberhof am See lag, mit der Bezeichnung: "Stelle vom Gül=

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denhorn;" es gehörte zu dem Hauptgute Tarnewitz und nahm wohl zu Zeiten eine Linie der Familie Tarnewitz auf. Jetzt ist der Acker zum größern Theile in Christinenfelde, zum kleinern Theile in Tarnewitzerhagen übergegangen.

Lindenhase gehörte mit Güldenhorn ebenfalls zu Tarnewitz; es lag, nach den Ueberlieferungen der tarnewitzer Bauern, an der Straße von Klütz nach Wichmannsdorf im "Bach=Schlage" des Gutes Christinenfelde.

Tarnewitzerhagen, in späterer Zeit auch oft bloß Hagen genannt, schon früh vielleicht in zwei Theile geschieden, von denen ein Theil Groß=Tarnewitzerhagen genannt ward, war (sicher seit 1358) ein altes Bauerdorf, dessen Bauern nach den drei Rittersitzen Tarnewitz, Oberhof und Güldenhorn gehörten. Noch im J. 1790 bestand Tarnewitzerhagen aus zwei Theilen: Ober= und Nieder=Tarnewitzerhagen, welche nur durch einen Bach geschieden waren. In Nieder=Tarnewitzerhagen war eine Bauerstelle, welche von dem sogenannten "Silberbauer" bewohnt ward. Bei Tarnewitzerhagen soll in einer Wiese auch noch ein "aufgebrachter Berg" liegen.

Eine besondere Schwierigkeit macht der Ort Wittenborgerhagen, welcher schon in dem ratzeburger Zehntenregister um das J. 1230 und darauf im 14. Jahrhundert genannt wird, seit dem 16. Jahrhundert aber nicht mehr vorkommt. Neuere Entdeckungen werden aber auch diese Ortsverhältnisse aufklären. Im J. 1246 schenkte der meklenburgische Vasall Johann von Wittenborg oder Wittenburg dem Nonnenkloster Rehna die Güter, welche er in Tarnewitz zu Lehn trug 1 ). Sicher hat der Ort Wittenborgerhagen von diesem Wittenborg oder dessen Vater den Namen, und es steht daher zur Frage, ob in dem ratzeburger Zehntenregister nicht auch so statt Wittenbergerhagen zu lesen sei, um so mehr, da in Urkunden des 14. Jahrhunderts der Ort immer Wittenborgerhagen heißt. Der Ort Wittenborgerhagen war also ein kleines Hagendorf in den tarnewitzer Gütern. Die Wittenborg bildeten aber ein lübecker Patriciergeschlecht. In der lübecker Rathslinie wird 1250 - 1271 "Heinrich van Wittenborch, eyn man van kloken worden" 2 ) aufgeführt, 1299 † 1321 Heinrich van Wittenborg als Burgemeister 3 ) und


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLVII. Diese neu entdeckte Urkunde hat das interessante Datum: "ante capellam nostram Mekelenborch." Hierunter ist wohl ohne Zweifel die fürstliche Kapelle auf dem Burgwalle Meklenburg zu verstehen, da dieser damals noch bewohnt ward.
2) Vgl. Deecke. Von der ältesten lübeckischen Rathslinie, S, 32, Nr. 207 u. 255.
3) Vgl. daselbst S. 35, Nr. 318.
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1351 - 1363 Johannes Wittenborch 1 ). Diese Wittenburg hatten außerdem andere Güter in der Nähe von Tarnewitz. Im J. 1320 (in die Tyburcii et Valeriani) verpfändete Ida von Plüschow (de Plotzekowe) mit ihren Söhnen Dietrich und Marquard dem Hermann Wittenburg und dem Johann von Dulmen, Bürgern in Lübeck, antichretisch das Dorf Naschendorf (Nazcendorp) und im J. 1345 (crastino nativitatis Mariae) bestätigte der Fürst Albrecht von Meklenburg dem lübecker Rathsherrn Johann von Wittenborch, Hermann's Sohne, und dem Hermann von Dulmen 2 ), einem Enkel wailand Johanns von Dulmen, diesen Pfandbesitz. Jene Besitzungen in Tarnewitz, welche Johannes von Wittenborg dem Kloster Rehna 1246 schenkte, muß dieses früh veräußert haben; es ist davon nie wieder die Rede. Im J. 1366 verpfändete der Herzog Albrecht den Brüdern Marquard und Hermann Tarnewitz die Bede aus den Dörfern Tarnewitze und Wittenborgerhagen. Nach der Reformation heißt es in einem Bericht über die "Rhenische Matrikel" von der Schenkungsurkunde vom J. 1246:

"Hieruon hat m. g. f. vnd h. nichts den das Terneuitz haben die Terneuitze."

Wahrscheinlich ging also Wittenborgerhagen wieder in Tarnewitz über, woher es entstanden war.

Alle diese Tarnewitzen=Güter waren Lehngüter und wohl erst mit der christlichen Cultur nach und nach aufgebauet.

Tarnewitz, das Bauerdorf, welches jetzt allein den Namen Tarnewitz trägt, dicht an dem flachen Strande der Ostsee, der Lieps gegenüber, ist das alte, eigentliche Tarnewitz. Bei Einführung der christlichen Cultur ward es wohl den wendischen Bewohnern überlassen und hieß daher in alter Zeit stets Wendisch=Tarnewitz. Im J. 1301 ward es an das Kloster Reinfelden verkauft und ist von diesem in fürstlichen Besitz übergegangen. Bei dem Hofe Nr. 9 des Büdners Kruse liegt noch ein Burgwall und bei der Ostsee an der Schleuse des Baches eine Anhöhe, "Tempelberg" genannt, auf welcher vor ungefähr 40 Jahren ein alter "Topf" ausgegraben ward.

Die folgende Uebersicht wird jetzt die topographischen Verhältnisse der Pfarre Klütz übersichtlich machen.


1) Vgl. daselbst S. 38, Nr. 393.
2) Hermann von Dulmen († 1350) saß im lübecker Rathe; vgl. Deecke a. a. O. S. 37, Nr. 370.
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Pfarre Klütz.

Pfarre Klütz

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Die Familie Duding
und
deren Güter Dechow und Dudingshausen,

von

G. C. F. Lisch.

In der Geschichte des Geschlechts Hahn, I, A, S. 41 flgd. ist bewiesen, daß die von Dechow, welche mit den Hahn denselben Stammvater hatten und am Ende des vorigen Jahrhunderts ausstarben, von ihrem Stammgute Dechow bei Ratzeburg den Namen und mit den Hahn gleiches Wappen, einen rothen Hahn im silbernen Schilde, führten. Als schon beide Familien ausgebildet waren, erscheint im Anfange des 14. Jahrh. ein Ritter Duding von Dechow in der Geschichte; a. a. O. S. 44 ist vermuthet, daß dieser Ritter mit seinem Geschlechte einen Nebenzweig der mit den Hahn stammverwandten ratzeburgischen Familie von Dechow gebildet habe.

Nach neuern Forschungen und Entdeckungen verhält sich aber die Sache anders. Die Familie Duding ist eine eigene Fa=

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milie, welche mit den Hahn und von Dechow in gar keiner Stammesverwandtschaft steht. Schon das Wappen der Duding ist von dem Hahn=Dechowschen Wappen völlig abweichend: die Duding führten an einer Urkunde vom 2. Febr. 1320 1 ) einen Schild, auf welchem ein Helm mit zwei gekreuzten Pfauenwedeln steht: der Helm der Fürsten von Werle; dies ist kein "alter Mannskopf", wie v. Gamm Jahrb. XI, S. 439, angiebt.

Der Zusatz von Dechow ist also nur eine besondere Bezeichnung für eine bestimmte, einzelne Person; das Gut Dechow wird darnach in einer andern Gegend aufzusuchen sein.

Der Stammvater des Geschlechts Duding ist wahrscheinlich der Ritter Heinrich Duding, welcher schon im J. 1233 unter den Edlen und Burgmännern von Güstrow (milites de Guztrowe - - nobiles, vgl. Riedel Cod. Dipl. Band. I, S. 445 und 446) im Gefolge des Fürsten Nicolaus von Werle am 14. und 24. Sept 1252 als Zeuge bei dem Fürsten Borwin von Rostock erscheint (vgl. Meklenb. Urk. I, S. 99 und 101); in denselben Verhältnissen tritt er noch am 18. Junius 1262 auf (vgl. Landesfürst in Rostock, Urk. Nr. 4); im J. 1252 wird er Heinrich von Duding (dominus Hinricus de Dudinghe), im J. 1262 nur Heinrich Duding (dominus Hinricus Dudingh) genannt. Wahrscheinlich ist Duding ein Personenname und das Wörtchen von hier mißbräuchlich in den Namen gekommen. Am 13. Junius 1283 ist ein Ritter "Duding", ohne Vornamen, Bürge bei den Fürsten von Werle für den rostocker Landfrieden (vgl. Gesch. u. Urk. des Geschl. Hahn I, B, S. 102); am 3. Febr. 1291 erscheint er wieder (vgl. das. S. 150) bei den Fürsten von Werle unter dem bloßen Namen Duding ("miles Dudingh"). Wahrscheinlich ist dies schon ein Sohn des Ritters Heinrich Duding und jener Duding von Dechow, ein Oheim der Brüder Barthold und Conrad Duding, welcher im Anfange des 14. Jahrh., auch mit dem Vornamen Heinrich, genannt wird. Gegen das Ende des 13. Jahrh. werden mehrere bedeutende Männer nur mit ihrem Zunamen genannt, wie Maltzan (der Ritter Ludolf Maltzan), Hahn (der Ritter Nicolaus Hahn) u. a.

Die Familie Duding war im Fürstenthume Werle zwischen Lage und Schwan, in den Pfarren Hohen=Sprenz und Kritzow, in einer sehr angenehmen und ergiebigen Gegend mit Gütern angesessen. Am 3. Febr. 1291 schenkte der Fürst Nicolaus von Werle auf Bitten des "Ritters Duding" dem Dom=Collegiat =


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. L.
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stifte Gustrow das Eigenthum von zwei Hufen im Dorfe Kuhs (Kuzitze) (vgl. Gesch. des Geschl. Hahn I, B, S. 150). Am 20. Nov. 1308 verlieh der Fürst Nicolaus von Werle den Brüdern Conrad und Barthold Duding, Knappen, ausgedehnte Privilegien für ihre Mühle zu Kl. Sprenz, welche die Familie seit alter Zeit besessen hatte, und an demselben Tage verlieh ihnen der Fürst dazu das Privilegium, daß auf eine Meile zwischen Kl. Sprenz und Lüssow kein anderer eine Mühle bauen dürfe. Am 5. März 1319 verkauften dieselben Brüder diese Mühle an das Kloster Doberan und der Ritter Heinrich Duding von Dechow (miles Hinricus Duding de Dechow) gab als Zeuge seine Einwilligung; außerdem bezeichneten die Verkäufer in einer eigenen Urkunde umständlich die Privilegien der Mühle (vgl. v. Westphalen Mon. Ined. III, p. 1606, und Urk. Gesch. des Geschl. v. Oertzen, I, B, S. 83). Der Fluß, an welchem diese Mühle lag, hieß Zabole, oder Zabel oder Sabel, nach dem angrenzenden Dorfe so genannt, und floß aus dem See Bukow in den großen See von Großen=Sprenz. Am 2. Febr. 1320 verkauften dieselben Brüder Barthold und Conrad Duding ihrem Oheim, dem Ritter Duding von Dechow (Dudincho de Dechowe), und seiner Frau auf deren Lebenszeit die Aufkünfte von 8 Hufen im Dorfe Kritzow 1 ), in welchen der genannte Ritter schon Rechte besaß.

Aus diesen urkundlichen Berichten geht hervor, daß die Duding, welche im 14. Jahrh. ausstarben (nach v. Gamm a. a. O.), auf Kl. Sprenz wohnten und Besitzungen in den Bauerdörfern Kritzow und Kuhs hatten. Aus dem Namen des Ritters Heinrich Duding von Dechow (beständig de Dechowe geschrieben) läßt sich aber auch abnehmen, daß ihnen auch ein Gut Dechow gehörte, auf welchem eine Linie der Familie wohnte; dieses Gut Dechow wird ein anderes sein, als das Dorf gleiches Namens bei Ratzeburg. Erfreulicher Weise hat sich das Dorf jetzt noch ausfindig machen lassen. Sowohl in den öffentlichen Archiven und Registraturen, als in den Guts=Charten und Papieren ist jede Forschung nach dem Gute Dechow vergeblich gewesen. Nur die letzten Stimmen der Tradition weisen noch das Dorf nach. Der Herr Gerichtsrath Ahrens zu Schwan machte die Mittheilung, daß er vor etwa 30 Jahren von einer Feldmark Dechow gehört habe, welche zwischen Dudingshausen, Friedrichsdorf und Striesdorf liege. Hierauf stellte der Herr Pastor Thiem zu Hohen=Sprenz umfängliche Nachforschungen in seiner Gemeinde an, konnte aber nichts weiter erfahren, als


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. L.
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eine Nachricht des Schmieds Wulf zu Hohen=Sprenz, 48 Jahre alt; dieser berichtete, er habe von seiner im J. 1812 zu Hohen=Sprenz verstorbenen Großmutter oft von einem Dorfe Deckow erzählen gehört, welches auf der Feldmark Dudingshausen gelegen, zuletzt nur einige Katen umfaßt und früher, als das jetzige Gut Dudingshausen gestanden habe. Aus dieser Angabe geht denn hervor, daß das Dorf Dechow die Feldmark gewesen sei, auf welcher die Familie Duding, und wahrscheinlich der Ritter (Heinrich II.) Duding von Dechow, den nach ihr benannten, in einer der reizendsten Gegenden des Amtes Güstrow gelegenen Ritterhof Dudingshausen gegründet habe, in dessen Feldmark das Dorf Dechow allmählig unterging. Der bei Dudingshausen liegende Burgwall, in dessen Nähe noch weite Umwallungen liegen sollen, zeugt außerdem für die Richtigkeit dieser Annahme. Dieser "Burgwall" liegt, seit alten Zeiten so genannt, nach des Herrn Pastors Thiem Beschreibung in einer Ebene vor Dudingshausen nahe am Hohen=Sprenzer See, ist ungefähr 20 Fuß hoch, mit schräger Ansteigung, und 77 Schritte lang, mit Buchen und Gesträuchen, wie Hollunder, Wachholder etc. . bewachsen. In alten Zeiten hat dieser Burgwall wohl auf einer Insel gelegen, durch die theilweise Ablassung des Sees in neuern Zeiten ist er von dem Seeufer entfernt worden.

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Das Land Ture.

Die Lage und die Ausdehnung des Landes Ture sind von Lisch, Jahrb. X, S. 33 - 35, aus den Reichssteuer=Registern von 1496 genau angegeben. Indeß möchte noch folgender Beitrag nicht ohne Interesse sein. Noch jetzt ist unter dem Landvolke hiesiger Gegend die Benennung: de Tûr - die Ture, allgemein bekannt und gebräuchlich von der Gegend, die bei Stuer anfängt und sich bis Gr. Pankow erstreckt; sie umfaßt, genau bezeichnet, alle Oerter, die an der preußischen Grenze südlich von dem Gehlsbache 1 ) liegen, also Ganzlin, Retzow, Quaslin, Darz, Wahlstorf, Wilsen. Doch hat sich insoferne diese Benennung verändert, als man darunter nicht alles zu diesen Ort=


1) Auf fast allen Charten ist ein Bach bezeichnet, der dem Anscheine nach aus dem plauer See kommt, die dresenower und twietforter Mühlen treibt, bei Ganzlin, Retzow. Dammerow, Wilsen vorbeigeht und unsern von Gr.=Pankow in die Elde fließt. Es sind aber zwei Bäche: ein kleinerer entspringt zwischen Ganzlin und Twietfort, treibt die bezeichneten Mühlen und fließt in den plauer See; der zweite entspringt auf dem ganzliner Felde, nahe an der neuen Chaussee, fließt nach Retzow, Dammerow, erhält zwischen Karbow und Darz den Namen Gehlsbach (Michaelisbach) (vgl. Jahrb. VI, S. 176) und geht bei Wilsen vorbei endlich in die Elde.           J. Ritter.
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schaften gehörige Land, sondern die unfruchtbaren, mit Heide oder Tannen bedeckten Sandstrecken versteht. Daher hat jeder Ort noch wieder speciell seine Ture, und man unterscheidet also: die ganzliner Ture, die wahlstorfer Ture u. s. w.

Vietlübbe, 1846.

J. Ritter.     

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Die Burg Stüvendorf bei Vietlübbe, D. A. Lübz.

Nachrichten über das Dorf und die Burg Stüvendorf (Stuuendorp, Stouendorp) sind schon früher in Jahresber. V, S. 141 - 143, mitgetheilt, welche aber besonders in geschichtlicher Hinsicht nur auf der Sage in hiesiger Gegend beruhen. Der Name Stuvendorp oder Stovendorp deutet auf die Anlage oder den sehr alten Besitz dieser Burg durch das im Mittelalter in Meklenburg oft vorkommende rittermäßige Geschlecht von Stove, welches auch Stavenhagen (Stovenhagen) zur Stadt abtrat, und im Stargardischen den Ort Staven (früher Stouen genannt) noch im Jahre 1303 zum Theil besaß (vgl. Jahrb. IX, S. 260); auch führen noch 2 Orte in Meklenburg den Namen Stove, nämlich bei Neu=Bukow und unweit Rostock. Wie lange diese Burg Stüvendorf bei Vietlübbe bestanden habe oder bewohnt gewesen sei, darüber hat sich bis jetzt nichts aufgefunden; nach den vom Freunde Lisch mir mitgetheilten, zu der folgenden Darstellung benutzten, urkundlichen Nachrichten muß sie schon im 13. Jahrh. untergegangen sein; das Dorf Stüvendorf mag noch bis ins 15. Jahrh. bestanden haben.

Die erste Nachricht von Stüvendorf findet sich in einer Urkunde vom 13. April 1274: Der Fürst Nicolaus von Werle verkauft dem Kloster Stepenitz zur Beilegung der Streitigkeiten, welche er mit dem Kloster über die seit langer Zeit von diesem besessenen Güter in seiner Herrschaft hat, das Eigenthumsrecht an dem Dorfe Karbow, an dem Dorfe Wilsen mit der Mühle und an 16 Hufen in Crein, und überläßt dem Kloster das Dorf Dars, das Dorf Damerow, 1 1/2 Hufen in Stuvendorp mit der Mühle, 11 Hufen in Vietlübbe, 6 Hufen in Bercowe, 2 Hufen in Plawe, 2 Hufen in Drosenow, 3 Hufen in Loubze und das Dorf Stolpe (gedruckt in Riedel Cod. Dipl. Brandenb. I, I, pag. 245). Sodann heißt es in einer Urkunde vom 29. Septbr. 1300: Der Fürst Nicolaus von Werle und seine Brüder Günther und Johann verkaufen dem Kloster Stepenitz das Eigenthumsrecht an dem Dorfe Quarcellyn (jetzt Quaßlin) mit der Mühle und übertragen dem Kloster 1/2 Hufe in Stovendorppe (gedruckt in Riedel a. a. O. pag. 249). Ferner besagt eine im großherzogl. Archive zu Schwerin aufbewahrte Original=Urkunde von 1425 (des mydwekens na Laetare): Helmold,

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Heinrich, Hennekeund Godert die Plessen zu Lübz vergleichen sich mit dem Fürsten Wilhelm von Werle dahin, daß die Plessen das Dorf Zwemmin (Schlemmin) anspruchsfrei erhalten, der Fürst dagegen den plauer See und das höchste Gericht zu Zuckowe und Stuvendorpe befreiet erhält.

Schon im J. 1448 wird das Dorf untergegangen 1 ) sein, da es in einem Register des Amtes Plau vom Jahre 144 (8/9 heißt:

Dyt ys de vpborynghe tho Plawe in deme XLIX iare:
Item van Vitelubbe VIII s. vnde II mark.
Item II s. vnde II punt bede van deme velt Stuuendorpe.
Item van Damerow XXVII s. van Stuuendorpe.

In einem plauer Amtsregister vom J. 1529 heißt es:

Die Vittelober vom felt zu Stubickendorff, daruon II teil kegen Luptz, 9 1/2 s. rogken.

Im Jahre 1570 war das Dorf Stuvendorf sicher längst untergegangen, da in dem Amtsbuche von Lübz aus dem Jahre 1570 der dortige Acker nicht nur "Veld Stuuendorff" genannt wird, sondern auch dieses Feld bereits unter die umliegenden Dorfschaften vertheilt war. Das Amtsbuch von Lübz enthält nämlich folgende Notizen.

Es waren auch einige Hufen auf dem "Velde Stuuendorff" von den Karbowern in Benutzung. Wilsen hatte eine stuuendorffer Wiese. Unter Vietlübbe heißt es: "Mher gebrauchen sie auch xv hufen vffm felde Stuuendorff." - Auch war ein Theil des Ackers mit Holz bewachsen, denn es heißt ferner: "Das Holz zu Stuuendorff ist ein ziemlich Eichen vnd Buchenholtz, hatt guthen Grundt von weichen vnd vnterholtzes, stosset an das feldt zu Bergkow." - Der an das Kloster Stepenitz gekommene Theil der Feldmark ist natürlich gar nicht mit angeführt.

Die Lage der Burg und ihre gegen andere Burgstellen bedeutende Größe deuten auf eine frühe Benutzung dieses Platzes als Zufluchtsortes der damaligen (wendischen) Bevölkerung, und als starken Schutzes des räuberischen Adels in der darauf folgenden Zeit. Die jetzige Wiese, welche fast in gerader Richtung von Norden nach Süden an den Grenzen von Schlemmin und Kritzow anfängt, zwischen Karbow und Vietlübbe sich hinzieht, den Damerower Acker berührt und an den Feldmarken Quaßlin


1) Wahrscheinlich wird das Dorf in den märkischen Raubfehden in der ersten Hälfte des 15. Jahrh. untergegangen sein; man vgl. oben S. 245           G. C. F. Lisch.
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(Mühle), Dars und Wilsen südlich aufhört, eine Länge von fast 3/4 Meilen, aber eine sehr verschiedene, jedoch geringere Breite hat, war früher ein See von bedeutender Tiefe, später ein Sumpf und diente noch 1806 den Umwohnenden als Zufluchtsort; am nördlichen Ende ist noch ein kleiner See, zur Sandkrüger Försterei gehörend, und eben so am südöstlichen Ende der Damerower See, beide wegen der sumpfigen Ufer fast unzugänglich. Von Südosten kommt der Quaßliner Mühlenbach, fließt durch den Damerower See und verbindet sich mit dem größeren Geelsbache (Michaelisbache), welcher an der östlichen Seite in diese Wiesenfläche tritt und dieselbe in der südwestlichen Spitze verläßt. Nördlich von dem Eintritte dieses Michaelisbaches in den früheren See liegen nun die Ruinen der Burg in der Wiesenfläche (dem früheren See oder Sumpfe), die Befestigungen verlieren sich aber in dem daran stoßenden Acker von Stüvendorf (jetzt Pfarracker von Vietlübbe). Den festesten Theil der Burg bildete ein runder Hügel von neun Ruthen Durchmesser, mit einem Wallgraben umgeben, der noch im Sommer nicht austrocknet. Diese eigentliche Burgstelle (mit dem festen Hause) ist von den Bauern schon zu zwei Drittheilen abgefahren zur Besserung der daran liegenden Wiesen; dabei kam fast in der Mitte ein aus Feldsteinen, an den Ecken mit Kalk, sonst aber mit Lehm aufgemauerter viereckiger Thurm zum Vorschein (Burgverließ), in welchem 1835 ein Kettenpanzer, Sporen und Pfeilspitzen aus Eisen gefunden wurden, im vorigen Jahre aber auch starke Thürhespen und Angeln aus Eisen. Die Erde dieses Hügels ist aufgetragen und enthält verschiedene Mischungen (nach den verschiedenen Zeiten) aus Sand, Lehm und Thonmergel; aber das Material findet sich nirgends in der Nähe, sondern nordwestlich vom Sandkruge in den sogenannten Kläden, wo der Thonmergel zu Tage steht und sich die Gruben noch vor wenigen Jahren sichtbar befunden haben, da die Gegend bis dahin zur Forst gehört hat. Darnach wäre das Material im Burgdienst von den Sukowern und vielleicht auch Kritzowern zu Kahn dahin gebracht. Bei dem Wegfahren der Erde kommen auch rothgebrannte Lehmklumpen mit Stroheindrücken zu Tage, ein Beweis, daß die Burg durch Feuer untergegangen ist; ferner viele blaugraue Scherben von Thongefäßen aus feiner Masse. Die zweite Hauptstelle (die Vorburg ) ist ein fast gleicher Hügel, aber etwas unregelmäßiger aufgeschüttet und nicht völlig so hoch; er scheint noch unversehrt zu sein, liegt nordwestlich von dem vorigen Platze und ist ebenfalls mit einem weniger breiten Graben umgeben. Ein dritter Platz, nördlich von den beiden andern, fast viereckig und ungefähr dreizehn Ruthen lang und breit, hat vier Erhebungen, auf welchen der Sage

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nach Gebäude gestanden haben; ein Graben umschließt auch diesen Raum. Ein westlich von der Hauptburgstelle liegender, durch einen Graben befestigter Platz kann ebenfalls Gebäude getragen haben, da er auf der Südseite ziemlich erhaben ist und eine Breite von fünf Ruthen hat; vielleicht ist es aber auch ein bloßer Wall. Ein Wall mit einem äußeren Graben umgiebt im Halbkreise die südöstliche Hälfte der eigentlichen Burgstelle; er setzt sich fort nördlich zwischen der Burgstelle und dem dritten viereckigen Platze bis nahe an die Vorburg. Oestlich vor dem viereckigen Platze liegen zwei niedrige Wälle in gleicher Richtung, ohne äußeren Graben; westlich ebenfalls ein Wall ohne äußeren Graben, bis gegen die Mitte der Vorburg nach Südwesten sich wendend. Nordöstlich liegt in der Entfernung von etwa zehn Ruthen ein Wall mit einem äußeren, gegen den Acker gerichteten Graben, der sich dem Graben um den viereckigen Platz anschließt. Dieser und noch zwei andere Wälle, östlich vor der Burg liegend, verschwinden jetzt in dem anstoßenden Pfarracker, so wie ein Graben, der in fast südlicher Richtung zwischen dem Acker und der Burg gezogen war, sich fast verloren hat, da er ausgefüllt und zur Wiese geebnet ist. Der Weg zur Burg scheint von Osten auf einem der niedrigen Wälle quer über einen andern gleichen, nach der viereckigen Stelle, von da über den nördlich vor der Hauptburgstelle liegenden Wall nach der Vorburg und so nach der eigentlichen Burg gegangen zu sein. Im Ganzen umschließen die Befestigungen einen Raum von etwa 27 Ruthen Breite und 50 Ruthen Länge.

Die Kirche von Stüvendorf lag grade östlich von der Burg; die Stelle des Thurms ist noch durch eine Masse von Feldsteinen und Kalkschutt, der Umfang des Kirchhofes durch eine kleine Erhöhung (früher Steinmauer) kenntlich. Das Dorf lag um die Kirche und sind einzelne Hausstellen im Acker noch erkennbar. Die Mühle lag am Geelsbache, wo jetzt der Weg von Vietlübbe nach Quaßlin über den Bach geht; das Bruchstück eines Mühlsteins ward hier beim Graben noch im letzten Sommer gefunden; die oberwärts liegende Wiese heißt noch die Teichwiese (dîkwisch). Der Acker von Stüvendorf muß groß gewesen sein; der an das Kloster Stepenitz verkaufte oder geschenkte Theil lag wohl jenseit oder auf der Südseite des Geelsbaches, jetzt zum Gute Damerow gehörend; die Karbower hatten stüvendorfer Aecker, Wilsen gebrauchte eine stüvendorfer Wiese und 15 Hufen auf dem stüvendorfer Felde sind an Vietlübbe gekommen. Die von Karbow und Wilsen benutzten Aecker und Wiesen müssen jenseits, d. h. auf der Westseite der großen Sumpfwiese zwischen Michelsberg und Karbow gelegen haben (die michelsbergischen

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Hufen wurden damals auch von Karbow und Wilsen schon bewirthschaftet), da diese Ortschaften die östlich der Wiese belegenen Aecker des Sumpfes wegen nicht benutzen konnten, diese Aecker auch wohl wie jetzt nach Vietlübbe gehörten. Das Gebiet erstreckte sich also wohl über den größten Theil der Wiese und links und rechts am Geelsbache hinauf.

Nehmen wir dazu, daß auch die alte fürstliche Domaine Cesemow, welche der Fürst Heinrich Borwin I. im Jahre 1219 dem Michaeliskloster zu Lüneburg schenkte und welche nun den Namen Michaelisberg erhielt (vgl. oben S. 21 und Jahrb. II, S. 24, 291), an dieser Sumpfwiese lag, und zwar nicht weit von der Burg Stüvendorf, aber am südwestlichen Ende der Wiesenfläche, so mag das Schicksal und die Bedeutung dieser Burg Stüvendorf mit dem Orte Cesemow in naher Verbindung gestanden haben und den Bewohnern nicht allein zum Zufluchtsorte in Zeiten der Noth, sondern auch als Schutz und Schirm gedient haben; denn bei Cesemow befindet sich keine Spur von Befestigung, als nur eine kleine, nahe am Ufer liegende Stelle, welche 35 Schritte im Durchmesser haltend wohl einen Thurm oder ein festes Haus tragen und eine augenblickliche Zuflucht, aber keinen dauernden Schutz gewähren konnte. Betrachten wir noch außerdem die Lage dieser ganzen Wiesenfläche, des früheren Sumpfes oder Sees, in wendischer Zeit in dem Lande Ture südlich von der Elbe, welches die Oerter Kreien, Karbow, Wilsen, Dars, Quaßlin, Wahlstorf, Retzow, Barkow, Brook, Benzin noch 1496 umfaßte (Jahrb. X, S. 33), so liegt sie in dem Mittelpuncte dieses Landes und bot der Bevölkerung um so mehr eine sichere Stätte in Kriegszeiten dar, als die Wenden überhaupt sumpfige Gegenden in solchen Zeiten aufsuchten und in dieser Sumpfwiese nicht allein die Burgstelle von Stüvendorf als Zufluchtsort fanden, sondern auch auf noch mehrere Inseln in der Nähe der Burg sich retten konnten. Diese Inseln gehörten ihrer Lage nach wahrscheinlich zu Stüvendorf. Grade zwischen dem jetzigen Dorfe Vietlübbe (auf ehemals stüvendorfer Feldmark angelegt, da das alte Vietlübbe nahe an der wangeliner Scheide im Sumpfe lag, wo noch die "alte Dorfstelle" jedem Einwohner bekannt ist), und dem Hofe Retzow liegt der Arnaun, ein ziemlich bedeutender Forst, also früher Insel (Jahresb. X, S. 24). Eine zweite Insel lag in der sogenannten Kirchenwiese am vietlübber Pfarracker unweit der Burg. Südlich vom Geelsbache an dem damerower (früher stüvendorfer, an das Kloster Stepenitz gekommenen) Acker liegen zwei bedeutende Inseln, die in nassen Jahren noch fast unzugänglich für Wagen sind, obgleich Dämme, in neuerer Zeit gemacht, dahin führen. Ein Platz in der Wiese,

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nahe am damerower Acker und an dem damerower See, durch welchen der von der quaßliner Mühle kommende Bach fließt, ist fast rund und so hoch, wie wohl altwendische Burgstellen z. B. zu Lehsen, Düsterbeck, Wangelin, Retzow, zu sein pflegen; doch habe ich daselbst noch keine Untersuchung vornehmen können, und Sagen existiren nicht darüber.

Vietlübbe, im Januar 1847.

J. Ritter.     

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Alterthümer von der Burg Stüvendorf.

Im Winter des J. 1846 ward wieder Erde zur Wiesenbesserung von einem Hügel der alten Burg Stüvendorf abgefahren; dabei fand sich nahe an dem schon fast ganz bloß gelegten Fundamente eines viereckigen Thurmes eine Hespe und ein Haken aus Eisen, wahrscheinlich von einer großen Thür.

Beim Ausbrechen von Steinen aus der früheren Kirchhofsmauer des untergegangenen Dorfes Stüvendorf bei Vietlübbe, da der Umfang dieser Mauer noch deutlich erhöhet ist, die Steine aber der Ackercultur hinderlich sind, ward zwischen den gewöhnlichen feinkörnigen, blaugrauen Topfscherben in verbrannter Erde, die einen zerdrückten Topf gefüllt zu haben schien, ein eiserner Ring von 2" Durchmesser gefunden; er schließt nicht ganz und es mag etwas abgebrochen sein. Nicht weit davon entfernt fanden sich 3 Scherben von verschiedenen, fest gebrannten, weißlichen Krügen.

Auf dem vietlübber Pfarracker ward in einer Niederung unweit der alten Burg Stüvendorf ein kleines Hufeisen ausgehakt.

Vietlübbe, 1846.

J. Ritter.     

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Burgstelle von Retzow, D. A. Lübz.

Nordwestlich vom Dorfe Retzow liegt in den Wiesen, durch welche der Geelsbach fließt, früher etwa 30 Schritte vom Acker, jetzt durch den ausgedämmten Weg nach Wangelin und durch aufgetragene Erde fast mit dem Acker verbunden, der noch durch eine Senkung sichtbar mit einem Graben umgeben gewesene Burgplatz, welcher nur aus einem Hügel bestand, den schon vor längeren Jahren die damaligen Pächter von Retzow abgefahren haben, um mit der Erde die Wiesen zu bessern; jetzt ist er im Besitze des Erbpächters Abraham. Beim Abtragen soll nach Aussage der damals dabei beschäftigten Leute, die noch leben, verschiedenes "verrostetes Eisengeschirr" gefunden, aber als unbrauchbar weggeworfen sein.

Vietlübbe, 1846.

J. Ritter.     

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In einem Register des Amtes Plau vom J. 1448/9 sind die Bestandtheile von Retzow deutlich angegeben:

Dyt ys de borynghe to Plawe
anno domini etc. XLVIII°
Retzow.

Item Hermen Daneke XIII s. van deme velt to Wangelin.
Item Thomas Daneke XVIII s. van den Dupouwen hoven
Item Jachym Lyzeke VI van den Swartenpapen hoven.
Item Hinrik Mense VI s.
Item VI mark vnde III s. van dem velt Gorghelin.
Item van Berkow VIII lub. mark van deme velt Lellekow.

Gnewestorp.

Item Merten Moche XIII s. van Wangelyn.
Item II mark bede vte deme dorpe." etc.

G. C. F. Lisch.     

Dorfstelle von Gallin oder Gorgelin
bei Retzow,
D. A. Lübz.

Zwischen dem Hofe Retzow und dem Dorfe Gnevsdorf soll auf der westlichen Abdachung des Ackers nach den vom Geelsbache durchflossenen Wiesen, ungefähr da, wo die frühere Meierei von Retzow stand, ein Dorf Namens Gallin gelegen haben. Die Kirchhofstelle ist noch an einer Erhöhung des Bodens, wo die Kirchhofmauer befindlich gewesen ist, sehr leicht zu erkennen; der Fußsteig vom Hofe Retzow nach Gnevsdorf führt dicht daran vorbei.

Vietlübbe, 1846.

J. Ritter.     

Schon im J. 1448 war das Dorf Gorgelin untergegangen. In einem Rechnungsregister des Amtes Plau vom J. 1448/9 heißt es (vgl. auch oben):

Dyt ys de borynghe tho Plawe in deme XLIX iare.
Item van Retzow IIII s. myn wen V mark van deme velt Wangelyn.
Item VIIX mark van deme velt Gorghelin.

Nach dem lübzer Amtsbuche von 1570 hatte die Dorfschaft Retzow "32 gorgelinsche Hufen " zur Benutzung.

G. C. F. Lisch.     

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Zwischen dem Hofe Retzow und Gnevsdorf liegt ein alter christlicher Kirchhof, angeblich von dem untergegangenen Dorfe Gallin (Gorgelin?). Hier ließ der Pächter Herr Dabel die sogenannte Kirchhofmauer aus Feldsteinen ausbrechen, auch in der Mitte von einer hügelförmigen Erhebung die größeren Steine wegräumen, wo sich ein großer, 9 3/4 Zoll langer eisernen Schlüssel fand, welchen derfselbe dem Vereine geschenkt hat.

Vietlübbe.

J. Ritter.     

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Burgstelle von Wangelin, D. A. Lübz.

Die Burgstelle von Wangelin ist nur ein kleiner, mit einem Graben umgebener Hügel, welcher in einer sumpfigen Niederung nordwestlich vom Dorfe Wangelin und in dessen unmittelbarer Nähe liegt. Sie ist in der Mitte durchgraben und hat man die weggefahrene Erde wahrscheinlich zum Ausdämmen und Erhöhen der Wege oder der in dieser Niederung liegenden Gärten in neuerer Zeit gebraucht; sonst liegt sie mitten im Gebüsche. Die Sage läßt den letzten Ritter von Stüvendorf durch den Ritter von Wangelin ermordet werden. - Der weiter vom Dorfe, auf dem Fußsteige nach Vietlübbe, ebenfalls am Sumpfe liegende mit Wall und Graben umgebene Platz heißt die Schanze und soll im siebenjährigen Kriege angelegt sein.

Vietlübbe, 1846.

J. Ritter.     

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Wallberge bei Sukow, am Plauer See.

Am Ufer des Plauer Sees liegen auf dem Sukower Gebiete die auf der Gutscharte sogenannte oberen Wallberge, auf zwei Seiten vom Plauer See, südlich und östlich aber von einem bedeutenden Torfmoore begrenzt. Auf dem nördlichen Ende ist ein Plateau von etwas abgerundet viereckiger Form, 464 Quadratruthen groß, durch eine wallförmige Erhebung rund umher begrenzt, so daß hier gewiß früher eine Art Verschanzung gewesen, ist. Diese Ansicht wird dadurch mehr zur Gewißhheit erhoben daß ein noch sichtbarer Weg nicht von der Landseite gradezu von Süden in diese Umwallung, sondern um die östliche Seite herum in der Mitte des nördlichen Walles in den befestigten Platz hinein führte.

Die Leute nennen dieses Plateau den alten Kirchhof und meinen, daß auch eine Kirche hier gestanden habe. Es sind innerhalb der Umwallung allerdings Stellen, wo wahrscheinlich Gebäude gestanden haben. Aber bei einer früher geschehenen Ausbrechung von Steinen und Ausrodung von Baustämmen

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sind keine Spuren von Knochen oder Urnen bemerkt, wohl aber das Dasein einer Feldsteinsetzung unterhalb des Walles. - Die unteren Wallberge liegen südlich von den vorigen auf dem festen Lande, sie verrathen aber nirgends die Spuren einer früheren Befestigung, wenn nicht ein runder Hügel am Torfmoore einen Thurm oder ein festes Haus getragen hat.

Vietlübbe, im Mai 1847.

J. Ritter.     

Vielleicht ist Sukow im A. Marnitz gemeint (vgl. Riedel Cod. Dipl. I, S. 251 flgd.), welches in einem plauer Amtsregister vom J. 1529 in folgender Ordnung aufgeführt wird.

Von den wusten felden.

Swerin
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Vom felt zu Drehen die Swerinschen, daran die Gammen II teil.
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Die von Gneweszdorf vom felt zu Reppentin.
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Die Vittelober vom felt zu Stubekendorff, daruon II teyl kegen Luptz.
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Die von Karbo vom felt zu Suckow.
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Vom felt zu Sucko die Vittelober.

G. C. F. Lisch.     

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Clippatendorf oder Clippat.

In meiner "Berichtigung einer von dem Herrn Staatsminister v. Kamptz gemachten Aeußerung", 1844, S. 13 flgd. und Urk. Nr. IX, S. 41, ist von einem Dorfe Clippacendorf die Rede, welches der Fürst Johann von Werle am 2. Dec. 1338 dem Barthold Swartepape zum Theil verlieh.

Der Name dieses Ortes, welcher allerdings einige Berücksichtigung verdient, ist bis jetzt eben so unbestimmt gewesen, als seine Lage. Die a. a. O. gegebene Lesung des Namens Clippacendorf ist eben so unrichtig, als die ebendaselbst S. 8 aufgestellte Vermuthung, daß Cllippacendorf vielleicht Laschendorf sei. So viel ist gewiß, daß das Dorf in alten Zeiten in der Vogtei Malchow lag, da dies in der Urkunde vom 2. Dec. 1338 ausdrücklich gesagt wird.

Nach genauern Forschungen hieß das Dorf: Klippatendorf oder Klippat, und lag am östlichen Ufer des plauer Sees bei dem Dorfe Zilow. Schon im J. 1351 erwarb das

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Kloster Malchow 5 Hufen in Klippatendorf, nach einer Urkunde, welche freilich nur in Abschrift zugänglich ist. Im J. 1529 lag das Dorf schon wüste und das Feld gehörte zum Amte Plau; in einem plauer Amtsregister vom J. 1527 heißt es:

Huer - Rogge.

Citzelow vhan Clippath II dr. VIII sch. III 1/2 f.

und in einem andern Register vom J. 1529 heißt es:

Hührrogken von den wusten Felden.
Vom felt zu Klippat die Zutzelower V dr. II sch. I. f.

Ein Güterverzeichniß vom 22. April 1587 bemerkt:

So gehören weitter zum Sthuer nachfolgende wuste

Feldtmarcke;

Cratz, Viere, Santz, Bistorff, Bruck Müllenfeldt, Oberlandt, Tangan, Loitzen, Kressin, Dentzin, Wendischen Marssow, Tonnichow, Klippaet, Köselin, Locken.

Die v. Flotow auf Stuer hatten bekanntlich in ältern Zeiten das Land Malchow zu Pfande.

Und wirklich liegt noch auf der großen schmettauischen Charte zwischen Petersdorf und Satow, also neben Zislow, ein Gehölz mit dem Namen "Der Klipperhof."

G. C. F. Lisch.     

 


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III. Zur Baukunde

des Mittelalters.


Die Kirche zu Reknitz.

Die dem H. Bartholomäus geweihete Kirche zu Reknitz, zwischen Güstrow und Lage, gehört zu den interessantern Landkirchen in Meklenburg. Sie ist zwar kein Bau von ungewöhnlicher Schönheit, hat aber doch manche Merkwürdigkeiten, welche der Betrachtung werth sind. Sie besteht aus Chor, Schiff und Thurmgebäude und stammt in allen Theilen nach dem Baustyl aus dem zweiten Viertheil des 13. Jahrh. Alle Fenster sind nämlich noch im Uebergangsstyl gebauet: schräge eingehend, schmal, leise gespitzt. Sonst fehlt der fest gebaueten Kirche im Aeußern jeder architektonische Schmuck, welcher zu einer Zeitbestimmung dienen könnte. Die ganze Kirche in allen 3 Theilen ist aus Feldsteinen gebauet und hat Gliederungen und Oeffnungen aus großen, festen Ziegeln. Die Kirche hat in der Anlage der Fenster die Merkwürdigkeit, daß im Chor in der Nordwand 2, in der Südwand gegenüber 3 Fenster stehen; eben so verhält es sich bei der nächstfolgenden Fensterstellung im Schiffe.

Der Chor gehört zu dem Baustyl der zwischen Sternberg und Schwan liegenden Kirchen (vgl. Jahrb. X, S. 309 und XI, S. 464) des bischöflich schwerinschen Sprengels, zu welchem Reknitz gehörte. Er ist mit Einem Gewölbe bedeckt, welches 8 starke Rippen hat, die oben in einem Kreise zusammenlaufen, und hat hinter dem Altar 3, in der Südwand 3, in der Nordwand 2 Fenster.

Das Schiff, welches etwas breiter ist, als der Chor, ist dagegen sehr eigenthümlich: es hat nämlich 4 Gewölbe, welche von einem gerippten, starken Pfeiler getragen werden. Durch diese Construction kommt der Pfeiler in der Mitte der Kirche zu stehen und wird das Schiff in zwei Schiffe getheilt. Zu den

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zweischiffigen Kirchen in Meklenburg (vgl. Jahrb. XII, S. 459), welche bisher zu Schlagsdorf, Schwinkendorf, Ankershagen und Gnoyen entdeckt sind, kommt also noch die Kirche zu Reknitz hinzu. Dieser Bau ist bei dieser Kirche weniger auffallend und störend, da sie bei 4 Gewölben nur Einen Pfeiler hat; in den andern Kirchen sind die Pfeiler in der Mitte bei dem protestantischen Gottesdienst oft sehr hinderlich, beim katholischen Ritus freilich nicht so sehr. Das Schiff hat an jeder Seite unter jedem Gewölbe 2 Fenster, nur unter dem ersten Gewölbe zunächst dem Chor in der Südwand, wie oben bemerkt ist, 3 Fenster.

Die Pfarre zu Reknitz war im Mittelalter der Sitz einer mächtigen und reichen Ritterfamilie, deren Hauptstamm das Geschlecht der Nortman auf dem nahe gelegenen Schlosse Rossewitz bildete. Daher berühren die Monumente in der Kirche auch meistentheils die Geschichte dieser Familie.

Rechts neben dem Altare liegt ein alter Leichenstein ohne Umschrift, nur mit dem Schilde und Helme der Nortman bezeichnet: der Schild hat 3 oben kleeblattförmig ausgeschnittene Herzen (oder: "Seeblätter", wie ähnliche Zeichen im Wappen der Grafen von Teklenburg genannt werden), welche mit den Spitzen einen Knopf oder eine Rose in der Mitte des Schildes berühren; der Helm trägt zwei halbkreisförmige, gegenüberstehende Kämme aus Federn.

Zunächst vor dem Altare liegt ein großer, weißer Stein mit eingegrabenen Darstellungen. In 2 verbundenen gothischen Nischen steht rechts ein gerüsteter Ritter, vor sich ein Schwert und den nortmanschen Schild haltend, links eine Matrone mit gefaltenen Händen und zu ihren Füßen mit einem gelehnten Schilde, welcher einen links hin schreitenden Bären hat. An den 4 Ecken stehen die Symbole der Evangelisten. Die Inschrift lautet:

Inschrift

Zwischen den Füßen beider Figuren steht:

Inschrift

(= Anno domini MCCCLXXXIX, feria III post Laetare obiit dominus Joachim Nortman miles in Rozsseuitze. Anno domini MCCC     obiit

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domina Gheze, uxor Joachim Nortman, filia Johannis Beren. Orate pro eis.)

Der Leichenstein ward ohne Zweifel bald nach dem Tode des Mannes bei Lebzeiten der Frau gelegt, beim Tode der letztern aber die Nachtragung ihres Sterbejahres und Tages vergessen.

Links vom Altare liegt ein kleiner, blauer Stein mit dem nortmanschen Wappen unten in der Mitte und den Evangelisten=Symbolen in den Ecken. Die Inschrift lautet:

Inschrift

(= Anna domini MCCCCXXX obiit Nicolaus Nortman, filius domini Joachim Nortman militis, et vxor ejus Ghisele, filia domini Nicolai [Tulendorpe] militis. Orate pro eis.)

Der Leichenstein wird noch bei Lebezeiten des Nicolaus Nortman angefertigt sein, da Sterbejahr und Sterbetag noch nicht genau angegeben sind und Nicolaus Nortman nach Original=Urkunden der Kirche zu Reknitz noch im J. 1433 lebte. Der Vatersname der Frau ist entweder auch offen gelassen oder auch völlig abgetreten; nach reknitzer Urkunden war im J. 1425 Gisele Tochter des Nicolaus Tulendorp; auf dem Leichensteine ist der Raum für diesen Namen zu kurz, welcher also wahrscheinlich von vorne herein ausgelassen ist.

Zunächst an dem großen nortmanschen Leichensteine vor dem Altare liegt ein anderer Stein mit 2 gothischen Nischen, in welchen 2 Priester stehen, welche den Kelch consecriren. Die Inschrift lautet:

Inschrift

(= Anno domini MCCCLXXXIII in profesto Georgii obiit dominus Johannes Doberan, hic vicarius. Orate pro eo. Anno domini MCCCLXXXIX in die Lamberti obiit dominus Nicolaus Daluitz. Orate pro eo.)

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In einer Urkunde der Kirche zu Reknitz vom J. 1365 kommen die beiden Vicare Johannes Doberan und Nicolaus Dalvitz vor als "presbiteri et vicarii in ecclesia Rekenitze". Die Kirche zu Reknitz hatte mehrere durch die Familie Nortmann und Zapkendorf reich dotirte Vicareien. Im J. 1368 stiftete der Knappe Nicolaus Zapkendorf, Sohn des wailand Ritters Johann Zapkendorf, in der Kirche zu Reknitz noch eine Vicarei mit einem Hofe zu Reknitz, den er bewohnte.

Neben den nortmannschen Leichensteinen sind vier hölzerne, bemalte Schilde von Interesse, welche im Chor an den Wänden hangen.

Dem Altare gegenüber hangen 2 Schilde der Nortman, blau, mit drei weißen Herzen um eine rothe Rose, welche völlig deutlich gemalt ist; über einem Schilde ist noch der Name

clawes nortmann

zu lesen.

Links vom Altare, diesem nortmanschen Schilde gegenüber, hängt ein blauer Schild mit demselben Wappen: drei weißen Herzen um eine rothe Kugel, welche jedoch nicht als eine Rose zu erkennen ist; nur steht über der Kugel ein weißes t mit einer Krone darüber. Ueber diesem Schilde steht die Inschrift:

Inschrift

(= O ille bonus Cunradus Zapkendorp. [M]CC CCV. [die] Luciae.)

Es hat den Anschein, als wenn dieser Schild beim Tode des Conrad Zapkendorp aufgehängt worden ist. Aber noch in einer reknitzer Kirchenurkunde vom J. 1406 werden die beiden Claus Nortman und Curt Zapkendorp "vedderen" genannt; vielleicht ist die Jahreszahl auf dem Schilde entweder zum Theil verlöscht oder hat etwas anderes zu bedeuten.

Ein Wachssiegel eines Conrad Zapkendorf in der Sammlung des Vereins, wahrscheinlich aus dem rostocker Stadt=Archive, bezeichnet mit der Jahreszahl 1386 hat ganz das nortmansche Wappen, ohne Beizeichen: drei Herzen um eine Kugel mit der Umschrift:

Umschrift

Durch beide Schilde und das Siegel lernen wir die interessante Stammesverwandtschaft der Nortman und der Zapkendorf kennen. Beide haben dasselbe Wappen, beide nennen sich sicher im J. 1406 noch Vettern, beide besaßen neben einander

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die Lehngüter zwischen Güstrow und Lage am rechten Ufer der obern Reknitz und die Nortman erscheinen im Besitze der Güter der Familie Zapkendorf, nachdem diese ausgestorben war.

In der Bestätigung einer von den Familien Nortman und Zapkendorf gestifteten Vicarei in der Kirche zu Reknitz vom 23. Febr. 1369 heißt es:

In allen dessen vôrscreuen articulen tûchnitze vnde lôuen hebbe wy her Joachim Northman, her Hinrick Northman vnse ingesegele henget an dessen brêff myt den ingesegelen vnser vedderen, alse Clawes Sapkendorp, Werner Sapkendorp, Vicke Northman, Gerth Northman.

Freilich ist das Original dieser Urkunde nicht mehr vorhanden, jedoch sind die vorhandenen Abschriften, welche wahrscheinlich Uebersetzungen eines lateinischen Originals sind, alt und stammen noch aus der ersten Hälfte des 16. Jahrh.

Die Zapkendorf oder Sabekendorf, wie der Name in alter Zeit geschrieben wird, haben ohne Zweifel von dem Gute Zapkendorf den Namen und dieses ist wieder sicher von dem wendischen Personennamen Sabic benannt. Bei den pommerschen Herzogen erscheinen z. B. 1242 - 1246 ein Sabic und 1282 dessen Söhne Barchil und Johann Sabekewitsch vgl. Mekl. Urk. I, S. 71, 74 und 161). Die Sabekendorf erscheinen im 14. Jahrh. auf den Gütern Zapkendorf, Reknitz, Spotendorf und Glasewitz gesessen. Der letzte des Stammes war der oben genannte Curt Zapkendorf, mit welchem das Geschlecht in der ersten Hälfte des 15. Jahrh. ausstarb. Nach seinem Tode erscheinen in den Jahren 1447 und 1450 die zapkendorfer Güter im Besitze des Curt Nortman.

Die bekanntere Familie Nortman saß auf dem viel besprochenen Schlosse Rossewitz, zu welchem eine große Menge von Gütern gehörte. Der letzte des Geschlechts war Curt Nortman, welcher am 20. October 1450 alle seine Güter: nämlich das Schloß Rossewitz mit den Dörfern Gr. und Kl. Wendorf, Glasewitz, Spotendorf, Zapkendorf, Levekendorf, Parper, Pölitz, Nienhagen, Plaatz, Repeschendorf, Mirendorf, Knegendorf, Reknitz, Lissow, Kurleput und Pruschendorf, an seinen Schwager VickeVieregge verkaufte. Nach der Leichenrede auf Eleonore Sibylle Vieregge vom J. 1652 hatte Vicke Vieregge "die letzte des Geschlechtes Frau Gisel Nortmannen, Fräulein von Rossevitz", geheiratet. Seitdem blieben bis auf die neuern Zeiten die Vieregge im Besitze der rossewitzer Güter.

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Rechts vom Altare hängt ein weißer Schild mit einem rechts sehenden, schwarzen Greifenkopfe mit rothem Schnabel; auf dem Schildeshaupte steht die Inschrift:

Inschrift

Dieses Wappen stammt aus der abgebrochenen Kapelle zu Mirendorf, welche nach diesem Schilde von der Familie von Mirendorf erbauet ward. Diese Familie ist bisher noch nicht bekannt gewesen. Im J. 1450 waren ihre Güter ebenfalls im Besitze der Nortman.

Der Altarschrein ist ein ziemlich gutes Schnitzwerk aus dem 15. Jahrh., in der Mitte mit einem Marienbilde in einer Glorie, zu den Seiten mit den 12 Aposteln und 12 andern Heiligen. Zu den Füßen der Maria knieet der Stifter in ritterlicher Tracht, leider ohne weitere Bezeichnung.

Von den Glocken sind die beiden großen neu. Die kleinste hat um den Helm die unbeholfene Inschrift:

Inschrift

welche dadurch interessant ist, daß die römischen Unzialen noch so spät (1370) angewandt sind und dazu für die deutsche Sprache.

Die übrigen Monumente stammen aus der Zeit der Vieregge. Dies sind die Chorstühle, die Kanzel und die Orgel, alle aus Schnitzwerk, freilich jedes im Style seiner Zeit.

Die Chorstühle links vom Altare haben an den Thüren geschnitzte Wappen und Inschriften. An dem ersten Stuhl steht die Inschrift:

DE. NORMAN. DEN. GOT. GNEDICH. SI. 1579.

Dann kommen folgende Namen mit ihren Wappen:

Ewalt Vieregge. Ide Restorf.
Vicke Vieregge. Anna Swerin.
Mathias Vieregge.          Adelheit Lewetzow.

Die gut geschnitzte Kanzel ist in demselben Style und aus derselben Zeit, mit den Wappen und den Namen der beiden letzten Ehepaare.

Die Orgel aber ist ein ausgezeichnet schönes und reiches Schnitzwerk, freilich ganz im Rokokostyle, aber so ungewöhnlich schön und prachtvoll, daß es zu den ausgezeichnetsten Arbeiten dieses Styls im Lande gehört, wenn es nicht gar das allerbeste ist. Die Leichtigkeit, Schönheit und Kraft aller dieser vielen Figuren, Guirlanden und Schnörkeleien ist unübertrefflich. An dem Schnitzwerke stehen die Wappen der Vieregge und Sperling. Nach den Kirchennachrichten soll das Werk 1703 - 1708 von Johann Engelbrecht Gerhard, Orgelbauer und Organisten zu Rostock, ausgeführt sein, welcher auch die Orgel in der Kirche zu Malchin gebaut haben soll.

G. C. F. Lisch.     

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Blätter

zur

Geschichte der Kirche zu Doberan.

In Jahrb. IX, S. 408 - 451 sind die Haupteigenthümlichkeiten der doberaner Kirche zur Betrachtung gezogen. Es folgen hier nachträglich einige Forschungen über Gegenstände, deren Untersuchung besondere Vorrichtungen und längere Zeit erforderte, jedoch wichtig genug sind, um dem Ganzen hinzugefügt zu werden; es war zu dieser Forschung günstige Gelegenheit und ein längerer Aufenthalt zu Doberan für diesen Zweck nothwendig.

Der fürstliche Altar der Heil. Drei=Könige.

Im Jahrb. IX. ist die Kirche zu Doberan in ihren Haupttheilen zur Untersuchung gezogen; namentlich ist S. 416 das prachtvolle, alte Schnitzwerk betrachtet, und ausgesprochen, daß es größtentheils, besonders alles, was zum Hauptmobiliar der Kirche gehört, aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stamme. Von der Untersuchung sind dort einstweilen die Schnitzwerke hinter dem Hochaltare ausgeschieden; diese sollen hier nach genauerer Forschung jetzt zur Besprechung kommen.

Der Hochaltar steht vor den innern Pfeilern im Osten der Kirche, jedoch nicht dicht an denselben, da sie zu nahe zusammenrücken, sondern in einiger Entfernung vor denselben nach der Kirche hinein.

Diese innern östlichen Pfeiler sind unten durch eine Mauer und oben durch mittelalterliches Schnitzwerk verbunden; in der dadurch gebildeten Nische oder Kapelle steht zwischen den beiden genannten Pfeilern dicht hinter dem Hochaltare ein kleiner Altar, zu welchem ebenfalls von Westen her der Zutritt führt. Das Schnitzwerk ist mit seiner Außenseite gegen Osten, nach dem Umgange hin gekehrt, dem neuern fürstlichen Begräbnisse gegenüber.

Das erwähnte Schnitzwerk über diesem Altare ist der Beachtung werth und ist mit seinen Umgebungen der Gegenstand der gegenwärtigen Untersuchung. Auf der Abgrenzungsmauer steht in der Mitte zwischen zwei Säulen eine hohe Schranke, und über dieser auf den Säulen ein hoher Spitzbogen. In den

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Eckfeldern über dem Spitzbogen stehen aufrecht zwei Wappenschilde: heraldisch rechts der Schild mit dem meklenburgischen Stierkopfe, links der Schild mit dem rostocker Greifen; in der obern Oeffnung des Spitzbogens hängt der quer getheilte Schild für die Grafschaft Schwerin: im Ganzen ist also das herzoglich meklenburgische Wappen des 15. Jahrhunderts dargestellt.

Unten in der Schranke stehen vier rechts gelehnte Schilde in folgender heraldischer Ordnung:

1) unten rechts ein Schild mit dem rostocker Greifen;

2) unten links ein Schild mit dem meklenburgischen Stierkopfe;

3) oben rechts ein dreifach getheilter Schild: oben rechts der sächsische Schild mit den von dem Rautenkranze bedeckten Querbalken, oben links der meklenburgische Stierkopf, unten zwei rechts hin springende, roth gefärbte Löwen über einander; Löwen sollen hier die Figuren sicher sein,da sie eine dicke Mähne und starke Pranken, auch einen über den Rücken gekrümmten Schwanz mit einem Haarbüschel am Ende haben. Dies ist das Wappen der Herzogin Katharine, wie sie es in ihrem großen Siegel 1 ), sicher von ihrer Vermählung bis zum Ende ihrer Vormundschaft für ihre Söhne führt. Dieses Wappen ist in dem Siegel der Herzoge von Sachsen=Lauenburg ganz ohne Beispiel; dennoch sind die beiden Löwen in dem Wappen der Herzogin Katharine, sowohl auf dem doberaner Wappen, als auf ihren im schweriner Archive öfter vorkommenden Original=Siegeln unzweifelhaft klar. Die Deutung ist schwierig. Man könnte annehmen, die Herzogin habe dieses Wappen als alte Reminiscenz für Ratzeburg (oder Lauenburg) wieder aufgenommen, da der nordalbingische Graf Albrecht von Orlamünde, Ratzeburg und Wagrien auf seinem Rücksiegel zwei Löwen über einander im Schilde führt: vgl. Lappenberg Hamb. Urk. Buch I, Nr. 387, Not. und Abbildung Tab. III, Nr. II, Loeber de burg, Orlam. und v. Kobbe Lauenb. Gesch. I, S. 260, Not. 10. Aber dieses Vorkommen ist etwas alt, die Löwen dieses Siegels sind das Wappen für Holstein, welches noch jetzt für Schleswig gilt, und im Sachsen=Lauenburgischen führt nur die Stadt Lauenburg einen Löwen im Siegel. Vielleicht aber führte nach meiner Freunde Masch und v. Ledebur Ansicht, die Herzogin Katharine dieses Wappen zum Gedächtniß ihrer Mutter Sophie, einer Tochter des Herzogs Magnus von Braunschweig, da es zu ihrer Zeit


1) In ihrem kleinen Siegel führt die Fürstin ein vierschildiges Wappen, welches enthält: 1) den Stierkopf für Meklenburg; 2) den sächsischen Rautenschild; 3) den quer getheilten Schild für Schwerin; 4) den Greifen für Rostock. In diesem Siegel findet sich also das Wappen mit den beiden Löwen nicht.
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im südlichen Europa nicht ohne Beispiel war, auch die Wappen der Mutter als Ehrenwappen mit aufzunehmen;

4) das dreischildige meklenburgische Wappen: oben rechts der Greif, oben links der Stierkopf, unten der quer getheilte Schild für die Grafschaft Schwerin.

Dieses Schnitzwerk hat also ohne Zweifel die Herzogin Katharine machen lassen; diese war eine geborne Prinzessin von Sachsen=Lauenburg und nach dem Tode ihres Gemahls, des Herzogs Johann III. von Meklenburg († 16. Oct. 1422), während der Minderjährigkeit ihrer beiden Söhne, Heinrich und Johann, bis zum J. 1436 Landesregentin.

Auf den Kapitälern der beiden Säulen, welche den offenen Spitzbogen über den Schranken tragen, sind zwei kleine gothische Nischen mit Baldachinen angebracht, in welchen zwei kleine Figuren stehen: heraldisch links eine gerüstete Figur mit aufgeschlagenem Klappen=Visir und die linke Hand auf einen Schild gestützt, auf welchem der meklenburgische Stierkopf steht; rechts eine gerüstete Figur mit Pickelhaube oder Kappe und mit einem Mantel umhüllt. Vielleicht sollen diese Figuren die beiden Söhne der Herzogin, als landesherrliche Donatoren, vorstellen.

Jedenfalls ist das Schnitzwerk unter der Herzogin Katharine gemacht, sicher nach dem Tode ihres Gemahls, wahrscheinlich während der Zeit ihrer Landesregentschaft, ungefähr um das J. 1425.

Der Herzog Johann III. starb am 16. Oct. (am Tage Galli) 1422 1 ). Schon am 18. Oct. (am Tage Lucä) war seine Gemahlin mit dem Herzoge Albrecht, ihres Gemahles Vaterbrudersohn, zu Doberan, wahrscheinlich um das Begräbniß und die Leichenfeier des verstorbenen Herzogs anzuordnen. Die Herzogin (ichteswanne husvruwe hertoghe Johannis heren van Mekelenborch zeligher dechtnysse) bezeugt nämlich an diesem Tage in einer Urkunde (de gheuen vnde screuen is in deme klostere Doberan - - in sunte Lucas daghe ewangelisten), daß ihr verstorbener Gemahl (leue here dem ghot gnedych zy) in seinem letzten Willen (an deme lesten wyllen zynes leuendes ghaf an vnser ieghenwardicheit


1) Vgl. Lübecker Chronik des Rufus von 1400 - 1430 in Grautoffs Lübecker Chroniken, II, S. 524:

"1423 storf ok hertich Johan van Mekelenborch in sunte Gallen dage uppe deme slate to Zwerin."

In dem Jahre hat sich der Chronist bei der Anordnung versehen, da der Herzog nach den Urkunden ohne Zweifel am Gallen=Tage 1422 starb. Vgl. Jahrb. oben Urk. Samml. Nr. XVI und XVII, S. 291.
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an zyneme testamente) dem Kloster Doberan 12 lüb. Mark lüb. Münze jährlicher Hebung aus der Ueberbede (ôuerbede) des dem Kloster gehörenden Gutes Satow (haghen vnde ghude to der Zatowe) vermacht habe; dafür solle der Convent zum Gedächtniß des Herzogs jährlich am S. Gallen Tage ein gutes Gedächtnißmahl (enen ghuden, erliken dênest) von fünf Gerichten mit Meth und gutem wismarschen Bier genießen und den Herzog mit Vigilien und Seelenmessen begehen.

An demselben Tage bestätigte der Herzog Albrecht zu Doberan für sich und die Söhne seines verstorbenen Vetters (vor vnse leuen vedderen herteghe Johans kyndere zeligher dachtnisse, der wy to der tyd vormunder zynt) diese Bestimmung fast mit denselben Worten.

Wahrscheinlich ward bei dieser Gelegenheit für die Herzoge eine neue Gruft hinter dem Hochaltare eingerichtet, da bei der alten Gruft im nördlichen Kreuzschiffe (vgl. Jahrb. IX, S. 426) keine Spur von fürstlichen Begräbnissen aus dem 15. Jahrh. zu finden ist, während sich bei diesem Altare hinter dem Hochaltare mehrere Andeutungen finden, daß diese Stelle den Herzogen des 15. Jahrh. besonders theuer gewesen sei. Durch die Einrichtung des Begräbnisses und Denkmals für den Herzog Adolph Friederich I. († 1659) in der östlichsten Kapelle, welche seit dem Fürstenbegräbniß ward, ist freilich jede directe Nachweisung verschwunden.

Den Altar aber haben wir den Altar der Heil. Drei=Könige genannt, weil auf der Rückseite der 4 Wappen in den Schranken, dem Hochaltare zugewandt, die Jungfrau Maria und die Geschenke bringenden Heil. Drei=Könige, grau in grau, gemalt sind.

Auf dem Altare steht eine sehr verstümmelte, jetzt unkenntlich gewordene, aus Holz geschnitzte Heiligenfigur von irgend einem Altare der Kirche. Diese Figur ward lange Zeit für einen heidnischen Götzen "Vitzliputzli" gehalten, welcher zum Andenken an das Heidenthum hieher gesetzt worden sei (vgl. Schröder Wismar. Erstl. S. 318).

In der Oeffnung des Spitzbogens steht auf den Schranken das aus Holz geschnitzte fünfschildige meklenburgische Wappen mit den drei Helmen. Dieses muß nach dem J. 1488 an diese Stelle gesetzt sein; wahrscheinlich ist es am Ende des 15. Jahrh. oder beim Tode des Herzogs Magnus (1503) hergesetzt, denn für die Zeit der großen Restauration der Kirche am Ende des 16. Jahrh. ist es viel zu alterthümlich und kräftig gehalten.

Dieses Wappen giebt aber einen Fingerzweig für die Bestimmung von vier merkwürdigen fürstlichen Bildern. Auf die beiden gegen Osten gekehrten Flächen der beiden östlichen innern

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Pfeiler, also auf die Wandflächen zu beiden Seiten des beschriebenen Schnitzwerkes, dem Umgange zugewandt, sind auf die Steinmauer 4 Herzogsbilder in Lebensgröße, an jeder Seite zwei untereinander, in Wasserfarben gemalt, jetzt freilich theils sehr verblichen, theils sehr verdunkelt, aber doch immer von Interesse; die beiden unteren sind bei neueren Restaurirungen durch Kalkputz von unten auf bis an die Brust ganz vernichtet. Diese Herzogsbilder sind mit den über denselben stehenden Ueberschriften folgende, nach heraldischer Ordnung:

oben rechts: König Albrecht, mit der Ueberschrift:

Ueberschrift

oben links: Herzog Johann, mit der Ueberschrift:

Ueberschrift

unten rechts: Herzog Heinrich, mit der Ueberschrift:

Ueberschrift

unten links: Herzog Magnus, mit der Ueberschrift:

Ueberschrift

Es ist die Frage, welche Herzoge diese Bilder vorstellen sollen, da es mehrere Herzoge mit den angegebenen Namen giebt. Nach dem Style der Malerei und der Buchstaben fallen die Bilder in das 15. Jahrh. Nach der Anordnung und Reihenfolge möchte ich annehmen, daß es folgende Herzoge sein sollen, und zwar nach der Folge, wie sie sich bei der Beschauung darstellen:

Abstimmungsverhältnisse
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Alle diese Herzoge haben lange regiert, sind für das 15. Jahrh. als die eigentlichen Landesregenten zu betrachten und stehen fast alle in gerader Abkunft zu einander. Wahrscheinlich sind alle vier vor diesem Altare begraben; dafür scheint auch zu reden, daß die Bilder des Herzogs Heinrich, seines Bruders, seiner Söhne und die Bildsäule des Herzogs Magnus II. an den nächsten Pfeilern im Umgange hangen; auch hangen viele alte zerrissene Begräbnißfahnen mit Spuren von dem fünfschildigen Wappen über dem Schnitzwerk.

Wahrscheinlich sind diese Bilder unter dem Herzoge Magnus gemalt, welcher auch das fünfschildige Wappen über die Schranken in den Spitzbogen setzen ließ; hiefür redet auch der Styl der Kleidung, welche schon mehr mit hohen Federn auf dem Baret u. dergl. hoch aufgeputzt ist. Vielleicht sind die Bilder in den ersten Zeiten des Herzogs Magnus, um das J. 1480, gemalt.

Zu der ersten Einrichtung gehört noch der Rest eines in Glas gemalten meklenburgischen Wappens, nämlich

der Schild mit dem schwarzen meklenburgischen Stierkopfe, mit Halsfell, ohne Nasenring, mit goldener Krone, rother Zunge und Nüstern und weißen Zähnen.

Dieses Stück, welches früher in dem östlichen Fenster saß, ist jetzt in das mittlere Fenster der südlichen Kapelle des polygonischen Chorschlusses eingesetzt.

G. C. F. Lisch.     

Lots Frau, die zur Salzsäule geworden.

In Jahrb. IX, S. 416 flgd. ist die unter dem Namen "Lots Frau" bekannte Reliquie in der Kirche zu Doberan zur Untersuchung gezogen und in derselben ein sehr schöner weiblicher Torso entdeckt. Seitdem sind die Forschungen fortgesetzt, namentlich über das Gestein, um villeicht aus diesem Schlüsse über den Ursprung des Kunstwerkes ziehen zu können. Nach augenblicklich zu Doberan angestellten Proben mit Säuren schien das Gestein ein "kohlensaurer Kalkstein" zu sein. Der Herr Geheime=Rath von Olfers zu Berlin, General=Director der königlich preußischen Museen, als Mineralog und Kunstkenner gleich competent, hat gütigst eine genauere Forschung übernommen und vermittelt. Das Resultat ist, daß das Gestein ein "kalkhaltiger Sandstein mit feinem oolithartigen Korne ist, welcher wohl den Tertiär=Bildungen angehört." Hiernach wäre der Torso "schwerlich eine antike Sculptur." Aber dann wäre die Erscheinung, welche ohne Zweifel alten Ursprunges ist, noch merkwürdiger,

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indem die Formen eine Vollendung der Ausbildung besitzen, welche nur Antiken eigen ist. Es fordert daher der Torso bewährte Kenner der alten Kunst auf, ein Urtheil aus den Formen zu gewinnen. Ein Gypsabguß und dessen Verbreitung scheint der geeignete Weg zur Gewinnung einer festen Ansicht zu sein.

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Die Glocken der Kirche zu Doberan.

Die Glocken der Kirche zu Doberan haben Einfluß auf die Geschichte des Baues dieser merkwürdigen Kirche; in Jahrb. IX, S. 415 ist bei der Geschichte der Kirche die Glockeninschrift schon berührt, jedoch nicht nach eigener Ansicht mitgetheilt. Der doberaner Prediger Röper sagt in seiner Geschichte von Doberan, 1808, S. 89: "1301 den 1. December ward die erste Thurm=Glocke gegossen, mit der Aufschrift: En ego campana" u. s. w., und S. 91: "1390 ist die Stundenglocke der Kirche aufgestellt worden." Da ich dieser Nachricht nicht trauete, so bestieg ich im Frühling des J. 1846 selbst den Thurm, um die Inschriften neu aufzunehmen, und gebe hier die Resultate, mit Berücksichtigung der Nachrichten des doberaner Predigers M. Peter Eddelin (1625 - 1676). welche in Schröder Wismar. Erstlingen S. 402 flgd. gedruckt sind.

Im Thurme hängt nur Eine Glocke; diese hat weiter keine Verzierungen, als die Inschrift in zwei Zeilen:

Inschrift

d. i.

Inschriftskreuz Anno domini MCCCI fusa est haec campana kalendis Decembris
Inschriftskreuz sub domino Johanne abbate Melvingo
( Inschriftskreuz Im J. des Herrn 1301 ist diese Glocke gegossen am 1. December
Inschriftskreuz unter dem Herrn Abt Johann von Elbing).

Die Form Melvingo bedeutet ohne Zweifel: Elbing; auf Siegeln kommt die Form: Elvigge vor und auf Münzen die Form: Elvin. (vgl. Voßberg Münzen und Siegel der preuß. Städte S. 48 - 49). Das M vor Elbingo ist vielleicht aus der niederdeutschen Form: van dem Elbing entstanden. Die Lesart: de Melonigio, welche Schröder Wismar. Erst. S. 402 hat, ist also falsch, wie schon Jahrb. IX, S. 415 angedeutet ist, da nach Jahrb. IX, S. 438, Jo=

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hann von Elbing um 1301 eine kurze Zeit Abt des Klosters war, aber bald resignirte; denn in einer doberaner Urkunde vom J. 1336 heißt er: "Johannes de Elbingho monachus, quondam abbas."

Eine zweite Glocke auf dem Thurme, welche im J. 1638 (nach Schröder a. a. O. S. 403) von den Schweden heruntergeworfen und eingeschmolzen ward, hatte die Inschrift:

En ego campana nunquam denuncio vana.
Laudo deum verum, plebem voco, congrego clerum.

Röper hat also die Glocke nicht gesehen und die Inschriften beider Glocken zusammengeworfen.

Die Stundenglocke, welche am westlichen Kirchengiebel vor der Uhr hängt, hatte (nach Schröder a. a. O. S. 403) die Inschrift:

Anno domini MCCCXC in vigilia Simonis et Jude. Benedictus qui venit in nomine domini.

Diese Glocke ist unter dem Großherzoge Friederich Franz I. eingeschmolzen und unter demselben Fürsten noch ein Mal durch eine neue ersetzt worden.

G. C. F. Lisch.     


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Zur Geschichte der Stadt Röbel.
Nachtrag zu Jahrb. VIII, S. 109 flgd.

In Jahresber. VIII. S. 109 flgd. sind die Kirchen zu Röbel beschrieben und S. 114 zur Erläuterung einige Momente zur ältern Geschichte der Stadt hinzugefügt. Bei einer wiederholten Untersuchung an Ort und Stelle im Febr. 1848 bei Gelegenheit der Vorbereitung zur Restaurirung der altröbelschen Kirche glaube ich einige Localitäten in und bei der interessanten kleinen Stadt ermittelt und mehrere neue Entdeckungen gemacht zu haben.

Die Meilen weit sichtbare altröbelsche Kirche liegt auf einer bedeutenden Erhöhung unmittelbar an der Hauptstraße der Stadt und der Müritz. Allem Ansehen nach ist diese Erhöhung der heidnische Burgwall. Die auf demselben stehende Kirche ist alt und stammt ohne Zweifel aus der Zeit der Gründung der Stadt, ungefähr 1226 - 1230.

Nun aber war Röbel während des 13. Jahrhunderts und später eine Residenz der werleschen Fürsten; auch war Röbel öfter der Sitz werlescher Wittwen, z. B. der viel genannten Fürstin Sophie (1283 - 1308), unter welcher die Stadt ihren Glanzpunct gehabt zu haben scheint. Dieses jüngere Residenzschloß scheint auf der Anhöhe gestanden zu haben, auf welcher jetzt die Windmühle neben der Stadt steht; dieser Windmühlen=

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berg liegt unmittelbar an der Stadt, ungefähr dort, wo die Altstadt sich von der Neustadt scheidet. Diese Residenz lag also in ältern Zeiten südlich dicht vor der Altstadt Röbel; der Berg wird an einer Seite von der Stadt, an der andern von Wiesen begrenzt, und nach der Nordseite hin dacht sich die Höhe allmählig in weiten Gartenterrassen ab, welche noch heute den Namen "Weinberg" führen.

Dieses Schloß scheint noch lange gestanden zu haben. Bei der Verpfändung des Landes Röbel an Meklenburg im J. 1362 1 ) wird in den Urkunden ausdrücklich immer "dat slot Robele" genannt. Als am 30. Jun. 1362 der Herzog Albrecht von Meklenburg "dat slot unde dat lant to Robele" zu Pfande nahm, verpflichtete er sich daneben, ein "Haus in der Stadt Röbel" zu bauen, mit diesen Worten:

Ok scole wi unde use eruen de man unde dat slot lâten by rechte. Ok scole wi buen ên hûs in de stat tů Robbele, dâr nescole wi edder unse eruen unsem vedderen her Bernde van Wenden unde sînen eruen nênen scâden edder kosthe edder bûwe vp rekenen, men wi unde use eruen scolen em unde sînen eruen dat hůsz mid der stat wedder antwarden.

Im 14. Jahrh. kommt es schon häufiger vor, daß die Fürsten Häuser innerhalb der Städte baueten, namentlich seitdem mehrere Städte keine festen Schlösser außerhalb ihrer Ringmauern dulden wollten. Wo dieses fürstliche Haus innerhalb der Stadt gelegen habe, läßt sich jetzt wohl schwerlich ermitteln.

Der altröbelsche Windmühlenberg, welcher wohl erst in jüngern Zeiten eine Windmühle auf seinen Rücken genommen hat, darf nicht mit dem neuröbelschen Windmühlenberge verwechselt werden. Dieser liegt vor dem neuröbelschen Thore vor der Neustadt Röbel und trug schon im Mittelalter eine Windmühle. In einer Schenkungs=Urkunde für die Propstei zu Neu=Röbel vom 7. Sept. 1454 überläßt der Herzog Heinrich von Meklenburg dem Propst Otto Retzow auf Lebenszeit auch

den dic e k belegen tieghen deme môlenberghe bûten der nîgen stat to Robel. 2 )


1) Vgl. oben S. 190.
2) Diese Urkunde ist gedruckt in Mantzel's Bützow. Ruhestunden, St. XXIII, S. 41. Die hier sehr falsch gedruckten Zeugennamen lauten im Originale also:
ern Bernd van Plesszen cumptur to Myrow, Acchim Plate m ae rschalk, Henningk W ae rborgh, Henningh Pickatel, Philippus Priggenitze, Eggard Hane vnde vele mer vnser leuen getruwen.
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In dem Kirchenarchivschranke in der Sakristei der neuröbelschen Kirche entdeckte ich auch ein kleines Bündel mit einigen alten Original=Urkunden. Die für die Kirche wichtigsten derselben, mit Ausnahme einiger jüngerer Rentenverschreibungen, sind bereits in Mantzel's Bützow. Ruhestunden St. XXII, S. 16 - 24, und St. XXIII, S. 26 - 42, gedruckt. Jedoch sind zwei Urkunden von großem geschichtlichen Werth übersehen und noch nicht bekannt geworden, nämlich ein Privilegium für die Wollenweber zu Röbel vom 6. Jan. 1291 und eine Zunftrolle der Wollenweber zu Neu=Röbel vom 30. Jan. 1463, welche oben mitgetheilt sind 1 ); wahrscheinlich hatte das Wollenweberamt zu Röbel seine Brüderschaft an die neustädter Kirche gelehnt und daher auch hier wohl seine Urkunden niedergelegt.

Die in den Bützow. Ruhestunden St. XXIII, S. 26, gedruckte Dotirung des Heil. Geist=Hospitals in der Stadt Röbel vom 19. Febr. 1298 wird auch noch bei der neustädter Kirche aufbewahrt und ist ebenfalls oben in einem correcten Abdruck mitgetheilt 2 ). Die Urkunde ist wegen der Zeugen von großem Interesse, um so mehr, da sie in die Zeit einer bedeutenden Veränderung fällt, nämlich wenige Wochen vor der Verlegung des Nonnenklosters zu Röbel nach Alt=Malchow. Wie in Jahrb. VIII, S. 115 flgd. auseinandergesetzt ist, hatte Röbel mehrere vornehme Geistliche, namentlich einen Propst oder Archidiakonus des Bischofs von Havelberg zu Neu=Röbel und einen Propst oder Archidiakonus des Bischofs von Schwerin zu Alt=Röbel. Nach der Ordnung des Prämonstratenser=Stifts Havelberg hießen die geistlichen Vorsteher Pröpste, welche im Stifte Schwerin Archidiakonen hießen. Diese Titel sind sonst in beiden Bisthümern strenge geschieden; in Röbel aber, wo jeder Bischof einen Geschäftsträger hatte und die Grenze beider Bisthümer mitten durch die Stadt ging, werden beide Titel häufig verwechselt. Der Propst von Neu=Röbel hatte die Aufsicht über 23 Pfarrkirchen, der Archidiakonus (oder Propst) von Alt=Röbel die Aufsicht über nur 6 Pfarrkirchen außer Röbel. Zugleich war jeder von ihnen Pfarrer an einer der beiden Kirchen. So löset sich eine scheinbar große Verwirrung sehr leicht. Nach der Urkunde vom 19. Febr. 1298 und anderen neu entdeckten Urkunden waren im Anfange des J. 1298 die geistlichen Würdenträger in Röbel folgende:

Johannes Storme, Propst (oder Archidiakonus) des Bischofs von Havelberg, Pfarrer der Kirche zu Neustadt Röbel;


1) Vgl. Urk. Samml Nr. XLVIII und Nr. LV.
2) Vgl. Urk. Samml Nr. XLIX.
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Johannes, Archidiakonus (oder Propst des Bischofs von Schwerin, Pfarrer der Kirche zu Altstadt Röbel;

Johannes Lysen, Prior des Dominikaner Mönchsklosters;

der Propst des Augustiner=Nonnenklosters.

Im Frühling des J. 1848 wurden an der Stelle des ehemaligen, im J. 1285 gestifteten Dominikaner=Mönchsklosters an der südöstlichen Seite der Stadt an der Stadtmauer Aufgrabungen vorgenommen und hier nach dem Berichte des Herrn Burgemeisters, Hofrath Engel viele große und ungewöhnlich starke Fundamente bloß gelegt. Neben denselben fand man sehr viele menschliche Gerippe, welche dicht neben einander lagen. Auch wurden hier zwei kleine, dem 13. Jahrh. angehörende, zweiseitige Silberpfennige pommerscher Fabrik und ein Pfriemen aus Messing gefunden und von dem Herrn Hofrath Engel dem Vereine geschenkt.

Auf ein gegen mich erhobenes Bedenken des Herrn Landesgerichts=Directors Odebrecht zu Berlin habe ich auch die Inschriften, an dem Chorstuhle aus der ehemaligen Dominikaner=Kirche verglichen und gefunden, daß ich mich an einer Stelle stark versehen habe. In der in Jahresber. VIII, S. 112, mitgetheilten Inschrift ist in der ersten Columne an der sechsten Stelle: Inschrift , gedruckt. Es steht aber im Originale ohne Zweifel

Inschrift

Das Versehen rührt daher, daß die Ziffer 6 in der voraufgehenden Jahreszahl 1246 zwei Mal gelesen und das zweite Mal für ein G angesehen und zu dem folgenden Worte gezogen ist; der Lesefehler ist um so offensichtlicher, als die Namen der einzelnen Klöster mit den dazu gehörenden Jahreszahlen abwechselnd mit rother und gelber Farbe bemalt sind, der Irrthum also schon beim ersten Anblick in die Augen fällt. Die Verwechselung des L mit einem I in der Sylbe L A V kommt daher, daß der untere, horizontale Balken des L sehr kurz und geschnörkelt ist und bei der Ansicht von unten durch eine vorspringende Leiste etwas verdeckt wird.

Im Anfange des Chores an der Südseite steht noch ein kleiner Kirchenstuhl aus dem 17. Jahrh., welcher den letzten des in Röbel immer sehr angesehen gewesenen Geschlechts der von Marin gehört haben wird. Auf einer Leiste über der Decke steht in der Mitte ein silberner Schild mit zwei geschnörkelten, schwarzen Angelhaken (das Wappen der Marin) und an jeder Seite ein weibliches Brustbild gemalt.

G. C. F. Lisch.     

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IV. Zur Geschlechts= undWappenkunde.


Die Familie von Stavenow.
mit einem Holzschnitt.

In den märkischen Forschungen, Bd. III, 1847, S. 115, hat v. Ledebur, in der Ausführung der Ansicht, daß die alten adeligen Familien, welche gleiches Wappen, aber verschiedene Namen führen, von demselben Stammvater herkommen, die Familien=Gruppe mit der senkrechten Spitzentheilung behandelt oder die Familien, welche gewöhnlich vier rothe, linke Spitzen im weißen Schilde führen; er rechnet dahin die v. Rohr (v. Rohrbeck), v. Königsmark, v. Möllendorf, v. Kerberg (v. Kirchberg, v. Kercberg), v. Kratz (?), v. Plate (v. Platow), v. Beust (v. Büste, Buz), v. Burckersrode, v. Heßler, welche alle zuerst in der Altmark, dann vorzugsweise in der Prignitz mit großem Güterbesitze und Ansehen auftreten. Die Familie von Kerberg oder v. Kirchberg habe ich in Jahrb. XII, S. 43 flgd. und 53 flgd., auch in Verbindung mit anderen stammverwandten Familien, besonders behandelt.

Seitdem habe ich noch eine nennenswerthe Familie mit demselben Wappen entdeckt, die Familie von Stavenow. Die lange Zeit zwischen den brandenburgischen und meklenburgischen Landesherren streitig gewesene Burg Stavenow war bekanntlich eine der ältesten und bedeutendsten Burgen der Prignitz. In den mittleren Zeiten, wo die Burg und ihre Besitzer sich einen Namen erwarben, war sie im Besitze der Familie von Quitzow (1405 - 1647). In den ältesten Zeiten aber war sie in dem Besitze der Familie von Stavenow, welche, olme Zweifel erste Erwerberin, von ihr den Namen führte. Die Herren von Stavenow erscheinen schon im J. 1252 und lassen sich als Besitzer von Stavenow und überhaupt bis zur Mitte des 14. Jahrh. verfolgen; um diese Zeit scheint die Familie ausgestorben zu sein, da sie nicht weiter vorkommt. Im J. 1354 ward die Burg abgebrochen und verwüstet, und alle Bewohner mußten abziehen; sie sollte dann wieder neu aufgebauet werden. Diese Begebenheit deutet auf eine ungewöhnliche Katastrophe, in welcher vielleicht auch die letzten von Stavenow untergingen. Die urkundliche

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Geschichte der Burg Stavenow und ihrer Besitzer steht in Riedel Cod. dipl. Brand. I, 2, S. 185 flgd.

Der eine der beiden letzten von Stavenow war der Knappe Henning von Stavenow. An der von Riedel a. a. O. S. 210, Nr. XII, mitgetheilten Urkunde vom J. 1323 (infra octavas b. Laurencii m.) hängt

Siegel

das hieneben abgedruckte Siegel des Knappen Henning von Stavenow, mit vier linken Spitzen, ziemlich gut erhalten und scharf und rein ausgedrückt; es führt dasselbe Wappenzeichen, welches die Siegel der übrigen Mitglieder der genannten Familiengruppe haben. Ohne Zweifel gehörten also auch die von Stavenow zu dieser Gruppe, um so mehr, da ihre Besitzungen in der Nähe der Güter der anderen Glieder der Gruppe lagen und da sie mit diesen einige Male in engerer Verbindung aufgeführt werden; so z. B. heißt es in der Urkunde vom J. 1322 (bei Riedel a. a. O. Nr. XI, S. 210): "De kindere hern Hinrikes van Stauenoue scolen gelden hern Ygen van Koningesmarke sine scult."

G. C. F. Lisch.     


Die Familien Nortman und v. Zapkendorf

waren gleichen Stammes und gleichen Wappens: vgl. oben bei der Kirche zu Reknitz S. 415.


Ueber die Familien Duding und v. Dechow

Vgl. oben zur Ortskunde S. 399.


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Die Familie von Züle.

Der reichere und mächtigere Theil der Ritterschaft des westlichen Meklenburgs, namentlich des Landes Wittenburg, zu welcher im Mittelalter bekannte Familien, wie die v. Lützow, Penz, Scharfenberg u. a., und im angrenzenden Lande Ratzeburg die Wackerbart, Schack, Ritzerow u. a. gehören, hat eine eigenthümliche, hervorragende Stellung und ist vielfach in die Geschichte jener Gegenden und der Handelsstädte verflochten, wie sich schon beim Lesen der lübecker Chroniken ergiebt. Namentlich ist es auffallend, daß hier einige alte, große Familien angesessen waren, deren Linien gleiches Wappen, aber verschiedene Namen trugen. Eine solche Gruppe bilden, so viel bis jetzt erforscht ist, die Züle, Scharfenberg, Wolf, Jesow, Crumesse, Borstel, Zecher, Lasbek,

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Tralow 1 ), im Lande Wittenburg, theils in dem angrenzenden Lande Sachsen=Lauenburg angesessen, welche alle einen geschachten Stral (= Pfeilspitze mit Widerhaken, wie das Wappen der Stadt Stralsund) im Schilde führen; auf manchen Siegeln ist aber der Stral auch glatt, nicht geschacht.

Diese ganze Familiengruppe ist jetzt ausgestorben, etwa mit Ausnahme der Scharfenberg, von denen v. Gamm (vgl. XI, S. 461) sagt: "Scharffenberg, sind zwar seit 1768 nicht mehr hier, allein sie floriren noch in Norwegen"; nach Masch's Mittheilung lebt im dänischen Heere noch ein Lieutenant von Scharpenberg, welcher das alte Familienwappen führt.

Das Geschlecht der von Züle, welches hier zur Besprechung gewählt ist, starb, nach allen actenmäßigen Nachrichten, am 28. Oct. 1752 aus. Es besaß 2 ) die Güter Zühr und Marsow als altväterliche Stammlehen bis zum Erlöschen und führte in seinen letzten Gliedern das alte Wappen:

im Schilde einen rechtsgekehrten oder aufgerichteten, geschachten Stral und auf dem Helme dasselbe Zeichen vor einem Pfauenwedel.

Die alte Schachverzierung des Strals ist auf den kleinen Siegeln der neuern Zeit nicht zu erkennen, sondern die Spitzen sehen aus, als wären sie aus Kugeln zusammengesetzt oder in Rundungen gedrechselt.

Die Familie von Züle ist durchaus von der Familie von Zülow auf Züle oder Zülow, A. Wittenburg, zu unterscheiden, welche einen Querbalken im Schilde führt und mit jener in gar keinem Zusammenhange steht, so oft beide auch verwechselt sein mögen.

Die bisher bekannten Nachrichten über das Aussterben der von Züle oder Zühlen, wie sie in den letzten Zeiten sich auch nannten, stehen in Schröder Wism. Erstl., S. 392, wornach damals (1732) der sächsische General=Lieutenant von Zülen auf Zülen (?!), A. Wittenburg, der letzte seines Geschlechts war und weder Frau, noch Kinder hatte, und in v. Gamm's Nachrichten in Jahrb. XI, S. 458, nach welchen das Geschlecht der "Zühlen in der Mitte des 18. Jahrh. erloschen sein soll." Die Acten sagen aber Folgendes.

In der vorletzten Generation besaß der Oberst Hans Ernst von Züle die Güter Zühr und Marsow. Im J. 1699 hatte er die Güter seinen drei Söhnen überlassen, von denen der älteste,


1) Die Aufklärungen über die Wappen der vier zuletzt genannten Geschlechter verdanke ich meinem Freunde Masch.
2) Ueber den andern alten Besitz der Familie von Züle giebt z. B. die oben in der Urk. Samml Nr. LIV mitgetheilte Urkunde vom 15. Dec. 1396 Aufklärung.
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Thomas Philipp, im J. 1699 für sich und seine Brüder den Lehneid von den Gütern leistete. Hans Ernst von Züle starb am 2. Nov. 1707 und hinterließ die Güter seinen drei Söhnen Thomas Philipp, Friederich und Ernst Heinrich. Von diesen starb Thomas Philipp, braunschweig=lüneburgischer Oberst, im Sommer 1709 in einer Schlacht in Brabant. Durch Kavelung fiel nun im J. 1710 Zühr an Friederich und Marsow an Ernst Heinrich. Auch Ernst Heinrich, Rittmeister, starb im J. 1724, ohne Erben zu hinterlassen, und Marsow fiel durch Erbschaft an den Obersten Friederich auf Zühr, den letzten des Geschlechts.

Friederich von Züle, bald darauf polnisch=sächsischer General=Major der Cavallerie, war beim Tode seines letzten Bruders noch nicht verheiratet. Deshalb ließ er, da er an Vermählung dachte, deren Folgen er nicht voraussehen konnte, das Lehn Zühr in Allod verwandeln. Er starb zu Zühr am 28. Oct. 1752, "ohne männliche Descendenten oder andere Gevettern zu hinterlassen." Mit ihm starb also das Geschlecht aus.

Er hinterließ jedoch 3 Töchter, auf welche sein Nachlaß überging:

1) eine natürliche, vom Kurfürsten von Sachsen als Reichsvicar legitimirte Tochter Friederike Dorothea, welche nach des Vaters Tode an den Hauptmann Victor Otto von der Lühe verheirathet ward;

2) Beate Helene, an den Hauptmann von Penz verheirathet, 1752 schon Wittwe;

3) Agnese Oesterhaldt, an den Hauptmann, später Major von Vegesack verheirathet, welcher Zühr übernahm.

Stammtafel
der
letzten von Züle.


Stammtafel

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Siegel zur Geschichte der von Oertzen
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Wappen der Familie von Oertzen.
Mit 4 lithographirten Siegeltafeln.

Im J. 1847 ist der erste Teil der urkundlichen Geschichte des Geschlechts von Oertzen, von G. C. F. Lisch, erschienen. Diesem Werke sind 4 lithographirte Siegeltafeln beigegeben, von denen die Unternehmer aus der Familie v. Oertzen dem Verein eine Auflage für seine Jahrbücher geschenkt haben. Diese Tafeln haben durch Auffindung und Bekanntmachung der ältesten Siegel der Familie ein nicht unbedeutendes Interesse für die Heraldik der deutschen Ostseeländer. Nach den in der urkundl. Geschichte S. 13 flgd. angestellten Untersuchungen war das von örtzensche Wappen historisch stets:

im rothen Schilde zwei mit silbernen Schienen und goldenen Gelenkstücken geharnischte Arme, deren naturfarbene Hände einen goldenen Ring mit einem Juwel halten, und auf dem silbernen, mit Gold verzierten Helme über einem roth=weiß=goldenen Wulste das Schildzeichen, mit rothen und weißen Helmdecken.

Bei der Einfachheit des Schildzeichens ist dieses zu allen Zeiten unverändert geblieben; Abweichungen haben hin und wieder nur die Farben erlitten.

Merkwürdig sind jedoch die ältesten Siegel durch den Schild. Auf den Tab. III, Fig. 1 und 2 abgebildeten ältesten Siegeln, des Ritters Hermann I. auf Roggow, 1311 - 1316, des sichern Gründers des noch blühenden Hauses Roggow, und des Ritters Hermann I. von Stargard, 1318, ist der Schild mit Figuren bestreut, welche Pflugscharen oder Herzen gleich sind. Diese Besetzung des Schildes findet sich später ausnahmsweise nur noch ein Mal auf dem Siegel eines Hermann von Oertzen auf Roggow an einer Urkunde vom Tage des H. Thomas 1431 (vgl. Jahrb. IX, S. 306). Es ist eine solche Verzierung des Schildes an keinem andern Siegel in den meklenburgischen Archiven bemerkt und jedenfalls in den deutschen Ostseeländern von so großer Seltenheit, daß sie eine vergleichende Beobachtung verdient. In der urkundlichen Geschichte sind die Figuren durch Pflugscharen gedeutet und mit der alten wendischen Form des Namens Uriz, welcher Ackersmann bedeute, in Verbindung gebracht.

Auf derselben Siegeltafel III, Fig. 4 und 6 sind zwei Siegel einer Familie von Schwerin abgebildet, welche gleichen Schild hatten. Es gab mehrere Familien dieses Namens. Die bekannte alte Familie in Pommern führt eine mit Röschen belegte Raute im Schilde. Eine andere Familie von Schwerin, welche jenseit der Elbe angesessen und mit einer Familie Grote

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verwandt war, führte ein laufendes Roß über drei Pfählen im Schilde. Die meklenburgische Familie von Schwerin führte einen, auch zwei Arme im Schilde und war im Lande Parchim auf Domsühl, Dartze etc. . angesessen. Trotz der Gleichheit des Schildes ist es aber nicht wahrscheinlich, daß diese Familie von Schwerin mit der Familie von Oertzen stammverwandt war; vielleicht war die Gleichheit des Schildes nur zufällig, da ein ringhaltender Arm in der Grafschaft Schwerin eine, wenn auch noch dunkle Rolle spielt, und die beiden Arme im schwerinschen Wappen aus einem Arm entstanden sein mögen, den das älteste Siegel allein hat.

Die Familie von Oertzen hat zwei gräfliche Linien aufzuweisen, deren Wappen Tab. II. abgebildet sind.

Am 27. April 1733 ward der dänische Kammerjunker Friederich von Oertzen aus dem Hause Helpte in den dänischen Grafenstand erhoben. Er starb im J. 1779 als Geheimer Rath zu Kiel ohne männliche Erben. Er vermehrte sein Wappen durch die Schilde seiner Frau und seiner mütterlichen Ahnen: der Friis (Eichhörnchen: zwei Male, da seine Frau und seine Mutter den Namen Friis trugen), der Svan (Schwan) und der Wibe (Kibitz).

Im J. 1792 ward der sächsische General=Major Carl Ludwig von Oertzen in den Grafenstand erhoben. Er vermehrte seinen Schild durch zwei silberne Sterne.

G. C. F. Lisch.     

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Wappen der Grafen von Oertzen
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Siegel der von Oertzen
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Siegel der von Oertzen
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V. Zur Rechtskunde.

Ueber weltliche Geschäfte in den Kirchen und
auf den Kirchhöfen in Norddeutschland,
besonders in Meklenburg.

(Gesetzpublication, Handelsverkehr, Rechtsgeschäfte.)

Von

A. F. W. Glöckler.


I m Leben des deutschen Volkes hat sich wie bei den Engländern und Skandinaviern, manches Herkömmliche lange erhalten, welches besonders in seiner spätern Gestaltung Vielen auffallend und anstößig zu erscheinen pflegt. Eine große Stetigkeit unseres Volkes im Festhalten an herkömmlichen Dingen läßt sich noch aus den Zeiten der drei letzten Jahrhunderte in mehrfacher Beziehung nachweisen, und zwar häufig mit dem Ergebnisse, daß eine mißbräuchliche Anwendung, oder gar eine ausschweifende Verkehrtheit im Gefolge herkömmlicher Befugnisse und Einrichtungen, welche gesetzlicher Regelung und staatlicher Ueberwachung entgehen, selten ausbleiben, - wie denn dies namentlich auch in der Geschichte von stillschweigend geduldeten oder wenig überwachten Corporationen hervorzutreten pflegt. Die lange Dauer und die große Verbreitung jenes Herkommens: die Kirchen und deren nächste Umgebungen zum Schauplatze weltlichen Treibens zu machen, soll hier in Beziehung auf das Verfahren im Einzelnen und auf die oft mißbräuchliche Ausdehnung, in welcher es in Norddeutschland, besonders in Meklenburg, im Laufe der drei letzten Jahrhunderte geübt ist, kurz dargestellt werden.

Die Beweisführung ist wesentlich meklenburgischen Quellen, vornämlich officiellen Nachrichten des 16. und 17. Jahrhunderts entnommen, welche in vielen gleichzeitigen Acten des großherzoglichen Hauptarchivs zu Schwerin zerstreut sind. Sie ergreift jedoch nicht immer ausschließlich heimische Zustände; überhaupt werden manche der unten folgenden Angaben leicht

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nachweislich eine allgemeinere deutsche Geltung haben, namentlich aber von den benachbarten Ländern Pommern, Lauenburg und Holstein zu erweisen sein.

Es ist im Allgemeinen bekannt, daß während des Mittelalters und bis in das achtzehnte Jahrhundert hinab, manche öffentliche, privatrechtliche und gewerbliche Geschäfte in den Kirchen und auf den Kirchhöfen betrieben worden sind.

Von vorne herein wird man die Entstehung dieses Herkommens in einer gewissen Rohheit und sinnlichen Schwere begründet finden, welche der Auffassung der kirchlichen Dinge und dem Wesen der religiösen Ansichten im Mittelalter zum Grunde lag. Indessen kann man bei tieferer Erkenntniß die geschichtliche Entwickelung der mittelalterlichen Zustände, besonders in den Städten, dahin nachweisen, daß jenes Herkommen, wenigstens theilweise, aus allgemein gültigen Verhältnissen des bürgerlichen Lebens zunächst erwachsen sei. Wenn nun die wahre Würdigung der meisten öffentlichen Einrichtungen nur in Grundlage einer reifen Erkenntniß ihrer ursprünglichen Bedeutung mit Berücksichtigung aller wesentlichen gleichzeitigen Verhältnisse füglich geschehen mag, so darf dies doch den Blick nicht abstumpfen oder scheu machen für die Auffassung der späteren nicht selten entarteten und den nun herrschenden Zeitverhältnissen nicht mehr angemessenen Gestaltung bestimmter Institute.

Hinsichtlich der ursprünglichen Bedeutung jenes Herkommens in Deutschland genügt es hier, die wesentlichsten Umstände zu erwähnen. Es treten nämlich die Kirchen in den früheren Zeiten des Mittelalters (12. bis 14. Jahrh.) zunächst und besonders in den Städten, durch ihre Lage, Räumlichkeit und feste Bauart in gewisser Weise als Mittelpunkte auch des bürgerlichen Lebens neben den Rathhäusern und den Märkten hervor. Es gab damals in den Städten noch nicht eine Reihe von "Prachtgebäuden" für das Geschäftsleben oder für Zwecke der Kunst und Wissenschaft, wie solche Bauten heutiges Tages fast jede größere Stadt zieren oder auch wohl belasten, ohne eine Zierde des Ortes zu sein; es gab noch keine Börsen, Theater und Clubs, welche die Lebens=, oder vielmehr die Standesgenossen alltäglich versammelten. Beim Mangel an umfänglichen und gegen ein rauhes Clima gesicherten oder doch einigermaßen geschützten Räumen lag es in Zeiten aufblühenden Handels und gewerblichen Strebens nahe, daß die Landes= und Ortsobrigkeiten selbst mit dem Beispiele der Benutzung großer kirchlicher Gebäude und ihrer nächsten, gewöhnlich auch räumlichen und dabei abgeschlossenen Umgebungen für

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weltliche Zwecke vorangingen. Es kam hinzu, daß die Rathhäuser in manchen Städten nur ärmlich und unzweckmäßig erbauet waren, in anderen im Laufe der Zeiten wiederholt niederbrannten oder langsam umgestaltet werden mußten.

Wirklich wurden im 13. und 14. Jahrhunderte ziemlich häufig allgemein=bürgerschaftliche oder besondere corporative Versammlungen, auch landesherrlich=städtische, so wie auswärtige gesandschaftliche Verhandlungen in den Kirchen und auf den Kirchhöfen Norddeutschlands gehalten, und zwar nicht selten an Sonntagen, wie solche Handlungen in den neuerlich quellenmäßig bearbeiteten und edirten lübischen, meklenburgischen, pommerschen und andern norddeutschen Urkunden und Chroniken aus dem Zeitabschnitte von 1200 bis 1400 mehrfach vorkommm. Es wird sogar hin und wieder auf regelmäßige, häufige Versammlungen der Magistrate in den Kirchen und auf den Kirchhöfen geradezu urkundlich hingedeutet, wie im Jahre 1303 in Hannover 1 ) und im Jahre 1376 in der Stadt Neubrandenburg. 2 ) Außerdem legten Landesherrschaften und Magistrate, auch wohl einzelne Corporationen in manchen, namentlich norddeutschen und flandrischen, Kirchen - an denen damals der einzelne Bürger ein Stück Eigenthums zu besitzen glaubte - Archive und Registraturen an, verwahrten daselbst kostbare Kleinodien und andere für wunderbar oder doch werthvoll und selten gehaltene Dinge, z. B. Thiere von auffallender Größe und Beschaffenheit, wie Wallfische 3 ) und dergl.; auch Rüstungen, Waffen, Kleider und Fahnen wurden, wie noch jetzt einzelne Cathedralen in der Schweiz und in England 4 ) uns zeigen, als Siegeszeichen oder zur Erinnerung an Verstorbene, zuweilen auch wohl als bloßer Vorrath, in Kirchen niedergelegt, und andere Dinge der Art. Auch Privateigenthum ward in unruhigen Zeiten, in Fällen weiter Reisen oder doch längerer Abwesenheit der Eigenthumer von der Heimath, öfter auch blos in Rücksicht auf die feuerfesten und vermeintlich gegen Einbruch sichern Räume, in den Kirchen auf=


1) Bei Grupen, Orig. Hannov. p. 319 findet sich die urkundliche Aeußerung aus dem Jahre 1303: "Consules sive in theatro sive in cimiterio congregati sint".
2) Lisch, urkundl. Gesch. des Geschlechts von Oertzen, Bd. I, S. 154: "in cymiterio beate Marie virginis in Nova Brandenborch, in sedile consulum, situm et paratum apud chorum".
3) Vergl Cramer's Pommersche Kirchengeschichte, Bch. II, S. 90. Schröder's Papistisches Meklenburg, S. 1428, - Nachrichten über die "Wunder und Größe halber" geschehene Vertheilung der Knochen eines Wallfisches enthaltend, der im Jahre 1365 auf den Strand der Insel Usedom geworfen war.
4) Noch heute bemerkt man z. B. im Dome zu Bern die Trophäen von Murten; in der Cathedrale von Canterbury die Kleider und Waffen des schwarzen Prinzen.
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bewahrt. Unverkennbar hat hiebei die früher bei den Völkern fast aller christ=katholischen Länder gleichmäßig herrschende, von den Priestern genährte Ansicht mitgewirkt, nach welcher die Entwendung von Privatgütern und weltlichem Eigenthume überhaupt aus kirchlichen Räumen mit unter den rechtlichen Begriff des Kirchenfrevels (sacrilegium) fällt. Denn aus dieser Volksansicht floß natürlich der, seit dem 16. Jahrhundert vielfach enttäuschte, Wahn von fast vollkommener Sicherheit eines jeglichen in kirchlichen Räumen geborgenen Eigenthums. 1 )

Zu allem diesen kam der Einfluß des altkirchlichen Lebens: - ein fast täglicher, sinnlich erregender kirchlicher Dienst; ein zur Gewohnheit gewordener, in allen Classen der Städtebewohner ziemlich gleichmäßig stattfindender fast geschäftsartiger Besuch der Gotteshäuser; die nahe liegende Neigung der bürgerlichen Genossen, das Zusammentreffen in der Kirche nach beendigtem Gottesdienste auch zur Besprechung geschäftlicher Verhältnisse zu benutzen, da Börsen, Lesehallen, Casinos etc. . noch unbekannt waren. Ferner ist zu erwägen der durch kirchliche und weltliche Gesetze verbürgte Schutz der Kirche gegen Befehdung, die Heiligkeit der christlichen Gotteshäuser und die noch spät im Volke wurzelnde Ansicht vom Asylrechte der Kirchen, endlich die große Bedeutung der auch mit ihren weltlichen Interessen in der Nähe der Kirchen sich concentrirenden Kirchweihfeste, deren Jahrmarktstreiben im Laufe der Jahrhunderte an vielen Orten eine Zeit der größten Handelsbewegung ward. Bedenkt man dabei, wie entschieden die dem altkirchlichen Leben zum Grunde liegende mehr sinnliche, auf äußere Formen gerichtete religiöse Anschauung von der kirchlichen Obergewalt aus gefördert, befestigt und ausgebeutet ward, so läßt sich bei dem fast überall herrschenden Bedürfnisse nach großen und sichern Räumlichkeiten in den ersten Jahrhunderten eines rührigen Gemeindelebens die Entstehung und Verbreitung des Herkommens, die Kirchen und die Kirchhöfe zu weltlichen Zwecken zu nutzen, genügend erkennen und würdigen.

Hier wird nunmehr nach einzelnen Richtungen zu beweisen sein, in welchem Umfange und in welcher Bedeutung im Einzelnen dieses Herkommen sich in Meklenburg und dessen Nachbarschaft im Laufe der drei letzten Jahrhunderte erhalten und geltend gemacht hat.


1) Es wurden zwar anderer Seits zum Schutze der Kirchenschätze an manchen Orten während des früheren Mittelalters große Hunde in den Kirchen gehalten; - (siehe Grautoff's historische Schriften, Th. I, S. 255; Jahrbücher des Vereins für mekl. Gesch. Jahrg. III. S. 157) - allein es ist nicht erwiesen und auch nicht wahrscheinlich, daß diese Sitte allgemein und dauernd gewesen sei. - Dagegen liegt dem Begraben der Todten in und nahe bei den Kirchen ohne Zweifel die von den Priestern eifrig genährte Idee einer größeren Seligkeit, welche die Nähe der Kirchen mit ihren Seelenmessen bringt, zum Grunde.
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1. Das Verlesen der Gesetze und anderer weltlicher Dinge von den Kanzeln.

Als eine besonders bekannte, durch rechtswissenschaftliche Bedeutung interessante Erscheinung soll hier zunächst das Verlesen der Gesetze und anderer weltlicher Dinge von den Kanzeln herab betrachtet werden.

Seit dem Reformations=Zeitalter ließen nämlich, wie in den meisten protestantischen Ländern, so auch in Meklenburg, die Landesherren und Ortsobrigkeiten weltliche Verordnungen der verschiedensten Art durch die Geistlichen in den Kirchen gemeinkundig machen. Vieler Orten wurden weltliche Gesetze, oftmals nur von localem Interesse oder nur Polizeiliches betreffend, alljährlich zu bestimmten Zeiten wiederholt von den Kanzeln abgelesen. Ueberhaupt aber fand in Meklenburg die eigentliche promulgatio legis hauptsächlich auf diesem Wege statt und zwar bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts. Die zeitweise ergehenden Gesetze wurden nämlich in der Regel einzeln, jedoch nur in kleinen Auflagen, gedruckt und an die Ortsobrigkeiten vertheilt, mit der Aufgabe, sie durch die Prediger von den Kanzeln ablesen zu lassen. Nebenbei wurden die Gesetze gewöhnlich noch in einigen wenigen Exemplaren an öffentlichen Gebäuden zu Jedermanns Ansicht angeheftet. Bisweilen, besonders in späterer Zeit, ergingen die Publications=Befehle von den Landesherren direct an die einzelnen Geistlichen oder Superintendenturen. Dieses Verfahren bestand auch theilweise noch, nachdem schon (um 1760) die Zahl der Tagesblätter zugenommen hatte und eine Art officieller Blätter (sogn. Intelligenzblätter, Anzeigen etc. .) entstanden war, in denen auch die landesherrlichen Verordnungen nach und nach veröffentlicht wurden, bis man zu der Einführung selbstständiger Organe für die Publication und Sammlung der Gesetze und Verordnungen vorschritt.

Für die ursprüngliche Anwendung dieses Verfahrens, wo es nur von den Obrigkeiten ausgeht und in der Regel nur einigermaßen ernste und bedeutsame Dinge erfaßt, lassen sich Gründe der Erklärung, wie der Angemessenheit aus ziemlich bekannten Umständen des gesellschaftlichen Lebens dieser Zeit entnehmen. In Betreff der späteren Zeiten wird aber in Grundlage der hier folgenden Nachweisungen nicht zu verkennen sein, daß auch diese Einrichtung eine sehr mißbräuchliche Ausdehnung erfahren hat.

Da nun heutigen Tages nach Vieler Meinung die Quellen der Gesetzkunde für die große Masse der Bevölkerungen nur

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dürftig fließen 1 ), während doch das Wünschenswerthe einer allgemeineren Gesetzkenntniß im Volke nicht abzuläugnen ist, so mag hier vorübergehend die Frage erwähnt werden: ob in jenem ältern Verfahren von vorne herein ein bedenklicher Keim des Mißbrauches und ferner, ob in theilweiser Erneuerung dieses Publications=Modus für den heutigen kirchlichen Sinn etwas Anstößiges füglich gefunden werden könne? - Letzteres, in soweit es zweifelhaft erscheinen sollte, ob eine zweckmäßige, völlig genügende Gesetzpublication auch selbst auf dem Wege billiger, leicht zugänglicher Regierungsblätter zeither erreicht worden sei.

Die kirchliche Art der Bekantmachung der Gesetze hat sich in Meklenburg im Gefolge der Reformation mit der wachsenden Landeshoheit ausgebildet. Im Mittelalter fand überhaupt in Meklenburg so wenig, wie in den meisten andern deutschen Ländern, eine gesetzgeberische Thätigkeit im heutigen Sinne statt, man müßte denn die Landfriedensbündnisse, die gewöhnlich autonomischen Statuten der Corporationen, die zeitweise ergangenen Reichssatzungen u. a. d. A. hierher rechnen. Erst im zweiten, dritten und vierten Jahrzehent nach dem ewigen Landfrieden beginnen bei uns Gesetzgebung und Regierung von den nach freierer Landeshoheit strebenden Fürsten erfolgreicher geübt zu werden. Außerdem ging aber erst um diese Zeit die kirchliche Obergewalt auf die weltlichen Landesherren über und verlieh ihnen die Befugniß, durch unmittelbare Befehle, die Wirksamkeit der Landesgeistlichen zu leiten. Endlich war ein großer Theil des katholischen Cultus in einer fremden Sprache geübt worden, so daß auch in Beziehung hierauf eine kirchliche Bekanntmachung weltlicher Gesetze und sonstiger weltlicher Erlasse in der wenig ausgebildeten Landessprache der höheren Geistlichkeit wohl bedenklich erschienen wäre, und bei ihrer ziemlich unabhängigen Stellung den Landesherren gegenüber Widerstand gefunden hätte.

Jedenfalls ergiebt eine genaue Forschung in den gleichzeitigen Acten, daß z.B. die meklenburgische Polizeiordnung vom J. 1516 weder in ihrem gedruckten Texte, noch in den betreffenden


1) Die ältern umfänglichen Gesetzsammlungen der meisten deutschen Territorien sind selten und kostbar; überdies sind sie theilweise nicht mehr praktisch, auch nicht allgemein verständlich. Die Regierungsblätter bringen nur die neuesten Gesetze und können von der handarbeitenden Bevölkerung als für diese noch immer zu kostbar nicht gehalten werden. Das öffentliche Anschlagen von Gesetzen ist bis auf eizelne Fälle, besonders in Steuer= und Zollsachen fast ganz außer Uebung gekommen und wird, wo es geschieht, nicht selten unzweckmäßig vorgenommen. Der Weg, in Volksschulen. die Landesgesetzkunde in den Grundzügen zu lehren, scheint in Frankreich, England, Preußen, Baiern u. a. L. mit geringem Erfolge betreten zu sein. Möglichst niedrige Preise der laufenden Gesetzsammlungen und häufiges, zweckmäßig eingerichtetes Anschlagen von Gesetzen werden wohl mit Recht empfolen.
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schriftlichen Verhandlungen eine Verfügung über deren Bekanntmachung von der Kanzel herab enthält. Die Landesherren übersenden das (gedruckte) Gesetz den Ortsobrigkeiten mit der gemessenen Ermahnung, für Gelebung der neuen Ordnung möglichst zu sorgen, überlassen aber nach allem Anscheine die Art der Bekanntmachung den Obrigkeiten selbst nach jeden Ortes Herkommen. Weder in der Vorrede, noch in dem Beschluß des Gesetzes wird des Publications=Modus gedacht, indem es am Schlusse nur allgemein heißt: "Vorkundiget vnd mit genannter Forsten eins hyr vpgedruckten Ingesegel tho Orkund besegelt". 1 ) Ebenso findet sich in einer Reihe von Patenten der Herzoge Heinrich und Albrecht zu Meklenburg aus den Jahren 1520 bis 1540, betreffend Befehdung, Straßenraub, Aufgebot, Forst= und Jagdwesen u. s. w. so wie in den hin und wieder anliegenden Acten keine Spur einer etwa schon damals üblichen Bekanntmachungsweise von der Kanzel herab.

Ein ebenfalls gedrucktes Rescript des Herzogs Heinrich, vom Tage Johannis Baptistae 1523 datirt und an die Domanial=Beamte gerichtet, weis't diese an, das beifolgende christliche Gebet gegen "des Torcken gewaltsame und tyrannische Farnemen" allsonntäglich durch die Prediger ihres Amtes dem Volke "van deme Predigstole" vorlesen zu lassen. Allein dies Rescript sagt zugleich Eingangs ausdrücklich, es habe dies "Keyserlike Maiestet vnse allergnedigste Herrn verordent" u. s. w.; außerdem ward damals die Türkengefahr als allgemeine Sache der Christenheit und als das kirchliche Interesse unmittelbar ergreifend betrachtet, - eine Ansicht, welche noch um d. J. 1670 in der Anordnung von Bußtagen und Dankfesten, den Türkenkriegen geltend, hervortritt. Auf ein schon damals allgemein übliches Ablesen weltlicher Verordnungen von den Kanzeln kann aus diesem Rescripte demnach nicht gefolgert werden. Höchst wahrscheinlich geschah bis dahin die Bekanntmachung der Gesetze wesentlich durch Verlesung in den öffentlichen weltlichen Versammlungen der städtischen und anderer Gemeinden, wie der Aemter und Zünfte, in den Rathhäusern und Schulzenhöfen, auf den Märkten und Dorffreiheiten oder den Gerichtsstätten, so wie durch Anschlag an öffentlichen Gebäuden.

Erst um das Jahr 1549 scheint in Meklenburg der kirchliche Publications=Modus der Gesetze allgemeiner herrschend ge=


1) Man kennt in Meklenburg nur zwei gedruckte Exemplare dieses Gesetzes; eins findet sich auf der Universitäts=Bibliothek zu Rostock, eins im großherzogl. Archive zu Schwerin. Genauer beschrieben ist dieser von Ludwig Dietz zu Rostock gefertigte Druck von Lisch, Geschichte der Buchdruckerkunst in Meklenburg, in den Jahrbüchern des Vereins für mekl. Geschichte, Jahrg. IV. S. 144.
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worden zu sein. In dem Edicte nämlich der Herzoge Heinrich und Johann Albrecht zu Meklenburg vom 7. Mai 1549, gegen Landstreicher und Kriegsfröhner, so wie gegen unerlaubtes Jagen und Holzverwüstung gerichtet, wird zuerst das Verfahren der Bekanntmachung in der Verordnung selbst dahin vorgeschrieben:

"beuehlen vnd wollen hiermit, das alle vnsere Amptleute vnd Beuehlshabere in Stetten, Ampten, Flecken vnd Dorffern sollen diese vnsere Ordnung in allen Kirchen von Predigstulen vnd auch sonsten in vnser Underthanen ire Amptuorwanten Zusammenkünften vorkundigen vnd wortlichen vorlesen lassen".

Die letztere Bestimmung weiset wohl unverkennbar auf die bisher gewöhnlich übliche Weise hin, gesetzliche Bestimmungen dem Volke kund zu thun. - Die Acten über die gleichzeitig (im Jahre 1549) zwischen Brandenburg, Pommern und Meklenburg geschlossene Vereinbarung zur Erneuerung des kaiserlichen Landfriedens, in Verbindung mit einem Particular=Landfrieden der genannten Staaten, enthalten zwar eine ausdrückliche Vorschrift über die Art der Bekanntmachung nicht; jedoch deuten der in den Correspondenzen öfter vorkommende Ausdruck: "verkundigen" und andere Umstände darauf hin, daß auch dieses umfängliche Gesetz in allen genannten norddeutschen Ländern auf landesherrlichen Befehl von den Kanzeln verlesen worden sei. Die Herzoge Barnim und Philipp von Pommern ließen es unter dem Datum: Alten=Stettin am Tage Nicolai 1549 "in öffentlichen Druck ausgehen" und bestimmten dabei: "das solcher Druck das erste Jahr alle 4 Wochen und darnach alle Quatember in einer jeden Pfarrkirche, sowohl auf den Dörffern, als in den Städten und Flecken soll verlesen werden." 1 )

Seit dieser Zeit ist der kirchliche Publications=Modus bei uns durch drei Jahrhunderte herrschend geblieben und bald auf alle Arten obrigkeitlicher Verfügungen ausgedehnt worden. So erläßt z. B. der Herzog Johann Albrecht zu Meklenburg im Jahre 1561 ein (gedrucktes) Notificatorium zur Hinaussetzung des herannahenden Hof= und Landgerichtstages, und weis't in der Bekanntmachung alle Prediger an, diese Bestimmung "vor der gantzen Gemeinde von den Cantzeln" zu verkündigen.

Auch in Pommern ward schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts das Ablesen der Gesetze von den Kanzeln herab


1) Nach einem vorliegenden zweiten Abdrucke aus des Joh. Eichhorn Druckerei zu Alt=Stettin v. J. 1569 in Quart.
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allgemein üblich und auf Polizei=Vorschriften, Contributions=Erlasse u. s. w. ausgedehnt. So ließ Herzog Philipp im Jahre 1545 die Verordnung gegen den im Landvolke eingerissenen Kleiderluxus von allen Predigtstühlen seines Landes kundmachen; das landesherrliche Contributions=Edict vom Jahre 1551 ward, wie in allen pommerschen Städten, so auch in Stralsund von allen Kanzeln verlesen. 1 )

Bei Gelegenheit der im Jahre 1562 erlassenen meklenburgischen Polizei=Ordnung werden sämmtliche Stadt= und Gutsobrigkeiten gleichmäßig angewiesen, dieses Gesetz, "ohne Verzugk vonn der Cantzell inn den Kirchspielenn offentlich abkundigen, volgendts auch jerlichen zum weinigsten zwey Mal ablesen zu lassen." Ebenso wird in dem Vorworte zur revidirten Polizei= und Landordnung vom Jahre 1572 festgesetzt, daß dieselbe alljährlich zwei Mal an bestimmten Tagen "offentlich auf dem Rathhause oder von dem Predigtstule sol abgelesen werden."

In späterer Zeit wurden bisweilen sogar Patente auswärtiger Mächte von meklenburgischen Kanzeln verlesen. Wiederholt geschah dies im Stifte Schwerin. So erläßt der Administrator desselben, Ulrich III., unter dem 22. März 1626 den Befehl an die Superintendentur zu Schwerin, die beifolgenden zwei königlich dänischen Patente, die Händel des Herzogs Georg zu Braunschweig=Lüneburg betreffend, nicht nur von allen Kanzeln des Stifts ablesen, sondern auch an allen Kirchthüren anheften zu lassen.

Auch die von manchen norddeutschen Städten für ihre Gebiete selbstständig erlassenen Luxus=Gesetze, welche für das gegliederte und umschrankte Leben der mittleren Zeiten sehr bezeichnend sind, wurden in den Kirchen verlesen. In der Kleiderordnung der Stadt Lüneburg vom 4. December 1579, in der revidirten und verbesserten Hochzeits= und Kindelbiers=Ordnung der Stadt Rostock vom 29. August 1591, in dem rostocker "Mandat wider die Hoffart vnd Ueppigkeit, bevorab in Kleidungen" vom 6. März 1648 und in mehreren ähnlichen Statuten wird die vorgeschriebene Bekanntmachung von der Kanzel herab ausdrücklich erwähnt. Daß ein Verlesen solcher Gesetze, deren Wesen ein Eingehen in die kleinlichsten Weltlichkeiten bedingte, den kirchlichen Sinn der Zeitgenossen verletzt habe, kann kaum behauptet oder jedenfalls wohl nicht mit Sicherheit erwiesen werden, wohl aber ließe sich die Vermuthung des Gegentheils durch Verschiedene Umstände einigermaßen begründen.


1) Vergl. Mohnike und Zober, Stralsund. Chroniken, I. S. 89 und 129.
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Das Ablesen der weltlichen Verordnungen in den Kirchen blieb jedoch in Meklenburg, selbst in seiner Beschränkung auf landesobrigkeitliche Erlasse, nicht immer in unangefochtenem Gebrauche. Schon um das Jahr 1700 scheinen einzelne Geistliche überhaupt mit einigem Widerwillen sich dem häufigen Geschäfte der Verlesung oft umfänglicher oder bisweilen wenig erheblicher weltlicher Bestimmungen von der Kanzel aus unterzogen zu haben, indem in dieser Zeit z. B. Beschwerden von Domanialämtern gegen einzelne Landprediger wegen unterlassener Verkündigung der Königsbede (eine Abgabe gewisser ritterschaftlichen Güter an die benachbarten herzoglichen Aemter) wiederholt vorkommen. Diese Abneigung mancher Geistlichen, - vielleicht in der steigenden strenggläubigen Richtung der protestantischen Kirche oder in der bald folgenden Reaction des Pietismus mit begründet, - ward in der nächsten Zeit, da der Herzog Carl Leopold um seine "Fürsten=Souveränität" mit den Ständen kämpfte, sehr gesteigert.

Als nämlich das Regiment der kaiserlichen Commission in Meklenburg begann, nahmen die in Rostock sitzenden Subdelegirten unter Andern auch die landesherrliche Befugniß in Anspruch, den Landesgeistlichen die Publication der Contributionsedicte und anderer das Polizei=, das Domanialwesen etc. . betreffenden Verordnungen aufzugeben. Dies geschah namentlich in den Jahren 1723, im December 1724, im April 1726 u. s. w. Die Landesgeistlichen hielten aber, wie die Masse des niedern Landvolkes, treu an dem Herzoge Carl Leopold als ihrem legitimen Landesherrn fest und verweigerten die ihnen zugemuthete Bekanntmachung von Erlassen, welche nicht allein vom Landesherrn nicht ausgingen, sondern sogar theilweise gegen ihn gerichtet waren. Diese Händel haben auch dadurch einiges Interesse, daß in ihnen aufopfernde Volkstreue in gefahrvoller Zeit sich geschichtlich bewährt, welche sonst von Manchen mehr gelegentlich behauptet und sich angerühmt wird, als sie in den großen Nothzeiten, - z. B. in der Wallensteinschen Periode, wo ziemlich Viele von der eingebornen Ritterschaft in die Dienste des kaiserlichen Feldherrn traten - geschichtlich nachzuweisen ist. Damals, als Herzog Carl Leopold, gleichsam ein Verbannter, zu Danzig politischen Projecten nachhing und zugleich den Stein der Weisen suchte, den er niemals fand, ward im Heimatslande seinen Superintendenten und armen Landpredigern von den Subdelegirten zu Rostock scharf zugesetzt, wobei, wie jene klagen "die patroni nobiles denen Lüneburgern sehr gedienet". Gewöhnlich ließen die Subdelegirten damals die Commissionsedicte den Landesgeistlichen durch Notarien, häufig in

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Begleitung von Unterofficieren, insinuiren, wobei die Geistlichen mit eventuellen Geldstrafen bis zum Belaufe von 100 Rthlrn. bedrohet wurden. Einzelnen ward wirklich mehrmals die Execution angesagt, wofür sie die Gebühren erlegen mußten. Sie blieben aber standhaft und erklärten theils einzeln, theils in größerer oder kleinerer Gemeinschaft mit Amtsgenossen wiederholt:

"es stehe keinem aufrichtigen Prediger wohl an, Edicta zu publiciren, wodurch Serenissimi Autorität gekränkt wird; sie wollten in devotion nnd Treue Alles über sich ergehen lassen" etc.

Im Jahre 1738 sandte die kaiserliche Commission abermals den Superintendenten verschiedene, meistens gegen den Landesherrn gerichtete Patente zur kirchlichen Publication zu. Zugleich erging in einem kaiserlichen Decrete vom 28. April 1733 ein strenger Tadel über die meklenburgischen Geistlichen deshalb, weil sie das angeblich Kaiser und Reich beleidigende Manifest des Herzogs Carl Leopold vom 15. December 1732 von den Kanzeln verlesen hatten. Hieran war das kaiserliche Verbot geknüpft, ferner dergleichen herzogliche Manifeste zu publiciren, so wie das ausdrückliche kaiserliche Gebot, die Erlasse des kaiserlichen Commissars auf dessen Befehl zu verkünden, und zwar Alles bei Strafe der Cassation. Die Superintendenten weigerten sich dennoch, auf die ihnen zugemuthete Verlesung der Commissions=Erlasse einzugehen, um so mehr, als ihnen der Herzog Karl Leopold (11. Juni) ausdrücklich verboten hatte, solche Patente anzunehmen. Man belegte darauf die Besoldungen mehrerer Superintendenten mit Beschlag und drückte sie durch militairische Executionen. Sie verblieben aber in ehrenwerther Standhaftgkeit. Als darauf in Folge des Aufgebots des Herzogs im September 1733 ungeregelte Volksbewegungen gegen die fremden Truppen ausbrachen, ward die Sache endlich dahin beigelegt, daß die Prediger künftig keinerlei Verordnungen, weder kaiserliche, noch landesherrliche von der Kanzel ablesen sollten. Demgemäß wurden dieselben wenigstens 14 Jahre, bis zum Tode des Herzogs Carl Leopold, mit Geschäften dieser Art verschont. 1 )

Inzwischen war schon im Laufe des zweiten Reformations=Zeitalters eine ziemlich mißbräuchliche Anwendung des kirchlichen Publications=Modus mehr und mehr in der Art hervorgetreten und verbreitet, daß die Ortssobrigkeiten, die Magistrate und die Gutsherren, dem landesherrlichen Vorgange folgend, in ihrer Weise ebenfalls weltliche Erlasse aller


1) Vergl. Franck Altes und Neues Meklenburg, Buch XVII. S. 75 bis 77.
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Art namentlich auch Polizeivorschriften und Acte der sogenannten freiwilligen Gerichtsbarkeit durch die Geistlichen in den Kirchen verkündigen ließen. Noch mehr, einzelne Corporationen, ja sogar Privatpersonen ließen nach und nach immer häufiger gesellschaftliche und Privatangelegenheiten, wie Schuldsachen, Verkauf von Sachen, verlorne Gegenstände von den Kanzeln ablesen. Der Verfall des geistlichen Standes bei der Ungunst der seit dem westphälischen Frieden von weltlicher Leidenschaft mehr und mehr beherrschten Zeiten, die häufige Störung der öffentlichen Ordnung in schweren Kriegesläuften, wie noch mehr die gehemmte freie Entwickelung des kirchlichen und des Gemeinde=Lebens, hatten die meistens schwach dotirten, oft auch ungründlich gebildeten Geistlichen allgemach zur Ablesung der buntscheckigsten weltlichen Dinge willig gemacht, zumal mit solchem Ablesen, so weit es nicht eigentlichen obrigkeitlichen Erlassen galt, Sporteln verbunden waren.

Bald nach dem Schlusse des langen Krieges (um 1660) nahm das Unwesen dermaßen Ueberhand, daß sich endlich der in kirchlichen Dingen strenge Herzog Gustav Adolph veranlaßt sah, die nachfolgende Verordnung 1 ) an die Superintendenten zu erlassen, welchem Beispiele jedoch, wie es scheint, in dem schwerinschen Landestheile keine Folge gegeben ward. Die Verordnung lautet:

G. A. etc. . Vnsern etc. .

"Demnach bei allen Kirchen in vnsern Gebiet und Landen der unzulässiger Gebrauch hin und wieder eingeschlichen, daß nicht allein die ausgegangene Edicta vnd Constitutiones in Civilsachen, sondern auch sonst allerhand Privathändel offentlich von den Cantzeln abgekündiget vnd der Gemeine wissend gemachet werden; Wir aber solches gäntzlich abgeschaffet wissen, vnd hinführo nichtes, als was nur zu den Consistorial- vnd Kirchensachen gehöret und Gottes Ehr und der Menschen Seeligkeit angehet, von den Cantzeln wollen abgekündigt haben etc. . Alß ist unser gnädigster Befehl an euch hiemit, daß ihr bei allen eurer Inspection untergegebenen Predigern alsofort nach Empfangung dieses die Ordnung beschaffet, daß sie von nun an vnd hinführo nichtes ohn in den obgesetzten Fällen der Gemeine zu verkünden auff die Cantzel bringen, sondern bey wilkührlicher Straffe sich


1) Vergl. Bärensprung's Sammlung meklenburgischer Landesgesetze, Thl. I, Stück 3, S. 164; Parchimsche Gesetzsammlung, Bd. II, S. 156.
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dessen gäntzlich enthalten sollen. Daran beschiehet unser gnediger Wille vnd wir sind euch mit Gnaden gewogen. D. d. 15. Octobr. 1660."

Daß aber dieses Verbot weder von allgemeiner, noch von dauernder Wirkung gewesen sei, wird unten dargethan werden.

In den größeren Städten scheint im Ganzen mehr Maaß in der Benutzung des kirchlichen Publications=Modus gehalten zu sein, als in den kleinen Landstädten.

Gewiß ist indessen, daß in den beiden Seestädten Rostock und Wismar, schon in der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts nicht bloß landesherrliche Verordnungen, besonders Contributions=, Türkensteuer=Edicte u. s. w., ferner die eigentlichen stadtobrigkeitlichen Verordnungen, unter diesen auch polizeiliche Erlasse, z. B. wegen Vorkauf, ansteckender Krankheiten, Aufforderungen zur Anhörung der Bürgersprache u. s. w. von den Kanzeln verlesen, sondern auch autonomische Bestimmungen von Corporationen sowie Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit an diesem Orte verkündiget wurden 1 ).

Dem privilegienreichen und seine gleichsam für reichsstädtisch geachtete Unabhängigkeit eifersüchtig bewachenden Rostock gegenüber mußten die Landesherren sich das Recht, daselbst von den Kanzeln herab Verordnungen gemeinkündig zu machen, in besonderen Bestimmungen der Erbverträge von 1573 und 1584 sichern 2 ).

In Sponsalien und Ehesachen wurden in der Regel dreimalige Citationen und zwar gewöhnlich an zwei verschiedenen Orten von der Kanzel verlesen. Als z. B. Jürgen Enitz im Jahre 1594 seine Braut Margaretha Tutow aus Warnemünde verlassen hatte und das Gerücht ging, "er lasse sich zuweilen in Wismar sehen", verfügte das Consistorium an den Prediger zu Warnemünde und an das Ministerium zu Wismar: "Du wollest dieselbe Citation zu dreien Malen offentlich von der Cantzel an drei Sonntagen ablesen, folgents auch an die Kirchthüre heften lassen, vnd dann einen schriftlichen Schein, das solchs also geschehen, uns zufertigen". Solche Erlasse des Consistoriums mochten später mit ziemlicher Leichtigkeit auszuwirken sein; wenigstens kommen während des dreißigjährigen Krieges, zumal in den Jahren 1637 bis 1639, bisweilen in dem Zeitraume von we=


1) Vergl. Burmeister, die Bürgersprachen der Stadt Wismar, (das. 1840. 4.) Vorrede, IV.
2) Erbvertrag mit der Stadt Rostock vom 28. Febr. 1584, Art. 94: "Es will auch der Rath die Fürstl. Mandata und Befehliche, so die regierende Landesfürsten nach fürfallender Gelegenheit in der Stadt Rostock anzuschlagen oder von der Kanzel abkundigen zu lassen ihme zuschicken werden, publiciren vnde anschlagen lassen".
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nigen Monaten in demselben Amte drei bis vier an Bauermägde "vom hochlöblichen Consistorio mitgetheilte, in der Kirche abgelesenen Ladungen" vor, welche die "bey dem betrübten Kriegeswesen ausgetrettenen oder verloffenen" Verlobten zu erscheinen mahnten. In Ehesachen ward dasselbe Verfahren beobachtet. Der Herzog Gustav Adolph übertrug z. B. im Jahre 1665 die Ehescheidungssache des v. Viereggeschen Bauern Stephan Greve zu Weitendorf "wegen ietzigen des Consistorii Zustand" einer Commission. Diese ließ das vor 9 Jahren entlaufene Weib des Bauern zugleich im Dome zu Güstrow und in der Kirche zu Weitendorf von den Kantzeln herab nach geendigter Predigt citiren, auch demnächst die Citation an den Kirchthüren anschlagen. 1 ) Ein ganz ähnliches Verfahren scheint in Pommern geherrscht zu haben; namentlich kommt es zu Stralsund noch im Jahre 1732 in gleichzeitigen Acten vor. Auch fand überhaupt zwischen Pommern und Meklenburg eine vielgeübte Gegenseitigkeit in der Ausführung der auf das Verlesen und Anheften der Edictal=Citationen in Ehesachen gerichteten Requisitionen statt.

Befremdender als dieses Verlesen von Sponsalien= und Ehesachen in den Kirchen muß das kirchliche "Abbieten von Häusern" erscheinen, wie es in vielen meklenburgischen Städten im Laufe des sechszehnten Jahrhunderts zur Auffindung von Käufern oder zur Sicherung gegen Ansprüche Dritter üblich ward. In dem Privatprocesse eines Bürgers zu Wesenberg aus dem Jahre 1580 wegen eines städtischen Grundstückes daselbst, wird nicht nur das in diesem Falle geschehene "offentliche Aufbieten von Haus und Hoff von der Cantzell" behauptet, sondern auch als dort allgemein gebräuchlich bezeichnet. Zu veräußernde städtische Aecker wurden ebenfalls damals von der Kanzel abgekündigt. Demgemäß ertheilte die Juristen=Facultät zu Rostock (1582?) an des Günther von Wulfrath Wittwe zu Malchin wegen eines streitigen Grundstücks die Belehrung: "Hat L. T. ein Stück Ackers, ohne vorhergehende Aufkündigung von der Canzel heimlicher Weise verkauft und in das Stadtbuch zu Malchin verzeichnen lassen, so ist berührter Kauf zu Rechte unbeständig und von keinem Wirden" 2 )

Daß dieses Verfahren in größeren Städten gleichfalls gegolten, wird ausdrücklich bezeugt. So heißt es in den Fragstücken


1) Die Consistorial=Ordnung vom J. 1570 enthält keine Vorschriften über das formelle Verfahren bei Erlassung von Citationen, sondern spricht nur von "rechtlichen Vorladungen", vom "Citiren der Abwesenden per edictum" u. s. w.
2) Mantzel, Selecta Juridica Rostochiensia, I, pag. 96.
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eines Prozesses wegen der Pachtgelder des Rathskellers zu Parchim aus dem Jahre 1618: "Wahr, daß nach solchem Taxt das Hauß von der Cantzell altem Parchimschen Stadtgebrauch nach, damitt sich ein Käuffer angeben konthe, abgekundigt worden sey". Die Statuten der Stadt Parchim schreiben auch in der neueren Redaction (aus dem 17. Jahrh.) in §. 19 das Aufbieten der zu veräußernden Grundstücke "von der Cantzel oder sonsten auf andere Wege" ausdrücklich vor. 1 ) Im Jahre 1589 berichtete der Magistrat zu Plau an den Herzog Ulrich, welcher eine neue Gesetzgebung beabsichtigte, über die zu Plau geltenden Rechtsgewohnheiten unter anderm: "Wenn allhie stehende Erbe oder liegende Güter verkauft werden, also werden dieselben öffentlich von der Cantzel abgekündigt, damit es Mennichlichen wissent, sich auch die nächsten Agnaten oder Freunde nicht ihrer Unwissenheit halber zu beklagen". 2 )

Ohne Zweifel ist demnach ein solches kirchliches Abbieten städtischer Grundstücke vieler Orten gebräuchlich geworden, meistens auf bloßen Antrag von Privatpersonen ohne Concurrenz der Obrigkeit geschehen, und hat lange Zeit keinerlei Anstoß erregt. Die um sich greifende Sitte des kirchlichen Ablesens von weltlichen Dingen hat aber noch viel weiter geführt!

In manchen Städten wurden unbedenklich auch Privatschuldsachen abgekündigt. So ließ nach Acten der Stadt Neukalden, den Abschoß betreffend, im Jahre 1611 der Bürger Guntzel von Eitzen, als er von Neukalden nach Malchin zog, "offentlich von der Cantzell proclamiren, daß wer Baltzer Niemann sehligen - (dem ersten Manne der Ehefrau des G. v. Eitzen) - mit Schulden verhafft, der oder die sollten in kurtzer angesetzter Frist sie abstatten und bezahlen". Ein ähnlicher Fall kommt um das Jahr 1620 in Acten der Stadt Teterow vor. - Gerichtliche Vorladungen in Concurssachen scheinen vielfach und lange in den Kirchen verlesen zu sein. Die meklenb. schwerinsche Kammer läßt z. B. noch im Jahre 1689 in Concurssachen des verstorbenen Zöllners Joachim Koenigk zu Zarrentin wiederholt Vorladungen zur Anhörung des Prioritäts=Erkenntnisses in der Kirche zu Zarrentin durch den dortigen Prediger Andreae bekannt machen, worüber dieser amtliche Zeugnisse ausstellt.

Ueberhaupt wurden in den kleinen Landstädten noch in neuerer Zeit manche seltsame Dinge von den Kanzeln aus obrigkeitlich proclamirt. Noch gegen Ende des siebenzehnten Jahrhunderts ließ z. B. der Magistrat zu Grabow markt= oder forstpolizeiliche


1) v. Kamptz, mekl. Civilrecht, Bd. II, S. 227.
2) Westphalen, Monumenta inedita, Tom. I, p. 2096.
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und ähnliche Verordnungen in den Kirchen alljährlich oder nach den Zeitumständen ablesen, wie z. B. die sogenannte Holzordnung (v. J. 1598) die Nutzung des Hornwaldes betreffend, außerdem Vorschriften über die Mast in diesem Walde, über die Anzahl der daselbst einzutreibenden Schweine u. s. w. Das Domanial=Amt zu Grabow ließ dort seiner Seits um das Jahr 1660 ähnliche Verordnungen von der Kanzel proclamiren, z. B. daß Niemand die Gärten bestehlen solle; oder: daß man sich der Fischerei in der Elde an bestimmten Stellen "nicht gebrauchen solle". Noch im J. 1714 ließ der Grabower Magistrat die in ihren Acker=Parzelen vermeintlich laedirten Bürger von der Kanzel vorladen, "den 3. Juli ihre Mängel an Aecker und Wiesen in versammleten Raths=Collegio ad protocollum zu melden".

Dagegen ward von der Geistlichkeit einzelner größerer Städte zu derselben Zeit das Unangemessene in manchen obrigkeitlichen Wünschen oder Aufträgen hinsichtlich der bisher üblichen kirchlichen Publicationen richtiger erkannt und hervorgehoben. So beschwert sich der Superintendent Schumann zu Schwerin unter den 22. Juli 1719 bei der herzoglichen Regierung gegen die Schweriner Justiz=Canzlei, welche ihm aufgegeben habe, in der Domkirche ein Verbot des Magistrats wegen eingerissener Mißbräuche bei der Erndte=Nachlese von der Kanzel zu publiciren. Niemals - sagt Schumann - sei seines Wissens etwas im Dome Namens der Stadtobrigkeit von der Kanzel verkündiget, sondern nur im Namen der hohen Landesobrigkeit; überdies beziele das Verbot des Magistrats "nur einen geringen zeitlichen Nutz;" der Rath könne diese Verordnung füglich an das Rathhaus heften lassen etc. . Es ward darauf der Superintendent am 15. August d. J. von der herzoglichen Regierung dahinbeschieden: "er habe Recht gethan, das Verbot des Magistrats nicht im Dome zu publiciren; jedenfalls habe der Magistrat zuvor wegen Gestattung solcher Bekanntmachungen im Dome sich an die herzogliche Regierung zu wenden etc. .

Wie weit eine ursprünglich angemessene, einst gleichsam nothwendige Einrichtung bei schrankenloser Ausdehnung führen kann, nachdem sie im Laufe der Zeit eine gewisse herkömmliche Geltung auch in der mißbräuchlichen Richtung erlangt hat, zeigt hinsichtlich des vorliegenden Gegenstandes die folgende Thatsache, welche heute zu Tage als eine läppische Ausschweifung erscheint, übrigens actenmäßig vorliegt und nicht vereinzelt dastehen dürfte. Ein Wismarscher Bürger läßt guten Glaubens in einem Privatprocesse die göttliche Hülfe zum gedeihlichen Ausgange des Rechtsstreits von der Kanzel herab erflehen und demnächst in

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der Kirche auch seinen Dank gegen die Gottheit in derselben Sache verkündigen! In dem vom Jahre 1624 bis 1630 geführten fiscalischen Processe gegen den Wismarschen Bürger Johann Rudolph, der beschuldigt war, verächtliche Reden gegen landesherrliche Erkenntnisse geführt zu haben, heißt es in den Fragstücken zum Zeugenverhör vom Jahre 1626 wörtlich:

"Ob Angeclagter nicht vor Eröffnunge des Urtheils (- in einer diesem fiscalischen Processe vorhergehenden Rechtssache -) den lieben Gott um ein gutes Erkenntniß in der Kirche zu Sternberg habe bitten lassen,
und ingleichen, ob er nicht nach erlangten obsiegellichen Urtheil in den Kirchen zu Wismar und Sternberg Zettull auf die Cantzell geschickt vnd in offener Gemein dem lieben Gott offentlich danken lassen."

Beide Puncte werden von mehreren Zeugen als richtig bejaht!

Solchen Vorgängen nach darf man es für völlig glaubhaft halten, wenn noch im Jahre 1733 bei Gelegenheit des oben erwähnten Verfahrens gegen die meklenburgischen Geistlichen wegen verweigerter Ablesung der kaiserlichen Commissions=Patente ein Rechtsgelehrter in seinem Gutachten u. A. sagt: "es kündigten die Prediger ja wohl von den Canzeln ab, wenn etwa Jemandem ein Pferd verlaufen sei u. s. w. 1 ) Daß damals Auctionen an mehreren Sonntagen vor dem Beginne des Geschäfts in den Kirchen von den Predigern angezeigt seien, wird in gleichzeitigen Protocollen öfter ausdrücklich angeführt.

In manchen benachbarten Territorien, namentlich den lübeckischen, lauenburgischen und schleswig=holsteinischen Gebieten, hat sich der Gebrauch der kirchlichen Bekanntmachung weltlicher Privatsachen noch später, als in Meklenburg erhalten. So wird z. B. noch im Jahre 1802 ein Einwohner des damals zum Stifte Lübeck gehörigen Dorfes Alt=Bukow wegen der von ihm nachgesuchten Publication des von seinem verstorbenen Stiefvater in der Stiftsvogtei niedergelegten Testaments dahin beschieden: "daß der 20. December dazu angesetzet sey und Supplicant dieses in dreyen Kirchen solle verkündigen lassen". Dieser zeigte jedoch dem Stiftsgerichte an, daß solche Bekanntmachung in Meklenburg nicht mehr gebräuchlich sei und ließ den Termin in den meklenburgischen sogenannten Intelligenz=Blättern verkündigen.


1) Vergl. Franck, Altes und Neues Meklenburg, Buch XVIII, S. 76.
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Der größte Mißbrauch mit den ortsobrigkeitlichen Bekanntmachungen von der Kanzel aus mag früherhin auf dem platten Lande, bei oft bedenklicher Abhängigkeit mancher Geistlichen von den Patronen oder einzelnen einflußreichen Eingepfarrten getrieben worden sein. Die einzelnen Grundherren sprachen das Recht, ihre obrigkeitlichen Erlasse - oder vielmehr, was sie dazu stempelten - ebenfalls von der Kanzel herab gemeinkündig zu machen, unbedenklich an und machten leicht begreiflich in weitem Umfange von diesem ihrem vermeintlichen Rechte Gebrauch. Bei der an sich schon mehr niedern Richtung der gewöhnlich sehr beschränkten patrimonialen Wirksamkeit mußte hier namentlich das landwirthschaftliche Interesse oft Gegenstand der kirchlichen Publication werden. Zwei Beispiele mögen genügen:

Mathias Vieregge auf Roßwitz processirte um das J. 1594 mit Richard von der Schulenburg auf Subzin wegen der Wiesen und des Fischteiches zu Korleputt. In den Fragstücken, welche der Letztgenannte zum Zeugenverhöre im Jahre 1595 stellte, sagte er u. A.

"Wahr, das er auch solche Hegung seines oberwähnten Fischteiches jharlich vff Philippi vnd Jacobi durch die Prediger inn der Kirchen zur Rekenitz, dahin auch des Beclagten Pawern gehören, von der Cantzell nach landtsittlichen Gebrauch offentlich abkundigen vnd Jedermenniglichen verwarnen lassen, daß sie der Hütung vnter andern auch an seinem Kurleputer Fischteiche sich enthalten sollten" etc. .

In dem Zeugenverhöre eines Prozesses der Restorf auf Bolz wider die Restorf auf Radepohl wegen der Gildeländer zu Wessin v. J. 1588, sagen mehrere Zeugen gleichmäßig aus:

"Sagt, er wisse wohl, daß die Junckern von der Cantzell abkundigen lassen, daß die Pauren sich der Zelgen (von gewissen Eichen) abzuhauwen nicht vnderstehen sollten, vnd da sie darüber betretten, wollten sie dieselben pfanden" etc. .

Wie das Consistorium in Sponsalien und Ehesachen, so ließen die Patrimonial=Gerichte in strafrechtlichen Prozessen Vorladungen von den Kanzeln ergehen. Die Rostocker Juristen=Facultät ertheilte in einer Untersuchungssache wegen Tödtung den v. Rieben auf Galenbeck am 14. October 1581 die Belehrung: daß der entwichene Todtschläger in ihrem Gebiete von der Kanzel zu citiren sei. 1 ) Um das J. 1640, als man die vielen "ausgetretenen" Verlobten der Bauermägde citirte,


1) Mantzel, Selecta Juxidica Rostock. I. p. 96.
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wurden öfter auch Todtschläger und Diebe von den Kanzeln aus vor die Patrimonial=Gerichte geladen. Als eine verwandte Bestimmung erscheint die in dem Edicte des Herzogs Gustav Adolph vom 10. März 1666 enthaltene Vorschrift: daß die Prediger "sowol an denen Orten, da die Mordthaten geschehen, als auch in denen Städten, da die Mordachten publicirt und angeschlagen worden, der Gemeinde öffentlich die Kraft und Wirkung der Mordacht erklären sollen, damit Gott versöhnet und das Land gereiniget werde."

Ebenso wurden Militär=Sachen von der Kanzel verlesen. Es heißt z. B. in §. 25 des vom Herzoge Friedrich Wilhelm erlassenen Reglements für die Landmilice vom J. 1711: "Wann künftig die Compagnien auf einen gewissen Tag und Ort zusammen kommen sollen, alsdann wird solches den Sonntag vorher durch den Prediger von der Cantzel abgekündiget."

Bisweilen ward von den landesherrlichen Oberbehörden selbst die Benutzung der Kanzel in Privatangelegenheiten der Unterthanen ziemlich weit ausgedehnt. So erließ z. B. die herzogliche Kammer in Schwerin noch im J. 1707, als der Krüger Heinrich Ihde zu Sülten durch seinen Schwager Claus Dahl böswillig berüchtigt war, als sei er ein Mörder und Bösewicht, wodurch er angeblich großen Schaden an Ehre und Nahrung erlitten hatte, Befehl an die benachbarten Prediger zu Uelitz, Sülstorf, Wahrsow und Pampow dahin: daß sie das beifolgende landesherrliche Patent, enthaltend eine restitutio famae des Heinrich Ihde, zu Rettung seiner Unschuld und damit er nicht seine Nahrung ferner verlieren möge, von den Kanzeln den Gemeinen öffentlich kund thun sollen. Ja, es ward dem Krüger sogar gestattet, das Patent mit einigen angemessenen Aenderungen drucken und so hin und wieder sonstig im Lande verbreiten und von dem Kanzeln abkündigen zu lassen.

Auch landesfürstliche Privatsachen wurden oft auf diese Weise veröffentlicht. So ließ z. B. um dieselbe Zeit der zu Rostock residirende Herzog Friedrich Wilhelm daselbst in allen Kirchen folgenden Erlaß von den Kanzeln publiciren:

"Demnach ein Paar Diamanten Ohrringe, oben mit 2 runden Rosen vnd 2 Hertz=Rosen daran hangend, so Ihr hochfürstl. Durchlaucht Zuständig, verlohren worden, alß wird ein Jeder, wer solche gefunden oder Wissenschaft darümb hat, erinnert, solches anzuzeigen, und sich desfalß bei Unsern Hoff=Juden Michel Hinrichsen hieselbst anzugeben, da dann nicht allein dem Finder oder Anzeiger deßelben von gedachtem Hoff=Juden zweihundert Rthlr. zum recompens sofort bahr

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bezahlet werden sollen, sonder er hat sich auch dabey aller fernern fürstlichen Gnade zu versichern. Sollte aber solches von Jemand verhelet und verschwiegen, und hienechst über kurtz oder lang doch offenbar werden, Derselbe hat Ihr Durchl. Ungnade und straffe ohnfehlbahr zu gewarten."

Im Allgemeinen wurden jedoch in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts mit der vorschreitenden, auf Staatseinheit und Romanismus vieler Orten zu sehr hingetriebenen Entwickelung des modernen Staatslebens von den Regierungen und Landesgerichten unter manchen ortsobrigkeitlichen Mißbräuchen auch die in den Kirchen bisher üblichen Bekanntmachungen, besonders in Privatsachen, nach und nach eingeschränkt. Anscheinend haben hiebei die damals oft überschätzten Lehrsätze und Ansichten, welche von den die Rechtswissenschaft beherrschenden Romanisten ausgingen und unter Andern auch über die "General=Publication der Gesetze" gelegentlich vorgebracht wurden 1 ), mitgewirkt, indem man zugleich von der früheren Weise der möglichst allgemeinen und immer sorgsam angeordneten Bekanntmachung der Gesetze abwich.

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ward aber im Gefolge der, seit dem politischen Untergange des Herzogs Carl Leopold in Meklenburg wenig verminderten "Landeszerrüttung" der von den Kanzeln herab getriebene Unfug mit dem Abkündigen privater, für die Kirche ungehöriger und oft an sich ganz unbedeutender Dinge zeitweise ärger, als zuvor. Ohne Zweifel hat die in den drangvollen Zeiten von 1718 bis um 1750 vernachlässigte Pflege des Kirchenwesens - das "Taxiren von der Kanzel und das Conserviren der Priestertöchter bei denen Pfarren" bestand noch - hierauf besonders eingewirkt. Selbst noch nach dem Abschlusse des Erbvergleichs war auf dem platten Lande das Abkündigen verlorener, käuflicher oder gestohlener Sachen, vorzunehmender Versteigerungen, zu verkaufender Feldfrüchte, Baumaterialien und dergl. an der Tagesordnung. Herzog Friedrich erließ endlich zuerst um das Jahr 1760 generelle Verbote dieses Unwesens und


1) So findet sich z. B. bei Leyser, Meditationes ad Pand. Vol. I. spec. 7, pos. 2 ein Erachten der Juristen=Facultät zu Wittenberg vom Jahr 1709, worin u. A. deducirt wird, daß eine General=Publication der Gesetze genüge: "es ist genug, wenn der Landesherr am Orte seines Aufenthalts die gemachten Verordnungen verlesen, anschlagen, durch den Druck oder copeyliche Abschriften hin und wieder bekannt machen läßt" etc. . Zugleich bildeten sich die Lehrsätze aus: "non est necesse, ut lex in omnibus pagis, vel oppidis affigatur, aut proclametur; - promulgatio legis ab eo, qui in ea se fundet, non est probandum." Vergl. Müller, Promptuarium juris, Tom. VII. p. 918.
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suchte es dann, da jene unwirksam blieben, durch eine besondere geschärfte Verordnung gänzlich aufzuheben. Sie ist vom 4. December 1776 datirt, an die Schweriner Superintendentur gerichtet und lautet:

"Da dem Vernehmen nach Unsers hiebevorigen generalen Verbotes ungeachtet in einigen Kirchen sowohl in Städten, als auf dem Lande die Ehrnprediger auf Privatbegehren allerhand geringfügige Nachrichten von Kauf und Verkauf, Auctionshaltung und dergleichen nach der Predigt von den Canzeln gemeinkundig machen, wodurch die Andachten unterbrochen und die Gemüther der Zuhörer in Gedanken, welche nicht für den Gottesdienst gehören, zerstreuet werden; so befehlen Wir euch gnädigst, Unsere gnädigste Willensmeinung, daß dergleichen Anzeigen von den Canzeln gänzlich wegbleiben sollen, wiederum ernstlich in Erinnerung zu bringen, und wenn ihr dennoch dergleichen Unfug künftig erfahren solltet, Fiscali Consistorii davon Nachricht zugehen zu lassen. Wornach ihr euch zu richten" etc. 1 )

Das Verlesen der Landes=Gesetze von der Kanzel herab hat in Maßgabe des Herkommens und der in §. 424 des landesgrundgesetzlichen Erbvergleichs vorbehaltenen landesherrlichen freien Bestimmung hinsichtlich der Art der Veröffentlichung, wenigstens in einzelnen Fällen, bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts und darüber hinaus in Meklenburg fortgedauert, obgleich schon um das Jahr 1790 manche Gesetze neben öffentlichem Anschlag auch in den Intelligenzblättern bekannt gemacht wurden. Bei der in der Natur der Sache liegenden Mißlichkeit, die kirchliche Gesetzpublication plötzlich und gänzlich aufzuheben, - welche durch die gleichzeitige Entwickelung mehrfacher reformatorischer Bestrebungen auf dem Staats= und Kirchengebiete erhöhet ward, trat gegen Ende des vorigen Jahrhunderts auch in dieser Angelegenheit das Schwanken einer Uebergangszeit hervor. In einer landesherrlichen Verordnung vom 6. Juli 1779 wird die von den Predigern zeither häufig unterlassene Ablesung der Patent=Verordnung vom 12. November 1774 "zu Abstellung des feuergefährlichen Tabackrauchens" gerügt, und zugleich


1) Abgedruckt in Schröders neuester Gesetzsammlung, Th. I. S. 7. Vergl. Siggelkow, Handbuch des meklenb. Kirchen= und Pastoral=Rechts, 3. Aufl. 1797. 8. S. 152, woselbst bemerkt wird, daß einige Ausnahmen von der Regel landesherrlich befohlen oder erlaubt seien; z. B. den Predigern der Ribnitzer Präpositur sei die Abkündigungvon den ritter= und landschaftlichen Gütern zu erlegende Königsbede gestattet.
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für die Zukunft die regelmäßige Verkündigung der neuerdings in dieser Sache ergangenen Verordnung an jedem ersten Sonntage nach Neujahr anbefohlen. 1 ) Ein Regiminalbescheid vom 18. Juli 1785 "wegen Ablesungsart der älteren Patent=Verordnungen von der Kanzel" erklärt, daß die unter der vorigen Regierung anbefohlene jährliche Verlesung einzelner landesherrlicher Verordnungen, z. B. wegen Abstellung der Ueppigkeiten bei den Zusammenkünften der Domanial=Unterthanen, wegen der Sabbathsfeier, wegen Armenversorgung und Abstellung der Bettelei, wegen "feuergefährlichen Tabackrauchens" u. s. w. auch fernerhin stattfinden solle. 2 )

Das nun vorherrschende Widerstreben der Prediger - denn Nachlässigkeit war es wohl nicht allein - gegen dergleichen Bekanntmachungen von der Kanzel wird demnächst in einer Verordnung vom 11. November 1786 dahin bedeutet: Die neueste Patent=Verordnung "wegen Abstellung des feuergefährlichen Tabackrauchens" künftighin jährlich zwei Mal nach geendigter Vormittags=Predigt - bei Vermeidung einer Strafe von 4 Rthlr., jedoch mit Weglassung des blos historischen Prologus und Epilogus der Erneuerungen abzulesen 3 ). Dann wird schon unter dem 28. März 1789 landesherrlich ferner bestimmt, daß die Verkündigung der größeren Patent=Verordnungen von den Kanzeln herab "künftig statt der wörtlichen Verlesung nur mittelst kurzen Auszuges, ihrem Hauptinhalte nach" geschehen solle. 4 )

Noch unter dem 11. März 1801 wird die Vernachlässigung der vorgeschriebenen Ablesung namentlich der Verordnung gegen das Tabackrauchens gerügt und die vorschriftsmäßige Verkündigung abermals eingeschärft; ja in einer Nachschrift zu eben dieser Verordnung werden die Superintendenten angewiesen, die Prediger überhaupt an die ihnen obliegende jährliche Verlesung der herzoglichen Patente "ernstlich zu erinnern" 5 ).

Die seit dem Jahr 1806 hereinbrechenden stürmischen Zeiten machten auch in den meklenburg=schwerinschen Landen eine ungewöhnliche Erweiterung und Beeilung in der Thätigkeit der Gesetzgebung und Verwaltung nothwendig; sie haben die fast gänzlicheAufhebung der Sitte des Ablesens der weltlichen Verordnungen von der Kanzel herab bei uns herbeigeführt. In der landesherrlichen Zuschrift an den engeren Ausschuß


1) Schroeders neueste Gesetzsammlung, Thl. I. S. 20.
2) Schroeder, a. a. O. S. 124.
3) Schroeder, a. a. O. S. 141.
4) Schroeder, a. a. O. S. 193. 194.
5) Schroeder, a. a. O. S. 296. 297.
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vom 16. Januar 1812 1 ), betreffend das an demselben Tage erlassene Gesetz über die Publication allgemeiner Verordnungen und Edicte wird gesagt:

"Daß bei der durch die bedrängten Zeiten veranlaßten Vermehrung allgemeiner Verordnungen das Unbehülfliche und oft Unzureichende des bisherigen Ganges ihrer Publication sich nur zu sehr veroffenbart" habe, weshalb künftig ein eigenes officielles Blatt zur schnelleren und allgemeinen Bekanntwerdung allgemeiner Gesetze auch anderer Notificatorien der Oberbehörden erscheinen werde.

Das "officielle Wochenblatt" ist demnächst noch im Jahre 1812 ins Leben getreten und seit dem Jahre 1813 bis auf die Gegenwart regelmäßig fortgeführt worden. Dem Vernehmen nach werden indessen einzelne Verordnungen vorschriftsmäßig noch heutiges Tages in Meklenburg=Schwerin von den Kanzeln verlesen, wie namentlich die Verordnungen vom 20. Mai 1768, 30. December 1769, 14. November 1782, 15. April 1788. 15. Juli 1800, 24. Juli 1818 und 1. December 1838; ob jedoch Gleichmäßigkeit und strenge Nachachtung in dem Ablesen dieser Verordnungen von Seiten der Prediger in den verschiedenen Landestheilen beobachtet wird, steht dahin.

In den meklenburg=strelitzschen Landen hat sich das alte Herkommen der kirchlichen Bekanntmachung weltlicher Verordnungen und Privatsachen länger erhalten. Die Regierung des Fürstenthums Ratzeburg erließ noch unter dem 29. November 1805 eine Verordnung über die "Gebühren der Prediger 2 ) für die von den Kanzeln zu verlesenden Bekanntmachungen in Privat=Angelegenheiten," in welcher auch die unbedingte Verpflichtung der Prediger zur vollständigen, nicht auszugsweisen, und dabei unentgeldlichen Verlesung aller ihnen zu dem Zwecke von den Landescollegien und Aemtern zugehenden Erlasse ausgesprochen wird. Nach einer weitern herzoglichen Verordnung vom 6. Februar 1811 hatten aber damals die Prediger im Fürstenthum Ratzeburg Beschwerde geführt über die Schwächung und Verhinderung der religiösen Erbauung durch das Ablesen der weltlichen Bekanntmachungen von den Kanzeln. Um nun das zu entfernen, "was der Würde


1) Dittmar's Sammlung Neuerer Gesetze und Urkunden, Bd. II. S. 178.
2) Für dreimalige Verlesung von 1 Bogen starken Bekanntmachungen in Privatsachen sollen die Prediger 12 ßl. dän. Cour. erhalten; - ist die Bekanntmachung über 1 Bogen stark, sollen sie 16 ßl. bekommen; für einmaliges Verlesen nur 3 resp. 4 ßl. Jedoch soll die Bezahlung nicht im Voraus stattfinden, sondern nachträglich.
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und dem Zwecke des Gottesdienstes zuwider ist," wird die Verordnung vom 29. November 1805 dahin erläutert: daß die Bekanntmachungen zwar noch ferner in der Kirche geschehen sollen, jedoch nicht mehr von der Kanzel aus, sondern an einem schicklichen Platze, nach völlig beendigtem Gottesdienste und wenn der Prediger es wünscht, durch den Küster, welcher alsdann die Gebühren erhält.

Endlich ward auch hier das freilich schon ziemlich umgestaltete alte Herkommen mittelst einer Verfügung der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg vom 27. November 1830 dahin aufgehoben: "Daß von Neujahr 1831 an alle Verordnungen und Bekanntmachungen lediglich durch das neue (Bickersche) Intelligenzblatt geschehen sollen und eine andere Art der Publication nicht weiter stattfinden wird."

Es ist auffallend, daß in Meklenburg=Strelitz selbst erst im Jahr 1838 ein officielles Wochenblatt eingeführt worden ist, nachdem unter dem 4. November 1837 ein großherzogliches Rescript an den Engern Ausschuß 1 ) dieserhalb ergangen war, in welchem unter Andern auf die "bisherige umständliche und lästige Art und Weise der Promulgation" hingewiesen wird.


2. Rechtsgeschäfte und Handelsverkehr in den Kirchen und auf den Kirchhöfen.

Die früher vorherrschende Bekanntmachung obrigkeitlicher Verordnungen und anderer weltlicher Dinge von den Kanzeln herab wird noch im Gedächtnisse einzelner Zeitgenossen, als Zeugen, bewahrt. In einigen Gegenden des nordwestlichen Deutschlands, wie in Schleswig und Holstein, ist sie noch jetzt, jedoch in beschränkter und im Einzelnen abweichender Weise, üblich.

Fast ganz im Leben erloschen ist die früher weit verbreitete Sitte, in den Kirchen und auf den Kirchhöfen Rechtsgeschäfte - sowohl öffentliche als privatrechtliche, gerichtliche und bloße Vertragshandlungen - und täglichen Handelsverkehr zu betreiben. Das ist eine Sitte, welche in der großen praktischen Bedeutung der kirchlichen Elemente für die Zustände des Mittelalters zunächst begründet, sich vorzugsweise in den Städten nach Bedürfnissen des bürgerlichen Verkehrs ausgebildet und nach dem Umsturze der alten Kirchenverfassung, da die meisten Grundzüge des mittelalterlichen Lebens noch bis


1) Dittmar's Sammlung neuerer Gesetze, Bd. II. S. 179.
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in das 17. Jahrh. bei Bestand blieben, längere Zeit theilweise Geltung behalten hat.

Wie oben bemerkt, sind im Mittelalter ohne Zweifel manche eigentliche "Stadtsachen" von den Magistraten in den Kirchen verhandelt. Vermuthet wird sogar, daß in einzelnen Städten in frühester Zeit die eigentlichen Rathsversammlungen in den Kirchenstühlen der Magistrate stattgefunden haben mögen; 1 ) jedenfalls gab es mancher Orten Rathsstühle auf den Kirchhöfen, wie oben nachgewiesen ist.

Gewiß ist auch, daß im Laufe des 15. und des 16. Jahrhunderts manche öffentliche wie privatrechtliche Geschäfte in den Kirchen und auf den Kirchhöfen von Norddeutschland verhandelt worden sind. Es blieb die alte Sitte, fleißig den Morgengottesdienst zu besuchen, bei Bestand. Sie machte fortdauernd den Rathsstuhl zu einem bekannten und leicht zugänglichen Versammlungsorte auch für die Bürger der Stadt, und schon hieran knüpfte sich wie von selbst ein innerhalb der Kirchen stattfindender Betrieb mancher weltlichen Dinge. Außerdem behielten die großen und fast immer offenen kirchlichen Räume an und für sich auch in diesen späteren Zeiten einen bebeutenden Werth für das in mancher Hinsicht noch immer nüchtern und beschränkt erscheinende bürgerliche Leben. Namentlich wurden in Beziehung auf öffentliche Bauwerke, indem es stehende und luxuriöse Staatsbauten noch nicht gab, die vereinigten Kräfte der Gemeinden durch das Bedürfniß der Zeiten fast ausschließlich auf das Streben nach Schutz und Sicherheit gegen außen, also auf Herstellung und Erhaltung von Wällen, Mauern, Thürmen und Zingeln, hingeleitet. Im Uebrigen nahm die, freilich um Regelung und Sittigung des bürgerlichen Lebens sehr verdiente, aber auch häufig übertrieben anspruchsvolle und weltlich strebende Kirche den frommen Eifer der Wohlhabenden für kirchliche Bauten, Begabung von Altären u. s. w. reichlich in Anspruch, so daß nur in einzelnen besonders reichen und ausgedehnten Städten, wie bei uns z. B. Lübeck, Rostock und Stralsund, für mehr ungewöhnliche weltliche Bedürfnisse einige Baulichkeiten vorhanden waren. Endlich mußte schon die örtliche Lage der Hauptkirchen in manchen größeren Städten auf den Geschäftsverkehr einwirken, indem viele dieser Kirchen, wie in Hamburg, Bremen, Schwerin, Rostock, Stralsund, Lübeck 3 ) u. a. O. unmittelbar am Markte oder


2) Im Jahre 1376 beglaubigen mehrere Geistliche die Abschrift einer Urkunde "auf dem Kirchhofe der Marienkirche zu Neubrandenburg in dem beim Chore belegenen Rathsstuhle". Lisch, Gesch. des Geschlechts v. Oertzen, Bd. I, S. 154.


1) Vergl. Brandenburg, Geschichte des Magistrats zu Stralsund, S. 11.
3) Grautoffs histor. Schriften, Bd. I. S. 228.
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doch in dessen Umgegend und gewöhnlich den Rathhäusern ganz nahe gelegen waren, in welchen letzteren bisweilen besondere Zugänge für den Verkehr mit der nahen Kirche eingerichtet und erhalten wurden.

Dem entsprechend findet man auch in den spätern Zeiten manche rechtliche Vorgänge als in den Kirchen der Städte, wie des platten norddeutschen Landes geschehen in unsern Geschichtsquellen ausdrücklich bezeichnet. Namentlich in den größeren Hansestädten kommen im Laufe bewegter Zeiten politische Verhandlungen in den Kirchen nicht selten und noch im 16. Jahrhunderte vor. So erzählt Reimar Kok in dem Berichte über die bürgerlichen Unruhen zu Lübeck im Jahr 1408, wie der Rath früh Morgens in einer Kapelle der Marien=Kirche zusammengetreten, wie die Sechsziger in die Kapelle gedrungen seien, hier mit dem Rathe lange verhandelt und ihm Zugeständnisse abgenöthiget hätten 1 ). In den ersten Jahrzehnten der Kirchenverbesserung traten die lutherisch gesinnten Bürger zu Rostock, Stralsund u. a. O. öfter in den Kirchen zusammen, um über Maßregeln zum Schutze der neuen Lehre zu berathen. Zu Rostock fanden in den stürmischen Tagen um das Jahr 1560 wiederholt amtliche Versammlungen der Sechsziger in der Sanct Johannis=Kirche statt; öfterer kam in den Jahren 1562 und 1563 die ganze Rostocker Bürgerschaft zur Verhandlung der mit dem Rathe obschwebenden Streitigkeiten in der St. Marien=Kirche daselbst zusammen, beonders seitdem die Sechsziger den Friedrich Rode, bisher Studenten zu Leipzig, wider den Willen des Rathes als Syndicus berufen hatten 2 ). Ja, in den Tagen des 8. und 9. Februar 1565 ward der Rath von den Sechszigern gezwungen, fast 40 Stunden lang in der Marien=Kirche mit etwa 3000 Bürgern und Einwohnern Rostocks unmittelbar zu verhandeln!

Im Jahr 1413 wird zu Stralsund ein Schulddocument in Gegenwart eines Burgemeisters vor dem Rathsstuhle in der St. Nicolai=Kirche ("coram stallo consulum in ecclesia Sti Nicolai") ausgestellt 3 ). Noch um 1504 führt Sastrow in seiner Lebensbeschreibung anscheinend als etwas zu Stralsund Gewöhnliches an, wie er von dem Stadtsyndicus Genzkow in Geschäften nach der St. Nicolai=Kirche berufen worden sei 4 ).

Auf dem platten Lande Meklenburgs wurden, besonders im 16. Jahrhunderte, häufig rechtliche Verhandlungen im Laufe öffentlicher oder privatrechtlicher Streitigkeiten in den Dorfkirchen vorgenommen. Die Landesherren erließen


1) Grautoff, die Lübeck. Chroniken, Bd. II. (Ergänzungen zum Detmar) S. 649.
2) Vergl. Wettken, Geschichte der Stadt Rostock, S. 64.
3) Vergl. Brandenburg, a. a. O. S. 11.
4) Vergl. Ebendas. S. 12.
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damals bei der nicht scharf abgegrenzten Gerichtsbarkeit der Hofcanzleien 1 ), namentlich in Streitigkeiten der Lehnleute unter sich oder mit den Domanial=Unterthanen wegen Grenzen, Servituten, Hofdienste u. s. w. häufig Commissionen zur Ausgleichung solcher Händel. Die Beauftragten hielten dann oftmals die erste Sitzung feierlich in der Dorfkirche, wo sie den Parteien den landesherrlichen Auftrag verlesen, die Zeugen beeidigen und bisweilen auch durch Notarien abhören, in andern Fällen Parteischriften vortragen ließen oder Vergleichs=Vorschläge verhandelten. Dieses Verfahren kommt in den Jahren 1560 - 1590 z. B. in der Umgegend von Malchin und Gnoien vielfach actenmäßig vor und öfter wird ausdrücklich in den Protocollen gesagt, daß die Commissarien bei dem betreffenden Vorgange im Chore der Kirche vor dem Altare gesessen hätten. Neben der Rücksicht auf Räumlichkeit mag hier u. A. die Ansicht von der strengeren Bedeutung der Eidesleistung an heiliger Stätte eingewirkt haben, obgleich es auch an Beispielen der Eröffnung und Vollziehung des Auftrags der Bevollmächtigten auf dem Ritterhofe, im Kruge oder auf dem Schulzenhofe in diesen Zeiten nicht fehlt.

Aehnliche Vorgänge in den Kirchen des platten Landes werden öfter in den Acten über die meklenburgischen Grenzirrungen, namentlich mit Pommern, während des 16. Jahrhunderts erwähnt. Bei Beziehung dieser Grenzen halten die landesherrlichen Abgeordneten z. B. in den Jahren 1560 - 1580 wiederholt Sitzungen in den nahe gelegenen Landkirchen, wie zu Bruderstorf, um daselbst Zeugen abzuhören, Vergleiche zu versuchen, Protocolle vorzutragen und auszuwechseln u. dergl. m., obgleich bei diesen Geschäften die Rathhäuser der Grenzstädte oder die fürstlichen Amtshäuser gewöhnlich vorgezogen wurden.

Auch noch im folgenden Jahrhunderte kommen Verhandlungen von mehr öffentlicher Bedeutung in den meklenburgischen Landkirchen öfter vor. So werden im Auftrage der Kammer in Justiz=wie öconomischen Angelegenheiten der Domanial=Unterthanen noch um das Jahr 1670 zuweilen umfängliche Verhandlungen in den Dorfkirchen geführt, wie denn z. B. im Jahr 1664 der Rittmeister S. Krull klagt, daß ihn der Pastor J. H. Linse "in der Kirche zu Petersberge coram commissariis injuriirt" habe. Als eine verwandte Erscheinung in den Städten mag noch angeführt werden, daß die Universität zu Rostock die St. Johannis=Kirche daselbst in den drei letzten


1) Die rein prozessualische Form in den Erlassen der Hofcanzleien um 1560 ist selten; Beilegung durch Vergleichshandlung, Regelung des niedergerichtlichen Verfahrens durch Mandate und endliche Verweisung an das Hof= und Landgericht sind vorherrschend.
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Jarhunderten vielfach zu Promotions=Acten, Redeübungen und Festreden benutzt hat.

Die Sitte, privatrechtliche Geschäfte in den Kirchen abzumachen, hat sich in den norddeutschen Städten lange nach der Reformation erhalten. Die alte katholische Sitte des Morgengottesdienstes ward in der neuen Kirchenverfassung, wenn auch in veränderter Form und in beschränktem Maße, beibehalten. Demgemäß hielten namentlich in Meklenburg und Pommern auch die höhern Stände noch im Laufe des 17. Jahrhunderts die Gewohnheit der Morgenandacht in Ehren. Zu Stralsund 1 ) wie zu Rostock ward sie vom Rathe ehrenwerthes Herkommen oder in Folge neuer gesetzlicher Bestimmungen an wichtigen Tagen, wie auch überhaupt strenge beachtet. So schreibt noch die revidirte Rostocker "Ordnung von Rathgehen vnb Rathschlägen" vom Jahr 1618 vor; "An denselben Tagen (Mittwochs und Freitags) sollen sich alle Rathspersonen in der Kirche zu St. Marien zur Predigt finden. Nach vollendeter Predigt vnd gethanen Gebet auff den Glockenschlag acht sollen die Herren des Rathes ordentlich und bey Paren auß der Kirchen nach dem Rathhause oder der Schreiberey gehen." - Auch am fürstlichen Hoflager blieben die Mitglieder der höchsten Behörden der alten Sitte treu. So pflegten noch um das Jahr 1650 die Räthe der Hofcanzlei zu Güstrow, der Kanzler Johann Cothmann, der Kanzlei=Director Laurentius Stephani und die Räthe Joachim van Nessen und Caspar Koch, die Morgenpredigt im Dome zu besuchen und zuweilen unmittelbar von der Kirche aus nach dem Schlosse in die Rathsstube zu gehen. - In Lübeck, wo altdeutsche Sitte mit seltener Treue bewahrt ist, ward noch bis zum Jahre 1806 der Etting drei Mal jährlich auf freiem Markte gehegt, nachdem zuvor der gesammte Rath in der Marien=Kirche sich versammelt hatte 1 ).

Dieser unmittelbar vor dem Beginne der Tageswerke übliche Kirchenbesuch hat zur Erhaltung der Sitte, Privatgeschäfte in den Kirchen vorzunehmen, natürlich beigetragen, und die lange Dauer dieses den katholischen Zeiten entstammenden Brauches kann in so ferne wenig auffallen, als überhaupt Manches aus der alten Kirchenverfassung in spätere Zeiten übergegangen ist, wie das Begraben der Todten in den Kirchen oder doch in deren Nähe, verschiedene lateinische Gesänge und liturgische Uebungen


1) Hier galt die alte Sitte als Vorschrift, namentlich bei Hegung des Ettings. Vergl. Brandenburg, Geschichte des Magistrats zu Stralsund, S. 13.
1) Hier galt die alte Sitte als Vorschrift, namentlich bei Hegung des Ettings. Vergl. Brandenburg, Geschichte des Magistrats zu Stralsund, S. 13.
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des katholischen Ritus u. s. w. Angeregt und lange mitgewirkt hat ferner der Mangel an Räumlichkeiten in den verkehrsreichen Städten. Sodann ist auch die uralte Ansicht von dem Befriedetsein des Ortes auf die Sitte von Einfluß gewesen. Diese Ansicht ist durch gesetzliche Bestimmungen auch in unseren Gegenden mehrfach anerkannt, indem nach Lübischem Rechte (Revid. Lüb. Recht, Buch VI., Tit. 15, §. 2.) Burgfrieden haben: Der Rathsstuhl, Kirchen und Kirchhöfe, Rathhaus und Gerichtsbude während der Marktzeit, Weinkeller, Markt, Fleischschrangen, Wage und Hafen. Endlich mag größere Aufrichtigkeit und Treue, wie mehr eindringlicher Ernst bei den in den Kirchen vorgenommenen Handlungen des privaten Geschäftsverkehrs lange Zeit vermuthet und auch im Allgemeinen beachtet worden sein.

In einzelnen norddeutschen Städten, wie Stralsund, Rostock u. A. läßt sich die Geltung der alten Sitte noch gegen Ende des 16. wie im Laufe des folgenden Jahrhunderts mit Sicherheit nachweisen. Als Marcus Lobepreis, Büksengießer und Schütze zu Rostock, in den Jahren 1562 - 1567 mit Gebhard Moltke auf Strietfeld wegen Benutzung des ihm theilweise vermietheten Gildelandes der Bauern zu Petersdorf processirte, ließ er am 7. Mai 1563 "in Sanct Johannis Kirchen zu Rostogk ahn der norden Seiten" von einem Notar ein feierliches Zeugenverhör vornehmen. Ebenso verhandelt im Jahr 1570 zu Rostock der Kaufmann Claus Janecke mit Otto Vieregge in der Marien=Kirche während des Pfingstmarktes über eine Schuldforderung und vergleicht sich daselbst mit ihm in Gegenwart von Zeugen. Am 17. März 1572 bestellt Wolf Lucka auf Bresen im Verlaufe eines Injurien=Prozesses die Gegenpartei in die Marien=Kirche zu Neubrandenburg, um daselbst eine gütliche Ausgleichung der Sache zu versuchen. Jm Jahre 1618 schließen zwei Rostocker Bürger in der Marien=Kirche einen Hauskauf und machen ihn dort "nach übligen Gebrauch vnd Gewohnheit durch den Gottespfennig bundig vnd kräftig." In demselben Jahre handelt der Stralsunder Bürger Segebade mit dem von Braun in der St. Nicolai=Kirche wegen des Gutes Mordorf und bietet ihm dasselbe dort "in Beisein guter Leute" zu Kauf an 1 ). Noch um das Jahr 1650 lassen zu Rostock processirende Bürger nicht selten den Appellations=Act in der Marien=Kirche vornehmen, wohin die Notarien und Zeugen ausdrücklich beschieden werden.

Die Sitte, Eheverlöbnisse in den Kirchen abzuschließen, war noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhun=


1) Vergl. Brandenburg, a. a. O. S. 11.
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derts in den meklenburgischen Städten allgemein üblich, wie denn auch die Trauungen durchweg von allen Ständen in den Kirchen vollzogen wurden. Bei Eingehung der Eheberedungen war jedoch eine Mitwirkung der Geistlichen nicht nothwendig oder allgemein üblich; auch scheint der alte Brauch, sie in der Kirche vorzunehmen, schon während des dreißigjährigen Krieges in den Städten in Abnahme gekommen zu sein. - Die "Ordenung der Brudlachtes=Kösten" des Rathes zu Rostock vom Jahr 1567 schreibt vor: "Erstlick gebudt ein Radt, wenn dat Gelöffte in der Kercken geholden vnd de Brudegam thor Brudt gheyt, dat se alsdenn an beyden Syden in Alles nicht mehr also veertich Personen vp den Auendt tho Gaste hebben schölen." In den vom Herzoge Ulrich zu Meklenburg im Jahre 1589 zum Zwecke einer neuen allgemeinen Landes=Gesetzgebung von den Stadtobrigkeiten erforderten Berichten über die Rechtsgewohnheiten der einzelnen Städte heißt es in dieser Beziehung:

" Grabow. - Ehestiftungen werden öffentlich in der Kirchen in der Freunde Gegenwart abgeredet vnd vollenzogen 1 ).

Penzlin. - Eheberedungen werden mehrentheils in der Kirchen gehalten vnd zu beiden Theilen Bürgen für den Vorgang gesetzet 2 ).

Plau. - Die Eheberedungen geschehen gemeiniglich in der Kirchen vnd was einer dem andern zusagt, wird nicht allein verschrieben, besondern auch verbürgt." 3 )

Neben diesen, ihrer innern Bedeutung nach, immerhin für die kirchlichen Räume geeigneten Handlungen, fehlt es nicht an Beispielen eines mehr nüchternen, öconomischen Verkehrs in den norddeutschen protestantischen Kirchen, denen das Bilderstürmen im ersten Zeitalter der Reformation fast allen Schmuck an Kunstwerken nahm und denen die späteren Zeiten manche entstellende Chor= und Stuhlbauten im Innern, vielerlei Besudelung und endlich ein radicales Uebertünchen der Wände und gänzliche Absperrung mit Ausnahme der "Kirchenzeit" brachten.

Die in Meklenburg früher oft geübte Gewohnheit, Strandgüter in den Dorfkirchen der Meeresküste zu bergen, mag indessen in ihrer unglücklichen Veranlassung und dem oft wohl unbestreitbaren Mangel an Obdach ihre Erklärung und Berechtigung finden. In Meklenburg sind namentlich in den Kirchen und auf den Kirchhöfen von Kirchdorf auf Poel, Altengartz, Brunshaupten, Warnemünde, Wustrow auf Fischland u. s. w., während der letzten Jahrhunderte häufig geborgene Strandgüter


1) Westphalen, Monumenta inedita, Tom. I., p. 2079.
2) Ibidem, p. 2083.
3) Ibidem, p. 2098.
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in großen Massen aufbewahrt worden 1 ). Dabei geht aus den Acten hervor, daß diese Bergung in den Kirchen nicht selten Wochen lang angedauert und mancher Orten die kirchlichen Räume wesentlich beschränkt hat. Auch ergeben die Acten, daß die geborgenen Schiffsgüter gewöhnlich durch Beamte oder Notarien verzeichnet, zuweilen demnächst in den Kirchen oder auf den Kirchhöfen versteigert wurden, wobei es an Zechereien und Raufereien nicht immer fehlte. Daß auch in den kleinen Städten an der Küste solche Bergung der Strandgüter in den Kirchen vorgekommen sei, beweist u. A. die Erzählung des Reimar Kok von dem Sturme am 19. August 1497, der viele hansische Schiffe an die pommerschen und meklenburgischen Küsten warf. "De hilligen Beginen tho Ribbenitz mit ehrem Pater de lethen sich bedünken, unser Herre Gott hedde so vele frame Lüde vmb dat Leuent kamen laten, dath de Beginen scholen ricke werden; wente de Nunnenlude hedden des Godes so vele gekregen, dat de Nunnen=Kercke vul gelegen waß; hetten dath gerne beholden, auerst dath moth eme nicht glücken."

In den Städten fand eine ähnliche Verwendung der Kirchen in Folge eben so unglücklicher Veranlassung oftmals statt; nämlich bei heftigen Feuersbrünsten, wie solche manche mekl. Landstädte um das Jahr 1660 und die, damals viel vor dem Kriege geflüchtetes Gut bergende Seestadt Rostock im August 1677 auf eine bisher beispiellose Weise heimsuchten.

Urkunden=, Acten= und Büchersammlungen wurden in Meklenburg, Pommern und den Hansestädten vielfach in Kirchen aufbewahrt, wie dies z. B. zu Rostock, Schwerin und Lübeck noch in neueren Zeiten stattgefunden hat und vielleicht noch jetzt an einigen Orten vorkommt. Auch in den mekl. Landkirchen wurden von Grundherren wie von Dorfschaften öfter werthvolle Urkunden hinterlegt; wie z. B. seit Alters die Dorfschaften Jördenshagen und Penzin ihre Briefe in der Kirche zu Neukirchen aufbewahrten.

Ungleich anstößiger erscheint die ganz willkührliche private Benutzung, welche sich manche Grundherren, besonders wenn sie Patrone waren, und auch die Prediger selbst hinsichtlich der Landkirchen zuweilen erlaubten, indem sie nach Visitations= und Proceß=Acten des 17. Jahrhunderts dort zu Zeiten Ge=


1) Eine "Fürbitte für den Strand" ist in den meklenburgischen Kirchen längs der Meeresküste Jahrhunderte lang üblich gewesen. Auch bei mehr wohlwollender Auffassung ihres Sinnes, als auf Segen im Fischfange, Bernsteinsammeln u. s. w. gerichtet, behält sie nach dem Wortlaute wohl etwas Zweideutiges und Anstössiges, wie denn Herzog Friedrich, als er diese seltsame Fürbitte im Laufe der Aufklärungs=Periode am 8. October 1777 gänzlich aufhob, in der Verordnung bemerkt: "Da Uns diese Fürbitte, ob sie gleich gegen Uns, bei Unserer - bisher bewiesenen Gesinnung, wohl keiner üblen Deutung jemals fähig ist, dennoch anstößig bleibet" etc. . Vergl. Schröders neueste Gesetzsammlung Th. I. S. 11.
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treide aufzuschütten oder Hausrath aufzubewahren nicht anstanden. In manchen mekl. Landstädten scheint eine solche Nutzung der Kirchen auch von Seiten der Bürger üblich gewesen zu sein, wie denn z. B. im Juli 1644 der Bürger Dieterich Henell zu Neustadt in einer Schuldklage wider den Sprachlehrer Matras ganz unbefangen bemerkt, daß er "in sein Abreisen von Neustadt 8 Drömbt Roggen neustätter Maße hinter sich verlassen und in der Kirche zu Verwarung gelegett" habe. Ebenso bittet im Juni 1710 die verlassene Ehefrau des Capitains von Weltzin von Amsterdam aus den Herzog Friedrich Wilhelm, die drei ihr gehörigen Koffer, welche zu Parchim in der Kirche verwahrlich niedergesetzt seien, ihr verabfolgen lassen zu wollen.

Ein schlimmerer Gebrauch der kirchlichen Räume ist im ersten Zeitalter der Reformation von einzelnen Kirchen=Patronen auf dem platten Lande Meklenburgs bisweilen gemacht worden. Wegelagernde Lehnleute nahmen nämlich die Theilung geraubter Güter in ihren Kirchen vor. So kehrten um das Jahr 1525 eines Abends die Gebrüder Tiepling auf Krekow und Engelke Devitz auf Holzendorf von einem glücklichen Ritte heim und brachten einen großen Wagen voll geraubter Kaufmannsgüter auf den Hof zu Holzendorf: "haben die Guder (so wird amtlich über den Vorgang berichtet) in dye Kirchen gedragen; moest der Gadesmann zvr Mitternacht die Kirchen auffslayssen; haben sy die Guder hynder den Kirchhoff achter der Mewren gedeylt". Ein ähnliches Verfahren wird als ebenfalls im Lande Stargard vorgekommen im J. 1533 von einem gefangenen Straßenräuber, der Genosse von Lehnleuten war, ausgesagt.

Bereits erwähnt ist die ehemals übliche Sitte, die Citationen des Consistoriums in Sponsalien und Ehesachen an den Kirchthüren anzuheften. Früherhin und um das Jahr 1520, da auch in Meklenburg die katholische Geistlichkeit ihre Gerichtsbarkeit auf weltliche Dinge, wie Schuldsachen, ausdehnte, wenn eine der Parteien ihr angehörte, wurden in solchen Angelegenheiten ebenfalls allerlei Citationen an den Pforten der Gotteshäuser befestiget 1 ) und häufig mit Androhung des Bannes verschärft, worüber sich z. B. Achim von der Lühe auf Kölzow, da er mit dem Bischofe Peter Wolkow zu Schwerin wegen Erbschaftshändel in Fehde lag, um das Jahr 1512 beschwerte. Noch im April 1620 läßt Prinz Ulrich, Administrator von Schwerin, ein Urtheil des dortigen Capitel=Gerichts in Injurien=Sachen zwischen dem Schelfvogt Jacob Junge und den Gebrüdern Legede, welche auf der Weinschenke des Capitels Händel gehabt,


1) Vergl Schroeder's Kirchenhistorie des evangel. Meklenburgs. Thl. I, S. 25.
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"an der Thumbkirch an die große Thur nach der Stadt werts affigiren vnd anschlagen". - Auch der Volkswitz scheint ehemals an den Kirchthüren sich ausgelassen zu haben, wie z. B. in Rostock, wo bei den Domstiftshändeln im J. 1486 auf die unbeliebten und verdächtigten Bürgemeister Kirchhof und Hasselbach durch Zeichnungen an den Pforten der Kirchen und des Rathhauses, welche Bilder gewöhnlich Galgen und Rad darstellten, hingedeutet ward. 1 )

Neben den Kirchen selbst werden in Meklenburg und den Nachbarländern die Kirchhöfe sowohl in den Städten, wie auf dem platten Lande als Schauplatz gerichtlicher und staatsrechtlicher Handlungen nicht minder des privatrechtlichen und gewerblichen Verkehrs bestimmt bezeichnet. Gerichtsacte auf den Kirchhöfen sind namentlich in größeren Städten, welche Bisthumssitze waren oder doch viele und reiche Kirchen besaßen, und wo die Stifts= und Capitels=Gerichte in der Nähe der Kirchen und Domhöfe Recht zu sprechen pflegten, nachzuweisen. Auch die Magistrate haben sich früher auf den Kirchhöfen amtlich versammelt, dort berathen oder daselbst gerichtliche und polizeiliche Vollstreckungen ausgeführt. In Bremen gab es um das Jahr 1300 einen "Schopenstol", Kaak, der auf oder dicht am Marienplatze stand. Ein enger Gang führte vom Dome zwischen dem erzbischöflichen Pallaste und dem Rathhause nach dem gen. Kirchhofe, wo bisweilen öffentliche Gerichtssitzungen stattfanden und ein Gefängniß stand. 2 ) Von Stralsund deuten die Chroniken etwas Aehnliches an, indem z. B. erwähnt wird: "Anno 1411 wurde erschlagen en Prester vmb sines velen Geldes willen, vnd dat dede sin egen Fruntschop, de hete van Soesten. Disser werd gefencklich ingetagen vnd erstlich op St. Nicolaus=Kerckhaue vp ene Ledder geseddet, Jedermann tho Hohn vnd Spott; darna wurd he in den Herrenstall beschmedet, allda doet tho hungern". 3 ) Hinsichtlich Rostocks bestimmt noch die Polizeiordnung v. J. 1576: "Wurde auch Jemand vnter der Predigt in der Kirche oder auff dem Kirchhofe Buberei treiben vnd darüber betroffen werden, soll er ins Halseisen daselbst etliche Stunden gespannet vnd verhalten werden." Auf den Kirchhöfen der Dome zu Schwerin und Lübeck sind noch bis in die neueren Zeiten Gerichtsacte, besonders strafpolizeiliche, vollführt worden und noch jetzt lassen sich Spuren von Kaak= oder Prangerstellen daselbst nachweisen. Auf dem Kirchhofe des Städtchens Wittenburg werden um das Jahr 1680


1) Vergl. Wettken, Geschichte der Stadt Rostock, S. 45.
2) Deneken, Geschichte des Rathauses zu Bremen, S. 14.
3) Mohnike und Zober Stalsund. Chroniken, I, S. 175.
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mehrmals Missethäter, welche Kirche und Umgebung beschädigt haben, mit dem Halseisen und dem "spanischen Kragen" bestraft.

Auf dem platten Lande Meklenburgs kommen noch im Laufe des 16. Jahrh. Gerichte "by der Linden vp dem Karkhove" vor, namentlich im Lande Stargard in mehreren Dörfern um das Jahr 1540. Das Landrecht des Alten Landes v. J. 1588 bestimmt im Artikel: "Van Twiepart: Wor ock Lüde im Lande twistig weren, de mögen de Landschwaren vp eren Karkhouen vordragen." 1 )

Der Huldigungsplatz im Lande Stargard lag am Kirchhofe des Gutes Kölpin, wie noch jetzt der Augenschein einigermaßen andeutet; v. Behr sagt bestimmt: "Im Stargardschen ward zu Kölpin unter der Linde am Kirchhofe Musterung gehalten." 2 )

Häufig hielt man während des Mittelalters und bis um das Jahr 1540 in staats= und privatrechtlichen, wie kirchlichen Dingen "Handlungstage" auf den Kirchhöfen, woher denn viele Urkunden am Schlusse die Angabe haben: "datum in coemiterio".

Chemnitz erzählt im Leben des Herzogs Heinrich des Friedfertigen von Meklenburg beim Jahre 1506 über den Verlauf der Fehde mit Lübeck, daß damals zu Herrnburg "die Herrn Unterhendler die mekl. Abgesandte auff den Kirchhoff vor sich gefordert" hätten. Im Jahre 1528 hält der Official Friedrich Suerker zu Friedland mit dem dortigen Burgemeister Hans Sundemann auf dem Kirchhofe eine amtliche Verhandlung in kirchlichen Sachen. In demselben Jahre findet zwischen mekl. Lehnleuten ein Handlungstag über Privatstreitigkeiten auf dem Kirchhofe zu Schwichtenberg statt. Ebenso hatten die Stargardschen Vasallen v. Helpte im Juni 1532 wegen eines Erbschaftsstreites mit dem Cleriker Liborius Schwichtenberg einen Vergleichstag auf dem Kirchhofe zu Eickhorst, wo aber die Verhandlung damit endigte, daß Jürgen v. Helpte den genannten Geistlichen zu Boden schlug und gefangen hinwegführte. In dem Streite zwischen dem Bisthum Ratzeburg und dem Herzoge Magnus zu Sachsen=Lauenburg wegen der ratzeburger Capitelsgüter ward am 10. Februar 1532 ein Theil der eingezogenen Güter feierlich rückerstattet, wobei "die Leute zu Slavestorp vor dem Kirchhofe wieder an das Capittel gewiesen wurden". 3 )

Ohne Zweifel hat die weitverbreitete altdeutsche Rechtssitte, unter freiem Himmel besonders auf Anhöhen und bei


1) Dreyers Vermischte Abhandlungen, Th., I, S. 532.
2) Jahrbücher des Vereins für meklenb. Geschichte, XI, S. 495.
3) Vergl. Schroeder's Evangel. Meklenburg, I, S. 67, 68.
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alten Bäumen Gericht zu halten, sodann aber die Geltung der Kirchhöfe als befriedeter Stätten auf die Gewohnheit, solche zu benutzen, den wesentlichsten Einfluß ausgeübt.

Am längsten hat sich die uns anstößige Sitte, Handels= und gewerblichen Verkehr auf den Kirchhöfen dicht vor den Pforten der Gotteshäuser zu treiben, in unseren Gegenden erhalten. Von der Macht des Herkommens getragen, hat sie die strenge didactische Richtung unserer protestantischen Kirche bis in die neuesten Zeiten gestattet. Ihren Ursprung hat sie theils im Anschlusse an die altkirchlichen Dinge durch Handel mit Gegenständen des katholischen Cultus, theils im Mangel an Räumlichkeiten in den enge gebaueten und dicht bevölkerten Handelsstädten gefunden.

Schon im dreizehnten Jahrhunderte wurden auf den Kirchhöfen vieler norddeutschen Städte kleinere Gebäude, wie Wohnungen für Pfarrer und Kustoden, auch Schulgebäude, Beinhäuser u. a. m. neben den Kirchen errichtet. In der folgenden Zeit ward dies mißbräuchlich ausgedehnt, indem man auch zu anderweitigen Zwecken Häuschen und Buden zwischen den Außenpfeilern der Kirchen und sonstig auf den Kirchhöfen bauete. Schlaffheit und Eigensucht der katholischen Geistlichen gestatteten dies, da die Innehaber jener Buden theilweise mit Rosenkränzen, Heiligen=Bildern und dergleichen handelten und in der Regel einen Miethszins an die Kirche erlegten. So sind allmälig fast alle Kirchen und Kirchhöfe zu Lübeck und Hamburg, Wismar und Rostock, Schwerin und Stralsund und an vielen anderen Orten durch niedrige, dürftige und nicht selten verfallende und schmutzige Anbauten entstellt und verunehrt worden. Manche Ueberbleibsel derselben haben sich noch das vorige Jahrhundert hindurch und bis in das unsrige erhalten, welches erst in den letzten Decennien mit größerer Beschämung und mit mehr Nachdruck, als unsere protestantischen Vorfahren gezeigt, nach Beseitigung dieses Bauunflathes gestrebt hat.

In Stralsund kommen schon um das Jahr 1300 Anbauten und Gemüsebuden auf den Kirchhöfen vor 1 ); zu Lübeck hatten sich im Laufe des 15. Jahrhunderts Amuleten=Krämer, Bilder= und Buchhändler ganz nahe den Kirchen seßhaft gemacht 2 ) und Bäcker und Schlachter ihre Schrangen theils auf den Kirchhöfen selbst, theils dicht am Rande derselben aufgeschlagen 3 ). Daß in Rostock und Wismar die Umgebungen der Kirchen


1) Vgl. Fabricius, Stralsund in den Tagen des Rostocker Landfriedens, S. 16.
2) Grautoff's histor. Schriften, Bd. I, S. 254.
3) Ebendas. S. 219 - 225.
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sich damals ähnlich gestaltet haben, geht aus schriftlichen Nachrichten wie bildlichen Darstellungen des sechszehnten Jahrhunderts hervor. In Rostock wurden zu jener Zeit auch die meisten städtischen Feuerlöschmittel auf den Kirchhöfen aufbewahrt, welche zugleich als Sammelplätze der Bürger in Feuers= und anderen Nöthen bestimmt waren.

Der in Folge der Niederlassungen von Buchhändlern, Kuchenbäckern, Fleischern und Goldschmieden vor den Pforten der Gotteshäuser stattfindende Verkehr fand zunächst in der vorwiegenden Geltung der kirchlichen Elemente, dem fast täglichen Gottesdienste, den vielen Kirchenfesten u. s. w. seine Nahrung. Zudem waren viele Kirchen am Markte oder doch demselben sehr nahe in der Mitte volkreicher Städte und also an sich dem Verkehre günstig gelegen. Sodann mag die ehedem herrschende Ansicht von der Steuerfreiheit der auf den Kirchhöfen befindlichen Wohnungen auf die Vermehrung solcher Anbauten eingewirkt haben. Gewiß ist, daß in Meklenburg, als beim Steigen der Staatsbedürfnisse um die Mitte des 16. Jahrh. zur Tilgung der landesherrlichen Schulden eine nachhaltige Besteurung der Unterthanen eingeführt wurde, sich ausdrückliche Bestimmungen über diesen Punct vorfinden. So heißt es z. B. in dem meklenburg. Contributions=Edicte vom 1. Nov. 1572: "in diese Contribution der Steuern vnd Hülffen sollen auch mit eingezogen werden die Häuser vnd Wohnungen, so auf den Kirchhöfen vnd andern Orten gelegen vnd bishero frey gewesen." Ferner wird hier der Umstand von Einfluß gewesen sein, daß im ersten Zeitalter der Reformation manche Prediger der neuen Lehre beim Widerstande des katholischen Clerus, der ihnen die Kirchen verschloß, öfter veranlaßt waren, auf den Kirchhöfen unter freiem Himmel ausführliche und polemische Vorträge dem Volke zu halten. Daß dies in Meklenburg z. B. zu Rostock, Ribnitz 1 ) u. a. O. um das Jahr 1526 mehrfach geschehen sei, wird von Zeitgenossen gezeugt. In Folge dessen trieb sich viel niederes Volk Stunden, auch wohl Tage lang auf den Kirchhöfen umher, wo es neben der geistigen zugleich nach leiblicher Speise verlangte. Ebenso war es bei dem damals noch üblichen privatrechtlichen und öffentlichen Geschäftsverkehr in den Kirchen, der, wie wir bereits erwähnt haben, noch um die Mitte des 16. Jahrh. z. B. zu Rostock bisweilen sehr zahlreiche und aufregende Zusammenkünfte der Bürger mit sich brachte, wobei es ohne Erfrischungen nicht abging.


1) Vgl. Schröders Evangel. Meklenburg, S. 113, 118.
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Dem entsprechend findet man in der kirchlichen Gesetzgebung Meklenburgs um die Mitte des 16. Jahrhunderts Bestimmungen, welche auf Ausschweifungen in dem den Kirchen allzu nahe gerückten weltlichen Treiben unverkennbar hindeuten. So heißt es z. B. in der Anweisung zu der allgemeinen meklenburg. Kirchen=Visitation vom Jahre 1552 und in der zur Visitation im Lande Stargard vom Jahre 1560:

"Es sollen auch die Jahrmärkte oder Kirchmessen auf den Sonntag oder Festtagen zu halten abgeschaffet, vnd das Brandtewein= vnd Bierschenken auch Spazierengehen in den Kirchen, auf dem Kirchhoue oder fur dem Thore, weil man in der Kirchen singet oder prediget vor Essenszeit bei einer namhaftigen Poene vorbotten sein."

Die Consistorial=Ordnung vom Jahre 1570 bestimmt in Titel III, daß die Jurisdiction des Kirchengerichtes unter Andern eintreten soll, "wenn in den Kirchen oder auff den Kirchhofen Vnzucht, Freuel oder sonsten etwas ungeburliches Mutwillens begangen wurde." Ebenso bebroht die Rostocker Polizei=Ordnung vom Jahre 1576 diejenigen, welche während der Predigt in den Kirchen oder auf den Kirchhöfen "Buberei" verüben, mit dem Halseisen. Aehnliche Bestimmungen finden sich in Pommern und in in mehreren nahen Hansestädten und erscheinen dort, wie auch in Meklenburg, theilweise noch später. Wirklich beweisen noch aus neueren Zeiten actenmäßige Nachrichten ziemlich häufige Niederlassungen von Krämern, Bäckern, Wein= und Bierschenkern in bedenklicher Nähe der Kirchen sowohl in Städten, wie auf dem platten Lande Meklenburgs. Besaß doch selbst das Dom=Capitel zu Schwerin eine am Domkirchhofe daselbst belegene Weinschenke, welche besonders in der Mitte des 17. Jahrh. nicht selten der Schauplatz von Gelagen war, in deren Folge Raufereien entstanden, die auf dem nahen Kirchofe ausgefochten wurden. Daß zu derselben Zeit in unsern Seestädten ein häufiger unziemlicher Verkehr zwischen den nahe am Markte belegenen Kirchen und den eben dort befindlichen Apotheken und Rathskellern zumal in den Morgenstunden stattfand, wird in gleichzeitigen Acten behauptet. Auf dem platten Lande Meklenburgs gab es z. B. in der Gegend von Wittenburg und Boizenburg um das Jahr 1670 einzelne Landkirchen, die auf oder dicht an den Kirchhöfen Wittwenhäuser hatten. In mehreren derselben trieben die Wittwen und zwar besonders an Sonntagen kleine Krämerei und schenkten dabei Bier und Branntwein aus, welches Geschäft sie "zu ihrer bessern Erhaltung" ergriffen hatten, wie sie auf Anzeige der benachbarten

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Städte aussagten. Auch heißt es in einer Beschwerdeschrift der Stadt Wittenburg vom 13. Juni 1708 unter Andern: "3. Beschweren sich die Becker, daß in der Nachbarschafft undt in specie zu Zarrenthin und Pritzier sich einige Becker zu wohnen gesetzet, die allerhandt Weißbrodt backten undt - vor den Kirchthüren damit außstünden." Doch dieses und Aehnliches haben wir noch in unserm Jahrhunderte in manchen größeren Städten, wie zu Schwerin und Lübeck, wo noch um das Jahr 1820 Kuchen= und Buchbinder=Buden in oder sehr nahe bei den Kirchen sich befanden, wahrgenommen und noch heute zeigt uns "Meklenburg in Bildern" 1 ) einen stattlichen Fleischschrangen am Fuße des schönen Thurmes der Marien=Kirche zu Rostock.

In der wenig geregelten und sorglos ausgeführten Beseitigung 2 ) der meisten altkirchlichen Kunstwerke im ersten Reformations=Zeitalter, in der Jahrhunderte hindurch fortdauernden Zulassung von formlosen und ärmlichen An= und inneren Ausbauten der protestantischen Kirchen, so wie in der lässigen Gestattung des weltlichen Alltagsverkehrs vor den Pforten der Gotteshäuser ist Mangel an kirchlichen Würde, Mangel an Pflege der kirchlichen Interessen von Seiten des Staates, der doch die kirchliche Lehre beschränkend überwachte, wie Mißachtung der Kunst nicht zu verkennen. Es darf nicht verhehlt werden, daß guten Theils im Gefolge dessen eine niedrige und schändliche äußere Verunehrung die protestantischen norddeutschen Kirchen und ihre nächsten Umgebungen betroffen hat. Man hat Kirchen und Kirchhöfe nicht bloß baulich entstellen, sondern auch baulich verfallen lassen. Dann hat man, selbst an Orten hoher Stifte, stehende "Bauhöfe" und Lagerplätze an den Grundmauern der Kirchen angelegt. Man ist mit dem Beispiele der Häufung von Schutt und Schmutz auf den geweiheten Kirchhöfen vorangegangen, ein Beispiel, welches die Abstumpfung und Schamlosigkeit des niedern Volkes in den seit der Mitte des 17. Jahrh. verdumpften und verarmten Städten allerdings noch übertroffen hat. Endlich hat man in der "Aufklärungs=Periode" (1750 - 1806) "pflichtmäßig" die zum Theil noch schmuckreichen alten Kirchenmauern mit Kalk und Schmutzfarben übertünchen lassen.


1) Meklenburg in Bildern, herausgeg. von Lisch, Jahrg. 1844.
2) Nach der Anweisung des Herzogs Joh. Albrecht I. für die Kirchen=Visitatoren vom Jahre 1552 sollen die (nicht anstößigen) Bilder in den Kirchen an die Wände genagelt, die "schedtliche vnd ergerliche Bild" ("so man hat pflegen anzubethten") aber hinweg geschafft werden. Nach gleichzeitigen Acten war vielen Visitatoren das Zerschlagen und Zerreißen der Kunstwerke nicht genügend; die Trümmer mußten verbrannt werden.
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Diese äußere Verunehrung der protestantischen Kirchen und Kirchhöfe hat im sechszehnten Jahrhunderte begonnen, jedoch erst später in den heillosen Zeiten, welche dem Schlusse des dreißigjährigen Krieges folgten, da in Frankreich das "goldene Zeitalter" blühete, überhand genommen. Schon die rostocker Polizei=Ordnung vom Jahre 1576 sagt: - "so sollen die auf den Kirchhoffen angetroffene Schweine zum ersten vnd andern Mahl gepfendet vnd zum dritten Mahl in die Gottesheuser gebracht, geschlachtet vnd vnter die Armen daselbst außgetheilt werden." Alle Redactionen des revidirten lübischen Rechts schärfen die Bestimmung in Bausachen ein: " Priuet oder Heimlichkeiten sollen den Kirchhoffen neher nicht, denn auff 5 Fuß gebawet werden." Die wismarsche Bürgersprache vom Jahre 1610 schreibt in §. 4. vor: Niemand soll die Kirchhöfe verunreinigen, auch ein Jeder sein Vieh davon abhalten; und in §. 10.: Niemand soll Misthaufen an den Kirchhöfen liegen haben. Aber das Bild der protestantischen Kirchen und ihrer Höfe in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird durch Thatsachen nur zu bestimmt bezeichnet. So liefen nach amtlichen Berichten auf dem Domkirchhofe zu Schwerin im Jahre 1680 täglich Schweine und Gänse umher; in der Kirche selbst wurden sogar an Sonntagen die Gänge und Stühle durch den Koth "gottloser Buben" verunreinigt und die Schlösser und Gehänge von den Stuhlthüren und Klappen abgebrochen. Gleichzeitig lag z. B. der Kirchhof zu Wittenburg durch Jahrzehnte (sicher 1673 - 1688) unbefriedigt, so daß "großes und kleines Vieh" die Gräber durchwühlte und beschmutzte, zuweilen auch in die Kirche selbst eindrang. Im Jahre 1698 hatten "gottlose böse Leute" todte Schweine auf den Domkirchhof zu Schwerin geworfen, wo sie Tage lang die Luft verpesteten. Um das Jahr 1710 nahm das Tragen "von allerhand Mist" an denselben Ort überhand und im Jahre 1731 ward zu Schwerin zum vierten oder fünften Male von der Kanzel des Domes herab das Verbot erneuert: "auf dem Kirchhoffe und in denen Kreutzgängen allerhandt Außkehrigt und Schuttwerck, auch wohl Mist und Unflath hinzubringen und niederzuwerfen." Ganz dieselbe "unaufhorliche freche Verunreinigung" der Kirchen und Kirchhöfe fand damals und in noch späterer Zeit in vielen anderen Städten nach amtlichen Berichten statt, wie denn das Ablagern von Auskehricht und Koth auf dem Domkirchhofe zu Güstrow so arg war, daß wiederholte und geschärfte landesherrliche Polizeierlasse, wie ein solcher noch unter dem 29. März 1780 erging, dem Unwesen lange Zeit wenig erfolgreich begeg=

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neten. Daß Eigennutz und Willkühr der unzulänglich überwachten Kirchen=Oeconomie=Beamten, so wie der tiefe Verfall der Kirchen= und Schulzucht am Schlusse des vorigen und im Anfange unsers Jahrhunderts auch in dieser Beziehung, dem Wesen der "Aufklärungs=Periode" entsprechend, noch mitgewirkt haben, wird durch Acten, wie durch das Zeugniß von Mitlebenden außer Zweifel gesetzt.

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Jahresbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde.

von

Wilhelm Gottlieb Beyer,

Dr. jur. und Archivsecretär,
als
zweiten Secretair des Vereins

 


Dreizehnter Jahrgang.


 

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In Commission der Stiller'schen Hofbuchhandlung in Rostock und Schwerin.


Schwerin, 1847.

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Gedruckt in der Hofbuchdruckerei.     

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S chon in dem letzten Jahresberichte hatte ich Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß die vorherrschend politische Richtung der Zeit das Urtheil über die historischen Vereine Deutschlands mehrfach zu trüben beginne. Auch in unserm engeren Vaterlande war eine ungünstige Rückwirkung der wachsenden politischen Bewegung auf unsern Verein seit längerer Zeit unverkennbar; die Zahl seiner Gönner und Freunde begann in demselben Maaße abzunehmen, als die der öffentlichen Spötter und Verächter desselben zunahm. Eine wirkliche Besorgniß für die Zukunft des Vereines war indeß aus dieser Erscheinung nicht zu entnehmen. Da brach plötzlich mit dem jungen Lenze der furchtbare Gewittersturm über Europa herein, dessen gewaltige Wirkungen in diesem Augenblicke noch kein menschliches Auge zu überschauen vermag; nur das ist gewiß: er hat nicht bloß morsches und faules Holz niedergebrochen, auch mancher junge und kräftige Baum ist entwurzelt, auch viele gesunde, noch unreife Früchte, viele duftende Blüthen sind von den Zweigen geschüttelt! Auch in unserm stillen und friedlichen Garten der Wissenschaft hat schon der diesjährige Bericht mehr als eine Spur der welterschütternden Erscheinung nachzuweisen, und wir dürfen es uns nicht verhehlen, daß die Aussicht in unsere Zukunft vielfach getrübt ist.

Die Stellung der historischen Vereine ist in den bevorstehenden Tagen des Kampfes ohne Zweifel eine andre, als in der Zeit des entschwundenen Friedens! Das Ringen und Streben unseres Volkes nach der politischen Wiedergeburt des in seinem tiefsten Grunde erschütterten Vaterlandes nimmt für den Augenblick viele edle Kräfte in Anspruch, die noch vor Kurzem der Pflege der Künste und Wissenschaften gewidmet waren, und wo die Noth der Gegenwart, wo die wechselnde Furcht und Hoffnung vor der nächsten Zukunft die Seele der Menschen erfüllt, da bleibt nur wenigen die Ruhe des Geistes, den forschenden Blick rückwärts

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zu wenden und sich in das Anschauen einer fernen Vergangenheit zu versenken! Ja, die Richtung der Zeit ist in ihrem letzten Extreme unverkennbar aller Wissenschaft geradezu Feind, von welcher die Menge nicht die unmittelbare Befriedigung irgend eines praktischen Bedürfnisses des Augenblicks hoffen darf, und diese feindliche Tendenz trifft natürlich vor allen die historische Wissenschaft, deren Aufgabe die Erforschung der Vergangenheit ist, mit welcher diese Partei völlig gebrochen zu haben als ihren höchsten Ruhm verkündet! Die Herrschaft dieses Extrems würde consequent mit der bereits vorgeschlagenen Verbrennung aller Bibliotheken enden, und Europa von der Höhe der Civilisation plötzlich in die tiefste Barbarei zurückstürzen. Eben deßhalb aber ist von dorther nichts zu fürchten, denn niemals wird das besonnene deutsche Volk den ganzen Ertrag seiner mehr als tausendjährigen Arbeit im wahnsinnigen Schwindel von sich stoßen. Wenn der Sturm ausgeras't hat, und die Sonne des Friedens wieder freundlich leuchten wird über den verjüngten Fluren des Vaterlandes, dann werden solche Ideen wohl ihren Erfindern selbst nur wie der wüste Traum eines Trunkenen erscheinen! Aber auch eine andre minder ausschweifende Partei hat ihre Stimme gegen die Vorliebe erhoben, mit welcher die historische Wissenschaft in Deutschland in den letzten Jahren gepflegt ward, und ganz besonders gegen das Treiben der historischen Vereine, das man als unfruchtbare Alterthümelei verspottet, und als beschränkten Particularismus den praktisch=politischen Bestrebungen der Gegenwart hinderlich darzustellen Sucht; und diese Bemühungen sind nicht ohne Erfolg geblieben. Auch in Meklenburg haben sich von dieser Seite her öffentliche Stimmen gegen die Leistungen und Bestrebungen unsers Vereines erhoben, und wir dürfen die Prüfung der uns gemachten Vorwürfe nicht vornehm zurückweisen. Sie sind aber hauptsächlich darauf gerichtet, daß der Verein sich zu ausschließlich der Erforschung der ältern Zeiten hingebe, die, wie man meint, wichtigere Geschichte der jüngsten Vergangenheit dagegen zu sehr vernachlässige; ein Vorwurf, welchem das Verlangen zu Grunde liegt, daß bei Bearbeitung des historischen Stoffes mehr auf das praktische Bedürfniß Rücksicht genommen, daß die Geschichte benutzt werde zur Unterstützung der politischen Bestrebungen der Gegenwart.

Wenn diese Vorwürfe und Forderungen von der Ansicht ausgehen, daß der Werth der historischen Forschung abzumessen sei nach dem unmittelbar aus ihr zu schöpfenden Nutzen für das sogenannte praktische Leben, so muß man diese armselige Idee entschieden zurückweisen. Die Geschichte ist keine Magd der Politik, noch weniger ein Mittel zur Befriedigung materieller Be=

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dürfnisse; sie ist, wie die Wissenschaft überhaupt, sich selbst Zweck, ist um ihrer selbst willen Bedürfniß des gebildeten nach Wahrheit und Schönheit ringenden Geistes, und dient durch die Befriedigung dieses Bedürfnisses unmittelbar zur Veredlung und Verschönerung des höhern wahrhaft menschlichen Lebens. Wenn sie dabei dem gegenwärtigen Geschlechte zugleich die Möglichkeit gibt, in dem Spiegel der Vergangenheit sich selbst zu beschauen, so ist nicht zu vergessen, daß dieser Spiegel seine Bilder um so reiner und treuer zurückstrahlen wird, je weniger dabei eine bestimmte Wirkung beabsichtigt wird. Die Benutzung der historischen Wahrheiten zur Warnung und Mahnung ist die Aufgabe derer, welche berufen sind zur Belehrung und Erziehung des Volkes und seiner Jugend.

Aus dieser Ansicht über den Zweck der historischen Wissenschaft geht aber zugleich hervor, daß der unserm Verein gemachte Vorwurf an sich vollkommen berechtigt sein würde, wenn damit etwa gemeint sein sollte, daß die behauptete Einseitigkeit unsrer bisherigen Leistungen in einer Vorliebe für die Zustände und und Verhältnisse eines bestimmten Zeitabschnittes begründet sei, und daß der Verein namentlich durch die wiederholte Hinweisung auf diese vermeintlich glücklichere Zeit, eine den reformatorischen Bestrebungen der Gegenwart entgegengesetzte Richtung verfolge. Eine genauere Kenntniß und dadurch bedingte unparteiische Würdigung des Alten wird allerdings häufig genug den glücklichen Erfolg haben, von der eitlen Überschätzung des Neuen zurückzuhalten, und vor einer allzustürmischen Neuerungssucht zu warnen; aber durch die bewußte Verfolgung dieser oder einer ähnlichen, wenn auch an sich nicht verwerflichen Tendenz würde die historische Wissenschaft sich selbst untreu werden, und darum gerechten Tadel verdienen. Wodurch aber hätte unser Verein einen solchen gehässigen Argwohn, diese politische Verketzerung verdient? Die vorliegenden 13 Jahrbücher geben Rechenschaft über sein bisheriges Wirken, und sind ein öffentliches Zeugniß für ihn, auf das wir uns dreist berufen dürfen.

Eine flüchtige Durchmusterung der Vereinsschriften ergibt zunächst, daß die Geschichte im engeren Sinne, und die Alterthumskunde mit gleicher Liebe gepflegt sind. In ersterer Beziehung aber hat der Verein vor allen Diugen als seine Aufgabe betrachtet, dem künftigen Forscher neue Quellen zu eröffnen, und die bisher bekannten zugänglicher zu machen, zu diesem Zwecke hat derselbe nicht nur die demnächstige Herausgabe eines umfänglichen Regestenwerkes vorbereitet, sondern auch sofort in seinen Schriften, außer 11 größern und kleinern Fragmenten mittelalterlicher Gedichte, nicht weniger als 368 vollständige Urkunden des

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mannichfaltigsten Inhaltes, nebst 4 verschiedenen Sammlungen von Briefen einflußreicher Männer aus den Handschriften der Oeffentlichkeit übergeben, und endlich beschäftigen sich 14 selbständige Abhandlungen mit der kritischen Besprechung anderweitiger, zum Theil neuentdeckter historischer Quellen. Von den übrigen größern Abhandlungen, deren Zahl überhaupt sich etwa auf 100 beläuft, sind 9 der eigentlichen Regentengeschichte der älteren Zeit gewidmet, 2 betreffen die Verfassung und Verwaltung des Landes, 3 die Rechtsgeschichte, eben so viele die Geschichte des Städtewesens, 9 andre die des Handels und der Industrie, 2 die Kunstgeschichte, 14 haben die Geschichte des Kirchenwesens unsrer Heimath überhaupt oder einzelner geistlicher Stiftungen zum Gegenstande, darunter namentlich 4 die Geschichte der Reformation. Ferner finden wir 4 umfänglichere Biographien berühmter Staatsmänner und Gelehrten aus älterer und neuerer Zeit, 14 Abhandlungen zur Erläuterung der ältern Topographie unserer Heimath, 3 besprechen die Nationalität und andre Bevölkerungs=Verhältnisse des Landes zu verschiedenen Zeiten, 2 liefern Beiträge zur Sprachkunde, 4 beschäftigen sich mit der Münzkunde und Geschichte der heimischen Orden, 4 andre mit der Wappen= und Geschlechtskunde, 9 endlich liefern Schilderungen der Sitten und Gebräuche der Völker, oder Mittheilungen von Sagen und Mährchen, meistens zur Charakteristik der Gegenwart.

Es ist meine Absicht nicht, eine wissenschaftliche Kritik dieser Arbeiten zu liefern, aber die einfache Aufzählung derselben nach der Verschiedenheit ihres Inhalts wird hoffentlich genügen, den Verein gegen den Vorwurf der Einseitigkeit zu schützen.

Am häufigsten ist der zweite Theil seiner Arbeiten, die Alterthumsforschung, Gegenstand eines nüchternen Spottes gewesen; und allerdings, wer die Bedeutung dieser Wissenschaft etwa nach dem äußern Werthe den aufgefundenen Scherben und Geräthschaften beurtheilt, der kann nicht umhin, unbedingt den Stab darüber zu brechen. Er beweiset aber dadurch nur den gänzlichen Mangel an jener tiefem Gemüthlichkeit, welche den Deutschen zu allen Zeiten ausgezeichnet hat, und welche - um nur dies eine hervorzuheben - die letzte Quelle der wahren Vaterlandsliebe ist. Der gebildete Mann, bei welchem die warmen Schläge eines menschlich fühlenden Herzens nicht durch kalte Verstandesberechnung gedämpft sind, welcher herausgetreten aus der selbstsüchtigen Abgeschlossenheit des rohen Barbaren, sich seiner höhern Einheit mit seinem Volke, und durch dieses mit der Menschheit bewußt ist, er wird mit Lust und Liebe den dunkeln Spuren folgen, welche uns in die Kindheit unsers Geschlechtes, vor allem aber unsers Volkes zurückführen, wird mit frommer Pietät an

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den Gräbern einer längst entschlafenen Generation auf das stumme Zeugniß unscheinbarer Steine und Scherben lauschen, welche uns die einzige Kunde bringen aus einer ohne sie in ewigem Dunkel ruhenden Zeit. Das ist die Bedeutung unsrer Alterthumskunde; eine andre nimmt sie nicht in Anspruch!

Hoffen wir denn, daß es unserm Verein auch ferner nicht an Freunden und Gönnern fehlen werde, deren Theilnahme und thätige Hülfe seinen Fortbestand in den vielleicht noch bevorstehenden Tagen schwerer Prüfung sichern werden. Wenn unser Kreis auch enger werden sollte, gewiß wird immer noch eine hinreichende Zahl von Männern beisammen bleiben, die einen Genuß darin finden, sich dann und wann aus dem Gewirre der Gegenwart in das stille Heiligthum der Vergangenheit zurückzuziehen, nicht in feiger Flucht, sondern um in dem Anschauen der Leiden und Thaten der Väter den Muth zu stärken und neue Kräfte zu sammeln zu der Arbeit des Tages für den Aufbau der Zukunft, jeder nach feiner Kraft und seinem Berufe!

Wenn indeß der Verein zur Zeit auch keinen Grund hat, an seiner Zukunft zu verzweifeln, so sah sich der Ausschuß doch mit Hinblick auf die besprochenen Zeitverhältnisse zu der Frage veranlaßt, ob es möglich und zweckmäßig sei, durch eine Erweiterung unsrer bisherigen Thätigkeit zugleich auf irgend eine Weise den praktischen Bedürfnissen der Gegenwart Rechnung zu tragen, ohne doch dem eigentlichen und ursprünglichen Zwecke unsrer Vereinigung untreu zu werden. Es wurde deshalb in der jüngsten, leider sehr schwach besuchten General=Versammlung die schon oft angeregte Idee der Gründung einer eigenen statistischen Section, nach Vorgang des würtembergischen historisch=statistischen Vereins, wiederholt zur Sprache gebracht und nach allen Seiten erwogen.

Daß genauere und umfängliche statistische Forderungen, wie sie jetzt wohl in den meisten deutschen Ländern durch Privatvereine gefördert und von den Regierungen unterstützt werden, auch in Meklenburg wirkliches Bedürfniß sind, dürfte allgemein anerkannt sein. Auch das Bedenken, ob die Pflege beider Wissenschaften, der Geschichte und Statistik, durch einen und denselben Verein zulässig sei, scheint im Allgemeinen nicht begründet, da die Verwandtschaft beider nicht zu verkennen ist. Wenn man sich auch nicht darauf berufen darf, daß die Statistik durch Aufstellung und Darlegung der Verhältnisse und Zustände des Staatslebens in seinem gegenwärtigen Bestande zugleich ein unschätzbares Material für die künftige Geschichte unsrer Zeit liefert, daß die Publikation jeder statistischen Arbeit gleichsam ein Vermächtniß für den künftigen Historiker ist, - denn das dürfte in der That zu weit führen, - so wird es doch erlaubt sein, daran zu er=

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innern, daß eine klare Einsicht in die Verhältnisse der Gegenwart der richtigen Erkenntniß der Vergangenheit ohne Zweifel in hohem Grade förderlich ist, wie umgekehrt eine richtige Würdigung der Erscheinungen unsrer Zeit in den meisten Fällen nur durch die Kenntniß ihres Ursprunges und ihrer historischen Entwickelung erreichbar sein wird. Beide Disciplinen gehen also insoweit Hand in Hand, sich gegenseitig unterstützend und fördernd.

Andrer Seits liegt indeß die Besorgniß nahe, daß die Kräfte des Vereins durch die angeregte Erweiterung seiner Thätigkeit, allzusehr zersplittert werden dürften, wogegen die Hoffnung, daß der in Folge dieser Erweiterung allerdings zu erwartende Zuwachs an Kräften groß genug sein werde, um den Verein der neuen doppelten Aufgabe gewachsen zu machen, mindestens zu unsicher ist, um bestimmte Plane darauf bauen zu können.

Ueberdies ward von mehren Seiten darauf aufmerksam gemacht, daß die Gründung einer besondern statistischen Gesellschaft bereits in dem patriotischen Verein zur Sprache gekommen sei. Die Versammlung glaubte daher, die angeregte Idee zwar nicht sofort verwerfen, sich aber zur Zeit darauf beschränken zu müssen, daß sie dem Unterzeichneten den Auftrag ertheilte, zuvörderst nähere Erkundigungen darüber einzuziehen, ob die Ausführung dieses Plans durch den patriotischen Verein zu erwarten stehe, und darüber in der nächsten General=Versammlung zu berichten, inzwischen aber die gedachten Verhandlungen zur allseitigen Kenntniß der Mitglieder unsers Vereins zu bringen, um dieselben zu Aeußerungen ihrer Ansicht darüber zu veranlassen, und auf diese Weise den künftig zu fassenden definitiven Beschluß vorzubereiten. Dieses Auftrages glaub' ich mich hiemit entledigt zu haben, und wende mich nun vorläufig zu der Statistik unsers Vereinsstaates selbst.


Von den 391 ordentlichen Mitgliedern, welche das dem letzten Jahresberichte beigegebene Verzeichniß aufführt, verlor der Verein in dem abgelaufenen Jahre wiederum 7 alte treue Freunde durch den Tod, nämlich die

Herren Pastor Zander zu Roggendorf,
    -      Consistorial=Secretair Wulfleff zu Neu=Strelitz,
    -      Präpositus Krull zu Doberan,
    -      v. Behr=Negendank auf Passow,
    -      v. Schack auf Körchow zu Doberan,

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Herren Hofrath Wendt zu Schwerin,
    -      Ober=Appellations=Gerichtsrath v. Oertzen zu Rostock.

Außerdem haben nicht weniger als 31 Mitglieder, zum Theil mit ausdrücklicher Hinweisung auf die ungünstigen Zeitverhältnisse, ihren Rücktritt angezeigt, die meisten jedoch erst nach Einsendung ihres diesjährigen Beitrages. Der Verein hat also im Ganzen 38 Mitglieder verloren, wogegen ihm nur der Raub des Todes durch den Beitritt von 7 neuen Mitgliedern ersetzt ist, nämlich der

Herren Bürgermeister Grischow zu Wesenberg,
    -      v. Lücken auf Zahrensdorf,
    -      v. Levetzow auf Hohen=Mistorf,
    -      Landrath v. Oertzen auf Jürgensdorf,
    -      Kammerherr von Oertzen auf Marin,
    -      Baurath Bartning zu Schwerin,
    -      Dr. Ebeling zu Schönberg.

Die Zahl der ordentlichen Mitglieder hat sich demnach um 31 vermindert, und beträgt gegenwärtig nur noch 360.

Auch unter den hohen Beförderern des Vereines ist einer, dessen mehrmals bewiesene ganz besondere Theilnahme an unsern Bestrebungen durch die politischen Ereignisse mindestens zur Zeit gelähmt sein dürfte: ich meine Se. Maj. den König von Dänemark. Dagegen gereicht es mir zur innigsten Freude, die Mittheilung machen zu können, daß die "größte deutsche Frau", welche unser engeres Vaterland mit gerechtem Stolze die seinige nennt, mitten in den Stürmen, durch welche vor allen das Glück ihrer erhabenen Familie erschüttert ward, sich unsers Vereins freundlich erinnert hat. Ihre Kgl. Hoh. die Frau Herzogin v. Orleans hat specielle Fürsorge getroffen, daß die Zahlung ihres Beitrages keine Unterbrechung erleide.

Zum Ehrenmitgliede unsers Vereines ward in der jüngsten General=Versammlung durch einstimmige Proclamation ernannt: der königl. preußische Geheimerath v. Olfers, ein Mann, der uns wiederholt durch Beweise seiner Theilnahme geehrt hat, und der durch seine Stellung als General=Director der königlichen Museen in Berlin zu einer höchst einflußreichen Wirksamkeit zur Förderung der historischen Studien in Deutschland berufen ist. Als eine höchst erfreuliche Erscheinung darf namentlich das neue Museum betrachtet werden, welches sich unter besonderer Pflege dieses berühmten Gelehrten seiner Vollendung nahet, um sodann die verschiedenen bisher zerstreuten Sammlungen des Mittelpunktes norddeutscher Wissenschaft in sich zu vereinigen, und in dessen höchst eigenthümlicher Construction und Dekoration zu=

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gleich eine Menge der interessantesten und wichtigsten Resultate antiquarischer Studien zur Anwendung gebracht sind.

Aus der Zahl der correspondirenden Mitglieder schied durch den Tod am 24. Decbr. 1847 Finn Magnusen zu Kopenhagen, Geheimer Archivar und erster Beamter des königl. dänischen Archivs, wirklicher Etatsrath und Vizepräsident der königl. Gesellschaft für nordische Alterthumskunde, ein Mann, hochverdient und verehrt sowohl durch seine bekannten Forschungen auf dem Gebiete der Geschichte und Alterthumskunde des Nordens, als durch seinen einfachen und liebenswürdigen Charakter, welcher die Bestrebungen unsers Vereines stets mit großer Theilnahme verfolgte und beförderte, und vor allen andern Gelehrten des Nordens seine Teilnahme durch häufige Mittheilungen bethätigte. Die durch ihn beförderte Erwerbung von Abschriften meklenburgischer Urkunden aus dem Kopenhagener Archive, welche so eben begonnen hatte, ist leider durch seinen Tod und darauf durch die politischen Ereignisse für's erste gehemmt. Dagegen sind im Laufe des Jahres zu correspondirenden Mitgliedern ernannt:

1. Dr. Eduard Melly zu Wien, ein bekannter österreichischer Geschichtschreiber und Forscher in der Siegelkunde, welcher die hiesigen Sammlungen mit einer Reihe ausgezeichneter Gypsabgüsse von Siegeln und mit mehren werthvollen sphragistischen Werken beschenkt hat.

2. Dr. Möhlmann zu Stade, Auditor bei der dortigen Landdrostei, ein gründlicher Forscher auf dem Gebiete der vaterländischen Rechts= und Geschichtskunde, durch dessen Vermittlung wir interessante Mittheilungen aus den überelbischen Archiven erwarten dürfen.

Wir besitzen daher jetzt 57 correspondirende Mitglieder.

Zu den auswärtigen Vereinen, mit welchen der unsrige in Correspondenz und Schriftwechsel steht, sind wiederum folgende 14 hinzugetreten:

1) der historische Verein für Inner=Oesterreich zu Gratz;
2) das Ferdinandeum zu Inspruck;
3) der historische Verein für Schwaben und Neuburg zu Augsburg;
4) der Alterthumsverein für das Großherzogthum Baden zu Baden=Baden;
5) der historisch=antiquarische Verein zu Saarbrücken;
6) die Gesellschaft für Frankfurts Geschichte und Kunst zu Frankfurt a. M.;
7) die Gesellschaft für friesische Geschichts=, Alterthums= und Sprachforschung zu Leuwarden;

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8) die Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Alterthümer zu Emden;
9) das Museum zu Hildesheim;
10) der königl. sächsische Verein für Erforschung und Erhaltung vaterländischer Geschichts= und Kunst=Denkmäler zu Dresden;
11) der Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens zu Breslau;
12) die Alterthums=Gesellschaft Prussia zu Königsberg i. Pr.;
13) die kaiserlich bestätigte archäologisch=numismatische Gesellschaft zu Petersburg;
14) der Verein für siebenbürgische Landeskunde zu Hermannstadt.

Wir stehen also jetzt mit 52 auswärtigen Vereinen in Verbindung, durch welche eine große Menge interessanter Druckschriften und sonstiger Mittheilungen in unsern Besitz gekommen ist, und anderer Seits unsre Jahrbücher eine gleichfalls in unsern Zwecken liegende größere Verbreitung gefunden haben. Unter den neu angeknüpften Verbindungen würde namentlich die mit dem an Sitten und Alterthümern so interessanten und reichen deutschen Lande Siebenbürgen von großer Wichtigkeit werden können, wenn die gesellschaftlichen Zustände Europa's freie Bewegung gestatteten. Aber hier vor Allem haben die politischen Ereignisse bereits mehrfach hemmend und störend auf die umsichtige und nicht dankbar genug anzuerkennende Wirksamkeit unsers ersten Secretairs eingewirkt, und einen großen Theil der Correspondenz aufgehoben.

Auch die Vereinigung der Bestrebungen in allen Provinzen unsers Vaterlandes für alle Fächer der historischen Forschung, welche nicht bloß durch die Germanisten=Versammlungen in Frankfurt und Lübeck, sondern auch noch von einer andern Seite her vorbereitet und angebahnt war, ist durch diese Ereignisse wohl auf lange Zeit, wenn nicht auf immer in den Hintergrund gedrängt.

Se. Exzellenz der Herr Geheime Rathspräsident, Minister von Lützow, und der Herr Regierungsdirector v. Oertzen haben sich auch dies Mal bereit erklärt, als Präsidenten des Vereins, der ihrer Fürsorge bereits unendlich viel verdankt, die obere Leitung desselben fernerhin zu übernehmen. Die übrigen Beamten sind sämmlich durch Acclamation wieder gewählt; von den vorigjährigen Repräsentanten aber sind statutenmäßig zwei, nämlich der Hr. Oberstallmeister v. Boddin und Hr. Regierungsrath Knaudt ausgetreten, deren Stelle durch die Wahl des Hrn. Pastors Bartsch und des Hrn. Prorectors Reitz ersetzt ist.

Ueber die finanziellen Verhältnisse gibt der sub A.

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angeschlossenen Rechnungs=Extract hinreichende Auskunft. Dieselben stellen sich hiernach für dies Jahr noch als fehr günstig dar, da die meisten der ausgetretenen Mitglieder den laufenden Beitrag noch bezahlt haben, und der dennoch stattfindende geringe Ausfall in der ordentlichen Einnahme durch den erhöhten Erlös aus dem Verkaufe der Jahrbücher, welcher dies Mal 51 Währung . 7 Schilling (Meckl.) . N2/3 betrug, gedeckt ward. Das Capital=Vermögen des Vereins ist im Laufe des Jahres von 1952 Währung 28 Schilling (Meckl.) Cour. auf 2046 Währung 39 Schilling (Meckl.) Cour.; also um 94 Währung 11 Schilling (Meckl.) angewachsen.

Die Sammlungen des Vereins haben wieder einen sehr bedeutenden Zuwachs erhalten, und zwar fast ausschließlich durch Geschenke, worunter sich mehre sehr werthvolle befinden. Rücksichtlich der Alterthums= und Münzsammlung, so wie der Bibliothek gegen die sub B., C. und D. angeschlossenen Specialberichte der betreffenden Beamten genauere Nachweisungen.

An Urkunden erwarb der Verein:

1) Original=Urkunden der Herzogin Sophie von Meklenburg über den Verkauf eines Hauses zu Rehna an Hartwich v. Bülow auf Wedendorf, d. d. Rhena, 30. Aug. 1633.

2) Hochdeutsche Uebersetzung einer Urkunde über den Verkauf eines Hauses an den Ritter=Kaland zu Sternberg, d. d. 7. Januar 1399.

3) Abschrift der Privilegien=Bestätigung für die Wollenweber zu Röbel, d. d. 6. Jan. 1291.

4) Abschrift der Zunftrolle des Wollenweber=Amtes zu Neu=Röbel, d. d. 30. Jan. 1463.

5) Abschrift der Dotations=Urkunde des Hl. Geist=Hospitals zu Röbel, d. d. 19. Febr. 1298.

Außerdem ist durch die Vermittlung unsers ersten Secretairs und die dankenswerthe Gefälligkeit des Hrn. Geheimen Archiv=Raths Riedel zu Berlin eine Abschrift des Diplomatoriums des Klosters Himmelpforten, worin sich über 60 mecklenburgische Urkunden befinden, für das großherzogliche Geheime und Haupt=Archiv erworben und daselbst niedergelegt. Durch die mit dem Hrn. Auditor Möhlmann zu Stade augeknüpfte Verbindung ist uns ferner Hoffnung geworden, Mittheilungen aus dem hannöverschen Landdrostei=Archiv zu erhalten. Durch die Bemühungen dieses neuen Freundes sind schon einige für Meklenburg höchst interessante Urkunden ans Licht gebracht, und zugleich die Erlaubniß zur Benutzung des Archivs zu Stade für unsern ersten Secretair erwirkt. - Auch ist der Verein auf den handschriftlichen Nachlaß des Pastors Cleemann zu Parchim aufmerksam geworden,

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welcher sich in der dortigen Raths=Registratur befindet, und vollständige Abschriften der parchimschen Stadturkunden, namentlich des sehr interessanten und wichtigen alten Stadtpfandbuches, so wie das Manuscript des nur theilweise im Druck erschienenen Archiv=Lexicons des Verstorbenen enthält. - Der handschriftliche Nachlaß unsers berühmten Landsmannes, Professors Engel zu Berlin, wird nach einer Mittheilung des Hrn. Archivar Lisch von der Academie der Wissenschaften daselbst aufbewahrt, und außerdem ist der Hr. Bibliothekar Dr. Friedländer daselbst im Besitze eines umfänglichen Briefwechsels des Verstorbenen.

Die Siegelsammluug ist durch das bereits angeführte, sehr werthvolle Geschenk des Hrn. Dr. Melly in Wien, bereichert, und außerdem sind für dieselbe ein alter Abdruck des Stadtsiegels zu Malchin in Wachs, und ein Abdruck des großen Siegels der Königin Sophie Louise von Preußen, einer gebornen Prinzessin von Meklenburg, sowie zwei Originalpetschafte erworben, nämlich ein altes, unbekanntes, mit einer heraldischen Lilie im ungetheilten Felde und der Umschrift: Umschrift , und das Originalpetschaft des ehemaligen französischen Ober=Post=Amtes zu Hamburg, mit der Umschrift: Postes du grand-duché de Berg: direct. du chef-bur. à Hambourg.

Endlich ist hier noch eines schönen Kupferstichs von J. J. Freidorf, das Portrait J. J. Engels darstellend, so wie des Portraits des Professors Dahlmann in Steindruck von P. Rohrbach, als Erwerbungen für unsre Bildersammlung zu erwähnen.

Ueber die wissenschaftliche Thätigkeit des Vereins gibt der mit diesem Berichte zugleich ausgegebene 13te Band unsrer Jahrbücher Zeugniß. Den Preis hat, wie immer, so auch dies Mal, der Archivar Lisch, die Seele des ganzen Vereines, davon getragen. Sein "Leben des Kammerpräsidenten Luben von Wulffen", eine Arbeit, welche durch Entdeckung handschriftlicher Memoiren aus jener Zeit wesentlich befördert ward, so daß es möglich geworden, mit größerer Schärfe in die jüngsten Untersuchungen Ranke's in seinen "neun Büchern preußischer Geschichte" einzudringen, liefert zugleich aufs Neue einen gewiß sehr dankenswerthen Beitrag zu der Geschichte des Herzogs Karl Leopold, deren gründliche Bearbeitung von allen Seiten her dringend gewünscht wird, und gewiß nicht besser befördert werden kann, als durch solche Biographien einzelner bedeutender Männer jener Zeit aus der nächsten Umgebung des Herzogs, wie Liscow und v. Wulffen. Uebrigens dürfte diese Abhandlung auch für den Kameralisten nicht ohne Interesse, ja für die wichtige Frage über die Erbverpachtung der Bauerhöfe selbst nicht ohne praktische Bedeutung sein. -

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Die Untersuchungen über die Besitzungen und die Wirksamkeit der auswärtigen Stiftungen in Meklenburg sind wohl vorzugsweise für die Topographie unsrer Heimath von Wichtigkeit, ein Feld, auf welchem noch gar vieles zu thun ist. Auch der Unterzeichnete hat sich seit längerer Zeit mit Vorliebe diesen Untersuchungen hingegeben, und hatte noch vor Kurzem die Hoffnung, durch Unterstützung unsers erhabenen Protectors, welcher jede Gelegenheit zur Förderung der Wissenschaften und Künste bereitwillig ergreift, eine bereits vorbereitete umfassende topographische Beschreibung Meklenburgs, zunächst für das allgemeine topographische Lexicon, vollenden zu können. Die inzwischen eingetretenen politischen Ereignisse haben einstweilen auch diesen Plan in den Hintergrund gedrängt. - Die Geschichte der Heiligen=Bluts= Kapelle im Dom zu Schwerin, oder vielmehr dieses Domes selbst, ward zunächst durch das am 15. Januar d. J. gefeierte 600 jährige Jubiläum dieses ehrwürdigen Baues, der durch seine edlen Verhältnisse einen hohen Rang unter den Bauwerken Deutschlands einnimmt, hervorgerufen. Forschungen dieser Art beleben nicht nur den historischen Sinn, sondern sind auch für die Bewahrung der unsterblichen Kunstwerke des Alterthums gewiß von der größten Wichtigkeit. Der Verein hat daher seine Untersuchungen über alte Kirchenbauten überhaupt und ihre Einzelheiten mit aller Gewissenhaftigkeit fortgesetzt, und hofft dadurch nicht nur die großen Restaurationen, z. B. der Kirchen zu Doberan und Alt=Röbel, welche in diesem Augenblick lebhaft betrieben werden, wesentlich zu fördern, sondern setzt auch ein besonderes Verdienst darin, theilweise selbst die erste Anregung zu diesen Unternehmungen gegeben zu haben. Leider sind an einem andern Orte unsre Bemühungen für die Erhaltung eines seltenen Denkmals mittelalterlicher Baukunst, des schönen Kreuzthores zu Parchim, an dem Mangel an Kunstsinn und wahrer Pietät für die Werke unsrer Väter bei den dortigen Behörden, gescheitert. Eine in unsern Sammlungen aufbewahrte Zeichnung dieses nun zerstörten Thores wird unsern Enkeln Gelegenheit geben zur Vergleichung jener Werke mit denen unsrer ruhmredigen Zeit. Möge dieselbe nicht allzusehr zu unsrer Beschämung ausfallen! Fast aber scheint es, als wolle Parchim einen thatsächlichen Beweis für die Wahrheit der Beschuldigung geben, die uns so oft gemacht wird: daß wir wohl niederzureißen, aber nicht aufzubauen verständen.

Die gründliche Abhandlung des Hrn. Pastors Boll über Meklenburgs deutsche Colonisation, hat diese oft besprochene und sehr verschieden beantwortete Frage endlich erledigt, und wird hoffentlich die deutsche Abstammung der Hauptmasse der Bevöl=

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kerung Meklenburgs zu allgemeiner Anerkennung bringen. Ich habe mich gleichfalls viel mit dieser Untersuchung beschäftigt und bin durchaus zu demselben Resultate gelangt; zur Mittheilung einiger bestätigender und ergänzender Bemerkungen aus meinen Collectaneen findet sich wohl einmal eine passende Gelegenheit.

Auf das Urtheil über meine in der ersten Abhandlung dieses Bandes niedergelegten Entdeckungen über die Abstammung unsers Fürstenhauses bin ich in hohem Grade gespannt. Die Zustimmung der Kenner unsrer wendischen Geschichte würde mich sehr erfreuen.

Die in dem letzten Quartal=Berichte angekündigte Abhandlung über meklenburgische Volksgerichte, ein Beitrag zur Geschichte der ältern Gerichtsverfassung Meklenburgs, konnte wegen Mangel an Raum nicht mehr mitgetheilt werden. Sie wird nun etwas erweitert in dem nächsten Bande erscheinen, in welchem auch mein College, Hr. Archiv=Registrator Glöckler, eine neue Mittheilung aus dem reichen Schatze seiner rechtshistorischen Studien machen wird. Auch diese bisher über die Gebühr vernachlässigten Untersuchungen werden dazu beitragen, Meklenburg in jeder Beziehung als ein rein deutsches Land erkennen zu lassen.

An dem oft besprochenen großen Regestenwerke wird jetzt, nachdem dasselbe einige Zeit hindurch wegen anderweitiger literarischer Arbeiten des Hauptredacteurs, Hrn. Pastors Masch zu Demern, fast ins Stocken gerathen war, wieder thätig gearbeitet. Hoffentlich wird die Vollendung dieses wichtigen Unternehmens nicht mehr allzu ferne sein.

Auf dem Gebiete der Alterthumskunde im engern Sinne ist der Verein auf dem gleich anfangs als allein richtig anerkannten Wege, unter der bewährten Führung unsers Lisch und Ritter, auch in diesem Jahre rüstig vorwärts geschritten, wie der zweite Theil dieses Bandes näher nachweiset, wobei es an wiederholter aufmunternder Anerkennung unsrer Leistungen im Auslande auch dies Mal nicht gefehlt hat.

Außer den im Vorstehenden genannten Mitarbeitern haben uns auch in diesem Jahre eine große Schaar von Männern in und außer dem Vereine durch zum Theil sehr werthvolle Geschenke, oder Mittheilungen und Nachweisungen aller Art, ihre besondere Theilnahme bewiesen. Die Namen dieser Herren sind folgende: Lterat Assur hieselbst, Landrath von Barner auf Bülow, Inspector Behnke zu Pampow, Dr. Beste auf Blengow, Apotheker Block zu Krakow, Bürgermeister Bölte zu Hagenow, Klosterhauptmann v. Borck zu Malchow, v. Bülow auf Wahmkow, Dabel zu Hof Retzow, Bürgermeister Daniel zu Rhena, Lehrer Dethlof hieselbst, Dr. v. Duwe zu Ratzeburg, Klosterhaupt=

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mann Baron Le Fort zu Dobbertin, Dr. Friedländer zu Berlin, Gensd'arme Groterjan zu Grabow, Glasmaler Gillmeister zu Schwerin, Erb=Landmarschall Graf v. Hahn auf Basedow, Pastor Hast zu Hagenow, Gutsbesitzer Kähler auf Klinck, v. Kardorf auf Remlin, Kretschmar zu Berlin, v. Ledebur daselbst, Advocat Lemke auf Retzow, Landrath Reichs=Freiherr v. Maltzan auf Rothenmoor, die Reichs=Freiherren v. Maltzan auf Groß= und Kl.=Lukow, Peutsch und Duchow in Polen, Gutsbesitzer Maneke auf Vogelsang, die Familie v. Oertzen, Landrath v. Oertzen auf Lübberstorf, v. Oertzeu auf Woltow, Justizrath v. Päpke auf Lütgenhof, v. Pentz zu Güstrow, Stadtbuchhalter Scheel zu Güstrow, Bibliothekar Schönemann zu Wolfenbüttel, Candidat Segnitz hieselbst, Fr. Seidel zu Bützow, Pastor Simonis zu Gorlosen, Oberinspector v. Sprewitz zu Güstrow, Pastor Vortisch zu Satow, Friedericianer Weir hieselbst, Fabrikant Westermann zu Bielefeld, Candidat Wilbrand zu Grüssow und Willebrandt zu Granzin.

Das sehr genau und sorgfältig ausgearbeitete zweite Register zu unsern Jahrbüchern, Band 5 - 10, wird hoffentlich allen Mitgliedern eine sehr willkommene Zugabe sein.

Schwerin, im Julius 1848.

W. G. Beyer Dr.          
als zweiter Secretair des Vereine.


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Beil. A.

Extract

aus der Rechnung der Vereins=Casse vom 1. Julius 1847 bis zum 1. Julius 1848.

Wegen der im Laufe des Rechnungsjahres am 1. Mai d. J. stattgehabten Umwandlung des bisher gesetzlich bestandenen Zwölf=Thalerfußes in den Vierzehn=Thalerfuß zerfällt die Rechnung in zwei Abschnitte, vom 1. Juli 1847 bis zum 1. Mai 1848, und von da bis zum 1. Juli 1848.

Erster Abschnitt.
Vom 1. Juli 1847 bis zum 1. Mai 1848.

Finanzen
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Finanzen
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Finanzen

Zweiter Abschnitt.
Vom 1. Mai bis zum 1. Juli 1848.

Finanzen
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Finanzen

Schwerin, den 1. Juli 1848.

P. F. R Faull, Geh. Canzleirath,     
p. t. Cassenberechner.            


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Beil. B.

Verzeichniß

der in dem Zeitraum von Ostern 1847 bis dahin 1848 für die Vereins=Sammlung erworbenen Alterthümer.

I. Alterthümer aus der vorchristlichen Zeit.

A. Aus der Zeit der Hünengräber.

I. Aus Gräbern.

1) Aus zwei Gräbern bei Stuer: 1 Urne und mehre Urnenscherben, 1 durchborte Streitaxt aus Hornblende, 3 Pfeilspitzen und 1 schön geschliffener Keil aus Feuerstein.

2) Aus einem Grabe bei Vietlübbe bei Plau: 1 hohlgeschliffener Keil aus Feuerstein.

3) Aus einem Graben bei Klink: 1 Streitaxt aus Hornblende, 1 kleiner Keil aus Feuerstein und Scherben einer Urne.

II. Einzeln gefundene Alterthümer.

5 Streitäxte aus Hornblende, worunter 1 unvollendet.
3 Keile aus Hornblende, 5 dergleichen aus Feuerstein und 1 aus Grünstein.
5 halbmondförmige Messer aus Feuerstein.
4 Dolche aus Feuerstein, worunter 1 unvollendet.
1 Schmalmeißel aus Feuerstein.
3 Lanzen spitzen aus Feuerstein.
2 Pfeilspitzen aus Feuerstein.
2 Späne aus Feuerstein.
1 Schleuderstein aus Kalkstein und 1 dergleichen aus röthlichem Hornstein.
1 Schleifstein aus rothem Sandstein, 1 dergleichen aus Thonschiefer, und 1 griffelförmiger aus gleicher Masse.
Mehre Urnenscherben.

B. Aus der Zeit der Kegelgräber.

I. Aus Gräbern.

1) Aus mehren Gräbern bei Sukow: 2 Sicheln, 1 Säge, 3 Messer, 1 Pfeilspitze mit Schaftzunge, 5 Nadeln, 1 Nähnadel, 1 Pincette, 2 Handringe, 3 Fingeringe, 1 offener Drahtring, 1 Doppelknopf, und Bruchstücke

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eines Halsringes, eines Handringes, einer Heftel und eines Messers, alles aus Bronze, und mehre Thongefäße, zum Theil von eigenthümlicher Form.

2) Aus einem Grabe bei Vietlübbe: 1 Scheermesser und 1 Pfriemen aus Bronze, letzterer mit knöchernem Griffe, und mehre Urnen.

3) Aus einem Grabe bei Damerow: 2 Urnen.

4) Aus einem Grabe bei Mamerow: 1 Urne mit Knochen, mehre Bronzestreifen und 1 Beschlag aus Silber. (Vielleicht aus späterer Zeit.)

5) Aus einem Grabe bei Badegow: 1 Urne mit Knochen.

6) Aus mehren Gräbern zwischen Röbel und Waren: 1 Scheermesser, 1 Pincette und 1 Nadel aus Bronze, 1 größere und 1 kleinere Urne mit Knochenresten.

II. Einzeln gefundene Alterthümer.

1 Hifthorn aus Bronze.
3 Schaale n aus Bronzeblech.
1 Halsring und 1 gravirter Armring aus Bronze.
1 Hutförmiger Buckel aus Bronze.
1 Henkelurne, und Scherben einer großen Urne, nebst einem Mühlstein, welcher als Deckstein der Urne diente.
2 Menschenschädel (im Moore gefunden).
Endlich eine Nachbildung eines im Besitze des Herrn Otto auf Warbelow befindlichen großen Schwertes aus Bronze.

III. Im Auslande gefundene Altethümer.

1 Urne aus Nehmten am Plöner=See in Holstein.

1 zerbrochenes Schwert mit verziertem Griff, Bruchstücke der Klinge und der Knopf eines Schwertes, 1 Sporn, 1 Hütchen, 2 kleine Doppelknöpfe, 1 großer Doppelknopf, 1 kleines Messer, alles aus Bronze, und 3 kleine Glasperlen, wahrscheinlich römischen Ursprungs, aus zwei Kegelgräbern bei Kellinghusen in Holstein.

Auch hat uns der Herr Geheimrath v. Olfers zu Berlin mit Gypsabgüssen von einigen seltenen Alterthümern, namentlich einer bei Aschersleben gefundenen Urne in Form eines Hauses mit hohem Strohdache erfreuet.

C. Aus der Zeit der Wendenkirchhöfe.

1 Messer aus Eisen.
1 Schnalle aus Bronze und 1 aus Eisen.
1 Beschlag mit Nieten, und ein rundgerolltes Blech aus Bronze.

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2 Heftel aus Bronze.
1 Hackenfibel aus Eisen.
15 Spindelsteine aus Thon, und 5 aus Sandstein.
9 vollständige Urnen verschiedener Größe und mehre Urnenscherben mit Verzierungen.

II. Aus dem Mittelalter.

1 Streitbeil aus Eisen, mit Spuren von Reliefverzierungen und Vergoldung.
1 kurzes breites Schwert, eine lange Schwertklinge und der Griff mit einem Theile der Klinge des Schwertes aus Eisen.
1 eisernes, mit einer pechartigen Masse überzogenes beilförmiges Instrument mit einem eisernen Stiel aus einem Stücke.
1 Dolch mit hölzernem Griff.
1 Armbrust mit gravirtem Elfenbein ausgelegt.
3 zum Theil zerbrochene Lanzenspitzen.
7 Pfeilspitzen.
1 Dolchmesser mit hölzernem Griffe.
1 gerades Jagdmesser.
1 großes Messer, gleichfalls mit hölzernem Griffe.
1 Axt.
1 Geräth, den alten Frameen mit Schaftloch ähnlich.
1 großes gabelförmiges Werkzeug.
1 gekrümmtes sägenartiges Werkzeug.
1 vergoldeter Sporn aus Messing mit Reliefverzierungen.
3 Hufeisen von verschiedener Größe.
3 Schlüssel.
1 Schnalle aus Zinn mit eiserner Zunge.
1 Gußform zu einem Gürtelbuckel.
1 bronzener Grapen.
1 ein Henkelkrug aus blaugrauem Thon, und mehre Bruchstücke von ähnlichen Krügen und Töpfen.
2 Ofenkacheln mit Reliefbildern und Inschrift.
Bruchstücke von Ziegeln.
1 Kamm aus Knochen.
Zu der Sammlung von Waffen und Geräthschaften außer=europäischer Völker zum Zwecke der Vergleichung mit unsern einheimischen Alterthümern ward in diesem Jahre ein kleines Beil aus Nephat, in Knochen eingelassen und mit knöchernem Stiel, von den Sandwichinseln erworben.

Schwerin, den 1. Juli 1848.

W. G. Beyer, Dr. Archiv=Secretair.     


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Beil. C.

Bericht über die Münz=Sammlung.

In dem verflossenen Jahre sind der Münz=Sammlung 119 Stücke zugekommen; ihr wurden bis jetzt 578 Bracteaten, 28 goldne, 3373 silberne, 909 kupferne zweiseitige Münzen und 184 Medaillen und Schaumünzen zu Theil, im Ganzen, die zahlreich vorgekommenen Dubletten, von denen mehrere zum Austausch verwandt sind, mit eingerechnet, 5072 Stücke. - Angekauft wurden in diesem Jahre außer den neuesten Meklenburger Münzen nur wenige; unter ihnen war ein schöner Sachsen=Gothaischer halber Thaler der Herzoge Johann Casimir und Johann Ernst von 1610, dem ganzen Thaler bei v. Madai II. p. 3949 entsprechend.

Als Geschenke empfing die Sammlung 102 Stücke. Herr Bibliothekar Dr. Schönemann in Wolfenbüttel sandte zu den von ihm früher schon geschenkten Bracteaten der ältesten Anhalt'schen Fürsten noch 15 theils ganze, theils durchschnittene Exemplare und außerdem mehrere neue Silber= und Kupfermünzen. Einzelne Münzen wurden von den Herren Klosterhauptmann v. Bork und Felix v. Bork in Malchow, Pastor Simonis zu Gorlosen, Beneke in Hamburg, Manecke auf Vogelsang (Seeländische Thaler von 1621. v. Madai II. p. 4733), Pastor Vortisch in Satow (Französische 15 Sols von 1793, Appel II., 617, n. 10.), Klosterhauptmann B. Lefort in Dobbertin, Stadtbuchhalter Scheel in Güstrow geschenkt. Die Herren Seidel in Bützow, Dabel zu Hof Retzow, Advocat Hobein zu Schwerin übersandten im Lande gefundene Münzen, größtentheils aus dem 17. Jahrhundert. Hr. Hofrath Engel in Röbel theilt dem Verein zwei im Fundamente des Dominikanerklosters gefundene silberne Scherfe mit, die dem 14. Jahrhunderte angehören und von denen die meklenburgischen verhältnißmäßig am seltensten sind; 2 alte deutsche Denare mit Sancta Colonia, bei Vietlübbe gefunden, sandte Herr Pastor Ritter. Herr Westermann in Bielefeld schenkte ein von Wallenstein geschlagenes 3 Kreuzerstück von 1630 (Evers II. p. 123) und einen seltenen Wismar'schen Viertelpfennig aus dem 14. Jahrhundert, (Evers 487.). Herr Baron Maltzan=Peutsch vermehrte die Sammlung mit mehreren neueren Mecklenburgischen Münzen und mit 16 Römermünzen der Kaiser des 3. und 4. Jahrhunderts (Claudius, Gallienus, Victorinus, Constantinus, Constantius, Valentinianus), welche, wenn auch nicht in Meklenburg, doch in Deutschland gefunden sind.

Demern, den 10. Juli 1848.

G. M. C. Masch.     


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Beil. D.

Verzeichniß

der in dem Vereinsjahre 1847/48 erworbenen Bücher, wissenschaftlich geordnet.

I. Allgemeine und classische Alterthumskunde.
(Vergl. unten: die Niederlande.)

Nr.

  1. Dr. Steiner, Geschichte und Topographie des Maingebietes und Spessarts unter den Römern. Darmstadt 1834. 8. Geschenk des Hrn. Verf.)
  2. Dmitry de Schoeppingk, Lettre sur une fouille, faite dans le Gouvernement de Voronége en Russie. Bruxelles 1847. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)

II. Münz= und Wappenkunde.

  1. Conjectures sur quelques Médailles Sassanides, posterieures au Roi Tiroux, par Mr. de Bartholomaei. St. Petersbourg 1847. 8.
  2. Réponse à Mr. Droysen sur ses conjectures, concernant les premiers rois de la Bactriane par J. de Bartholomaei. St. Petersbourg 1847. 8. (Nr. 3 und 4 Geschenke des Verf.)
  3. J. J. Bagmihl, pommersches Wappenbuch. Bd. III. Lief. 11 und 12. Stettin 1847. 8.

III. Sprachkunde.

  1. 7. Moeller, Tysk och Swenski Ord-Bok. Bd. I und II. Upsala 1801. 4.
  1. Möller, Schwedisch=deutsches Wörterbuch. Zweite Aufl. Leipzig 1808. 4.
  2. Dänisch=deutsches und deutsch=dänisches Handwörterbuch. Altona 1811. 8.

IV. Kunst= und Literaturgeschichte.
(Vergl. unten: die Schweiz, Baden und Würtemberg u. a. m.)

  1. Lucas Cranachs Stammbuch, enthaltend die Bildnisse
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von Fürsten und Gelehrten aus der Reformations=Geschichte. Herausgeg. von Ch. v. Mechel. Berlin 1814. Gr. pol.

  1. H. Bolzenthal, Skizzen zur Kunstgeschichte der modernen Medaillen=Arbeit (1426-1840). Mit 30 Kupfertafeln. Berlin 1840. 8. (Geschenk des Hrn. v. Kardorf auf Remlin).
  2. Die alte Kirche zu Marienhoff in Ostfriesland. Abhandlung herausgeg. von der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländ. Alterthümer in Emden. Mit einem Titelbilde und Zeichnungen auf 16 Tafeln. Emden 1845. 4. (Geschenk der Gesellschaft.)
  3. Fr. v. Leber, Wiens kaiserl. Zeughaus. 2 Thl. Mit Titelbildern. Leipzig 1846. 8. (Geschenk der Wittwe des verst. Verf.)
  4. 15. Dr. Fr. Kuglers Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Gr. Zweite Aufl., umgearb. von Dr. J. Burchardt. 2. Bde. Berlin 1847. 8. (Geschenk des Hrn. v. Kardorf auf Remlin.)

V. Sammelwerke; allgemeine Geschichte und Biographie.

  1. Diplomat. Blätter für Genealogie und Staatenkunde. Zeitblatt für die höhern Stände. Herausgeg. von Freiherrn L. v. Zedlitz=Neukirch. Juli bis Decbr. 1837. Leipzig. 4.
  2. 20. Zeitung für den deutschen Adel. Redigirt von J. Baron de la Motte Fonqué. Jahrg. 1840-1843 Seit Febr. 1843 Redacteur: H. A. Freiherr v. Einsiedel. Leipzig, dann Altenburg. Gr. 4. (Nr. 16-20 Geschenke des Hrn. Baron A. v. Maltzan auf Peutsch.)
  1. J. Sporschil, Geschichte der Kreuzzüge. Mit Stahlstichen. Leipzig 1843. 8. (Geschenk des Hrn. v. Kardorf auf Remlin.)
  2. Nic. Holtmanni, praepositi Monaster. historia sui temporis ab anno 1516 usque ad a. 1529, ed. D. Moehlmann. Stade 1844. 8. (Geschenk des Hrn. Dr. v. Duve zu Ratzeburg.)
  3. Francisco Ximenes von W. Havemann. Abgedruckt aus den Göttinger Studien. Göttingen 1847. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)
  4. 25. Dr. W. A. Schmidt, Allgem. Zeitschrift für Geschichte. 4. Jahrg. Bd. VIII. Berlin 1847. 8. Dieselbe Zeitschrift. 5. Jahrg. Bd. IX. Das. 1848. 8.
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VI. Russische Ostseeländer. Dänemark.

  1. Verhandlungen der gelehrten Esthnischen Gesellschaft zu Dorpat. Zweiten Bandes 1stes Heft. Das. 1847. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)
  2. Regesta diplomatica historiae Danicae. Cura societatis regiae scientiarum Danicae. Tomus prior. Ab a. 822 usque ad a. 1536. 4.

VII. Die Schweiz, Tyrol und Krain.

  1. Beiträge zur vaterländischen Geschichte. Herausgeg. von der historischen Gesellschaft zu Basel. Bd. III. Das. 1846. 8. Geschenk der Gesellschaft.)
  2. a) Mittheilungen der zürcherischen Gesellschaft für vaterländische Alterthümer. Heft XII. (Ursprung und Bedeutung der Wappen, mit col. Abbild.) Zürich 1847. 4.
    b) Dritter Bericht über die Verrichtungen der antiquar. Gesellschaft in Zürich. Vom 1. Juli 1846 bis dahin 1847. 4. (Geschenk der Gesellschaft.)
  3. -35. Neue Zeitschrift des Ferdinandeums für Tyrol und Vorarlberg. Bd. 1-12. Insbruck 1835-1846. 8.
  1. Ferdinandeum. Dreiundzwanzigster Jahresbericht des Verwaltungs=Ausschusses. 1846. Insbruck 1847. 8. (Nr. 30-36 Geschenke der Gesellschaft des Ferdinandeums.)
  2. Mittheilung des histor. Vereins für Krain. Jahrg. 1846. Laibach. 4. (Geschenk des Vereins.)

VIII. Die Niederlande.

  1. Thet Freske Rüm met Anteekeningen van E. Epkema. Workum. 1835. 4.
  2. Gesta Fresorum, uit de Apographa Juniana met Anteekeningen van J. W. de Crane. Workum 1837. 4.
  3. 43. De vrye Fries. Deel I-IV. Leeuwarden. 1839 -1846. 8.
  1. Enige gedenkweerdige Geschiedenissen - beschredeur Fr. van Vervov. Leeuwarden 1841. 8.
  2. Oude Friesche Wetten. Erste Deel. Leeuwarden 1846. 8.
  3. Worperi Tyaerda ex Renismageest, prioris in Thabor, chronicorum Frisiae libri tres, ed. societas
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Frisiaca. Leowardiae 1847. 8. (Nr. 38 -46 herausgeg. und geschenkt von der Gesellschaft für friesische Geschichts=, Alterthums= und Sprachkunde zu Leuwarden.)

  1. Javaansche Oudheden. Over Verwstoffen der Ouden. Van Dr. C. Leemans. Leyden 1846. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)

IX. Allgemeine deutsche Geschichte und Alterthumskunde.

  1. Ch. L. Schäffer, Beiträge zur Vermehrung der Kenntniß der deutschen Alterthümer. Mit Kupfern. Quedlinburg und Leipzig 1764. 8. (Geschenk des Hrn. Bibliothekars Dr. Schönemann zu Wolfenbüttel.)
  2. Joh. Wilh. Chr. Steiner, Ueber das altdeutsche und insbesondere altbaierische Gerichtswesen in Bezug auf Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens in bürgerl. und peinl. Rechtsfällen. Aschaffenburg 1824. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)
  3. -54. L. Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. I-V. Berlin 1839-43. 8.
  1. G. Waitz, Deutsche Verfassungs=Geschichte. Bd. 2. Kiel 1347. 8.
  2. (Bell zu London). Ein Versuch, den Ort Schiringschheal - in dem Periplus von Othere und Wulfstan - mit einer Stadt in der Lage des vermeinten Vineta bei Rügen zu identificiren. Als Manuscript gedruckt. London 1847. 8. (Geschenk des Hrn. Archivar Lisch.)
  3. Das germanische Todtenlager bei Selzen in der Provinz Rheinhessen, dargestellt und erläutert von den Gebrüdern Lindenschmidt. Mainz 1848. Gr. 8.

X. Baden und Würtemberg.

  1. Statuten des Großherzogl. Badischen Alterthumsvereins, gegründet in der Stadt Baden. Das. 1844. 8. (Geschenk des Vereins.)
  2. Schriften des Alterthumsvereins für das Großherzogthum Baden. 1ster Jahrg. 1845. 8. (Ebenso.)
  3. Schriften des Alterthumsvereins für das Großherzogthum Baden und seines Filial=Vereines der historischen Section des Vereins für Gesch. und Naturgesch. zu Donaueschingen. 1ster Band mit 8 artistischen Beilagen (in gr. Fol.). Baden=Baden 1846. (Ebenso.)
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  1. a) Verhandlungen des Vereins für Kunst und Alterthum in Oberschwaben. Vierter Bericht. Mit einem Farbendruck und drei Steinzeichnungen. Ulm 1846. 8.
    b) Bartholomäus Zeytblum, und seine Altarbilder auf dem Heerberge. 5 Abbildungen. Dritte Veröffentlichung dess. Vereins. Ulm 1845. gr. Fol.
    c) Zur Architectur und Ornamentik des deutschen Mittelalters. Vierte Veröffentlichung dess. Vereins. Das. 1846. (Geschenke des Vereins.)
  2. Jahresbericht des histor. Kreis=Vereins für denRegierungs=Bezirk von Schwaben und Neuburg. Für das Jahr 1846 von Dr. v. Kaiser. Augsburg 1847. 4. (Geschenk des Vereins.)
  3. 64. Würtembergische Jahrbücher für vaterländ. Geschichte, Geographie etc. . Herausgeg. von dem statistisch=topographischen Bureau. Jahrg. 1845. 1846. Stuttgart 1847, 48. 8. (Geschenk des verein. statist. Bureaus und des Vaterlands=Vereins das.)

XI. Baiern.

  1. 66. Oberbaierisches Archiv für vaterländ. Geschichte. Herausgeg. von dem histor. Verein von und für Oberbaiern. Bd. VIII. Heft 3. Bd. IX. München 1847, 48. 8.
  1. Neunter Jahresbericht dess. Vereins. Für das Jahr 1846. Erstattet von Dr. J. v. Stichaner. Das. 1847. 8. (Nr. 65-67 Geschenke des Vereins.)
  2. 69. a) Archiv für Geschichte und Alterthumskunde von Oberfranken. Herausgeg. von A. v. Hagen. Bd. III. Heft 3. Bayreuth 1847. 8.
    b) Jahresbericht dess. Vereins für das Jahr 1846/47. Das. w. o. (Geschenke des Vereins.)
  1. Zehnter Bericht über das Bestehen und Wirken des histor. Vereins zu Bamberg in Oberfranken von Baiern, vom J. 1847. Bamberg 1847. 8. (Geschenk des Vereins.)
  2. -74. Jahresberichte des histor. Vereins im Oberdonau=Kreise, seit 1838 im Regierungsbezirke von Schwaben Neuburg. 1835-1846. Augsburg 1836-1847. 9 Hefte. 4. (Geschenk des Vereins.)
  1. Verhandlungen des histor. Vereins von Oberpfalz und Regensburg. Bd. XI., neuer Folge III. Regensburg 1847. 8. (Geschenk des Vereins.)
  2. Archiv des historischen Vereins von Unterfranken und
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Aschaffenburg. Bd. IX. Heft 3. Nebst dem 17ten Jahresberichte des Vereins. Würzburg 1847, 48. 8.

  1. Johann I. von Egloffstein, Bischof von Würzburg und Herzog von Franken, Stifter der ersten Hochschule in Würzburg. Von Dr. Reuß. Würzburg 1847. 8. (Nr. 76 und 77 Geschenke des histor. Vereins von Unterfranken.

XII. Hessen und der Mittelrhein.

  1. Dr. Steiner, Geschichte und Alterthümer des Rodgaus im alten Maingau. Darmstadt 1833. 8.
  2. Caroline Landgräfin von Hessen=Darmstadt. Von Dr. Steiner. Das. 1841. 8.
  3. Dr. Steiner, Ludewig I. Großherzog von Hessen und bei Rhein, nach seinem Leben und Wirken. Offenbach 1842. 8.
  4. Derselbe, Geschichte des Patrimonial=Gerichts Londorf und der Freiherren von Nordeck zu Rabenau. Darmstadt 1846. 8. (Nr. 78-81 Geschenke des Hrn. Verf.)
  5. Wetzlarsche Beiträge für Geschichte und Rechtsalterthümer, herausgeg. von Dr. P. Wigand. Bd. III. Heft 1. Wetzlar 1847. 8. (Geschenk des Vereins für Geschichte das.)
  6. Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Mit Abbildungen. 1stes bis 4tes Heft, Frankfurt a. M. 1839-47. gr. 8. (Geschenk der histor. Gesellschaft das.)
  7. Dr. L. H. Euler, die Güter= und Erbrechte in Frankfurt a. M. bis zum J. 1809. Frankfurt a. M. 1841. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)
  8. Mittheilungen des historischen antiquar. Vereins für die Städte Saarbrücken und St. Johann und deren Umgegenden. Ueber die römischen Niederlassungen in den Saargegenden von Dr. F. Schröter. Erste Abtheilung. Saarbrücken 1846. 8. (Geschenk des Vereins.)

XIII. Schlesien, Sachsen und Thüringen.

  1. Neues lausitzisches Magazin. Im Auftrage der oberlausitz. Gesellschaft herausgeg. von Dr. Tillich. Bd. 23. Görlitz 1846. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)
  2. Sammlung von Quellenschriften zur Geschichte Schlesiens. Herausgeg. vom Vereine für Geschichte und Alterthumsk. Schlesiens. Bd. I. Breslau 1847. 4. (Nebst den Statuten des Vereins - Geschenk desselben.)
  3. Uebersicht der Arbeiten und Veränderungen der schlesischen
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Gesellschaft für vaterländische Cultur im J. 1846. Breslau 1847. 4. (Geschenk der Gesellschaft.)

  1. Mittheilungen des königl. sächsischen Vereins für Erforschung und Erhaltung der vaterländischen Alterthümer. Erstes bis viertes Heft. Dresden 1835, 42, 46, 47. 8. (Geschenk des Vereins.)
  2. Neue Mittheilungen aus dem Gebiete historisch=antiquarischer Forschungen, herausgeg. von dem thüring.=sächsischen Vereine etc. . Bd. VIII. Heft 2. Halle 1848. 8. (Geschenk des Vereins.)
  3. Zwanzigster und einundzwanzigster Jahresbericht des vogtländ. alterthumsforschenden Vereins von F. R. Alberti. Gera 1847. (Geschenk des Vereins.)
  4. Henneberg. Urkundenbuch. Im Namen des dortigen alterthumsforschenden Vereins herausgegeb. von Ludw. Bechstein und Georg Brückner. II. Thl. 1330 - 1356. Meiningen 1847. 4.
  5. Einladungsschrift zur 15. Jahresfeier des henneberg. alterthumsforschenden Vereins in Meiningen am 14. Nov. 1847. Das. 4. (Nr. 93 und 94 Geschenke des Vereins.)

XIV. Westphalen und Niedersachsen.

  1. Archiv für friesisch=westphäl. Gesch. etc. . Herausgegeben von J. Möhlmann. Bd. I. Heft 1. Leer 1841. 8. (Geschenk des Hrn. v. Duve zu Ratzeburg.)
  2. Westphälische Provincial=Blätter. Verhandlungen der westphälischen Gesellschaft zur Beförderung der vaterländ. Kultur. Bd. III. Minden 1845, 46. 8.
  3. Dr. N. Meyer, historische Skizze über Entstehung und Entwickelung der westphäl. Gesellschaft zur Beförderung der vaterländischen Cultur etc. . Minden 1846. 4. (Nr. 95 und 96 Geschenke der Gesellschaft.)
  4. a. Geh. Rath v. Schmidt=Phiseldeck und die öffentliche Meinung. Helmstadt 1827. 8.
    b) Ueber meinen Austritt aus dem herzogl. braunschw. Staatsdienste von J. v. Schmidt=Phiseldeck. Hannover 1827. 8.
  5. G. P. v. Bülow, Beiträge zur Geschichte der Braunschw. Lüneburg. Lande und zur Kenntniß ihrer Verfassung und Verwaltung. Braunschweig 1829. 8.
  6. S. P. Gans, Ueber die Verarmung der Städte und des Landmanns, und den Verfall der städtischen Gewerbe im nördlichen Deutschland, besonders im Königreiche Hannover.
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Braunschweig 1831. 8. (Nr. 97-99 Geschenke des Hrn. Bibliothekars Dr. Schönemann zu Wolfenbüttel.)

  1. Landgerichts=Protocoll des bremischen Erzbischofs Balduin, herausgeg. von D. Möhlmann. Stade 1843. 8. (Geschenk des Hrn. Dr. v. Duve zu Ratzeburg.)
  2. Zeitschrift des Museums zu Hildesheim. Abtheilung für Geschichte und Kunst. Erster Band. Hildesheim 1846. 8. Nebst den Statuten und dem ersten Jahresberichte des Vereins. (Geschenk des Vereins.)
  3. C. Bege, Geschichte der Städte Seesen und Scheppenstedt. Wolfenbüttel 1846. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)
  4. Archiv des historischen Vereins für Niedersachsen. Neue Folge. Jahrg. 1847. Erstes Doppelfest. Hannover 1847. (Geschenk des Vereins.)
  5. v. Ledebur, die Grafen von Falkenstein am Harze und ihre Stammgenossen. Berlin 1847. 8. (Geschenk des Herrn Verfassers.)

XV. Preußen und Pommern.

  1. Dr. J. W. Holle. Die Fürstengrüfte der Hohenzollern zu Kulmbach, Bayreuth und Himmelkron. Mit einer Stammtafel. Bayreuth 1845. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)
  2. Hohenzollerische Forschungen. Thl. I. Schwäbische Forschung. Von v. Stillfried und Dr. Märcker. Berlin, 1847. 8. (Geschenk des Hrn. Herausgebers.)
  3. M. F. Rabe. Die eiserne Jungfer und das heimliche Gericht im königl. Schlosse zu Berlin. Mit 2 Steindrücken. Berlin 1847. 8.
  4. -111. Neue preußische Provincial=Blätter. Im Namen der Alterthums=Gesellschaft Prussia herausgegeben von Dr. A. Hagen und Dr. Mekelnburg. Bd. 1.-4. Königsberg 1846, 47. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)
  1. Neue preußische Provinzial=Blätter. Im Namen der Alterthums=Gesellschaft Prussia herausgegeben von Dr. A. Hagen. Bd. V. Heft 1, 2. Königsberg 1848. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)
  2. 114. Baltische Studien. Herausgegeben von der Gesellschaft für pommersche Geschichte und Alterthumskunde. Jahrg. XII. Heft 2. Stettin 1846. 8. Dieselbe Zeitschrift, Jahrg. XIII. Heft 1. Das. 1837. 8. (Geschenke der Gesellschaft.)
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  1. Zur Geschichte des Stralsunder Gymnasiums von Dr. E. H. Zober. Dritter Beitrag 1616-1679. Mit 2 Bildnissen. Stralsund 1848. 4. (Geschenk des Hrn. Verfassers.)

XVI. Hamburg und Lübeck; Schleswig=Holstein.

  1. Zeitschrift des Vereins für Hamburg. Gesch. Bd. II. Heft 4. Das. 1847. 8. (Geschenk des Vereins.)
  2. K. Klug. Die Lübeckischen Landkirchen nach ihren äußeren Verhältnissen seit der Reformation. Lübeck 1843. 4.
  3. Marienwold. (Brigittenkloster bei Mölln). Von Prof. Dr. Deecke. Lübeck 1848. 4. (Geschenk des Herrn Verf.)
  4. 120. Nordalbingische Studien. Neues Archiv der Schleswig=Holsteins Lauenburg. Gesellschaft für vaterländische Geschichte. Dritter Band. Vierten Bandes erstes und zweites Heft. Kiel 1846, 47, 8. (Geschenk der Gesellschaft.)
  1. Zwölfter Bericht der königl. schleswig=holstein=lauenburgischen Gesellschaft etc. Kiel 1847. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)

XVII. Meklenburgica.

  1. Lobrede der durchlauchtigsten Fürstin Elisabeth aus königlichem Stamme zu Dänemark, Herzogin zu Meklenburg etc. . Rostock, 1587. 4.
  2. Memorie illustr. princ. Annae Sophiae, Joannis Alberti I., ducis Megap. conjugis, epicedion N. Chytraci. Rostochii, 1591. 4. (Nr. 122 und 123 Geschenke des Herrn Baron B. v. Maltzan zu Warin.)
  3. Die Perle von Lindahaide. Festspiel zur Feier der Vermählung des Kronprinzen Friedrich von Dänemark mit der Prinzessin Karoline von Meklenburg=Strelitz. Gedichtet von F. Förster. 1841. 4.
  4. E. Boll, Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg. Heft 1. Neubrandenburg. 1847. 8.
  5. A. v. Haugwitz, Vorschläge zur Beförderung von Fideicommiß=Stiftungen etc. . Neubrandenburg 1847. 8. (Nr. 124 bis 126 Geschenke des Herrn Baron A. v. Maltzan auf Peutsch.)
  6. Urkundliche Geschichte des Geschlechts v. Oertzen von G. C. F. Lisch. Erster Theil. Vom Ursprung des Geschlechts bis zum J. 1400. Mit 5 Steindrucktafeln. Schwerin 1847. 8. (Geschenk der Familie v. Oertzen.)
  7. Neue Meklenb. Volks=Bibliothek. Herausgeg. von David
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Assur. Jahrg. I. Schwerin 1847. 8. (Geschenk des Hrn. Herausgebers.)

  1. Sammlung wichtiger Erfahrungen auf dem Felde der thierärztlichen Praxis von Dr. C. J. F. Gillmeister (aus Ludwigslust) fürstl. Thurn und Taxischem Marstalls=Roßarzte. Leipzig 1841. 8.
  2. Dr. C. J. F. Gillmeister, Trickopterygia, Beschreibung und Abbildung der haarflügeligen Käfer. Mit 2 schwarzen und 7 illum. Kupfertafeln. Nürnberg 1845. 8. (Nr. 129 und 130 Geschenke des Herrn Glasmalers Gillmeister hieselbst.)

Schwerin, den 1. Juli 1848.

A. F. W. Glöckler,     
als Bibliothekar.       

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XIII. 1.

Quartalbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde.


Schwerin, den 4. October 1847.

Vignette

D er Personal-Bestand des Vereines hat sich seit Johannis nicht verändert. Dagegen sind neuerdings wiederum mit 5 auswärtigen Vereinen in der herkömmlichen Weise Verbindungen angeknüpft, nämlich mit dem historischen Verein für Inner-Oesterreich zu Grätz, dem historischen Verein für Schwaben und Neuburg zu Augsburg, dem Ferdinandeum zu Innspruck, der Gesellschaft für Frankfurts Geschichte und Kunst, und dem Museum zu Hildesheim. - Der von auswärts angeregte und in dem letzten Quartalberichte ausführlicher besprochene Plan einer formellen Vereinigung aller Vereine ist dagegen auf der Germanisten-Versammlung zu Lübeck zwar aufs Neue zur Sprache gebracht, dem Vernehmen nach aber vollständig gescheitert. Aber auch die wünschenswerthe weitere Ausbildung und festere Gestaltung des Vereins für allgemeine deutsche Geschichte scheint auf jener Versammlung nicht wesentlich gefördert zu sein; doch ist Aussicht vorhanden, dass der deutsche Bund die Herausgabe der Reichstagsacten durch eine namhafte Summe unterstützen werde. Erwarten wir nun den officiellen Bericht und die weitern Schritte des Vorstandes.

Die neuen Erwerbungen für unsere Sammlungen sind folgende:

I. für die Bibliothek:

1) 2) Möller, Tysk och Swensk Ord-Bok. Bd. I. und II. Upsala 1801. 4.

3) Möller, Schwedisch-deutsches Wörterbuch. Zweite Aufl. Leipzig. 1808. 4.

4) Dänisch-deutsches und deutsch-dänisches Handwörterbuch. Altona. 1811. 8.

5) H. Bolzenthal. Skizzen zur Kunstgeschichte der modernen Medaillen-Arbeit (1429-1840). Mit 30 Kupfertaf. Berlin. 1840. 8.

6) J. Sporschil, Geschichte der Kreuzzüge. Mit Stahlstichen. Leipzig. 1843. 8. (No. 5 u. 6 Geschenke des Hrn. v. Kardorf auf Remlin.)

7) Fr. v. Leber, Wiens Kaiserl. Zeughaus. 2 Th. Mit Titelbildern. Leipzig. 1846. 8.

8) Dr. W. A. Schmidt, Allgem. Zeitschrift für Geschichte. Vierter Jahrg. Bd. VIII. Heft 1-3. Berlin. 1847. 8.

9-13) L. Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. I-V. Berlin. 1839-43. 8.

14) Hohenzollerische Forschungen. Th. I. Schwäbische Forschung. Von v. Stillfried und Dr. Maercker. Berlin. 1847. 8. (Geschenk der Hrn. Herausgeber.)

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15) Dr. J. W. Holle, Die Fürstengrüfte der Hohenzollern zu Kulmbach, Bayreuth und Himmelkron. Mit einer Stammtafel. Bayreuth. 1845. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)

16) Dmitry de Schoeppingk, Lettre sur une fouille, faite dans le Gouvernement de Voronége en Russie. Bruxelles. 1847. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)

17) Beiträge zur vaterländ. Geschichte. Herausgeg. von der histor. Gesellschaft zu Basel. Bd. III. Das. 1846. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)

18-30) Neue Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg. Bd. 1-12. Innsbruck. 1835-1846. 8.

31) Ferdinandeum. Drei und zwanzigster Jahresbericht des Verwaltungsausschusses. 1846. Insspruck. 1847. 8. (No. 18-31 Geschenke der Gesellschaft des Ferdinandeums.)

32) a. Verhandlungen des Vereins für Kunst und Alterthum in Oberschwaben. Vierter Bericht. Mit 1 Farbendruck und 3 Steinzeichnungen. Ulm. 1846. 8
b. Bartholomaeus Zeytblum und seine Altarbilder auf dem Heerberge. 5 Abbildg. Dritte Veröffentlichung dess. Vereins. Ulm 1845. Gr. Fol.
c. Zur Architectur und Ornamentik des deutsch. Mittelalters. (Vierte) Veröffentlichung dess. Vereins. Das. 1846. (Geschenke des Vereins.).

33) Jahresbericht des histor. Kreis-Vereins für den Regier.-Bezirk v. Schwaben u. Neuburg. Für das J. 1846. Von Dr. v. Rainer. Augsburg. 1847. 4. (Geschenk des Vereins.)

34) a. Oberbayerisches Archiv für vaterländ. Gesch. Herausgeg. von dem histor. Vereine von und für Ober-Bayern. Bd. VIII, Heft 3. München. 1847. 8.
b. Neunter Jahresbericht desselben Vereins. Für das J. 1846. Erstattet von Dr. J. v. Stichaner. Das. 1847. 8. (Geschenk des Vereins.)

35) a. Archiv für Gesch. u. Alterthumskunde von Oberfranken. Herausgeg. von A. v. Hagen. Bd. III, Heft 3. Bayreuth. 1847. 8.
b. Jahresbericht desselb. Vereins für das J. 1846-47. Das. w. o. (Geschenke des Vereins.)

36) Zehnter Bericht über das Besteben und Wirken des histor. Vereins zu Bamberg in Oberfranken von Bayern v. J. 1847. Bamberg. 1847. 8. (Geschenk des Vereins.)

37) Dr. L. H. Euler, Die Güter und Erbrechte in Frankfurt a. M. bis zum J. 1509. Frankfurt a. M. 1841. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)

38) Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Mit Abbildungen. Erstes bis viertes Heft. Frankfurt a. M. 1839-1847. G. 8. (Geschenk der histor. Gesellschaft das.)

39) a. Westphälische Provinzial-Blätter. Verhandlungen der westphälischen Gesellschaft zur Beförderung der vaterländ. Cultur. Dritter Band. 3tes u. 4tes Heft. Minden. 1845. 46. 8.
b. Dr. N. Meyer, Histor. Skizze über Entstehung und Entwickelung der westphälischen Gesellschaft zur Beförderung vaterländ. Cultur etc. Minden. 1846. 4. (Geschenke der Gesellschaft.)

40) 41) Baltische Studien. Herausgeg. von der Gesellschaft für pommersche Geschichte u. Alterthumskunde. Jahrg. XII, Heft 2. Stettin. 1846. 8.

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Dieselbe Zeitschrift, Jahrg. XIII, Heft I. Das. 1847. 8. (Geschenke der Gesellschaft.)

42) Ch. L. Schäffer, Beyträge zur Vermehrung der Kenntniss der teutschen Alterthümer. Mit Kupfern. Quedlinburg u. Leipzig. 1764. 8.

43) a. Gr. v. Schmidt-Phiseldeck und die öffentl. Meinung. Helmstädt. 1827. 8.
b. Ueber meinen Austritt aus dem herzogl. braunschw. Staatsdienste von J. v. Schmidt-Phiseldeck. Hannover 1827. 8.

44) G. P. v. Bülow, Beiträge zur Geschichte der Braunschw.-Lüneburg. Lande u. zur Kenntniss ihrer Verfassung und Verwaltung. Braunschweig. 1829. 8.

45) S. P. Gans, Ueber die Verarmung der Städte und des Landmanns, und den Verfall der städtischen Gewerbe im nördlichen Deutschland, besonders im Königreich Hannover. Braunschweig, 1831. 8. (No. 42-45 Geschenke des Hrn. Bibliothekars Dr. Schönemann zu Wolfenbüttel.)

46) C. Bege, Geschichten der Städte Seesen u. Scheppenstedt. Wolfenbüttel. 1846. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)

47) Urkundliche Geschichte des Geschlechts v. Oertzen von G. C. F. Lisch. Erster Theil. Vom Ursprung des Geschlechts bis zum J. 1400. Mit 5 Steindrucktafeln. Schwerin. 1847. 8. (Geschenk der Familie v. Oertzen.)

48) Neue meklenburg. Volks-Bibliothek. Herausgeg. von David Assur. Heft 1-4. Schwerin. 1847. 8. (Geschenk des Hrn. Herausgebers.)

II. Für die Urkunden-Sammlung.

1) Original-Urkunde der Herzogin Sophie von Meklenburg über den Verkauf eines Hauses zu Rehna an Hartwig von Bülow auf Wedendorf, d. d. Rehna 30. Aug. 1633. Geschenk des Hrn. Bürgermeisters Daniel zu Rehna.

2) Hochdeutsche Uebersetzung einer Urk. über den Verkauf eines Hauses an den Ritter-Kaland zu Sternberg, d. d. 7. Jun. 1399. Geschenk des Hrn. v. Bülow zu Wahmkow.

III. Für die Alterthums-Sammlung:

    A. aus vorchristlicher Zeit:

       1) aus der Zeit der Hünengräber:

1 Urne und mehre Urnenscherben, ohne Verzierung, 1 durchborte Streitaxt aus Hornblende, und 3 Pfeilspitzen aus Feuerstein , aus einem Hünengrabe bei Stuer; ferner ein schön geschliffener Keil aus Feuerstein, aus einem zweiten Hünengrabe daselbst; endlich noch ein etwas hohl geschliffener Keil aus Feuerstein aus einem Hünengrabe bei Vietlübbe, aufgegraben und eingesandt durch Hrn. Pastor Ritter zu Vietlübbe. - 1 Streitaxt und 1 Keil aus Hornblende, gefunden bei Bützow und eingesandt durch Hrn. Fr. Seidel daselbst. - 1 Streitaxt aus Hornblende, geschenkt von dem Hrn. Fridericianer Weir zu Schwerin. - 1 ovaler Schleuderstein aus weisslichem Kalkstein mit einer Rille um den Rand, gefunden hei Teterow, geschenkt von dem Hrn. Inspector Bencke zu Pampow bei Teterow. - 1 Schleif-

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stein aus rothem Sandstein, regelmässig keilförmig 5 1/2" lang, gefunden auf dem Felde von Gr.-Lukow bei Teterow, geschenkt von dem Hrn. Baron v. Maltzan auf Gr.-Lukow. -1 Schmalmeissel von ungewöhnlicher Schönheit aus marmorirtem Feuerstein 8 3/4" lang und 1 1/4" breit, gefunden auf dem Felde von Tramm bei Dassow, geschenkt von dem Hrn. Justiz-Rath v. Paepcke auf Lütgenhof. - 1 Pfeilspitze aus Feuerstein, gefunden bei Vietlübbe, geschenkt von dem Hrn. Pastor Ritter daselbst. - 1 halbmondförmiges Messer aus Feuerstein, gefunden bei Retzow, geschenkt vom Hrn. Advocaten Lembke, eingesandt vom Hrn. Pastor Ritter. - 1 Lanzenspitze aus Feuerstein, gefunden zu Satow durch den Holzwärter Hrn. Neickel, und geschenkt von dem Hrn. Pastor Vortisch daselbst. -1 Keil aus gelbem Feuerstein und 1 Dolch mit viereckigem Griffe aus schwarzem Feuerstein, ohne Ermittelung des Fundortes erworben und geschenkt von dem Hrn. Gensdarmen Grotrian zu Grabow. - 1 Schleifstein aus weissgrünem Thonschiefer, 6" lang, 3" breit, 3/4" dick, geschenkt von dem Hrn. Candidaten Willbrand zu Grüssow.

       2) aus der Zeit der Kegelgräber:

Der Inhalt mehrer von Hrn. Pastor Ritter aufgedeckten Kegelgräber bei Suckow: 2 Sicheln, 5 1/2 und 4 1/4" lang, 1 Säge, 2 3/4" lang, 3 Messer von 3 bis 3 1/2" Länge, 1 Pfeilspitze mit Schaftzunge, 3" lang, 5 Nadeln, theils gerade, theils gebogen, von 1 3/4 bis 5" Länge, 1 Nähnadel, 2" lang, 1 Pincette, 2 Handringe, 3 Fingerringe, von resp. 1 1/2, 1 und 3/4" innerer Weite, 1 offener Ring aus Draht, 1 Doppelknopf, Bruchstücke eines gewundenen Halsringes, eines Handringes, einer Heftel und einer Messerklinge; alles aus Bronze, zum Theil mit edlem Roste, endlich mehre Thongefässe, worunter eines in Schachtelform, fast viereckig, mit abgerundeten Ecken, flachem Boden und aufrecht stehenden Wänden, 17 1/2" lang, 9 1/2" breit, und 6" hoch, die übrigen von gewöhnlicher Urnenform aus dieser Zeit. -Aus einem Grabe bei Vietlübbe, aufgedeckt vom Hrn. Pastor Ritter: 1 Scheermesser, fast ohne Rost, 1 Pfriemen mit knöchernem Griffe, 3 1/4" lang, beides aus Bronze, und mehre Urnen. - 2 Urnen aus einem Grabe bei Damerow, aufgegraben durch Hrn. Pastor Ritter. - 1 Hifthorn aus Bronze, etwas gekrümmt, 12" lang, an dem weitern Ende 3" weit, durch 9 erhabene Reifen mit eingravirten Schräglinien verziert, und dem Mundstücke des wismarschen Hornes (Jahresber. III. Fig. 1.) sehr ähnlich, gefunden beim Ausmodden eines Sumpfes auf der Feldmark Teterow, von dem Hrn. Inspector Bencke zu Pampow (jetzt in Hamburg) erworben und dem Vereine geschenkt. - 1 Urne, 6 3/4" hoch, mit 2 kleinen Henkeln auf dem Bauchrande, gefunden in einem Grabe zu Levenstorf, fideicommissarische Ueberweisung des Hrn. Erblandmarschalls Grafen Hahn auf Basedow. - 2 Menschenschädel, gefunden in einem Moore zu Moltzow, in welchem schon öfter Alterthümer aus der Bronzezeit gefunden wurden, geschenkt von dem Hrn. Landrath Reichsfreiherrn v. Maltzan auf Rothenmoor etc. - 1 Nach-

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bildung einer Schwertklinge aus Bronze, welche in einem Moderloche zu Warbelow bei Gnoien gefunden und in dem Besitze des Hrn. Otto auf Warbelow ist, geschenkt von dem Hrn. v. Kardorf anf Remlin. - 1 Urne aus einer festen, hellgrauen Thonmasse mit sehr feinen Feldspathsplittern, 2 1/2" im Durchmesser und von ungefähr gleicher Höhe, einige Bronzestreifen , und ein Beschlag aus reinem Silber, gefunden zu Mamerow, beim Ausgraben eines Fundamentes unter einer nicht besonders hervorragenden Anhöhe, geschenkt von dem Hrn. v. Pentz. Die kleine Urne stand in einer grösseren, welche mit Sand und Knochen gefüllt war, aber zerbrochen ist. Dieser Umstand hat die Aufführung dieser Alterthümer in dieser Rubrik veranlasst, obgleich sowohl die Thonmasse der Urne, als das daneben gefundene Metall auf eine andere Zeit hinzuweisen scheinen.

       3) aus der Zeit der Wendenkirchhöfe:

3 braune und 2 schwarze Urnen mit einer eisernen Hakenfibel, gefunden bei dem Bau eines neuen Hofes zu Pampow bei Teterow, geschenkt von dem Hrn. Inspector Bencke. -1 kleine, nur 3 3/4" hohe, und eben so weite Urne, worin eine grosse breite Schnalle mit breitem Metallheft und Nieten, eine kleine runde Schnalle, und ein Beschlag mit Nieten und einem rundgerollten Bleche, in welchem noch Holzfasern sitzen, gefunden wurden, alles aus Bronze mit ziemlich tiefem Roste, gefunden zu Klinck bei Waren, durch Vermittelung des Hrn. v. Kardorf auf Remlin von der Gemalin des Hrn. Kähler auf Klinck dem Vereine geschenkt. -1 kleine 4" hohe, schwarze Urne, stark mit Glimmerfünkchen durchknetet, neben einer andern ähnlichen kleinen Urne unter einer grössern, welche umgestülpt 2 Fuss tief unter der Erde in dem Hofgarten zu Granzin gefunden wurde, geschenkt von dem Hrn. H. Willebrand. - 1 hellbraune Urne, 6" hoch, mit Punktlinien, 1 runde Schnalle, und 1 kleines Messer aus Eisen, ohne Rost und gut erhalten, gefunden zu Laschendorf bei Malchow, geschenkt von dem Hrn. Klosterhauptmann v. Borck. - Mehre Urnenscherben mit den charakteristischen Verzierungen der Urnen dieser Periode, gefunden zu Moltzow bei Malchin in einem Moderloche, in welchem früher bronzene Spiralcylinder gefunden sind, geschenkt von dem Hrn. Reichsfreiherrn Maltzan auf Peutsch. - 7 Spindelsteine, gefunden bei Bützow. geschenkt von dem Hrn. Fr. Seidel daselbst; 2 Spindelsteine, gefunden bei Kröpelin, geschenkt von dem Hrn. Pastor Vortisch zu Satow; noch 1 Spindelstein, geschenkt von dem Hrn. Candidaten Wilbrandt zu Grüssow. Die meisten dieser Alterthümer sind aus gebranntem Thon mit verschiedenen Verzierungen, nur 2 aus Sandstein.

    B. Aus dem Mittelalter:

1 Streitbeil mit Spuren von Relief-Verzierungen und von Vergoldung. 1 breites kurzes Schwert, 12" lang (ohne die Griffzunge) und 2 1/4" breit, 1 gerades Jagdmesser 11" lang, 1 Geräth den alten Frameen mit Schaftloch ähnlich,

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alles aus Eisen, gefunden bei der Burg Stuer, geschenkt von der Frau Domainen-Räthin Kollmann, geb. v. Flotow, zu Grüssow (eingesandt durch Hrn. Pastor Ritter). - 1 grosses Messer aus Eisen mit hölzernem Griffe, 1 gekrümmtes sägenartiges Werkzeug, 1 großes gabelförmiges Werkzeug, und 1 grosser Schlüssel aus Eisen, gefunden beim Ausmodden des alten Burggrabens der Burg Strietfeld, geschenkt von dem Hrn. Candidaten Koch zu Lage (eingesandt von dem Hrn. v. Kardorf auf Remlin). - 1 Axt, gefunden zu Bülow bei Teterow drei Fuss tief unter der Erde, geschenkt von dem Hrn. Inspector Bencke zu Pampow. - 1 Dolchmesser mit hölzernem Griffe, 5 Pfeilspitzen, und 2 zerbrochene Lanzenspitzen aus Eisen; ferner Scherben von blaugrauen Töpfen, Bruchstücke von Ziegeln u. s. w., gefunden in einem kreisförmigen Fundamente von Feldsteinen auf dem sogenannten fürstl. Berge bei Wolken, unweit Bützow am Ufer der Nebel, eingesandt von dem Hrn. Bauschreiber Becker zu Bützow durch Vermittelung des Hrn. Fr. Seidel daselbst. -1 eiserne Pfeilspitze, gefunden in Bützow, geschenkt durch Hrn. Fr. Seidel daselbst. - 1 eisernes, mit einer pechartigen Masse überzogenes rostfreies Instrument, einem Beile ähnlich, mit einem Stiel, roh aus einem Stücke gearbeitet, 9 1/2" lang, gefunden unter einem Steinhaufen zu Suckow am Plauer See, geschenkt von dem Hrn. Zollenkopf auf Suckow (eingesandt vom Hrn. Pastor Ritter). - 1 mit gravirtem Elfenbein ausgelegte Armbrust mit eisernem Bügel, aus dem 16. Jahrhundert, geschenkt von der Frau Kammerräthin Wendt zu Schwerin. - 1 vergoldeter Sporn aus Messing mit Relief-Verzierungen, geschenkt von dem Hrn. Pastor Hast zu Hagenow. - 1 Hufeisen, gefunden 6 Fuss tief in einem Moore bei Suckow, geschenkt vom Hrn. Pastor Ritter. 1 Schnalle aus Zinn mit eiserner Zunge, gefunden bei der Burg Stuer, geschenkt von demselben. - 1 eiserner Schlüssel, 9 3/4" lang, gefunden auf dem angeblichen Kirchhofe des untergegangenen Dorfes Gallin, zwischen Retzow und Garvsdorf, geschenkt von dem Hrn. Pächter Dabel zu Retzow (eingesandt vom Hrn. Pastor Ritter). - 1 kleiner Bronze-Grapen, gefunden in einem Moor zu Rothenmoor bei Malchin, geschenkt von dem Hrn. Landrath, Reichsfreiherrn v. Maltzan auf Rothenmoor. - Mehre Bruchstücke von Krügen aus blaugrauem Thon, und ein kleiner eiserner Schlüssel, gefunden beim Abräumen des Fundamentes eines Anbaues an der ehemaligen bischöflichen Residenz zu Bützow, geschenkt vom Hrn. Fr. Seidel daselbst. - 1 schön gearbeiteter und gut erhaltener Henkelkrug mit Relief-Verzierungen, grau und hochblau glasurt, gefunden im Fundamentschutt eines Hofgebäudes zu Alt-Schlön, geschenkt vom Hrn. Klosterhauptmann v. Borck zu Malchow. - 2 Ofenkacheln mit Reliefbildern, über welchen die Inschrift: E. V. POMEREN. , und MERGVRIVS , mit der Jahreszahl 1566 steht, gefunden zu Pampow bei Teterow, geschenkt von dem Hrn. Inspector Bencke daselbst. - 1 Gussform zu einem Gürtelbuckel oder etwas ähnlichem aus feinem grauen Sandstein, geschenkt von dem Hrn. Kandidaten Willbrandt zu Grüssow.

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    C. Alterthümer aussereuropäischer Völker:

1 kleines Beil aus Nephrit in Knochen eingelassen, und mit knöchernem Stiel von den Sandwichinseln, erworben aus dem Rödingschen Kunstmuseum zu Hamburg.

IV. Für die Münzsammlung:

a. durch Geschenk:

1) von dem Hrn. Pastor Vortisch zu Satow:

1 stralsund. Vierschillingstück von 1659, mit vielen anderen später eingeschmolzenen Münzen zu Ober-Steffenshagen in einem Ochsenhorn gefunden.

2) von dem Hrn. Apotheker Block zu Krakow:

4 verschiedene norddeutsche Silbermünzen.

3) von dem Hrn. Inspector Bencke zu Pampow:

5 meklenb. und dänische Silbermünzen aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts.

4) von dem Hrn. Klosterhauptmann v. Borck zu Malchow:

1 königl. polnisches Groschenstück von 1760, gefunden beim Abbruch der Kirche zu Kloster Malchow.

5) von dem Hrn. Felix v. Borck zu Kloster Malchow:

1 russisch-polnisches Zehngroschenstück von 1830.

6) von dem Hrn. Dabel zu Hof Retzow:

1 alter böhmischer Groschen und 1 Groschen aus dem 17. Jahrhundert, gefunden auf dem retzower Felde in der Nähe der Dorfstelle von Gallin (Gorgelin?).

7) von dem Hrn. Bibliothekar Dr. Schönemann zu Wolfenbüttel:

15 ganze und halbe alte Bracteaten,
3 Silbermünzen
9 Kupfermünzen.

8) von dem Hrn F. Seidel zu Bützow:

1 viereckiges Goldmünzengewicht aus Messing für das Gewicht eines holländischen oder "geldernschen Reuters (Ruyder)" aus dem 16. Jahrh., gefunden am Klüschenberge bei Bützow (vgl. Jahrb. IX., S. 405.)

9) von dem Hrn. F. W. Kretschmer zu Berlin:

Zeichnung dieses und eines andern gleichen Gewichts in der königl. Münzsammlung zu Berlin.

V. Für die Siegelsammlung:

einen Wachsabdruck des alten Stadtsiegels von Malchin schenkte Hr. Fr. Seidel zu Bützow.

Für die Naturaliensammlung wurde in dem abgewichenen Quartale nichts erworben, und wird dies künftig vielleicht noch weniger der Fall sein, da sich kürzlich durch die Bemühungen des Hrn. Reichsfreiherrn A. v. Maltzan auf Peutsch, dessen reger Liebe zur Wissenschaft auch unser Verein so vieles verdankt, ein besonderer "Verein der Freunde der Naturgeschichte in Meklenburg" gebildet, und bereits das 1ste Heft seines Archivs, herausgegeben von Boll (Neubrandenburg bei Carl Brunslow, 1847) ausgegeben hat, welches unter andern eine sehr interessante Abhandlung über "die Ostsee, eine naturhistorische Schilderung" von dem Hrn. Herausgeber enthält. Indess hat dieser Verein, welcher seine erste Versammlung am 26. Mai d. J. zu Malchin gehalten hat, bis jetzt wenigstens weder einen

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festen Sitz, noch eine Sammlung, so dass sich sein künftiges Verhältniss zu dem unsrigen noch nicht bestimmen lässt.

An wissenschaftlichen Arbeiten sind eingeliefert:

1) Vom Hrn. Archivar Lisch: Geschichte der heiligen Bluts-Capelle im Dom zu Schwerin. - Ueber die Besitzungen des Klosters Amelungsborn in Meklenburg. - Beiträge zur Geschichte des Landes Röbel. - Luben von Wulffen, Kammer-Präsident des Herzogs Carl Leopold, und die Erbverpachtungen in Meklenburg.

2) Von dem Hrn. Consistor.-Secretair Wulfleff zu Neustrelitz: Bemerkungen zu der Abhandlung von G. C. F. Lisch: Geschichte der Johanniter-Comthureien Nemerow und Gardow (Jahrb. IX, S. 28-96).

3) Von dem Unterzeichneten: Ueber die Abstammung Niclots, Fürsten der Obotriten.

Ausserdem sind dem Verein von mehren Seiten Nachrichten über Alterthümer und mittelalterliche Baudenkmäler gegeben, namentlich von dem Hrn. Archivar Lisch über die Kirche zu Reknitz, und von dem Hrn. Pastor Ritter über die Wallberge bei Suckow am Plauer See.

Das von dem Hrn. Pastor Ritter übernommene 2te Inhaltsverzeichniss der Jahrbücher und Jahresberichte des Vereins, Bd. VI. bis X. wird nach dem Berichte des Hrn. Verfassers bald zum Drucke fertig sein. - Die Ausarbeitung eines Leitfadens für das Antiquarium, welche auf der General-Versammlung in Anrege kam, hat der Unterzeichnete nach weiterer Besprechung des Planes in der letzten Versammlung des Ausschusses definitiv übernommen.

An grössern historischen Werken, welche ausserhalb des Vereins erschienen sind, sind hier wiederholt zu nennen: die urkundliche Geschichte des Geschlechts v. Oertzen vom Archivar Lisch, und die Geschichte des Landes Stargard vom Pastor Boll, wovon der 2te Theil kürzlich ausgegeben ist.

Endlich mag es erlaubt sein, hier wiederholt auf die schon in dem Jahresberichte kurz besprochene Copie des 1sten Miniaturbildes aus Kirchbergs Chronik aufmerksam zu machen, welche in farbigem Steindruck aus der Officin des Hrn. Hof-Lithographen Tiedemann in Rostock dem zugleich mit diesem Berichte ausgegebenen 12ten Bande unserer Jahrbücher beigegeben ist.

W. G. Beyer, Dr., Archiv-Secr.,     
als zweiter Secretair des Vereins.     

 

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XIII. 2.

Quartalbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde.


Schwerin, den 3. Januar 1848.

Vignette

S o lange der Verein besteht, hat derselbe noch in keinem Quartale einen so bedeutenden Verlust an Mitgliedern zu bedauern gehabt, als in dem jüngst abgelaufenen. Es sind nämlich 4 Mitglieder: Pastor Zander zu Roggendorf, Consistorial-Secretair Wulfleff zu Neu-Strelitz, Präpositus Krull zu Doberan und von Behr-Negendank auf Passow, durch den Tod, und 15 andere: die Herren von Oertzen auf Kotelow, Präpositus Grimm zu Gr. Lasch, Uhrmacher Seveke zu Boizenburg, Hofrath Bahlke zu Neu-Strelitz, Advocat Krull zu Güstrow, Advocat Siemssen zu Neu-Brandenburg, Rath Löper daselbst, Pogge zu Rostock, Senator Drechsler zu Bützow, Criminal-Gerichts-Secretair Reinold daselbst, von Storch auf Wildkuhl, Gerichtsrath Langfeld zu Parchim, Dr. Friese zu Neu-Brandenburg, Dr. Meyer zu Gnoien und Advocat Ringwicht zu Schwerin, durch Kündigung ausgeschieden. Dagegen sind nur 5 Herren, nämlich Bürgermeister Grischow zu Wesenberg, v. d. Lücken auf Zahrenstorf, Theodosius von Lewezow auf Hohen-Mistorf, Landrath Louis von Oertzen auf Jürgenstorf und Kammerherr Carl von Oertzen auf Marin, dem Vereine beigetreten, so dass sich die Zahl der Mitglieder um 14 vermindert hat. Hoffen wir, dass das neue Jahr diesen Verlust ersetzen werde!

Dagegen hat sich die Zahl der correspondirenden Vereine abermals vermehrt, indem auch mit dem Alterthumsvereine für das Grossherzogthum Baden zu Baden-Baden, dem königl. sächsischen Vereine für Erforschung und Erhaltung vaterländischer Geschichte und Kunstdenkmale zu Dresden, der Alterthums-Gesellschaft Prussia zu Königsberg, der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Alterthümer zu Emden, der kaiserl. russischen archäologisch-numismatischen Gesellschaft zu Petersburg, und der Gesellschaft für friesische Geschichts-, Alterthums- und Sprachkunde zu Leuwarden, die herkömmliche Verbindung angeknüpft ist.

Die Erwerbungen für unsere Sammlungen waren zum Theil sehr bedeutend, namentlich

I. für die Bibliothek:

1) Conjectures sur quelques Médailles Sassanides, postérieures au roi Firouz, par Mr. de Bartholomaei. St. Petersbourg. 1847. 8.

2) Réponse a Mr. Droysen sur ses conjectures, concernant les premiers rois de la Bactriaue par J. de Bartholomaei. St. Petersbourg. 1847. 8. (No. 1 u. 2 Geschenke des Herrn Verf.)

3) J. T. Bagmihl, Pommersches Wappenbuch. Bd. III, Liefer. 11 u. 12. Stettin. 1847. 8.

4) M. F. Rabe, Die eiserne Jungfer und das heimliche Gericht im königl. Schlosse zu Berlin. Mit 2 Steindrucken. Berlin. 1847. 8.

5) Die alte Kirche zu Marienhaff in Ostfriesland. Abhandlung herausgeg. von der Gesellschaft für bild. Kunst und vaterländ. Alterthümer in Emden. Mit einem Titelbild und Zeichnungen auf 16 Tafeln. Emden. 1845. 4. (Gechenk der Gesellschaft.)

6) Lucas Cranachs Stammbuch, enthaltend die Bildnisse von Fürsten und Gelehrten aus der Reformations-Geschichte. Herausgeg. von Ch. v. Mechel. Berlin. 1814. Gr. Fol.

7) Dr. W. A. Schmidt, Allgemeine Zeitschrift für Geschichte. Vierter Jahrgang. Achten Bandes viertes bis sechstes Heft. Berlin. 1847. 8.

8) Francisco Ximenes von W. Havemann. Abgedruckt aus den Göttinger Studien. Göttingen. 1847. 8. (Geschenk des Herrn Verf.)

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9) G. Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte. Band 2. Kiel. 1347. 8.

10) Statuten des Grossherzogl. Badischen Alterthumsvereins, gegründet in der Stadt Baden. Das. 1844. 8.

11) Schriften des AlterthumsVereins für das Grossherzogthum Baden. Erster Jahrg. 1845. 8.

12) Schriften desselben Vereine und seines Filial-Vereines, der histor. Section des Vereins für Gesch. und Naturgesch. zu Donaueschingen. Erster Band mit 8 artist. Beilagen (in Qr. Fol.) Baden-Baden. 1846. 8. (No. 10-12. Geschenke des Vereins.)

13) Oberbayerisches Archiv für vaterländ. Gesch. Herausgeg. von dem histor. Verein von und für Oberbayern. Neunten Bandes erstes u. zweites Heft. München. 1847. 8. (Geschenk des Vereins.)

14-23) Jahresberichte des histor. Vereins im Oberdonau-Kreise und seit 1838 im Regierungs-Bezirke von Schwaben u. Neuburg. 1835-1846. Augsburg. 1836-1847. 9 Hefte 4. (Geschenk des Vereins.)

24) Würtembergische Jahrbücher für vaterländ. Geschichte, Geographie etc. Herausgeg. von dem statistisch-topographischen Büreau. Jahrg. 1845. Stuttgart 1847. 8. (Geschenk des statist. Büreaus das.)

25) Uebersicht der Arbeiten und Veränderungen der schlesischen Gesellschaft für vaterländ. Kultur im J. 1846. Breslau. 1847. 4. (Geschenk der Gesellschaft)

26-29) Mittheilungen des königl. sächsischen Vereins für Erforschung und Erhaltung der vaterländ. Alterthümer. Erstes bis viertes Heft. Dresden. 1835. 42. 46. 47. 8. (Geschenk des Vereins.)

30) Henneberg. Urkundenbuch. Im Namen des dortigen alterthumsforschenden Vereins herausgeg. von Ludw. Bechstein u. Georg Brückner. II. Th. 1330-1356. Meiningen. 1847. 4. (Geschenk des Vereins.)

31) Zwanzigster und einundzwanzigster Jahresbericht des voigtländ. alterthumsforschenden Vereins von Fr. Alberti. Gera. 1847. (Geschenk des Vereins.)

32) Westphälische Provincial-Blätter. Verhandlungen der westphäl. Gesellschaft zur Beförderung der vaterländ. Cultur. Bd. IV, Heft 1. Minden. 1847. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)

33) Zeitschrift des Museums zu Hildesheim. Abtheilung für Geschichte und Kunst. Erster Band. Hildesheim. 1846. 8. Nebst den Statuten und dem ersten Jahresberichte des Vereins. (Geschenk des Vereins.)

34) Archiv des histor. Vereins für Niedersachsen. Neue Folge. Jahrg. 1847. Erstes Doppelheft. Hannover. 1847. (Geschenk des Vereins.)

35) v. Ledebur. Die Grafen von Valkenstein am Harze und ihre Stammgenossen Berlin. 1817. 8. (Geschenk des Herrn Verf.)

36-39) Neue preussische Provincial-Blätter. Im Namen der Alterthums-Gesellschaft Prussia herausgeg. von Dr. A. Hagen u. Dr. Meckelburg. Bd. 1-4. Königsberg. 1846. 47. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)

40) (Bell zu London) Ein Versuch den Ort Schiringsheal - in dem Periplus von Othere und Wulfstan - mit einer Stadt in der Lage des vermeinten Veneta bei Rügen zu identificiren. Als Manuscript gedruckt. London. 1847. 8. (Geschenk des Herrn Archivar Lisch.)

41-42) Nordalbingische Studien. Neues Archiv der Schleswig-Holstein-Lauenburg. Gesellschaft für vaterländ. Gesch. Dritter Band. Vierten Bandes erstes Heft. Kiel. 1846. 47. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)

43) Zwölfter Bericht der königl. schleswig-holstein-lauenb. Gesellschaft etc. Kiel. 1847. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)

44) K. Klug. Die Lübeckischen Landkirchen nach ihren äusseren Verhältnissen seit der Reformation. Lübeck. 1843. 4. (Geschenk des Vereins.)

45) Verhandlungen der gelehrten Estnischen Gesellschaft zu Dorpat. Zweiten Bandes erstes Heft Das. 1847. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)

46) A. v. Haugwitz, Vorschläge zur Beförderung von Fideicommiss-Stiftungen etc. Neubrandenburg. 1847. 8.

47) E. Boll, Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Meklenburg. Heft 1. Neubrandenburg. 1847. 8. (No. 46 u. 47 Geschenke des Herrn Reichsfreiherrn A. v. Maltzan auf Peutsch.)

48) Memoriae illustr. pr. Anuae Sophiae, Joanois Alberti I. ducis Megap. coniugis, epicedion N. Chytraei. Rostochii. 1591. 4.

49) Lobrede der durchlauchtigst. Fürstin - Elisabeth aus königl. Stamme zu Dänemark, Hertzogin zu Meckelburg etc. Rostock. 1587. 4. (No. 48 u. 49) Geschenke des Herrn Reichsfreiherrn B. v. Maltzan zu Warin.)

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50) Sammlung wichtiger Erfahrungen auf dem Felde der thierärztlichen Praxis von Dr. C. J. F. Gillmeister (aus Ludwigslust) fürstl. Thurn- und Taxis'schem Marstalls-Rossarzte. Leipzig. 1841. 8.

51) Derselbe, Trichopterygia, Beschreibung und Abbildung der haarflügeligen Käfer. Mit 2 schwarzen u. 7 illum. Kupfertafeln. Nürnberg. 1845. 8. (No. 50 u. 51 Geschenke des Herrn Glasmalers Gillmeister hies.)

II. Für die Alterthums-Sammlung:

    A. vorchristliche Zeit:

       1) Zeit der Hünengräber:

1 Keil aus Grünstein 6 3/4" lang und 1 1/2" dick, überall geschliffen und von ganz ungewöhnlicher Form; 1 Keil aus dunkelgrünem Feuerstein, 7" lang; 1 Keil aus hellgrauem Feuerstein, 6" lang, 2 Dolche aus hellgrauem Feuerstein, resp. 8 1/4" und 5 1/2" lang, mit viereckigem Griffe; 1 Lanzenspitze aus bräunlichem Feuerstein, 4 1/2" lang; 3 halbmondförmige Messer und 1 Pfeilspitze aus grauem Feuerstein, gefunden zu verschiedenen Zeiten im Rogahner Torfmoor, geschenkt vom Herrn Gymnasiallehrer Dethlof zu Schwerin. - 1 Keil aus Hornblende mit spitzem Bahnende, und 1 Keil aus Feuerstein, gefunden in einem Moore bei Güstrow bei den Eisenbahnarbeiten, geschenkt vom Herrn Oberinspector von Sprewitz daselbst. - 1 Keil aus Hornblende, gefunden im Moor bei Anlegung des Bahnhofes zu Güstrow, geschenkt vom Herrn Stadtbuchhalter Scheel daselbst. - 1 Streitaxt aus Hornblende, gefunden zu Woltow, geschenkt vom Herrn von Oertzen auf Woltow. -1 halbmondförmiges Messer aus Feuerstein, gefunden zu Schlagsdorf, geschenkt vom Herrn Benecke zu Hamburg. - 1 grosser Span aus Feuerstein, gefunden im Nebel-Moor bei Wolken; 1 unvollendeter Dolch und 1 halber Span aus Feuerstein, unbekannten Fundortes, geschenkt vom Herrn Fr. Seidel zu Bützow. - 1 Keil aus bräunlichem Feuerstein, gefunden 1845 auf dem Kammerberge bei Schwaan unter einem Steinhaufen (Hünengrab?), geschenkt vom Herrn Fr. Seidel zu Bützow. - Mehre Scherben von zwei zertrümmerten Urnen, gefunden in einem schon früher zerstörten Hünengrabe zu Rothenmoor bei Malchin, geschenkt vom Herrn Reichsfreiherrn Albrecht von Maltzan auf Peutsch.

       2) Zeit der Kegelgräber:

1 hellbraune Henkel-Urne, 12" hoch, in der Oeffnung 8" im Bauche 12" und im Boden 5" weit, mit Knochenresten, gefunden in einem Kegelgrabe zu Badegow bei Crivitz, geschenkt vom Herrn Landrath von Barner auf Bülow. - 1 Scherbe einer leider zertrümmerten Urne, nach dem Bogen der Scherbe mindestens 1 Fuss in der Oeffnung und 2 Fuss im Bauche weit, und 1 Mühlstein aus Granit 1 1/2" im Durchmesser und 3" dick, mit einem Loche in der Mitte, welcher als Deckstein der Urne diente, gefunden bei Medewege bei den Erdarbeiten zur Eisenbahn. -1 gewundener Halsring aus Bronze, und 1 gravirter Armring aus Bronze-Blech, zusammen gefunden zu Jabel bei Malchow, eingesandt vom Herrn Klosterhauptmann von Bork. - 3 Schalen aus Bronze-Blech, ohne Rost und wohl erhalten, gefunden in einem Moore zu Kl.-Lukow. Parochie Grubenhagen, geschenkt vom Herrn Reichsfreiherrn von Maltzan auf Kl.-Lukow.

       4) Zeit der Wenden-Kirchhöfe:

1 ziemlich vollständig erhaltene Urne und mehre Scherben aus einer bei Anlage der Eisenbahn zwischen Bützow und Güstrow durchschnittenen Grabstätte bei der Schwiesowschen Ziegelei, eingesandt von Herrn Ingenieur Bölken und Herrn Fr. Seidel. - 1 Heftel aus Bronze, gefunden beim Bau der Eisenbahnbrücke im Nebel-Moor bei Wolken, und 1 ähnliche Heftel, gefunden auf dem Wenden-Kirchhofe am Mahnkenberge bei Bützow, geschenkt vom Herrn Fr. Seidel zu Bützow. - 2 Spindelsteine aus Sandstein und 2 dergleichen aus Thon, gefunden zu Dahmen, geschenkt vom Herrn Reichsfreiherrn A. von Maltzan auf Peutsch. - 4 Spindelsteine aus Thon, gefunden bei Brüel, geschenkt vom Herrn Candidaten Segnitz zu Schwerin.

    B. Mittelalter:

1 Pfeilspitze und 1 Lanzenspitze aus Eisen, und 1 Henkelkrug aus weissem Thon, gefunden auf dem Burgplatze von Wolken bei Bützow, geschenkt vom Herrn Fr. Seidel. - 2 kleine Hufeisen verschiedener Form, ge-

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funden bei Pampow bei Teterow, geschenkt vom Herrn Bedecke zu Hamburg.

    C. Auswärtige Alterthümer:

1 Urne, in Gestalt und Masse den Urnen der Bronze-Zeit Meklenburgs ähnlich, gefunden zu Nehmten am Plöner-See in Holstein, geschenkt vom Herrn Reichsfreiherrn von Maltzan auf Duchnow in Polen.

III. Für die Münzsammlung:

durch Geschenk:

1) von dem Herrn Fr. Seidel zu Bützow nachstehende, auf den Aeckern und in den Gärten bei Bützow nach und nach gefundenen Münzen:

1 Pfennig des Königs Johann von Dänemark (1481-1513), Münzstätte Stadt Malmoë,
1 Pfennig der Stadt Malmoë aus dem 15. Jahrh.,
13 silberne und kupferne Scheidemünzen aus Meklenburg, Pommern, Lübeck etc.;

2) von dem Herrn Stadtbuchhalter Scheel zu Güstrow:

1 halber Gulden der Stadt Rostock. 1617.
1 Sechsling des Herzogs Johann Albrecht II. 1622.
1 Dreiling des Herzogs Gustav Adolph. 1671.

3) von dem Herrn Fr. Seidel zu Bützow:

1 alte Münze, gefunden auf dem Wendfelde bei Sternberg (vgl. Jahresber. V, S. 97.);

4) von dem Herrn Westermann zu Bielefeld:

1 seltener Viertel-Pfennig der Stadt Wismar aus dem 14 Jahrh.,
1 Groschen des Herzogs Albrecht Wallenstein vom J. 1630,

5) von dem Herrn Pastor Simonis zu Gorlosen:

1 Rechenpfennig von Haus Krauwinck, 1601, gefunden auf dem Pfarrhofe zu Gorlosen;

6) von dem Herrn Beneke zu Hamburg:

3 kleine türkische Silbermünzen (welche der Herr Zimmermeister Zingermann zu Teterow aus Constantinopel mitgebracht und dem Herrn Beneke geschenkt hat).

IV. Für die Siegelsammlung:

Abdruck des grossen Siegels der Königin Sophie Louise, Gemahlin des Königs Friedrich I. von Preussen, gebornen Prinzessin von Meklenburg. Geschenk des Herrn F. W. Kretschmer in Berlin.

V. Für die Bildersammlung:

1) Portrait des Philosophen J. J. Engel, schöner Kupferstich von J. J. Freidhof, nach dem Originalgemälde von F. G. Weilsch, 1804,

2) Portrait des Historikers, Prof. Dahlmann, nach dem Leben auf Stein gezeichnet von P. Rohrbach, (1 u. 2 Geschenke des Bibliothekars Herrn Dr. Friedländer zu Berlin, welcher auch im Besitze des obgedachten Original-Portraits ist.)

An wissenschaftlichen Arbeiten hat Herr Archivar Lisch eingeliefert: Geschichte der Besitzungen des Klosters Arendsee in Meklenburg.

In der heutigen Quartal-Versammlung gab Herr Archivar Lisch Nachricht über mehre, theils in auswärtigen Archiven, theils im Privatbesitze befindliche Urkunden und Handschriften, die Geschichte Meklenburgs betreffend, deren abschriftliche Erwerbung der Ausschuss als höchst wünschenswerth erkannte, und die nöthigen Einleitungen zu diesem Zweck treffen wird. Auch des handschriftlichen Nachlasses des Pastors Cleemann zu Parchim wurde gedacht, und sollen darüber nähere Erkundigungen eingezogen werden. Bei dieser Gelegenheit finde auch die Bemerkung hier Platz, dass der Herr Bibliothekar Dr. Friedländer in Berlin sich im Besitze des umfänglichen Briefwechsels des Professors Engel befindet, während die handschriftlich nachgelassenen Werke desselben von der Academio der Wissenschaften in Berlin aufbewahrt werden.

Ausserdem kam der schon früher besprochene Plan der Entwerfung einer antiquarischen Charte Meklenburgs wiederholt zur Sprache, doch schien ein solches Unternehmen, worauf die Aufmerksamkeit des Ausschusses auch ferner gerichtet bleiben wird, zur Zeit noch nicht hinreichend vorbereitet.

W. G. Beyer, Dr., Archiv-Secr.,     
als zweiter Secretair des Vereins.     

 

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XIII. 3.

Quartalbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde.


Schwerin, den 3. April 1848.

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I n dem abgelaufenen Quartale hat der Verein ein Mitglied, den Herrn v. Schack auf Körchow zu Doberan, durch den Tod verloren, und drei andere, Herr Steuerrath Schulze hieselbst, Herr Hofrath Nauwerk zu Neustrelitz und Herr Lieutenant v. Lowzow hieselbst, sind ausgetreten. Wieder eingetreten dagegen ist Herr Baurath Bartning hieselbst.

Zu correspondirenden Mitgliedern wurden in der heutigen Quartalversammlung ernannt Herr Dr. E. Melly in Wien, welcher sein Interesse an unseren Bestrebungen längst durch einen langem Briefwechsel mit unserm ersten Secretair und mehrfache Geschenke an den Verein bethätigt hat, und Herr Auditor Möhlmann, bei der königl. hannöverschen Landdrostei zu Stade angestellt. - Desgleichen sind wiederum mit drei auswärtigen Vereinen Verbindungen angeknüpft, nämlich mit dem Vereine für siebenbürgische Landeskunde zu Hermannstadt, dem Vereine für Geschichte und Alterthum Schlesiens zu Breslau und dem historisch-antiquarischen Vereine für die Städte Saarbrücken und St. Johann und deren Umgegend zu Saarbrücken.

Für die Sammlungen des Vereins wurden erworben:

I. für die Bibliothek:

1-2) Dr. F. Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Grossen. Zweite Aufl. umgearb. von Dr. J. Burckhardt. 2 Bd. Berlin. 1847. 8. (Geschenk des Herrn v. Kardorff auf Remlin.)

3) Dr. W. A. Schmidt's allgem. Zeitschrift für Geschichte. Fünfter Jahrg. Bd. IX. Heft 1-3. Berlin. 1848. 8.

4) Nicol. Holtmanni, praepositi Monaster. historia sui temporis ab anno 1516 usque ad a. 1529. ed. D. Möhlmann. Stadal. 1844. 8. (Geschenk des Herrn Dr. v. Duve zu Ratzeburg.)

5) Javaansche Oudheden. Over Verwstoffen der Ouden. Van Dr. C. Leemans. Leyden. 1846. 8. (Geschenk des Herrn Verf.)

6-9) De vrije Fries. Deel I-IV. Leeuwarden. 1839-1846. 8.

10) Worperi Tyaerda ex Renismageest, prioris in Thabor, chronicorum Frisiae libri tres, ed. societas Frisiaca. Leovardiae. 1847. 8.

11) Enige gedenckweerdige Geschiedenissen - beschreven deur Fr. van Vervov. Leuwarden. 1841. 8.

12) Oude Friesche Wetten. Eerste Deel. Leuwdn. 1846. 8.

13) Thet Freske Riim met Anteekeningen van E. Epkema. Workum. 1835. 4.

14) Gesta Fresorum, uit de Apographa Juniana met Anteekeningen van J. W. De Crane. Workum. 1837. 4. (No. 6-14 sind herausgeg. und geschenkt von der Gesellschaft für friesische Geschichts-, Alterthums- und Sprachkunde zu Leeuwarden.)

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15-16) Regesta diplomatica historiae Danicae. Cura societatis regiae scientiarum Danicae. Tomus prior. Ab a. 822 usque ad a. 1536. 2 Vol. 4.

17) Das german. Todtenlager bei Selzen in der Provinz Rheinhessen, dargestellt und erläutert von den Gebrüdern W. und L. Lindenschmit. Mainz. 1848. Gr. 8.

18) Mittheilungen des histor. Vereins für Krain. Jahrg. 1846. Laibach. 4. (Geschenk des Vereins.)

19) Mittheilungen des historisch-antiquar. Vereins für die Städte Saarbrücken und St. Johann und deren Umgegenden. Ueber die römischen Niederlassungen in den Saargegenden von Dr. F. Schroeter. Erste Abth. Saarbrücken. 1846. 8. (Geschenk des Vereins.)

20) Wetzlarsche Beiträge für Geschichte und Rechtsalterthümer, herausgegeben von Dr. P. Wigand. Bd. III. Heft 1. Wetzlar. 1847. 8. (Geschenk des wetzlarschen Vereins für Gesch.)

21) Verhandlungen des histor. Vereins von Oberpfalz und Regensburg. Elfter, neuer Folge dritter Band. Mit 8 Abbildungen. Regensburg. 1847. 8. (Geschenk des Vereins.)

22) Neue Mittheilungen aus dem Gebiete histor.-antiquar. Forschungen, herausgeg. von dem thüring.-sächs. Verein etc. Bd. VIII. Heft 2. Halle. 1848. 8. (Geschenk des Vereins.)

23) Einladungsschrift zur 15. Jahresfeier des henneberg. alterthumsforschenden Vereins in Meiningen am 14. Nov. 1847. Das 4. (Geschenk des Vereins).

24) Sammlung von Quellenschriften zur Geschichte Schlesiens. Herausgeg. vom Vereine für Geschichte und Alterthum Schlesiens. Bd. I. Breslau. 1847. 4. (Nebst den Statuten des Vereins. - Geschenk desselben.)

25) Neue Preussische Provincial-Blätter. Im Namen der Alterthums-Gesellschaft Prussia herausgeg. von Dr. A. Hagen. Bd. V. Heft 1. 2. Königsberg. 1848. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)

26) Zur Gesch. des Stralsunder Gymnasiums von Dr. E. H. Zober. Dritter Beitrag. 1616-1679. Mit 2 Bildnissen. Stralsund. 1848. 4. (Geschenk des Herrn Verf.)

27) Archiv für friesisch-westphäl. Gesch. etc. Herausgeg. von J. Möhlmann. Bd. I. Heft 1. Leer. 1841. 8.

28) Landgerichts-Protocoll des bremischen Erzbischofs Balduin, herausgeg. von D. Möhlmann. Stade. 1843. 8. (No. 27 u. 28 Geschenke des Herrn Dr. v. Duve zu Ratzeburg.)

29) Zeitschrift des Vereins für Hamburg. Gesch. Bd. II. Heft 4. Das. 1847. 8. (Geschenk des Vereins.)

30) Nordalbing. Studien. Bd. IV. Heft 2. Kiel. 1847. 8. (Geschenk des Vereins.)

31) Neue meklenburg. Volksbibliothek, herausgeg. von Dav. Assur. Jahrg. IV. Heft 5 u. 6. Schwerin. 1847. 8. (Geschenk des Herrn Herausgebers.)

32) Fr. v. Leber, Wiens kaiserl. Zeughaus. 2 Thl. in 1 Bd. Leipzig. 1846. 8. (Geschenk der Wittwe des kürzlich verstorbenen Verf.)

II. Zur Urkundensammlung schenkte Herr Archivar Lisch Abschriften von 3 Originalurkunden im Archive der neustädter Kirche zu Röbel, nämlich

1) Privilegien-Bestätigung für die Wollenweber zu Röbel 1291 Jan. 6;

2) Zunftrolle des Wollenweber-Amtes zu Neu-Röbel. 1463 Jan. 30;

3) Dotirung des H. Geist-Hospitals zu Röbel. 1298 Febr. 19.

Von dem in der Neujahrsversammlung zur Sprache gebrachten Diplomatarium des Klosters Himmelpfort, worin sich 64 meklenburgische Urkunden be-

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finden, hat der Herr Geh. Archivrath Riedel zu Berlin mit grösster Zuvorkommenheit auf Kosten der hoben Regierung eine Abschrift besorgt, welche im hiesigen Geheimen, und Haupt-Archive niedergelegt worden ist.

III. Für die Alterthums-Sammluug:

    A. aus vorchristlicher Zeit:

       1) Zeit der Hünengräber:

1 Streitaxt aus Hornblende, 1 ganz kleiner Keil aus Feuerstein, aus einer zertrümmerten Urne in einem Hünengrabe bei Klink, gefunden beim Chausseebau von Röbel nach Waren, geschenkt von dem Gutsbesitzer Herrn Kähler. - 1 unvollendete Streitaxt aus Hornblende, gefunden beim neuen Bauhof bei Stavenhagen; 1 sogenannter Schleuderstein aus röthlichem Hornstein, und 1 Streitaxt aus Hornblende, gefunden bei Schorsow am malchiner See ; 1 griffelförmiger Wetzstein, gefunden zu Faulenrost bei Malchin auf der Stelle eines zerstörten Hünengrabes, Geschenke des Herrn Schornsteinfegermeisters Heinroth zn Stavenhagen. - 1 Lanzenspitze aus Feuerstein, gefunden zu Viecheln bei Gnoien, geschenkt vom Herrn v. Kardorf auf Remlin.

       2) Zeit der Kegelgräber:

1 grosse hellbraune Urne ohne Henkel und Verzierung, 11 374" hoch, ungefähr ebenso weit im Bauche, und 9 1/2" weit in der Mündung, und 1 kleinere hellbraune Urne, 9" hoch, 8" weit im Bauche, 4 1/2" weit in der Mündung, beide mit Resten verbrannter Gebeine eines erwachsenen Menschen gefüllt, 1 grade Nadel aus Bronze, 1 sogenanntes Scheermesser aus Bronze; 1 kleine Pinzette aus Bronze, gefunden in mehreren beim Chausseebau zwischen Waren und Röbel zerstörten Kegelgräbern, geschenkt vom Herrn Kähler auf Klink. - 1 hutförmiger Buckel aus Bronze mit 3 Nietlöchern, vom Herrn v. Kardorf auf Remlin von einem Kupferschmied in Gnoien erworben und dem Vereine geschenkt.

3) Zeit der Wenden-Kirchhöfe:

1 Spindelstein aus grauem Sandstein, und 1 desgleichen aus gebranntem Thon, geschenkt vom Herrn Schornsteinfeger Heinroth zu Stavenhagen.

    B. Aus dem Mittelalter:

1 Griff mit einem Theile der Klinge eines eisernen Schwertes, gefunden auf dem Hofe zu Mestlin, übergeben von dem Herrn Klosterhauptmann Le Fort zu Dobbertin. - 1 Kamm, gefunden unter Steinen zu Blengow, geschenkt vom Herrn Beste auf Blengow. - 1 eisernes, in der etwas verstümmelten Klinge noch über 3 Fuss und 2 Zoll langes Schwert, gefunden unter dem Mühlendamm zu Hagenow neben eisernen Sporen, einem Hufeisen und einem Pferdeschädel, geschenkt vom Herrn Bürgermeister Bölte zu Hagenow.

    C. Auswärtige Alterthümer:

1 in drei Stücken zerbrochenes Schwert mit einem verzierten Griff aus Bronze, mit der fehlenden Spitze etwa 20" lang, und 1 Sporn aus sehr heller Bronze von sehr eigenthümlicher Gestalt, ferner Bruchstücke der Klinge und der Knopf eines Schwertes, 1 Hütchen, 2 kleine Doppelknöpfe, 1 grosser Doppelknopf und 1 kleines Messer aus Bronze, sowie 3 kleine sehr regelmässig geformte Glasperlen, wahrscheinlich römischen Ursprunges, alles in 2 Kegelgräbern auf der Feldmark Louisenberg bei Kellinghusen in Holstein gefunden und von den Fräulein Bertha und Charlotte Ross zu Hamburg durch Vermittlung des Herrn Inspectors Beneke, jetzt zu Kölzow bei Sülz, geschenkt.

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IV. Zur Münzensammlung:

1) von dem Herrn Maneke auf Vogelsang:

1 niederländischer Thaler der Provinz Zeland vom J. 1621, gefunden auf dem Felde zu Vogelsang;

2) von dem Herrn Pastor Ritter zu Vietlübbe:

2 alte cölnische Silbermünzen aus dem 11. Jahrb., gefunden auf dem Felde von Vietlübbe;

3) von dem Herrn Schornsteinfegermeister Heinroth zu Stavenhagen, aus dem malchowschen Münzfunde (vgl. Jahresbericht XII, S. 38):

1 grosser Bracteat, 1 brandenburgischer Pfennig, 1 meklenburgischer Hohlpfennig;

4) von dem Herrn Klosterhauptmann Le Fort zu Dobbertin:

1 Bronze-Medaille auf die Krönung der Kaiserin Maria Theresia zur Königin von Böhmen, 1743, gefunden auf dem Amtsfelde zu Dobbertin.

V. Zur Siegelsammlung:

1) Pettschaft aus Messing mit einer heraldischen Lilie im ungetheilten Felde, und der Umschrift:

Umschrift

gefunden 1845 zu Lohmen, übergeben vom Herrn Klosterhauptmann Le For,

2) Original-Pettschaft des ehemaligen französischen Ober-Post-Amtes zu Hamburg, mit der Umschrift: Postes du graud-duché de Berg: direct. du chef-bur. á Hambourg, geschenkt von dem Eisenbahnbeamten Herrn Schünemann hieselbst.

An wissenschaftlichen Arbeiten ist eingegangen:

1) über die Verhältnisse der Herzoge Johann Albrecht, Ulrich und Christoph von Meklenburg zu Leonhard Thurneisser, während der Zeit von 1570 bis 1583 vom Herrn Bibliothekar Dr. Friedländer zu Berlin;

2) zur Geschichte der Stadt Röbel vom Herrn Archivar Lisch,

3) über zwei wichtige, zu Basedow und Lübberstorf gemachte Funde von Bronze-Geräthen, von demselben.

Ausserdem wird der Unterzeichnete noch zu dem bereits im Drucke befindlichen diesjährigen Hefte der Jahrbücher eine Abhandlung über die alten meklenburgischen Volksgerichte liefern.

Das von dem Herrn Pastor Ritter zu Vietlübbe angefertigte Register zu den Jahrbüchern des Vereins, Band 6-10 ist nunmehr vollendet, und der sofortige Druck desselben beschlossen worden.

In der heutigen Versammlung legte Herr Archivar Lisch ausser mehren für die grossherzogl. Sammlung erworbenen Alterthümern, zwei bronzene Kessel mit verschiedenen dazu gehörigen Geräthschaften, wovon der eine zu Basedow, der andere zu Lübberstorf gefunden, und welche in der oben angeführten Abhandlung näher beschrieben und besprochen worden sind, zur Ansicht vor. Diese im hohen Grade interessanten und wichtigen Funde bilden vollkommene Seitenstücke zu den 1838 bei Wesenberg und 1841 bei Roga gemachten, welche sich gegenseitig ergänzen und erläutern. Da die Eigenthümer, Herr Erblandmarschall Graf Hahn auf Basedow, und Herr v. Oertzen auf Lübberstorf, diese wichtigen Alterthümer dem Vereine nicht überlassen wollen, so beschloss der Ausschuss, dieselben für den nächsten Jahrgang der Vereinsschriften lithographiren zu lassen.

W. G. Beyer, Dr., Archiv-Secr.,     
als zweiter Secretair des Vereins.     

 

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